Die vorliegende Ausarbeitung spürt den Gedenkorten des Bezirks -Köpenick nach, dazu gehören Gedenktafeln, Denkmäler und Stolpersteine. Sie geht auf einen BVV-Beschluß aus dem Jahr 2010 zurück, mit dem Ansinnen die Gedenkorte des Bezirks bekannter zu machen.

Adlershof

08.Mai 1945, SOWJETARMEE Adlergestell / Platz der Befreiung

Die Sandsteinstele Günter Schmolkes mit umlaufender Kup- fertafel wurde am 25.04.1975 anlässlich des 30. Jahrestags des Kriegsendes aufgestellt.1 Ihr Text lautet:

8. Mai \ 1945 \\ Ruhm \ und Ehre 1 \\ den \ Helden \\ der \ Sowjet- union

Der 08.05.1945 gilt in Deutsch- land mit der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht offiziell als Ende des Zweiten Kulturring in e. V. Weltkriegs. In Adlershof rückten die Sowjetsoldaten am 23.04.1945 ein.2

Johann Sebastian BACH Eisenach März 1685 – Leipzig 28.07.1750 Rudower Chaussee 16-25

1 O.A.: Obelisk zu Ehren der roten Armee eingeweiht am Platz der Befreiung Adlershof. BZA, 25.04.1975. Holger Hübner: Das Gedächtnis der Stadt. Ge- denktafel in Berlin. Argon, 1997, S. 379. 2 Eine Schilderung der letzten Kriegstage in Adlershof findet sich unter: Rudi Hinte: "Die Russen sind da!" Kriegsende, Befreiung und Wiederaufbau vor 60 Jahren. Adlershofer Zeitung, 04.2005, S.8. Eine Restaurierung des Denkmals erfolgte 2003 auf Initiative des Bürgervereins Cöllnische Heide. O.A.: Denk- mal wieder eingeweiht. Berliner Zeitung, 29.04.2003.

Adlershof

Seit 1990 befindet sich eine bronzene Büste zu Ehren Johann Sebasti- an Bachs vor der Musikschule Rudower Chaussee. Sie wurde von Manfred Strehlau geschaffen und zeigt den Musiker beim Dirigieren.3 Auf der Stele der Büste ist vermerkt:

joh / seb / b-a-c-h

Kulturring in Berlin e. V. 2

Ludwig BÖLKOW Schwerin 30.06.1912 - Grünwald 25.07.2003 Rudower Chaussee 17

Im Kaminzimmer der WISTA Management GmbH im Erdgeschoß wurde am 07.06.2000 eine Bronzetafel mit Reliefportrait von Ludwig Bölkow enthüllt. Bei der Einweihung der Gedenktafel war dieser selbst anwesend sein. Der Tafeltext lautet:

Herausragender Pionier der europäischen Luft- & Raumfahrt, Vor- kämpfer für die Nutzung regenerativer Energien. Hat in den Jahren 1938 & 1939 in diesem Gebäude gearbeitet „In einer komplexen Welt müssen wir für unser Denken & Handeln langfristig Verantwortung übernehmen, auch über das Ende unseres eigenen Lebens hinaus!“

Als Sohn eines Werkmeisters bei einem Flugzeugbauer, kam Bölkow schon früh in Kontakt mit dem Flugwesen. Auch seine Diplomarbeit 1938 an der Technischen Hochschule in Berlin wid-

3 Kommission Kunst im öffentlichen Raum des Bezirkes Treptow-Köpenick von Berlin: Verzeichnis Kunst im öffentlichen Raum – Bezirk Treptow- Köpenick. Bezirksamt Treptow-Köpenick, Amt für Weiterbildung und Kultur, Stand Januar 2016, S. 52.

Adlershof

mete er dem Flugzeugbau. Zu dieser Zeit gab es Verbindungen nach Adlershof. Nach dem Studium ging Bölkow nach Augsburg zu Messer- schmitt und war an der Entwicklung des ersten strahlgetriebenen Se- rienflugzeugs ME 262 beteiligt.4 Im Oktober 1940 führte Bölkow im Adlershofer Windkanal Untersuchungen zur Entwicklung eines Las- tenseglers durch. Zu Kriegszeiten leitete er das Konstruktionsbüro des ME109 und entwickelte den ersten Pfeilflügeljäger.

Bölkow war bis 1977 vorsitzender Geschäftsführer der Messersch- mitt- Bölkow-Blohm GmbH, die sich auf Rüstung, Luft- und Raumfahrt spezialisierte. MBB war in den 1980er Jahren der größte Rüstungs- hersteller der Bundesrepublik. Im Bereich Luftfahrt entwickelte das Unternehmen u.a. den Airbus und gehört heute zu EADS.5

Seit Ende der 1970er Jahre engagierte sich Bölkow für den Einsatz zu- kunftsweisender Energieträger, insbesondere für Sonne und Wasser- stoff. Er gründete 1983 die Ludwig-Bölkow Stiftung, die sich für öko- logische Nachhaltigkeit einsetzt.6

Michael BRÜCKNER Berlin 27.08.1939 - Berlin 14.03.1998 Friedlander Straße 156 (Nähe der Kapelle)

Mit Unterstützung des Heimatvereins Köpenick wurde am 14.12.2014 3 am Grab des ersten Bezirksbürgermeisters nach der Wahl 1990 eine Gedenktafel angebracht.7 Links auf der Tafel befindet sich ein Port- rätfoto mit Name und Lebensdaten, rechts der Text:

Michael Brückner wurde in Berlin-Oberspree geboren, wo er \ fast sein ganzes Leben verbrachte. Der Ingenieur für Elektro- \ technik wurde der erste nach der friedlichen Revolution 1989 \ frei gewählte Bezirksbürgermeister von Treptow seit 1948 und \ blieb bis zu seinem frühen Tod am 14. März 1998 im Amt. \ Er gehörte zu den Mitbe- gründern der Sozialdemokratischen Partei \ der DDR (SDP, ab 1990 SPD) in Treptow. Mit seiner ruhigen und \ ausgeglichenen Art erarbei-

4 Zu der Rolle der ME 262 im Krieg siehe: Christian Gödecke: Hitlers geheime Flugzeugfabriken. Düsenjäger im Dickicht. Spiegel Online, 30.11.2010. 5 Herbert Wulf: Waffenexport - Kein Geld mehr zu verpulvern. Die Zeit, 18.11.1983. vgl. o.A.: Rüstungsexport. Treffer mit Roland. Der Spiegel, 24.09.1990. 6 Soweit nicht anders vermerkt: Peter Strunk: Erinnerung an Ludwig Bölkow. WISTA-Management GmbH, Presseinformation 20/00. O.A.: Ludwig Bölkow gestorben. Adlershof Aktuell, 09.2003, S.11. Andreas Hentschel: Ludwig Bölkow. Ein Mann mit patenten Ideen. Stuttgarter Zeitung, 30.06.2012. In- golf Hertel: Ansprache anlässlich der Enthüllung einer Gedenktafel für Herrn Dr. Ludwig Bölkow. O.V., 07.06.2000. 7 Büro des Bezirksbürgermeisters: Bezirksbürgermeister enthüllt Informa- tionstafeln für Ehrengräber in Adlershof. Pressemitteilung, 08.12.2014. Der Grabstein wurde von Fabries Greyer gestaltet.

Adlershof

tete er sich bald eine hohe Wert- \ schätzung im Amt des Bezirksbür- germeisters. Zu den Schwer- \ punkten seiner Arbeit zählten der Auf- bau einer transparenten, \ bürgernahen Verwaltung, die Wiederher- stellung der durch die \ Berliner Mauer geteilten Verkehrsinfrastruk- tur sowie die Pflege \ der Kontakte zu den neuen Partnerstädten im In- und Ausland. \ Für einen wirtschaftlichen Aufschwung Treptows sorgte \ die Belebung des Wirtschafts- und Wissenschaftsstandortes \ Adlershof, dessen Entwicklung Michael Brückner stets \ unterstützte.

BUNKERBERG Friedlander Straße

In der BVV wurde auf Antrag der CDU am 17.12.2015 eine Empfeh- lung ausgesprochen, sich für ein Hinweisschild am sogenannten Bun- kerberg in der Nähe der Friedlander Straße einzusetzen. Der ehema- lige Luftschutzbunker könne als Erinnerung und Mahnung an den Zweiten Weltkrieg dienen.8

Georgi DIMITROFF Michailow Kovaceci 18.06.1882 - bei Moskau 02.07.1949 Anna-Seghers-Straße 91

An den bulgarischen Funktionär Georgi Dimitroff erinnert an der 4 Hauswand des ehemaligen Wohnorts seit 1972 eine von der Kunst- schmiedewerkstatt Kühn geschaffene Gedenktafel mit erhabener In- schrift:9

HIER WOHNTE \ GEORGI DIMITROFF \ GEB. 18.6.1882 GEST. 2.7.1949 \ SEINE KÜHNE UND ENTSCHLOSSENE \ ANKLAGE GEGEN DIE BARBA- REI \ DES HITLERFASCHISMUS WAR \ EIN LEUCHTENDES BEISPIEL \ FÜR ALLE ANTIFASCHISTISCHEN \ KÄMPFER

Die Tafel verweist auf Dimitroffs herausragende Rolle im Reichstags- brandprozess, bei dem Dimitroff, der sich selbst verteidigte, schluß- endlich freigesprochen wurde.

8 Drucksache der BVV Treptow-Köpenick: Hinweisschild für "Bunkerberg" in Adlershof. Beschluss 0741/42/15, 17.12.2015. 9 Über den genauen Aufenthaltszeitraum Dimitroffs ist keine Auskunft zu er- zielen. Schönfeld hält lapidar fest: „Lange wird Georgi Dimitroff nicht in Treptow gewohnt haben, denn auf einer anderen Gedenktafel wird er- wähnt, daß der bulgarische Kommunist von 1930 bis 1933 in der Schlüter- straße 21 in Berlin Charlottenburg lebte. Dort befindet sich eine Gedenktafel mit der Inschrift: IN DIESEM HAUS \ WIRKTE VON 1930 \ BIS 1933 \ GEORGI DIMITROFF, \ DER GROSSE SOHN \ BULGARIENS. Martin Schönfeld: Gedenk- tafeln in Ost-Berlin. Schriftenreihe Aktives Museum, 1991, S. 168. Holger Hübner: Das Gedächtnis der Stadt. Gedenktafel in Berlin. Argon, 1997, S. 380.

Adlershof

Georgi Dimitroff wurde wegen seiner Teilnahme am Septemberauf- stand 1923 in Bulgarien zum Tode verurteilt und emigrierte deshalb ins Ausland. Er gehörte bald zu den führenden Köpfen der Kommu- nistischen Internationale (KI). In den späten 1920er Jahren besuchte Dimitroff als Vertreter der KI einige Male Berlin.10 Im November 1928 wurde das Westeuropäische Büro der KI in Berlin gegründet, dessen Leiter Dimitroff 1929 wurde. Er lebte zu der Zeit illegal in der Stadt und befürchtete nach Bulgarien ausgeliefert zu werden. Berliner Kommunisten beschafften ihm immer wieder neue Unterkünfte, u.a. in der Volkswohlstraße 91, der heutigen Anna-Seghers-Straße.11

5

Kulturring in Berlin e. V.

Am 27.01.1968 erhielt die 12. Oberschule den Namen Georgi Dimit- roff. Vor der Schule befand sich seit 1972 eine Dimitroff-Büste, deren Stein vom OdF-Denkmal am Adlershofer Platz der Befreiung stammte (siehe da). Zu Wendezeiten wurde die Schule umbenannt und die Büste Dimitroffs entfernt. Sie wurde beim Senator für Kulturelle An- gelegenheiten eingelagert.12 Zu Ehren des 90igsten Geburtstags von Dimitroff wurde am 02.07.1972 in der Fährallee 21, dem ehemaligen

10 Hans Maur: Bei den Arbeiterfamilien vor Polizeibütteln sicher. Neues Deutschland, 09.07.1977. 11 Ebd. O.A.: Dimitroff-Ehrung in Treptow und Köpenick. Neues Deutschland, 03.07.1974. 12 Rudi Hinte: Streiflichter aus dem Adlershofer Schulleben. Adlershofer Zei- tung Nr. 190, 02.2010, S.8f. Laut Hinte 2010 sind die Sockelreste der Büste noch auf der Rasenfläche zu erkennen. Klaus Weidner: Plastiken, Denkmäler und Brunnen im Bezirk Treptow. Luisenstädtischer Bildungsverein, 1993, S. 39.

Adlershof

Gasthaus „Zur Linde“ eine weitere Gedenktafel angebracht, mit dem Text In diesem Haus tagte im Sommer 1930 unter der Leitung von Georgi Dimitroff eine illegale Beratung der Kommunistischen Jugend- internationale. An dieser Beratung nahm Artur Becker teil. Die Tafel wurde 1992 entfernt.13

Boris Djacenko Riga 10.09.1917 - Berlin 14.04.1975 Friedlander Straße 156 (Feld E2)

Die Informationstafel zu Ehren Boris Djacenkos wurde am Sonntag den 27.09.2015 auf Anregung des Adlershofer Bürgervereins - Cöllnische Heide e.V. mit der Unterstützung des Heimatvereins Köpenick aufgestellt.14 Der Tafeltext erinnert: Boris Djacenko lebte von 1950 bis zu seinem Tod in Adlershof. Der ge- bürtige Lette hatte in Riga Philosophie studiert, von wo er 1939 nach Rotterdam und später nach floh. Hier wurde er 1940 wegen kommunistischer Untergrundarbeit verhaftet und zur Zwangsarbeit nach Deutschland deportiert. Nach gelungener Flucht schloss er sich der Widerstandsbewegung in Berlin an. In der DDR machte er sich ei- nen Namen als Verfasser von historischen Romanen, Erzählungen und Theaterstücken. Als er in einem Fortsetzungsband seines Romans “Herz und Asche” tabulos Kritik an der Sowjetunion der Stalinzeit und 6 den unschönen Begleitumständen des Einmarsches der Roten Armee in Berlin 1945 übte, kam es zum Konflikt mit den für Kultur zuständi- gen SED-Parteiinstanzen. Der Roman durfte 1958 aus politischen Gründen nicht in der DDR erscheinen. Aus dem einstigen Erfolgsautor wurde ein Geächteter. Frustriert schrieb Boris Djacenko fortan nur noch unter dem Pseudonym Peter Addams Kriminalromane, die auch hohe Auflagen erzielten.

Max Goosmann Berlin 20.08.1899 - Berlin 08.11.1971 Friedlander Straße 156 (Friedhof, Feld E20) Die Informationstafel am Grab Max Goosmanns hält fest: Der Theologe Max Goosmann wurde 1923 ordiniert und trat seine erste Pfarrstelle in Brasilien an. Seit 1925 war er als Vereinsgeistlicher in Berlin tätig und ab 1929 Pfarrer an der evangelischen Verklärungskirche in Adlershof. Dort engagierte sich Max Goosmann gegen das NS-Regime und sollte deshalb 1934 strafversetzt werden.

13 Holger Hübner: Das Gedächtnis der Stadt. Gedenktafel in Berlin. Argon, 1997, S. 397. 14 Büro des Bezirksbürgermeisters: Bezirksbürgermeister Igel enthüllt In- formationstafeln auf dem Friedhof Adlershof und im Volkspark Köpenick. Pressemitteilung, 23.09.2015.

Adlershof

Er weigerte sich jedoch und hielt, obwohl suspendiert, weiterhin Gottesdienste in verschiedenen Räumlichkeiten ab. Nach Aufhebung seiner Suspendierung nahm er seine Pfarrstelle wieder auf und hielt enge Kontakte zur Bekennenden Kirche. Als 1939 erneut seine Versetzung auf Betreiben der NS-treuen Deutschen Christen gefordert wurde, meldete sich Max Goosmann freiwillig zur Wehrmacht. Die Beibringung eines Ariernachweises führte schließlich zur Wiedereinsetzung in seine Pfarrstelle, die er von 1943 bis 1969 ununterbrochen innehatte. Zur Erinnerung an Pfarrer Max Goosmann wurde 2002 eine Straße in Adlershof nach ihm benannt. Für den Vater Goosmanns Max Flatau (11.11.1871 - 26.04.1943) wurde ein in der Kantstraße 33 in Charlottenburg verlegt. Flatau zeugte mit der christlichen Hausangestellten Emma Goosman den unehelich geborenen Max Goosmann, den diese allein aufzog.15 Goosmann wurde evangelischer Pfarrer in Adlershof. Die Deutschen Christen (DC) engagierten sich von 1933 bis 1934 für die Ablösung Goosmanns aufgrund seiner jüdischen Herkunft und erreichten dessen zeitweilige Suspendierung. Die Kirchengemeinde protestierte mit einer Unterschriftenliste, doch die Zwangsbeurlaubung blieb bestehen. Die Bekenntnisgemeinde hielt, da der Zutritt zur Verklärungskirche nicht mehr möglich war, die Gottesdienste in anderen Lokalitäten wie dem Kinosaal Friedenstraße, dem Saal der 7 Freien evangelische Gemeinde in der Radickestraße oder seltener in der Schloßkirche ab. Die Suspendierung wurde Dezember 1934 aufgehoben, später wieder neu ausgestellt. Der psychische Druck auf die Familie des Geistlichen war stark. Goosmann engagierte sich wie Pfarrer Werner Sylten (siehe da, OT Köpenick) für das Büro Grüber und meldete sich freiwillig zur Wehrmacht. Auf Antrag Goosmanns erklärte ihn im Sommer 1943 das „Sippenamt“ für arisch, so dass er weiter als Pfarrer arbeiten konnte.16 Die Informationstafel wurde am Sonntag den 27.09.2015 auf Anregung des Adlershofer Bürgervereins - Cöllnische Heide e.V. mit der Unterstützung des Heimatvereins Köpenick aufgestellt.17 ERSTE „WELTLICHE“ SCHULE IN BERLIN Radickestraße 43

15 Micaela Haas zu Max Flatau auf den Seiten der Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin. 16 Heinrich-Wilhelm Wörmann: Widerstand in Köpenick und Treptow. Ge- denkstätte Deutscher Widerstand, 2013, u.a. S.216 - 226. 17 Büro des Bezirksbürgermeisters: Bezirksbürgermeister Igel enthüllt In- formationstafeln auf dem Friedhof Adlershof und im Volkspark Köpenick. Pressemitteilung, 23.09.2015.

Adlershof

An der Hauswand der Anna-Seghers Oberschule befindet sich seit dem 27.01.1995 eine von Kulturstadtrat Siegfried Stock enthüllte Ber- liner Gedenktafel mit dem Text18:

In einem Teil dieses Gebäudes \ wurde 1920 die \ Dritte Gemeinde- schule für Knaben und Mädchen \ als erste »weltliche« Schule \ in Berlin eingerichtet • Anders als in dem \ konfessionell gebundenen preußischen Schulsystem \ war hier der Religionsunterricht \ kein Pflichtfach mehr

8

Kulturring in Berlin e. V.

GEFALLENE IM ERSTEN WELTKRIEG Arndtstr. 12

In der Verklärungskirche befinden sich zwei Tafeln rechts und links des Eingangs. Über der linken Tafel steht ein Ausspruch des Schrift- stellers Theodor Körner (1791 - 1813) an der Kirchenwand geschrie- ben:

Vergiss, mein Volk, der treuen Toten nicht! Körner

Der Schriftzug über der rechten Tafel zitiert aus den Corinther- Briefen:

Als die Sterbenden, und siehe, wir leben! 2. Corinther 6,9

Auf beiden Tafeln wird festgehalten:

Für ihr Vaterland starben im Weltkriege 1914 - 1918

18 Holger Hübner: Das Gedächtnis der Stadt. Gedenktafel in Berlin. Argon, 1997, S. 391.

Adlershof

Es folgen die Namen von 235 Gestorbenen mit Todesjahr und Dienst- grad.19

GEFALLENE IM ZWEITEN WELTKRIEG Nipkowstraße 15

In der katholischen Kirche Christus-König befindet sich eine hölzerne Tafel mit gemalten Namen, die an die Gefallenen im Zweiten Welt- krieg erinnert:

Das letzte heißt nicht Tod sondern Auferstehung. Am Ende steht nicht Verlust sondern ewige Vollendung. Das ewige Licht leuchte Ihnen. Herr bei deinen Heiligen in Ewigkeit weil du gütig bist

Es folgen die Namen von 34 Verstorbenen aus dem Zweiten Welt- krieg.

Wolfgang HEINZ Pilsen/ Plzen 18.05.1900 - Berlin 30.10.1984 Friedlanderstraße 156 (Feld U 33 - 785)

Am 14.12.2014 wurde eine vom Heimatverein Köpenick gestaltete In- formationstafel am Ehrengrab von Wolfgang Heinz aufgestellt.20 Sie hält fest: 9 Geboren wurde der Schauspieler, Regisseur und Theaterleiter \ in Pil- sen. Zu seinen Wirkungsstätten zählten Max Reinhardts \ Deutsches Theater und das Preußische Staatstheater Berlin. \ 1930 trat er der KPD bei. Nach dem Machtantritt der National- \ sozialisten floh er, seiner jüdischen Herkunft und kommunis- \ tischen Überzeugung we- gen, über Wien in die Schweiz, \ wo er von 1934 bis 1946 am Schau- spielhaus Zürich arbeitete. \ 1948 gehörte er zu den Mitbegründern des Wiener Neuen \ Theaters in der Scala, das er als Direktor bis zur Schließung \ 1956 leitete. Seitdem war er Mitglied des Deutschen Theaters \ in Berlin (Ost) und von 1963 bis 1969 auch dessen Inten- dant. \ 1966 wurde er Präsident des Verbandes der Theaterschaffen- den. \ Er arbeitet als Gast am Berliner Ensemble, Maxim-Gorki- Theater \ und Schillertheater. Wolfgang Heinz wurde besonders durch \ Inszenierungen von Tschechow und Gorki bekannt und gestaltete \ zahlreiche Rollen der Weltdramatik. Dazu gehören Professor \ Mam- lock, Galileo Galilei, König Lear, Wallenstein und als Höhe- \ punkt seiner Darstellungskunst Nathan der Weise.

19 Auflistung der Namen unter: Martina Rohde, Klaus Bittschier, 2007, Denkmalprojekt. URL: www.denkmalprojekt.org/dkm_deutschland/b- adlershof_verklaerungsk_wk1.htm 20 Büro des Bezirksbürgermeisters: Bezirksbürgermeister enthüllt Informa- tionstafeln für Ehrengräber in Adlershof. Pressemitteilung, 08.12.2014.

Adlershof

Auf der linken Seite der Tafel sind sowohl ein Foto von Wolfgang Heinz, als auch seine Lebensdaten festgehalten.

KAPP-PUTSCH Friedlander Straße 156

Die von Hans Kies geschaffene Bronzeplastik in Gedenken an den Kapp-Putsch wurde anlässlich des 50. Jahrestags des Putschs am 13.03.1970 im Ehrenhain für die Opfer eingeweiht. Sie zeigt einen überlebensgroßen, jungen Mann, der ein Gewehr in die Luft reckt.21 Hinter ihm liegen die Grabsteine der Gefallenen. Zu seinen Füßen findet sich die Inschrift eines Steins von 194622:

Dem Gedenken \ der im Kampf \gegen die Reaktion \ gefallenen Sozi- alisten \ 1920

10

ProAB e.V.

Das Gipsmodell der Bronzeplastik von Kies wurde zuvor in der Berli- ner Ausstellung „Architektur und bildende Kunst“ gezeigt.23

21 O.A.: Gedenken an Opfer des Kapp-Putsches. BZ am Abend, 12.03.1983. Alfred Doil: Opfer des Kapp-Putsches geehrt. Neues Deutschland, 14.03.1970. Feder, Referentin Abteilung Kultur: Auftragsnr. 753 437/96 - Großplastik Widerstandskämpfer mit Gewehr von NPT Hans Kies. Anschrei- ben an Herr Barthel, 18.02.1970. 22 Helga Stolzenburg: Gedenkstätte für die Opfer des Kapp-Putschs. Arbeits- kreis „Geschichte Treptows und der Treptower Arbeiterbewegung“, Schrif- tenreihe des Deutschen Kulturbundes, Kreisleitung Treptow, Heft 2, Mai 1971. Die Denkmalpflegekartei vor 1989 Museum Treptow hält weiterhin fest, dass ein 1921 gesetzter Stein 1933 zerstört wurde. 23 Peter H. Feist: Platz und Monument. Überlegungen zur Denkmalskunst. Neues Deutschland, 29.06.1969.

Adlershof

In Adlershof meldeten sich mehr als zweihundert Kämpfer für die Abwehr der Kapp-Putschisten. Die Bürgerwehr wurde durch sie ent- waffnet, der Bahnhof besetzt und die Zufahrtsstraßen überwacht. Das Benzollager am Glienicker Weg konnte durch die Anhänger Kapps sowie durch Potsdamer Offiziersschüler besetzt werden. Die Abwehr aus Adlershof, Köpenick, Grünau und Bohnsdorf/Altglienicke brachte die Putschisten nach einem kurzen Kampf zum Aufgeben. Otto Sae- ger, Alfred Lawin, Peter Kuwaja und Willi Böhme fielen im Kampf am Bahndamm. Als jedoch ein neuer Panzerzug einrollte, musste sich die Abwehr zurückziehen. Vom 20.03. bis 25.03.1920 rückte die Reichs- wehr unterstützt durch Zeitfreiwillige in Adlershof ein.24

Auf dem Friedhof Adlershof ruhen: Otto Müller (*1884), Willi Böhme (*1898), Wilhelm Bölke (*1889), Karl Strube (*1896), Richard Bugiel (*1902), Friedrich Plath (*1898), Otto Saeger (*1886), Peter Kuwaja (*1897), Max Gurth (*1902), Willi Netzbandt (*1893), Friedrich Matthecka (*1896), Alfred Lawin (*1896), Alexander Böhme (*1894), August Gerber (*1856) und Karl Nelte (*1891). Bei der Beerdigung er- laubten Noske-Truppen nur nahen Angehörigen den Zugang zu den Grabstätten.25

Seit dem 12.06.2016 informiert eine weitere Tafel des Heimatverein 11 Köpenicks über die Geschichte des Kapp-Putschs.26

Fritz LESCH 16.03.1898 - Spanien 12.02.1937 Dörpfeldstraße 89

Der Gedenkstein für Fritz Lesch am Fritz Lesch-Sportplatz ist laut Aus- kunft der Sportplatzbetreiber im Zuge von Bauarbeiten in den 1990er Jahren verloren gegangen. Der Text lautete:

24 Beschreibung der Todesumstände der anderen Opfer finden sich unter: Helga Stolzenburg: Gedenkstätte für die Opfer des Kapp-Putschs. Arbeits- kreis „Geschichte Treptows und der Treptower Arbeiterbewegung“, Schrif- tenreihe des Deutschen kulutrbundes, Kreisleitung Treptow, Heft 2, Mai 1971. Vgl. Gerd Lüdersdorf: "Die Putschisten verschanzten sich in Johannist- hal. Zur Erinnerung an den Kapp-Putsch 1920“. In: Zeitung des Bezirksvor- standes und der BVV-Fraktion Die Linke: Blättchen Treptow-Köpenick, Nr.158, 04.03.2010, S.4f. Gerd Lüdersdorf: "Der Köpenicker Blutsonntag vom 21. März 1920“. In: Edition Luisenstadt: Berlinische Monatsschrift, Heft 3/2000 , S.37ff. 25 Hans Maur: Gedenkstätten der revolutionären Arbeiterbewegung. Heft 3, 11.1972, S. 17ff. 26 O.A.: Neue Infotafeln zum Friedhof Adlershof. Berliner Morgenpost Wo- chenend-Extra, 11.06.2016.

Adlershof

Dem Arbeitersportler \ u. Widerstandskämpfer \ Fritz Lesch \ geboren 16.3.1898 \ gefallen 12.2.1937 \ in Spanien

OPFER DES FASCHISMUS Adlergestell / Platz der Befreiung

In der Nähe der Gedenksäule zur Erinnerung an den Sieg der Sowjet- union am 08.05.1945 (siehe da) findet sich eine viereckige Natur- steinsäule mit Feuerschale und der Inschrift:

Den \ Opfern \ des \ Faschismus

Im September 1945 wurde das Denkmal des Kunst- schmiedemeisters Fritz Kühn auf dem Platz der Befreiung errichtet. Es gilt als eines der ersten OdF-Denkmäler Ber- lins. Seit den 1930er Jahren stand hier die Skulptur eines Mädchenkopfs, dessen zwei Meter hoher Steinsockel für das Mahnmal wiederver- wendet werden konnte. Livia 12 Käthe Wittmann, die damals sieben Jahre alte Tochter des ersten Adlershofer Bür-

Kulturring in Berlin e. V. germeisters nach dem Krieg, erinnert sich als Zeitzeugin an die Einweihung des Denkmals und berichtet von dem Nieselregen an diesem Tag. Auch einen Programmzettel des Aktionsausschusses des Antifaschistischen Blocks Berlin-Adlershof zur Enthüllung des OdF-Denkmals konnte sie mit Hilfe des Ortschronisten Rudi Hinte ausfindig machen. Dem Programmzettel lässt sich entnehmen, dass nach der Ansprache des Bürgermeisters Dr. Wittmann mit anschlie- ßender Kranzniederlegung der Volks-Chor Adlershof eine Gesangsein- lage darbot. Ebenfalls im Programm eine Rezitation von Frau Leon- hardt, sowie ein Schlusswort des Genossen Engel. Abschließend wur- de gemeinsam mit dem Publikum das Arbeiterlied „Brüder zur Sonne, zur Freiheit…“ angestimmt.

Im Zuge der Neugestaltung des Platzes der Befreiung wurde es 1969/1970 aus dem öffentlichen Stadtbild entfernt, der Sockel ging an die damalige Dimitroff-Oberschule in der Florian-Geyer-Straße, um eine Gedenkbüste für den Namensgeber der Schule zu errich-

Adlershof

ten.27 Am 11.09.2005 anlässlich des 60. Jahrestags des Kriegsendes wurde das Denkmal der Opfer des Faschismus auf Kosten des Bezirk- samts schlussendlich wieder aufgestellt. Für die InitiatorInnen - Livia Käthe Wittmann, den Ortschronisten Rudi Hinte, sowie den Adler- shofer Bürgerverein - eine Chance an eine Vergangenheit anzuknüp- fen, die eine Kontinuität verdient hätte.28

WIEDERSTANDSKÄMPFER Johannes Stelling (Hamburg 12.05.1877 - Berlin 21./22.06.1933) Erich Janitzky (Berlin 21.07.1900 - Berlin 21.06.1933) Stelling-Janitzky-Brücke

Die von Hans Füssel gestaltete Metalltafel aus Aluminium wurde am Brückengeländer befestigt.29 Sie erinnert:

Stelling-Janitzky \ Brücke \ Zum Gedenken \ an die Widerstandskämp- fer Johannes Stelling und Erich Janitzky, \ die im Jahre 1933 von den Faschisten \ in der Köpenicker Blutwoche \ bestialisch ermordet wur- den.

Zur Biographie siehe Gedenktafeln für Johannes Stelling am Stelling- damm 36 sowie für Janitzky in der Mittelheide 3 (OT Köpenick).

Anna SEGHERS, eigtl. Netty Radványi, geb. Reiling 13 Mainz 19.11.1900 - Berlin 01.06.1983 Anna-Seghers-Straße 81

Für die Schriftstellerin befindet sich an der Hauswand ihres ehemali- gen Wohnorts eine Gedenktafel mit erhabener Inschrift:

In diesem Hause wohnte \ die Schriftstellerin \ Anna Seghers \ von 1955 bis 1983

In den 1920er Jahren studierte Anna Seghers Kunstgeschichte, Ge- schichte und Sinologie an der Universität Heidelberg. Zu der Zeit lei- tete sie ihren Künstlernamen von dem holländischen Maler und Gra- fiker Hercules Seghers ab. Sie tritt nach traditioneller Hochzeit mit ih-

27 Matthias Busse: Wahre Geschichte(n) am falschen Ort. In der ND-Serie zu Orten der Befreiung: Adlershofer Platz erhält Mahnmal zurück. Neues Deutschland, 03.05.2005. Vgl. auch Anschreiben Bezirksrat Dallmann: Neu- gestaltung des Bahnhofsvorplatzes Adlershof, 06.01.1970. 28 Wolfgang Weiss: Denkmal wieder an historischem Ort. Neues Deutsch- land, 21.09.2005. Rudi Hinte: Das Mahnmal für die Opfer des Faschismus in Adlershof. Adlershofer Zeitung, 09/2005, Nr. 137, S. 2, 4. Livia Wittmann: Wiederkunft. Spurensuche: Berlin - Adlershof. Metropol, 2005, S. 46ff, 220. 29 Bezirksamt Treptow-Köpenick, Amt für Weiterbildung und Kultur (Hrsg.).: Gesamtübersicht der Denkmale u. Plastiken im Bezirk Treptow-Köpenick. Stand April 2004, S. 27.

Adlershof

rem Ehemann Laszlo Radvanyi aus der jüdischen Gemeinde aus. Vor ihrer Flucht lebte die Familie mit zwei Kindern in . Sie emi- grierte von 1933 bis 1940 nach Paris, dann nach Südfrankreich und schließlich gelang es ihnen 1941 nach Mexiko zu entkommen. Die Verarbeitung dieser Ereignisse hielt Seghers u.a. in dem Roman „Transit“ fest.

Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland wohnt Seghers zunächst mit Berthold Brecht und Helene Weigel in Wei- ßensee und zieht 1950 nach Adlershof: Zunächst in die Altheider Straße 21, dann in die Volkswohlstraße 81 (heute Anna-Seghers-Straße) in die Nähe ihrer Freundinnen jüdi- scher Herkunft Berta Wa- terstradt (siehe da) und Steffi Spira. Die original erhaltenen Wohn- und Arbeitsräume inklusive Bibliothek werden ProAB e.V. von der Akademie der Künste 14 betreut und können von der Öffentlichkeit besichtigt werden.

Zeit ihres Lebens blieb Seghers ungemein produktiv, veröffentlicht Romane, Erzählungen und Essays. Ihr Ehrengrab befindet sich auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin-.30

Erich STEINFURTH Mittenwalde 10.08.1896 - Berlin 02.02.1934 Friedlander Straße 139

An der Hauswand befindet sich eine Gedenktafel mit rotem Winkel, die an den preußischen Landtagsabgeordneten der KPD erinnert:

HIER WOHNTE DER VON DEN NAZIS \ ERMORDETE ANTIFASCHISTI- SCHE \ WIDERSTANDSKÄMPFER \ ERICH STEINFURTH \ *AM 10.8.1896 \ +AM 2.2.1934 \ EHRE SEINEM ANDENKEN31

30 Monika Melchert: „Anna Seghers. Eine Mainzer Jüdin in Adlershof“. In: Bezirksamt Treptow Köpenick (Hrsg.): Frauenmosaik. Neue Frauenbiogra- phien aus dem Berliner Stadtbezirk Treptow-Köpenick. Trafo, S. 155 - 176. 31 Hübner und Wörmann verweisen darauf, dass womöglich der 01.02.1934, wie in der Sterbeurkunde Schönhaars angegeben, das korrekte Todesdatum ist. Holger Hübner: Das Gedächtnis der Stadt. Gedenktafel in Berlin. Argon, 1997, S. 390. Heinrich-Wilhelm Wörmann: Widerstand in Köpenick und Trep- tow. Gedenkstätte Deutscher Widerstand, 2013, S. 303.

Adlershof

Der Schlosser (in anderen Quellen Lokheizer) Steinfurth arbeitete im Reichsbahnausbesserungswerk RAW und war dort seit Anfang der 1920er Jahre im Betriebsrat tätig. 1923 engagierte er sich mit anderen Eisenbahnern gegen die Hitlerputschisten in Bayern. In der Folge wurde er zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt. Er setzte sich ab 1927 im Zentralvorstand für die Rote Hilfe Berlin-Brandenburg ein. Ab 1929 bis zu seiner Inhaftierung war er Mitglied des Preußischen Landtags für die KPD. Seine Festnahme erfolgte am 25.03.1933. Nach Inhaftierung in Plötzensee sowie im KZ Sonnenburg wurde er mit Jo- hann Schehr, Rudolf Schwarz und Eugen Schönhaar am „Kilometer- berg“ (Schäferberg) in Berlin Wannsee oder aber in der - Zentrale Prinz-Albrecht-Straße (heute Niederkirchnerstraße) ermor- det.32

15

Kulturring in Berlin e. V.

Nach Steinfurths Tod 1934 drückten die Adlershofer Linken ihre Soli- darität dadurch aus, dass sie alle Straßenschilder der Friedlander Straße in einer Nacht- und Nebelaktion in Erich-Steinfurth-Straße umbenannten. An seinem Wohnhaus in Adlershof wurde damals fol- gender Text angebracht:

32 Hans Maur: Gedenkstätten der revolutionären Arbeiterbewegung. Heft 3, 11.1972, S. 17. Holger Hübner: Das Gedächtnis der Stadt. Gedenktafel in Ber- lin. Argon, 1997, S. 275.

Adlershof

Hier wohnte Erich Steinfurth, er wurde am 2.2. von der Geheimen Staatspolizei ermordet. Wir werden seinen Tod rächen, indem wir in seinem Geiste handeln.33

Eine analoge Gedenktafel mit rotem Winkel wurde am Wohnhaus von Rudolf Schwarz in der Varnhagenstraße 24 in angebracht. Gedacht wird den vier Ermordeten ebenfalls am Kilome- terberg in Wannsee:

DEN OPFERN DER GESTAPO \ IM FEBRUAR 1934 \\ MÖGE IHR TOD MAHNEN \ BIS NIEMAND MEHR \ IN UNSEREM LANDE \ "AUF DER FLUCHT" \ ERSCHOSSEN WERDE \\ JOHANN SCHEHR \ RUDOLF SCHWARZ \ EUGEN KARL SCHÖNHAAR \ ERICH STEINFURTH

STOLPERSTEINE

Ehepaar BAERWALD Margarethe Baerwald, geb. Grünberg (Westfalen 23.03.1871 - There- sienstadt 06.03.1943), Wilhelm Baerwald (Nakel/Naklo 23.03.1867 - Theresienstadt 30.05.1943) Dörpfeldstraße 23

Der Kaufmann Wilhelm Baerwald war eines der ersten Gemeindemit- glieder der Synagoge in Köpenick. Er betrieb in Adlershof bis 1934 ein Kurz-, Weißwaren, und Herrenartikel-Geschäft in der Bismarckstraße 16 6 (heute Dörpfeldstraße 23) und verzog dann nach Charlottenburg. Das Ehepaar Baerwald wurde am 14.09.1942 mit dem zweiten, gro- ßen Alterstransport nach Theresienstadt deportiert.34

Die Stolpersteine für das Ehepaar wurden am 07.06.2005 verlegt. Die Einweihung erfolgte mit Schülern und Schülerinnen der Anna-Seghers Schule.35 Der Text der Steine lautet:

HIER WOHNTE \ MARGARETHE BAERWALD \ GEB. GRÜNBERG \ JG.1871 \ DEPORTIERT 1942 \ ERMORDET IN THERESIENSTADT

HIER WOHNTE \ WILHELM BAERWALD \ JG.1867 \ DEPORTIERT 1942 \ THERESIENSTADT \ ERMORDET MAI 1943

33 Heinrich-Wilhelm Wörmann: Widerstand in Köpenick und Treptow. Ge- denkstätte Deutscher Widerstand, 2013, S. 135f. 34 Margarethe und Wilhelm Baerwald In: Stolpersteine in Berlin Treptow- Köpenick. Bund der Antifaschisten Treptow e.V. et al, 2008, S.36. Ilse Nisch: [Ehrepaar Baerwald]. In: Stolpersteine in Berlin. 12 Kiezspaziergänge. Aktives Museum Faschismus und Widerstand in Berlin e.V. Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin, 2013. 35 Birgitt Eltzel: Stolpersteine in der Altstadt. Berliner Zeitung, 08.06.2005. Angabe Barbara Zibler, Museum Treptow.

Adlershof

EHEPAAR FICHTMANN Clara Fichtmann, geb. Fuchs (Neudorf / Nowa Wieś 06.04.1877 - Auschwitz), Leo Fichtmann (Elbing/ Elbląg 16.08.1873 - Sachsenhau- sen 28.05.1942) Albert-Einstein-Straße 15

Der Steinmetz Leo Fichtmann engagierte sich für die Arbeiterbewe- gung in der anarcho-syndikalistischen Kommunistischen Arbeiterpar- tei (KAP). Seit November 1928 wohnte die Familie in der Adlershofer Laubenkolonie Lindenhof II. Aufgrund ihrer jüdischen Herkunft ka- men die Familie und ihre sechs Kinder sowie ihre 14 Enkel schon früh ins Visier der Nationalsozialisten. Leo Fichtmann wurde nach Anga- ben seiner Tochter Gerda Lüth 1991 bereits 1933 verschleppt und misshandelt. Nach Anschlägen der Baum-Gruppe im kam es im Rahmen der Vergeltungsaktion zu einer weiteren Festnahme am 27.05.1942. Wie auch die übrigen 500 Arretierten wird Leo Fichtmann verschleppt und sofort ermordet.

HIER WOHNTE \ LEO \ FICHTMANN \ JG. 1873 \ ERMORDET 28.5.1942 \ IM \ KZ SACHSENHAUSEN

Clara Fichtmann wurde am 05.06.1942 nach Theresienstadt depor- tiert und von dort am 18.05.1944 nach Auschwitz, wo sie als ver- schollen galt. 17

HIER WOHNTE \ CLARA \ FICHTMANN \ GEB. FUCHS \ JG. 1877 \ DE- PORTIERT 1942 \ THERESIENSTADT\ ERMORDET IN AUSCHWITZ

Einen weiteren Stolperstein für Clara und Leo Fichtmann gibt es in Berlin Mitte in der Holzmarktstraße 54 -56. Die Inschriften geben an:

HIER WOHNTE \ CLARA FICHTMANN \ GEB. FUCHS \ JG. 1877 \ DE- PORTIERT 1942 \ THERESIENSTADT \ AUSCHWITZ \ VERSCHOLLEN

HIER WOHNTE \ LEO FICHTMANN \ JG. 1873 \ DEPORTIERT 1942 \ TOT \ AM 28.05.1942 IN \ SACHSENHAUSEN

Die Kinder des Ehepaars Fichtmann Minna (*1900 - Auschwitz 1943), Max (*1898 - Auschwitz 1943) und Hugo (*1905 - Selbstmord) ver- starben. Drei Töchter überlebten in „Mischehen“, darunter Gerda Lüth, die sich mit ihrer Schwester Minna teilweise in der Baum- Gruppe engagierte.

Die Stolpersteinverlegung auf dem Gelände des Elektronenspeicher- ring BESSY II in Treptow erfolgte am 07.06.2005. 36

36 Clara und Leo Fichtmann In: Stolpersteine in Berlin Treptow-Köpenick. Bund der Antifaschisten Treptow e.V. et al, 2008, S. 46 - 50. Monika Becker:

Adlershof

Brüder KIRSCH Franz Kirsch (Berlin 08.03.1901 - Brandenburg-Görden 03.02.1944) Fritz Kirsch (Berlin 05.03.1903 - Sachsenhausen 30.04.1940) Wassermannstraße 69

Die Stolpersteine für die Brüder wurden am 07.05.2006 verlegt:

HIER WOHNTE \ FRANZ KIRSCH \ JG. 1901 \ ZUCHTHAUS BRANDEN- BURG \ ERMORDET 3.2.1944

HIER WOHNTE \ FRITZ KIRSCH \ JG. 1903 \ KZ SACHSENHAUSEN \ ERMORDET 30.4.1940

Die Brüder Kirsch stammten aus einer Johannisthaler Arbeiterfamilie und engagierten sich politisch im Kommunistischen Jugendverband, der Roten Hilfe und dem Rotfront Kämpferbund.

Franz Kirsch setzte sich im Widerstand für die KPD Gruppe in der Schering AG ein, wo er auch Betriebsratsmitglied war. Er wurde am 20.12.1939 im Zuge der Verhaftungen der KPD in Adlershof festge- nommen und vom Volksgerichtshof zu 12 Jahren Haft verurteilt. Er verstarb in Brandenburg Görden laut Aktenlage in der Haft an Tuber- kulose.

Fritz Kirsch engagierte sich im Transformatorenwerk Oberschönewei- 18 de als Betriebsrat und war als Bezirksverordneter in Treptow tätig. 1933 wurde er verhaftet und ins "Braune Haus" Johannisthal ge- bracht (heute: Friedrich-Wolf-Bibliothek). Dort wurde er misshandelt und nach der U-Haft ins KZ verschleppt. Helene Friedrich, geb. Kirsch erinnert sich: "Die SA glaubte in ihm seinen Bruder Otto verhaftet zu haben. Otto war Leiter des Kommunistischen Jugendverbandes in Jo- hannisthal und unter dem Spitznamen Pflaume bekannt. Fritz sollte zugeben, dass er Pflaume sei. Damit sein Bruder Otto nicht auch noch verhaftet wurde, sagte er: Ja, ich bin Pflaume. So entging Otto, der für eine Zeit aus Johannistal verschwand, der Verhaftung." Nachdem im Fritz Kirsch im Oktober 1933 aus dem KZ entlassen wurde, setzte er seine illegale Arbeit fort. Im September 1939 wurde er bei der Fir- ma Weber & Co in , wo er als Dreher angestellt war, ver-

Stolpersteine in Adlershof. Adlershofer Zeitung, 01.2014, S. 11. Clara und Leo Fichtmann auf den Seiten der Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin. Anja Schindler: „Spuren IV“. In: Monika Becker, Ronald Friedmann, Anja Schind- ler: Juden in Treptow. Sie haben geheißen, wie ihr heißt. Kulturbund e.V: Ber- lin-Treptow, 1993, S. 184. Zu Leo Fichtmann gibt es ebenfalls einen Eintrag in: , Andreas Herbst: Handbuch der Deutschen Kommunis- ten. Dietz, 2013.

Adlershof

haftet und nach Sachsenhausen verschleppt. Dort verstarb er an „Kreislaufschwäche“.

Die Urnen von Franz und Fritz Kirsch finden sich auf dem Waldfried- hof Oberschöneweide. Am 20.04.1948 wurde die Westendstraße in Oberschöneweide in Fritz-Kirsch-Zeile umbenannt.37 Auf dem Fir- mengelände der Berlin Chemie AG befand sich bis 1992 eine Gedenk- tafel für Franz Kirsch und Herbert Mittag, die jedoch wegen Neubau- ten auf dem Gelände entfernt wurde. Ihr Text lautete:

Ihr Opfer unsere Verpflichtung \ In diesem Betrieb arbeiteten \ Franz Kirsch \ von den Faschisten im Zuchthaus Brandenburg ermordet \ 1944 \ Herbert Mittag \ wegen Zersetzung der Wehrkraft \ erschos- sen 1944 \ Erfüllt ihr Vermächtnis 38

Auch in Johannisthal und Oberschöneweide wird Fritz und Franz Kirsch auf Gedenktafeln und -steinen gedacht (siehe da).

Rudolf WAGNER-RÉGENY, geb. Wagner Reghin, Sächsisch-Regen 28.08.1903 - Berlin 18.09.1969 Adlergestell 253/255

Am Wohngrundstück des Komponisten Rudolf Wagner-Régenys wur- de anlässlich der 250-Jahrfeier Adlershofs am 14.04.2004 durch die 19 Bezirksstadträtin und unter Anwesenheit seiner Witwe Gertie Wag- ner-Régeny eine dunkle Granittafel mit heller Schrift eingeweiht.39 Ihr Text lautet:

In diesem Haus lebte und arbeitete \ von 1950 - 1969 der Komponist \ Rudolf Wagner Régeny \ 28.8.1903 - 18.9.1969

Rudolf Wagner-Régeny studierte in den 1920er Jahren am Konserva- torium Leipzig sowie an der Hochschule für Musik Berlin und arbeite- te als Kino- und Kaffeehauspianist. Wagner-Régeny provozierte 1939 durch seine Oper "Die Bürger von Calais" in der Staatsoper . Die Oper "Johanna Balk" im Wiener Opernhaus 1941 schlug in ähnliche Richtung. Wagner-Regeny war von 1943 bis 45 als Schreiber

37 Fritz und Franz Kirsch In: Stolpersteine in Berlin Treptow-Köpenick. Bund der Antifaschisten Treptow e.V. et al., 2008, S. 40 - 48. Heinrich-Wilhelm Wörmann: Widerstand in Köpenick und Treptow. Gedenkstätte Deutscher Widerstand, 2013, S. 132f. Fritz und Franz Kirsch auf den Seiten der Koordi- nierungsstelle Stolpersteine Berlin. Sylvia Lais, Hans-Jürgen Mende: Lexikon Berliner Straßennamen. Haude Et Spencer, 2003, S. 143. 38 Holger Hübner: Das Gedächtnis der Stadt. Gedenktafel in Berlin. Argon, 1997, S. 383. 39 L.E.: Gedenktafel enthüllt. Adlershofer Zeitung, 05.2004, S.2. Claus-Dieter Sprink: Gedenktafel für Rudolf Wagner-Regeny. Pressemitteilung Heimatmu- seum Köpenick, 28.01.2005.

Adlershof

und Musiker in der Wehrmacht eingesetzt. Nach dem Krieg ging er zunächst ans Güstrower Theater, war dann Rektor der Hochschule für Musik Rostock und hatte von 1950 bis 1967 die Professur für Kompo- sition an der Hochschule für Musik inne. Zudem war er Mitglied der Deutschen Akademie der Künste, der Akademie der Künste West- Berlin und der Bayrischen Akademie der Schönen Künste. Sein Grab- stein steht auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof Berlin.40

Berta WATERSTRADT, geb. Wiener Katowice 09.08.1907 - Berlin 08.05.1990 Altheider Straße 21

Am 09.08.2007, dem 100. Geburtstag der Autorin Berta Waterstradt, wurde eine schwarze Gedenktafel an ihrem ehemaligen Wohnhaus eingeweiht. Hier lebte Berta Waterstradt im zweiten Stock.41 Die Ta- fel hält fest:

In diesem Haus lebte und arbeitete \ von 1953 bis zu ihrem Tod \ die Schriftstellerin \ Berta Waterstradt \ 9.8.1907 - 8.5.1990

20

Kulturring in Berlin e. V.

1925 zog Berta Waterstradt von Katowice nach Berlin und ließ sich als Stenotypistin ausbilden. Sie trat dem Bund proletarisch- revolutionärer Schriftsteller bei, lernte durch diesen Anna Seghers

40 O.A.: Zwischen den Stühlen. Spiegel 36/1961. Torsten Musial: „Wagner- Régeny, Rudolf“. In: Wer war wer in der DDR?. CH. Links, 2009. gö/dö: Im Bezrik entdeckt - Gedenken an Rudolf Wagner Régeny. Berliner Abendblatt, 08.11.2008. 41 Karin Schmidl: Gedenktafel für Berta Waterstradt. Berliner Zeitung, 09.08.2007. Büro des Bezirksbürgermeisters: Gedenktafel für die Schriftstel- lerin Berta Waterstradt. Pressemitteilung, 26.07.2007.

