Informationen Zur Politischen Bildung/Izpb – Widerstand Gegen Den Nationalsozialismus
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InformationenWiderstand gegen den Nationalsozialismus – eine Einführung 1 zur politischen Bildung / izpb 330 2/2016 B6897F Widerstand gegen den Nationalsozialismus Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016 2 WIDERSTAND GEGEN DEN NATIONALSOZIALISMUS Inhalt 8 27 25 48 Widerstand gegen den Nationalsozialismus – Regimekritik und Versuche der Gegenöffentlichkeit 36 eine Einführung 4 Kriegsdienstverweigerer, Deserteure, Warnungen vor dem Nationalsozialismus vor 1933 8 „Bewährungseinheiten“ 999 37 Rote Kapelle 38 Weiße Rose 42 Widerstand als Reaktion auf NS-Machtübernahme Widerstand von Jugendlichen 46 und NS-Herrschaftspraxis 10 Die Gruppe um Hanno Günther 50 Widerstand aus der Arbeiterbewegung 10 Die Gruppe um Helmuth Hübener 51 Widerstand aus christlichem Glauben 14 Kreisauer Kreis 52 Widerstand und Exil 18 Der Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 56 Formierung der militärisch-zivilen Opposition 20 Claus Schenk Graf von Stauffenberg und der Umsturzplanungen 1938 21 Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 59 Georg Elser und das Attentat vom 8. November 1939 24 Widerstand von außen 64 Widerstand gegen die nationalsozialistische Judenverfolgung 66 Widerstand als Reaktion auf Krieg und Widerstand von Juden 68 NS- Gewaltverbrechen 26 Widerstand von Sinti und Roma 70 Widerstand aus der Arbeiterbewegung 27 Widerstand von Häftlingen 72 Die Europäische Union 30 Hilfen für Verfolgte 74 Die Widerstandsgruppe um Herbert Baum 30 Widerstand der letzten Stunde 75 Widerstand aus christlichem Glauben 32 Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016 3 Editorial Widerstand in der nationalsozialistischen Diktatur war im- mer die Haltung von sehr wenigen, von einzelnen und oft sehr einsamen Menschen. In diesem System mit totalitärem Anspruch riskierten Menschen, die Widerstand leisteten, ihr Leben. Umgeben waren sie von einer Bevölkerung, die sich in ihrer Mehrheit anpasste, ja vom Nationalsozialismus be- geistert zeigte und das Regime trug. Um die Vielfalt der Motive und Handlungen zu veran- schaulichen, aus denen heraus eine kleine Minderheit tätig wurde, ist dieses Heft stark biografisch ausgerichtet. Was veranlasste Einzelne, Widerstand zu leisten, was motivierte 59 sie zu ihren Aktionen, wer unterstützte sie? Welche Folgen mussten sie gewärtigen? Ohne Anspruch auf Vollständig- keit zu erheben, wird hier beispielhaft das breite, vielfältige 76 Spektrum des deutschen Widerstands gezeigt, das sich nur schwer in Kategorien fassen lässt. Um eine Übersicht zu ermöglichen, werden im Heft die Widerstandshandlungen vor dem Zweiten Weltkrieg und während des Krieges behandelt und gesellschaftlichen Gruppen zugeordnet, die sich auf vielfältige Art und Weise widersetzten. Dazu gehörten Hilfen für Verfolgte, Unterge- tauchte und Zwangsarbeiter, die Herstellung und Vertei- lung von Flugblättern und Klebezetteln, das Abhören und Verbreiten von Nachrichten ausländischer Radiosender, das Bemalen von Wänden mit Parolen gegen die NS-Herrschaft, das Verweigern und die Desertion vom Kriegsdienst, die In- formation über die nationalsozialistischen Verbrechen, die Vorbereitung von Attentaten auf den Diktator und die nati- onalsozialistische Führung. Für die Mehrheit der Zeitgenossen waren Menschen, die Widerstand leisteten, „Volksverräter“. Doch Widerstand ist vielfältig interpretierbar und kann im Laufe der Zeit an- ders gedeutet werden. Heute werden viele derjenigen, die sich dem NS-Regime widersetzten, für ihren Mut und ihre Die Wahrnehmung des Widerstands nach 1945 76 Zivilcourage angesichts eines verbrecherischen Regimes öf- Öffentlichkeit und politische Würdigungen 76 fentlich gewürdigt und mit Erinnerungszeichen und Denk- Der Remer-Prozess – ein Wendepunkt 78 mälern geehrt. Nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen aus der NS-Zeit Ringen um Entschädigung 78 wurde im Grundgesetz Artikel 20 Absatz 4 verankert, um Fehlende juristische Aufarbeitung 79 die Verfassungsprinzipien der Bundesrepublik Deutschland, Historische und mediale Aufarbeitung 79 die freiheitliche demokratische Grundordnung, die Rechts- staatlichkeit und die Menschenwürde, zu schützen: „Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, Literaturhinweise und Internetadressen 80 haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“ Das Beispiel der Menschen, die im Nationalsozialismus Der Autor und die Autorin 83 Widerstand geleistet haben, kann Anstoß geben, darüber nachzudenken, welche Handlungsmöglichkeiten und -spiel- räume dem Einzelnen bleiben, wenn die demokratische Impressum 83 Ordnung gefährdet ist. Widerstand komme, so Klaus von Dohnanyi, Sohn des 1945 hingerichteten Widerstandskämpfers Hans von Dohnanyi, immer zu spät. Entscheidend sei, dass Zivilcourage und Ord- nung vorher gewahrt werden. Jutta Klaeren Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016 4 WIDERSTAND GEGEN DEN NATIONALSOZIALISMUS JOHANNES TUCHEL / JULIA ALBERT Widerstand gegen den Nationalsozialismus – eine Einführung „Widerstand ist nicht, Widerstand wird!