Adlershof

kennen und wurde 1931 KPD Mitglied. Im Sommer 1932 ließ Berta Waterstradt Clara Zetkin nach einer Rede im Reichstag bei sich schla- fen. 1933 kam sie aufgrund ihrer Tätigkeit in illegalen Gruppierungen von SchriftstellerInnen erstmals in Schutzhaft und wurde zu Kriegszei- ten als Jüdin zur Zwangsarbeit verpflichtet. Nach Kriegsende arbeite- te sie im Rundfunk, verfasste Drehbücher und Hörspiele und schrieb u.a. für „Das Magazin“. Für das Drehbuch zum DEFA-Film „Die Bunt- karrierten“ erhielt sie den Nationalpreis der DDR. In ihren letzten Le- bensjahren ging sie zunehmend kritisch mit der ostdeutschen Kultur- politik um.42

Liselotte WELSKOPF-HENRICH München 15.09.1901 - Garmisch-Partenkirchen 16.06.1979 Friedlander Straße 156 (Feld E 39-436/437)

Auf dem Adlershofer Waldfriedhof befindet sich das Ehrengrab von Liselotte Welskopf-Henrich. Der Text der Informationstafel lautet:

Liselotte Welskopf-Henrich war Historikerin und Schriftstellerin. \ In München geboren, wuchs sie in Stuttgart auf und zog mit \ ihren El- tern 1913 nach Berlin. Nach ihrem Abitur im Jahre 1921 \ studierte sie Ökonomie, Alte Geschichte und Philosophie \ an der Friedrich- Wilhelms-Universität in Berlin und wurde 1925 \ promoviert. Wäh- rend der NS-Zeit unterstützte sie verfolgte \ Juden und KZ-Häftlinge 21 und verhalf ihrem späteren Ehemann, \ dem Kommunisten Rudolf Welskopf, zur Flucht aus dem Konzen- \ trationslager. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie Mitglied \ der KPD, später der SED. Ab 1949 war Liselotte Welskopf-Henrich \ als Aspirantin und später als Dozentin für Alte Geschichte an \ der Humboldt-Universität tätig, 1960 erhielt sie eine Professur. \ Sie initiierte große internationale Forschungsprojekte zur \ Geschichte des antiken Griechenland. 1964 wurde sie ordent- \ liches Mitglied der Deutschen Akademie der Wis- senschaften. \ Als Schriftstellerin ist sie vor allem durch ihre wissen- schaftlich \ fundierten Indianerromane bekannt geworden, die zu den \ Klassikern der deutschen Jugendliteratur gehören.

Das Ehrengrab wurde mit Senatsbeschluss vom 21.08.2001 aner- kannt.43 Die Tafel wurde vom Heimatverein Köpenick gestaltet und von Bezirksbürgermeister Oliver Igel am 14.12.2014 enthüllt.44

42 Waltraud Schade: „Berta Waterstradt (1907 - 1990), Schriftstellerin“. In: Frauenmosaik. Frauenbiographien aus dem Berliner Stadtbezirk Köpenick. Trafo, 2001, S. 183 - 196. Wolfgang Weiß: Gedenktafel für Berta Wa- terstradt. Prominente Schriftstellerin an ihrem Wohnhaus in Adlershof ge- ehrt. Neues Deutschland, 10.08.2007. 43 Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt: Ehrengrabstätten des Landes Berlin. 2015, S. 78.

Adlershof

WIDERSTANDSKÄMPFER Otto Nelte (Adlershof 04.12.1898 - Plötzensee 25.07.1941), Will[y/i] Gall (Falkenstein 03.10.1908 -Plötzensee 25.07.1941), Walter Gerber (Gera 12.10.1888 - Berlin 21.12.1939) Friedlander Straße 156

Die Säule aus hellem Naturstein mit vier roten Granitdreiecken im oberen Teil erinnerte an die Widerstandskämpfer:

OTTO NELTE \ 4.12.1898 - 27.7.1941 [sic!] \ WILLY GALL \ 3.10.1908 - 27.7.1941 [sic!] \ WALTER GERBER \ 12.10.1888 - 21.12.1939

Die Gedenksäule von Werner Richter wurde ursprünglich im Septem- ber 1977 in der Dörpfeldstraße / Nipkowstraße enthüllt. 45 Auf einem kleineren, daneben stehenden, rötlichen Gedenkstein fanden sich die Worte:

ZUM GEDENKEN \ AN DIE HELDENHAFTEN \ WIDERSTANDSKÄMPFER GEGEN \ DIE FASCHISTISCHE BARBAREI \ IHR VERMÄCHTNIS HAT SICH \ IN DER SOZIALISTISCHEN \ DEUTSCHEN DEMOKRATISCHEN \ REPUB- LIK ERFÜLLT

Das Grundstück auf dem die Stele stand, wurde im Jahr 2011 an die ursprünglichen Besitzer rückübertragen.46 Da die Fläche im Jahr 2012 bebaut werden sollte, wurde der kleinere Stein vermutlich vom Be- 22 zirksamt eingelagert.47 Die helle Stele findet sich nahe dem Feld für die Verfolgten des Nationalsozialismus auf dem Friedhof Adlershof.48

In Adlershof gab es zu NS-Zeiten eine aktive Widerstandstätigkeit. Die Berliner KPD besaß 1935 noch mehr als 100 Gruppen mit rund 5000 Mitgliedern. 1938 blieben sieben Unterbezirke mit maximal 30 Grup- pen, darunter die KPD in Adlershof, deren Führung Otto Nelte im Frühjahr 1938 innehatte. Nelte war spätestens seit Mai 1933 im Vi- sier der Nationalsozialisten. Zu dieser Zeit wurde er bereits verhaftet, im "Vereinslokal Kaiser" in der Friedenstraße (Adlershof) und dann im SA-Lokal "Blumengarten“ (Oberschöneweide) misshandelt. Im An- schluss brachte man ihn ins KZ in der General-Pape-Straße (Tempel-

44 Büro des Bezirksbürgermeisters: Bezirksbürgermeister enthüllt Informati- onstafeln für Ehrengräber in Adlershof. Pressemitteilung, 08.12.2014. 45 O.A.: Ihr Vermächtnis wird bei uns erfüllt. BZ am Abend, 10.09.1977. 46 Ralf Drescher: Gedenkhain privatisiert. Berliner Woche, 03.08.2011. 47 Annette Indetzki: Gedenkstele Dörpfeldstraße 33 - 35. (Anschreiben an Frau Schadner). 03.05.2012. 48 Holger Hübner et al.: Widerstandskämpfer. In: Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Verein Aktives Museum (Hrsg.): Gedenktafeln in Berlin. URL: www.gedenktafeln-in-berlin.de.

Adlershof

hof). Trotz körperlicher Schäden durch die Misshandlung engagierte er sich nach seiner Freilassung weiter aktiv im Widerstand.

Als Willi Gall im Mai 1939 aus Kopenhagen in Adlers- hof eintraf, wurden die dortigen Widerstandsakti- vitäten ausgebaut. Die Gruppe stellte Flugblätter und Streuzettel her und sorgte für deren Vertei- lung. Auf Initiative Galls wurde im November 1939 die erste Ausgabe der "Berliner Volkszeitung" mit rund 250 Exemplaren ge- druckt, die Texte von Nel- te, Gall und Kurt Seibt ent- hielt. Die Gruppe blieb Kulturring in Berlin e. V. nicht unentdeckt und zahl- reiche Mitglieder wurde Anfang Dezember festgenommen, bevor die zweite Ausgabe der Zei- 49 tung in den Druck ging. In einer Bekanntmachung des Oberreichs- 23 anwalts des Volksgerichtshofs heißt es: "Die am 23. Januar 1941 vom Volksgericht wegen Zersetzung der Wehrkraft des deutschen Volkes, landesverräterischer Feindbegünstigung und Vorbereitung zum Hochverrat zum Tode und zum dauernden Verlust der bürgerlichen Ehrrechte verurteilten Willi Gall aus Pethau, 32 Jahre alt und Otto Nelte aus Berlin, 42 Jahre alt, sind heute hingerichtet worden. Berlin, den 25. Juli 1941.“50

Der Thüringer Walter Gerber trat in den 1920er Jahren der KPD bei und wurde Funktionär in Gera. Er arbeitete im Verlagswesen der Par-

49 Die Verhaftung Neltes erfolgte am 07.12.1939 in seiner Wohnung Ha- ckenbergstraße 30. Eine 1973 am Haus angebrachte Tafel existiert nicht mehr. Hier wohnte der von den Nazis ermordete antifaschistische Wider- standskämpfer Otto Nelte, geb. am 4.12.1898, hingerichtet 27.7.1941 [sic!] in Plötzensee. Vorbild und Mahner der Jugend. Holger Hübner: Das Gedächt- nis der Stadt. Gedenktafel in Berlin. Argon, 1997, S. 384, 387. Hans Maur: Gedenkstätten der revolutionären Arbeiterbewegung. Heft 3, 11.1972, S. 19f. 50 Neues Deutschland: Mit Decknamen Max im illegalen Kampf. 03.10.1983. Heinrich-Wilhelm Wörmann: Widerstand in Köpenick und Treptow. Gedenk- stätte Deutscher Widerstand, 2013, S.21,113, 159ff. Arthur Liebenau: Berlin- Bohnsdorf in der Geschichte der örtlichen Arbeiterbewegung. Historischer Abriß der Geschichte der Arbeiterbewegung im Ortsteil Bohnsdorf des Stadt- bezirks Berlin Treptow. S. 12f. Vgl. Otto Winzer: Zwölf Jahre Kampf gegen Faschismus und Krieg. Dietz, 1955, S. 169 - 173.

Adlershof

tei. Mit seiner Familie zog er 1930 nach Adlershof. Nach der Macht- ergreifung 1933 wurde Gerber verhaftet und in den KZs Sonnenburg, Esterwegen und Sachsenhausen festgehalten. Im Anschluß schloß er sich der Otto Nelte und Willi Gall Gruppe an. Auch Gerber wurde im Zuge der Verhaftungen im Dezember 1939 aufgegriffen und ermor- det.51 Am ehemaligen Wohnort Gerbers in der Selchowstraße 22 wurde ihm zu Ehren eine bronzierte Metalltafel mit rotem Winkel und folgender Aufschrift angebracht:

Hier wohnte der \ antifaschistische \ Widerstandskämpfer \ Walter Gerber \ geb am 12.10.1888 \ Er wurde von der \ Gestapo verhaftet \ und am 21.12.1939 \ ermordet \ Ehre seinem Andenken

WIDERSTANDSKÄMPFER Friedlander Straße 156

Am 30.11.1981 wurde Gerhard Thiemes rund 3.6 Meter hohe Sandsteinstele mit vier Figuren eingeweiht, die laut dem Bildhau- er, den Widerstand gegen den Nationalsozialismus sowie das Engagement nach dem Krieg dar- stellen. Die unterste Figur zeigt 24 einen gefesselten Widerstands- kämpfer, gefolgt von einer Wider- standskämpferin, einem Arbeiter mit erhobener Faust und einem Kulturring in Berlin e. V. Fahnenträger. Die Stele steht im hinteren Teil des Friedhofs, rechter Hand neben der Grabanlage für die Opfer des Faschismus und die Verfolgten des Naziregimes. Eben- falls gestaltete Thieme im Auftrag des Magistrats und des Berliner Stadtgartenamts die Gedenkstätte des Friedhofs Baumschulenweg. Eine ähnliche Stele, jedoch mit anderer Anordnung der Figuren, fin- det sich auf dem dortigen Friedhof (siehe da unter Revolutionäre Kämpfer). 52

51 Martin Schönfeld: Gedenktafeln in Ost-Berlin. Schriftenreihe Aktives Mu- seum, 1991, S. 171. Heinrich-Wilhelm Wörmann: Widerstand in Köpenick und Treptow. Gedenkstätte Deutscher Widerstand, 2013, S. 166. 52 O.A.: Ehrenfriedhof in Adlershof neu gestaltet. [Neues Deutschland], 04.12.1981. O.A.: Stelen zum Gedenken. Ehrenmale von Gerhard Thieme. BZ 01.12.1981. Andere Quellen sprechen von einer Einweihung 1982: siehe u.a.: Stefanie Endlich: Wege zur Erinnerung. Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, 2006, S. 494.

Adlershof

Altglienicke

GEFALLENE DER BEFREIUNGSKRIEGE 1813/15, DES DEUTSCHEN KRIEGS 1866, DES DEUTSCH-FRANZÖSISCHEN KRIEGS 1870/71 Semmelweisstr. 2-6

In der Pfarrkirche hängen rechts an der Seitenempore fünf Holzta- feln, von denen vier die Namen der Gefallenen tragen und eine ein Gemälde eines Adlers mit Schwert und Reichsapfel. Der Adler wurde bis vor rund 10 Jahren durch eine Platte mit einem Eisernen Kreuz verdeckt.1 25

GEFALLENE ERSTER WELTKRIEG Schönefelder Chaussee 100

Hinter der Friedhofskapelle befindet sich eine Ansammlung von fünf Granitschalen und ursprünglich siebzig Findlingen mit Namen und Lebensdaten, die als Gedenk- (nicht als Grab-)Steine für Gefallene im Ersten Weltkrieg aus der Kirchengemeinde Niederschöneweide fun- gieren. Das Gros der Genannten wurden in Soldatengräbern beerdigt, nur wenige wurden umgebettet. In der Anlage befindet sich weiter- hin ein Gedenkstein, der die folgende Inschrift trägt:2

1 Martina Rohde, Klaus Bittschier: “Berlin-Altglienicke, Pfarrkirche, Semmel- weisstr. 2-6“. In: Onlineprojekt Gefallenendenkmäler 2007, 2008. URL: www.denkmalprojekt.org/dkm_deutschland/b- altglienicke_pfarrkirche_wk1.htm. 2 1910 erwarb die evangelische Gemeinde Niederschöneweide das Grund- stück an der heutigen Schönefelder Chaussee. Ab 1920 nach der Eingemein- dung in Groß-Berlin konnten auch Altglienicker hier bestattet werden. ZU DDR-Zeiten wurde für den Grenzstreifen ein Teil des Urnenfeldes der jüdi- schen Opfer und Teile des Kriegerdenkmals eingeebnet. Die Flächen sind in- zwischen wieder hergestellt worden. Seit 1996 fanden Instandsetzungsar- beiten am Friedhofsgelände statt. Joachim Schmidt: Friedhofs-Geschichten unserer Region (5): Der ehemalige städtische Friedhof Niederschöneweide.

Alt-Glienicke

Den Toten \ zum Gedächtnis \ Den Lebenden \ zur Mahnung

Neben dem Stein steht ein Obelisk, der ein Soldatenrelief, 144 Na- men und die folgenden Worte trägt:

Den \ Gefallenen \ zur Ehre \ Den Hinterbliebenen \ zum Troste \ Den \ Kommenden \ zur Mahnung!

26 Kulturring in Berlin e. V.

OPFER DES NS-REGIMES Schönefelder Chaussee 100

1940/41 wurden nach derzeitigem Kenntnisstand auf dem Friedhof 1069 Häftlinge aus dem KZ Sachsenhausen, 75 Insassen der Euthana- sie-Anstalt Schloß Hartheim bei Linz, 41 Häftlinge der Euthanasie- Anstalt Bernburg/Saale, 23 Häftlinge aus dem KZ Buchenwald und Menschen aus weiteren Einrichtungen bestattet.3 Die Leichen wur-

Der Kiezblick Nr. 49, (archiviert ohne Jahr). Sabine Flatau: Friedhof Altglieni- cke: Sanierungsarbeiten vor dem Abschluss. Morgenpost 31.12.1999. Helga Hauthal: Geschichten vom Dorf Altglienicke. Bürgerverein Altglienicke, 1998, S. 100. 3 Becker weist daraufhin, dass es bis 1941 kein Krematorium in Sachsenhau- sen gab und die Toten von daher zur Einäscherung nach Baumschulenweg gebracht wurden. Nach Morsch wurde jedoch Anfang 1940 ein erstes, klei- nes Krematorium in Sachsenhausen in Betrieb genommen. Günter Morsch et al.: Mord und Massenmord im Konzentrationslager Sachsenhausen: 1936 - 1945 (Ausstellung der Gedenkstätte und des Museums Sachsenhausen). Metropol Verlag, 2005, S. 33. Monika Becker: „Die Urnengräber auf den Friedhöfen Baumschulenweg und Altglienicke“. In: Becker et al.: Juden in Treptow. Sie haben geheißen wie ihr heißt. Hentrich 1993,S. 195. Vgl. Hans Maur: Gedenkstätten der revolutionären Arbeiterbewegung. Heft 3, 11.1972, S. 11. Auskunft der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, Ab-

Alt-Glienicke

den im Krematorium Baumschulenweg eingeäschert, und kamen an- schließend auf den Städtischen Friedhof Altglienicke.

Zur Einweihung der Urnengrabstätte im September 1947 mahnte der Bezirksverordnete Pfarrer Sasse „Ein Volk, das seine Opfer vergißt, ist nicht mehr würdig und fähig, noch eine Rolle auf der Weltbühne zu spielen.“4 In Anbetracht der Identität der Toten, unter ihnen Eutha- nasie-Opfer, Jüdinnen und Juden5 und andere wird die Inschrift des Gedenksteins den Toten jedoch nicht gerecht, werden sie schließlich alle als Antifaschisten bezeichnet6:

Den 1284 \ ermordeten \ Antifaschisten deren \ Asche hier bestattet \ ist

Der Stein befindet sich im ersten Gang links vom Eingang. Ein ähnli- cher Stein ist auf dem Friedhof Baumschulenweg zu finden (siehe da).

Zu DDR-Zeiten kam es laut den Recherchen von Klaus Leutner zu wei- teren Beisetzungen. Das Urnen-Sammelgrabstellenbuch Friedhof Alt- glienicke berichtet von einer Beisetzung von „80 Stück unbekannte Aschen vom Anatomischen Institut Humbold[t] Universität, Berlin N.W.“ am 03.09.1952. Es ist davon auszugehen, dass es sich dabei um Leichen von zu Tode Verurteilten des Strafgefängnis Berlin- Plötzensee handelt, die in der Regel dem anatomischen Institut der 27 Charité übergeben wurden. Erst zu DDR-Zeit wurden sie einge- äschert. Mit den 80 Toten aus Plötzensee befindet sich in Altglienicke die größte Ruhestätte für die Opfer aus Plötzensee, derer nicht ent- sprechend gedacht wird.7

Ein Gedenkstein des Bürgervereins Altglienicke e.V., gestaltet von Steinmetz Ralf Schmidt, wurde am 16.11.2013 errichtet.8 Auf dem

teilung I - Stadt- und Freiraumplanung / Referat I C - Freiraumplanung und Stadtgrün, Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft 07/2016. 4 O.A.: Grabstätte für KZ Opfer. BZ 09.09.1947. 5 Die Namen der 39 bekannten jüdischen Häftlinge, die in Altglienicke be- stattet wurden, werden hier angeführt: Monika Becker: „Die Urnengräber auf den Friedhöfen Baumschulenweg und Altglienicke“. In: Becker et al.: Ju- den in Treptow. Sie haben geheißen wie ihr heißt. Hentrich 1993,S. 195ff. 6 1952 machte Walter Hammer, Begründer der Gedenkstätte Haftanstalt Brandenburg/Görden, den Vorschlag, die Toten aus Plötzensee der dortigen Gedenkstätte zu übergeben. (Quelle: Ebd.) In der Denkmalpflegekartei vor 1989, Altglienicke 116 wird alleinig angeführt, dass die Asche von den „in Sachsenhausen ermordete[n] Antifaschisten“ stammt. Denkmalpflegekartei vor 1989, Altglienicke Nr. 116, Museum Treptow. 7 Klaus Leutner: „Im Namen des Deutschen Volkes“. In: Gedenkstättenrund- brief 135. 2007, S. 27 - 40. 8 Holger Hübner et al.: „Opfer des Zweiten Weltkrieges“. In: Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Verein Aktives Museum (Hrsg.): Gedenktafeln in Ber- lin. URL: www.gedenktafeln-in-berlin.de.

Alt-Glienicke

Findling, der sich am Ende des Weges rechts vom Eingang am Rande einer Zeile mit Kriegsgräbern befindet, werden die Toten als Opfer des Weltkriegs beschrieben:

Den Opfern \ des II. Weltkrieges \ 1939 - 1945 \ zum Gedenken \ Bür- gerverein \ Altglienicke e.V. \ 2003

STOLPERSTEINE

Schwestern EICHNER Hermine Eichner (Mackov / Motzdorf 22.09.1874 - Auschwitz 1944), Auguste Hengst, geb. Eichner (Mackov / Motzdorf 03.07.1888 - Raasiku) Köpenicker Straße 58/60

Die Verlegung der Stolpersteine für die zwei Schwestern in der Klein- gartenanlage Lunapark erfolgte am 20.09.2013 für Hermine Eichner und am 22.03.2014 für Auguste Hengst.9 Die Inschriften der verlegten Steine lauten:

HIER WOHNTE \ HERMINE EICHNER \ JG. 1874 \ DEPORTIERT 3.10.1942 \ THERESIENSTADT \ 1944 AUSCHWITZ \ ERMORDET10

und 28 HIER WOHNTE \ AUGUSTE HENGST \ GEB. EICHNER \ JG. 1888 \ DE- PORTIERT 26.9.1942 \ RAASIKU \ ERMORDET

Am 24./26.09.1942 wurde sie mit dem Transport am Main / Berlin nach Raasiku bei Reval deportiert.11

Eheleute HEILBRONN Hugo Heilbronn (Bochum 25.01.1889 - Majdanek 22.05.1942) Minna Heilbronn, geb. Lack (Grudziądz / Graudenz 09.04.1899 -

9 Hermine Eichner, Auguste Hengst auf den Seiten der Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin. 10 Am 16.05.1944 erfolgte die zweite Deportation von Hermine Eichner nach Auschwitz mit dem Transport Ea, Nr. 1553. Die Datenbank der Holocaust Opfer auf holocaust.cz gibt für Hermine Eichner, geb. 22.09.1874, im Gegen- satz zum Stolperstein an, dass diese mit dem Transport I/71, Nr. 8796 am 04.10.1942 von Berlin nach Theresienstadt deportiert wurde. Das Online- Gedenkbuch des Bundesarchivs Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945 gibt wie der Stolperstein den 03.10.1942 als Datum der Deportation an. 11 Auguste Hengst im Online-Gedenkbuch des Bundesarchivs Opfer der Ver- folgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945. Laut www.altglienicke24.de Archiv 2010/11 wurde Auguste Hengst durch ihren nichtjüdischen Ehemann bis zu seinem Tod vor der Deportation geschützt.

Alt-Glienicke

Trawniki/Majdanek) Rudower Straße 68

Die Stolpersteinverlegung für die Eheleute Heilbronn fand am 22.03.2014 statt.12

HIER WOHNTE \ HUGO HEILBRONN \ JG. 1889 \ VERHAFTET 5.6.1938 \ BUCHENWALD \ ENTLASSEN 27.6.1939 \ DEPORTIERT 28.3.1942 \ TRAWNIKI \ ERMORDET 22.5.1942 \ MAJDANEK

HIER WOHNTE \ MINNA HEILBRONN \ GEB. LACK \ JG. 1894 \ DE- PORTIERT 28.3.1942 \ ERMORDET IN \ TRAWNIKI13

Felix LAZARUS Berlin 22.09.1880 - Auschwitz 26.08.1943 Sachsenstraße 18

Am 20. September 2013 erfolgte die Verlegung des für Felix Lazarus mit folgendem Text14:

HIER WOHNTE \ FELIX LAZARUS \ JG. 1880 \ DEPORTIERT 1942 \ AUSCHWITZ \ ERMORDET 1943

Eheleute ZENZ Max Zenz (Berlin 19.03.1883 - 1943 Auschwitz) 29 Lina Zenz, geb. Goetzer (Schwedt 15.06.1876 - Auschwitz 1943) Schirnerstraße 28

Die Stolpersteinverlegung für den Installateur und Gastwirt Max Zenz sowie dessen Ehefrau Lina Zenz erfolgte am 20.09.2013.15 Die In- schriften der Steine lauten:

HIER WOHNTE \ MAX ZENZ \ JG. 1883 \ DEPORTIERT 28.6.1943 \ ER- MORDET IN \ AUSCHWITZ sowie

12 Laut www.altglienicke24.de/archiv-2010-2015/jahr-2014/ hatte der Gla- sermeister Hugo Heilbronn in der Rudower Straße seine Werkstatt. Mit sei- ner Ehefrau Minna Heilbronn wohnte er von 1931 bis 1936 in der Rudower Straße 68. Minna und Hugo Heilbronn auf den Seiten der Koordinierungs- stelle Stolpersteine Berlin. 13 Laut Angaben des Gedenkbuchs des Bundesarchivs für die Opfer der natio- nalsozialistischen Judenverfolgung in Deutschland (1933-1945) wurden die Eheleute am 28.03.1942 ins Ghetto Piaski deportiert. Der Stolperstein Heil- bronns gibt Trawniki als Deportationsort an, welches 11 km von Piaski ent- fernt liegt (2.5 Stunden Fußmarsch). Das Gedenkbuch setzt Majdanek als Ort der Ermordung für Minna Heilbronn fest, der Stolperstein nennt Trawniki. 14 Felix Lazarus auf den Seiten der Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin. 15 Max und Lina Zenz auf den Seiten der Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin.

Alt-Glienicke

HIER WOHNTE \ LINA ZENZ \ GEB. GOETZER \ JG. 1876 \ DEPORTIERT 28.6.1943 \ ERMORDET IN AUSCHWITZ

OPFER DER MAUER Lutz Schmidt (Zittau 08.07.1962 - Berlin 12.02.1987) Schönefelder Chaussee / Lutz-Schmidt-Straße (Siedlung Rehpfuhl)

Die von Ulrich Stulpe entworfene Gedenktafel aus Edelstahl, die an einem hellen Betonsockel befestigt ist, wurde am 09. November 2008 eingeweiht.16 Ihr Text lautet:

BERLINER MAUER 1961-1989 \ AN DIESER STELLE VERSUCHTEN \ AM 12. FEBRUAR 1987 \ ZWEI JUNGE MÄNNER DIE FLUCHT \ ÜBER DIE BERLINER MAUER \ NACH WEST-BERLIN. \ LUTZ SCHMIDT, 24 JAHRE ALT, \ STARB IM KUGELHAGEL \ DER DDR-GRENZPOSTEN. \ PETER SCHULZE GELANG DIE FLUCHT. 1961-1989

Die Arbeitskollegen Lutz Schmidt und Peter Schulze planten am 12. Februar 1987 während einer Nachtschicht in den Westen zu fliehen. Mit einem LKW fuhren sie auf der Rheingoldstraße im Grenzgebiet Altglienicke aufgrund des nebligen Wetters beinahe in einen Strei- fenwagen. Ihr Ausweichmanöver führte dazu, dass sie sich mit dem LKW festfuhren. Sie verließen den Wagen mit zwei Leitern und steu- erten auf den Grenzzaun zu. Als sie den Alarm des Signalzauns auslös- 30 ten, mussten sie eine Leiter zurücklassen. Lutz Schmidt half Peter Schulze die Mauer zu erklimmen und wurde dabei selbst von einer Kugel der Grenzsoldaten getroffen. Er verstarb im Todesstreifen.17

TURNER / ERSTER WELTKRIEG Semmelweisstr. 2-6

Neben der Pfarrkirche befindet sich ein Feldstein mit der Inschrift:

Dem Gedächtnis \ unserer im Weltkriege 1914 - 1918 \ gefallenen Turnbrüder/ Gustav Reinicke gef. 05.11.1914 \ Arnold Möwius verm. 09.03.1915 \ Walter Hellmann gef. 14.08.1915 \ Gustav Nikolaus gef. 25.10.1916 \ Erich Reschke gef. 21.04.1917 \ Paul Haschke gef. 20.09.1917 \ Max Körper gef. 22.03.1918 \ Paul Gieseler gef. 30.07.1918 \ Ehre Ihrem Andenken! \ M.T.V. Spiess \ Alt Glienicke \ 09.07.1922

16 Anna Kaminsky: Orte des Erinnerns: Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur in SBZ und DDR. Ch. Links Verlag, 2016, S. 170. Kurt Wernicke: Anlage 1. In: Antrag auf Bewilligung von Sondermitteln der BVV.

17 Rony Kern: Siebzehn Kilometer Grenze. Die Berliner Mauer Treptow 1961 - 1981. Vbb, 2011, S.131f, 229.

Alt-Glienicke

Der Feldstein des Männer-Turnverein (MTV) wurde im Juli 1922 auf dem damaligen Sportplatz Bohnsdorfer Weg / Salierstraße aufge- stellt. 1930 erwarb die Gärtnerei Rosenberg das Gelände, der Ge- denkstein wurde daraufhin neben der Pfarrkirche aufgestellt. Die Restauration des Steins erfolgte auf Initiative des Altglienicker Bür- gervereins 2011 durch den Steinmetz Ralf Schmidt.18

Einweihung des Steins 1922, Archiv Museum Treptow-Köpenick 31

18 Joachim Schmidt: Gedenkstein des MTV SPieß Altglienicke wieder in neu- em Glanz. Der Dörferblick, 12.2011, S.6. Ralf Drescher: Historischer Gedenk- stein saniert. Berliner Woche, 18.01.2012.

Alt-Glienicke

ALT-TREPTOW

ASTRONOMEN Archimedes ([Syrakus] ca. 287 v. Chr. – [Syrakus] 212 v. Chr.), Nicolaus Copernicus (Thorn 19.02.1473 - Frauenburg 24.05.1543), Al- bert Einstein (Ulm 14.03.1879 - Princeton 18.04.1955), Galileo Galilei (Pisa 15.02.1564 - Arcetri 08.01.1642), Johann Gottfried Galle (Radis 09.06.1812 - Potsdam 10.07.1910), Johannes Kepler (Weil 27.12.1571 - Regensburg 15.11.1630) 32 Alt Treptow 1

In den 1960er Jahren wurde unter Leitung von Dietrich Wattenberg ein astronomischer Garten in der Sternwarte geschaffen. Sein Vorha- ben umriss er 1962 mit den Worten:

„Um diesem Platz im Zuge der Neugestaltung des Treptower Parks eine besondere Bedeutung zu verleihen, [… wird …] der Vorschlag un- terbreitet, hier denjenigen ein Denkmal zu setzen, die an der Er- schließung des Weltraums und der Wegbereitung zu den Sternen we- sentlichen Anteil hatten und durch ihre Forschungen in der Vergan- genheit dazu beigetragen haben, dem Menschen die Möglichkeit kosmischer Flüge zu erschließen, die Gesetze des Weltraums zu ent- decken und zu erforschen und schließlich die Erreichung anderer Himmelskörper zu gewährleisten.“

Wattenberg schlug als zu ehrende Persönlichkeiten vor: Nikolaus Ko- pernikus, der das Modell des heliozentrischen Planetensystems be- gründete; Galileo Galilei, der 1609 als erster ein Fernrohr auf den Himmel richtete und mit dem Spruch „Und sie bewegt sich doch“ in die Geschichtsschreibung einging; Johannes Kepler, auf den die Keplerschen Gesetze, die die Bewegungsformen der Planeten darle- gen, zurückgehen sowie Albert Einstein, der maßgebliche theoreti-

Alt-Treptow

sche Grundlagen für die Erforschung des Alls vorlegte und insbeson- dere durch seine Relativitätstheorie bekannt wurde. Weiterhin schlug Wattenberg vor, Isaac Newton, Friedrich Wilhelm Bessel, Bunden und Kirchhoff, K.E. Ziolkowski sowie Max Planck zu ehren.1

Kulturring in Berlin e. V. 33 Als erste Büste für den Ehrenhain wurde aus Sondermitteln des Kul- turfonds Groß-Berlin die Anschaffung einer Büste Albert Einsteins von Jenny Mucchi-Wiegmann ermöglicht. Diese wurde zuvor bereits auf der Blumen- und Plastikschau im gezeigt. Ein zweiter Abguß der Büste wurde am 13.03.1963 am Vortag des Geburtstags Einsteins im astronomischen Garten enthüllt.2 1971 wurde ein bron- zener Gedenkstein für Johannes Keppler von Werner Richter im ast- ronomischen Garten aufgenommen und am 09.06.1971 stellte Gerhard Thieme seine Bronzeplastik des griechischen Mathematikers und Physikers Archimedes bei der neunten Plastik und Blumen- Ausstellung im Treptower Park vor.3 Anlässlich des 500. Geburtstags

1 Dietrich Wattenberg: Vorschlag zur Gestaltung des Platzes Unter den Ei- chen im Treptower Park zwischen Sternwarte u-Karpfenteich. 12.02.1962. Zeitungsarchiv Museum Treptow-Köpenick, Ordner 22.10. 2 Dietrich Wattenberg: Aufstellung einer Einsteinbüste (Anschreiben an den Rat des Stadtbezirks Treptow). 05.10.1962. Dietrich Wattenberg: Die Ein- stein-Büste der Archenhold-Sternwarte. Sonderdruck Nr. 3, Berlin-Treptow, 1963. o.A.: Einstein-Büste enthüllt. Jenny Mucchi-Wiegmann schuf Bronze- plastik für Archenhold-Sternwarte. Neues Deutschland, 14.03.1963. Ein wei- terer Nachguss der Büste findet sich seit ca. 1974 an der Sektion Physik / Universität Rostock. 3 G.F.: Plastik in Treptow. Neue Berliner Illustrierte, 01.08.1971. In den Arti- keln wird die Skulptur Archimedes auf dem Gelände neben den weiteren Büsten nicht erwähnt: Vgl. O.A.: Rendezvous in Treptow. BZ, 10.01.1973.

Alt-Treptow

von Copernicus wurde am 28.02.1973 eine vom Leipziger Bildhauer Werner Richter gestaltete Büste von Nicolaus Copernicus mit Ge- denkstein eingeweiht. Dieser zeigt das stilisierte, von ihm erschaffene Weltbild mit der Sonne als Mittelpunkt des Planetensystems. Rechts unter dem Relief findet sich die Inschrift: Nicolaus Copernicus 1473 - 1543. Laut Angabe der Initiatoren sollte die Büste einen Beitrag zur deutsch-polnischen Freundschaft leisten.4 Am 08.07.1974 reihte sich die ebenfalls von Richter entworfene Skulptur von Galileo Galilei in den Garten ein.5 1984 erfolgte zu guter Letzt die Einweihung der Büs- te von Johann Gottfried Galle vom selben Künstler.6

Heute ist einzig die Skulptur des Archimedes im Park der Ar- chenhold Sternwarte verblieben und bei Führungen zugänglich. Aus Angst vor Diebstahl muss- ten die anderen Büsten in die Innenräume verlegt werden. Neben der Büste Keplers wurde auch die Einsteins 1991 ent- wendet. 2003 tauchte eine ähn- liche Büste des Princeton Pro- fessors bei einem Antiquitäten- 34 händler der Umgebung auf. Die Kulturring in Berlin e. V. Sternwarte konnte nicht nach- weisen, dass es sich dabei um ihr Exemplar handelte.7

FESTIVALBLUME Treptower Park

Im Rosengarten des Treptower Parks erinnert die Skulptur Festival- blume von Achim Kühn an die Weltfestspiele der Jugend, die 1973 in Ostberlin stattfanden.8 Der Text im Zentrum der Blume lautet:

Neues Deutschland, 11.07.1974. Hier findet sich hingegen ein Abdruck: Gerhard Schulz: Begegnung von Kunst und Wissenschaft. Berliner Zeitung, 17.10.1974. 4 Martina Schuhmacher: Copernicus-Denkmal enthüllt. Der Morgen, 01.03.1973. Hans Meissner: (Foto). BZA, 01.03.1973. 5 O.A.: Galilei in Bronze. BZ am Abend, 09.07.1974. 6 Bezirksamt Treptow-Köpenick, Amt für Weiterbildung und Kultur (Hrsg.): Gesamtübersicht der Denkmale u. Plastiken im Bezirk Treptow-Köpenick. Stand April 2004, S. 5. 7 Ebd., S. 5f. Marcel Gäding: Die Archenhold-Sternwarte bekommt ihre Ein- stein-Büste wieder - Zwölf Jahre verschollen. Berliner Zeitung, 27.09.2003. Fedor Mitschke, Reinhard Mahnke: „Die Einstein-Büste im Institut für Phy- sik“. In: 600 Jahre Universität Rostock. S. 10 - 13. ADN: Einstein-Büste ge- stohlen. Neues Deutschland, 18.09.1991.

Alt-Treptow

Rosengarten \ X. Weltfestspiele

Die Festivalblume bildet das Symbol der Spiele, einen Globus um- ringt von farbigen Kreisen, nach. Auf dem Festival traten u.a. die Sän- gerin Nina Hagen, die Bürgerrechtlerin Angela Davis und Jassir Arafat auf. Im Treptower Rosengarten wurden damals 5000 Rosen der Freundschaft als Zeichen der internationalen Solidarität und als Gast- geschenk an die Berliner durch 750 Festivalgäste gepflanzt. Im An- schluß daran erfolgte die Enthüllung der Blume.9

FRIEDLICHE REVOLUTION Plesser Straße 4

Vor der Bekenntniskirche findet sich seit 2009 eine von 18 Informa- tionsstelen mit denen die Robert Havemann Gesellschaft e.V. Orte der friedlichen Revolution in Berlin markierte. Ihre Inschrift lautet:

Die Bekenntnisgemeinde zählte in den 1980er-Jahren mit Pfarrer Werner Hilse zu jenen, die sich für politisch bedrängte Menschen in der DDR öffneten. Dazu gehörten Gruppen, die mit ihrer Kritik an der SED-Diktatur die DDR verändern, und solche, die sie verlassen wollten.

Ab 1983 trafen sich in der Bekenntniskirche ein Friedenskreis und der Arbeitskreis Schwule in der Kirche. Aufgrund staatlichen Drucks wurde ein für November 1985 angesetztes Menschenrechtsseminar abge- 35 sagt. Als Reaktion darauf kam es zur Bildung der kirchenunabhängi- gen Gruppe Initiative Frieden und Menschenrechte.

Seit 1988 erschien in der Gemeinde die Untergrundzeitschrift Kontext. Beiträge aus Politik, Gesellschaft, Kultur. Zudem traf sich in der Kirche ab 1988 ein von Ausreiseantragstellern gegründeter Arbeitskreis. Am 13. August 1989 - dem Jahrestag des Mauerbaus - mahnten hier Op- positionelle der Gruppe Absage an Praxis und Prinzip der Abgrenzung politische Veränderungen in der DDR an und forderten dazu auf, eine oppositionelle Sammelbewegung zu bilden. Aus dieser Initiative ging am 12. September 1989 die Bürgerbewegung Demokratie Jetzt her- vor. Vier Tage vor dem Mauerfall, am 5. November 1989, konstituier-

8 Bezirksamt Treptow-Köpenick, Amt für Weiterbildung und Kultur (Hrsg.).: Gesamtübersicht der Denkmale u. Plastiken im Bezirk Treptow-Köpenick. Stand April 2004, S. 29. 9 Burga Kalinowski, Margit Stolzenburg: 5000 Rosen der Freundschaft. Neues Deutschland, 31.07.1973 (inklusive Bildmaterial der Pflanzung). Archiviert im Ordner 15.7 - 15.8 Zeitungsarchiv Museum Treptow bis 1989. Jens Uthoff: Ein bisschen Freiheit. TAZ, 27.07.2013.

Alt-Treptow

te sich in der Bekenntniskirche die Initiative zur Gründung einer Grü- nen Partei in der DDR.10

Weiterhin sind auf der Stele Fotografien abgebildet, u.a. von einem Treffen der Reisegruppe 88. Durch die Vorort vorhandene Technik kann der Informationsbeitrag in verschiedenen Sprachen abgehört werden. Auf der Stele befindet sich ebenfalls ein Plan mit Standort- markierungen für die anderen Aufstellorte der Stelen in Berlin.

Friedrich Simon ARCHENHOLD Lichtenau 02.10.1861 - Berlin 14.10.1939 Alt Treptow 1

Im Treptower Park steht auf dem Gelände der Archenhold Sternwar- te eine Porträtbüste des Astronomen Friedrich Simon Archenhold aus rotem Sandstein, die durch Theo Balden 1955 geschaffen wurde. Eine

36

Kulturring in Berlin e. V

weitere Sandsteinbüste Archenholds desselben Künstlers von 1952 wurde 1956 auf dem Gelände aufgestellt. 11

10 Vgl. Robert Havemann Gesellschaft e.V.: Erinnerungs- und Informations- stelen. zur Friedlichen Revolution von 1989/90 in Berlin. O.V., 2009. 11 Klaus Weidner: Plastiken, Denkmäler, Brunnen im Bezirk Treptow. Luisen- städtischer Bildungsverein 1993, S. 7. Kommission Kunst im öffentlichen Raum des Bezirkes Treptow-Köpenick von Berlin: Verzeichnis Kunst im öf- fentlichen Raum – Bezirk Treptow-Köpenick. Bezirksamt Treptow-Köpenick, Amt für Weiterbildung und Kultur, Stand Januar 2016, S. 3f.

Alt-Treptow

Archenhold wurde als Sohn des jüdischen Kaufmanns Moses Archenhold und sei- ner Frau Rosa, geb. Blumen- feld geboren. Er studierte zunächst in Straßburg, dann in Berlin bei dem bekannten Astronomen Wilhelm Förs- ter. Ab 1891 arbeitete er für die Berliner Sternwarte in Grunewald, und wurde nachdem er seinen Doktor an der Western University Pennsylvania erwarb, zum Direktor der Volkssternwar- te im Treptower Park beru- Kulturring in Berlin e. V. fen. Hier widmete er sich insbesondere der populärwissenschaftlichen Vermittlung von Astro- nomie. Auf sein Betreiben ging u.a. der Bau des Riesenfernrohrs im Treptower Park zur Berliner Gewerbeausstellung 1896 zurück.

Sein Sohn Günther Herrmann Archenhold übernahm 1931 die Füh- rung der Sternwarte. 1936 verlor er den Posten als Direktor aufgrund 37 seiner jüdischen Abstammung. Seine Frau Alice und seine Tochter Hilde wurden nach Theresienstadt deportiert und dort ermordet. Über die zwei anderen Töchter ist nichts bekannt. Günther Hermann Archenhold wurde interniert, überlebte jedoch den Krieg und ließ sich in Großbritannien nieder. Im Herbst 1992 nahm er fast 90jährig an der Namensverleihung der Archenhold-Schule teil.12

DEUTSCHE EINHEIT, JAPANISCHE KIRSCHBÄUME Lohmühlenbrücke

Am ehemaligen Grenzstreifen wurden 1993 am Landwehrkanal auf Initiative eines japanischen Fernsehsenders Kirschbäume als Zeichen der Freude über die deutsche Einheit gepflanzt. Ein mit Findling mit eingravierter Inschrift erklärt:

(Japanischer Schriftzug für Sakura - Kirschblüte) \ Kirschbäume \ ge- spendet von japanischen Bürgern \ aus Freude \ über die Vereinigung unseres Volkes \ unterstützt von TV Asahi Network \ gepflanzt vom Sakura-Organisationskomitee

Bei Gedenksteinen in anderen Bezirken ist der Inschrift ein Haiku Issas beigefügt: Unter den Zweigen der Kirschbäume in Blüte ist kei- ner ein Fremder hier. ISSA

12 Ronald Friedmann: „Prominente Juden in Treptow“. In: Becker et al.: Ju- den in Treptow. Sie haben geheißen wie ihr heißt. Hentrich 1993,S. 36 - 38.

Alt-Treptow

Kirschblüten gelten in Japan als Symbol für Schönheit und Vergäng- lichkeit. Die TV Asahi Group rief in Japan als Reaktion auf den Fall der Mauer zu der Aktion auf. Über 20.000 JapanerInnen spendeten laut Angaben der Sakura Campaign insgesamt ca. 140 Millionen Yen (rund 2 Millionen DM). Die ersten Kirschbäume wurden im November 1990 an der Glienicker Brücke in Potsdam gepflanzt. Im Mai 2004 standen bereits 9083 Bäume. Pflanzungen erfolgten auf ehemaligen Grenz- streifen, in Parks und in den Gärten öffentlicher Einrichtungen sowie auf dem Grenzgebiet zwischen Frankfurt/Oder und Polen.

Weitere Pflanzungen von insgesamt 45 Bäumen in Treptow erfolgten: am 29.04.1993 im Wildenbruchpark / Wildenbruchstraße, am 10.03.1994 in Kitas, am 07.03.1995 am Oberstufenzentrum Treptow in der Rudower Straße sowie am 24.11.1995 im ehemaligen Grenz- streifen in der Kiefholzstraße. 13

Albert EINSTEIN Ulm 14.03.1879 - Princeton 18.04.1955 Alt-Treptow 1

Anlässlich des 100. Geburtstags von Albert Einstein wurde in der Treptower Sternwarte am 15.03.1979 eine Gedenktafel eingeweiht. Die Inschrift lautet:

In diesem Saal \ hielt \ Albert \ Einstein \ (1879-1955) \ am 2. Juni 1915 \ den ersten \ öffentlichen \ Berliner Vortrag \ über die \ Relati- 38 vitäts- \ theorie

Werner Füssel gestaltete die im Foyer der Archenhold Sternwarte in der Nähe des Eingangs zum Großen Saal hängende Tafel.14 Zu dem Zeitpunkt des Vortrags lebte Einstein in Berlin, 1933 nach der Macht- ergreifung Hitlers legte Einstein seinen deutschen Pass ab und forsch- te fortan in den USA.15

GESCHICHTSMEILE BERLINER MAUER Puschkinallee, Lohmühlenstraße, Harzer Straße, Bouchéstraße, Hei- delberger Straße, Elsenstraße, Treptower Straße, [Kiefholzstraße, Dammweg, Sonnenallee, Rudower Straße, Schönefelder Chausee]

13 Sakura Campaign: Unter den Zweigen der Kirschbäume in Blüte ist keiner ein Fremder hier. Flyer zur Kampagne, 2004. Senatsverwaltung für Stadt- entwicklung und Umwelt, URL: www.stadtentwicklung.berlin.de/umwelt/stadtgruen/stadtbaeume/de/saku ra/. 14 D.B. Herrmann: Einladung. Archenhold Sternwarte, 1979. Archiviert im Zeitungsarchiv des Museum Treptow-Köpenicks, Ordner 23 bis 1989. Vgl. o.A.: „Einstein-Gedenktafel in der Sternwarte“. In: Blick in das Weltall. Nr. 6, 06.1979, S. 56. O.A.: Einstein-Ehrung in der Sternwarte Treptow. Neues Deutschland, 16.03.1979. 15 Armin Hermann: Einstein. Der Weltweise und sein Jahrhundert. Eine Bio- graphie. Piper, 1994.

Alt-Treptow

Bis heute lassen sich Spuren des ehemaligen Grenzverlaufs im Bezirk entdecken. Der Mauerverlauf ist wie auch andernorts in der Stadt durch eine doppelte Pflastersteinreihe markiert, die entlang der oben genannten Straßen führt.

Zu den vorhandenen Mauerspuren im Bezirk gehören weiterhin der Grenzwachturm „Führungsstelle Schlesischer Busch“ und die Plat- tenwand der Vorfeldsicherung an der Puschkinallee. Ehemalige Blu- menschalensperren, Steckmetallzaunstücke und Fundamentreste weisen auf den einstigen Mauerverlauf hin.16 Eine Informationstafel der Geschichtsmeile gibt Erläuterungen zu der Führungsstelle in der Puschkinallee. An der Harzerstraße / Bouchéstraße umreißt eine wei- tere Tafel die Auswirkungen der Grenze auf die geteilte Straße. Wei- tere Informationsstelen zur Geschichte der Berliner Mauer finden sich im Ortsteil Baumschulenweg und Plänterwald (siehe da).

HAIN DER KOSMONAUTEN Waleri Fjordowitsch Bykowski (Pawlowski Possad 02.08.1934), Juri Alexejewitsch Gagarin (Kluschino 09.03.1934 - Nowoslojowo 27.03.1986), Sigmund Jähn (Rautenkranz 13.02.1937) Alt-Treptow 1

Am 26.08.1978 um 15.51 Uhr MEZ starteten Sigmund Jähn und Wale- ri Bykowski mit dem sowjetischen Raumschiff Sojus 31 ins All. Einen Monat darauf wurde der Hain der Kosmonauten im Vorgelände der 39 Archenhold Sternwarte am 21.09.1978 als Erinnerungsstätte an den Flug unter Anwesenheit der beiden eingeweiht. Ebenso wurde eine Büste Jähns - dem ersten Deutschen im All - von Gerhard Rommel enthüllt.17

Anlässlich des 20igsten Jahrestags des ersten bemannten Weltraum- flugs wurde am 10.04.1981 ein Denkmal für Juri Gagarin eingeweiht, der als erster Mensch in einem Raumschiff die Erde umkreiste.18 Die Inschrift des Denkmals lautete:

Juri A. Gagarin \ Fliegerkosmonaut \ der UdSSR \ 1. Mensch im Welt- raum19

Am Vorabend des fünften Jahrestags des Weltraumflugs der Sojus 31 wurde am 25.08.1983 eine ebenfalls von Rommel geschaffene Bron- zebüste zu Ehren des sowjetischen Kosmonauten Waleri Bykowski eingeweiht. 1978 wurde Bykoswki Kommandant der Sojus 31, dies

16 Ronny Kern: Siebzehn Kilometer Grenze. Die Berliner Mauer Treptow 1961 - 1981. Vbb, 2011, S.217ff. 17 O.A.: „Der erste Deutsche im All - ein Bürger der DDR“. In: Zentrales Haus der DSF. 11/12 1978. Archiviert ohne weitere Angaben in Ordner 23.04 Denkmalpflege bis 1989, Museum Köpenick-Treptow, 18 O.A.: Gagarin-Büste in Treptow enthüllt. BZ am Abend, 11.04.1981. 19 O.A.: Denkmal für Juri Gagarin. Der Morgen, 11.04.1981.

Alt-Treptow

war sein dritter Weltraumflug.20 Die Inschrift unter der Büste By- koswkis lautete:

Waleri F. Bykowski \ Fliegerkosmonaut der UdSSR21

Der Verbleib der Büsten ist unbekannt.22 In der Allee der Kosmonau- ten in befindet sich ebenfalls eine Gedenktafel für Bykowski und Jähn.23

HEINZ JERCHA, FLUCHTTUNNEL Berlin 01.07.1934 – Berlin 27.03.1962 Heidelberger Straße 35 Heidelberger Straße / Elsenstraße

Kulturring in Berlin e. V 40

Der gelernte Fleischer Heinz Jercha floh 1959/60 aus der DDR nach West-Berlin, wo er mit Frau und Kind lebte. Im Frühjahr 1962 schloss er sich Harry Seidel und Fritz Wagner an, um DDR-BürgerInnen bei der Flucht in die BRD zu unterstützen. Von den Kellern des Hauses in der Heidelberger Straße 35 bis zur Nummer 75 gruben Heinz Jercha und Harry Seidel im selben Jahr einen Fluchttunnel. 24

Auf Initiative des Bezirksamts Treptow-Köpenick wurde am 11.08.2006 anlässlich des 45. Jahrestags des Mauerbaus an der Hei-

20 O.A.: Kosmonauten bei den jungen Bauarbeitern in Marzahn. Neues Deutschland, 26.08.1983. ADN: Jugend- und Studentenbrigaden begrüßten Fliegerkosmonauten. BZ, 26.08.1983. 21 Vgl. Holger Hübner: Das Gedächtnis der Stadt. Gedenktafel in Berlin. Ar- gon, 1997, S. 379. 22 Die Portrait-Büsten wurden laut Beantwortung der kleinen Anfrage 384 von Stefan Förster vom 09.09.2003 gestohlen (Museum Köpenick Treptow, Ordner 841.0). Laut Weidner wurden sie beim Senator für Kulturelle Angele- genheiten eingelagert. Klaus Weidner: Plastiken, Denkmäler, Brunnen im Be- zirk Treptow. Luisenstädtischer Bildungsverein 1993, S. 39. Bis 1989 müssen die Büsten noch gestanden haben. O.A.: Mitteilungen der Archenhold- Sternwarte Berlin-Treptow. O.V., 1989, S. 73. 23 Vgl. Holger Hübner: Das Gedächtnis der Stadt. Gedenktafel in Berlin. Ar- gon, 1997, S. 451. 24 Ronny Kern: Siebzehn Kilometer Grenze. Die Berliner Mauer Treptow 1961 - 1981. Vbb, 2011, S.139.

Alt-Treptow

delberger Straße / Elsenstraße eine Platte mit dem Text angebracht: 25

FLUCHTTUNNEL \ UNTER DIESER STRASSE GRUBEN \ FLUCHTHELFER AUS WEST-BERLIN \ NACH DEM MAUERBAU EINEN TUNNEL \ AM 11. JUNI 1962 GELANG AUF DIESEM WEGE 55 OSTBERLINERN DIE FLUCHT IN DEN \ FREIEN TEIL DER STADT.

Seit 2012 erinnert eine Gedenktafel im Bezirk Neukölln in der Heidel- berger Straße 35:

Zum Gedenken an Heinz Jercha \ Vom Keller dieses West-Berliner Hauses wurde im März 1962 \ ein Fluchttunnel zum gegenüberliegen- den \ Haus Heidelberger Straße 75 in Ost-Berlin gegraben. \ Zwischen dem 22. und dem 27. März 1962 konnten hier \ etwa 50 Menschen in den Westen flüchten. \ Nachdem der im Ost-Berliner Haus lebende -Spitzel \ »IM Naumann« den Tunnel verraten hatte, geriet Heinz Jercha \ beim Versuch, weitere Flüchtlinge zum Tunnel zu bringen, \ am 27. März 1962 in einen Hinterhalt der DDR-Staatssicherheit. \ Von den zahlreichen auf ihn abgefeuerten Schüssen traf ihn \ ein Quer- schläger aus der Pistole eines Stasi-Leutnants \ um 20.50 Uhr in den Rücken. \ Heinz Jercha konnte durch den Tunnel in den Westen zu- rückkriechen, \ verlor hier aber das Bewusstsein und starb kurz nach \ 21 Uhr an den durch den Schuss verursachten inneren Blutungen. \ Die Heidelberger Straße war die Straße , die zu Zeiten \ der 41 Mauer am häufigsten untertunnelt wurde. \ Die Gesamtzahl der von Treptow nach Neukölln durch Tunnel \ Geflüchteten ist nicht genau bekannt, liegt aber bei über 100 Menschen.\ Immer wieder wurden Flüchtlinge und Fluchthelfer aber auch verhaftet.\ Im Oktober 1962 schoss die Stasi - wieder unter Beteiligung\ des Todesschützen von Heinz Jercha - einen weiteren Fluchthelfer an\ und verletzte ihn schwer.\ Gestiftet durrch den Berliner Unterwelten e.V. Berlin, 27. März 2012

Harry Seidel, der mit Jercha den Tunnel erbaute, weihte die Gedenk- tafel gemeinsam mit Neuköllns Baustadtrat Thomas Blessing ein. Sie ersetze eine vorherige Gedenktafel.26

25 Barbara Zibler: Einladung. Bezirksamt Treptow-Köpenick Berlin, 25.07.2006, SchuBiVIL2. Vgl. Anna Kaminsky: Orte des Erinnerns: Gedenkzei- chen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur in SBZ und DDR. Ch. Links Ver- lag, 2016, S. 172. Die Berliner Woche sprach 2005 von der geplanten Ein- weihung einer Gedenktafel von der Bildgießerei Seiler für den Fluchttunnel am 13.08.2005. Ralf Drescher: Gedenktafeln in Arbeit. Erinnern an Tunnel- flucht und Schiffsunglück. Berliner Woche, 11.05.2005. Ders.: 55 gelang die Flucht in den Westen. Berliner Woche, 13.04.2005. 26 Hübner hält für eine 2001 in der Heidelberger Straße eingeweihte Tafel den Text fest: Am 27. März 1962 starb hier Heinz Jercha, der durch \ einen Fluchttunnel 25 Menschen in die Freiheit führte. \ Er selbst musste dabei sein Leben lassen. \ Wir gedenken an diesem Ort all der Opfer, die Gewalt- \ herr- schaft und Terror des DDR-Regimes forderten und \ erinnern an die schmerz-

Alt-Treptow

Johann Heinrich Gustav MEYER Frauendorf / Wróblin 14.01.1816 - Berlin 27.05.1877 Treptower Park (Nähe Puschkinallee)

Gustav Meyer war seit 1830 ers- ter Gartendirektor der Stadt Ber- lin. Er entwarf den Friedrichs- und Humboldthain, sowie den Treptower Park, welcher von 1876 bis 1888 angelegt wurde. Die von Albert Manthe gestaltete Porträtbüste Gustav Meyers auf mehrstufigem Sockel wurde zwei Jahre nach der Fer- tigstellung des Parks 1890 aufge- stellt. Wie im neobarocken Stil üblich ist die Büste mit stilisierten Stoffdrapierungen umhüllt.27 Die Inschrift lautet:

Kulturring in Berlin e. V. Gustav Meyer \ geboren den 14. Januar 1816 \ gestorben den 27. Mai 1877 \ Städtischer Gartenbaudi- rektor zu Berlin \ gewidmet von Freunden und Verehrern

SOWJETISCHES EHRENMAL Puschkinallee 42 Bis zum Sommer 1947 wurden im Treptower Park 5178 sowjetische Soldaten bestattet. Überlegungen für die Aufstellung eines Denkmals im kleineren Rahmen fanden im Herbst 1945 statt. Ein erster Ge- denkstein wurde daraufhin am 30.04.1946 auf Initiative leitender Genossen der KPD enthüllt.28 Er befindet sich abseits hinter dem drit- ten und vierten Sarkophag des heutigen Ehrenmals und trägt die In- schrift:

Das schaffende \ Volk Berlins \ den unsterblichen \ Helden \ der Roten Armee \ am 1. Mai 1946

Auf der Rückseite steht:

hafte Trennung der Nachbarschaft \ zwischen Neukölln und Treptow von 1961 bis 1989. \ 13. August 2001 \ Bezirksamt und Bezirksverordnetenver- sammlung Neukölln von Berlin. Holger Hübner et al.: „Heinz Jercha“. In: Ge- denkstätte Deutscher Widerstand, Verein Aktives Museum (Hrsg.): Gedenk- tafeln in Berlin. URL: www.gedenktafeln-in-berlin.de. Vgl. Ralf Drescher: Ge- denktafel ehrt Fluchthelfer. Berliner Woche, 04.04.2012. 27 Klaus Weidner: Plastiken, Denkmäler, Brunnen im Bezirk Treptow. Luisen- städtischer Bildungsverein 1993, S. 33. Erwähnung im Text: Karl Machner: Ein Hundertjähriger lädt ein. Neue Gedenkstätte entsteht im Treptower Park. BZ, 06.11.1986. Zeitungsarchiv Treptow bis 1989, Ordner 23.04. 28 O.A.: Gedenkstein für die Gefallenen der Roten Armee. BZ, 01.05.1946. Denkmalpflegekartei vor 1989 Museum Treptow.

Alt-Treptow

Unsterbliche Opfer, \ die für uns gebracht, \ die uns befreit \ aus fa- schistischer Nacht. \ Opfer, uns allen \ zur mahnenden Lehre - \ Ewi- ger Ruhm euch \ und ewige Ehre

o.A.: [Entwürfe Gedenkstein, eingeweiht 30.04.1946]. O.J. Denkmalpflegekartei vor 1989 Museum Treptow Köpenick.

Der Ausschreibungsbefehl für einen künstlerischen Wettbewerb zur 43 Gestaltung für „eine bleibende monumentale historische Gedenkan- lage […], die den Gedanken der fortdauernden lichten Erinnerung an die gefallenen Sowjetsoldaten und die Größe der internationalen Be- freiungsmission der Sowjetarmee zum Ausdruck bringt“ wurde im Oktober 1946 erteilt. Die Einweihung des Treptower Ehrenmals er- folgte am 08.05.1949.

Die Fläche ist in drei Zonen eingeteilt. Die erste Zone besteht aus zwei halbrunden Plätzen, den zwei Triumphbögen und den von dort ausgehenden Alleen, die von der Puschkinallee und von der Straße Am Treptower Park zur Skulptur „Mutter Heimat“ führen. Die In- schrift am Eingangsbogen Am Treptower Park lautet:

EWIGER RUHM \ DEN HELDEN, DIE FÜR \ DIE FREIHEIT UND \ UNAB- HÄNGIGKEIT DER \ SOZIALISTISCHEN HEI- \ MAT GEFALLEN SIND.

Wie auch die meisten anderen Inschriften des Ehrenmals ist diese in Russisch und Deutsch verfasst. Über dem Portal Puschkinallee steht:

EURE GROSSEN HELDENTATEN SIND UNSTERBLICH \ EUER RUHM WIRD JAHRHUNDERTE ÜBERLEBEN \ DIE HEIMAT WIRD EUCH STETS IN ERINNERUNG BEHLTEN

Alt-Treptow

Die Inschriften der Eingangsportale befinden sich jeweils neben ei- nem Kranz aus Lorbeer- und Eichenblättern, in dessen Mitte die Jah- reszahl 1945 zu lesen ist.

Der zweite Komplex besteht aus dem Platz auf dem die Skulptur „Mutter Heimat“ steht. Sie zeigt eine ältere Frau, die ihre linke Hand an die Brust drückt, und die laut dem Künstler Jewgeni Wut- schetitsch die Trauer der Sowjetunion um ihre Söhne symbolisiert. Zu dem zweiten Komplex gehört ebenfalls die Allee, die den Weg zum Haupteingang der Friedhofs- anlage weist, der durch zwei gesenkte Fahnenmonumente Kulturring in Berlin e. V. - hohe Dreiecke aus rotem Granit - sowie zwei davor kniende Soldatenskulpturen geformt wird. Links befindet sich ein älterer, rechts ein junger Soldat, die mit ge- senktem Kopf Helm und Waffe in den Händen halten. Auf den Fah- 44 nen ist die folgende Inschrift eingemeißelt:

Ewiger Ruhm den Kämpfern der Sowjetunion, die ihr Leben hingege- ben haben im Kampf für die Befreiung der Menschheit von faschisti- scher Knechtschaft

Nur in russischer Inschrift ist am unteren Rand des Fahnenmassivs rechter Hand festgehalten:

Errichtet 1949 von der Sowjetarmee. Bauleiter - die Ingenieure G.M. Schubnikow, W.G. Dubrowski, M. B. Tschernin, N. S. Kaporzew

Linker Hand findet sich der Hinweis:

Die Autoren des Ehrenfriedhofs: Stalin-Preisträger Bilhauer J. W. Wut- schetitsch, Architekt Ja. B Belopolski29

29 Die Inschrift stammte aus der Zeit der Sanierung 1968 - 1974. In der ur- sprünglichen Inschrift wurde ebenfalls S. S. Walerius genannt. Die Kunsthis- torikerin Sara S. Walerius war am Entwurf des Ehrenmals nicht beteiligt. Die erhöhte Kostenbewilligung für das Denkmal erhielt Wutschetitsch aus Mos- kau nur, als er seine damalige Ehefrau zur Mitautorin erklärte.

Alt-Treptow

Der dritte, zentrale Komplex ist über eine Treppe zu erreichen, er be- inhaltet die Sarkophage und das Hauptmonument. Auf einer Platte unterhalb der Treppe zur Friedhofsanlage findet sich die Inschrift:

Die Heimat \ wird ihre Helden \ nicht vergessen

Kulturring in Berlin e. V. 45 Seitlich am Stein sind die Jahreszahlen 1941 - 1945 verzeichnet. In diesem Grab finden sich vier Gefallene, die 1948 dort bestattet wur- den. Diese vier sollten eine individuelle Bestattung erhalten, stellver- tretend für ihre gefallenen Kameraden in den Gemeinschaftsgräbern. In dem im Mausoleum befindlichen Ehrenbuch sind sie auf der ersten Seite mit Name und Dienstgrad gelistet.

Der Ehrenhain selbst ist rechteckig angelegt, die fünf Rasenflächen in der Mitte sind symbolische Grabstätten. Auf der ersten steht seit 1951/52 ein Bronzekranz mit Anker und Leuchtturm als Symbol für die Marine. Auf dem um den Kranz gewickelten Band steht die russi- sche Inschrift:

Ewiger Ruhm den gefallenen Helden 1941 – 1945

An den Seiten befinden sich je acht Kalksteinblöcke mit Inschriften Stalins sowie Reliefszenen, die das Kriegsgeschehen widergeben. Die Szenen stellen dar: Überfall auf die Bürger der Sowjetunion, Schre- cken der Okkupation und Widerstand, die Heimat unterstützt die Front, die Tradition der Sowjetarmee, Heldenstädte sowie Trauer um die Gefallenen.

Alt-Treptow

Das Hauptmonument des Ehrenhains zeigt einen sowjetischen Solda- ten mit Schwert in der Hand und einem Kind auf dem Arm. Er tritt auf ein zerbrochenes Hakenkreuz. Unter ihm befindet sich ein Mausole- um, das einen Gedenkraum beherbergt. Das darin enthaltene Mosa- ik, die Schriftbänder und der Siegesstern wurden durch den Kunstma- ler Anatoli A. Gorpenko gestaltet. Der Fries zeigt 16 trauernde Perso- nen, die mit den 16 Sarkophagen korrelieren.

Die Anlage wurde als zentrale Gedenkstätte zu DDR-Zeiten genutzt.30

Werner SEELENBINDER Stettin 02.08.1904 - Brandenburg 24.10.1944 Martin-Hoffmann-Straße 15 - 26

Der sechsfache deutsche Meister und Teilnehmer der Olympischen Spiele 1936 Werner Seelenbinder war als Transportarbeiter bei den Apparatefabriken der AEG-Treptow angestellt und beteiligte sich am betrieblichen Widerstand. Das Werk wurde zu DDR-Zeiten umbe- nannt in VEB Elektro-Apparate-Bau [EAW] „Friedrich Ebert" und am 30.04.1955 erfolgte die Anbringung einer bronzierten Eisentafel mit dem Text:

Unserem \ unerschrockenen Kämpfer \ gegen imperialistischen \ Krieg und Faschismus \ Werner Seelenbinder \ zum Gedenken \ Er wurde am 24.10.1944 \ ermordet 46

Ursprünglich hing die Tafel am Werkseingang, wurde jedoch nach der Wende auf Anweisung der Betriebsleitung in den inneren Werkshof versetzt, nachdem diese beschmiert wurde. Der Verbleib der Tafel ist nicht bekannt.31

Weitere Gedenktafeln für Seelenbinder befinden sich am Mandrella- platz 6 (siehe OT Köpenick) und an seinem Wohnort Glatzer Straße 6 in . An seinem Trainingsort in Neukölln findet sich eine Berliner Gedenktafel für den Sportler, der im Werner-Seelenbinder- Sportpark in der Oderstraße (Neukölln) bestattet ist.32

30 Helga Köpstein: Die sowjetischen Ehrenmale in Berlin. R.O.S.S.I, 2006, S. 6, 72ff, 78f, 91f, 95, 121, 131, 140 - 152. 31 Martin Schönfeld: Gedenktafeln in Ost-Berlin. Schriftenreihe Aktives Mu- seum, 1991, S. 169f. Holger Hübner: Das Gedächtnis der Stadt. Gedenktafel in Berlin. Argon, 1997, S. 389. 32 Holger Hübner: Das Gedächtnis der Stadt. Gedenktafeln in Berlin. Argon, 1997, S. 163, 375f., 389.

Alt-Treptow

STOLPERSTEINE

Werner KERLEKIEN Berlin 05.07./08.10.1911 - Puławy 01.04.194033 Kiefholzstraße 21

Bis 1945 ließen mindestens zehn Mitglieder der Zeugen Jehovas aus Berlin ihr Leben, darunter der Treptower Werner Kerlekien: 34

HIER WOHNTE \ WERNER KERLEKIEN \ JG. 1911 \ ZEUGE.[sic!] JEHO- VAS \ WEHRDIENST VERWEIGERT \ 'FELDURTEIL' 30.03.1940 \ ER- SCHOSSEN 1.4.1940 \ PULAWY \ POLEN

Der Klavierbauer Kerlekien wurde im Dezember 1939 zur Wehrmacht eingezogen. Vom Gericht der 218. Infanterie-Division in Pulawy (St.L.85/40) vom 30.03.1940 wurde er zum Tode verurteilt und am 01.04.1940 um 14.55 Uhr erschossen.35

Elly SIEBURG, geb. Cerf Halle 09.04.1887 - Berlin 28.02.1946 Karl-Kunger-Straße 22

HIER WOHNTE\ ELLY SIEBURG \ GEB. CERF \ JG. 1887 \ DEPORTIERT 11.1.1944 \THERESIENSTADT \ BEFREIT \ TOT AN HAFTFOLGEN36

Nachdem sich Elly Sieburg von ihrem Mann in Hannover scheiden ließ, eröffnete sie eine Wäsche- und Handarbeitsgeschäft in der Graetzstraße 22 Berlin (heute Karl-Kunger-Straße). In den 1920er Jah- 47 ren holte sie ihre Tochter Eva nach Treptow. In der Reichsprogrom- nacht wurde auch ihr Geschäft zerstört. Die Familie zog in die Wad- zeckstraße 1 (Mitte). Elly Sieburg musste während des Kriegs Zwangsarbeit verrichten. Bei der sogenannten „Fabrikaktion“ am 27. Februar 1943 gelang es ihrer Tochter im Zusammenhang mit dem Protest in der Rosenstraße, Elly Sieburg am 03.03.1943 aus der Haft zu befreien.

Im Januar 1944 wurde Elly Sieburg nach Theresienstadt deportiert. Sie überlebte das Lager, konnte sich aber von den Folgen der Haft

33 Sowohl Sandvoß als auch Herrberger geben den 05.07.1911 als Geburts- tag an. Die Koordinierungsstelle Stolpersteine nennt hingegen den 08.10.1911. Kerlekien auf den Seiten der Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin. 34 Hans-Rainer Sandvoß: »Es wird gebeten, die Gottesdienste zu überwa- chen …«: Religionsgemeinschaften in Berlin zwischen Anpassung, Selbstbe- hauptung und Widerstand von 1933 bis 1945. Lukas Verlag, 2014, S. 457. 35 Marcus Herrberger: Denn es steht geschrieben: "Du sollst nicht töten!": die Verfolgung religiöser Kriegsdienstverweigerer unter dem NS-Regime mit be- sonderer Berücksichtigung der Zeugen Jehovas (1939-1945). Verlag Öster- reich, 2005 , S. 213ff. 36 Die Homepage der Stolperstein-Koordinierungsstelle gibt den 10.01.1944 als Deportationstag an, während auf dem Stein 11.01. vermerkt ist.

Alt-Treptow

nicht erholen und verstarb am 28.02.1946 im Martin-Luther Kran- kenhaus Berlin.37

Der Stolperstein wurde am 10.12.2007 verlegt.38

Familie Sonnenfeld Marie Sonnenfeld, geb. Salomon (Argau 16.09.1881 - Auschwitz) Louis Sonnenfeld (Breslau, Wroclaw 15.11.1881 - [1943]) Karl-Kunger-Straße 4

Marie und Louis Sonnenfeld heirateten am 30.11.1905 in Deutsch- . Zu NS-Zeiten zogen die beiden in die Graetzstraße 4 (heute Karl-Kunger-Straße). Louis Sonnenfeld wurde im Februar 1942 deportiert, Marie Sonnenfeld ein Jahr darauf.39

HIER WOHNTE \ LOUIS SONNENFELD \ JG. 1883 \ SCHICKSAL UNBE- KANNT

HIER WOHNTE \ MARIE SONNENFELD \ GEB. SALOMON \ JG. 1881 \ DEPORTIERT 4.3.1943 \ ERMORDET IN \ AUSCHWITZ

Die Verlegung der Stolpersteine erfolgte am 22.09.2016, die Ge- denkworte sprach Tilo Rosenkranz. 40

Schiffsunglück Treptow, 05. Juli 1951 Bernhard Langwaldt (05.12.1919 - 05.09.2005) Puschkinallee / Treptower Hafen 48 Anfang Juli 2005 wurde in Erinnerung an ein Schiffsunglück im Trep- tower Hafen eine Gedenktafel in der Nähe der Dampferanlegestelle mit der folgenden Inschrift errichtet:41

Zum Gedenken \ an das Schiffsunglück \ auf dem Ausflugsdampfer \ „Heimatland“, bei dem am 5. Juli 1951 \ 30 Personen, darunter 28 Kinder, \ ihr Leben verloren.

Der Schiffsführer Bernhard Langwaldt war 1951 auf dem Schiff „Elfriede“ mit einer Gruppe Kinder unterwegs nach Rahnsdorf. Im Treptower Hafen, rund 300 Meter stromaufwärts der Eisenbahnbrü- cke, geriet das Fahrgastschiff „Heimatland“ mit 127 Passagieren bei einer Motorexplosion in Brand. Langwaldt nahm entgegen den gel- tenden Vorschriften Kurs auf das Schiff und konnte 70 Kinder vor dem Ertrinken retten. Auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde fanden

37 Heinrich-Wilhelm Wörmann: Widerstand in Köpenick und Treptow. Ge- denkstätte Deutscher Widerstand, 2013, S. 264f. Vgl. „Sieburg, Elly“. In; Jüdi- sches Adressbuch für Gross-Berlin. 1931. 38 Elly Sieburg auf den Seiten der Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin. 39 o.A.: Erinnerungsbroschüre Marie und Louis Sonnenfeld. Bür- ger*Innenbüro Harald Moritz, 2016. 40 Information Bürger*Innenbüro Harald Moritz. 41 Steffi Bey: Denkmal für Schiffskatastrophe. Neues Deutschland, 07.07.2005. Die Tafel ging auf den Antrag der SPD und FDP zurück. Heidrun Meißner u.a.: Antrag: Gedenktafel für Treptower Schiffsunglück. Drs.Nr. V / 1210, 17.03.2005.

Alt-Treptow

16 Todesopfer in einem Gemeinschaftsgrab ihre letzte Ruhe. Hier findet sich ebenfalls ein Gedenkstein, der die Namen der Toten listet. Unter ihnen befanden sich 28 Kinder zwischen 7 und 14 Jahren.42

Da die Benennung eines Weges nach Langwaldt scheiterte, wurde im Sommer 2008 eine Ergänzungstafel am Sockel der Gedenktafel in Treptow angebracht. Sie trägt den Text:

Schiffsführer \ Bernhard Langwaldt \ 1919 - 2005 \ rettete zahlreiche Kinder43

Im August 1951 waren in Ost-Berlin die III. Weltfestspiele geplant, so dass weitreichende Presseberichte über das Ereignis ungelegen ka- men.44

49

42 Vgl. O.A.: Gedenkstein zum Schiffsunglück. Wochenblatt, 11.05.1994. 43 Ralf Drescher: Ehrung für Käpt’n Langwaldt. Berliner Woche, 16.07.2008. O.A.: Gedenktafel für Schiffsunglück am 5.7.1951 am Treptower Park. Herbst-Blatt, Treptow & Köpenick, Nr. 56, 07./08. 2005. 44 Micke.Tristan: „Vor 50 Jahren: Schiffsunglück in Treptow“. In: Verkehrsge- schichtliche Blätter 3/2001, S. 87 - 91.

Alt-Treptow

BAUMSCHULENWEG

Clara BOHM-SCHUCH Stechow 05.12.1879 - Berlin 06.05.1936 Kiefholzstraße 221-228 (Feld H 3)

Am Grab Clara Bohm-Schuchs wurde am 13.05.2013 eine Informationstafel mit dem folgenden Text durch den Heimatverein Köpenick angebracht: 1

Die Politikerin und Dichterin wuchs im Havelland auf und \ arbeitete sich nach Besuch einer Handelsschule in Berlin bis \ zur Chefsekretärin hoch. Seit 1904 engagierte sie sich in der \ Gewerkschafts- und Frauenbewegung, leitete eine Kinder- \ schutzkommission und wurde 50 eine gefragte Rednerin bei \ sozialdemokratischen Veranstaltungen. \ 1919 zog Clara Bohm-Schuch für die SPD als eine der ersten \ Frauen überhaupt in die Verfassunggebende Nationalver-\ sammlung ein und wurde danach Mitglied des Reichstags, \ dem sie bis 1933 angehörte. Die Verbesserung der Lebens- \ verhältnisse von Frauen und Kindern sowie die Aufklärung \ über die Ursachen des Weltkriegs wurden ihre politischen \ Schwerpunkte im Reichstag, die sie immer wieder in um- \ jubelten Reden vortrug. 1933 wurde sie von den National- \ sozialisten kurzzeitig in Haft genommen. Ihr Begräbnis auf \ dem Friedhof Baumschulenweg am 12. Mai 1936 wurde mit \ tausenden Trauergästen eine machtvolle Demonstration \ gegen den Nationalsozialismus.

POLNISCHE ZWANGSARBEITER UND KZ-HÄFTLINGE Kiefholzstraße 221 - 228 (Feld E 9)

Auf dem Friedhof Baumschulenweg erinnert seit 20002 in der Nähe

1 Büro des Bezirksbürgermeisters: Bezirksbürgermeister enthüllt Informationstafeln für Ehrengräber in Baumschulenweg. Pressemitteilung, 10.05.2013. 2 Hübner spricht von der Aufstellung des Steins am 23.11.2000 auf Initiative des Gesandten an der Konsularabteilung der polnischen Botschaft, Jan

Baumschulenweg

des Steins für die italienischen Zwangsarbeitenden/IMI ein Gedenkstein an polnische Zwangsarbeiter und Häftlinge: 3

PAMIĘCI TU POCHOWANYCH \ POLSKICH ROBOTNIKÓW PRZYMUSOWYCH, \ WIĘŹNIÓW OBOZÓW KONCENTACYJNYCH \ I OBOZÓW PRACY, \ OFIAR NIEMIECKIEJ NAPAŚCI NA POLSKĘ \ ORAZ NAZISTOWSKICH PRZEŚLADOWAŃ \ W LATACH DRUGIEJ WOJNY ŚWIATOWEJ 1939-1945 \ \

ZUM GEDENKEN \ AN DIE POLNISCHEN ZWANGSARBEITER UND HÄFTLINGE \ AUS KONZENTRATIONS- UND ARBEITSLAGERN \ SIE SIND OPFER \ DES DEUTSCHEN ÜBERFALLS AUF POLEN \ UND DER NATIONALSOZIALISTISCHEN VERFOLGUNG \ WÄHREND DES ZWEITEN WELTKRIEGES 1939-1945

Das Denkmal des polnischen Soldaten und deutschen Antifaschisten im von 1971/72 erinnert seit 1995 mit einer zusätzlichen Informationstafel auch an polnische Zwangsarbeiter und Häftlinge.4

ITALIENISCHE ZWANGSARBEITER/IMI Kiefholzstraße 221 - 228 (Feld E 9)

An italienische Zwangsarbeiter/Militärinternierte (IMI) erinnert seit 51 1996 ein Stein mit der Inschrift:

Repubblica Italiana \ A perenne memoria \ dei caduti Italiani \ che qui riposano

Turski. Besser nennt als geplanten Termin für die feierliche Einweihung Frühjahr 2000. Der Stein ist eine Stiftung der Republik Polen und des Berliner Senats. Holger Hübner et al.: „Zwangsarbeiter“. In: Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Verein Aktives Museum (Hrsg.): Gedenktafeln in Berlin. URL: www.gedenktafeln-in-berlin.de. Wolfhard Besser: Zum Gedenken an polnische Zwangsarbeiter. Polen und wir, 1/2000, S. 8. 3 Gräberlisten der Opfer mit weiterführenden Informationen sind über die Senatsverwaltung zu beziehen. Zur Geschichte polnischer ZwangsarbeiterInnen im Dritten Reich siehe: Stiftung Polnisch-Deutsche Aussöhnung. Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit Berlin-Schöneweide (Hrsg.): Erinnerung bewahren. Sklaven- und Zwangsarbeiter des Dritten Reiches aus Polen 1939 - 1945. Ausstellungskatalog, 2007. Im Museum Köpenick ist eine Liste mit den Zwangsarbeiterlagern Treptow-Köpenick einzusehen, die die Standorte auch für polnische ZwangsarbeiterInnen im Bezirk ausweist. 4 Das Denkmal zeigt einen polnischen und einen sowjetischen Soldaten, sowie einen deutschen Antifaschisten mit der deutsch-polnichen Inschrift „Für eure und unsere Freiheit“. Stefanie Endlich: Wege zur Erinnerung. Gedenkstätten und -orte für die Opfer des Nationalsozialismus in Berlin und Brandenburg. Metropol, 2006, S. 123ff.

Baumschulenweg

Zum steten Gedenken \ an ihre hier \ ruhenden Gefallenen

Die Toten werden auf dem Stein als Gefallene, also als im Krieg gestorbene Soldaten bezeichnet. Laut Auskunft der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung handelt es sich bei der Opfergruppe jedoch um Zwangsarbeitende, ggf. italienische Militärinternierte (Beruf - Arbeiter, Frisör). Zehn der ursprünglich 16 italienischen Toten wurden rücküberführt. Ähnliche Gedenksteine wurden ebenfalls auf anderen, ostdeutschen Friedhöfen verwendet, so auf dem evangelischen Friedhof in Karlshorst und dem Parkfriedhof Marzahn (Berlin), auf den Friedhöfen Krumpa und Lostau (Sachsenanhalt), den Friedhöfen Großbeeren, Schwarzheide und Ludwigsfelde (Brandenburg), oder dem Friedhof Rerik (Mecklenburg Vorpommern). Dies ist als Verweis auf die unterschiedliche Gedenkkultur in Ost- und Westdeutschland zu lesen.5

Rund 600.000 Italiener, die sich nach der Besetzung Norditaliens 1943 weigerten Deutschland militärisch zu unterstützen, wurden in Deutschland zur Zwangsarbeit verpflichtet. Um die Genfer Konventionen zu umgehen, wurden sie nicht als Kriegsgefangene sondern Italienische Militärinternierte (IMI) deklariert. Rund 50.000 von ihnen starben.6 52 Politisch brisant ist weiterhin die Frage nach der Entschädigung der noch lebenden Opfer. Deutschland zahlte unter internationalem Druck Entschädigungen an ZwangsarbeiterInnen, nicht jedoch an Militärinternierte.7 Das Bundesverfassungsgericht wies 2004 eine dahingehende Beschwerde zurück.8 Die 2009 von den

5 vgl. für BRD: Gesetz über das Abkommen vom 22. Dezember 1955 zwischen der Bundesrebublik Deutschland und der Italienischen Republik über Kriegsgräber. In: Bundesgesetzblatt, Teil II, Nr. 27, 12.09.1957, S. 1277. Ein analoges Abkommen mit Italien existierte mit der DDR nicht. In der italienischen Ehrenanlage des Hamburger Friedhofs Öjendorf sind 5849 italienische Zwangsarbeiter sowie Zivilpersonen aus Nordwestdeutschland bestattet. Die Umbettung der Opfer erfolgte ab 1957 in Folge des Deutsch- Italienischen Kriegsgräberabkommens. Broschüre Manfred Hessel-Stahl: Italienische Ehrenanlage auf dem Friedhof Öjendorf, Hamburg. Hamburger Friedhöfe, [>2012]. 6 Vgl. Gerhard Schreiber: Die italienischen Militärinternierten im deutschen Machtbereich 1943 - 1945. Verraten - Verachtet - Vergessen (Beiträge zur Militärgeschichte, Bd. 28). Walter de Gruyter, 1990. Gabriele Hammermann: Zwangsarbeit für den Verbündeten. Die Arbeits- und Lebensbedingungen der italienischen Militärinternierten in Deutschland 1943 - 1945. Max Niemeyer, 2002. Eine Übersicht über die zahlreichen Zwangsarbeiterlager inklusive Nationalitätsangabe ist im Museum Köpenick einzusehen. 7 Andrea Dernbach: Italienische Zwangsarbeiter. Erinnern statt entschädigen. Tagesspiegel, 25.10.2013. 8 Pressestelle Bundesverfassungsgericht: Zum Ausschluss italienischer

Baumschulenweg

Außenministern Steinmeier und Frattini eingesetzte Historikerkommission mahnte an, dass aus Gründen der historischen Verantwortlichkeit weitere gedenkpolitische Arbeit notwendig sei und ein Erinnerungsort in Berlin kreiert werden sollte. Sie schlug dafür die Aufnahme der IMI in die Gedenkstätte Zwangsarbeiterlager Niederschöneweide vor. Hier erfolgte auch eine Internierung der IMI, ein Gedenkort für italienische Zwangsarbeiter existierte 2012 bereits Vorort (siehe da). 9

GEFALLENE ERSTER WELTKRIEG Baumschulenstraße 82-83

In der Kirche zum Vaterhaus befindet sich mittig der Eingänge zum Kirchenschiff eine Jesusfigur aus Mosaiksteinen. Über den Türen findet sich links und rechts die goldene Inschrift:

GRÖSSERE \ LIEBE \ KANN \ NIEMAND \ HABEN \ DENN DIE \ DASS \ ER \ SEIN \ LEBEN LÄSST \ FÜR \ SEINE \ FREUNDE

DEM \ ANDENKEN \ UNSERER OPFER \ IM \ WELTKRIEGE \ 1914 \ 1918 \ DIE \ KIRCHENGEMEINDE \\ BERLIN-TREPTOW \ 1925

Der Gedenkspruch leitet sich von der Bibelstelle aus Joh 15,13 ab. 53 Alfred GROTJAHN Schladen 25.11.1869 - Berlin 04.09.1931 Kiefholzstraße 221-228 (R5-139)

Am Ehrengrab des Mediziner Grotjahn auf dem Friedhof Baumschulenweg wurde am 13.05.2013 vom Heimatverein Köpenick eine Informationstafel mit folgendem Text angebracht:10

Alfred \ Grotjahn \ 1869 \ 1931 \ \ Ehrengrab \ \ Alfred Grotjahn war ein bekannter Mediziner und Begründer \ der Sozialen Hygiene in

Militärinternierter vom Anwendungsbereich des Stiftungsgesetzes (bzgl. Beschluss vom 28. Juni 2004, 2 BvR 1379/01). Pressemitteilung 69/2004, 1307.2004. 9 O.A.: Bericht der von den Außenministern der Bundesrepublik Deutschland und der Italienische Republik am 28.3.2009 eingesetzten Deutsch- Italienischen Historikerkommission. O.V., 2012. vgl. Daniela Geppert: Vom „Verbündeten“ zum „Verräter“: Die italienischen Militärinternierten 1943 bis 1945. URL: http://lernen-aus-der-geschichte.de/Lernen-und- Lehren/content/11496. 10 Büro des Bezirksbürgermeisters: Bezirksbürgermeister enthüllt Informationstafeln für Ehrengräber in Baumschulenweg. Pressemitteilung, 10.05.2013. Das Ehrengrab wurde mit Senatsbeschluss vom 21.08.2001 anerkannt. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt: Ehrengrabstätten des Landes Berlin. 2015, S. 25.

Baumschulenweg

Deutschland. Nach dem Medizin- \ studium wurde er 1894 in Berlin zum Dr. med. promoviert. \ Hier - im Zentrum der Arbeiterbewegung - kam Grotjahn mit \ deren führenden Persönlichkeiten in Verbindung. Er stellte die \ Wechselwirkung von Krankheit und gesellschaftlicher Umwelt \ in den Mittelpunkt seiner Tätigkeit. In seinen wissenschaft- \ lichen Schriften beschäftigte sich Grotjahn mit den Themen \ Alkoholismus, Ernährung, Fortpflanzung, Sozialversicherung, \ Krankenhauswesen und Wohnverhältnisse. \ 1920 wurde er erster ordentlicher Professor für Soziale Hygiene \ in Deutschland. Nach seinem 1919 erfolgten Eintritt in die SPD \ war Alfred Grotjahn 1921- 24 Mitglied des Reichstags, wo er \ sich für Verbesserungen im Sozial- und Gesundheitsbereich \ einsetzte. Als Verfasser des Sozialpolitischen Programms \ der SPD in der Weimarer Republik formulierte er Forderungen, \ die in der Bundesrepublik Deutschland in hohem Maße \ umgesetzt wurden.

Chris GUEFFROY (Geschichtsmeile Berliner Mauer) Pasewalk 21.06.1968 - Berlin 05.02.1989 Chris-Gueffroy-Allee Britzer Zweigkanal/Britzer Brücke

Auf Initiative des Berliner Landtagsabgeordneten Michael Cramer (Bündnis 90/Grüne) im 54 Auftrag der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur wurde für das letzte, erschossene Maueropfer Chris Gueffroy zu seinem 35. Geburtstag am 21.06.2003 am Ufer des Britzerzweigkanals eine Gedenkstele aufgestellt. Karl Biedermann gestaltete diese in Anlehnung an die Gedenktafel für Kulturring in Berlin e. V. das Maueropfer Peter Fechter in mit folgender Inschrift:

Von 1961 bis 1989 \ verlief an diesem Ufer \ die Berliner Mauer. \ Hier wurde am \ 5. Februar 1989 \ der zwanzigjährige \ Chris Gueffroy \ (*21.6.1968) \ getötet. \ Er war der letzte \ Flüchtling, \ der erschossen wurde, \ als er versuchte, \ die DDR-Grenzanlagen \ zu überwinden. \ Senat und \ Abgeordnetenhaus \ von Berlin \ 21. Juni 2003

In Sichtbezug beschrieb eine am gleichen Tag aufgestellte Tafel der Geschichtsmeile Berliner Mauer 1961 - 1981 an der Chris-Gueffroy-

Baumschulenweg

Allee den genauen Verlauf der Ereignisse: 11

Am BRITZER ZWEIGKANAL\ wollte der 20-jährige Chris Gueff-\ roy mit einem Freund in der \ Nacht vom 5. zum 6. Februar 1989 \ aus Ost- Berlin nach West-Berlin \ fliehen. Sie gingen davon aus, \ dass an der Grenze nicht mehr \ geschossen würde. Nachdem sie \ »Hinterlandmauer« und Signal-\ zaun überwunden hatten, wurden die beiden von \ DDR-Grenzsoldaten entdeckt. Von links und rechts \ liefen zwei Doppelstreifen auf die Flüchtenden zu. \ Nach Anruf und Warnschüssen eröffneten die Posten \ das Feuer. Durch einen Herzschuss \ getroffen, brach Chris Gueffroy am \ vordersten Grenzzaun zusammen. \ Er war der letzte Flüchtling, den \ Grenzsoldaten der DDR - wenige \ Monate vor dem Fall der Mauer - an \ der Grenze zu West-Berlin erschos-\ sen. Sein Freund wurde verletzt. \ Wegen »versuchten ungesetzlichen \ Grenzübertritts in schwerem Fall« \ verurteilte ihn das Stadtbezirks- \ gericht Berlin- zu einer \ Freiheitsstrafe von drei Jahren. \ Im Oktober 1989 wurde er nach \West-Berlin abgeschoben. Der \ Grenzposten, der den tödlichen Schuss auf Chris \ Gueffroy abgegeben hatte, erhielt in letzter Instanz \ eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren.12

Diese Stele wurde am 25. Jahrestag des Mauerfalls am 09.11.2014 durch zwei andere Tafeln für die Opfer der Berliner Mauer ersetzt (siehe dort).13 Chris Gueffroys Grab befindet sich auf dem Friedhof 55 Baumschulenweg.

Franz KÜNSTLER Berlin 13.05.1888 - Berlin 10.09.1942 Kiefholzstraße 221 - 228 (F5-104)

Anlässlich des 125. Geburtstags des Reichstagsabgeordneten und Widerstandskämpfer Künstlers wurde die folgende Informationstafel an seinem Ehrengrab am 13.05.2013 eingeweiht:14

11 Thomas Flierl: Gesamtkonzept zur Erinnerung an die Berliner Mauer: Dokumentation, Information und Gedenken. Ministerium WFK, 12.06.2006. 12 Zum Tathergang siehe auch: Rony Kern: Siebzehn Kilometer Grenze. Die Berliner Mauer Treptow 1961 - 1981. Vbb, 2011, S.132. Wortlaut übernommen von Holger Hübner et al.: „Chris Gueffroy“. In: Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Verein Aktives Museum (Hrsg.): Gedenktafeln in Berlin. URL: www.gedenktafeln-in-berlin.de. 13 O.A: Denkmal für Chris Gueffroy - Gedenkzeichen für das letzte Maueropfer. RBB 24, 28.10.2014. Zuvor wurde die Tafel mehrmals geschändet: Ralf Drescher: Keine Ruhe für letztes Maueropfer. Infotafel zu Chris Gueffroy zerstört. Berliner Woche, 20.07.2011. 14 Büro des Bezirksbürgermeisters: Bezirksbürgermeister enthüllt Informationstafeln für Ehrengräber in Baumschulenweg. Pressemitteilung, 10.05.2013. Das Ehrengrab wurde mit Senatsbeschluss vom 22.03.1994 anerkannt. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt:

Baumschulenweg

Franz Künstler war ein deutscher Gewerkschafter, Politiker \ und Widerstandskämpfer. Der gelernte Maschinenschlosser \ trat mit 18 Jahren in die SPD ein. Nach der Rückkehr aus dem \ Ersten Weltkrieg wurde Künstler Mitglied der USPD und \ Stadtverordneter in Neukölln. 1922 kehrte er zur SPD zurück \ und war dort Sprecher des linken Parteiflügels. \ 1924 übernahm Franz Künstler den Vorsitz des SPD- Bezirks \ Groß-Berlin. Von 1920 bis 1933 war er Reichstagsabgeord- \ neter und wandte sich dort gegen die sozialdemokratische \ Koalitionspolitik in der Weimarer Republik. Nach dem Ver- \ bot der SPD 1933 wurde Künstler verhaftet. Nach schwerer \ Misshandlung und 1934 erfolgter Entlassung aus der Haft \ lebte er bis 1942 in Kreuzberg. Trotz schweren Herzleidens \ wurde Künstler als Lastenträger für eine Heeresdienststelle \ verpflichtet. In Folge dieser erschöpfenden Tätigkeit starb er. \ Seine Beerdigung auf dem Friedhof Baumschulenweg mit \ tausenden Teilnehmern gilt als letzte Massendemonstration \ gegen die NS-Diktatur.

Auf dem Zentralfriedhof in Friedrichsfelde befindet sich sein Symbolgrab in der Gedenkstätte der Sozialisten. Erst nach der Wende wurde sein tatsächliches Grab in Baumschulenweg widerentdeckt.15 In der Elsenstraße 52 (Neukölln) existiert seit 1993 eine Gedenktafel für ihn.16 56 MEMENTO (MAUERÖFFNUNG 1989) Sonnenallee

Im August 1990 erfolgte der Beschluss der BVV Treptow einen Gedenkort in Erinnerung an den Mauerfall einzurichten. Aus einer Ausschreibung gingen die Bohnsdorfer Künstler Rüdiger Roehl und Jan Skuin als Sieger hervor. Am Übergang zum Bezirk Neukölln, wo sich der ehemalige Grenzübergang befand, wurde ihr Gedenkzeichen am Kulturring in Berlin e. V. 20.03.1993 durch die

Ehrengrabstätten des Landes Berlin. 2015, S. 42. 15 Hübner nennt als Quelle Vorwärts, Juli 1992, S.28. Holger Hübner: Das Gedächtnis der Stadt. Gedenktafel in Berlin. Argon, 1997, S. 371. 16 Zylla: Ehrung für ein Leben im Widerstand. Berliner Morgenpost, 13.09.1993.

Baumschulenweg

Bezirksbürgermeister von Treptow und Neukölln, Michael Brückner (SPD) und Hans-Dieter Mey (CDU) enthüllt. Es trägt den Text:

MAUERÖFFNUNG \ BERLIN TREPTOW \ NEUKOELLN \ 9. NOVEMBER 1989

Die Linien, die den Gedenkstein durchkreuzen, erinnern an die Stahlstreben zum Mauerbau. Der Künstler Skuin äußert sich zum Entwurf: „Wir waren der Meinung, an den Mauerfall kann man nicht mit einer senkrecht stehenden Platte erinnern. Darum entschlossen wir uns zu dieser Variante.“17 Roehl und Skuin gestalteten ebenfalls das Mahnmal für die Maueropfer in der Kiefholzstraße (OT Plänterwald).18

OPFER DER BERLINER MAUER (Geschichtsmeile Berliner Mauer) Chris Gueffroy (Pasewalk 21.06.1968 - Berlin 05.02.1989), Werner Kühl (Berlin 10.02.1949 - Berlin 24.07.1971), Hans-Joachim Wolf (Berlin 08.08.1947 - Berlin 26.11.1964) Chris-Gueffroy-Allee

Die zwei Acrylglasstelen der Geschichtsmeile Berliner Mauer 1961 - 1989 wurden am 25. Jahrestag des Mauerfalls am 09.11.2014 gesetzt und ersetzen eine Tafel für Chris Gueffroy (siehe da).19 Sie erinnern nun neben Chris Gueffroy auch an Hans-Joachim Wolf und Werner 57 Kühl, die in der Nähe des Aufstellungsorts bei dem Versuch der Grenzüberquerung ihr Leben ließen sowie an alle weiteren Opfer der Mauer:

Hans-Joachim Wolf \ * 08.08.1947 + 26.11.1964 \ im Britzer Zweigkanal \ Werner Kühl \ * 10.02.1949 + 24.07.1971 \ nahe der Britzer-Allee-Brücke \ (heute: Chris-Gueffroy-Allee) \ Chris Gueffroy \ * 21.06.1968 + 05.02.1989 \ am Britzer Zweigkanal, nahe den \ Kleingartenkolonien „Harmonie” \ und „Sorgenfrei” \\ Insgesamt wurden mindestens 136 \ Menschen zwischen 1961 und 1989 an \ der Berliner Mauer getötet oder kamen \ in unmittelbarem Zusammenhang mit \ dem DDR-Grenzregime ums Leben \ * 98 Flüchtlinge wurden erschossen, \ verunglückten oder nahmen sich das \ Leben. * 30 Menschen aus Ost und \ West ohne Fluchtabsichten wurden \ erschossen oder verunglückten. * 8 \ DDR-Grenzsoldaten

17 Skuin in: BW: Gedenkplatten zum Fall der Mauer eingeweiht. Berliner Wochenblatt, 08.04.1993. 18 Soweit nicht anders vermerkt: Ronny Kern: Siebzehn Kilometer Grenze. Die Berliner Mauer Treptow 1961 - 1981. Vbb, 2011, S.226. 19 Holger Hübner et al.: „Opfer der Mauer“. In: Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Verein Aktives Museum (Hrsg.): Gedenktafeln in Berlin. URL: www.gedenktafeln-in-berlin.de.

Baumschulenweg

wurden im Dienst \ von Fahnenflüchtigen, Kameraden, \ Flüchtlingen oder einem West-Berliner \ Polizisten getötet. * 251 Reisende aus \ Ost und West starben vor, während \ oder nach Kontrollen an Berliner \ Grenzübergängen. * Ungezählt sind \ die Menschen, die aus Kummer und \ Verzweiflung starben über die Auswir- \ kungen des Mauerbaus auf ihr Leben.

Die Inschrift der rechten Tafel lautet:

Am Abend des 26.November 1964 über- \ stieg Hans-Joachim Wolf den Stacheldraht- \ zaun und sprang vom südlichen Ufer in \ den BRITZER ZWEIGKANAL. DDR-Grenz- \ posten eröffneten ohne Vorwarnung das \ Feuer. Einer ihrer 61 Schüsse verwundete \ den 17- Jährigen tödlich. Die Eltern erhielten \ die Nachricht, ihr Sohn sei ”bei Verletzung \ der Staatsgrenze” ertrunken. \ Weil sie sich in der DDR ein besseres Leben \ erhofften, stiegen Werner Kühl und sein \ Freund am 24. Juli 1971 nahe der Britzer- \ Allee-Brücke in den Grenzstreifen ein und \ liefen Richtung Ost-Berlin. DDR-Grenz- \ posten hielten sie für Flüchtlinge und \ schossen. Werner Kühl verblutete innerhalb \ weniger Minuten. Die Schützen erhielten \ die „Medaille für vorbildlichen Grenzdienst”. \ Der 20-Jährige Chris Gueffroy wollte in der \ Nacht zum 6. Februar 1989 mit einem Freund \ nach West-Berlin fliehen. Sie gingen davon \ aus, dass an der Grenze nicht mehr geschos- \ sen würde. Im Grenzstreifen eröffneten \ zwei 58 Doppelstreifen das Feuer. Tödlich ge- \ troffen brach Chris Gueffroy am vorderen \ Grenzzaun zusammen. Er war der letzte \ Flüchtling, den DDR-Grenzsoldaten er- \ schossen - wenige Monate vor dem Fall \ der Mauer.

Der 17jährige Lehrling Hans-Joachim Wolf wurde bei seinem Fluchtversuch am 26.11.1964 erschossen. Da er sich nicht in den staatlichen Jugendorganisationen engagierte, wurde ihm trotz guter schulischer Leistungen eine Lehrstelle als Funk- und Fernmeldetechniker verwehrt. Bereits am 09.12.1964 scheiterte ein erster Fluchtversuch. Da er davon ausging, dass die Grenzsoldaten Ende November nicht mit einer Flucht über das eiskalte Wasser rechnen würden, versuchte er durch den Kanal zu schwimmen. Die Grenzer entdeckten ihn umgehend und begannen ohne Vorwarnung mit dem Beschuss.