“ – mit diesen Wor- Aus heutiger Sicht umfasst der Begriff des Widerstands ein ten beschrieb Joachim Gauck als damaliger Vorsitzender des weites Spektrum von Verhaltensweisen. Zu seinen Ausgangs- Vereins „Gegen Vergessen – Für Demokratie“ im Juli 2004 den punkten gehörten systemkritische Haltungen, Selbstbehaup- prozesshaften Charakter aller gegen die nationalsozialisti- tung gegenüber der nationalsozialistischen Ideologie oder die sche Diktatur gerichteten Verhaltensweisen. Damit verwies er Verweigerung regimetreuer Aktivitäten. So konnten sich unter- nicht nur auf die Vielfalt und Wandlungsfähigkeit des Wider- schiedliche Formen der Gegenöffentlichkeit oder des Protests stands gegen den Nationalsozialismus, sondern gleichzeitig entwickeln. Sie boten wiederum die Voraussetzungen für die auch darauf, dass sich dieser Widerstand starren und einseiti- aktive Gegnerschaft oder für die politische Verschwörung, die gen Erklärungsversuchen entzieht. auf eine Veränderung der Verhältnisse oder den Umsturz des Widerstand gegen den Nationalsozialismus kann zuerst Regimes nach einem gelungenen Attentat auf Hitler zielten. einmal als Oberbegriff für alle Formen aktiven Handelns ge- Das handlungsorientierte und umfassende Verständnis des gen die nationalsozialistische Ideologie und Herrschaftspraxis Widerstands ermöglicht es der historischen Forschung, nicht verstanden werden. Beschrieben wird damit ein Verhalten, nur die Existenz von Handlungsspielräumen unter den Bedin- das mehr ist als nur eine kritische Einstellung gegenüber der gungen der Diktatur aufzuzeigen, sondern auch danach zu fra- Diktatur. Es setzt nicht nur die Bereitschaft zur Aktion voraus, gen, ob und wie sie genutzt wurden. Denn nur wenige ergrif- sondern erfordert konkrete Handlungen. Diese Handlungen fen die Möglichkeiten, die noch zur politischen Aktion gegen waren immer mit einem Risiko für die eigene Person oder für den Nationalsozialismus bestanden. Widerstand war damit in Familienangehörige verbunden. der NS-Zeit das abweichende Verhalten einer Minderheit ge- genüber der Mehrheitsgesellschaft. bpk / Carl Weinrother R3017/3828 Barch, Drei Pfeile – Symbol der Eisernen Front, Demonstration in Berlin am 1. Mai 1932 Von Walter Klingenbeck gemaltes „Victory“-Zeichen, München-Bogenhausen 1941 Gegen Monarchisten, Kommunisten und Nationalsozialisten – die Mitglieder der Der 1924 geborene Münchener Mechanikerlehrling verbreitet 1941 gemeinsam mit Eisernen Front bekennen sich zum Weimarer Verfassungsstaat und wollen ihn ge- Freunden Nachrichten, die sie beim Abhören ausländischer „Feindsender“ erfahren gen seine Feinde schützen. Manche sehen in den Pfeilen auch die SPD, die freien haben. Zudem malt Klingenbeck auf Hauswände und Straßenschilder mit schwar- Gewerkschaften und das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold. Nicht nur mit großen De- zer Ölfarbe das „Victory“-Zeichen, ein Symbol für den Sieg der Alliierten. Er wird im monstrationen wollen sie gemeinsam den Nationalsozialismus bekämpfen und die September 1942 vom „Volksgerichtshof“ zum Tode verurteilt und am 5. August 1943 Demokratie bewahren. in München-Stadelheim enthauptet. Informationen zur politischen Bildung Nr. 330/2016 Widerstand gegen den Nationalsozialismus – eine Einführung 5 Die meisten Deutschen begrüßten 1933 die neue Herrschaft. Sie folgten bereitwillig der nationalsozialistischen Führung oder passten sich zumindest in die NS-„Volksgemeinschaft“ ein. Nur wenige stellten sich dem Regime entgegen, und nur in den aller- wenigsten Fällen handelte es sich dabei um einen bewaffneten Widerstand wie in den von Deutschland besetzten Gebieten. Es gab in jeder Phase des NS-Regimes unterschiedlichste Formen des Widerstands, die von ethischen, politischen und religiösen Grundüberzeugungen getragen waren. Sie konnten einsamen Entschlüssen zum Sich-Widersetzen entspringen, aber auch auf gruppen- oder milieuorientierten Entscheidun- gen bzw. Haltungen beruhen. Sie konnten Reaktionen auf Unterdrückung und Verbrechen sein oder sich gegen den welt- anschaulichen Gestaltungs- und Führungsanspruch der Natio- nalsozialisten wenden. GDW Vor der nationalsozialistischen Regierungsübernahme 1933 Illegales Treffen von SPD- und SAP-Mitgliedern an der deutsch-tschechischen hatten vor allem die Parteien der Arbeiterbewegung, aber auch Grenze im Riesengebirge um 1935 viele Künstler und Intellektuelle vor den Gefahren des Natio- In Berlin sammelt der Junggewerkschafter Willi Gabriel (r. mit seiner Frau Erna) nalsozialismus gewarnt. Nach ihrer Regierungsübernahme im Informationen über die „Köpenicker Blutwoche“, in der die SA 1933 mehr als