Mit seinem Freund Bernd Langer dachte der 22jährige Werner Kühl an eine Übersiedlung in die DDR. Beim Baden im Britzer Zweigkanal fasste Kühl den Plan, an Ort und Stelle die Grenze zu überqueren. Trotz Bedenken des Freundes, durchschwammen sie den Kanal und warteten auf den Anbruch der Dunkelheit. Gegen 22:30 kletterten sie über den Streckmetallgitterzaun und liefen Richtung Treptow. Ein

Baumschulenweg

Volkspolizist der Laubenkolonie „Gemütlichkeit III“ entdeckte sie und informierte die Grenztruppen. Diese eröffneten das Feuer gegen die beiden, da sie sie für DDR-Flüchtlinge hielten. Kühl verstarb vor Ort, Langer wurde schwer verletzt ins Haftkrankenhaus gebracht.

Zu Chris Gueffroy siehe da.

An der Treptower Mauer kamen insgesamt 23 Personen ums Leben, 19 davon durch Schusswaffen.20

OPFER DES KZs SACHSENHAUSEN Kiefholzstraße 221 (Feld G1)

Der Gedenkstein, der sich östlich des Krematoriums befindet, trägt die erhabene Inschrift auf grobem Sandsteinquader:

Den \ 1195 \ ermordeten \ Antifaschisten \ deren Asche hier \ bestattet \ ist

Auf der Rückseite des Steins auf dem Friedhof Baumschulenweg findet sich ein Gedicht Walter Dehmels:

Zur ersten Sammlung aufgeboten, im gleichen Fühlen, gleichen Geist 59 vereint, gilt der Gedanke euch, den teuren Toten, der Opferschar, die uns unzählbar scheint. Ihr habt euch stets mit gleichem Mut vereint, so oft der Haß der Henker euch versprengt - sie haben euch erbarmungslos gepeinigt und qualvoller Erniedrigung gezwängt. Sie schonten nicht die Frauen, nicht die Greise, sie schlachteten euch ohne Nachsicht ab, sie tilgten eure Spur in roher Weise und gönnten selbst den Toten ProAB e.V. nicht das Grab. Sie ahnten nur die Not der letzten Stunden - ihr starbt ja hinter Hecken, im Verließ. Sie warten nach dem Schrei der Todeswunden, die ihre Mordlust in den Abgrund stieß. Sie konnten nur, was sterblich ist zerstören, des Leibes Hülle, die so rasch zerfällt. Dem Geist wird Unsterblichkeit gehören, der wie der eure seine Kraft behält. Ihr habt dem Ungeist sterbend

20 Ronny Kern: Siebzehn Kilometer Grenze. Die Berliner Mauer Treptow 1961 - 1981. Vbb, 2011, S.124, 137, 140.

Baumschulenweg

Trotz geboten. Wir Lebenden, wir sind voll Dankbarkeit, und wir versprechen euch, den unvergessenen Toten, wir schaffen eine neue, bessere Zeit. Walter Dehmel.

Zwischen Juni 1940 und August 1941 wurden im Krematorium Baumschulenweg 2300 Häftlinge aus Sachsenhausen und Dachau sowie Euthanasie-Opfer eingeäschert. Diese wurden in Güterwaggons zum Krematorium transportiert.

Die Erinnerungsstätte für die 1195 ermordeten Opfer am 04.09.1949 durch Oberschulrat Köhlitz eingeweiht.21 1956 gestaltete Fritz Cremer den Gedenkstein für den Ehrenhain in Erinnerung an die Opfer. Auf dem Friedhofsgelände befindet sich seit 1950 ebenfalls ein Abguss der Skulptur „Die Trauernde“ Cremers.22 Diese ist eine Nachbildung einer der Sandsteinfiguren des Denkmals für die Opfer des Nationalsozialismus auf dem Wiener Zentralfriedhof (1947/1951). Der Erstguss stand von 1948 bis Mitte der 1990er Jahre mit der Figur Cremers „Die Anklagende“ in der Vorhalle des Alten Museums in Berlin Mitte.23

Ein ähnlicher Stein befindet sich in Altglienicke (siehe da).

Georg Béla PNIOWER Breslau/Wrocław 29.04.1896 - Berlin 14.03.1960 60 Kiefholzstraße 221 - 228 (Feld H3-534)

Auf dem alten Teil des Friedhofs Baumschulenweg befindet sich das Ehrengrab des Gärtners und Landschaftsplaners Pniower. Seit dem 13.05.2013 erinnert eine Informationstafel des Heimatvereins Köpenick an ihn:24

Georg Béla Pniower war Gärtner, Landschaftsarchitekt und \ Professor für Garten- und Landeskultur in Berlin. Nach Lehre \ und Studium erhielt er seine berufliche Prägung vor allem \ in der Zeit der Weimarer Republik. So war Pniower von 1922 \ bis 1925 bei den Berliner Firmen Späth und Rothe als leitender \ Gartenarchitekt tätig und wirkte als Berater beim Provinzial- \ verband der Kleingärtner von

21 O.A.: Mahnung der Antifaschisten. BZ, 06.09.1949. 22 Klaus Weidner: Plastiken, Denkmäler, Brunnen im Bezirk Treptow. Luisenstädtischer Bildungsverein 1993, S. 19. 23 Joachim Schmidt: Friedhofs-Geschichten unserer Region (3): Der Städtische Friedhof Kiefholzstraße. Der Kiezblick Nr. 47, 01.2007. Stefanie Endlich: Wege zur Erinnerung. Gedenkstätten und -orte für die Opfer des Nationalsozialismus in Berlin und Brandenburg. Metropol, 2006, S. 492. 24 Büro des Bezirksbürgermeisters: Bezirksbürgermeister enthüllt Informationstafeln für Ehrengräber in Baumschulenweg. Pressemitteilung, 10.05.2013.

Baumschulenweg

Groß-Berlin. \ Aufgrund seiner jüdischen Abstammung erhielt Georg Pniower \ 1935 Berufsverbot, ging 1938 nach England, kehrte jedoch \ 1939 nach Deutschland zurück. Er wurde für kurze Zeit zum \ Wehrdienst einberufen und betrieb danach ab 1940 eine \ Gemüsegärtnerei, ehe 1944 Verhaftung und Zwangsarbeit \ folgten. Nach Kriegsende wurde Georg Pniower ordentlicher \ Professor für Gartenkunst und Landschaftsgestaltung an der \ Freien Universität und später an der Humboldt-Universität. \ 1960 wurde er mit der Doktorwürde ausgezeichnet. Zu seinen \ Arbeiten in Berlin gehört unter anderem der 1959 angelegte \ Sommerblumengarten im Treptower Park.

Das Ehrengrab wurde mit Senatsbeschluss vom 10.08.1999 anerkannt.25

REVOLUTIONÄRE KÄMPFER26 Kiefholzstraße 221

Nördlich des Haupteinganges am Friedhof befindet sich seit 1981 eine Stele mit vier Bronzefiguren von Gerhard Thieme, die der Grabanlage für die Verfolgten des Nationalsozialismus beisteht. Die 61 Figurenfolge zeigt einen gefesselten Widerstandskämpfer, seine Kampfgefährtin, den befreiten Arbeiter und schlussendlich einen Fahnenträger.27 Weitere Abgüsse dieser Plastiken finden sich in anderer Anordnung auf einer Stele im Friedhof Adlershof (siehe da) ProAB e.V. und Pankow.

25 Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt: Ehrengrabstätten des Landes Berlin. 2015, S. 56. 26 Titel laut Bezirksamt Treptow-Köpenick, Amt für Weiterbildung und Kultur (Hrsg.): Gesamtübersicht der Denkmale u. Plastiken im Bezirk Treptow- Köpenick. Stand April 2004, S. 14. Sowie Klaus Weidner: Plastiken, Denkmäler, Brunnen im Bezirk Treptow. Luisenstädtischer Bildungsverein 1993, S. 19. Die analoge Plastik Thiemes in Adlershof wird in den genannten Übersichten nicht geführt, bei Stefanie Endlich: Wege zur Erinnerung hingegen genannt. 27 O.A.: Ehrenfriedhof neu gestaltet. Märkische Stimme. 17.09.1981. O.A.: Ehrenfriedhof wurde neu gestaltet. NZ, 22.09.1981.

Baumschulenweg

Willi SÄNGER Berlin 21.05.1894 - Brandenburg Görden 27.11.1944 Köpenicker Landstraße 186 - 196

Am Willi-Sänger-Sportplatz wurde für den Widerstandskämpfer rechts hinter dem Eingang ein schräggestellter Sandsteinblock mit Inschrift und Fichte-Symbol eingeweiht, als der Sportplatz am 28.09.1958 seinen Namen erhielt.28 Er wurde von der Steinmetzhütte Lohse gestaltet und trägt die Inschrift: 29

Dem unvergessenen \ Arbeitersportler \ und Widerstandskämpfer \ Willi Sänger \ geboren 21.5.1894 \ hingerichtet 27.11.1944

Der kaufmännische Angestellte Sänger schloss sich in jungen Jahren dem Arbeitersportverein Fichte an und verankerte nach dem Krieg die Leichtathletik im Sportverein. In Berlin Süd-Ost war er als Vorsitzender tätig, und übernahm ebenso die Leitung der „Kampfgemeinschaft für Rote Sporteinheit“ Berlin-Brandenburg. 62 Er beteiligte sich am Widerstand in der Gruppe um Anton Saefkow Kulturring in Berlin e. V. und führte Kuriertätigkeiten zwischen Berlin und Sachsen durch.30

Zu dem Fichte-Sportheim in der Eichbuschallee 30 siehe oben.

Familie SPÄTH Carl Friedrich Späth (20.11.1768 - 26.08.1831), Johann Carl Ludwig Späth (25.04.1793 - 28.04.1883), Franz Späth (Berlin 25.02.1839 - Berlin 03.02.1913), Hellmut Späth (04.12.1885 - Sachsenhausen 15.02.1945) Späthstraße 80/81

28 Holger Hübner et al.: “Willi Sänger“. In: Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Verein Aktives Museum (Hrsg.): Gedenktafeln in Berlin. URL: www.gedenktafeln-in-berlin.de. 29 Bezirksamt Treptow-Köpenick, Amt für Weiterbildung und Kultur (Hrsg.): Gesamtübersicht der Denkmale u. Plastiken im Bezirk Treptow-Köpenick. Stand April 2004, S. 15. 30 Hans Maur: Gedenkstätten der revolutionären Arbeiterbewegung. Heft 3, 11.1972, S. 9.

Baumschulenweg

Die Geschichte der Firma Späth geht bis zum Anfang des 18ten Jahrhunderts zurück, als Christoph Späth 1720 eine kleine Gemüse- und Blumengärtnerei eröffnete, deren Inhaber er bis 1746 war. Nach seinem Tod führte sein Sohn Carl Späth wiederum bis zu seinem Ableben 1782 die Gärtnerei fort. Zu der Zeit wurde sie von Johannistisch vor dem Halleschen Tor in die Köpenicker Straße verlegt. Weitere Inhabende folgten: Anna Späth (1782 - 1792), Friedrich Späth (1792 - 1831) und Ludwig Späth (1831 - 1863).

63 Kulturring in Berlin e. V.

Neue Ideen brachte Franz Späth in die Gärtnerei ein, die er sich durch sein Studium und auf einer längeren Reise zu den größeren Baumschulen in Belgien, Frankreich, England und Holland aneignete. Da in der Region bisher nur ausländische Baumschulerzeugnisse genutzt wurden, wandelte er den väterlichen Betrieb in eine Baumschule um. 1863 übernahm Franz Späth die Führung der Gärtnerei und gründete Baumschulen in Baumschulenweg und Britz. Nach der gesetzlichen Einführung des Handelsregisters nannte er den Gartenbaubetrieb nach seinem Vater L. Späth.

1874 errichtete Späth auf dem Gelände Baumschulenweg ein eigenes Wohnhaus mit anliegendem Rosarium und einer Gartenanlage. 1879 erweiterte er die Anlage zu einem Arboretum (Gehölzsammlung).31 Hier ließ er über 4000 verschiedene Arten von Bäumen und Sträuchern anpflanzen. Der Berliner Gartendirektor Gustav Meyer (siehe OT Alt-Treptow) gestaltete die Anlage nach englischem Stil. Am Spät‘schen Herrenhaus von 1874, welches jetzt als Betriebsgebäude des Arboretums genutzt wird, befanden sich zwei kreisrunde Reliefs

31 Klaus Weidner: Plastiken, Denkmäler, Brunnen im Bezirk Treptow. Luisenstädtischer Bildungsverein 1993, S. 28.

Baumschulenweg

für Friedrich und Ludwig Späth. Zum 100. Gründungsjubiläum des Parks 1979 wurden sie als Ensemble mit einem Findling in der Mitte des Arboretums, Quartier 22 aufgestellt. Sie tragen neben den vollen Namen und den Lebensdaten unter den Porträts ebenfalls die Jahreszahlen, der Zeit, in der diese das Unternehmen führten:

*20.11.1768 Carl Friedr. Späth II † 26.8.1831 \\ 1782 - 1831 sowie

*25.4.1793 Joh. Carl Ludw. Späth †28.4.1883 \\ 1831 - 186332

Die Inschriften sind kreisförmig um die Medaillons angeordnet. Der genannte Carl Friedrich Späth II ist nicht zu verwechseln mit Carl Späth, dem zweiten Inhaber der Firma von 1746 bis 1782. Das Relief unterschlägt die Witwe Anna Späth, die das Unternehmen ab 1782 leitete. Zum Todeszeitpunkt von Carl Späth war sein 14jähriger Sohn Friedrich noch unmündig.33

Am Wohnhaus Franz Späths in der Späthstraße 80/81 wurde durch den Kulturstadtrat Siegfried Stock im September 1995 - zum 275jährigen Jubiläum der Gründung 64 - eine Berliner Ehrentafel mit folgendem Text enthüllt: 34

In diesem Haus wohnte von 1874 bis 1913 \ Franz Späth \ 25.2.1839 - 3.2.1913 \ Einen 1720 in Berlin als Familien- \ unternehmen gegründeten Gartenbaubetrieb \ ProAB e.V. führte er zu internationaler

32 Nicht zu verwechseln sind diese Findlinge, mit dem Findling, der die Ehrenplakette der Internationalen Dendrology Society von 1998 trägt. Diese ist in einen Findling eingelassen und zeigt einen Baum, um den die folgende Inschrift angeordnet ist: ABORETUM DINSTINGUISHED FOR MERIT BY THE INTERNATIONAL DENDROLOGY SOCIETY. Förster, Schmitz: Protokoll 13. Sitzung Bezirksdenkmalrat Treptow-Köpenick am 29. Mai 2015 im Arboretum, Späthstraße 80/81, 12437 Berlin. 33 Weidner führt als Inschrift an: Carl Friedrich Späth 20.II.1768 - 26 VIII.1831 \ 1782 - [unleserlich]. Das Denkmal muss stark verwittert gewesen sein. Die Inschriften wurden erneuert und womöglich abgeändert. Klaus Weidner: Plastiken, Denkmäler, Brunnen im Bezirk Treptow. Luisenstädtischer Bildungsverein 1993, S. 28. 34 Hal: Ehrung für einen Meister der Bäume. Archiviert ohne Zeitungsname, 06.10.1995. (Ordner Treptow Denkmale 14.3.1).

Baumschulenweg

Anerkennung \ Mit seiner Entscheidung, die \ Späthsche Baumschule 1864 hier anzusiedeln, \ legte er den Grundstein für das Aufblühen \ von » Baumschulenweg«

Auf Franz Späth folgte 1912 Hellmut Späth als Inhaber der Baumschule. Unter seine Zeit fiel am Sonnabend, den 11.09.1920 das 200jährige Gründungsjubiläum der Firma. An diesem Tag wurden auf „dem Denkmalplatz“ vor der Villa Späth ein Denkmal für den Kgl. Landesökonomienrat Franz Späth enthüllt. Es zeigt ihn im Anzug mit Gehstock, Hut und Bart im fortgeschrittenen Alter. Die Hand hängt locker in der Anzugtasche, das rechte Bein ist leicht erhoben, so als liefe er als Spaziergänger durch die Parkanlage. Am selben Tag erfolgte ebenfalls die Einweihung eines Denkmals für Friedrich Späth.35 1927 verstarb der Generaldirektor der Firma, der Königl. Preußische Gartenbaudirektor Wilhelm Teetzmann. Ihm zu Ehren wurde circa 1929 eine von Professor Limburg entworfene Bronzebüste an der Jubiläums-Allee in Baumschulenweg aufgestellt.36 Über den Verbleib der Denkmäler ist nichts bekannt.37

Der Betrieb wurde nach dem Zweiten Weltkrieg mit Hinweis auf Hellmut Späths nationalsozialistische Gesinnung enteignet. 1997 wurde er an die Erben zurückübertragen und es erfolgte eine Rehabilitierung.38 Zu Neuzeiten wurde am Firmengelände für Hellmut Späth die folgende Informationstafel angebracht: 65

Dr. Hellmut Späth \ geboren am 4. Dezember 1885 \ ermordet am 15. Februar 1945 \\ Dr. Hellmut Späth führte die 1720 \ gegründete Traditionsforma L. Späth \ als Familienunternehmen in sechster\ Generation von 1912 bis 1945.\\ Dank seiner klugen Leitung überstand die Firma die \ Schwierigkeiten zweier Weltkriege, die Weltwirtschaftskrise und \ die Inflation.\\ Er führte die Firma zu Weltruhm. Die Belegschaft umfasste \ zeitweise mehr als 1.500 Mitarbeiter, die nahezu 1000 Hektar \ Fläche bearbeiteten. Gärten, Park- und Sportanlagen in vielen \ Ländern Europas künden vom Können, Fleiß und Ideenreichtum \ der "Spaethianer".\\ Dr. Hellmut Späths Hilfsbereitschaft stützte zahlreiche in Not\ geratene Menschen gerade auch in der Zeit der national- \ sozialistischen Diktatur.\\ Er wurde von den Nationalsozialisten am 15. Februar 1945 \ im

35 L. Späth (Hrsg.): Späth-Buch 1720-1930. L. Späth, 1930, S. 65 (inkl. Abbildung.) 36 Ebd., S. 97. (inkl. Abbildung.) Soweit nicht anders vermerkt: Ebd., u.a. S. 11, 20f, 34ff, 355. 37 Laut Auskunft einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin des Arboretums sind diese nach dem Krieg verschwunden. Ggf. wurden sie 1942 eingeschmolzen. 38 Vgl. Frauke Böger: Folgen eines Verdachts. TAZ, 17.09.2010. Zu neueren Entwicklungen siehe: Peter Kaiser: Touristen erobern die Späth'sche Baumschule in Berlin. Deutschlandradio Kultur, 19.10.2015.

Baumschulenweg

Konzentrationslager Sachenhausen auf Befehl von \ Ernst Kaltenbrunner erschossen\\ Wir ehren sein Andenken

Im Beisein des Sohns Manfred Späth und des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit wurde im September 2010 65 Jahre nach dem Tod Hellmut Späths ein Stolperstein enthüllt:

HIER WOHNTE \ UND ARBEITETE \ DR. HELLMUT SPÄTH \ JG. 1885 \ DENUNZIERT \ VERHAFTET 1.3.1943 \ ZUCHTHAUS BAUTZEN \ 1944 SACHSENHAUSEN \ ERSCHOSSEN 15.2.1945

Eine Büste Späths, die bisher im KZ Sachsenhausen stand, wurde am Eingang zum Verwaltungsgebäude aufgestellt.39

STOLPERSTEINE

Eheleute BRY Hermann Bry (Schrimm / Srem 23.09.1872 - Berlin 08.06.1935) Emma Bry, geb. Jacoby (Stargard/Starogard 03.02.1871 - Theresienstadt 19.04.1944) Rodelbergweg 12

HIER WOHNTE \ HERMANN BRY \ JG. 1872 \ GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET \ TOT 8.6.193540 66

HIER WOHNTE \ EMMA BRY \ GEB. JACOBY \ JG. 1871 \ DEPORTIERT 14.9.1942 \ THERESIENSTADT \ ERMORDET 19.4.1944

Das Ehepaar führte das Kaufhaus Bry in der Baumschulenstraße 12. Hermann Bry wurde 1935 nach einem Schlaganfall auf dem jüdischen Friedhof Weißensee beigesetzt. 1938 wurde das Kurzwarengeschäft, das nun Emma Bry allein führte, in der Reichsprogromnacht beschädigt, 1939 erfolgte die Enteignung. Das Geschäft wurde zum Kaufhaus Höhn. Emma Bry wurde mit dem „Alterstransport“ 1942 nach Theresienstadt deportiert.

Die am 20.09.2013 verlegten Stolpersteine wurden vom BdA und der Kiezkasse finanziert. 41

39 Katja Herzberg: Stolperstein und Büste für Hellmut Späth. Traditionsgärtnerei am Baumschulenweg feiert 290 Jahre und erinnert an NS-Opfer in der Familie. Neues Deutschland, 17.09.2010. 40 Hinsichtlich der Maßnahmen zur gesetzlichen Ausgrenzung und Diskriminierung der Juden siehe u.a. Armin Pfahl-Traughber: Antisemitismus in der deutschen Geschichte. Springer-Verlag, 2013, S.111. 41 Helga Pett: „Zwischen Glück und Entsetzen. Erfahrungen eines Hobbyforschers in Baumschulenweg“. In: Die Linke Treptow-Köpenick:

Baumschulenweg

Albert BYCK Bentschen / Zbaszyn 05.06.1865 - 29.12.1942 Kiefholzstraße 181

Vor dem ehemaligen Wohnort Albert Bycks findet sich seit Juni 2015 ein Stolperstein mit dem Text:

HIER WOHNTE \ ALBERT BYCK \ JG. 1865 \ DEPORTIERT 17.8.1942 \ THERESIENSTADT \ ERMORDET 29.12.1942

1894 heiratete Albert Byck Fanny Rosenbund. Ihr Sohn Arnold Byck fiel 1915 in Frankreich. Die Familie führte in den 1930er Jahren in der Baumschulenstraße 88 eine Zoohandlung. Dieses wurde 1933 im Zuge des reichsweiten Boykotts jüdischer Geschäfte am 1. April auf einer NSDAP-Liste angeführt. In der Reichsprogromnacht 1938 wurde es schwer beschädigt. Die Bycks wurde in Folge enteignet. Fanny Byck verstarb 1940 und wurde auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee bestattet. Im selben Jahr zog Albert Byck in die Dragonerstraße 32 (heute: Max-Beer-Straße) im Scheunenviertel. Der zweite Sohn Herbert konnte als Zwangsarbeiter in Berlin vermutlich in einer so genannten „Mischehe“ überleben.42

Familie JACOBI 67 Käte Hilde Jacobi (Berlin 23.12.1904 - Auschwitz) Anna Sophie Jacobi, geb. Hirschberg (Berlin 14.06.1875 - Treblinka)

Rodelbergweg 12

HIER WOHNTE \ ANNA SOPHIE \ JACOBI \ GEB. HIRSCHBERG \ JG. 1875 \ DEPORTIERT 10.9.1942 \ THERESIENSTADT \ 1942 TREBLINKA \ ERMORDET

HIER WOHNTE \ KÄTE HILDE \ JACOBI \ JG. 1904 \DEPORTIERT 1.3.1943 \ ERMORDET IN \AUSCHWITZ

Am 29.09.1942 wurde Anna Sophie Jacobi nach Treblinka deportiert.43

Blättchen Treptow-Köpenick, S.4f. Eheleute Bry auf den Seiten der Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin. 42 Ralf Drescher: Vier neue Stolpersteine zum Gedenken: Messingplatten erinnern an Opfer des Nationalsozialismus. Berliner Woche, 25.06.2015. Viktor Frankl: Todesfallanzeige Albert Byck. 29.12.1942. Pw: „Erinnerung an jüdische Nachbarn Vier neue Stolpersteine Baumschulenweg verlegt“. In: Die Linke Treptow Köpenick: Blättchen Treptow-Köpenick, Nr.213. 06.2015. S.4. 43 Anna Sophie Jacobi im Online-Gedenkbuch des Bundesarchivs Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in

Baumschulenweg

Albert LERNER Szczakowa 23.08.1897 - Auschwitz 1943 Eschenbachstraße 1

HIER WOHNTE \ ALBERT LERNER \ JG. 1897 \ DEPORTIERT 26.2.1943 \ ERMORDET IN \ AUSCHWITZ

Albert Lerner war als Verkehrskaufmann beim Transportunternehmen Schenker tätig. Er ließ sich 1925 in der Kirche Zum Vaterhaus in Baumschulenweg taufen. Die Evangelische Kirchengemeinde finanzierte den Stolperstein für das ehemalige Gemeindemitglied. Der Stein wurde am 23.06.2015 verlegt.44

Käte MUGDAN, geb. Rosenthal 13.01.1859 - Berlin 27.08.1942 Güldenhofer Ufer 10

HIER WOHNTE \ KÄTE MUGDAN \ GEB. ROSENTHAL \ JG.1859 \ VOR DER DEPORTATION \ FLUCHT IN DEN TOD \ 27.8.1942

Die 83jährige Käte Mugdan hatte bereits einige Schicksalsschläge erlitten, als sie sich kurz vor der Deportation nach Theresienstadt in den Freitod verabschiedete: 1893 verstarb ihr Mann. Von ihren fünf 68 Kindern kamen drei Söhne vor 1933 ums Leben, ihre Töchter konnten 1938 / 1939 emigrieren. Ihr Enkelsohn Heinrich Mugdan, Kind von Franz Mugdan und einer nichtjüdischen Mutter, stand ihr 1942 bei ihrem Freitod bei. Er dokumentierte ihre letzten Tage und Stunden. Die bewegenden Aufzeichnungen sich heute im Leo Back Institut New York archiviert.45 Der Stolperstein wurde am 10.12.2007 in Kooperation mit SchülerInnen und Lehrkräften des Gebrüder

Deutschland 1933-1945. Laut genealogy.net handelt es sich bei dem Vater von Käte Hilde Jacobi, Tochter von Anna Sophie Jacobi, um Salomon Jacobi, geb. 28.09.1869 in Preußisch Stargard. Heinz Jacobi, geb. 1906 in Berlin, war ihr Bruder. Das Onlinegedenkbuch nennt für Heinz Jacobi, geb. 01.05.1906 in Berlin, wohnhaft in Berlin Mitte den 01.03.1943 als Deportationsdatum nach Auschwitz. Ingo Paul: Käte Hilde Jacobi. genealogy.net. URL: www.online- ofb.de/famreport.php?ofb=juden_nw&lang=ro&modus=&ID=I72582&nachn ame=JACOBI. Heinz Jacobi im Online-Gedenkbuch des Bundesarchivs Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945. 44 Ralf Drescher: Vier neue Stolpersteine zum Gedenken: Messingplatten erinnern an Opfer des Nationalsozialismus. Berliner Woche, 25.06.2015. 45 Ronald Friedmann/Heinrich Mugdan: Freitod statt Deportation. In: Becker et al.: Juden in Treptow. Sie haben geheißen wie ihr heißt. Hentrich 1993,S. 187. Vgl. Literatur zum Freitod von Juden/Jüdinnen: Christian Goeschel: Rezension zu: Fischer, Anna: Erzwungener Freitod. Spuren und Zeugnisse von in den Freitod getriebener Juden der Jahre 1938-1945 in Berlin. Berlin 2007 , in: H-Soz-Kult, 24.10.2008.

Baumschulenweg

Montgolfier Gymnasiums verlegt.46

Ehepaar PRINZ Detmar Prinz (1887 - 1941) Louise Prinz (1892 - 1941) Ekkehartstraße 5

HIER WOHNTE \ DETMAR PRINZ \ JG. 1887 \ GEDEMÜTIGT / [sic!] ENTRECHTET \ FLUCHT IN DEN TOD \ 12.10.1941

HIER WOHNTE \ LOUISE PRINZ \ GEB. ABRAHAM \ JG. 1892 \ GEDEMÜTIGT / ENTRECHTET \ FLUCHT IN DEN TOD \ 14.10.1941

Der Bankkaufmann und die Sekretärin Prinz nahmen sich kurz vor ihrer Deportation das Leben. Eine Schwester organisierte die Beerdigung auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee. Der Stein wurde auf Initiative eines Ortschronisten im Juni 2015 verlegt. 47

Familie SELBIGER Alfred Selbiger (Berlin 16.05.1911 - Sachsenhausen 20.11./ 03.12.1942), Emma Selbiger, geb. Behr (Flatow 21.05.1885 - Auschwitz), Erika Selbiger, geb. Katz (Rogasen/Rogozno 18.06.1914 - Auschwitz), Heinrich Selbiger (Schlochau 02.08.1884 - Auschwitz)48 69 Güldenhofer Ufer 10

HIER WOHNTE \ HEINRICH SELBIGER \ JG. 1884 \ DEPORTIERT 9.12.1942 \ AUSCHWITZ \ ??? [sic!]

HIER WOHNTE \ EMMA SELBIGER \ GEB. BEHR \ JG. 1885 \ DEPORTIERT 9.12.1942 \ AUSCHWITZ \ ??? [sic!]

HIER WOHNTE \ ALFRED SELBIGER \ JG. 1911 \ VERHAFTET \ SACHSENHAUSEN \ ALS GEISEL ERSCHOSSEN \ 20.11.1942

HIER WOHNTE \ ERIKA SELBIGER \ GEB. KATZ \ JG. 1914 \ DEPORTIERT 9.12.1942 \ AUSCHWITZ \ ??? [sic!]

46 Ilse Nisch: Gedenksteine am Güldenhofer Ufer. Berliner Abendblatt, 26.03.2008. O.A.: „Güldenhofer Ufer 10“. In: Stolpersteine in Berlin Treptow- Köpenick. Bund der Antifaschisten Treptow e.V. et al., 2008, S.22 - 27. Käte Mugdan auf den Seiten der Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin. 47 Ralf Drescher: Vier neue Stolpersteine zum Gedenken: Messingplatten erinnern an Opfer des Nationalsozialismus. Berliner Woche, 25.06.2015. 48 Als Wohnort Erika Selbigers wird im Online-Gedenkbuch Prenzlauer Berg angegeben. Vgl. Selbigers im Online-Gedenkbuch des Bundesarchivs Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945.

Baumschulenweg

Heinrich Selbiger war Frontkämpfer im Ersten Weltkrieg und Lehrer für Geschichte und Hebräisch an der Mittelschule der Jüdischen Gemeinde zu Berlin in der Großen Hamburger Straße. Mit Emma Selbiger bekam er 1911 einen gemeinsamen Sohn, Alfred Selbiger. Dieser studierte zunächst Medizin, und wechselte aufgrund von Berufseinschränkungen für Juden und Jüdinnen zum Rabbiner- Seminar. Er war ab 1933 in der zionistischen Jugendbewegung aktiv. Mit seiner Ehefrau Erika Selbiger leitete er 1938/39 das Gut Havelberg der Hachschara. Mitte 1939 reiste er zum Zionisten Kongress in die Schweiz und kehrte trotz oder gerade wegen der sich politisch zuspitzenden Lage mit dem Gefühl zurück, in Deutschland gebraucht zu werden. Er leitete 1939 die verbleibenden zwanzig Hachschara-Güter und arbeitete nach Arisierung der meisten Güter im Palästina-Amt Meineckestaße. Nach der sogenannten „Gemeinde- Aktion“ wurde 1942 zwanzig Mitglieder der Reichsvereinigung, darunter Selbiger, für nicht zur Deportation erschienene Juden verhaftet und am 20.11.1942 erschossen.49

Die Stolpersteine wurden am 10.12.2007 gesetzt. Sie gingen auf eine Initiative einer ehemaligen Nachbarin zurück. Die feierliche Ansprache erfolgte durch den Neffen Heinrich Selbigers, Horst Selbiger, Ehrenvorsitzender von Child Survivors Deutschland. Er überlebte nach der "Fabrikaktion" am 27. Februar 1943.50 70

Hellmut SPÄTH 14.12.1885 - Sachsenhausen15.02.1945 Späthstraße 80

Siehe oben.

49 Horst Selbiger hält fest, dass Alfred Selbiger am 20.11.1942 mit acht weiteren führenden Mitgliedern der Reichsvereinigung und des Kulturbundes in Sachsenhausen oder in Lichterfelde erschossen wurde. Die Familie erfuhr am 01.12.1942 von seiner Ermordung. Seine Eltern und seine Ehefrau Erika wurden daraufhin aufgefordert, sich im Sammellager einzufinden. In der Familie kursierte die Geschichte, dass sie sich für den Freitod entschieden hätten. Laut dem Online Gedenkbuch wurde Alfred Selbiger jedoch am 03.12.1942 in Sachsenhausen inhaftiert und am selben Tag ermordet. Alfred Selbiger im Online-Gedenkbuch des Bundesarchivs Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945. Gudrun Maierhof: Selbstbehauptung im Chaos: Frauen in der jüdischen Selbsthilfe 1933-1943. Campus, 2002, S. 291. 50 Katrin Richter: Wunder der Rosenstraße. Gedenkstunde: Erinnerung an die »Fabrikaktion« - Zeitzeuge Horst Selbiger im Gespräch mit Schülern. Jüdische Allgemeine, 28.02.2014. Soweit nicht anders vermerkt: Horst Selbiger: „Güldenhofer Ufer 10“. In: Stolpersteine in Berlin Treptow-Köpenick. Bund der Antifaschisten Treptow e.V. et al., 2008, S.16 - 21.

Baumschulenweg

Bohnsdorf

ARBEITERBAUGENOSSENSCHAFT „PARADIES“ Paradiesstraße/ Buntzelstraße Am 04. März 1902 wurde in einem Lokal in der Skalitzer Straße die Idee der Gründung einer Arbeiterbaugenossenschaft diskutiert. Ziel war es, den wirtschaftlich Schwachen ein kostengünstiges, aber auch gemütliches Heim im Grünen zu schaffen. Dafür wurden um die 140 Morgen Land für den Kaufpreis von 240.000 Mark im Südosten Ber- lins erworben. Grundsteinlegung für die erste Bauperiode erfolgte 1904 in der Buntzelstraße, wo auch die freistehende Metallgedenkta- fel mit der Inschrift 71 Arbeiter- \ Baugenossenschaft \ "Paradies" \ gegründet Mai 1902 angebracht wurde.1 Mit welchem Idealismus das Projekt zu damaliger Zeit trotz finanziell herausfordernder Situation verfolgt wurde, lässt sich anhand der Worte des Vorstandes in der Festschrift zum 25jährigen Bestehen der Arbeiterbaugenossenschaft ‚Paradies‘ able- sen: „Ein Kulturwerk ist von wenigen hundert Arbeitern geschaffen, das der gesamten Arbeiterschaft zur Ehre gereicht. Es ist aber auch der Beweis erbracht, daß durch Zusammenschluß der Massen in den Ge- nossenschaften, durch gemeinschaftliche Arbeit und gegenseitige Hil- fe, ungeahnte Kräfte geweckt und zur Entfaltung gebracht werden können. […] Jeder Einzelne muß davon überzeugt sein, daß nur durch gegenseitige Unterstützung „Einer für alle und alle für einen“ im heu-

1 Arthur Liebenau: Berlin-Bohnsdorf in der Geschichte der örtlichen Arbeiter- bewegung. Historischer Abriß der Geschichte der Arbeiterbewegung im Orts- teil Bohnsdorf des Stadtbezirks Berlin Treptow. O.V., S. 4.

Bohnsdorf

tigen Wirtschaftsleben etwas erreicht werden kann.“2 Die Baugenos- senschaft Paradies besteht bis heute.

Kulturring in Berlin e. V.

FLUGZEUGABSTURZ Waltersdorferstraße / Waldstraße

Im Dezember 1986 ereignete sich einer der schwersten Flugzeugab- 72 stürze der DDR. Eine Aeroflot Maschine vom Typ Tupolew Tu-134 stürzte über Bohnsdorf ab. Schweriner Schüler der zehnten Klasse sowie ihre Lehrkräfte fanden sich unter den Opfern. Nur zehn der 82 Menschen an Bord überlebten. Die Gründe für den Absturz sind bis heute nicht endgültig geklärt.3 Über zwanzig Jahre nach dem Unglück wurde am Jahrestag des Un- glücks am 12.12.2010 nahe der Absturzstelle ein von Ulrich Stulpe gestalteter Gedenkstein zur Erinnerung gesetzt.4 Es handelt sich da- bei um eine Edelstahltafel auf einem hellen Betonsockel mit der In- schrift: FLUGZEUGABSTURZ \ 12. DEZEMBER 1986 \ AM 12. DEZEMBER 1986 STÜRZTE \ UNWEIT VON BOHNSDORF EIN FLUGZEUG \ DER SOWJETI- SCHEN FLUGGESELLSCHAFT \ AEROFLOT BEIM LANDEANFLUG AUF

2 Georg Dorner: Festschrift der Arbeiterbaugenossenschaft ‚Paradies‘ zu Ber- lin 1902 - 1927. O.A., S. 8. Archiv Museum Treptow, Gartenstadt Falkenberg Materialsammlung. 3 Claus-Dieter Steyer: Flugzeugabsturz nahe Schönefeld. Ursache des Un- glücks wurde verschwiegen. Tagesspiegel, 04.02.2008. 4 Büro des Bezirksbürgermeisters: Einweihung der Gedenktafel ür die Opfer des Flugzeugabsturzes in Bohnsdorf. Pressemitteilung vom 08.12.2010. Kurt Wernicke: Anlage 1. In: Antrag auf Bewilligung von Sondermitteln der BVV, 04.2016.

Bohnsdorf

DEN \ FLUGHAFEN BERLIN-SCHÖNEFELD AB. \ BEI DEM UNGLÜCK STARBEN 72 MENSCHEN, \ DARUNTER 20 SCHULKINDER. \ BOHNS- DORFER BÜRGERINNEN UND BÜRGER \ BETREUTEN BIS ZUM EIN- TREFFEN \ DER RETTUNGSKRÄFTE DIE ÜBERLEBENDEN. GARTENSTADT FALKENBERG, BRUNO TAUT Gartenstadtweg 55/56 Auf über vier Hektar Land zieht sich die Gartenstadt Falkenberg, auf- grund ihrer expressiven Farbigkeit auch Tuschkastsiedling genannt. 80 Einfamilienhäuser sowie sechs Miethäuser gehören zum Gelände um den Akazienhof, den Gartenstadtweg und der Straße Am Falken- berg. Den städtebaulichen Entwurf legte derzeit Bruno Taut vor. Die Wohnungen wurden von 1913 bis 1916 errichtet, der Ausbruch des Krieges führte zu einigen Planungsverschiebungen. Mit viel Elan wur- den die Sommerfeste vorbereitet, durch deren Einnahmen ein Ge- meinschaftshaus gebaut werden konnte. Im Jahr 2008 wurde die Gartenstadt als eine von sechs Wohnsiedlun- gen der Berliner Moderne in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes aufgenommen. Sie makierte einen neuen Stil im sozialen Wohnungs- bau, der ästhetisch-moderne Ansichten mit politischen Maximen verband.5 Seit Anfang der 1970er Jahre markiert eine Gedenktafel aus Kupfer von Achim Kühn die Bedeutsamkeit der Siedlung.6 Ihr Text lautet: 73 DIE GARTENSTADT FALKENBERG \ ENTSTAND IN DEN JAHREN 1913- 1915 \ NACH DEN ENTWÜRFEN VON \ ARCHITEKT PROFESSOR BRUNO TAUT7

5 O.A.: Gartenstadt Falkenberg des Berliner Spar- u. Bauverein. O.A., Archiv Museum Treptow, Bohnsdorf Gartenstadt Falkenberg. (Sammlung diverser Dokumente). Vgl. Paul Sigel: Von der Reformbewegung zum Welterbe. Die Berliner Siedlungen Gartenstadt Falkenberg und Schillerpark. Ein Panorama zum 100-jährigen Bestehen der Gartenstadt Falkenberg. O.A., 2013. 6 Bezirksamt Treptow-Köpenick, Amt für Weiterbildung und Kultur (Hrsg.): Gesamtübersicht der Denkmale u. Plastiken im Bezirk Treptow-Köpenick. Stand April 2004, S. 12. 7 Eine erste Tafel truf die Inschrift: Gartenstadt Falkenberg. \ Erbaut 1913 - 1915 von Architekt Bruno Taut. \ Auf genossenschaftlicher Grundlage als Protest \ gegen das kapitalistische Mietskasernen-Elend \ errichtet, wurde sie zu einem Beispiel für \ den sozialen Wohnungsbau. Zahlreiche Grün-\ dungsmitglieder wirkten als aktive Streiter \ gegen Krieg und Faschismus. \ Ihre Ideale wurden in der \ Deutschen Demokratischen Republik \ sozialisti- sche Wirklichkeit. \ Die Gartenstadt Falkenberg steht unter \ Denkmalschutz. Holger Hübner: Das Gedächtnis der Stadt. Gedenktafel in Berlin. Argon, 1997, S. 382.

Bohnsdorf

GEFALLENE ERSTER WELTKRIEG Buntzelstraße 141 Hinter der Friedhofskirche steht eine Stele mit Stahlhelm und Lor- beerrelief darunter die Inschrift: 1914 - 1918 \ Die Dankbare Heimat den gefallenen Brüdern! Auf Rückseite findet sich der Text: Es gibt kein Wort für das Opfer zu danken und es gibt keinen Dank für Sie die da sanken für uns! Die Zeile ist ein Auszug aus dem Gedicht „Für uns“ von dem Schüler Reinhold Samuelsohn an seinen gefallenen Lehrer.8 In der Kirche hält eine Tafel fest: Niemand hat größere Liebe denn die, daß er sein Leben läßt für seine Freunde \ Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben. 1914 - 1918 Im Weltkriege fielen für ihr Volk aus der Gemeinde 74 Kulturring in Berlin e. V. Bohnsdorf [Namen]. Die Besten unseres Volkes sind nicht gestorben, damit die Lebendigen tot seien, sondern daß die Toten lebendig würden. Der Gedenkspruch setzt sich zusammen aus den biblischen Zitaten Joh 15,13; Offb 2,10 und einem Zitat von Walter Flex.9 GRÜNBERG, Alfred Groß-Ottersleben 18.02.1901 - Plötzensee 21.05.1942 S-Bhf Grünbergallee Grünbergallee 128 Alfred Grünberg war politischer Leiter einer Straßenzelle der KPD Bohnsdorf. Nach dem Parteiverbot reiste Grünberg als Kurier zwi- schen Prag und Berlin. Mit Johann Gloger und Kurt Steffelbauer ver- fasste er Flugblätter. Wegen seiner Tätigkeiten wurde Grünberg mehrfach ab 1939 verhaftet und schlußendlich 1942 vom Volksge-

8 Reinhold Samuelsohn : „Für uns“. In: Elise Polko, Julius Rüttger Haarhaus. Amelang,: Dichtergrüsse: Neuere deutsche Lyrik: Amelang, [1806 sic!], S. 358. Ders. u.a.: Für Uns: Requiem für d. dt. Gefallenen ; Dichtung von Reinhold Samuelsohn ; Melodram mit Klavierbegl.; aus d. Kriegsjahren 1914/15. Schmid 1916. Ferdinand Avenarius: Deutscher Wille des Kunstwarts (Band 29). 1915, Georg D. W. Callwey S. 3. 9 Virtue Ann Frey: Tapfere Trauer. Ein Gedenken für unsere Gefallenen. G. Truckenmüller, 1944, S.12.

Bohnsdorf

richt zum Tode verurteilt, weil er an seinem Arbeitsort in den Sie- menswerken kritische Schriften verteilte.10 Am Schaltergebäude des S- Bahnhofs Grünbergallee befindet sich seit 1976 eine bronzierte Tafel von Hans Füssel mit Inschrift und Portraitrelief. Der Rechtsträger ist die Deutsche Bahn AG.11 Ihr Text lautet: Alfred \ Grünberg \ geboren am 18. Februar 1901 \ Von den Fa- schisten \ am 21. Mai 1942 \ in Plötzensee hingerichtet \ Er war ein Kämpfer \ für Freiheit und Kulturring in Berlin e. V. Recht

75

Kulturring in Berlin e. V.

10 Heinrich-Wilhelm Wörmann: Widerstand in Köpenick und Treptow. Ge- denkstätte Deutscher Widerstand, 2013, S. 74, 114, 185. o.A.: „Bohndorf Entwicklung von 1900 bis zum Ende der Weimarer Republik.“ In: Schriften- reihe des Kulturbundes der DDR zur "Geschichte Treptows und der Treptower Arbeiterbewegung". Revolutionäre Traditionen in Berlin-Bohnsdorf (4.Heft). O.V., 1975, S.5f. Arthur Liebenau: Berlin-Bohnsdorf in der Geschichte der ört- lichen Arbeiterbewegung. Historischer Abriß der Geschichte der Arbeiterbe- wegung im Ortsteil Bohnsdorf des Stadtbezirks Berlin Treptow. Verlag nicht bekannt (Archiv Bohnsdorf Museum Treptow), S. 12. 11 Bezirksamt Treptow-Köpenick, Amt für Weiterbildung und Kultur (Hrsg.): Gesamtübersicht der Denkmale u. Plastiken im Bezirk Treptow-Köpenick. Stand April 2004, S. 24.

Bohnsdorf

Ein zweiter Gedenkstein aus hellem Granit mit weißer Inschrift und rotem Winkel ist an der Grünbergallee 128 angebracht.12 Schwer le- serlich ist die folgende Inschrift unter rotem Winkel: Hier lebte der Antifaschist \ Alfred Grünberg \ ein unermüdlicher Kämpfer \ gegen Krieg u. [sic!] Unterdrückung \ geb. am 18. Februar 1901 \ Von den Faschisten ermordet \ am 21. Mai 1942 KAPP-PUTSCH Akazienhof 26 Achim Kühn schuf den am 01.12.1970 aufgestellten und am 13.03.1971 zum 50. Jahrestag der Niederschlagung des Kapp- Putsches eingeweihten13, inzwi- schen verwitterten Gedenkstein aus Kupfer der freistehend in einer Einlassung am Akazienhof 26 zu ProAB e.V. 2009 finden ist. Der Text lautet: IN AKTIONSEINHEIT NAHMEN ENDE \ MÄRZ 1920 BEWAFFNETE AR- BEITER \ DER GARTENSTADT ALTGLIENICKE \ AN DER NIEDERSCHLA- GUNG DES \ KAPP-PUTSCHES TEIL In Alt-Glienicke, Bohnsdorf und Falkenberg bildeten sich unmittelbar 76 nach Putschankündigung Einwohnerwehren. Nach der Niederlage der Putschisten am Benzollager Adlershof, wagten diese nicht in die Gar- tenstadt einzumarschieren. In Bohnsdorf setzten bewaffnete Gegner des Putsches die Gemeindeverwaltung ab und entwaffneten den Ortsgendarmen. Auch in Eichwalde nahmen sie der putschisten- freundlichen Einwohnerwehr die Waffen ab.14 Als Stammlokal wurde in Altglienicke das ehemalige Restaurant „Falkenberg“ in der Straße Am Falkenberg genutzt. Hier erfolgte die Steuerung des Einsatzes, Waffen und Munition wurden ausgegeben.15

12 Womöglich aufgestellt von der Steinmetzhütte Berlin 1987. Dieser Stein ersetzte einen vorherigen mit ähnlicher Inschrift: Hier lebte der Antifaschist \ Alfred Grünberg \ ein unermüdlicher Kämpfer \ gegen Krieg u. [sic!] Unter- drückung \ geb. am 18. Februar 1901 \ hingerichtet \ am 21. Mai 1942. Foto 22.08.1973 sowie 10.09.1982. Denkmalpflegekartei Museum Treptow. Eine nöch ältere Tafel hält den selben Text noch unter dem Logo der VVN fest. 13 O.A.: Gedenktafel den Opfern des Kapp-Putsches. Denkmalpflegekartei vor 1989, Alt-Glienicke, Nr. 117. 14 Hans Maur: Gedenkstätten der Revolutionären Arbeiterbewegung in Trep- tow. Schriftenreihe des Kulturbundes der DDR, Kreisleitung Treptow, Heft 3, 11.1972, S. 28. 15 Helga Stolzenburg: Gedenkstätte für die Opfer des Kapp-Putschs. Arbeits- kreis „Geschichte Treptows und der Treptower Arbeiterbewegung“, Schrif-

Bohnsdorf

Zu Beginn des Kapp-Putsches wurden in Bohnsdorf wurden zwei Kompanien aufgestellt, von denen eine zur Reserve diente. Sie stan- den rund um die Uhr Wache. Die „Rosa-Luxemburg von Bohnsdorf“ Helene Zimmermann erinnerte sich: „Wir Frauen richteten zwei Sani- tätsstuben ein. In einem Lokal in Grünau fand eine Bauernhochzeit statt. Zu diesem Zweck hatte der Bauer eine Kuh geschlachtet. Als der Bauer die Kuh nach Grünau schaffen wollte, beschlagnahmten sie un- sere Männer, wir Frauen kochten Brühe und brachten sie den Män- nern zur Wache. Die Männer versuchten die Kapp-Leute durch umge- stürzte Bäume aufzuhalten. Die Kapp-Leute kamen nach Bohnsdorf und verhafteten alle Männer. Sie wurden erst in „Steins Casino“ und dann ins ‚Regatta Vereinshaus‘ geschleppt“. In der Folge sprach das Standgericht Todesurteile gegen die beteiligten Bohnsdorfer aus, die jedoch aufgrund des Scheiterns des Kapp-Putsches nicht vollzogen wurden.16 Die Gartenstadt gehörte bis 1997 zum Ortsteil Altglienicke und wurde dann aufgrund eines Bezirksamtsbeschlusses, der auf der trennenden Wirkung der B96A basierte, dem Ortsteil Bohnsdorf zugeordnet. KURFÜRST JOACHIM FRIEDRICH Cölln 27.01.1546 - Köpenick 18.07.1608 Nähe Kablower Weg 63 Als eine der Inschriften des Denkmals für 77 Kurfürst Joachim Friedrich ist überliefert: An dieser Stelle entschlief seeliglich im Herrn auf dem Wagen der Durchläuchtigste Hoch- geborene Fürst und Herr, Herr Joachim Friedrich, Marggraf zu Brandenburg, des Heill. Römischen Reichs Erz-Kämmerer und Churfürst, in Preußen, zu Stettin, Pommern der Kassuben und Wenden, auch zu Schlesi- en, zu Crossen und Jägerndorf Herzog, Burggraf zu Nürnberg, Fürst zu Rügen, hoch- Historische Postkarte, Museum Köpenick Trep- löblichen Andenkens, plötzlich und unverse- tow 41/95 B15 hens vom Schlage gerühret, am 18ten July zu Mittag des Jahres 1608 und ist diese Tafel die Nachkommen daran

tenreihe des Deutschen kulutrbundes, Kreisleitung Treptow, Heft 2, Mai 1971, S. 9f. 16 Arthur Liebenau: Berlin-Bohnsdorf in der Geschichte der örtlichen Arbei- terbewegung. Historischer Abriß der Geschichte der Arbeiterbewegung im Ortsteil Bohnsdorf des Stadtbezirks Berlin Treptow. S. 8f. o.A.: „Bohndorf Entwicklung von 1900 bis zum Ende der Weimarer Republik.“ In: Schriften- reihe des Kulturbundes der DDR zur "Geschichte Treptows und der Treptower Arbeiterbewegung". Revolutionäre Traditionen in Berlin-Bohnsdorf (4.Heft). O.V., 1975, S.7.

Bohnsdorf

zu erinnern hierher gesetzet worden. Diese Inschrift von Malermeister Andreas Hübner entstammt einer der frühen Versionen des historischen Gedenkorts. 1608 wurde ein erstes Erinnerungszeichen gesetzt, Reparaturen und Neukonzeptio- nen des Denkmals erfolgten in den Jahrzehnten darauf. 1819 wurde an der Stelle ein über zwei Meter hohes gußeisernes Kreuz errichtet, 1845 entstand schließlich die Gedenkhalle nach einem Entwurf Au- gust Stülers. Im Zuge der Ausweitung der Bahnstrecke und auch we- gen des baulichen Zustands des Erinnerungsorts gab es eine Diskussi- on um den Erhalt beziehungsweise die Verlegung des Denkmals. Zu Kriegszeiten 1942 ist es vermutlich wegen einer Verbreiterung des Bahngeländes verschwunden. Der ehemalige Standort des Denkmals befindet sich dort, wo die ver- längerte Joachimstraße (benannt nach dem Kurfürsten) die Bahnlinie kreuzt. Die Bahnstrecke ist heute die Trennlinie zwischen den Ortstei- len Grünau und Bohnsdorf. Historisch beschrieb man das Denkmal als im "Bohnsdorfischen Busche“ liegend. Es wurde aber einstmals ebenso dem Jagen 75 der königlichen Oberförsterei Grünau zugeordnet.17 WIDERSTANDSKÄMPFER Judith Auer, geb. Vallent[h]in (Zürich 19.09.1905 - Plötzensee 27.10.1944), Karl Materna (Rixdorf bei Berlin 17.9.1906 - 22.03.1940), Paul Wegmann ([Ronsdorf] 17.10.1889 - KZ Bergen- 78 Belsen 03.04.1945), Hermann David (✝KZ Sonnenburg [1945])18, Gerhard Fliehs ([1934]), Alfred Grünberg (Groß-Ottersleben 18.02.1901 - Plötzensee 21.5.1942), Werner Commichau (Dresden 30.01.1909 - 1945) Dahmestraße/ Zur Gartenstadt In der Mitte der Freifläche steht vor dem Spielplatz in Nähe des KiezKlubs ein grob behauener Granitstein mit angebrachter Metallta-

17 Hans E. Pappenheim: „Die Joachim-Friedrich-Gedenkstätte bei Grünau. Zur Geschichte des Denkmalsgedankens in Brandenburg-Preußen“. In: Der Bär von Berlin. Jahrbuch 1965. Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des Vereins für die Geschichte Berlins. Verein für die Geschichte Berlins, S. 1965, S. 195-224. URL: www.diegeschichteberlins.de/geschichteberlins/berlin- abc/stichworteag/527-joachim-friedrich-gedenkstaette.html. Vgl. nach www.gedenktafeln-in-berlin.de Dr. Ekkert aus Grünau: „Kurfürst Joachim Friedrich. 1598- 1608“. In: Teltower Kreis Kalender 1904, S.77f. 18 Stefanie Endlich weist daraufhin, dass das KZ in Sonnenburg nur bis 1934 bestand. Danach diente die Anlage als Zuchthaus. Stefanie Endlich: Wege zur Erinnerung. Gedenkstätten und orte für die Opfer des Nationalsozialis- mus in Berlin und Brandenburg. Metropol, 2006, S. 484.

Bohnsdorf

fel, der am 12.09.1964 enthüllt wurde.19 Die Inschrift verweist auf die Korintherbriefe: ZUM TODE GEFÜHRT \ DOCH SIEHE \ WIR LEBEN \ JUDITH AUER \ KARL MATERNA \ PAUL WEGMANN \ HERMANN DAVID \ GERHARD FLIEHS \ ALFRED GRÜNBERG \ WERNER COMMICHAU

Kulturring in Berlin e. V. Nach dem frühen Tod ihrer Eltern wurden Judith Auer und ihre Ge- 79 schwister von jüdischen Familien aufgenommen. Seit ihrem Studium der Musik in Leipzig und Berlin unterstützte Auer sozialistische und kommunistische Gruppierungen. 1926 heiratete sie den kommunisti- schen Funktionär Erich Auer. Zu Kriegszeiten arbeitete sie im Kabel- werk Oberspree als Stenotypistin und nutzte ihre Dienstreisen zur Kontaktherstellung zwischen verschiedenen Widerstandsgruppen. In ihrer Wohnung im Gehrenweg 63 (Bohnsdorf) beherbergte sie über Monate den Widerstandskämpfer Franz Jacob und hielt dort konspi- rative Treffen ab. 1944 wurde Judith Auer verhaftet und mit Bruno Hämmerling sowie Franz Schmidt zum Tode verurteilt. Der Gefäng- nisgeistliche Dr. Ohm berichtete, dass sie bis zum ihrem Tod das Bild- nis ihrer Tochter Ruth bei sich trug. 20 Der Maler Karl Materna war bei der Firma Lorenz in Berlin Tempelhof angestellt. Dort wurde er am 07. Dezember 1939 - am gleichen Tag wie Otto Nelte - aufgrund der Verteilung illegaler Schriften von der Gestapo aufgegriffen. Nach Berichten des Schriftstellers Emil Rudolf

19 O.A. Treptower Rundschau, 21.09.1964. 20 Gerd Lüdersdorf: Es war ihr Zuhause. Juden in Köpenick. Edition Roots 1998, S. 127f. Heinrich-Wilhelm Wörmann: Widerstand in Köpenick und Treptow. Gedenkstätte Deutscher Widerstand, 2013, S. 173.

Bohnsdorf

Greulich entschied er sich am 22. März 1940 im Polizeipräsidium Ale- xanderplatz für den Freitod.21 Hermann David beteiligte sich am Widerstand in der Ernst Heinkel Flugzeugwerke A.G in Waltersdorf bei Berlin-Grünau. Ende 1944 wurde gegen ihn ein Prozeß wegen „wehrkraftzersetzender Äuße- rungen“ an der Arbeitsstelle geführt, unter anderem weil er Fritz Willner 1944 in seiner Weigerung unterstützte, ausländische „Ostar- beiter“ trotz schlechter Verpflegungslage zur Arbeit anzutreiben. Da- vid wurde zu zwei Jahren Zuchthaus in Sonnenburg bei Küstrin verur- teilt und wurde vermutlich von der SS im Februar 1945 ermordet.22 Gerhard Fliehs war im Kreis um Otto Nelte aktiv und womöglich in die Produktion der Unterbezirkszeitung „Der Rote Adler“ sowie in die Herstellung oder Verteilung von Flugblättern involviert. 1934 kam es zu ersten Festnahmen in der Gruppe, Fliehs nahm sich dauraufhin in der Haft das Leben.23 Der gelernte Mechaniker Paul Wegmann engagierte sich in der No- vemberrevolution als führendes Mitglied in den Arbeiter- und Solda- tenräten. Er unterstützte bis 1921 die KPD, und vertrat anschließend im Reichstag einen Potsdamer Wahlkreis für die Unabhängige Sozial- demokratische Partei Deutschlands (USPD). Ab 1924 war er für die SPD tätig. Zeitweilig lebte er in Bohnsdorf in der Dahmestraße 69. 1937 wurde er zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Nach Verbüßung 80 der Strafe kam er ins KZ Sachsenhausen, wo er bis April 1940 ver- blieb. Am 20. Juli 1944 erfolgte eine erneute Internierung ebenfalls in Sachsenhausen, anschließend im KZ Bergen-Belsen. Er verstarb dort an Flecktyphus.24 Zu Alfred Grünberg siehe oben. Werner Commichau trat 1928 der SPD bei. Er war seit 1938 im Wi- derstand bei der BVG in Treptow (Eichenstraße 4) aktiv. In der Wider- standsgruppe um Otto Nelte und Willi Gall engagierte er sich 1939 als Drucker bei der Fertigung der Sonderausgabe der Berliner Volkszei- tung Für Frieden, Freiheit, Demokratie. Ebenso fertigte er Flugzettel wie den Linolschnitt „DEUTSCHLAND ERWACHE, HITLER VERRECKE“. Nach den Festnahmen um die Nelte/Gall-Gruppe wurde er vom

21 Heinrich-Wilhelm Wörmann: Widerstand in Köpenick und Treptow. Ge- denkstätte Deutscher Widerstand, 2013, S. 166. 22 Wörmann führt an anderer Stelle an, dass David in den Henschelwerken in Waltersdorf tätig war. Ebd., S. 149, 159. 23 Ebd., S. 159. 24 Ebd., S. 62.

Bohnsdorf

Volksgerichtshof zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt. Er wurde gegen Ende des Krieges ermordet.25

81

25 Ebd., S. 160ff. Vgl. auch Holger Hübner: Das Gedächtnis der Stadt. Gedenk- tafel in Berlin. Argon, 1997, S. 385.

Bohnsdorf

Friedrichshagen

Richard AßMANN Berlin 16.12.1875 - Berlin Juni 1933 Aßmannstraße 46

An der Hauswand des ehemaligen Wohnorts Aßmanns (seit 1947 Aßmannstraße)1 befindet sich im Hauseingang eine Bronzetafel mit dem Text:

Hier wohnte das SPD-Mitglied \ Richard Aßmann \ 1875 - 1933 \ Op- fer der Köpenicker Blutwoche2

Aßmann arbeitete als Versi- cherungsangestellter bei der 82 AOK, engagierte sich im Be- triebsrat und war als Kreis- leiter des Reichsbanners tätig. Er wurde mit Paul von Essen, Vater und Sohn Schmaus, Johannes Stelling und anderen am 21.06.1933 von der SA verschleppt und ProAB e.V. misshandelt. Seine Leiche wurde im Oder--Kanal versenkt und am 11.07.1933 geborgen. Ende Juli 1933 wurde Aßmann im Krematorium Wedding das letzte Geleit gegeben.

Der SPDler Richard Assmann ist nicht zu verwechseln mit dem Hei- zungsrohrleger, Köpenicker Widerstandskämpfer und KPDler Richard

1 Hans-Jürgen Mende (Hrsg.): Alle Berliner Straßen und Plätze. Von der Gründung bis zur Gegenwart. 1. Band A - Fre. Verlag Neues Leben Edition Lu- isenstadt, 1998, S. 163. 2 Diese ersetzte eine dunkle Mamortafel mit goldener Inschrift: In diesem Haus wohnte der antifaschistische Widerstandskämpfer Richard Assmann, geb. 16.12.1875, in der Köpenicker Blutwoche am 18.6.1933 [sic! ]von der SA ermordet. Martin Schönfeld: Gedenktafeln in Ost-Berlin. Schriftenreihe Akti- ves Museum, 1991, S.58.

Friedrichshagen

Assmann (Oberland-Waltersdorf 09.07.1910 - Posen 08.09.1944). Dieser wurde im November 1937 zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus als Mitglied einer illegalen Gruppierung verurteilt.3

Am 02.12.2013 wurde ein Stolperstein für Aßmann zusammen mit den Stolpersteinen fünf weiterer Opfer der Köpenicker Blutwoche verlegt.4 Die Inschrift lautet:

HIER WOHNTE \ RICHARD ASSMANN JG. 1875 \ IM WIDERSTAND \ SPD "\" MISSHANDELT "\" GEFOLTERT \ VON SA \ ERMORDET JUNI 1933 \ KÖPENICKER BLUTWOCHE

Johannes BOBROWSKI Tilsit 09.04.1917 - Berlin 02.09.1965 Peter-Hille-Straße 84 (Feld E I - 12 - 21/ 22-24) sowie Ahornallee 26

Am ehemaligen Wohnort Bobrowskis5 befindet sich an der Hauswand eine von Wilfried Fitzenreiter gestaltete, von der Bobrowski- Gesellschaft geplante und am 20.10.2001 feierlich enthüllte Bronze- tafel mit Portrait und dem Text6:

Johannes \ Bobrowski \ Dichter \ 9.4.1917 Tilsit \ 2.9.1965 Berlin \ wohnte hier \ seit 1953 83 Sie erinnert an den christlichen Lyriker, Erzähler und Lektor des Union Verlags Berlin, der seit dem Ende seiner sowjetischen Kriegsgefan- genschaft in Friedrichshagen lebte. Ab 1960 nahm er an den Treffen der Gruppe 47 teil, deren Preis er 1962 erhielt. Zuvor erschienen sei- ne Gedichtbände "Sarmatische Zeit" und "Schattenland Ströme". Ge- genstand seines Schreibens waren deutsche sowie osteuropäische Landschaften und Kulturen, wie auch in diesen Zeilen ersichtlich wird:

Immer zu benennen: den Baum, den Vogel im Flug, den rötlichen Fels, wo der Strom zieht, grün, und den Fisch

3 Heinrich-Wilhelm Wörmann: Widerstand in Köpenick und Treptow. Ge- denkstätte Deutscher Widerstand, 2013, S. 35, 54f, 62. Stefan Hördler: SA- Terror als Herrschaftssicherung: "Köpenicker Blutwoche" und öffentliche Gewalt im Nationalsozialismus. Metropol Verlag, 2013, S.94, 168. 4 o.A.: „Stolpersteine für sieben Opfer der Köpenicker Blutwoche“. In: SPD Fraktion in der BVV Treptow-Köpenick: Infobrief, 10/2013, S.2. 5 In fünfzehn Kapiteln widmet sich Gerhard Wolf in dem Buch Beschreibung eines Zimmers Johannes Bobrowski, seinem Wohnort und Wirken. Union Verlag Berlin, 1973. 6 Ilse Caspar: Ehrung und Erinnerung für einen Dichter und Mahner. Aus der Arbeit der Johannes Bobrowski-Gesellschaft. Das Ostpreußenblatt 06.04.2002.

Friedrichshagen

im weißen Rauch, wenn es dunkelt über die Wälder herab. 7

Das Grab des Schriftstellers und Lektors befindet sich auf dem Christophorus- Friedhof, vierte Reihe, hin- terer Eingang. Mit Senats- beschluss vom 25.05.2004 wurde es als Ehrengrab der Stadt Berlin anerkannt.8 Das Grab wurde von Wie- 9 Kulturring in Berlin e. V. land Förster gestaltet.

In der Zimmerstraße 79/80 in Berlin Mitte ist außerdem eine Berliner Gedenktafel Bobrowski gewidmet. Sie trägt den Text:

Meinen Landsleuten erzählen, was sie nicht wissen \ In diesem Haus arbeitete von 1959 bis 1965 \ der Lyriker und Erzähler \ JOHANNES BOBROWSKI \ 9.4.1917 - 2.9.1965 \ als Lektor im Union Verlag Berlin \ Thema seines Werkes war das Verhältnis \ der Deutschen zu ihren östlichen Nachbarn

Die Stadtteilbibliothek Friedrichshagens trägt seit 2005 den Namen 84 Bobrowskis.10

Wilhelm BÖLSCHE Köln 02.01.1861 - Schreiberhau / Szklarska 30.08.1939 Müggelseedamm 254

Am Wohngrundstück des Schriftstellers Wilhelm Bölsche findet sich seit 1956 auf Anregung der Friedrichshagener Kulturbund-Ortsgruppe an der Hauswand eine Gedenktafel mit dem Text: 11

In diesem Hause wohnte \ Wilhelm Bölsche \ Mitglied des \ Fried- richshagener \ Dichterkreises \ geb. 2.1.1861 gest. 30.8.1939

7 Klaus Kühnel: Der sein Herz nicht auf der Zunge trug. Johannes Bobrowski. Eine biographische Collage (Friedrichshagener Hefte Nr.58). O.V., 2007. O.A.: Gruppe 47. Wieder geklingelt. Schriftsteller. Der Spiegel 45/1962, 07.11.1962. 8 Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt: Ehrengrabstätten des Landes Berlin (Stand: Dezember 2015), S. 6. 9 Annett Gröschner: Der sarmatische Freund. Die Welt, 29.08.15. 10 Juliane Funke, Christiane Bierend, Carola Rose: Jahresbericht 2005 der Berliner Öffentlichen Bibliotheken. Stadtbibliotheken der Berliner Bezirke, Stiftung Zentral- und Landesbibliothek Berlin, S.8. 11 Albert Burkhardt: Ein Rundgang durch Friedrichshagen auf den Spuren des Dichterkreises. O.V., 1997, S. 25.

Friedrichshagen

Nach seinem Studium der Philosophie und Kunstgeschichte in Bonn und Paris zog Bölsche 1885 nach Berlin und setzte sich dort als Schriftsteller mit dem Naturalismus auseinander. 1890 war er Mit- gründer der „Freien Volksbühne“ und arbeitete für die Neue Rund- schau. Nach seiner Heirat wohnte er in Friedrichshagen, wo er den Roman "Die Mittagsgöttin" verfasste und zur zentralen Figur des Friedrichshagener Dichterkreises avancierte. Mit dem in Erkner le- benden Gerhard Hauptmann knüpfte er eine langjährige, tiefgehende Freundschaft. Bölsche konnte literarischen Erfolg durch eine allge- meinverständliche Beschreibung der Naturwissenschaft erlangen. Aus zweiter Ehe mit Johanna Walter gingen zwei Kinder hervor. Zu dieser Zeit lebte er am Müggelseedamm 254, dem Ort der oben ge- nannten Gedenktafel. Sein Wohnort mit Bibliothek und naturwissen- schaftlicher Sammlung wurde vom Journalisten Rudolf Magnus 1909 beschrieben.

85

ProAB e.V.

Bölsche war Zeit seines Lebens außerordentlich produktiv, er verfass- te zahlreiche Aufsätze, Schriften und war herausgeberisch tätig. Das Buch Das Liebesleben in der Natur (1898), in dem er das Paarungs- verhalten im Tierreich beschrieb, trug zu Bölsches umfassender Be- kanntheit bei. 1918 zog er endgültig in sein Landhaus nach Ober- schreiberhau im Riesengebirge, welches er bereits 1903 erworben hatte. Hier verstarb er mit fast 80 Jahren.12

12 Ebd. S. 22 - 25. Fritz Bolle: "Bölsche, Wilhelm". In: Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Hrsg.): Neue Deutsche Biographie Bd. Behaim-Bürkel. Duncker & Humblot, 1953, S. 400. Jürgen

Friedrichshagen

FRIEDRICH II. (DER GROßE) Berlin 24.01.1712 - Potsdam 17.08.1786 Marktplatz

Als „ewiges Zeichen der Dankbarkeit für den hochse- ligen Gründer und der Treue zum Herrschaftshaus“ fand am Pfingstsonntag am 31.05.1903 zum 150. Jubilä- um Friedrichshagens die Grundsteinlegung für das Denkmal des Alten Fritz statt, welches durch Spen- den errichtet werden sollte. Die Genehmigung zum Bau durch Wilhelm II erfolgte nach Ausstellung des Mo- dells des Gladenbeckschen Bildhauers Felix Görlings im Schloß Berlin.13 Am Sonntag Postkartenarchiv, Museum Treptow-Köpenick den 25. September 1904 fand schließlich die Enthül- 86 lungsfeier in Anwesenheit des Kronprinzen Friedrich Wilhelm von Preußen und unter Glockengeläut statt. Die Inschrift lautete schlicht:

Friedrich der Große

Zeitgenossen beschrieben die Skulptur:

„Der lange, offene Rock mit reicher Seidenstickerei, in getreuer Wie- dergabe des historischen blauen Seidenrocks, gibt der Figur eine plas- tisch abgerundete Gestaltung, die straffe aufrechte Haltung zeigt den Sieger von Hohenfriedberg, ohne das Soldatische (Anm. AG wie im Reiterstandbild) in den Vordergrund zu rücken, eher gemahnt der in die Ferne gerichtete Blick an den Philosophen von , der auf die Wohlfahrt seines Landes bedacht, hier eine neue Kulturstätte gründet und im Vollgefühle seiner dem Staate erworbenen Macht- stellung gedachte, fortan in Ruhe zu leben und so viel Gutes zu tun, als in seinen Kräften stand.“14

Scharnhorst: Wilhelm Bölsche - Kunst und Natur (Friedrichshagener Hefte Nr. 16). O.V., 1997. 13 „Urkunde 31.05.1903“. In: Denkmäler in Friedrichshagen von einst (Fried- richshagener Hefte Nr. 22). O.V, 1999, S. 43. 14 O.A. Niederbarnimer Zeitung, Nr. 226, 25.09.1904. Ebd., S. 56.

Friedrichshagen

Nach Kriegende im August 1945 wurde das Denkmal vom Sockel gestürzt.15 Der Verbleib ist bis heute unbekannt. Foto- grafien aus dem Musem Treptow Köpe- nick lassen eine Umgestaltung des So- ckels, den zu DDR-Zeiten eine Frieden- staube krönte erkennen. Die Inschrift auf den Seiten des Sockels lautete soweit ersichtlich:

1933 \ Fortschrittliche \ [Bild eines Men- schen hinter Gittern] \ im Kerker u. K.Z. \\ 1949 \ Einheit \ Frieden \ Aufbau O.A.: Friedrichshagen Markt. O.J. Fotoarchiv Museum Aus einer Ausschreibung zur Wiederer- Treptow-Köpenick 19/19.2 richtung des Denkmals gingen die Kunst- gießerei Seiler und der armenische Künst- ler Spartak Babajan, der auch den Hauptmann von Köpenick vor dem Rathaus Köpenick schuf, als Sieger hervor. Die symbolische Grund- steinlegung erfolgte anlässlich des 11. Bölschefest 2001.16 Das Denk- mal wurde zu der 250. Jahrestags der Ortsgründung Friedrichshagens im Mai 2003 für mehr als 70.000 Euro wieder errichtet.17

GEFALLENENE DEUTSCHE EINIGUNGSKRIEGE 87 Bölschestraße/Aßmannstraße

Vor der Christopheruskirche befindet sich ein Kriegerdenkmal mit Ad- ler, welches durch den 1871 gegründeten Landwehrverein erbaut wurde, wie auch am Fuß der Säule festgehalten:

Gewidmet vom Landwehrverein Friedrichshagen

Die Errichtung erfolgte am 02.09.1879, am Gedenktag der Schlacht von Sedan 1870 im deutsch-französischen Krieg, an dem die Gefan-

15 Ebd., S. 70. 16 O.A.: Denkmal des Alten Fritz entsteht in Schöneiche sowie Spartak Baba- jan - ein armenischer Künstler aus den USA in Berlin. Friedrichshagen Konk- ret, April 2002. O.A.: Ein Denkmal für den Preußenkönig. Märkischer Sonn- tag, 10.03.2002. 17 O.A.: Stalin, Brecht und UNO-Statue in Bronze. Märkischer Markt, 24./25.09.2003. Insbesondere Kunstschaffende und linke Intellektuelle kriti- sierten die Wiedererrichtung des Denkmals als eine kleinbürgerliche Initiati- ve der Deutsch-Konservativen zur Huldigung des revanchistischen Preußen- tums. Alternativ wurde die Errichtung eines Denkmals für den Schriftsteller Erich Mühsam vorgeschlagen. Karin Schmidl: Neues Denkmal für den Orts- gründer wird aufgestellt - viele sind dagegen. Der Alte Fritz als Reizthema. Berliner Zeitung, 03.05.2003.

Friedrichshagen

gennahme Napoleons erfolgte.18 Ohne Gießstempel lässt sich nur vermuten, dass der Adler bei Gladenbecks gegossen wurde. Bildhauer Thie aus Fürstenwalde wird als für die Ausfertigung verantwortlich genannt.19

Die circa 6.7 Meter hohe Sandsteinsäule steht auf einem mehrstufigen Podest. Sie wird von einem Gold bekrönten Zinkadler mit einer Spannweite von 1,80 Meter abgeschlossen. Der Adler kann als christlich kon- notierter Reichsadler gele- sen werden und erweist sich als wiederkehrendes Motiv in der deutschen Gedenkkul- tur. Auf der Vorderseite be- ProAB e.V. finden sich ein Eichenkranz und ein Kreuz, auf der Rück- seite der Säule ist die folgende Widmung angebracht:

Zur Erinnerung an die für König und Vaterland gefallenen Söhne aus Friedrichshagen \ Den Todten (sic!) zur Ehre. \ Den Lebenden zum 88 Vorbild

Die Seitenflächen halten die Namen der Gefallenen fest. Sie verwei- sen auf Gefallene der deutschen Einigungskriege. Der Adler aus ver- kupfertem Zink wurde stark von Oxidationen gezeichnet, so dass 1993 eine Restaurierung des Kriegerdenkmals in Auftrag des Bezirk- samts durch die Firma Seiler erfolgte.20 Der Adler wurde daraufhin

18 Landwehr-Verein: Urkunde. In: Niederbarnimer Zeitung. Nr. 114, 16.05.1903 [26.08.1879]. In: Denkmäler in Friedrichshagen von einst (Fried- richshagener Hefte Nr. 22). O.V, 1999, S.8f. 19 Inge und Rolf Kießhauer: Denkmäler in Friedrichshagen von einst (Fried- richshagener Hefte Nr. 22). O.V, 1999, S. 7 - 10. Auch die Preußensäule in der Alfred-Kowalke-Straße in von 1876 wird laut der Denkmal- datenbank der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt auf den Bildhauer Thié (hier mit accent aigu) zurückgeführt. Obj.-Dok.-Nr.: 09040147. 20 Die Gründung der Bildgießerei damals noch „Seiler und Siebert“ erfolgte im Jahr 1922, durch zwei ehemalige Mitarbeiter der Kunstgießerei Gladen- beck. Sie ist heute in Schöneiche ansässig. O.A.: Stalin, Brecht und Uno- Statue in Bronze. Märkischer Markt, 24/25.September 2003. Ralf Drescher: Bei den Enkeln der Gladenbecks. Firma in Schöneiche führt 180 Jahre Bild- gießertradition fort. Berliner Woche, 15.08.2007.

Friedrichshagen

durch eine Kopie ersetzt, das Original ist im Museum Köpenick in der Dauerausstellung zu besichtigen.21

Die auf der Adlersäule genannten Namen finden sich ebenso auf ei- ner Gedenktafel in der Kirche.

Neuguß des Adlers 1994. In: Heimatmuseum Köpenick: Bildgießerei Gladenbeck. Aufstieg und Niedergang. O.V., 1994, S. 12f.

Henry GILL 89 Rye/Sussex 10.03.1824 - Berlin 17.06.1893 Müggelseedamm 301 - 308

Am ehemaligen Wasserwerk Friedrichshagen, dem heutigen Museum im Wasserwerk, erinnert eine Bronzetafel von Jürgen Steinau mit Re- liefportrait an einem Obelisken an den Ingenieur Henry Gill22:

Zum Gedenken \ an den ersten Direktor \ der Berliner Wasserwerke \ Henry Gill \ tätig von 1853 - 1893 in Berlin \ Den deutschen und engli- schen \ Erbauern des Werkes \ Müggelsee gewidmet

Der studierte Ingenieur Gill wurde 1853 auserwählt im Auftrag einer englischen Gesellschaft, die Bauausführung des ersten Berliner Was- serwerks zu übernehmen. Nach der Fertigstellung im Jahr 1856 wur- de er als leitender Direktor der Werke angestellt. 1890 wurde ein neues Werk am Müggelsee geplant, welches Berlin dauerhaft und auch bei anwachsender Bevölkerung mit Trinkwasser versorgen soll- te. Das Zentralblatt der Bauverwaltung von 1893 hält fest:

21 O.A.: Der Adler kommt wieder - Denkmal an der „Bölsche“ wird erneuert. O.A., 27.10.1993. Pressearchiv Museum Köpenick. 22 Holger Hübner et al.: Henry Gill. In: Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Verein Aktives Museum (Hrsg.): Gedenktafeln in Berlin. URL: www.gedenktafeln-in-berlin.de.

Friedrichshagen

"In diesem Werke hat Gill sein höchstes Können bethätigt (sic!). In unermüdlicher Arbeit, in vollster Schaffensfreudigkeit hat er hier seine großen Erfahrungen, sein ausgedehntes Wissen in die Wirk- lichkeit übertragen. Ohne Rück- sicht auf sein persönliches Wohlbe- finden hat er bis in die letzten Tage dahin gestrebt, neues und besseres zu schaffen. Er fühlte wohl, daß es sein letztes Werk sein würde - und es ist das beste geworden." Kulturring in Berlin e. V. Die Inbetriebsetzung des Werks konnte Gill nicht mehr erleben.23 In den 1890er Jahren wurde in Andenken an Gill eine Bronzebüste am Werk Müggelsee errichtet, die im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen wurde. Bis heute blieb der marmorne Obelisk mit Gedenkschrift er- halten.24 Das Ehrengrab Henry Gills befindet sich auf dem Alten St. Matthäus-Friedhof in Tempelhof-Schöneberg.25

GRÜNDUNG VON FRIEDRICHSHAGEN Müggelseedamm 162 / Pfeiffergasse 90 Im Vorgarten des Lokals Bür- gerstübl findet sich ein Find- ling mit Bronzetafel:

Zur Erinnerung \ an die Grün- dung \ von Friedrichshagen \ 1753 \ Die Brauerei, das ehe- malige \ Lehnschulzengut \ Stammgrundstück \ von Fried- ProAB e.V. richshagen

Eheleute HANSSON / MOHR Ola Hansson (Hönsinge/ Malmöhus Lan 12.11.1860 - Büyükdere 26.09.1925), Laura Mohr, verhr. Hansson, Pseudonym Marholm (Riga 01.05.1854 - Riga 10.10.1928) Lindenallee 20

23 Zentralblatt der Bauverwaltung - Ausgabe XIII. 1893, Nr. 25, S.264. 24 Rolf Kießhauer: „100 Jahre Wasserwerk Friedrichshagen“. In: Inge und Rolf Kießhauer: Denkmäler in Friedrichshagen von einst (Friedrichshagener Hefte Nr. 22). O.V, 1999 [1997], S. 18f. 25 Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt: Ehrengrabstätten des Landes Berlin. 2015, S. 22.

Friedrichshagen

Für die schwedischen Literaten Hansson und Strindberg (siehe da) wurde am 08.05.2003 an der Hauswand je eine kreisrunde Gedenkta- fel enthüllt, die von Bernhard Schellbach gestaltet wurden.26 Der Text der linken Tafel für die Eheleute Hansson lautet:

Hier lebten in den Jahren 1892[sic!] -189327 der schwedische Schrift- steller und Kulturvermittler \\ Ola \ Hansson \ 1860-1925 \ und seine Frau \ die Autorin \ Laura Marholm \ 1854-1928 \\ Sie machten das Haus zu einem Treffpunkt des Friedrichshagener Dichterkreises

In ihrem literarischen Schaffen setz- te sich Laura Hansson Zeit ihres Lebens intensiv mit der deutschen Kultur auseinander. Sie arbeitete für das Theater und wirkte als Überset- zerin und Essayistin. Nach ihrer Hei- rat mit Ola Hansson 1889 übertrug sie dessen Schriften ins Deutsche und verfolgte in ihrem eigenen Werk ähnliche Fragestellungen. Erfolg erhielt sie unter anderem mit dem Sammelband "Das Buch der Frauen" (1895). 91 o.A.: Botschafter Norwegens. Mai 2003. Fotoarchiv Museum Köpenick Der aus einer Bauernfamilie stam- nick Treptow 19/19.46.1 mende Ola Hansson arbeitete nach seinem Philosophiestudium zu- nächst als Korrespondent. Er veröffentlichte den Lyrikband „Nottur- no“ (1885) und „Sensitiva amorosa“ (1887), der aufgrund seiner ero- tischen Thematik in Schweden als skandalös rezipiert wurde. Die Fa- milie entschied sich zur Emigration und ließ sich nach einem Treffen von Ola Hansson mit Gerhart Hauptmann im November 1891 in Friedrichshagen nieder. Sie hofften hier Anknüpfungspunkte für ihr Schaffen und eine offenere Leserschaft zu finden. Das Paar bewohnte mit zweijährigem Sohn und Dienstmädchen für kurze Zeit die linke Hälfte des Hauses in der Lindenallee 20. Das Haus entwickelte sich unter den Hanssons zum Treffpunkt für SchriftstellerInnen des Fried-

26 Karin Schmidl: Neues Denkmal für den Ortsgründer wird aufgestellt - viele sind dagegen. Der Alte Fritz als Reizthema. Berliner Zeitung, 03.05.2003. Nordeuropa-Institut HU Berlin: „Enthüllung der Gedenkplatten für Strind- berg, Marholm und Hansson“. In: Jahresbericht 2003, Veranstaltungen des Instituts. URL: www.ni.hu- berlin.de/de/institut/archiv/jahresberichte/jb2003/veranstinst_html 27 Burkhardt hält fest, dass die Hanssons im November 1891 für ein Jahr in der Lindenallee wohnten. Auch Hubert van den Berg nennt November 1891 als Ankunftsdatum in Friedrichshagen und notiert, dass die Familie für 1.5 Jahre dort verweilte.

Friedrichshagen

richshagener Dichterkreises wie Max Dauthendey oder Richard und Paula Dehmel, für Kunstschaffende unter anderen ist hier Edvard Munch zu nennen oder Musiker wie Richard Strauß.

In Anschluss an ihre Zeit in Friedrichshagen zog die Familie an den Schliersee (Bayern). Das Leben von Ola Hansson und Laura Mohr war in Folge durch zahlreiche Ortswechsel gezeichnet, sie lebten unter anderem in Österreich und Frankreich. 28

Paul von HINDENBURG, EISERNE FAUST Posen/Poznan 02.10. 1847 - Gut Neudeck 02.08. 1934 Bölschestraße/Aßmannstraße29

Das Hindenburg-Denkmal von 1915 sollte als „Wahrzeichen deutschen Durchhaltens in schwerer Zeit“ dienen. Die „Eiserne Faust“ wurde nach den Entwürfen von Fritz (Friedrich) Richter- Elsner auf Anregung des Vaterländi- schen Frauenvereins gefertigt. Es wur- de von Oscar Gladenbeck gestiftet. Der Schmiedemeister Schneewolf trug das Schwert bei, welches die eiserne Faust in den Himmel reckte. Das Denkmal 92 wurde auf einem Eichensockel aufge- Eiserne Faust. Archiv Museum stellt, daneben befanden sich die Op- Treptow Köpenick ferstöcke mit gemaltem Ornament. Der Holzsockel konnte 50.000 Nägel aufnehmen, die die Bevölkerung wie auch bei anderen Benagelungen üblich, zu folgenden Preisen er- werben konnte:

„Auf mehrfache Anfragen teilen wir mit, daß die zur Benagelung des Hindenburg-Denkmals bestimmten Nägel in drei Sorten zu folgenden

28 Gertrude Cepl-Kaufmann, Anne Sokoll: "'From the North comes the light to us!' - Scandinavian Artists in Friedrichshagen at the Turn of the Century". In: Hubert van den Berg: A Cultural History of the Avant-Garde in the Nordic Countries 1900-1925. Rodopi, 2012. S. 183 - 200. Peter Sprengel: "Mohr, Laura". In: Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wis- senschaften (Hrsg.): Neue Deutsche Biographie 17. Duncker & Humblot, 1994, S. 711 f. Christoph Buller: Hansson, Ola. In: Wolfgang Benz: Handbuch des Antisemitismus - Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart. Walter de Gruyter, 2009 S. 328. Der von Wolfgang Benz herausgegebene Sammel- band weist auf den antisemitischen Gehalt der Schriften Ola Hanssons hin. Albert Burkhardt: Ein Rundgang durch Friedrichshagen auf den Spuren des Dichterkreises [Friedrichshagener Hefte Nr. 14). O.V., 1997, S. 8f. 29 Das Denkmal stand zunächst auf dem Platz des Kriegerdenkmals an der Kirche. Niederbarnimer Zeitung Nr. 195, 21.08.1915. In: Inge und Rolf Kieß- hauer: Denkmäler in Friedrichshagen von einst (Friedrichshagener Hefte Nr. 22). O.V, 1999, S.86.

Friedrichshagen

Preisen hergestellt werden: goldene 5 Mark, silberne 2 Mark und ei- serne 50 Pfennige.“30

Das Denkmal trug umläufig vier Reliefs, deren Inschriften von Bruno Wille (siehe da) verfasst wurden. Zu dem Hindenburg- Porträt hielt dieser fest:

Der grimmste aller Kriege \ Verhieß uns Schmach und Tod \ Da weckte Dich zum Siege \ Des Volkes heil’ge Not

Den „deutsche Mann“ in der Schwertschmiede beschrieb die Inschrift wie folgt:

Nur dann bist du in Frieden \ Und deutscher Güter wert \ Reliefs vom Monument der eiser- nen Faust. Fotoarchiv Museum Versäumst Du nie zu schmieden Köpenick 19/19.1 \ Des Vaterlandes Schwert.\

Ein weiteres Relief zeigt die „deutsche Frau“ mit einem jungen Mäd- chen beim Pflügen und sollte das „Durchhalten daheim und die Mit- 93 arbeit unserer Frauenarbeit“ andeuten, so die Niederbarnimer Zei- tung vom 13.08.1915. In Bruno Willes Worten:

Als draußen Männer stritten \ War auch die Frau im Feld; Sie hat ge- kämpft, gelitten \ Daheim ein Eisenheld

Auf der Rückseite zeigt sich ein Bildnis eines Drachentöters, der mit der Faust eine achtköpfige Hydra zerschlägt:

Und speit aus manchem Rachen \ Ihr Gift die böse Welt, \ Die Faust bezwingt den Drachen \ Wenn Du ein Sonnenheld.

Zu dem Anlass der Benagelung wurde ebenso ein eisernes Buch ge- stiftet, in dem die Namen der Teilnehmenden festgehalten wurden. Richter-Elsner schuf den Deckel des Buches - eine Plakette mit Dor- nengeäst und Glocke, welche von Gladenbeck gegossen wurde. Die Metallplatte des Einbandes umrahmte ein weiterer Vers Bruno Wil- les: „Die Zeit der Not mich schuf aus Eisen \ Nicht schmeicheln will ich dem, der gibt \ Nur fromm wie Erz der Glocke preisen \ Die Güte, so erbarmend liebt.“31

30 Niederbarnimer Zeitung, Nr. 197, 24.08.1915. Ebd., S.86. 31 Niederbarnimer Zeitung. Nr.211, 09.09.1915. Ebd., S.88f.

Friedrichshagen

Die Eröffnungsfeier des Denkmals fand am 12.09.1915 statt.32 Die Bürger und Bürgerinnen Friedrichshagens wurden gebeten, ihre Häu- ser zu beflaggen. Die Enthüllung wurde von Männer- und Schülerchö- ren mit Liedern wie „Lobe den Herrn“, „Das Herz gehört dem Vater- land“ oder „Vaterland du heil‘ge Erde“ musikalisch umrahmt. Nach einer Ansprache des Bürgermeisters Stiller hielt Bruno Wille eine Festrede auf die die Nagelung unter musikalischer Begleitung folgte. Es konnten knapp 4800 Mark Gewinn aus dem Verkauf von Nägeln, Postkarten und Festordnungen gewonnen werden. 1000 Mark gingen davon an die Kriegsbeschädigten-Fürsorge Friedrichshagen, weiterhin wurden Gelder für Weihnachtspakete sowie Lazarettbescherungen verwendet. Weitere Nagelungen beispielsweise in Friedrichshagener Schulen wurden zu besonderen Anlässen angeregt.

Es ist davon auszugehen, dass das Denkmal spätestens im November 1918 entfernt wurde.33

Friedrich Wilhelm Albert HIRTE / HIRSCHGARTEN (KOLONIE) Berlin 07.04.1833 - Friedrichshagen 25.07.1898 Weg zur Quelle / Hirteplatz (Hirschgarten)

Der studierte Chemiker Albert Hirte heiratete 1859 Berta Kaumann, die aus einer alteingesessenen Köpenicker 94 Familie stammte. Hirte arbeitete als Handlungsreisender und war Mitgrün- der einer Firma, die im Engros- und Bankengeschäft aktiv war. Durch den Tod der (Schwieger-)Mutter 1864 erbte die Familie Grundbesitz an der Spree. Die im Grundbuch als „Hirschacker“ eingetragene Weide wurde von der Kulturring in Berlin e. V. Familie verpachtet. 1870 entschied sich Hirte zur Erschließung des Geländes, ein Jahr darauf galt die erste Vil- la als bezugsfertig. Weitere Bautätigkeiten folgten.

Zum 25jährigen Bestehen der Kolonie Hirschgarten wurde 1895 auf der Grünfläche des zentralen Platzes Am Stern (seit 1920 Hirteplatz) ein rund zwölf Meter hoher Obelisk aus rotem Main-Sandstein mit Wetterfahne und einer goldenen Sonnenspitze errichtet. Dieser wur- de nach den Entwürfen des Königlichen Regierungsbaumeisters Otto

32 Sie wurde wegen schlechten Wetters um eine Woche verschoben. Nie- derbarnimer Zeitung. Nr.208, 06.09.1915. Ebd., S.88. 33 Dokumentensammlung in Inge und Rolf Kießhauer: Hindenburg-Denkmal („Eiserne Faust“). In: Dies.: Denkmäler in Friedrichshagen von einst (Fried- richshagener Hefte Nr. 22). O.V, 1999, S.82 - 97.

Friedrichshagen

Stahn gefertigt, der unter anderem durch den Bau der Oberbaum- brücke bekannt wurde. Der Obelisk hält fest:

Zur Erinnerung \ des 25jährigen Bestehens \ der Kolonie \ HIRSCH- GARTEN \ gegründet im Juni 1870 \ von \ ALBERT HIRTE \ 1895

Im Jubiläumsjahr 1895 existierten bereits 42 Villen und Landhäuser in Hirschgarten, die hauptsächlich von wohlhabenden Kreisen bewohnt wurden. Die Feier zur Einweihung wurde von dem Verschönerungs- verein Hirschgarten und Anwohnenden vorbereitet. Albert Hirte selbst verfasste ein „Gedenkblatt zur Feier des 25jährigen Bestehens Hirschgartens“, welches Einblick in die Entwicklung der Kolonie gibt.34

Nach dem Zweiten Weltkrieg verschwand der 1,50 Meter hohe Auf- satz des Obelisken. Durch das Einwerben von Spendengeldern konnte eine private Initiative 2001 einen von dem Berliner Kunstschmied Hans-Joachim Kunsch gefertigten Ersatz anbringen.35

Max JACOBY Arnswalde / Choszczno 1845 - Friedrichshagen 24.09.1912 Bölschestraße 65 Dr.-Jacoby-Weg / Dahlwitzer Landstraße

Am Dr.-Jacoby-Weg in der Nähe des S-Bahnhofs Friedrichshagen er- 95 innert eine Tafel an den jüdischen Arzt Dr. Jacoby: 36

Der 1845 in Arnswalde in der Neumark geborene Max Jacoby \ eröff- nete am 12. September 1877 in Friedrichshagen seine Arzt- \ praxis. In der Folgezeit erwarb er sich durch seine gesundheits- \ und sozialpoli- tische Arbeit große Verdienste. Dr. Jacoby war \ zugleich Armen-, Schul- und Unfallarzt. Der medizinischen \ Betreuung von Kindern galt seine besondere Aufmerksamkeit. \ Als engagierter Förderer des Frei- badens war er Mitbegründer \ der Vereinigung des Freibadewesens am Müggelsee. Er betei- \ ligte sich an der Schaffung von Rettungs- stationen und war \ auch für das Anlegen des Kurparks sowie die Ein- richtung von \ Volksbibliotheken verantwortlich. Dr. Max Jacoby, aus- gezeichnet \ mit dem Roten Adlerorden und seit 1903 königlicher Sa- nitätsrat, \ war Mitglied der Köpenicker Jüdischen Gemeinde und zeitweise \ deren Vorsteher. Er wohnte und praktizierte in der Fried-

34 Rolf Kießhauer: Vom Hirschacker zur Villenkolonie Hirschgarten (Fried- richshagener Hefte Nr. 25). O.V. 1999, S. 6 - 16. O.A.: Durch Hirschgarten und das Westend des Ostens. Berliner Morgenpost, 03.06.2012. 35 Karin Schmidl: Das Denkmal für den Ortsgründer Albert Hirte ist seit ges- tern komplett. Eine Goldsonne krönt wieder den Obelisken. Berliner Zeitung, 22.08.2001. 36 Unmittelbar unter der Tafel Jacobys erinnert eine zweite Tafel an die An- lage des Kurparks.

Friedrichshagen

rich- \ straße 65, heute Bölschestraße. Die 1913 in Würdigung seiner \ großen Verdienste um das Gemeinwohl errichtete Büste wurde \ 1935 von den Nationalsozialisten zerstört. Seit 1958 erinnert \ ein Gedenk- stein am Eingang des Kurparks an Dr. Max Jacoby.

Modell Denkmal Jacoby. Niederbarnimer Zeitung, 11.10.1913. In Friedrichshagener Hefte 22. Schoenfeldt (Reproduktion): Jacobi-Denkmal im Kurpark Fr’hagen. Fotoar- chiv Museum Treptow Köpenick 19/19.9

Der erwähnte Naturstein von 1958, der unmittelbar neben der Tafel 96 liegt, trägt den Text:

Dr- Jakoby- [sic!] \ Weg \ Dr. Max Jakoby [sic !] \ 1845-1912 \ Ein Arzt \ des Volkes

Rund ein Jahr nach dem Tod Jacobys wurde am 11.10.1913 um vier Uhr eine von dem Friedrichshagener Fritz Richter-Elsner geschaffene und von Gladenbeck gegossene Büste im Kulturpark eingeweiht. Sie befand sich vor der Lesehalle, die ursprünglich auf Veranlassung Ja- cobys als Arztpavillon aufgestellt wurde und ging auf Initiative des Friedrichshagener Bürgermeisters Stiller zurück.37 Den Nationalsozia- listen war die Büste ein Dorn im Auge. Bezirksbürgermeister Karl Ma- thow notierte am 27. August 1935:

37 O.A. Niederbarnimer Zeitung, Nr. 239, 11.10.1913. In: Inge und Rolf Kieß- hauer: Denkmäler in Friedrichshagen von einst (Friedrichshagener Hefte Nr. 22). O.V., 1999, S.76.

Friedrichshagen

„Dem Denkmal wurde in der Nacht vom 15. zum 16.8.1935 der Kopf abgeschlagen. Polizei hat Kenntnis. Von der weite- ren Verfolgung der Täter wird abgesehen, zumal die Täter nicht bekannt sind. Mit der Bitte, für die Entfernung des Denkmals Sorge zu tragen.“

Ein Tag darauf wurde das Denkmal beseitigt. Die sich im Denkmal befindende Urne wurde vermutlich auf dem Friedhof Rahnsdorf beige- setzt.38

ProAB e.V. Seit dem 10.07.2015 zeit- gleich mit der Anbringung der Tafeln im Kurpark befindet sich am Wohnhaus Jacobys eine Acrylglas- tafel mit einem Foto des Hauses und dem Text:39

BÖLSCHESTRASSE 65 \ Das hintere Wohnhaus im spätklassizisti- \ schen Stil wurde 1873 vom Kaufmann \ H. G. Bender errichtet und 97 1891 vom Fried- \ richshagener Arzt Dr. Max Jacoby erweitert. \ Der Entwurf des Gebäudes stammte vom \ Baumeister William Müller, die Ausführung \ als Ziegelbau erfolgte durch den Bauunter- \ nehmer Carl Lerche. Dr. Jacoby richtete nach \ Übernahme des Hauses dort seine Praxis ein. \ Das heutige Erscheinungsbild stammt aus \ dieser Zeit. \ Nach dem Tod des beliebten Arztes verwaltete \ seine Witwe Helene das Grundstück. \ Danach wurde es mehrfach verkauft. \ Seit Jahrzehnten wird das Haus als Jugend- \ einrichtung genutzt.

GEFALLENE ERSTER WELTKRIEG Peter-Hille-Straße 84 (Friedhof)

Auf dem Friedhof Friedrichshagen befindet sich Nahe der Gräber der Gefallenen des Ersten Weltkriegs ein Gedenkstein mit der Inschrift:

„Niemand hat grössere Liebe denn dass er sein Leben lasset für Freunde.“ \ „Denen im Kulturring in Berlin e. V.

38 Gerd Lüdersdorf: Es war ihr Zuhause. Juden in Köpenick. Edition Roots 1998, S .96 - 97. 39 Bezirksamt Treptow Köpenick: Einweihung von Informationstafeln über Dr. Max Jacoby- Pressemitteilung. 01.07.2015.

Friedrichshagen

Weltkriege 1914 - 1918 gefallenen Söhnen Friedrichshagens \ Die evangelische Kirchengemeinde

KÖPENICKER BLUTWOCHE, FOLTERSTÄTTE Müggelseedamm 132

Anlässlich des 50. Jahrestags der Köpenicker Blutwoche wurde am 20.06.1983 an der ehemaligen Gladenbeckschen Villa eine Metallta- fel an der Außenwand angebracht.40 Über einem Rosenrelief befindet sich folgender Text:

ZUM GEDENKEN \ AN DIE AUFRECHTEN KÄMPFER \ GEGEN DEN FA- SCHISMUS \ DIE WÄHREND DER KÖPENICKER \ BLUTWOCHE IM JUNI 1933 \ IN DIESEM HAUS VON FASCHISTEN \ GRAUSAM MISSHANDELT WURDEN

Zu den Opfern der Misshandlungen des SA-Reservesturm 5/15 unter SA-Sturmführer Werner Mau im SA-Heim „Müggelseedamm“ (früher Seestraße 9) zählten: Karl Ehrke, Kurt Hagener, Otto Heinrich, Otto Lach, Walter Ludwig, Kurt Magdeburg, Otto May, Otto Steinbock, Wilhelm Wehberg, Richard Assmann, und mehrere Fichte-Sportler.41 An Richard Assmann erinnert eine Tafel an seinem ehemaligen Woh- nort in Friedrichshagen (siehe da).

Laura MARHOLM 98 Laura Mohr, verhr. Hansson, Pseudonym Marholm (Riga 01.05.1854 - Riga 10.10.1928) Lindenallee 20

Siehe Ola Hansson.

STOLPERSTEINE

Familie BERNHARD Denny/Deni Bernhard (Schwirsen / Thorn 04.12.1889 - Auschwitz), Martin Bernhard (Berlin 05.08.1930 - Auschwitz), Marie Aurelie Bern- hard, geb. Reissner (Chemnitz 02.12.1893 - Auschwitz 12.04.1943) Peter-Hille-Straße 17

Die Verlegung der Stolpersteine erfolgte am 27.04.2012.42

HIER WOHNTE \ DENNY BERNHARD \ JG. 1889 \ DEPORTIERT 2.3.1943 \ ERMORDET IN AUSCHWITZ

40 Holger Hübner: Das Gedächtnis der Stadt. Gedenktafel in Berlin. Argon, 1997, S. 398. 41 Heinrich-Wilhelm Wörmann: Widerstand in Köpenick und Treptow. Ge- denkstätte Deutscher Widerstand, 2013, S. 24, 33. 42 Die Linke. Treptow Köpenick (Hrsg.): Blättchen Treptow Köpenick. 05.04.1012, S.5.

Friedrichshagen

HIER WOHNTE \ MARTIN BERNHARD \ JG. 1930 \ DEPORTIERT 2.3.1943 \ ERMORDET IN AUSCHWITZ

HIER WOHNTE \ MARIE AURELIE \ BERNHARD \ GEB. REISSNER \ JG. 1893 \ DEPORTIERT 2.3.1943 \ AUSCHWITZ \ ERMORDET 12.4.1943

Rudolf Emil BERTHEIM Berlin 20.11.1877 - Theresienstadt 26.08.1943 Scharnweberstraße 105

Der Stolperstein für den Grubendirektor Rudolf Bertheim wurde am 28.04.2007 verlegt.43 Er trägt den Text:

HIER WOHNTE \ RUDOLF E. BERTHEIM \ JG. 1877 \ DEPORTIERT 1943 \ THERESIENSTADT \ ERMORDET 26.8.1943

Laut Angaben der Freimaurer Loge Friedrich Ludwig Schröder wurde Bertheim am 21.02.1901 in die Loge aufgenommen. Dementspre- chend finanzierte sie die Verlegung des Stolpersteins für Bertheim und weitere jüdische Brüder.44 Als letzter Wohnort Bertheims wird auf der Todesfallanzeige die Fürther Straße in Berlin angegeben. Bertheim wurde am 17.03.1943 nach Theresienstadt deportiert, wo er an einer Lungenentzündung erkrankte und schließlich ums Leben kam.45 99 Felix DANZIGER Berlin 23.02.1880 - Auschwitz Bölschestraße 105

HIER WOHNTE \ FELIX DANZIGER \ JG. 1880 \ DEPORTIERT \ 9.12.1942 \ ERMORDET IN AUSCHWITZ

43 Rudolf Bertheim auf den Seiten der Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin. 44 Weiterhin gibt die Freimaurerloge an, dass es Bertheim nach der Schei- dung von seiner nichtjüdischen Ehefrau Clara geb. Grau zunächst gelang im April 1942 unterzutauchen. Die Todesfallanzeige Bertheims nennt als Datum der letzten Eheschließung den 08.07.1917. Freimaurerloge Friedrich Ludwig Schroeder: Stolpersteine für jüdische Frei- maurer der Loge Friedrich Ludwig Schröder. URL: http://ktema.de/ktema/bin/view/FLS/Stolpersteine?skin=fls.nat%2cnat#Sch arnweberstraße 105. 45 Totenbeschauer Eva Eigenfeld, Amtsarzt Erich Munk, Chefarzt: Todesfall- anzeige Rudolf Bertheim. 26.8.1943. Rudolf Bertheim im Online-Gedenkbuch des Bundesarchivs Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozia- listischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945.

Friedrichshagen

Felix Danzinger wohnte zu einem anderen Zeitpunkt ebenfalls in Ber- lin Charlottenburg.46 Der Stolperstein wurde am 26.03.2010 verlegt.47

Antonie HARTMANN Adelnau / Odolanow 12.06.1860 - Theresienstadt 07.08.1942 Bölschestraße 51

HIER WOHNTE ANTONIE HARTMANN \ GEB. NATHAN \ JG. 1860 \ DEPORTIERT 21.7.1942 \ THERESIENSTADT \ TOT 7.8.1942

Antonie Hartmann war ebenfalls in Charlottenburg als wohnhaft ge- meldet.48 Der Stolperstein wurde am 26.03.2010 eingesetzt.49

Familie HOLZMANN Wolfgang Eduard Holzmann (Berlin 10.01.1930 - Auschwitz 30.03.1943) Irmgard Holzmann, geb. Grohs (Berlin 22.09.1909 - Auschwitz 30.03.1943) Bölschestraße 25

Die Schneider Paul und Irmgard Holzmann heirateten am 19.10.1929. Ihr Sohn Wolfgang kam 1930 zur Welt. Die Familie lebte in der Fried- richstraße 25 (heute Bölschestraße).50 Der Vater Irmgard Holzmanns betrieb eine Schneiderei in der Friedrichstraße 116, in der auch ihr 100 Ehemann Paul Holzmann arbeitete. Nach den Novemberprogromen 1938 bei denen das Geschäft geschändet wurde, entschloss sich der Vater Irmgard Holzmanns zur Emigration nach Shanghai. Ein Nachzug der weiteren Familie 1939 war nicht erfolgreich. Die Deportation der Familie erfolgte im Frühjahr 1943. Die Mutter wurde zunächst von Sohn und Mann getrennt, doch auf ihr Drängen bat Paul Holzmann den SS-Arzt Horst P. Fischer, der die Selektionen vornahm, das Kind bei der Mutter zu lassen. Dem Wunsch wurde Folge geleistet. Mutter

46 Felix Danziger im Online-Gedenkbuch des Bundesarchivs Opfer der Verfol- gung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945. 47 Felix Danziger auf den Seiten der Koordinierungsstelle Stolpersteine Ber- lin. 48 Antonie Hartmann im Online-Gedenkbuch des Bundesarchivs Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945. 49 Antonie Hartmann auf den Seiten der Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin. 50 Bei Gerd Lüdersdorf finden sich folgende Straßenangaben: Laut Heiratsur- kunde: Paul Holzmann wohnhaft Cöpenicker Straße 47, Irmgard Grohs Bruno-Wille-Straße 5. Schneidergeschäft Georg Grohs Friedrichstraße 116 (heute Bölschestraße). Die Geburtsurkunde Wolfgang Eduard Holzmanns nennt 1930 den Weg zur Quelle 12 in Hirschgarten als Wohnsitz der Familie. Gerd Lüdersdorf: Es war ihr Zuhause. Juden in Köpenick. Edition Roots 1998, S. 86 - 95.

Friedrichshagen

und Sohn wurden vergast. Paul Holzmann wurde zunächst in einem Außenlager festgehalten, Anfang 1945 gelang ihm die Flucht. Er wur- de erneut aufgegriffen und nach Theresienstadt gebracht und er- krankte dort an Typhus. Nach Ende des Krieges kehrte er 1945 nach Friedrichshagen zurück und betrieb ein Modegeschäft in der Bruno- Wille Straße 61. Aus seiner zweiten Ehe ging ein weiterer Sohn her- vor. 51

Die Stolpersteine für Irmgard und Wolfgang Holzmann wurden am 26.03.2010 verlegt.52

HIER WOHNTE \ WOLFGANG \ HOLZMANN \ JG. 1930 \ DEPORTIERT 2.3.1943 \ AUSCHWITZ \ ERMORDET 30.3.1943

HIER WOHNTE \ IRMGARD \ HOLZMANN \ GEB. GROSS \ JG. 1909 \ DEPORTIERT 2.3.1943 \ AUSCHWITZ \ ERMORDET 30.3.1943

Hans JACOBSOHN 21.01.1906 - Kowno / Kaunas, Fort IX 25.11.1941 Peter-Hille-Straße 79

HIER WOHNTE \ HANS JACOBSOHN \ JG. 1906 \ DEPORTIERT 17.11.1941 \ KOWNO-FORT IX \ TOT

Die Stolpersteine wurden am 27.04.2012 verlegt.53 Heute befindet 101 sich im litauischen Kaunas eine Gedenkstätte für die Opfer national- sozialistischer und stalinistischer Verfolgung.

Toni KÖBNER, geb. Jaffe Breslau, Wroclaw 25.05.1875 - Auschwitz Bölschestraße 39

Toni Köbner wurde 1942 zunächst nach Theresienstadt deportiert, und von dort am 16.05.1944 nach Auschwitz.

HIER WOHNTE \ TONI KOEBNER \ JG. 1875 \ DEPORTIERT 14.9.1942 \ THERESIENSTADT \ ERMORDET IN AUSCHWITZ

Der Stolperstein wurde am 26.03.2010 verlegt. 54

51 Maria Hufenreuter: "Entlang des Müggelsees". In: Aktives Museum Fa- schismus und Widerstand in Berlin e.V. Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin (Hrsg.): Stolpersteine in Berlin #2. 12 Kiezspaziergänge. Eigenverlag, S. 44 -55. 52 Irmgard und Wolfgang Holzmann auf den Seiten der Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin. 53 Hans Jacobsohn auf den Seiten der Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin.

Friedrichshagen

Max Meier KRONHEIM Guttstadt / Heilsberg 22.09.1861 - Theresienstadt 03.11.1942 Bölschestraße 46

HIER WOHNTE \ MAX KRONHEIM \ JG. 1861 \ DEPORTIERT 26.6.1942 \ THERESIENSTADT \ TOT 3.11.1942

Max Kronheim war ebenfalls in Charlottenburg als wohnhaft gemel- det.55 Der Stolperstein wurde am 26.03.2010 verlegt.56

Schwestern LESKE Alice Leske (Berlin 14.04.1884 - Stutthof 28.12.1944) Clara Leske (Stargard / Saatzig 05.07.1874 - Warschau) Bruno-Wille-Straße 108 Bölschestraße 39

1891 wurden Alice Leske und ihre Schwestern Senta und Ilse getauft. Alice Leske wurde 1906 als Lehrerin in den Volksschuldienst aufge- nommen. Von 1919 bis 1935 arbeitete sie als Lehrerin an der 2. Volksschule für Mädchen in der Wilhelmstraße (heute Peter-Hille- Straße). Zu der Zeit wohnte sie mit ihrem Vater, die Mutter war be- reits verstorben, in der Seestraße 100 in Friedrichshagen. Später leb- te sie in der Bruno-Wille Straße 108. Die Adoptivtochter ihrer Schwester brachte sie am 13.01.1942 zum Deportationszug nach Ri- 102 ga. Von dort erhielt die Familie zwei Mal Post. Am 09.08.1944 wurde Alice Leske nach Stutthof bei Danzig deportiert und dort ermordet.57

Die Verlegung des Steins erfolgte am 27.04.2012.58 Der Text lautet:

HIER WOHNTE \ ALICE LESKE \ JG. 1884 \ DEPORTIERT 13.1.1942 \ GHETTO RIGA \ 1944 STUTTHOF \ TOT 28.12.1944

54 Toni Köbner im Online-Gedenkbuch des Bundesarchivs Opfer der Verfol- gung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945. 55 Max Kronheim im Online-Gedenkbuch des Bundesarchivs Opfer der Ver- folgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945. 56 Angabe Koordinierungsstelle Stolpersteine. 57 Heidi Ehwald: „Alice Leske - Lehrerin aus Friedrichshagen“. In: Frisius, Käl- berer u.a. (Hrsg.): „Evangelische getauft als Juden verfolgt“. Spurensuche Berliner Kirchengemeinden. Evangelisches Landeskirchliches Archiv, 2008. Auszug unter Friedrichshagner Schirm, Zeit-Fenster Nummer 11, URL: http://www.friedrichshagen.net/historisches/zeit-fenster/das-schicksal-der- juedin-alice-leske/ Maria Hufenreuter: "Entlang des Müggelsees". In: Aktives Museum Faschismus und Widerstand in Berlin e.V. Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin (Hrsg.): Stolpersteine in Berlin #2. 12 Kiezspaziergänge. Eigenverlag, S. 44 -55. 58 Die Linke. Treptow Köpenick (Hrsg.): Blättchen Treptow Köpenick. 05.04.1012, S.5.

Friedrichshagen

Die Halbschwester Alice Leskes, Clara Leske wohnte 1939 in der Vik- toriastraße 27 (heute: Dreiserstraße). Anschließend verzog sie in das Altersheim am Müggelseedamm 212. Nachdem dieses geschlossen wurde, wohnte sie mit einer weiteren Heimbewohnerin in der Villa der Schlesingers in die Friedrichstraße 39 (heute Bölschestraße, siehe auch Stolperstein Anni Schlesinger). 59

Die Inschrift des am 27.04.2012 in der Bölschestraße 39 verlegten Stolpersteins für Clara Leske hält fest60:

HIER WOHNTE \ CLARA LESKE \ JG. 1874 \ DEPORTIERT 2.4.1942 \ GHETTO WARSCHAU \ ? ? ? [sic!]

Ehepaar PINCUS Bruno Pin[c/k]us (Bromberg/Bydgoszcz 29.05.1882 - Auschwitz 12.10.1944) Meta Pincus, geb. Brühl (Fischach / Zusmarshausen 05.12.1895 - Auschwitz 12.10.1944) Peter-Hille-Straße 17

Das Ehepaar wurde im Sommer 1943 nach Theresienstadt deportiert, von dort wurden sie am 09.10.1944 nach Auschwitz gebracht.

HIER WOHNTE \ BRUNO PINCUS \ JG. 1882 \ DEPORTIERT 29.6.1943 \ THERESIENSTADT \ ERMORDET 12.10.1944 \ AUSCHWITZ 103

HIER WOHNTE \ META PINCUS \ GEB. BRÜHL \ JG. 1895 \ DEPOR- TIERT 29.6.1943 \ THERESIENSTADT \ ERMORDET 12.10.1944 \ AUSCHWITZ

Die Verlegung der Steine erfolgte am 27.04.2012.61

Anni(e) SCHLESINGER Berlin Köpenick 30.11.1901 - Auschwitz Bölschestraße 39

Der Jurist Selmar Schlesinger richtete kurz vor der Jahrhundertwende in der Friedrichstraße 48 seinen Wohnsitz ein, und eröffnete ein Büro

59 Gerd Lüdersdorf: Es war ihr Zuhause. Juden in Köpenick. Edition Roots 1998, S.97f. Lüdersdorf hält fest, dass Clara Leske 1942 nach Trawniki depor- tiert wurde. Im Online-Gedenkbuch des Bundesarchivs Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945 wird jedoch genau wie auf dem Stolperstein die Deportation am 02. April 1942 nach Warschau angeführt. 60 Clara Leske im Online-Gedenkbuch des Bundesarchivs Opfer der Verfol- gung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945. 61 Die Linke. Treptow Köpenick: blättchen Treptow Köpenick. 05.04.1012, S.5.

Friedrichshagen

als Rechtsanwalt und Notar. 1903 errichtete er auf dem Grundstück in der Friedrichstraße 39 (heute Bölschestraße) eine Villa. Er führte seine Anwaltspraxis bis 1938. Als er 1942 verstarb, wurde er auf dem evangelischen Friedhof in der Peter-Hille-Straße neben seiner Frau, einer Pianistin, beigesetzt. Der Sohn der Familie Kurt Schlesinger, ein Ingenieur der Firma Loewe, emigrierte 1938 nach Paris, von dort dann in die USA. Seine Schwester Anni Schlesinger wurde aufgrund ihrer jüdischen Abstammung in Auschwitz ermordet.62

Die Verlegung des Stolpersteins für sie erfolgte am 27.04.2012.63 Die Inschrift lautet:

HIER WOHNTE \ ANNI SCHLESINGER \ JG. 1901 \ DEPORTIERT 2.3.1943 \ ERMORDET IN \ AUSCHWITZ

Rebecca SCHULZ, geb. Bornstein Krotoschin / Krotoszyn 12.04.1873 - Auschwitz Bölschestraße 84-85

Rebecca Schulz wurde im Januar 1944 nach Theresienstadt deportiert und von dort am 15.05.1944 nach Auschwitz.

HIER WOHNTE \ REBECCA SCHULZ \ GEB. BORNSTEIN \ JG. 1873 \ DE- PORTIERT 10.1.1944 \ THERESIENSTADT \ ERMORDET IN \ AUSCHWITZ 104

Die Verlegung des Steins erfolgte am 08.10.2011.64

August STRINDBERG Stockholm 22.01.1849 - Stockholm 14.05.1912 Lindenallee 20

Neben der Tafel von Ola Hansson und Laura Mohr erinnert eine kreis- runde Gedenktafel an den Schriftsteller Strindberg:

Hier wohnte im Herbst 1892 der schwedische Schriftsteller \ August \ Strindberg \ 1849-1912 \ Der bedeutendste \ Dramatiker \ seines Landes

62 Gerd Lüdersdorf: Es war ihr Zuhause. Juden in Köpenick. Edition Roots 1998, S.103f. 63 Die Linke. Treptow Köpenick: blättchen Treptow Köpenick. 05.04.1012, S.5. 64 Rebecca Schulz im Online-Gedenkbuch des Bundesarchivs Opfer der Ver- folgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945.

Friedrichshagen

Strindberg erregte mit seinen sozialkritischen Theaterstücken wie „Der Vater“ (1887), „Fräu- lein Julie“ (1888), Novellen „Gif- tas“ und Romanen Anstoß in seinem Heimatland Schweden und kam durch die (auch finan- zielle) Unterstützung der Hans- sons am 30.09.1892 nach Fried- richshagen. Ola Hansson war ihm durch ein Treffen in Däne- mark 1888 bekannt, seitdem standen sie in Austausch mitei- nander. In Friedrichshagen ver- blieb Strindberg für rund sechs ProAB e.V. Wochen und zog aufgrund sei- nes Bruchs mit den Hanssons nach Berlin. Die Bar "Zum Schwarzen Ferkel" Unter den Linden entwi- ckelte sich zum weiteren literarischen Treffpunkt. Er stattete Fried- richshagen vom 30.03. bis zum 10.04.1894 einen letzten Besuch ab. Fortan lebte er in Österreich, Frankreich und verstarb schließlich in Schweden.65 105 Strindberg gilt als einer der wichtigsten schwedischen Dramatiker, seine Stücke werden bis zum heutigen Tage unter anderem auch in Berlin aufgeführt.

Otto WELS Berlin 15.09.1873 - Paris 16.09.1939 Bölschestraße 30

Die Einweihung der Stele in der Nähe des letzten Wohnorts von Otto Wels vor der Emigration in der Rahnsdorfer Straße 23 erfolgte anläss- lich seines 70igsten Todestags am 16.09.2009 unter anderem unter

65 Albert Burkhardt: Ein Rundgang durch Friedrichshagen auf den Spuren des Dichterkreises [Friedrichshagener Hefte Nr. 14). O.V., 1997, S. 8f. Gertrude Cepl-Kaufmann, Anne Sokoll: "'From the North comes the light to us!' - Scandinavian Artists in Friedrichshagen at the Turn of the Century". In: Hu- bert van den Berg: A Cultural History of the Avant-Garde in the Nordic Coun- tries 1900-1925. Rodopi, 2012. S. 183 - 200. Lars Andersson: „Strindberg, August“. In: Wolfgang Benz: Handbuch des Antisemitismus - Judenfeind- schaft in Geschichte und Gegenwart. Walter de Gruyter, 2009, S.806 - 808. Der von Wolfgang Benz herausgegebene Sammelband diskutiert den anti- semitischen Gehalt der Schriften Strindbergs.

Friedrichshagen

Anwesenheit des Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder.66 Unter einer Fotografie von Otto Wels findet sich der Text:

Otto Wels \ * 15. September 1873 in Berlin, + 16. September 1939 in Paris \ SPD-Vorsitzender von 1919 bis 1939, Reichstagsabgeordneter \ „Freiheit und Leben kann man uns \ nehmen, die Ehre nicht. Wir deut- schen \ Sozialdemokraten bekennen uns in \ dieser geschichtlichen Stunde feierlich \ zu den Grundsätzen der Menschlichkeit \ und der Gerechtigkeit, der Freiheit und \ des Sozialismus.” \ am 23. März 1933 in der letzten freien Rede im Reichstag \ zum „Ermächtigungsgesetz” der NS-Diktatur 1933-1945 \ Otto Wels wohnte von 1918 bis 1933 hier in Friedrichshagen

Auf der Rückseite der Stele steht geschrieben:

„Wir wollen uns in einer weniger \ Opfer fordernden Zeit um so mehr \ bemühen, den Grundwerten der \ Freiheit, der Gerechtigkeit und der \ Solidarität gerecht zu werden.” \ Willy Brandt, „Die Partei der Frei- heit” \ Rede zum 100. Geburtstag von Otto Wels \ am 15. September 1973

Nach seiner Rede gegen das Ermächtigungsgesetz emigrierte der ge- lernte Tapezierer Wels nach Prag, und von dort nach Paris. Die deut- 67 sche Staatsbürgerschaft wurde ihm im August 1933 aberkannt. 106 WIDERSTANDSGRUPPE HERBERT BAUM Am Goldmannpark 53

Die Tafel für die Widerstandsgruppe Herbert Baum existiert nicht mehr.68 Neuere Quellen, die aussagen, dass es sich bei dem Haus um das ehemalige Wohnhaus von Marianne und Herbert Baum handelt, konnten nicht belegt werden.69

Wilhelm I., Deutscher Kaiser Berlin 22.03.1797 - Berlin 09.03.1888 Kurpark Friedrichshagen

66 BS: "Mutiger Akt des Widerstands." Gerhard Schröder erinnerte an Otto Wels. Berliner Stimme, 26.09.2009, S.8. 67 Die Errichtung der Stele durch den Kreisvorstand und die Fraktion der SPD in Treptow-Köpenick war mindestens seit Frühjahr 2003 im Gespräch. Hüb- ner hält 1997 fest, dass die Anbringung einer Berliner Gedenktafel verwei- gert wurde. Holger Hübner: Das Gedächtnis der Stadt. Gedenktafel in Berlin. Argon, 1997, S. 403. Sowie: Marcel Gäding: Gedenkstele für Otto Wels ge- plant. Berliner Zeitung, 22.03.2003. 68 Zum Tafeltext siehe: Holger Hübner: Das Gedächtnis der Stadt. Gedenkta- fel in Berlin. Argon, 1997, S. 403f. 69 Paul Kohl: 111 Orte in Berlin auf den Spuren der Nazi-Zeit. Emons Verlag, 2013, S. 95.

Friedrichshagen

Die Grundsteinlegung für das Denkmal fand nur wenige Wochen nach dem Tod des Kaisers am 08.04.1888 statt, die Enthüllung wurde am 15.05.1888 zelebriert. Das Denkmal wurde durch die Kunstgießerei Gladenbeck gefertigt, den Entwurf legte Prof. Alexander Calandrelli vor. Zu dem umfassenden Schaffen des Bildhauers Calandrelli zählen weiterhin ein Bronzerelief an der Siegessäule oder auch das Reiter- standbild Friedrich Wilhelms IV vor der Alten Nationalgalerie in Ber- lin. Das Friedrichshagener Denkmal für Wilhelm I wurde fortan als Treffpunkt für den Sedantag, den 100. Geburtstag des Kaisers oder auch die Eröffnung der Kursaison genutzt. Der Verbleib des Denkmals ist unbekannt. 70

107

Postkartenarchiv Museum Treptow-Köpenick

Bruno WILLE Magdeburg 06.02.1860 - Lindau-Aeschach 31.08.1928 Kastanienallee 9

Anlässlich des 70. Todestags Bruno Willes wurde im Mai 1998 an sei- nem ehemaligen Wohngrundstück eine Berliner Gedenktafel ange- bracht. Sie erinnert:

In diesem Haus lebte von 1893 bis 1920 \ der Schriftsteller, Philosoph und Journalist \ BRUNO WILLE \ 6.2.1860 - 31.8.1928 \ Mitglied des »Friedrichshagener Dichterkreises« \ Hauptinitiator der Volksbühnen- bewegung \ 1895 wurde er aufgrund seines Engagements für die \ »Freireligiöse Gemeinde« verhaftet \ In seinem Roman \ »Das Ge- fängnis zum Preußischen Adler« \ setzte er dem »Friedrichshagener Dichterkreis« ein \ literarisches Denkmal

70 Vorstand und die Mitglieder des Verschönerungsvereins: Urkunde zur Grundsteinlegung des Denkmals für Seine hochselige Majestät den Kaiser und König Wilhelm den Großen. [08.04.1888]. In: Inge und Rolf Kießhauer: Denkmäler in Friedrichshagen von einst (Friedrichshagener Hefte Nr. 22). O.V, 1999, S.12ff. sowie ebd. S.16f.

Friedrichshagen

Wille studierte evangelische Theologie und promovierte in Kiel. 1890 kam er nach Friedrichshagen und setzte sich für die Gründung der Freien Volksbühne ein.

1895 wurde er inhaftiert, da er den Kindern der Freireligi- ösen Gemeinde nicht behörd- lich genehmigten Religions- unterricht gab. 1914 veröf- fentlichte er das Buch „Das Gefängnis zum Preußischen Adler“, in dem er diese Erfah- rungen verarbeitet und das Kulturring in Berlin e. V. Friedrichshagen der damali- gen Zeit einfing. Wille veröf- fentlichte über 40 Bücher und Aufsätze, eine Vielzahl davon in Fried- richshagen. Mit Wilhelm Bölsche verband ihn eine langjährige Freundschaft. Sie brachen oftmals zu Spaziergängen in der Fried- richshagener Gegend auf und galten als die zentralen Figuren des Friedrichshagener Dichterkreis. Aufgrund eines Streits über das We- gerecht trennten sich die Freunde nach 30 Jahren voneinander.

Nach seiner Scheidung 1920 verließ Wille Friedrichshagen, heiratete 71 108 neu und lebte fortan in Stuttgart und Lindau am Bodensee.

71 Albert Burkhardt: Ein Rundgang durch Friedrichshagen auf den Spuren des Dichterkreises. O.V., 1997, S. 25 - 30.

Friedrichshagen

Grünau

Georg Wilhelm BÜXENSTEIN Berlin 13.12.1857 - Ladeburg bei Bernau 12.07.1924 Büxensteinallee 25 Vom Förderverein des Grünauer Wassersportmuseums wurde anlässlich der 250-Jahr-Feier Grünaus 1999 und des 75. Todestags Büxensteins im Vorgarten des Hauses ein Findling mit folgender eingravierter Inschrift aufgestellt1: 109 Büxenstein \ Begründer des Grünauer \ Wassersports \ 1881 Im Vergleich zu anderen Städten wie Hamburg oder Frankfurt a.M. wurde der Rudersport in Berlin und Umgebung erst vergleichsweise spät populär. 1873 nahm in Berlin das wahrscheinlich erste Ruderboot die „Princeß Alice“ ihre Fahrt auf. Kurz darauf entstanden in Berlin die ersten Rudervereine, darunter die Dud 1876. Der Fabrikbesitzer Spindler ließ Ruderboote für seine Belegschaft bauen. Diese trat 1878 gegen eine Mannschaft an, der auch der Druckereibesitzer Büxenstein angehörte. Die erste Regatta in Grünau fand am 27. Juni 1880 mit sieben Rennen statt. Zehn Mitglieder der Dud unter Führung Büxenstein sannen nun danach, sich verstärkt dem Wettkampf im Rudersport zu widmen und gründeten am 05. November 1880 den Berliner Ruderclub. Die zweite Regatta am 11. September 1881 lockte tausende Interessierte an die Ufer des Langen Sees. Die große Akzeptanz des Publikums sowie die Lust am Rudersport führten kurz darauf am 21. September zur Gründung des Berliner Regatta-Vereins, der unabhängig von Vereinspolitiken

1 Holger Hübner et al.: „Georg Wilhelm BÜXENSTEIN“. In: Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Verein Aktives Museum (Hrsg.): Gedenktafeln in Berlin. URL: www.gedenktafeln-in-berlin.de.

Grünau

agieren sollte. Büxenstein bildete mit weiteren sechs Herren den Vorstand und wurde am 26.10.1902 inzwischen als königlich preußischer Kommerzienrat zum Verbandsvorsitzenden gewählt. Dieses Amt bekleidete er bis 1919/1921, er verblieb als Ehrenmitglied im Verein. Auf dem Regattagelände wurde nach seinem Tod 1924 ein Findling mit folgender Inschrift zum Gedenken errichtet: Seinem \ Begründer und Führer \ Georg W. Büxenstein \ 1881 - 1924 \ der Berliner Regatta-Verein. Dieser wurde nach Angaben des Grünauer Wassersportmuseums nach 1950 aus politischen Gründen entfernt. Georg Wilhelm Büxenstein ist nicht zu verwechseln mit seinem Vater Georg Friedrich Wilhelm Büxenstein (16.01.1822 - 24.07.1886, laut Grabstätte der Jerusalems- und Neue Kirche). Ihm gehörte die königliche Hofdruckerei, die er 1886 in wirtschaftlich guten Zeiten an seinen Sohn übergab. 1902 zählte das Unternehmen zu den größten Druckereien Berlins.2 Pierre de COUBERTIN Paris 01.01.1863 - Genf 02.09.1937 Regattagelände Nord An der Regattastrecke wurde vermutlich in den 1950er/1960er Jahren ein Stein mit Bronzerelief zu Ehren des französischen Sportfunktionärs de Coubertin aufgestellt.3 Es zeigt drei Vierer mit 110 Steuermann, die nebeneinander über das Wasser gleiten. Auf der Rückseite ist die Inschrift angebracht: DEN FRIEDEN LIEBEN \ DAS LEBEN ACHTEN \ COUBERTIN4 De Coubertin setzte sich für die Wiederbelebung der olympischen Spiele des Altertums ein. Er gründete 1894 das Internationale Olympische Komitee und wurde von 1896 bis 1925 dessen zweiter Präsident. 1913 entwarf de Coubertin die olympischen Ringe, die 1920 als olympische Flagge in Antwerpen erstmals verwendet

2 Soweit nicht anders vermerkt: Matthias Otto: "25 Jahre "sozialer Friede" im Buchdruckgewerbe. Der Druckereibesitzer Georg Wilhelm Büxenstein war erfolgreicher Tarifpolitiker und risikofreudiger Förderer technischer Innovation«. In: Internationaler Arbeitskreis Druck- und Mediengeschichte (Hrsg.): Journal für Druckgeschichte. 1/2004, S.37ff. Ludwig Becker : 50 Jahre Berliner Regatta-Verein 1881 - 1931. Holten Berlin, 1931, S. 5ff, 24, 32. vgl. Geschichte des Wassersports im Wassersport Museum Grünau, www.wassersportmuseum-gruenau.de.www.wassersportmuseum- gruenau.de. 3 Auskunft Wassersportmuseum Grünau. 4 Anlässlich des 100. Geburtstags Coubertins erschien in der DDR eine Briefmarke, auf der geschrieben stand: Pierre de Coubertin 1863-1937, Olympische Ringe und Aufschrift: DEN FRIEDEN LIEBEN - DAS LEBEN ACHTEN.

Grünau

wurden. Coubertin war bis zum seinem 72 Lebensjahr ein aktiver Ruderer, schließlich war für ihn das Rudern „Un sport de la plus rare perfection", ein Sport also der seltensten Perfektion.5 Über das Rudern verfasste Coubertin den Aufsatz „La Cure d'Aviron“ (Die Kür des Ruderns), der sich einreiht in weitere Essais zur Psychologie des Sports.

ProAB e.V. 111

GEFALLENE ERSTER WELTKRIEG Rabindranath-Tagore-Straße 18 - 20 Im Waldfriedhof Grünau befindet sich ein Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs aus Feldsteinen unter Bäumen entlang der Mittelallee. Die Inschrift besagt: 1914 - 1918 \ Ihren gefallenen Söhnen \ Die Heimat Grünau GEFALLENE DER WELTKRIEGE, OPFER KRIEG, DIKTATUR UND TERROR IM 20. JAHRHUNDERT Don-Ugoletti-Platz

5 Rudi Trost: 100 Jahre Moderner Fünfkampf Olympisch: Vom Vater & Gründer dem Franzosen Baron Pierre de Coubertin bis zum Retter dem Deutschen Dr. Klaus Schormann. Meyer & Meyer Verlag, 2014, S.23ff. Pierre De Coubertin: Pedagogie Sportive: Histoire, Technique, Action Morale Et Sociale Des Exercices Sportifs. Vrin, 1972, S.88.

Grünau

In der Evangelischen Friedenskirche neben der Kanzel befindet sich seit 1920 eine Steintafel für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges.6 Der Text unter einem Helm mit Eichenlaub lautet: Den im Weltkriege gefallenen Söhnen der Gemeinde Grünau Darunter folgen nach Jahreszahlen gelistet die Namen der Gefallenen. Anlässlich des Volkstrauertags am Sonntag den 17.11.2013, sowie des bevorstehenden Gedenkjahres 2014 - 100 Jahre seit Beginn des Ersten, 75 Jahre seit Beginn des Zweiten Weltkriegs - wurde eine von Rüdiger Roehl geschaffene Gedenktafel in der Friedenskirche eingeweiht. Roehl gestaltete 1993 bereits Gitter und Eingangstüren der Friedenskirche.7 Die Aluminiumtafel befindet sich parallel zur Gedenktafel der Gefallenen des Ersten Weltkriegs, links vom Altarraum.8 Sie trägt den Text: Zum Gedenken an die Opfer \ von Krieg, Diktatur und Terror \ im zwanzigsten Jahrhundert in der \ Kirchengemeinde Bohnsdorf-Grünau Stefan HEYM, geb. Helmut Flieg Chemnitz 10.04.2013 - En Bokek 16.12.2001 Park an der Regattastraße 158 Am 06.06.2009 anlässlich des 260jährigen Bestehens Grünaus wurde 112 ein von Rüdiger Roehl geschaffenes Denkzeichen für Stefan Heym enthüllt. Es steht im Park gegenüber dem Café Liebig und zeigt eine Schreibmaschine mit einem eingespannten Blatt Papier, das den Satz trägt: Ich habe mich immer eingemischt Der Ausspruch ist dem folgenden Zitat Heyms entnommen: "Ich habe mich immer eingemischt - gegen die Nazis, dann in Amerika mit meinen Büchern; dann mit Flugblättern während des Krieges und von 1953 an in der DDR, einfach weil ich glaube, dass nichts so bleibt wie es ist, und dass wir die Richtung, in die sich das ganze bewegt, mitentscheiden." Weiterhin hält die Stele fest:

6 Nach Angaben von URL: www.denkfried.de konnte sie durch Spenden auf Anregung des Bürgervereins angebracht werden. Der Grünauer Königliche Baurat Georg Königsberger legte seinerzeit den Entwurf vor. 7 Sandy Hanner: „Interview mit Rüdiger Roehl „Kopf im Kopf“. In: Weinstock. Evangelisches Leben in Bohnsdorf-Grünau, 08./09.2012, S.6. 8 Helgunde Henschel: „Enthüllung der Gedenktafel“. In: Weinstock. Evangelisches Leben in Bohnsdorf-Grünau. 12.2013 / 01.2014, S. 6f.

Grünau

STEFAN HEYM \ SCHRIFTSTELLER \ WOHNTE UND \ ARBEITETE \ VON 1952 BIS 2001 \ IN GRÜNAU

Kulturring in Berlin e. V.

Der Schriftsteller Stefan Heym wohnte von 1952 bis zu seinem Tod 2001 in Grünau. Aufgrund seiner jüdischen Herkunft emigrierte Heym 1933 in die Tschechoslowakei und gelangte von dort 1935 mit einem 113 Stipendium in die USA. Er kämpfte im Zweiten Weltkrieg gegen Deutschland und kehrte später in die DDR zurück. Zeit seines Lebens war Stefan Heym als - auch zum großen Teil politischer - Schriftsteller aktiv. Seine Werke schrieb er auf Deutsch und Englisch.9 KAPP-PUTSCH Adlergestell, Vorplatz S-Bahnhof Grünau Der am 19.03.1977 eingeweihte, rund 2.5 Meter große Granitfindling mit angebrachten Bronzebuchstaben gedenkt der Opfer des Kapp- Putschs.10 Die Inschrift lautet:

9 Vivian Yurdakul: Wo berühmte Berliner ihre Spuren hinterließen: Der Schriftsteller Stefan Heym in Grünau - Intelligenzsiedlung am Rande der Stadt. Berliner Zeitung, 27.10.2010. saf: Grünauer erinnern an den Schriftsteller Stefan Heym. Berliner Morgenpost, 10.04.2013. O.A.: Gedenkstele für Stefan Heym (Spendenaufruf). Die Linke, 19.05.2009. 10 Holger Hübner: Das Gedächtnis der Stadt. Gedenktafel in Berlin. Argon, 1997, S. 397.

Grünau

DEN \ ARBEITERN \ DES \ STADTBEZIRKS \ BERLIN-KOEPENICK \ ZUM GEDENKEN, \ DIE IM MAERZ 1920 \ BEI DER \ NIEDERSCHLAGUNG \ DES REAKTIONAEREN \ KAPP- PUTSCHES \ IHR LEBEN \ LIESSEN Als Führer des Widerstands gegen den Kapp-Putsch in Grünau ist Otto Pfeiffer übermittelt.11 Bei den Kämpfen in Adlershof am 19.03.1920 fiel u.a. der Grünauer Paul Seelisch ProAB e.V. (37 Jahre).12 Siehe auch Kapp-Putsch in Köpenick und Adlershof. Fritz KÜHN Mariendorf 29.04.1910 - Berlin 31.07.1967 Rabindranath-Tagore-Str. 18-20 (H-II-15/16) Im Waldfriedhof Grünau befindet sich die Ehrengrabstätte des Landes Berlin für den Bildhauer Fritz Kühn. Es wurde mit Senatsbeschluss vom 23.05.1995 anerkannt.13 RUDERVEREIN UNDINE Regattastraße 191 114 Die jüdische Rudergesellschaft Undine (Wassernixe) wurde 1907 von fünf Männern, darunter dem Textilkaufmann Alex Friedländer, gegründet. Es war einer von acht jüdischen Rudervereinen in Köpenick. Alfred Roß aus der Klosterstraße 69 hatte den Vorsitz inne. Bereits 1933 kam es zu starken Reglementierungen des Vereinslebens durch die Nationalsozialisten. In dem Mitteilungsblatt der Undine von 1935 wird in dem Aufruf „Wo stehen wir?“ ersichtlich wie der Sport zunehmend politisiert wurde: „Wir können heute nicht mehr den L’art pour l’art-Standpunkt, das heißt hier Sport um des Sportes willen einnehmen, da wir mehr denn je auf uns selbst angewiesen sind. Der Club ist heute verpflichtet, nicht nur für die sportliche Ausbildung zu sorgen, sondern der Jugend

11 Gerd Lüdersdorf: "Der Köpenicker Blutsonntag vom 21. März 1920“. In: Edition Luisenstadt: Berlinische Monatsschrift, Heft 3/2000 , S.37ff. 12 Gerd Lüdersdorf: "Die Putschisten verschanzten sich in Johannisthal. Zur Erinnerung an den Kapp-Putsch 1920.“ In: Zeitung des Bezirksvorstandes und der BVV-Fraktion Die Linke: Blättchen Treptow-Köpenick, Nr.158, 04.03.2010, S.4f. 13 Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt: Ehrengrabstätten des Landes Berlin. 2015, S. 41.

Grünau

auch einen gewissen geistigen Halt zu geben. Und hier steht an erster Stelle die Erziehung zum jüdischen Menschen.“ 1938 wurde das Bootshaus in der Dahmestraße 15 enteignet. Die Geschichte des Hauses geriet in Vergessenheit: Das Vereinshaus wurde 1945 von der russischen Armee beschlagnahmt, dann als Schulungsort und bis 1997 als Kinderheim genutzt. Der Leiter des Grünauer Wassersport-Museums Werner Philipp ließ eine weiße Gedenktafel mit Vereinslogo anfertigen, die am Haus befestigt werden sollte. Diese trägt folgenden Text: Ruderverein „Undine“ von 1907, \ als jüdischer Verein 1938 \ liquidiert. \ Wahrt das Andenken an die \ Erbauer des Hauses! \ Grünauer Wassersportmuseum Aus Angst vor Vandalismus befindet sich die Tafel im Grünauer Wassersportmuseum. Das Vereinshaus wurde 2015 abgerissen.14 SPORTDENKMAL Sportpromenade 1 / Regattastraße (ehem. Platz am Sportdenkmal) Das historische Denkmal stand an der 1000-Meter Marke der Grünauer Regatta-Bahn. Der Entwurf von Bodo Ebhardt zeichnete sich durch eine circa fünf Meter hohe, pyramidenartige Anordnung von Findlingen aus, die von 286 deutschen Sportvereinen, (darunter 115 146 Wassersportvereinen) gespendet wurden. Das Denkmal schloss mit einer Krone ab, die als Symbol des Einheitsgedankens gelesen werden kann und die Steine aus den verschiedenen Teilen des damaligen deutschen Kaiserreichs vereint. Ein Lorbeerkranz als Symbol des Unvergänglichen sowie Eichenlaub für Standfestigkeit neben der Inschrift WILHELM \ DEM GROSSEN \ DER DEUTSCHE SPORT unterstützten diese Botschaft. Die Grundsteinlegung des Denkmal erfolgte 1897 zum 100. Geburtstag Wilhelms I (22.03.1797 - 09.03.1888). Die Inschrift zeugt von dem Ansinnen Wilhelms II seinen Vater als „Den Großen“ in die Geschichte eingehen zu lassen. Insofern lässt sich dieses Denkmal auch als ein Ansteuern gegen den Bismarck-Kult der Zeit deuten, dessen diplomatischem Geschick die Reichseinigung zuzuschreiben ist.15 Der Fokus auf den Sport führte mit hoher Wahrscheinlichkeit

14 Gerd Lüdersdorf: Es war ihr Zuhause. Juden in Köpenick. Edition Roots 1998, S. 37f. Julia Haak: Bootshaus in Grünau wird abgerissen Wie in Berlin ein Stück jüdischer Geschichte verschwindet. Berliner Zeitung, 26.09.2014. 15 Vgl. Andreas Rose: „Wilhelm I. - ein Großer?“ In: Michael Kaiser, Jürgen Luh (Hrsg.): Friedrich und die historische Größe. Beiträge des dritten Colloquiums in der Reihe „Friedrich300“. Onlinepublikation perspectivia.net, 09.2009.

Grünau

zur Bewahrung des Monuments nach 1945, als viele militaristisch- nationalistische Denkmäler nach der Direktive Nr. 30 des Kontrallrats 1946 zerstört wurden. Die Inschriften der Findlinge wie BERLINER FOXTERRIER-CLUB, Berlin Schwimmverein v[on] 1878 oder Fecht Club Offenbach a/m gegr. 1863 zeugen davon.

Postkartenarchiv Museum Treptow-Köpenick

Zu DDR-Zeiten wurde die Aussage des Denkmals zunehmend als reaktionär aufgefasst, so dass auch aufgrund knapper Kassen keine bestandserhaltenden Maßnahmen durchgeführt wurden. In den 116 1970er Jahren wies das Denkmal bereits erhebliche Mängel auf, der Schriftzug Wilhelm \ Der Große wurden herausgemeißelt, Steine hatten sich gelöst. So stellte das Denkmal nicht nur für die darauf spielenden Kinder eine Gefahr für die Sicherheit dar. Das Denkmal wurde im Frühjahr 1973 im Rahmen der X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten abgerissen, sicher auch wegen seiner Symbolkraft für westliche Vereine und aufgrund der Steine aus Danzig, Breslau und Königsberg ebenfalls für Vereine aus den damaligen Ostgebieten. Einige der verbleibenden Findlinge lagern im Grünauer Wassersportmuseum.16 Das Grünauer Sportdenkmal bleibt bis heute unvergessen. Debatten um einen an die hiesige Zeit angepassten Wiederaufbau reißen nicht ab. Derzeit steht die Errichtung eines Denkzeichens des Berliner

16 Udo Gentzen: Das Sportdenkmal von Berlin-Grünau. Gestern, heute, morgen? Grünauer Wassersportmuseum, 1997. u.a. S.64. Claus-Dieter Steyer: Das unvergessene Sportdenkmal in Grünau. Tagesspiegel, 23.08.2014.

Grünau

Wassersports nach einem Entwurf von Rüdiger Roehl zur Diskussion. 2016 gab die Lotto-Stiftung Berlin für den Bau 300.000 Euro frei.17 STOLPERSTEINE Familie SALINGER Hannelore Ida Salinger (Berlin 10.01.1922 - Auschwitz) Max Salinger (Marienburg 17.10.1865 - Theresienstadt 29.09.1942) Wassersportallee 34 Die Stolpersteine für Max Salinger und seine Tochter wurden am 10.12.2007 vor der ehemaligen Apotheke und dem Wohnhaus der Salingers in der damaligen Wilhelmstraße 23 unter Beteiligung von SchülerInnen der Flatow-Oberschule eingeweiht. Die Inschrift der Steine lautet: HIER WOHNTE \ MAX SALINGER \ JG. 1865 \ DEPORTIERT 1942 \ THERESIENSTADT \ ERMORDET 29.9.1942 HIER WOHNTE \ HANNELORE SALINGER \ JG. 1922 \ DEPORTIERT 28.6.1943 \ ERMORDET IN \ AUSCHWITZ Der Apotheker Max Salinger besaß vor dem Ersten Weltkrieg die „Grünauer Apotheke“ in der Friedrichstraße 1a (seit 1935 Regattastraße)18 und erstand in den frühen 1930er Jahren das Haus in der Wassersportallee. Die Apotheke, die er dort führte, musste er 117 1938 an den Apotheker Friedrich Chirong aus Friedrichshagen verpachten, später dann verkaufen. Im September 1940 zogen Vater und Tochter (die Mutter verstarb früh) nach Schöneberg. Max Salinger wurde mit dem 51. Altentransport am 27.08.1942 nach Theresienstadt deportiert und wurde vier Wochen darauf ermordet. Hannelore Salinger leistete von 1939 bis zu ihrer Deportation Zwangsarbeit in den Siemens-Schuckert-Werken in Gartenfeld, einer Ortslage der Siemensstadt in .19

17 Nils Michaelis: Der Koloss von Grünau kehrt zurück. Berliner Abendblatt, 28.03.2016.

18 Sylvia Lais, Hans-Jürgen Mende (Hrsg.): Lexikon Berliner Straßennamen. Haude Et Spener, 2003, S. 366. 19 Gerd Lüdersdorf: Es war ihr Zuhause. Juden in Köpenick. Edition Roots 1998, S. 124f. Salingers im Online-Gedenkbuch des Bundesarchivs: Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945.

Grünau

Johannistal

Amelie Melli Hedwig BEESE-BOUTARD Laubegast 13.09.1886 - Berlin 21.12.1925 Sterndamm 84 Der erste deutsche, reguläre Motorflughafen wurde 1909 in Johannisthal eröffnet.1 Kurze Zeit später legte Melli Beese hier an ihrem 25. Geburtstag ihre Flugprüfung ab und erhielt die Pilotenlizenz. So schrieb die B.Z. am selben Tag: „Die junge Kandidatin, in kleidsamen Fliegerinnen-Dreß, bestieg die Etrich-Rumpler 118 Schulmaschine, die mit einem 8 Zyl. Aeolus-Rumpler-Motor ausgerüstet ist, und flog schneidig los. [..] Vor einigen Tagen machte sie ihre ersten Alleinflüge, seither ProAB e.V. übte sie fleißig, bis es ihr jetzt gelungen ist, das Ziel ihrer Bestrebungen: das Pilotenpatent als erste deutsche Frau zu erwerben.“ Weltweit haben 34 Frauen bis zu Beginn des Ersten Weltkriegs ihr Pilotenexamen abgelegt. 2 Für die erste Pilotin Deutschlands befindet sich seit 19953 eine Berliner Ehrentafel an der Hauswand der Villa Trützschler mit dem Text:

1 Vgl. Günter Schmitt: Als die Oldtimer flogen - Die Geschichte des Flugplatzes Johannisthal. Transpress, Berlin 1980. 2 Livia Käthe Wittmann, Barbara Zibler: Melli Beese und die „Flügel am Horizont“. Die Geschichte der ersten deutschen Pilotin. Trafo-Literaturverlag, Berlin 2009, S. 41ff.

Johannisthal

In diesem Haus wohnte in den Jahren vor 1914 \ Deutschlands erste Pilotin \ MELLI BEESE-BOUTARD \ 13.9.1886 - 21.12.1925 \ Sie konstruierte, baute und flog ab 1911 Motorflugzeuge \ auf dem Flugplatz in Johannisthal \ Wegen ihrer Ehe mit einem französischen Piloten \ wurde sie seit dem Ersten Weltkrieg verfemt \ und beging später Selbstmord FLUGPIONIERE Alter Startplatz, Flugplatz Johannisthal Am 29.06.1930 wurde auf dem Flugplatz ein anderthalb Meter hoher Granitstein mit der folgenden Inschrift enthüllt: „Unsern in Johannisthal gefallenen Flugpionieren“ Am Tag der Einweihung fand ein Gottesdienst statt, bei dem zwei Pfarrer, so wie ein Rabbiner sprachen. Der Stein ist nicht mehr vorhanden.4 FRIEDRICH DER GROSSE Sterndamm 102 Links vor dem Rathaus befand sich auf dem Königsplatz ein Obelisk mit Bronzerelief Friedrich des Großen und der Inschrift: FRIEDRICH DER GROSSE \ GRÜNDETE \ JOHANNISTHAL \ 1753 119 Es wurde am 15.11.1903 zum 150jährigen Bestehen Johannisthals enthüllt.5

Postkartenarchiv Museum Treptow-Köpenick

KREISDIENSTSTELLE TREPTOW DES MFS DER DDR Segelfliegerdamm 42

3 Angabe Museum Treptow-Köpenick. Anfang der 1990er Jahre konnte die Wanderausstellung „Melli Beese, Bildhauerin, Pilotin, eine ungewöhnliche Frau“ die Pilotin ins Licht der Öffentlichkeit rücken. Vgl. Barbara Spitzer: Melli Beese. Bildhauerin, Pilotin - eine ungewöhnliche Frau. Begleitband zur Ausstellung, Heimatmuseum Treptow 1992. 4 Alexander Kauther: Der Gedenkstein am „Alten Startplatz“ 1930 auf dem Flugplatz Johannisthal. O.V., 2010. URL: http://www.johflug.de/pdf/Gedenkstein_Flugplatz_1930.pdf. 5 Stadtarchiv Rep. 45 - 05/4, Gemeindeverwaltung Johannisthal. Nachdruck in ProAB: Johannisthal. O.J., Archiv Museum Treptow-Köpenick.

Johannisthal

Das Territorium der DDR war administrativ in 14 Bezirke sowie Ost- Berlin untergliedert, die sich wiederum in Landkreise und Stadtkreise unterteilten. Die Stadtbezirke Ost-Berlins wurden analog zu Stadtkreisen behandelt. Jeder Land- beziehungsweise Stadtkreis verfügte über eine Kreisdienststelle (KD) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). In Berlin gab es 11 Kreisdienststellen mit rund 640 Angestellten sowie Inoffiziellen Mitarbeitern IMs, die der MfS- Bezirksverwaltung Berlin zugeordnet waren. Ihre Aufgabe war es für die Sicherung, Kontrolle sowie die lückenlose Überwachung ihres Zuständigkeitsgebiets Sorge zu tragen. Am 04.11.2004 wurde anlässlich des 15. Jahrestags der -Demonstration vom 04.11.1989 am Zugang zum Polizei-Abschnitt 65 am Tor eine Granittafel mit folgender Inschrift eingeweiht: In diesem Gebäude befand sich bis Januar 1990 die \ Kreisdienststelle Treptow des Ministeriums für \ Staatssicherheit der DDR. \ Das Ministerium für Staatssicherheit sicherte durch \ politische Willkür, Unterdrückung und Überwachung \ der Bevölkerung Macht und Herrschaft der SED. 1986 wirkten 54 Mitarbeitende und 200 IMs zuzüglich Servicekräfte für das MfS Treptow. Schwerpunktmäßig setzte sich das MfS mit Ausreisewilligen, Kirchenmitarbeitenden sowie Aktiven auseinander. 120 Weiteres Anliegen war Fluchtwege in den Westen zu kappen.6 Eine analoge Tafel findet sich vor dem ehemaligen MfS Köpenick in der Friedrichshagener Straße (siehe da). MAUERSEGMENT Sterndamm 102

Neben dem Haupteingang des Rathauses befindet sich linker Hand ein Mauersegment der Berliner Mauer.

OPFER DES FASCHISMUS Fritz Bergau (29.07.1894 - Gollnow 10.12.1941), Willi Heinze (Berlin 28.03.1910 - Brandeburg 26.02.1945), Franz Kirsch (Johannisthal 08.03.1901 - Brandenburg 03.02.1944), Fritz Kirsch (Johannisthal 05.02.1903 - Sachsenhausen 30.04.1940), Günther Kobs (12.1.1921 - Waldenburg 22.01.1945), Johannes Sasse (19.11.1918 - Halle 19.04.1944), Hans Schmidt (17.09.1914 - Albinea 26.08.1944), Otto Springborn (26.06.1890 - Brandenburg 31.07.1944), Eduard Zachert

6 Annette Kaminsky (Hrsg.): Orte des Erinnerns: Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur. Ch. Links, 2007, S. 153.

Johannisthal

(08.03.1881 - Plötzensee 22.07.1943) Albineaplatz Nachdem die Rote Armee Johannisthal erreichte, ernannte der erste sowjetische Ortskommandant Georg Neumann auf Vorschlag der KPD zum Ortsbürgermeister. In einem Zeitungsartikel von 1958 erinnerte dieser daran, wie im Mai 1945 das Leitungskollektiv der Ortsamtsstelle beschloss, den Opfern des Faschismus in Johannisthal ein Denkmal zu setzen. Im September 1945 wurde laut Neumann ein OdF-Denkmal „als erstes in Berlin“ durch - dieser Name ist nun bereits bekannt - Ottomar Geschke enthüllt. Die verwitterte Inschrift lautet schlicht: Den Opfern \ des \ Faschismus

121

ProAB e.V.

Eine Straßenumbenennung durch die Abteilung Straßenwesen im Magistrat von Groß-Berlin blieb zunächst erfolglos, doch man behalf sich anderweitig und so entstand die Anekdote, wie der Sterndamm seinen Namen erhielt: „Weil wir in einer Kaiser-Wilhelm-Straße nicht ein Denkmal für die Opfer des Faschismus einweihen wollten, waren wir gezwungen zur Selbsthilfe zu schreiten. Alle Straßenschilder mit dem Namen Kaiser- Wilhelm-Straße oder Kaiser-Wilhelm Platz wurden von uns überklebt mit dem Namen Sterndamm.“ 7

7 Georg Neumann: Johannisthal in den Apriltagen des Jahres 1945. Treptower Rundschau. Nr.8, Mai 1958.

Johannisthal

Erst 1950 erfolgte dann die offizielle Einbeziehung des Kaiser- Wilhelm-Platz (an der Ecke Heuberger Weg) sowie der Kaiser- Wilhelm-Straße zwischen Königsheideweg und Lindhorstweg in den circa 1914 so benannten Sterndamm, der heutigen Hauptstraße Johannisthals.8 Einige Meter davor erinnert ein Natursteinquader mit Bronzeplatte an die umgekommenen „Antifaschisten“ aus Johannisthal:9

Hitlers Blutregime fielen aus Johannisthal

Als Antifaschisten zum Opfer:

Fritz Bergau *29. 7.94 ermordet am 10.12.1941 in Gollnow Willi Heinze *28. 3.10 " [sic!] " 26.02.1945 " Brandenburg Franz Kirsch * 8. 3.01 " " 03.02.1944 " Brandenburg Fritz Kirsch * 5. 3.03 " " 30.04.1940 " Sachsenhausen Günther Kobs *12. 1.21 " " 22.01.1945 " Waldenburg Johannes Sasse *19.11.18 " " 19.04.1944 " Halle Hans Schmidt *17. 9.14 " " 26.08.1944 " Albinea/Italien Otto Springborn *26. 6.90 " " 31.07.1943 [sic!] Brandenburg Eduard Zachert *8. 3.81 " " 22.07.1943 " Plötzensee Ihr Opfer sei uns Mahnung und Verpflichtung.

Der Buchdrucker Fritz Bergau wurde als KPD-Mitglied wegen seiner Widerstandstätigkeit im November 1937 verhaftet. Er wurde zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt und im Zuchthaus Gollnow ermordet. 122 Willi Heinze trat 1925 in die SPD, ein Jahr darauf in die KPD ein. Zu NS-Zeiten avancierte er zum Leiter des fünften Abschnitts der illegalen KPD-Gruppen im Südosten Berlins von Grünau bis Königswusterhausen und engagierte sich im Kreis um Anton Saefkow. Im August 1944 erfolgte die Verhaftung. Anschließend wurde er mit Paul Hegenbart, Wilhelm Selke und Julius Wordelmann zum Tode verurteilt. Heinze wohnte in Friedrichshain in der Wilhelm-Stolze- Straße 32, dort befindet sich ebenfalls eine Gedenktafel. Das symbolische Grab Heinzes ist auf dem Friedhof der Georgen Parochialgemeinde in der Boxhagener Straße 100 gelegen.

8 Sylvia Lais, Hans-Jürgen Mende: Lexikon Berliner Straßennamen. Haude Et Spener, 2003, S.427. Zu dem Denkmal auf dem Kaiser-Wilhelm-Platz siehe: Alexander Kauther, Joachim Rahn: Das Denkmal Wilhelm I. König von Preußen und Deutscher Kaiser in Berlin-Johannisthal (von 1895 bis 1942) (Heft 23). Freundeskreis Heimatgeschichte Treptow, 2015. 9 Zum Widerstandskampf in Johannisthal siehe auch: Emil Jeschonnek: Ihr Vermächtnis ist uns Verpflichtung. Der antifaschistische Widerstandskampf 1933 - 1945 im Ortsteil Johannisthal. Komitee der Antifaschistischen Widerstandskämpfer der DDR, Kreiskomitee Berlin -Treptow, 1986.

Johannisthal

Zu Franz und Fritz Kirsch siehe Stolpersteine im OT Adlershof, Wassermannstraße 69. Für Fritz Kirsch und andere Opfer des Faschismus existiert auf dem Waldfriedhof im OT Oberschöneweide ein weiterer Gedenkstein. Ebenfalls in Johannisthal geboren ist deren Schwester Helene Fredrich, geb. Kirsch, die 1932 als Abgeordnete der KPD in den Reichstag gewählt wurde. Sie verstarb 1999.10 Der Buchhalter Günther Kobs stammte aus einer sozialdemokratischen Familie. Als Soldat leistete er antifaschistische Aufklärungsarbeit. Er wurde denunziert und wegen Wehrkraftzersetzung zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt. Er verstarb im Zuchthaus Waldenburg. 11 Johannes Sasse wurde als Soldat vor dem Reichskriegsgericht am 03.02.1944 aufgrund von antinazistischen Äußerungen zum Tode verurteilt. Im Zuchthaus Halle wurde er mit dem Fallbeil hingerichtet. In jungen Jahren war Hans Schmidt Mitglied der Sozialistischen Arbeiterjugend. 1935 wurde er für einige Monate im KZ Columbia in Berlin inhaftiert. Als Funker einer Einheit der Luftwaffe war er 1944 in der italienischen Stadt Albinea stationiert. Er plante mit Oddino Cattini die Gründung einer Partisanengruppe, die deutsche Deserteure aufnehmen sollte. Vor der Desertion plante Schmidt mit drei weiteren Gefreiten und einem Feldwebel eine Funkanlage sowie zwei Luftwaffenoffiziere den Partisanen zu übergeben. Bei der 123 Durchführung des Plans entdeckte man die Gruppe, da ein Aufklärungsflugzeug der Alliierten Leuchtfeuer abwarf und so die Einheit alarmierte. Schmidt wurde in die Kommandantur bestellt. Der Versuch sich und die dortigen Offiziere mit einer Handgranate ums Leben zu bringen scheiterte. Er wurde wie die anderen vier Deserteure ermordet. 1944 veranlasste ein katholischer Geistlicher aus Albinea eine erneute, diesmal namentliche Beisetzung der Soldaten. Die Gräber liegen auf dem Soldatenfriedhof in Costermano am Gardasee. Ebenfalls dort beerdigt sind weitere SS-Männer und Mitarbeiter aus den Vernichtungslagern.12

10 Günther Wehner: Auf den Spuren von Helene Friedrich. In: Die Linke: Rundbrief 1+2/2008, S. 57-59. Vgl. Heinrich-Wilhelm Wörmann: Widerstand in Köpenick und Treptow. Gedenkstätte Deutscher Widerstand, 2013, S. 132. 11 Maur spricht 1972 von „antifaschistischer Aufklärungsarbeit“ (S. 14), Wörmann von antinazistischer Aufklärung (S. 86), und Hübner führt an, dass Kobs „sich kritisch über den Nationalsozialismus“ äußerte (S. 386). 12 Matthias Brieger: Wehrmachtsdeserteure in der Resistenza. UTOPIE kreativ, Heft 175, 05.2005, S. 427-435. Ralf Drescher: Am 17. September wäre der Nazigegner 100 Jahre geworden. Berliner Woche, 18.09.2014.

Johannisthal

Zum posthumen gedenkpolitischen Umgang mit Hans Schmidt lässt sich festhalten, dass dieser 1949 Ehrenbürger der Gemeinde Albinea wurde.13 Das Gedenken an ihn ist im Bezirk bis heute lebendig: Eine Städtepartnerschaft zwischen Treptow und Albinea wurde 1998 ins Leben gerufen. Der vorher unbenannte Platz des Denkmals wurde 2003 nach Albinea benannt, im selben Jahr erhielt die Hans-Schmidt- Straße in Johannisthal ihren neuen Namen.14 Zu Otto Springborn liegen sich zum Teil widersprechende Quellen vor. Einerseits wird angeführt, dass er der Spartakusgruppe angehörte, vor dem Ersten Weltkrieg verhaftet, und im Laufe der Novemberrevolution befreit wurde. Ab 1919 soll er aktives KPD Mitglied in Kreuzberg gewesen sein. An anderer Stelle wird dargelegt, dass der Metallarbeiter im Deutschen Metallarbeiter-Verband Springborn nach einer Verwundung im Ersten Weltkrieg den weiteren Wehrdienst ablehnte und zwei Jahre illegal in Berlin lebte. 1919 sei er der SPD beigetreten, 1926 der KPD. Sicher scheint zu sein, dass er, da er gegen die NS-Diktatur agitierte, wegen der Herstellung von Flugblättern 1934 zu einer sechsmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt wurde. Während des Krieges wurde er zum Straßenbau in Elsass- Lothringen dienstverpflichtet und am 12.06.1944 verhaftet, zunächst saß er im Gefängnis Mulhouse (Mühlhausen im Elsass), später dann , schlussendlich Brandenburg. Er wurde wegen Wehrkraftzersetzung zum Tode verurteilt und am 31.07.1944 124 hingerichtet. Er wohnte zuletzt in Johannisthal.15 Seine Urne befindet sich in der Gedenkstätte für die Opfer des Zuchthauses Brandenburg in Marienberg neben dem Krematorium.

13 Matthias Brieger: Wehrmachtsdeserteure in der Resistenza. In: UTOPIE kreativ, Heft 175, 05.2005, S. 427-435. 14 Wolfgang Carst: Gedenkstein am Albinea-Platz. Verein fördert Partnerschaften in Treptow-Köpenick. Neues Deutschland, 22.10.2003. Büro des Bezirksbürgermeisters: Öffentlichkeitsarbeit 10-jähriges Bestehen der Städtepartnerschaft Albinea - Treptow-Köpenick. Pressemitteilung, 18.02.2008. In Johannisthal wurde am 01.09.2003 auch eine Straße nach ihm benannt. Sylvia Lais, Hans-Jürgen Mende (Hrsg.): Lexikon Berliner Straßennamen. Haude et Spener, 2003, S.182. 15 Holger Hübner: Das Gedächtnis der Stadt. Gedenktafel in Berlin. Argon, 1997, S. 386. Hans-Jürgen Mende (Hrsg): Lexikon. Alle Berliner Straßen und Plätze. Von der Gründung bis zur Gegenwart (4. Band). Verlag Neues Leben, Edition Luisenstadt, 1998, S. 101. Miethe: Otto Springborn (Notiz). Institut für Denkmalpflege, 1977. Archiviert im Zeitungsarchiv Museum Treptow, Ordner Denkmalpflege bis 1989.

Johannisthal

Der Sozialdemokrat und Postbeamte Eduard Zachert war seit 1923 Vorsitzender des Bezirksverbandes der Allgemeinen Deutschen Postgewerkschaft. Im selben Jahr wurde er Abgeordneter der Stadtverordnetenversammlung Berlin, und zog 1925 in den Preußischen Landtag ein. 1934 wurde er einige Monate im KZ Lichtenburg inhaftiert. Nach seiner Freilassung engagierte er sich weiter im Widerstand bis er im Oktober 1942 von der Gestapo verhaftet und am 25.03.1943 zum Tode verurteilt wurde. Er wurde in

Sockel des Kaiser-Wilhelm-Denkmals, gelaufen 1928. Postkartenarchiv Museum Treptow-Köpenick 125 Berlin-Plötzensee hingerichtet.16 In der Mendelssohnstraße 10 in Prenzlauerberg findet sich ein Stolperstein für Zachert.

Bemerkenswert an dem Denkmal am Albineaplatz ist, dass mit Günter Kobs („In den Soldatenrock der faschistischen Wehrmacht gepreßt, leistete er intensive Aufklärungsarbeit“), Johannes Sasse („zum Kriegsdienst für die Monopolisten gezwungen) und Hans Schmidt („In die Zwangsjacke der faschistischen Armee gezwängt, trat er mutig gegen den imperialistischen Krieg auf“) Soldaten als Antifaschistischen gewürdigt wurden, die so der Gedenkstein Hitlers Blutregime zum Opfer fielen.17 Diese Interpretation ist nicht zwingend: Seit 1946 galten in der DDR auch Militärstraftäter (beispielsweise Deserteure) als Opfer des Faschismus, ihnen wurden die entsprechenden Ausweise ausgehändigt. Sie wurden explizit nicht

16 Soweit nicht anders vermerkt: Hans Maur: Gedenkstätten der revolutionären Arbeiterbewegung. Heft 3, 11.1972, S. 13ff. Holger Hübner: Das Gedächtnis der Stadt. Gedenktafel in Berlin. Argon, 1997, S. 158, 386. 17 Zitate übernommen von Maur 1972.

Johannisthal

als „Kämpfer gegen den Faschismus“ gewürdigt. Am 08.06.1950 wurde eine „Verordnung zur Sicherung der rechtlichen Stellung der anerkannten Verfolgten des Naziregimes (VdN)“ erlassen, die Verfolgte des Nationalsozialismus nun als „Personen, die wegen ihres Glaubens, ihrer Rasse, ihrer früheren politischen Betätigung, wegen Widerstandes gegen das Naziregime oder wegen politischer Unzuverlässigkeit im In- und Ausland verfolgt worden sind“ sowie als Hinterbliebene dieser Personen definierte. Die Anerkennungsrichtlinien wichen hier von der 1946er Richtlinie ab, Militärstraftäter wurden nicht mehr zwingend als Opfer deklariert. Das Berliner Landesarchiv hält unter der Nummer C Rep. 118-01 9045 in der Versorgungsakte Hans Schmidt, geb. 17.09.1914 für den Zeitraum von 1945 bis 1989 jedoch fest, dass Bezüge nach der Neubewertung auch noch nach 1950 gezahlt wurden.18 STOLPERSTEINE Familie MÜLLER/WILLDORF Mathilde Müller, geb. Herscha[u/n]der19, verwitwete Willdorf (Bomst 23.01.1888 - Auschwitz), Rudolf Willdorf (München 15.04.1914 - Riga), Margot Willdorf (Johannisthal 09.09.1919 - Auschwitz) Königsheideweg 269 Mathilde Willdorff, geb. Herschauer bringt 1914 ihren Sohn Rudolf in München zur Welt. Sie zieht 1918 nach Johannisthal, wo 1919 ihre 126 Tochter Margot geboren wird. Dort heiratete sie einen Herrn Müller, der sie vor weiterer Verfolgung in einer sogenannten „Mischehe“ hätte schützen können, wäre er nicht vorher verstorben. Mathilde Müller bemühte sich 1934 um die Aufnahme ihrer selbst und ihrer erwachsenen Kinder in die Kirchengemeinde Johannisthal.20

18 Die Frage, ob es sich bei den Soldaten um Deserteure oder Widerstandskämpfer handelte, war bis einige Jahre nach der Widervereinigung auch in der BRD eine politisch-rechtliche entscheidende Frage, schließlich wurden bis in die 1990er Jahre den Witwen Sozialrenten verweigert. Heike Schroll: „Vorwort“. In: Landesarchiv Berlin, C Rep. 118-01. Hauptausschuss "Opfer des Faschismus" (OdF) / Referat Verfolgte des Naziregimes (VdN) Findbuch. O.V., 2006, S. III - IX. Matthias Brieger: Wehrmachtsdeserteure in der Resistenza. In: UTOPIE kreativ, Heft 175, 05.2005, S. 427-435. Vgl. Andreas Herbst: „NS-Deserteure in der DDR“. In: Geschichtswerkstatt 22, 1990, S. 49 ff. 19 Herschander ist die Schreibweise des Onlinegedenkbuchs. Auf ancestry.co.uk liegt eine Heiratsurkunde für Mathilde Herschander sowie Friedrich David Willdorff vor. 20 Familie Müller/Willdorf. In: Bund der Antifaschisten Treptow e.V. et al.: Stolpersteine in Berlin Treptow-Köpenick 2008, S. 32f. Anja Schindler: „Die

Johannisthal

Die Bayerische Israelitische Gemeindezeitung gibt weiterhin an, dass Rudolf Willdorf, Sohn des Herrn Friedrich Willdorf, wohnhaft im Kinderheim, Antonienstraße am 30.04.1927 seine Bar-Mitzwah feierte. Dieses jüdische Fest - vergleichbar mit der Jugendweihe oder Konformation - wird für Jungen so auch Rudolf Willdorf - im Alter von 13 Jahren begangen. Margot Willdorf[f] wurde am 02.03.1943 und Mathilde Müller am 19. April 1943 nach Auschwitz deportiert. Sie waren bis dahin in Treptow wohnhaft. Rudolf Willdorf[f] wurde am 13.01.1942 nach Riga verschleppt. Er wohnte zu dem Zeitpunkt im Johannisthaler Rollettweg 5 in einer Laube. 21 HIER WOHNTE \ MATHILDE MÜLLER \ GEB. HERSCHAUER \ JG. 1888 \ DEPORTIERT 1943 \ ERMORDET IN \ AUSCHWITZ HIER WOHNTE \ RUDOLF \ WILLDORF \ JG. 1914 \ DEPORTIERT 1942 \ ERMORDET IN \ RIGA HIER WOHNTE \ MARGOT \ WILLDORF \ JG. 1919 \ DEPORTIERT 1943 \ ERMORDET IN \ AUSCHWITZ Die Stopersteinverlegung war ein Gemeinschaftsprojekt der 10. Oberschule Treptow-Köpenick mit dem Bund der Antifaschisten Treptow e.V.22

Trümmerfrau 127 Sterndamm 128 - 134

Das Bronzedenkmal wurde 1969 von Gerhard Thieme geschaffen. Auf einem Sockel steht eine Frau mit Hammer in gebückter Haltung, die einen Stein auf den Oberschenkel stützt.23

Deutschen Christen in Johannisthal.“: In: Becker et al.: Juden in Treptow. Sie haben geheißen wie ihr heißt. Hentrich 1993,S. 113f. 21 Mit dem Wissen, dass Rudolf Willdorf bis 1927 in einem Münchner Kinderheim wohnte, und zum Zeitpunkt der Deportation im Rollettweg 5 in Johannisthal wohnte, bleibt erneut zu prüfen, ob er wie Mutter und Schwester ebenfalls im Königsheideweg 269 gemeldet war. O.A.: Personalia - Bar-Mizwah. In: Bayerische Israelitische Gemeindezeitung, 15.04.1927, S. 127. 22 Ric: „Geistig stolpern.“ Drei neue Gedenksteine in Treptow eingeweiht. Berliner Abendblatt, 05.04.2006. 23 Klaus Weidner: Plastiken, Denkmäler, Brunnen im Bezirk Treptow. Luisenstädtischer Bildungsverein, 1993, S. 31.

Johannisthal

Köpenick

Salvador ALLENDE GOSSENS Valparaiso 26.07.1908 - Santiago de Chile 11.09.1973 Pablo-Neruda-Straße/Salvador-Allende-Straße Salvador-Allende-Straße 2 - 8 / Müggelschlösschenweg (Allende- Viertel)

Am Eingang zum Allendevier- tel, gegenüber der Pablo- Neruda-Str. 11 und an der Stirnseite des Emmy-Noether- Gymnasiums, wurde die Bron- zebüste Salvador Allendes am 11.09.2013 nach einem BVV- 128 Beschluss neuaufgestellt und mit folgendem Schriftzug ver- sehen: 1

Salvador Allende \ Präsident der Republik Chile 1970-1973 \ 26.06.1908 11.09.1973

Die Büste befand sich ehemals Kulturring in Berlin e. V. vor dem Emmy-Noether Gym- nasium, (bis 2011 Salvador-Allende Schule).2 Der 25. Oberschule wurde im November 1973 zeitgleich mit der Umbenennung von Achenbachstraße in Salvador-Allende-Straße, und Müggelschlöss- chenstraße in Pablo-Neruda-Straße der Name Salvador Allende Schu- le verliehen.3 Drei Jahre zuvor wurde Allende 1970 als Kandidat der Unidad Popular zum chilenischen Präsidenten gewählt. Die von Diet-

1 Drucksache der BVV Treptow-Köpenick von Berlin: Allende-Büste im Ein- gangsbereich des Allende-Viertels. Drs.Nr. VII/0378, Beschluss Nr.0248/18/13. 2 Ralf Drescher: Bezirksverordnete einigen sich auf einen Kompromiss. Berli- ner Woche, 15.03.2013. 3 o.A.: Hauptstadt unserer Republik ehrte Salvador Allende und Pablo Neru- da. Neues Deutschland, 4.11.1973.

Köpenick

rich Rohde geschaffene Büste wurde Anfang der 1980er Jahre aufge- stellt.4

Nicht weit entfernt erinnert ein weiterer Gedenkstein in der Salva- dor-Allende-Straße 2 - 8 vor dem Haupteingang des Krankenhaus Kö- penick im Park an die letzte Rede Allendes, die dieser am 11.09.1973 gegen acht Uhr morgens an das chilenische Volk im Radio richtete. Auszüge der Rede finden sich als Inschrift auf dem Gedenkstein:

Dr. Salvador \ Allende \ Ich habe die Gewiss \ heit, daß die Saat, die \ wir in das würdige Be \ wußtsein Tausender und \ Abertausender Chi- lenen \ gepflanzt haben, nicht her \ ausgerissen werden kann. \ Sie haben die Gewalt. Sie kön \ nen uns unterjochen, aber \ die sozialen Prozesse kann \ man weder durch Verbre \ chen noch durch Gewalt \ aufhalten. Die Geschichte \ ist mit uns. Sie wird von \ den Völkern ge- schrieben. \ 11.9.1973 \ Letzte Worte an das Volk

Wohlwissend, dass dies seine letzte Rede werden würde, endete er: „Es lebe Chile! Es lebe das Volk! Es leben die Werktätigen! Das sind meine letz- ten Worte, und ich habe die Gewiss- heit, dass mein Opfer nicht vergeblich sein wird.“ Allende nahm sich noch am selben Tag das Leben nachdem 129 Kampfjets den Präsidentenpalast bombardierten, und die Armee diesen erstürmte. Die Militärjunta unter Au- Kulturring in Berlin e. V. gusto Pinochet regierte daraufhin das Land bis 1990.5

Der Gedenkstein mit der Rede Allendes gehört wahrscheinlich zu der mehrteiligen Plastik mit dem Titel "Salvador Allende Ehrung", die Ma- rianne Traub zwischen 1986 und 1988 kreierte. Teil dieser war die rund 130 cm hohe Bronzeskulptur "Sich schützender Knabe" (1986/87), die 1989 eingeweiht wurde und sich im Besitz des damali- gen Allende-Krankenhauses befindet. 6 Es ist anzunehmen, dass es

4 Kommission Kunst im öffentlichen Raum des Bezirkes Treptow-Köpenick: Verzeichnis Kunst im öffentlichen Raum – Bezirk Treptow-Köpenick. Bezirk- samt Treptow-Köpenick, Amt für Weiterbildung und Kultur (Hrsg.), 2016, S.47. 5 Oscar Guardiola-Rivera: Story of a Death Foretold: The Coup Against Salva- dor Allende, 11 September 1973. A&C Black, 2013. Salvador Allende et al.: Im Wortlaut - Die letzten Worte Allendes. Frankfurter Rundschau, 11.09.2003. 6 Marcus Kenzler: Der Blick in die andere Welt: Einflüsse Lateinamerikas auf die Bildende Kunst der DDR. Teilband 1. LIT Verlag Münster, 2012, S. 383. Bezirksamt Treptow-Köpenick, Amt für Weiterbildung und Kultur (Hrsg.): Gesamtübersicht der Denkmale u. Plastiken im Bezirk Treptow-Köpenick.

Köpenick

sich dabei um die Figur im Müggelschlösschenweg (Krankenhauspark) handelt.7

Im Allende-Viertel erinnert an die Ereignisse in Chile weiterhin eine Gedenktafel für Pablo Neruda und eine Skulptur für Victor Jara (siehe da). Im Emmy-Noether Gymnasium befindet sich ebenso eine von In- geborg Hunzinger 1976 gestaltete Sandsteinstele mit dem Titel „Chi- le“. Sie zeigt ineinander geschobene Menschenkörper, dazwischen ragt eine zerbrochene Gitarre hervor, die vermutlich ebenfalls auf Victor Jara verweist.8

ALLIIERTENTREFFEN 1945 / UNTERZEICHNUNG „BERLINER DEKLARATI- ON“ Niebergallstraße 20 (Wendenschloss)

Vor der inzwischen abgerisse- nen Waldgaststätte „Wen- denschloß“ (später Gaststätte „Freundschaft“) erinnert ein freistehender Gedenkstein an die Unterzeichnung der Berli- ner Deklaration:

Am 5. Juni 1945 \ unterzeich- 130 neten hier \ im ehemaligen Hauptquartier \ Marschall G. K. Shukows \ die Vertreter der Oberkommandos \ der Anti- o.A.: Wendenschloß Niebergallstr. 1986. Fotoarchiv Museum Köpenick Treptow Hitler-Koalition \ die Deklara- 19/19.43 tion \ über die Niederlage des faschistischen Deutschlands \ und die Übernahme \ der Regierungsgewalt \ durch die vier alliierten Staaten.

Nach der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands am 08. Mai 1945 übernahmen mit der Berliner Deklaration die Siegermächte oberste Regierungsgewalt in Deutschland.9 Am selben Tag erfolgte

Stand April 2004, S. 17. Klaus Weidner: Plastiken, Denkmäler, Brunnen im Bezirk Köpenick. Luisenstädtischer Bildungsverein, 1993, S.28. 7 Vgl. Kommission Kunst im öffentlichen Raum des Bezirkes Treptow- Köpenick von Berlin: Verzeichnis Kunst im öffentlichen Raum – Bezirk Trep- tow-Köpenick, 2016, S.38. 8 Kommission Kunst im öffentlichen Raum des Bezirkes Treptow-Köpenick von Berlin: Verzeichnis Kunst im öffentlichen Raum – Bezirk Treptow- Köpenick. 2016. 9 [Berliner] Erklärung in Anbetracht der Niederlage Deutschlands und der Übernahme der obersten Regierungsgewalt hinsichtlich Deutschlands durch die Regierungen des Vereinigten Königreichs, der Vereinigten Staaten von

Köpenick

die Feststellung über die vier Besatzungszonen in Deutschland und in Groß-Berlin10 sowie die Feststellung über das Kontrollverfahren in Deutschland. Die vier Oberbefehlshaber der Siegermächte bildeten zusammen den Kontrollrat, der für eine Abstimmung des Vorgehens in den Besatzungszonen sorgen und über Fragen, die Deutschland als Ganzes betrafen, entscheiden sollte.11

Die in Französisch, Russisch und Englisch verfassten, bindenden Fas- sungen der Erklärung wurden von Eisenhower (USA), Shukow (SU), Montgomery (GB) und de Lattre-Tassiany (F) am 05. Juni 1945 um 18:00 Uhr unterzeichnet.

Eine erste Gedenktafel wurde vermutlich 1982 an einer Backstein- stehle angebracht. Diese wurde jedoch 1992 zerstört.12 Der derzeitige Gedenkstein wurde am 05.06.2005 anlässlich des 60jährigen Geden- kens enthüllt.13

ALTERSHEIM DER JÜDISCHEN GEMEINDE BERLIN 1932 - 1942 Mahlsdorfer Straße 99 (Dammfeld)

Im Seniorenheim der Volkssolidarität Berlin befindet sich an der Hauswand neben dem Eingangsportal eine schwarze Granittafel mit weißer Inschrift. Diese wurde anlässlich des Jahrestages der 60jährigen Befreiung von Auschwitz am 27.01.2005 unter Anwesen- 131 heit eines Enkels einer damals deportierten Bürgers angebracht.14 Ihr Text lautet:

Hier befand sich von 1932 bis 1942 ein \ Altersheim der Jüdischen Gemeinde Berlin. \ Nach der Räumung des Heimes durch die \ Natio- nalsozialisten wurden die hier lebenden \ Bewohner nach Theresien-

Amerika und der Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken und durch die Provisorische Regierung der Französischen Republik. 05.06.1945. 10 Feststellung seitens der Regierungen des Vereinigten Königreichs, der Ver- einigten Staaten von Amerika und der Union der Sozialistischen Sowjet- Republiken sowie der Provisorischen Regierung der Französischen Republik über die Besatzungszonen in Deutschland. 05.06.1945 11 Feststellung seitens der Regierungen des Vereinigten Königreichs, der Ver- einigten Staaten von Amerika und der Union der Sozialistischen Sowjet- Republiken sowie der Provisorischen Regierung der Französischen Republik über das Kontrollverfahren in Deutschland. 05.06.1945. 12 Holger Hübner: Das Gedächtnis der Stadt. Gedenktafel in Berlin. Argon, 1997, S. 394. 13 Holger Hübner et al.: Berliner Erklärung. In: Gedenkstätte Deutscher Wi- derstand, Verein Aktives Museum (Hrsg.): Gedenktafeln in Berlin. URL: www.gedenktafeln-in-berlin.de/nc/gedenktafeln/gedenktafel- anzeige/tid/berliner-erklaerung/. 14 O.A: An Auschwitz erinnern und schweigen. Viele Veranstaltungen am Ho- locaust-Gedenktag. Tagesspiegel, 27.01.2005. Claus-Dieter Sprink: Einladung – Gedenktafel am ehemaligen Jüdischen Altersheim. Museum Köpenick, 17.01.2005.

Köpenick

stadt und von dort in die \ Vernichtungslager Auschwitz und Riga de- portiert

1915 wurde das Haus als Israelitische Fürsorge-Erziehungsanstalt für Mädchen geplant. 25 Mädchen konnten hier untergebracht werden, außerdem befand sich im Haus ein Kleinkinderheim für 36 Kinder von zwei bis sechs Jahren. Ab 1932 wurde das Haus als Altersheim der jü- dischen Gemeinde genutzt. Die 32 Zimmer waren für 63 Menschen ausgelegt. Zur Volkszählung 1939 lebten im Heim bereits 82 Perso- nen. Im selben Jahr erfolgten erste Deportationen, am 26. Oktober 1942 schließlich wurde das Heim mit dem 22. Osttransport nach Riga endgültig geräumt.15 Charlotte von Mahlsdorf erinnerte sich 1992 an die Geschichte des Hauses und ihre Bewohnenden:

„Ende 1942 hatten die Nazis alle jüdischen Bewohner ‚abgeholt‘, de- portiert und vergast. Danach okkupierte die Hitlerjugend (HJ) das Haus, Ölgemälde, die den alten Juden geraubt worden waren, hingen auf den Korridoren und in den Dienstzimmern der Hitlerjugendfüh- rer. Der Davidsstern wurde durch das HJ-Emblem verdeckt.“ 16

Gegen Ende des Kriegs wurde das Haus als Luftschutzlazarett genutzt, dann belegte der Verlag der Sowjetischen Militäradministration die Räumlichkeiten. In der Friedrichshagener Seestraße 43 (heute Müg- gelseedamm 212) befand sich vermutlich ein weiteres jüdisches Al- 132 tersheim.17

Baum der Menschenrechte Futranplatz (Alt-Köpenick)

Am 19. Mai 1995 pflanzte eine Köpenicker amnesty international Gruppe mit Unterstützung des Natur- und Grünflächenamts einen "Baum der Menschenrechte". Eine Zitat Albert Schweitzers verweist auf die Aktion:

WO DAS BEWUSSTSEIN \ SCHWINDET \ DASS JEDER \ MENSCH UNS ALS MENSCH \ ETWAS ANGEHT, KOMMEN \ KULTUR UND ETHIK INS WANKEN. \ ALBERT SCHWEITZER.

15 Gerd Lüdersdorf: Es war ihr Zuhause. Juden in Köpenick. Edition Roots 1998, S. 24. 16 Charlotte von Mahlsdorf: „Ich bin meine eigene Frau“ 1992, In: Gerd Lü- dersdorf: Es war ihr Zuhause. Juden in Köpenick. Edition Roots 1998, S.24. 17 Claus-Dieter Sprink: Spuren der jüdischen Gemeinde in Köpenick. Vortrag am 27. April 1993. Heimatmuseum Köpenick 1993, S. 8

Köpenick

Es findet sich auf einer in einen Findling eingelassenen Bronzetafel. Die AI-Gruppe Köpenick wurde mittlerweile aufgelöst.18

Kulturring in Berlin e. V.

BÜRGERMEISTER UND BEZIRKSVERORDNETENVORSTEHER Alt-Köpenick 21 (Alt-Köpenick)

Im Treppenhaus des Rathauses Köpenick hängen seit 2008 in der ers- 133 te Etage drei Acrylglastafeln mit dem Bezirkswappen von Treptow- Köpenick (linke Tafel), den Namen der Bürgermeister (mittlere Tafel) und den Bezirksverordnetenvorstehern (rechte Tafel) des Bezirks: 19

BÜRGERMEISTER \ STADT KÖPENICK \ 1381 Johannes Segefeld \ 1598 Kratz und Lorentz \ 1603 Martin Kliestow, Johann Pariser \ 1614 Andreas Dahmes, Michael Gelnitz, \ Gregorius Grünenthal, Johann Pariser \ 1637 Jacob Lorentz, Andreas Schmidt \ 1683 Joachimus Gerstenberg, Christian Roemer \ 1699 Arnold ter Brügge \ 1714 Jo- hann August Puchan \ 1718 Johann Gottlieb Reichenberg, \ Johann Georg Schmidt \ 1756 Georg Friedrich von Cardinal \ 1785 Christoph Daniel Thürnagel, \ Carl Heinrich Ungnad \ 1796 Adolf Georg Wilhelm Rehfeld \ 1809 Carl Martin Mirus \ 1810 Carl Heinrich Ungnad \ 1816 Carl Philipp Stägemann \ 1817 Ferdinand Wilhelm Kühnemann \ 1823 Friedrich Wilhelm Sandner \ 1869 Ottomar Oertel \ 1871 Wilhelm Gustav Borgmann \ 1904 Dr. Georg Langerhans \ 1918 Ludwig Behn- ke \ BEZIRK KÖPENICK VON BERLIN \ 1920 Ludwig Behnke \ 1921 Martin Franz \ 1923 Robert Kohl \ 1929 Martin Franz \ 1933 Karl Ma-

18 Amnesty International: Pressemitteilung Damit die Hoffnung wächst: Ein Baum für die Menschenrechte. 15.05.1995. (Die Pressemitteilung spricht da- von, dass das Schweitzer Zitat an dem Baum befestigt wurde). 19 Vgl. BVV: Erinnerung an die Bürgermeister und Bezirksverordnetenvorste- her. Drucksache V/1572, 2008.

Köpenick

thow \ 1945 Gustav Kleine \ 1946 Fritz Bessen \ 1984 Gustav Kleine \ 1951 Fritz Schiller \ 1961 Herbert Fechner \ 1967 Hort Stranz \ 1989 Wilfried Engel \ 1990 Monika Höppner \ 1992 Dr. Klaus Ulbricht \ BE- ZIRK TREPTOW-KÖPENICK VON BERLIN \ 2001 Dr. Klaus Ulbricht \ 2006 Gabriele Schöttler

BEZIRKSVERORDNETENVORSTEHER \ BEZIRK KÖPENICK VON BERLIN \ 1920 Max Betcke \ 1921 Karl Dünnebeil \ 1921 Gustav Straube \ 1922 Fritz Woick \ 1932-1933 Heinrich Ehrlich \ 1946-1948 Alwin Brandes \ 1990 Winfried Blohm \ BEZIRK TREPTOW-KÖPENICK VON BERLIN \ 2000 Ulrich Stahr \ 2001 Winfried Blohm \ 2006 Siegfried Stock

Vergleichbare Tafeln hängen im Rathaus Treptow (siehe dort).

DIE HEILIGE DOROTHEA VERTEILT BROT AN FLÜCHTLINGE Oberspreestraße 173 - 181 (Spindlersfeld)

An dem Max Taut Bau des Alexander von Humboldt-Gymnasiums von 1928 prangt das Keramikrelief Rudolf Bellings der Heili- gen Dorothea mit der schlichten Inschrift:

DOROTHEA

Sie hält einen Brotlaib in der rechten Hand. 134 Ihr sind zwei Frauen zugewandt, die eben- 20 falls knöchellange Kleider tragen. Kulturring in Berlin e. V.

ELISABETH HENRIETTE VON HESSEN-KASSEL Kassel 18.11.1661 - Cölln/Spree 07.07.1683 Schloßinsel (Alt-Köpenick)

Für die Erbprinzessin von Branden- burg wollte der spätere Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg ein Denkmal setzten lassen, nachdem sie in jungen Jahren nach der Ge- burt ihres Kindes Luise Dorothea Sophie an einer Pockenkrankheit verstarb. In der von Johann Arnold Kulturring in Berlin e. V. Nering entworfenen Schlosskapelle erinnert eine Büste über dem Kanzelaltar an sie.21

20 Klaus Weidner: Plastiken, Denkmäler, Brunnen im Bezirk Köpenick. Luisen- städtischer Bildungsverein 1993, S.29. 21 Rudolf G. Scharmann: „Elisabeth Henriette von Hessen-Kassel, Erbprinzes- sin von Brandenburg“. In: Generalverwaltung des vormals regierenden Preu- ssischen Königshauses (Hrsg.): Preussen.de, 2003.

Köpenick

Paul von ESSEN Olsztyn 01.03.1886 - Berlin 21./22.06.193322 Essenplatz 9 (Elsengrund)

Am ehemaligen Wohnort von Essens am Essenplatz 9 befindet sich an der Hauswand eine Bronzetafel mit dem Text:

Hier wohnte der \ Widerstands- \ kämpfer \ Paul von Essen \ geboren am 1.3.1886 \ in Allenstein. \ In der Köpenicker \ Blutwoche von \ der S.A. am 21.6.1933 \ ermordet.

Der Schlosser und Mitglied des Kulturring in Berlin e. V. Reichsbanners von Essen, der zuletzt als Jagdaufseher bei Landrock arbeite- te, wurde am Morgen des 21. Juni 1933 gegen 9.30 Uhr von SA- Schergen in seinem Haus festgehalten, während diese eine Haus- durchsuchung durchführten. Ein Anruf bei der Polizei durch seine Frau brachte nicht den gewünschten Schutz. Von Essen wurde mit Erwin Mante zum SA-Sturmlokal Seidler gefahren, grausamst gefol- tert und im Amtsgerichtsgefängnis erschossen. Von Essen wurde wie 135 Johannes Stelling und Karl Pokern in einen Leichensack genäht und in der Dahme versenkt. Seine Sterbeurkunde hält fest, dass er auf dem Grundstück Rückertstraße 9 am 01. Juli 1933 aufgefunden wurde.23 Er wurde mit Johannes Stelling im Juli 1933 im Krematorium Wedding eingeäschert.24

Vor dem Wohnhaus von Essens befindet sich außerdem seit dem 02.12.2013 ein Stolperstein mit der Inschrift: 25

HIER WOHNTE \ PAUL VON ESSEN \ JG. 1886 \ IM WIDERSTAND SPD \ MISSHANDELT"/"GEFOLTERT \ VON SA ERMORDET 21.6.1933 \ KÖ- PENICKER BLUTWOCHE

22 Von Essen wurde in der Nacht vom 21. auf den 22. Juni ermordet. Wör- mann beispielsweise führt den 22.06.1933 als Todestag an. Heinrich- Wilhelm Wörmann: Widerstand in Köpenick und Treptow. Gedenkstätte Deutscher Widerstand, 2013, S.32. 23 Standesbeamte in Vertretung Milius: Sterbeurkunde Paul von Eßen. 346/1933, 10. Juli 1933. 24 Soweit nicht anders verzeichnet: Heinrich-Wilhelm Wörmann: Widerstand in Köpenick und Treptow. Gedenkstätte Deutscher Widerstand, 2013, S. 26, 32f, 35, 62. 25 O.A.: „Stolpersteine für sieben Opfer der Köpenicker Blutwoche“. In: SPD Fraktion in der BVV Treptow-Köpenick: Infobrief, 10/2013, S.2.

Köpenick

Siehe auch: Gedenkstätte der Opfer der Köpenicker Blutwoche am Essenplatz 1, sowie Klinkerstehle in der Wilhelminenhofstraße 76/77 (OT Oberschöneweide). Paul von Essen wurde in der Grabstelle Abt. B1 - 21 auf dem Friedhof Baumschulenweg-Kiefholzstraße beigesetzt. In den 1980er Jahren wurde diese Grabstätte eingeebnet. Er erhielt in der Abteilung der Verfolgten des Naziregimes (VdN) des Friedhofs einen symbolischen Gedenkstein.26

Cousins FLATOW Gustav Felix Flatow (Berent 07.01.1875 - Theresienstadt 29.01.1945) Alfred Flatow (Danzig 03.10.1869 - Theresienstadt 28.12.1942) Birkenstraße 11 (Kämmereiheide)

In Erinnerung an die jüdischen Sportler Gustav und Alfred Flatow ist vor der Flatow-Oberschule eine Bronzetafel auf einem Podest ange- bracht, die die Porträts der Flatow-Cousins sowie den stilisierten Grundriss Theresienstadts zeigt. Bernd Finkenwirth schuf die Tafel, die am 14.10.1995 enthüllt wurde.27 Ihr Text lautet:

136

Kulturring in Berlin e. V.

Den Siegern der 1. Olympiade der Neuzeit 1896 in Athen \ Gustav Fe- lix Flatow und Alfred Flatow \ geb. 7.1.1875 geb. 3.10.1869 \ gest. 29.1.1945 gest. 28.12.1942 \ Die beiden Pioniere der deutschen Sportbewegung \ wurden wegen ihrer jüdischen Herkunft ausge- grenzt, \ verfolgt und später von den Nationalsozialisten in das \ KZ

26 Schreiben Bezirksamt Treptow von Köpenick, Geschäftszeichen SGA VII.4/1999. 27 Holger Hübner: Das Gedächtnis der Stadt. Gedenktafel in Berlin. Argon, 1997, S. 395.

Köpenick

Theresienstadt deportiert. \ Sie starben dort vor Hunger und Entkräf- tung.

Initiiert wurde die Tafel durch ein Schulprojekt der Flatow-Schule. Zur Einweihung reiste der 70jährige Sohn Gustav Flatows Stefan Flatow aus Rotterdam an.28

Alfred Flatow zog 1887 nach Berlin und wohnte ab 1890 am Kurfürs- tendamm. Er nahm an den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit 1896 in Athen teil und gewann Gold- und Silbermedaillen am Barren sowie Reck. Er engagierte sich sein Leben lang für den Sport und publizierte Bücher wie Der Hochsprung, Der Weitsprung, Kunsttur- nen, oder die Praxis des Barrenturnens.29 Alfred Flatow, damals wohnhaft in Schöneberg, wurde am 03.10.1942 ins Ghetto Theresi- enstadt deportiert.30

Gustav Flatow kam 1892 nach Berlin, nahm wie sein Cousin an den Olympischen Spielen teil und gewann dabei im Team Gold am Barren und Reck. Er trat ebenso - diesmal erfolglos - bei den Spielen in Paris 1900 an. 1899 gründete er eine Textilfirma, und wohnte von 1922 bis 1933 in der Schlüterstraße in Charlottenburg. 1933 erfolgte die Emig- ration in die Niederlande, doch nach der Besatzung wurde auch er Silvester 1943 verhaftet und im Februar nach Theresienstadt ver- schleppt. Dort wurde er Ende Januar 1945 verhungert und erfroren 137 aufgefunden.31

Alexander Oswej FUTRAN Odessa 26.07.1877 - Köpenick 21.03.1920 Futranplatz (Alt-Köpenick)

Auf dem Futranplatz befindet sich ein Granitfindling mit Portrait des Stadtverordneten Futran (USPD), der sich 1920 für die Niederschla- gung des Kapp-Putschs engagierte:

28 Ralf Drescher: Gedenktafel für zwei jüdische Olympioniken. Wochenblatt, 25.10.1995. 29 Alfred Flatow: Der Hochsprung. Hohns, 1910. Im selben Verlag: Der Weit- sprung (1909), Kunstturnen (1911), Die Praxis des Barrenturnens (1912) u.a. 30 Alfred Flatow im Online-Gedenkbuch Opfer der Verfolgung der Juden un- ter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945. 31 Soweit nicht anders vermerkt: Hans-Jürgen Mende, Kurt Wernicke et al.: Berliner Bezirkslexikon Treptow-Köpenick. FTS Berlin Verlag 2008. Als Depor- tationsdatum Alfred Flatows wird hier der 30.10.1942 genannt.

Köpenick

Alexander Futran \ Unserem \ Arbeiterführer \ der am 21. März 192(0) \ im Kapp-Putsch \ ermordet wurde 32

Alexander Futran war das älteste von acht Kindern. Die Familie zog Ende des 19. Jahrhunderts aufgrund antijüdischer Pogrome zunächst nach Karlsruhe. Alexander Futran studierte von 1895 bis 1900 in Ber- lin an der Technischen Hochschule Charlottenburg Elektrotechnik. Aus beruflichen Gründen wechselt er seine Wohnung in Deutschland mehrfach, wohnte in Karlsruhe, Halle, Dresden, Chemnitz, Berlin und Köpenick. Futran war vielseitig interessiert und engagiert. Er musi- zierte und komponierte in seiner Freizeit, unterstützte die Freireligiö- se Gemeinde und war nicht zuletzt politisch aktiv. Als Mitglied der USPD wurde Futran am 23.02.1919 in die Stadtverordnetenversamm- lung Köpenicks gewählt. Zu dieser Zeit erfolgte wahrscheinlich auch seine Einbürgerung. Im März 1919 hatte Futran den Vorsitz des in Köpenick gegründeten Streikkomitees im Zuge des Generalstreiks in Berlin inne. Er schaffte es, ein bevorstehendes Blutbad zu verhindern, wurde aber nichtsdestotrotz verhaftet und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.33

138

o.A.: Pioniere der zweiten Grundschule an der Futrangedenktafel. 18.03.1958. Ar- chiv Museum Treptow-Köpenick 19/19.21.1

Zu Futrans herausragender Rolle im Widerstand gegen den Kapp- Putsch und dessen Hinrichtung siehe: Kapp-Putsch Denkmal am Futranplatz.

32 Eine vorherige Inschrift hatte das Todesdatum fälschlicherweise auf 1921 festgesetzt. Holger Hübner: Das Gedächtnis der Stadt. Gedenktafel in Berlin. Ar- gon, 1997, S. 395. 33 Gerd Lüdersdorf: Es war ihr Zuhause. Juden in Köpenick. Edition Roots 1998, S. 60 – 70.

Köpenick

GEFALLENENDENKMAL LEHRERSEMINARS Schloßinsel (Alt-Köpenick)

Im Park findet sich ein circa drei Meter hoher Gedenkstein für die Seminaristen des preußischen Lehrerseminars mit der Inschrift:

Zum ehrenden Gedenken an die im ers- ten Weltkriege 1914 - 1918 für das Vater- land gefallenen Seminaristen und ehema- ligen Schüler des Lehrerseminars in Cö- penick

Das Lehrerseminar nutzte von 1851 bis 1926 die Räumlichkeiten des Köpenicker Kulturring in Berlin e. V. Schlosses. Vorher war es in Potsdam ansässig. Siehe auch: Johann Julius Hecker.34

Bruno HÄMMERLING Wulferstädt 15.08.1886 - Brandenburg 30.10.1944 Hämmerlingstraße 99 (Dammvorstadt)

Der Klempner Bruno Hämmerling engagierte sich für die KPD im Wider- stand und unterstützte die Gruppe um Anton Saefkow. Er wurde am 31. 139 August 1944 mit Franz Schmidt und Judith Auer vom Volksgericht zum Tode verurteilt. Seine Hinrichtung wurde im Herbst 1944 im Zuchthaus Brandenburg durchgeführt.35 Die 1976 an der Außenwand des Wohnorts angebrachte Bronzetafel trägt folgenden Text: 36

In diesem Hause \ wohnte der \ antifaschistische \ Widerstandskämpfer \ Bruno \ Hämmerling \ geb. am 15.8.1886 \ Er wurde am 30.10.1944 \ von den Faschisten \ im Zuchthaus \ Brandenburg \ ermordet

34 Claus-Dieter Sprink: Köpenick. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Ausstel- lungskatalog Museum Köpenick, 2006. Laut Informationen von www.denkmalprojekt.org hing im Schloß eine weitere Gedenktafel mit dem Text: Vom Lehrerseminar in Cöpenick Starben im Weltkriege 1914-1918 für das Vaterland … die Kriegseminaristen. 35 Heinrich-Wilhelm Wörmann: Widerstand in Köpenick und Treptow. Gedenk- stätte Deutscher Widerstand, 2013, S. 173. 36 Holger Hübner: Das Gedächtnis der Stadt. Gedenktafel in Berlin. Argon, 1997, S. 396.

Köpenick

O.A: Zum 90igsten Geburtstag. 14.08.1976. Reproduktion Archiv Museum Treptow- Köpenick, 19/19.

HAUPTMANN VON KÖPENICK, Wilhem VOIGT Tilsit 13.02.1849 - Luxemburg 03.01.1922 Alt Köpenick 21 (Alt-Köpenick) 140 Am Rathaus Köpenick befindet sich rechts neben dem Rathauseingang eine Berliner Ehrentafel zum Geden- ken an den Hauptmann von Köpenick mit folgenden Worten:

In diesem Rathaus beschlagnahmte \ am Nachmittag des 16. Oktober 1906 als \ »Hauptmann von Köpe- ProAB e.V. nick« \ der Schuhmacher \ Wilhelm Voigt \ 13.2.1849 - 3.1.1922 \ die Stadtkasse - Als Köpenickiade ging die- se \ Tat in die Geschichte ein \ Durch das gleichnamige Theaterstück von \ Carl Zuckmayer (1931) wurde er \ zur literarischen Figur37

Vor dem Rathaus befindet sich seit 1996 weiterhin eine Hauptmann- Skulptur des armenischen Künstlers Spartak Babajan.38 Auch andernorts

37 Eine erste Tafel wurde anlässlich des 90igsten Jahrestags der Köpenickiade am Rathaus befestigt. 2006 wurde die Gedenktafel von einem Jugendlichen mutwillig zerstört, zwei Monate darauf konnte die Tafel durch die Unterstüt- zung Mittelstandsvereinigung der CDU ersetzt werden. Eine weitere oval förmi- ge Metallplatte in Gedenken an den Hauptmann befindet sich im Depot des Museum Köpenicks. Vgl. Ulrich Stahr: Hundert Jahre "Hauptmann von Köpenick" Das Jahr 2006 im Licht des Ereignisses in Berlin Treptow-Köpenick. Kulturamt Berlin Treptow Köpenick (Hrsg.), o.J.

Köpenick

wird im Bezirk an den Hauptmann erinnert: Im Forum Köpenick ist eine bronzene Hauptmann-Figur von Bonifatius Stirnberg zu sehen.39 Eine Bronzeskulptur des Hauptmanns von Fritz Ritter wurde auf dem Trepto- wer Ausstellungsgelände „Plastik und Blumen“ gezeigt.40 Die Skulptur ist im Museum Köpenick zu besichtigen.

Johann Julius HECKER Werden/Ruhr 02.11.1707 - Berlin 29.06.1768 Schlossinsel, Lange Brücke (Alt-Köpenick)

Hecker wurde als Sohn des Schulrektors Heinrich Bernhard Hecker geboren, der ihn bis zu seinem 14ten Lebensjahr selbst unterrichtete. Sodann besuchte er das Essener Gymnasium, um schließ- lich in Halle an der Saale zu studieren. 1729 wurde Hecker Lehrer am Pädago- gikum zu Halle. Sechs Jahre darauf hol- te ihn Friedrich Wilhelm I auf Empfeh- lung nach Potsdam, wo er unter ande- rem den königlichen Prinzen unterrich- tete. 1748 gründete Hecker die erste Kulturring in Berlin e. V. deutsche Realschule mit ökonomisch- mathematischem Schwerpunkt. Ihr angegliedert wurde ein Kurs für die 141 Ausbildung von Lehrkräften. Gleichfalls baute er eine Verlagsbuchhand- lung für pädagogische Literatur auf. 1753 wurde Heckers Gründung als „Kurmärkisches Landschullehrerseminar“ verstaatlicht. Nach dem Sie- benjährigen Krieg legte Hecker auf Befehl Friedrichs ein Reglement für die Entwicklung des Volksschulwesens vor, welches ab dem 12.08.1763 als General-Landesschulreglements für alle Provinzen in Kraft trat.41 Am 15. Oktober 1851 zog das königliche Schullehrerseminar in das Köpeni- cker Schloss ein und verblieb dort bis 1926.42

38 Steffi Bey: Hauptmann-Wettbewerb entschieden: Entwurf Spartak Babajans siegt - Schuster Voigt in Bronze. Berliner Zeitung, 05.03.1996. 39 Kommission Kunst im öffentlichen Raum des Bezirkes Treptow-Köpenick von Berlin: Verzeichnis Kunst im öffentlichen Raum – Bezirk Treptow-Köpenick. 2016, S.19. 40 O.A.: Einen neuen Säbel für den Hauptmann. O.A., 1971. Pressearchiv Muse- um Treptow-Köpenick. 41 Jan Bart: „Ein Werdener reformierte das preussische Schulwesen.“ In: ders.: Werdener Nachlese. Die letzten Geschichtsplaudereien. F. Flothmann Kettwig, 1977, S.111 – 117. 42 Claus-Dieter Sprink: Köpenick. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Ausstel- lungskatalog Museum Köpenick, 2006. Vgl. Karl Adolf Schmid u.a. (Hrsg.): Encyc- lopädie des gesammelten Erziehungs-und Unterrichtswesens, Band 10. Verlag von Rudolf Besser, 1875, S51ff.

Köpenick

Im Schlosspark ist Hecker eine Sandsteinstehle mit Relief gewidmet. F. Volke gestaltete das inzwischen verwitterte Denkmal, auf dem ein Semi- narist zum Portraitmedaillon Heckers aufschaut und ihm einen Lorbeer- kranz reicht.43 Die Enthüllung des Denkmals erfolgte am 14.12.1898 und wurde als Geschenk von Schülern und Lehrern des Seminars zum 150jährigen Jubiläum dargeboten. Es trägt folgenden Text:

Joh. Jul. Hecker \ Begruender \ des ersten \ preussischen \ Lehrersemi- nars \ 1748.

Auf der Rückseite der Stele steht:

Gestiftet \ von \ Lehrern und Freunden \ des \ Volksschulwesens \ 1898

Über die Enthüllung des Denkmals wurde berichtet: „Der ganze Festplatz war […] mit Fahnen und Guirlanden [sic!] herrlich geschmückt, für die Ehrengäste war ein besonders, geschmackvoll drapiertes Zelt aufgebaut worden. Nachdem die Festversammlung in weitem Halbkreise um das Denkmal her Aufstellung genommen hatte, begann die Feier mit dem Gesange der Strophe: „Ich will dich all mein Leben lang 2c.“ Unter Po- saunenbegleitung stieg aus mehr als tausend Kehlen der Lobgesang zum Himmel empor.“ 44

142

Enthüllung des Denkmals am 14.12.1898. Foto: Herbst. Abdruck in O.A.: Gedenkblatt zur Erinnerung an das 150jährige Seminarjubiläum und die Enthüllungsfeier des He- cker-Denkmals in Cöpenick am 14. Dezember 1898. Verlag von Gustav Hoffmann, 1899

43 Klaus Weidner: Plastiken, Denkmäler, Brunnen im Bezirk Köpenick. Luisen- städtischer Bildungsverein 1993, S. 21. 44 O.A.: Gedenkblatt zur Erinnerung an das 150jährige Seminarjubiläum und die Enthüllungsfeier des Hecker-Denkmals in Cöpenick am 14. Dezember 1898. Ver- lag von Gustav Hoffmann, 1899, S. 36ff.

Köpenick

Im Orgelsaal des Lehrerseminars stifteten Schüler ebenfalls eine Ge- denktafel für den königlichen Seminarmusiklehrer Rudolf Lange.45

HENRIETTE "MUTTER" LUSTIG, geb. Marie Frederique Adelaide Bock Köpenick 03.02.1808 - Köpenick 23.11.1888 Alter Markt 4 (Alt-Köpenick)

Am Wohngrundstück der Wäscherei- Unternehmerin Henriette Lustig wurde anlässlich ihres 190igsten Geburtstags am 02.02.1998 eine Berliner Gedenkta- fel mit folgendem Text eingeweiht:46

In diesem Haus lebte und arbeitete die Wäscherin \ Henriette Lustig \ 2.2.1808 ProAB e.V. - 23.11.1888 \ »Mutter Lustig« \ Ab 1835 betrieb sie die erste Lohnwäsche- rei \ und wurde damit zur Begründerin \ der Wäscherei als Gewerbe und Dienstleistung \ In der Folgezeit entwickelte sich Köpenick \ zur »Wasch- küche« Berlins

Die arbeitssame Henriette Lustig, Mutter von mindestens 15 Kindern, gilt als Begründerin des Wäschereigewerbes in Köpenick. 1835 wusch sie 143 die Wäsche für einen Köpenicker Schlächtermeister, der nach Berlin ver- zogen war. Anfangs lieferte sie die Wäsche noch zu Fuß mit einer Trage- kiepe auf dem Rücken aus, später wurde sie mit dem Pferdewagen transportiert.47

In der Müggelheimer Straße befindet sich in der Grünanlage am Frauen- tog ein 1980 von Karl-Günter Möpert gestalteter Sandsteinbrunnen mit Wäscherin.48 Die von Hans-Peter Goettsche gestaltete Figur der Wäsche-

45 Die Tafel ist nicht mehr vorhanden. Bildnachweis und Hintergrundinformation in: O.A.: Gedenkblatt zur Erinnerung an das 150jährige Seminarjubiläum und die Enthüllungsfeier des Hecker-Denkmals in Cöpenick am 14. Dezember 1898. Ver- lag von Gustav Hoffmann, 1899, S. 15ff. 46 O.A.: Gedenktafel für Mutter Lustig. Wochenblatt, 04.02.1998. Das Kirchen- buch der Köpenicker französisch-reformierten Gemeinde nennt allerdings als Tauf- / Geburtseintragung nicht den 02.02., sondern den 03.02.1808 als Ge- burtsdatum Henriette Lustigs. Aribert Giesche: Henriette Lustig geb Bock. Fami- lienrecherche zur Köpenicker Wäscherin. Museum Köpenick 2005. 47 Irene Knoll: „Stoff für Legenden. Die vermutlich erste Berliner Unternehmerin Henriette Lustig (1807–1889). “ In: Kurt Wernicke et al. (Hrsg.): Berlinische Mo- natsschrift. Edition Luisenstadt, August 1992, Heft 5. 48 Das Heimatgeschichtliche Kabinett und auch die BZA berichten im Oktober 1980, von der Einweihung des Wäscherinnendenkmals im Frauentog. O.A.: Denkmal für die Wäscherin. BZA 10.10.1980 sowie Heimatgeschichtliches Kabi- nett Berlin-Köpenick: Ein neues Kunstwerk in Köpenick. 22.10.1980. Die Ge-

Köpenick

rin von 1970 scheint ebenfalls auf Henriette Lustig zurück zugehen. Sie ist am Generalshof 1 zu sehen. 49

Kulturring in Berlin e. V.

Erich JANITZKY Berlin 21.07.1900 - Berlin 21.06.1933 Mittelheide 3 (Elsengrund) 144

An der Hauswand des ehemaligen Woh- norts befindet sich eine Bronzetafel mit dem Text:

Hier wohnte der \ Widerstands- \ kämpfer \ Erich \ Janitzky \ geboren am 21.7.1900 \ in Berlin \ In der Köpenicker \ Blutwoche von \ der S.A. am 21.6.1933 \ ermordet.

Laut dem Bericht von Erwin Okoniewski organisierten im Dezember 1932 fünf KPDler unter ihnen der Maschinenschlos- ser Janitzky einen Protest gegen das dem Kulturring in Berlin e. V. Nationalsozialisten Löffler gehörende Geschäft in der Bahnhofsstraße 13, welches Naziembleme, Ehrendolche und ähnliche Devotionalien zum Verkauf anbot. Erich Janitzky zertrüm-

samtübersicht der Denkmale und Plastiken im Bezirk Treptow-Köpenick von 2004 nennt hingegen 1982 als Datum der Einweihung. Wilprecht ist der Bild- hauer der Mutter Lustig im Frauentog laut BZA am 30.04.83. Möpert laut Anga- ben des ND vom 25.05.1983. 49 Auch im Bellevue Park fand sich einst eine Skulptur in Erinnerung an Mutter Lustig. O.A.: Mutter Lustig. National Zeitung, 06.07.1919. In den frühen 1980er Jahren mit Errichtung des Brunnens gab es Überlegungen, die Skulptur aus dem Bellevue-Park zu versetzen. O.A.: Mutter Lustig gibt’s doppelt. BZA, 30.04.1983.

Köpenick

merte bei dem Protest die Schaufensterscheibe des Geschäfts mit einem Stein. Ein Jahr darauf erfuhr Janitzky rechtzeitig von den geplanten Durchsuchungen im Rahmen der Köpenicker Blutwoche und warnte Par- teiangehörige ihre Wohnungen zu verlassen. Entgegen seiner Warnun- gen besuchte er sein Haus am betreffenden Abend erneut. SA-Männer griffen ihn dabei gegen 23 Uhr auf. Die SAler fuhren daraufhin zur Fami- lie Schmaus, der Schlosser Janitzky sollte die Tür öffnen. Er wurde im Rahmen eines Schusswechsels von Anton Schmaus und der SA ange- schossen und erlag seinen Schusswunden.50

In der Schmausstraße 2 findet sich seit dem 02.12.2013 ein Stolperstein für Janitzky: 51

HIER ERSCHOSSEN \ VON SA \ ERICH JANITZKY \ JG. 1900 \ IM WIDER- STAND/KPD \ VON SA MISSHANDELT \ ERSCHOSSEN 21.6.1933 \ KÖPE- NICKER BLUTWOCHE

Maria Amalie JANKOWSKI Ottmachau/ Otmuchów 11.5.1887 - Berlin/Köpenick 23.7.1946 Bahnhofstraße/Straße D7 (Dammvorstadt)

Anlässlich ihres 114. Geburtstags wurde am 11.05.2001 die Grünanlage in der Bahnhofsstraße Maria-Jankowski Park benannt.52 Die SPD- Politikerin setzte sich von 1921 bis 1924 als unbesoldete Stadträtin für Köpenick ein. Sie war lange Zeit SPD-Kreisleiterin sowie Vorsitzende der 145 Arbeiterwohlfahrt Köpenick. Nach der Wahl zur Bezirksversammlung 1933 wurde Jankowski am 12.03.1933 noch vor der Köpenicker Blutwo- che durch die SA zum Sturmlokal Demuth verschleppt und misshandelt. Sie berichtete von den Ereignissen in der Londoner Times am 01.04.1933. Nach Kriegsende engagierte sich Jankowski weiter als Kreis- leiterin für die SPD.53 Die aktualisierte Inschrift der Metalplatte lautet:54

Maria-Jankowski-Park \ Maria Jankowski \ 1887 - 1946 \ Mitglied der SPD-Fraktion der \ Bezirksverversammlung Köpenick \ von 1921 - 1933 \ Verfolgte des NS-Regimes

Maria Jankowski wohnte in der Borgmannstraße 16.

50 Bericht Erwin Okoniewski, 1987, Archiv Museum Köpenick. Vgl. Heinrich- Wilhelm Wörmann: Widerstand in Köpenick und Treptow. Gedenkstätte Deut- scher Widerstand, 2013, S. 26, 36. 51 O.A.: „Stolpersteine für sieben Opfer der Köpenicker Blutwoche“. In: SPD Fraktion in der BVV Treptow-Köpenick: Infobrief, 10/2013, S.2. 52 O.A: Ehrung für eine Nazigegnerin. Wochenblatt, 10.05.2001. 53 Claus-Dieter Sprink: Presseinformation, 22.04.01. 54 Eine vorherige Gedenktafel trug die Inschrift: Mitglied der SPD-Fraktion der Bezirksverordnetenversammlung Köpenick 1921 – 1933. Die PDS-Fraktion legte einen Änderungsantrag vor. O.A.: PDS: Neue Inschrift für SPD-Politikerin Maria Jankowski. Berliner Morgenpost (Lokal), 12.06.2001.

Köpenick

Victor Lidio JARA Martínez Lonquén 28.09.1932 - Santiago de Chile 16.09.1973 Alfred-Randt-Straße (Salvador-Allende-Viertel)

Rechts vom Haupteingang der Grundschule be- findet sich eine von Hans Peter Goettsche ge- staltete und 1984 aufgestellte Bronzeplastik des chilenischen Volkssängers, der barfüßig seine Gitarre in den Himmel reckt.55 Kulturring in Berlin e. V.

Marie JUCHACZ Landsberg/ Gorzów 15.3.1879 - Düsseldorf 28.01.1956 Schmausstraße 83 (Elsengrund)

An der Hauswand des Wohnorts von Marie Juchacz findet sich eine Ber- liner Gedenktafel mit dem Text:

Hier lebte von 1926 bis 1933 \ MARIE JUCHACZ \ 15.3.1879 - 28.1.1956 \ Sozialreformerin, Sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete \ Sie gründete 1919 die Arbeiterwohlfahrt (AWO) \ Nach der durch die natio- nalsozialistischen Machthaber \ erzwungenen Selbstauflösung der AWO \ floh Marie Juchacz 1935 über Frankreich nach New York \ wo mit ihrer Unterstützung ebenfalls eine »Arbeiterwohlfahrt« \ entstand \ 1949 kehrte sie nach Deutschland zurück 146

Die Enthüllung der Gedenktafel erfolgte am 18.11.2007 durch den Lan- desvorsitzenden der Berliner AWO Nisblé sowie durch die Bezirksbür- germeisterin von Treptow-Köpenick Schöttler.56

JÜDISCHER FRIEDHOF, GEMEINDE KÖPENICK (1887 - 1937) Gehsener Straße 78 (Dammfeld)

Auf dem Gelände des ehemaligen jüdischen Friedhofs findet sich auf dem Innenhof des Hauses Gehsener Straße 78 eine am 27.01.2004 ein- geweihte schwarze Kunststeinplatte auf einem Betonsockel mit den fol- genden Worten:57

Auf diesem Grundstück befand sich \ von 1887 bis zur Zerstörung durch \ die Nationalsozialisten im Jahre 1938 \ der Jüdische Friedhof Köpenick. \ Die erhalten gebliebenen \ Grabsteine wurden 1960 zum Friedhof \ der Jüdischen Gemeinde \ nach Berlin-Weißensee verbracht.

55 Klaus Weidner: Plastiken, Denkmäler, Brunnen im Bezirk Köpenick. Luisen- städtischer Bildungsverein 1993, S. 7. 56 Kurt Wernicke: Im Bezirk entdeckt – Gedenktafel für Marie Juchacz. Berliner Abendblatt, 30.01.2008, S.2. Axel Sommer: „Marie Juchacz bleibt das Vorbild“. In: Berliner Stimme - Sozialdemokratische Wochenzeitung, 17.11.2007, S.5. 57 Karin Schmidl: Stein erinnert an jüdischen Friedhof. Berliner Zeitung 26.01.2004.

Köpenick

Die Synagogengemeinde zu Cöpenick erwarb 1894 von einem Gemeinde- mitglied das 3760 m² großes Grund- stück zur Einrichtung eines jüdischen Friedhofs. Ein Grabstein aus dem Jahr 1887 weist auf Bestattungen vor dem Erwerb hin. Beerdigungen müssen noch bis mindestens 1937 durchge- führt worden sein, wie die Inschrift eines Grabsteins vom 23.11.1937 be- legt. Der Friedhof war für rund 500 Grabstätten ausgelegt, 250 Menschen Kulturring in Berlin e. V. wurden hier beigesetzt.

147

Archiv Museum Treptow-Köpenick

1938 wurde der Friedhof zu NS-Zeit geschändet, Grabsteine wurde um- gerissen. Drei Jahre nach Kriegsende war der Zustand des Friedhofs wei- terhin katastrophal: Nur sieben Gräber wurden aus privater Initiative wiederaufgestellt, um die 80 Grabsteine lagen weiterhin umgestürzt auf dem Gelände. Die BVV ließ den Friedhof 1949 instand setzen. Die weite- re Pflege der Anlage blieb jedoch aus, so dass sich mit Zustimmung der Jüdischen Gemeinde Ende der 1950er Jahre darauf geeinigt wurde, den Friedhof als Grünanlage umzuplanen. Die vorhandenen Grabsteine wur- den als Pyramide zu einem Denkmal geschichtet. 1961 Jahren wurde das Denkmal aufgrund von Bautätigkeiten eingeebnet. Die Jüdische Ge- meinde Berlin (DDR) und der Rat des Stadtbezirks beschlossen eine Ver- legung der Grabsteine auf den Jüdischen Friedhof Weißensee. Dort sind

Köpenick

bis heute 33 Köpenicker Grabsteine auf dem Hügel der nicht mehr exis- tenten Neuen Trauerhalle zu besichtigen.58

GEFALLENE 1813-1815, 1866-1867, 1870-1871, 1914-1918 Freiheit 14 (Alt-Köpenick)

In der Kirche der reformierten Schloßkirchengemeinde hängen zwei ge- rahmte Tafeln mit der Inschrift:

1813-1815, 1866-1867, 1870-1871, 1914-1918: \ Aus der ref. Schloßkir- chengemeinde Köpenick wurden Opfer der Kriege 1813-1815, 1866-1867, 1870-1871, 1914-1918 \ [Namen] \ Um meiner und Freunde Willen \ will ich Dir Frieden wünschen. \ Psalm 122,8 \ Der Gerechtigkeit Frucht wird Friede \ sein und der Gerechtigkeit Nutzen \ wird ewige Stille und Sicher- heit sein. \ Jesaja 32,17

GEFALLENE ZWEITER WELTKRIEG Freiheit 14 (Alt-Köpenick)

Im Pfarramt der Gemeinde hängt eine schwarz gerahmte Gedenktafel mit dem folgenden Text:

Zum Gedenken \ Aus der reformierten Schloßkirchengemeinde \ wurden Opfer des 2. Weltkrieges [Namen folgen]. 148 PAGENDENKMAL Schloßpark

Eine Köpenicker Sage erzählt: „Dort wo heute das Köpenicker Schloß steht, befand sich vor etwa vierhundert Jahren ein kurfürstliches Jagd- schloß. Zum Gefolge des Kurfürsten Joachim II. gehörte auch ein junger Page, der seinem Herren ein treu ergebener Diener war. Eines Tages, als der für seine Jagdleidenschaft bekannte Kurfürst zur Wildschweinjagd in die Wälder der Müggelberge aufbrechen wollte, beschwor ihn der Page, auf diese Jagd zu verzichten, da er fürchtete, ihm könnte dabei etwas zustoßen. Schließlich erzählte er zögernd, daß er einen furchtbaren Traum gehabt habe. Ein wütender Keiler hätte das Leben seines Herrn bedroht. Lachend wehrte der Kurfürst den besorgten Diener ab und ritt an der Spitze der Jagdgesellschaft davon. Am Abend kehrten alle gut ge- launt und mit reicher Beute zum Schloß zurück. Das zur Strecke gebrach- te Wild wurde im Hof des Schlosses ausgelegt und von jedermann be- trachtet. Der Kurfürst hatte eigenhändig einen gewaltigen Keiler erlegt, der so schwer war, dass ihn mehrere Jäger vom Wagen heben mussten.

58 Gerd Lüdersdorf: Es war ihr Zuhause. Juden in Köpenick. Edition Roots Kond- ziele, 1998, S. 18ff. Heinrich-Wilhelm Wörmann: Widerstand in Köpenick und Treptow. Gedenkstätte Deutscher Widerstand, 2010, S. 243. O.A.: Leitsystem für den jüdischen Friedhof Weißensee (Punkt 58). URL: www.juedische-friedhoefe- berlin.de/rundgang--berlin/

Köpenick

Als die Schloßbewohner im Schein der Fackeln das riesige Tier aus der Nähe sehen wollten, bückte sich auch der Page am Kopf des Keiler nie- der. In diesem Moment schlug das totgeglaubte Tier mit letzter Kraft seine Hauer in das Bein des Jungen und riß ihm eine tiefe Wunde in das Fleisch. Nur wenige Tage später starb der Page. Darüber waren alle sehr betroffen. Zum Andenken ließ Joachim jenes Denkmal errichten. Es zeigt einen nachdenklichen jungen Mann, der seine linke Hand auf einen Eberkopf stützt.“59

KAPP-PUTSCH Futranplatz (Alt-Köpenick)

149

Trauerfeier für die Opfer des Kapp-Putschs auf dem Friedrich-Wilhelm Platz. Archiv Museum Treptow-Köpenick

Der Putschversuch vom 13. bis zum Abend des 17. März 1920 stand un- ter der Leitung des Verwaltungsbeamten Wolfgang Kapp sowie des Ge- nerals Walther von Lüttwitz. In Köpenick (das erst seit dem Groß-Berlin Gesetz vom Oktober 1920 zu Berlin zählte) bildete sich spontan Wider- stand gegen die Putschisten: Betreffende Soldaten wurden entwaffnet und zum Teil im damaligen Köpenicker Polizeigefängnis im Rathaus fest- gehalten. Im Magistrat fanden weiterhin Verhandlungen zur Gründung einer Einwohnerwehr statt. Am 16. März erfolgte im Lokal Fuchs am Al- ten Markt 3 die Gründung eines „Sozialistischen Verteidigungskom- mitees“, für dessen Führung sich Futran verantwortlich zeigte. Rund 1000 bewaffnete Männer übernahmen nun die Verteidigung Köpenicks. Sie wurden in Kampfgruppen eingeteilt, die Führung übernahmen: in Grünau Otto Pfeiffer, in Friedrichshagen Willy Mundt, in Erkner Göring, in Woltersdorf Eikendorf, im Kietz und in der Köllnischen Vorstadt Alfred Rebe, in Köpenick-Nord Karl Fischer. Sie sicherten Versorgungslager so- wie städtische Einrichtungen und sperrten die Brückenzugänge. Die poli-

59 Claus Dieter Sprink: „Das Pagendenkmal im Schloßpark“. In: Ders.: Köpenicker Sagen. Heimatmuseum Köpenick, 1998, S. 13f.

Köpenick

tische Situation sorgte auch in Köpenick für Unklarheiten: Freikorps und Regierungstruppen waren nicht klar voneinander zu unterscheiden. Dennoch ließ Futran die Waffen niederlegen, so dass am 21. März 192060 die 2. Kompanie des Reichswehr-Schützenbataillons Nr. 15 aus Lichter- felde, unterstützt durch Zeitfreiwillige, in Köpenick einrücken konnte.

Soldaten ließen nun aufgrund der Verkündung des „Großen Belage- rungszustands“ durch Reichspräsidenten Ebert und Reichswehrminister Geßler Verhaftungen vornehmen. Jeder mit Waffe in der Hand konnte nun standrechtlich erschossen worden. In der Gaststätte „Zu den drei Linden“ Grünauer /Schönlinder Straße bildete sich ein Kriegsgericht. Futran, überzeugt rechtmäßig gemäß der Verfassung gehandelt zu ha- ben, stellte sich dort und wurde noch am selben Tag hingerichtet.

150

ProAB e.V. Die Trauerfeier für die Toten fand am 27.03. auf dem Friedrich-Wilhelm Platz statt. Er führte zum Friedhof Rudower Straße, wo eine Ehrengrab- stätte hergerichtet wurde.61

Seit 1960 befindet sich in Andenken an Futran (siehe dort) und die ande- ren Kämpfer gegen den Kapp-Putsch am Futranplatz (ehem. Friedrich-

60 Kurt Morenga hält fest, dass die Truppen am Sonntag früh den 21.03. durch die Oberspreestraße ohne Widerstand einrückten. Am Tag zuvor, den 20.03., kam es laut Morenga noch zu Feuergefechten in der Umgebung. Kurt Morenga: Der Kapp-Putsch in Köpenick. In: Köpenicker Heimatblatt, Nr. 3 und 4 /1957. Lü- dersdorf berichtet in Es war ihr Zuhause. Juden in Köpenick. Edition Roots 1998, S.66 vom kampflosen Einrücken der Reichswehr am 20. März. 61 Gerd Lüdersdorf: "Die Putschisten verschanzten sich in Johannisthal. Zur Erin- nerung an den Kapp-Putsch 1920.“ In: Zeitung des Bezirksvorstandes und der BVV-Fraktion Die Linke: Blättchen Treptow-Köpenick, Nr.158, 04.03.2010, S.4f.

Köpenick

Wilhelm-Platz) eine Denkmalanlage, die 1983 erweitert wurde.62 Neben dem Gedenkstein Futrans steht ein Stein, der auf seiner schmalen Au- ßenseite im Relief sechs bewaffnete Männer und Frauen zeigt und die folgende Inschrift trägt:

Köpenicker Arbeiter \ gefallene Kämpfer gegen den Kapp-Putsch \ Ale- xander Böhme. Wilhelm Böhme. Karl Breschke \ Willi Dürre. Eckert. Karl Gratzke. Otto Gutsche \ Heiland. Kassner. Fritz Kegel. Alfred Lawin \ Adolf Schön. Fritz Purrmann. Georg Schütz \ Paul Seelisch.

Zu den genannten Personen ist folgendes bekannt:

Alexander Böhme (1893 - Adlershof 20.03.1920): Arbeiter, wohnhaft Wilhelmstr. 6 (heute: Katzengraben), Wilhelm Böhme (1898 - 1920): Grabstein auf dem Adlershofer Friedhof Friedlander Straße. Karl Bresch- ke [Bresche] (1878 - 20.03.1920): Wäschereibesitzer, wohnhaft Parrisi- usstr. 16. Verstarb an den Folgen seiner Schußverletzung. Albert Willi Dürre (1901 - 1920): Arbeiter, wohnhaft Grünauer Str. 3. Karl Gratzke (1879 - 1920): Kutscher, wohnhaft Grünauer Str. 38, bei Landrock ange- stellt. Otto Gutsche (1896 - Adlershof 20.03.1920): Schlosser, Grünauer Str. 46, standrechtlich erschossen in Adlershof. Eckert, Heiland, Kass- ner/Kaßner: wurde mit Dürre, Gratzke, Futran, Kegel und Wienicke am 21. März 1920 in der Bötzow-Brauerei Grünauer Straße erschossen. Kaßner beteiligte sich am Kapp-Putsch dadurch, dass er sein Lokal für die 151 Truppenversammlungen zur Verfügung stellte.63 Fritz [oder Friedrich] Kegel (1896 - Adlershof 20.03.1920): Tapezierer, wohnhaft Rudower Str. 29. Er probte für eine Jugendweihefeier, als er festgenommen und zur Hinrichtung geführt wurde. Alfred Lawin (1896 - Adlershof, 20.03.1920): Maurer, wohnhaft Schönerlinder Str. 13. Adolf Schön (1900 - 1920): Ar- beiter, verstarb an den Folgen seiner Verwundung, wohnhaft Parrisius- straße. Fritz Purrmann (1898 - 1920): Bäcker, Grünauer Str. 43, stand- rechtlich erschossen in Adlershof. Georg Schütz (1885 - Adlershof 20.03.1920): Bürohilfsarbeiter, Flemmingstr. 31, standrechtlich erschos- sen in Adlershof. Paul Seelisch (1883 -19.03.1920): verstarb im Zuge ei- nes Gefechts vor dem Haus in der Köpenicker Straße 88, wohnhaft Jä- gerstraße in Grünau (heute Schlierseestraße).64

62 Bezirksamt Treptow-Köpenick, Amt für Weiterbildung und Kultur (Hrsg.): Ge- samtübersicht der Denkmale u. Plastiken im Bezirk Treptow-Köpenick. Stand Ap- ril 2004, S. 12. 63 Erwin Könnemann, Gerhard Schulze (Hrsg.): Der Kapp-Lüttwitz-Ludendorff- Putsch: Dokumente. Olzog, 2002, S. 374. Gerd Lüdersdorf: Alexander Futran und die anderen Opfer der Reichswehr März 1920. C.D. Nr.3, März 1990. 64 Nach welcher Auswahl die Namensnennung auf dem Stein erfolgte ist nicht ganz ersichtlich. Auf dem Gedenkstein wird der geistig behinderte Landrock Kutscher Karl Wienicke (1903 - 1920), ehemals wohnhaft in der Grünauer Straße 44, beispielsweise nicht erwähnt. Soweit nicht anders vermerkt: Gerd Lüders-

Köpenick

KÖPENICKER BLUTWOCHE Platz des 23. April (Dammvorstadt)

Am Platz des 23. April wurde 1946/47 eine circa drei Meter hohe Ge- denkstele eingeweiht mit der Inschrift

DEN \ OPFERN DES \ FASCHISMUS \ 1933 \ 1945

Auf ihr thronte eine Flammenschale. Wann die Stele entfernt wurde, ist nicht bekannt. Heute steht auf dem Platz ein von Walter Sutkowski ge- schaffener Obelisk mit erhobener Faust, der anlässlich des 20. Jahrestags der DDR 1969 enthüllt wurde. Auf der Stele sind schemenhaft ein stür- zender und ein kauernder Körper zu erkennen. Die Neue Zeit interpre- tierte das Denkmal anlässlich der Eröffnung wie folgt:

„Durch die dominantenhaft angehobene Faust als Symbol für die Arbei- terklasse kommt zum Ausdruck, daß das Vermächtnis der im Kampf ge- gen den Faschismus Gefallenen in unserer Republik erfüllt wird.“65

152

Kulturring in Berlin e. V.

Auf der Rückseite ist zu lesen:

UND OB WIR \ DANN NOCH \ LEBEN WERDEN \ WENN ES \ ERREICHT WIRD \ LEBEN WIRD \ UNSER PROGRAMM•! \ ES WIRD DIE WELT \ DER

dorf: Es war ihr Zuhause. Juden in Köpenick. Edition Roots 1998, S.65f. Gerd Lü- dersdorf: "Der Köpenicker Blutsonntag vom 21. März 1920“. In: Edition Luisen- stadt: Berlinische Monatsschrift, Heft 3/2000 , S.37ff. 65 O.A: Mahnmal in Köpenick. Opfer der Blutwoche geehrt / Sutkowski schuf Ste- le. Neue Zeit, 08.10.1969.

Köpenick

ERLÖSTEN \ MENSCHHEIT \ BEHERRSCHEN \ TROTZ ALLEDEM. \ KARL LIEBKNECHT

Diese Wort Liebknechts erschienen am 15.01.1919 in der „Roten Fahne“, noch am selben Abend wurden Rosa Luxemburg und Liebknecht von der Wilmersdorfer Bürgerwehr aufgegriffen und ermordet.66

1970 wurde leicht zurückgestellt von der Stele eine fünf Meter hohe 1.8m breite Reliefwand errichtet, die Szenen aus dem Leben nach dem Krieg beziehungsweise den Aufbau der „sozialistischen Gesell- schaft“ zeigen. Bis heute finden am Platz des 23. Aprils Gedenkveranstaltungen anlässlich des Jahrestags der Köpenicker Blutwoche als auch der Befreiung Köpe- nicks am 23. April statt.

Richter: 1. Tafel „Pl. Des 23. Nach 1989 wurde sich kritisch mit dem April“. 12.1945. Fotoarchiv Erhalt des Denkmals auseinandergesetzt. Museum Treptow Köpenick In ihrem Bericht empfiehlt die Kommission 19/19.40 zum Umgang mit politischen Denkmälern der Nachkriegszeit im ehemaligen Ost-Berlin einstimmig, dass der Ge- denkort unverändert erhalten bleiben soll.67 Nichtsdestotrotz riss die 153 Debatte um diesen nie ab.68 Im Zuge dessen wurde eine weitere erläu- ternde Tafel neben dem Denkmal angebracht:

Das Denkmal auf dem Platz des 23. April \ Das von Walter Sutkowski (1890 - 1983) geschaffene Denkmal auf dem Platz des 23. April wurde \ am 7. Oktober 1969 eingeweiht. Es erinnert an die als Köpenicker Blut- woche in die Geschichte \ eingegangene Terroraktion der Nationalsozia- listen und ihrer Sturmabteilungen (SA) vom Juni \ 1933, in deren Verlauf zahlreiche politische Gegner verfolgt, misshandelt und ermordet wurden. \ Im Jahre 1971 wurde das Denkmal vom gleichen Künstler durch eine als geschwungene Beton-/wand ausgebildete Reliefwand mit dem Titel „Un- ser friedlicher Aufbau“ erweitert. \ Neben der Mahnung und der Erinne- rung an die Verbrechen während der Köpenicker Blutwoche \ kam die- sem zentral gelegenen Denkmal in besonderem Maße die Aufgabe zu, den Widerstand \ gegen das NS-Regime im Bewusstsein der DDR- Bevölkerung wachzuhalten. Bis 1989 zu den \ Jahrestagen der Köpeni- cker Blutwoche veranstaltete Kundgebungen und Fahnenappelle belegen

66 Karl Liebknecht: Trotz alledem! Rote Fahne, 15.01.1919. Volker Ullrich: Die Revolution von 1918/19. C.H.Beck, 2016. 67 O.A.: Bericht der Kommission zum Umgang mit den politischen Denkmälern der Nachkriegszeit im ehemaligen Ost-Berlin. 15. Februar 1993, S.57. 68 Siehe beispielsweise: saf: CDU fordert Abriss der Betonfaust. Berliner Mor- genpost, 11.07.2003.

Köpenick

\ auf deutliche Art und Weise die einseitige politische Vereinnahmung der Köpenicker Juniereignisse. \ Seit 1990 ist dieser Ort Gegenstand poli- tischer Auseinandersetzungen um Inhalt und Form des \ Gedenkens an die Opfer der Köpenicker Blutwoche.

Auf dem Platz befindet sich weiterhin ein kleiner Gedenkstein mit den Worten:

DEN OPFERN DER \ KÖPENICKER \ BLUTWOCHE \ IM JUNI 1933 \ ZUM GEDENKEN

sowie eine Tafel, die auf das Ende der NS-Zeit in Köpenick hinweist:

Platz des 23. April \ An diesem historischen Tag \ wurde 1945 \ Berlin- Köpenick \ durch die ruhmreiche \ Sowjetarmee \ vom Faschismus be- freit.

Eine Vorgängertafel von 1945 trug den Text:

Platz \ des 23. April. \ Der Tag des Einmarsches \ der Sowjet-Armee. \ Sie brachte dem Deutschen Volk die Befreiung \ vom Hitlerfaschismus und legte dadurch den \ Weg frei für eine bessere und schönere Zukunft. \ Ewigen Ruhm und Ehre der Sowjet-Armee!

154

Kulturring in Berlin e. V.

KÖPENICKER BLUTWOCHE, AMTSGERICHTSGEFÄNGNIS Puchanstraße 12 (Dammvorstadt)

An der Außenwand der Gedenkstätte im Amtsgerichtsgefängnis befindet sich eine Gedenkplatte, die Folgendes festhält:

Zum Gedenken \ an die Opfer \ der \ Köpenicker Blutwoche \ 1933

Köpenick

Vom Innenhof links abgehend führt eine Treppe zur Gedenkstätte der Köpenicker Blutwoche. Sie klärt mit einer 2013 neugestalteten Dauer- ausstellung über die Ereignisse der besagten Juni-Woche 1933 auf. In der letzten Zelle der Gedenkstätte im ersten Stock hängt eine Gedenkta- fel mit den Worten:

Den \ unvergessenen \ Opfern der \ Köpenicker \ Blutwoche

Im Hof befindet sich ebenfalls eine Tafel mit folgender Inschrift:

Die Köpenicker Blutwoche \ Nur wenige Monate nach der \ "Machter- greifung" durch die NSDAP \ erreicht im Juni 1933 im Berliner Bezirk \ Köpenick der Terror der Nationalsozialisten \ und ihrer Sturmabteilun- gen (SA) einen \ Höhepunkt. \ In der Woche vom 21. bis 26. Juni 1933 \ werden in einer bisher beispiellosen \ Sonderaktion mehrere Hundert (!) [sic!] politische \ Gegner aus ihren Wohnungen geholt, in die \ Köpeni- cker SA-Sturmlokale geschleppt \ und dort brutal mißhandelt. \ Zahlrei- che der Inhaftierten werden im Ver- \lauf dieser Ereignisse von der SA ermordet \ oder erliegen später ihren Verletzungen. \ Als Köpenicker Blutwoche ist das Gesche- \hen in die Geschichte eingegangen.69

Der Sturmbannführer Herbert Gehrke stand dem Sturmbann 15 vor, dessen Hauptquartier in den Räumlichkeiten der Verwaltung des Amts- gerichtsgefängnisses eingerichtet wurde. Vom 20. auf den 21. Juni 1933 155 wurde in einer Lagebesprechung der Köpenicker SA Führer sowie des Charlottenburger Maikowski-(SA)-Sturms die Festnahmen und Verhöre der folgenden Tage geplant.

Nach der Folter in den verschiedenen SA-Lokalen wurden die Gefange- nen zum Teil ins Amtsgerichtsgefängnis gebracht und weiter malträ- tiert.70

KÖPENICKER BLUTWOCHE, FOLTERSTÄTTE DEMUTH Pohlestraße / Dorotheenstraße (Kietz)

An das ehemalige SA-Sturmlokal Demuth in der damaligen Elisabeth- straße 23 erinnert ein Denkmal, welches durch einen dreiteiligen, roten Granitstein mit Winkel auf bossierter Plinthe geformt ist. Die Inschrift des linken Steins lautet:

Den heldenhaften Kämpfern \ gegen Faschismus und \ imperialistischen Krieg

69 Inschrift übernommen von Holger Hübner et al.: „Köpenicker Blutwoche“. In: Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Verein Aktives Museum (Hrsg.): Gedenk- tafeln in Berlin. URL: www.gedenktafeln-in-berlin.de. 70 Heinrich-Wilhelm Wörmann: Widerstand in Köpenick und Treptow. Gedenk- stätte Deutscher Widerstand, 2013, S. 24, 26.

Köpenick

die des mittleren Steins:

Köpenicker Blutwoche \ Juni 1933 und schließlich die des rechten Steins:

In ihrem Geiste - \ Vorwärts, für Frieden, \ Demokratie und Sozialismus!

156 Kulturring in Berlin e. V.

Ein weiterer Stein, mittig auf dem Boden liegend, trägt folgende In- schrift:

Lokal Demuth \ 1933 \ Auf dem Heuboden und im Keller \ wurden in den Junitagen von der SA \ Hunderte Köpenicker Antifaschisten \ mißhandelt und zu Tode gefoltert.

Der Stein wurde im Juni 1961 aufgestellt. Die Produktionsgenossen- schaft des Handwerks PGH Werkstein (später dann VEB) schuf das Mahnmal im Rahmen des Nationalen Aufbauwerks NAW. Durch ge- meinnützige und unentgeltliche Arbeit wurde das Denkmal in 1800 NAW-Stunden erstellt.71 Die Inschrift unterlag im Laufe der Zeit Ände- rungen.72

Im Lokal Demuth wurden folgende, namentlich bekannte Personen misshandelt: Franz Bollfrass, Gustav Brose, Arthur Elfert, Dr. Georg Ep- penstein, Leonard Esser, Paul Fettke, Herta Gley, Erich oder Adolf Haver- land, Werner Heber, Franz Keller, Bernhard Klappert, Artur und Willi

71 Nationale Zeitung Berlin: Das Mahnmal Pohlestraße. 29.06.1961. 72 Vgl. Holger Hübner: Das Gedächtnis der Stadt. Gedenktafel in Berlin. Argon, 1997, S. 397f.

Köpenick

Klepzig, Paul Küster, Alfred Kuschke, Paul Kuschke, Bruno Lobitz, Dr. Meier, Karl Mönch, Georg Nusche, Hedwig Nusche, Karl Pischel, Kurt Pohle, Paul Pohle, Alfred Pusch, Erich Radke, Fritz oder Karl Rebel, Rohr- beck, Karl Schöppe, Oswin Schuricht, Paul Spitzer, Josef Spitzer, August Villbrand, Paul Wilczock, Otto Zimmermann und Paul Zimmermann. Für Paul Pohle wurde vor dessen Wohnort ein Stolperstein verlegt, auch an seinem Wohnort findet sich eine Gedenktafel (siehe da). Franz Bollfrass erinnerte sich an die Gräueltaten am 21.06.1933 im Lokal „Demuth“:

„Sofort war auch einer da, der sich mit meinen Haaren beschäftigte und der Meinung war, sie wären zu lang und müssten geschnitten werden. Ich glaube, ein Tier behandelt man anders, als ich jetzt behandelt wurde. Mir wurden mit einem Gegenstand, es soll eine Schere gewesen sein, die Haare ausgerissen, so dass das Blut auf mein Gesicht und mein Hemd rann. Einmal versuchte ich das Blut abzuwischen, worauf ich von einem SA-Mann einen Schlag erhielt, dass ich sofort umfiel.“73

KÖPENICKER BLUTWOCHE, FOLTERSTÄTTE SEIDLER Mahlsdorfer Straße / Unter den Birken (Uhlenhorst)

Am ehemaligen SA-Sturmlokal Seid- ler befindet sich auf dem Grünstrei- fen ein roter Granitstein mit dem Text: 157

Zum Gedenken \ an die Opfer \ der Köpenicker Blutwoche \ Hier wur- den im Juni 1933 \ im ehemaligen Kulturring in Berlin e. V. SA-Sturmlokal \ aufrechte Antifa- schisten \ grausam mißhandelt \ und ermordet!

In diesem SA-Sturmlokal wurden insbesondere Menschen aus der Wald- siedlung, darunter viele SPDler misshandelt. Zu den Opfern zählten: Al- fons Adam, Johannes Altenberg, Waldemar Arndt, Fritz Ast, Lothar Baer, Herbert Dzimbowski, Paul von Essen, Paul Halle, Dr. Werner Heilbrunn, Rolf und Vater Hoffmann, Albin Kabisch, Kurt Keppler, Götz Kilian, Frieda Krüger geb. Wermke, Erwin Mante, Arthur Mestmacher, Willi Pätzel, Fritz Pittel, Heinrich Reinefeld und Sohn, Oswin Schwicht (Schuricht?), Fritz Schulz (Sohn und Vater), Walter Silberschmidt, Käthe Stange, Jo- hannes Stelling, Heinrich Stürmer, Karl William und seine beiden Söh- ne.74

73 Heinrich-Wilhelm Wörmann: Widerstand in Köpenick und Treptow. Gedenk- stätte Deutscher Widerstand, 2013, S. 29. 74 Heinrich-Wilhelm Wörmann: Widerstand in Köpenick und Treptow. Gedenk- stätte Deutscher Widerstand, 2013, S.28.

Köpenick

Für Georg Eppenstein, Götz Kilian und Johannes Stelling wurden Stolper- steine verlegt. Für letzteren findet sich ebenfalls eine weitere Gedenkta- fel am Wohnort (siehe da).

KÖPENICKER BLUTWOCHE, OPFER-WOHNORTE Johannes Schmaus (München 05.12.1879 - Berlin 21.06.1933), Paul von Essen (Olsztyn 01.03.1886 - Berlin 21./22.06.1933), Anton Schmaus (München 19.04.1910 - Berlin 16.01.1934), Erich Janitzky (Berlin 21.07.1900 - Berlin 21.06.1933), Johannes Stelling (Hamburg 12.05.1877 - Berlin 21./22.06.1933) Essenplatz 1 / Stellingdamm 39 (Elsengrund)

Auf der Grünfläche befindet sich seit dem 06.11.1955 ein rechteckiger Granitstein mit angebrachter Schrifttafel:75

Unseren von den Faschisten \ während der Köpenicker Blutwoche \ im Juni 1933 \ ermordeten mutigen Kämpfern \ ein ehrendes Gedenken \ Johann Schmaus Paul von Essen \ Anton Schmaus Erich Janitzky \ Johan- nes Stelling \ Wofür sie kämpften und starben \ ist heute in der DDR Wirklichkeit

In der Nähe des Gedenkortes befinden sich die Wohnorte der genannten Opfer. (von Essen: Essenplatz 9, Familie Schmaus: Schmausstraße 2, Ja- nitzky: Mittelheide 3, Stelling: Stellingdamm 36). 158 KÖPENICKER BLUTWOCHE, FOLTERSTÄTTE WENDENSCHLOSS Wendenschloßstraße 390 (ehem. Nr. 122)

Auf dem Grundstück in der Wen- denschloßstraße befand sich bis An- fang 1933 das Reichsbanner- Wassersportheim. Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold war eine überpar- teiliche Organisation, deren Mitglie- der vornehmlich zum sozialdemokra- tischen Spektrum zählten. 1932 schrumpften die Mitgliederzahlen des Verbands auf 5.000 Mitglieder in Berlin, die SA mit 15.000 Männern in der Stadt hatte die Übermacht.76 Im März 1933, am zweiten Wahlsonntag, Kulturring in Berlin e. V. wurde das Reichsbanner-

75 Holger Hübner et al.: „Köpenicker Blutwoche [Essenplatz 1]“. In: Gedenkstät- te Deutscher Widerstand, Verein Aktives Museum (Hrsg.): Gedenktafeln in Ber- lin. URL: www.gedenktafeln-in-berlin.de. 76 Benjamin Ziemann: Die Zukunft der Republik? Das Reichsbanner Schwarz-Rot- Gold 1924 - 1933. Friedrich Ebert Stiftung 2011, S.64.

Köpenick

Wassersportheim von SA-Sturmführer Reinhold Heinz demoliert und kurz darauf besetzt, um dort das SA Sturmlokal „Wendenschloß“ einzu- richten. Während der Köpenicker Blutwoche fanden hier Misshandlun- gen statt.

In einer Grundstückseinbuchtung findet sich eine Metalltafel auf einer Betonstele mit der Inschrift:

UNVERGESSEN \ SIND DIE AUFRECHTEN KÄMPFER \ GEGEN DEN FA- SCHISMUS, DIE \ WÄHREND DER KÖPENICKER \ BLUTWOCHE IM JUNI 1933 \ AUF DIESEM GRUNDSTÜCK \ GRAUSAM MISSHANDELT, \ ER- MORDET UND IN DIE \ DAHME VERSENKT WURDEN.

Angetrieben fand man Anfang Juli 1933 die in Leichensäcke genähten, zugerichteten Körper Paul von Essens, Johannes Stellings und Karl Po- kerns, die in der Nacht des 22./23. Junis am Bootshaus Wendenschloß- straße in die Dahme geworfen wurden. Zu den weiteren rund 100 Gefol- terten in dem SA Lokal zählten: Karl Anders, Walter Bauer, Max Kut- schenreiter, Emma Naumann, Herr Naumann, Ernst Ordnung, Fritz Rasch und Paul Ufermann. 77

Eine erste Gedenktafel wurde anlässlich des 50igsten Jahrestags der Blutwoche am 20. Juni 1983 angebracht. Diese wurde 1990 von Unbe- kannten entfernt. Im Juni 1993, zum 60igsten Jahrestag der Blutwoche, 159 sollte die daraufhin provisorisch aufgestellte Tafel ersetzt werden, den Auftrag für die Kupfertafel erhielt der Müggelheimer Martin Jahn.78

KREISDIENSTSTELLE KÖPENICK DES MFS DER DDR Friedrichshagener Straße 8 (Dammvorstadt)

Das Territorium der DDR war administrativ in 14 Bezirke sowie Ost-Berlin untergliedert, die sich wiederum in Landkreise und Stadtkreise unterteil- ten. Die Stadtbezirke Ost-Berlins wurden analog zu Stadtkreisen behan- delt. Jeder Land- beziehungsweise Stadtkreis verfügte über eine Kreis- dienststelle (KD) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS). In Berlin gab es 11 Kreisdienststellen mit rund 640 Angestellten (sowie inoffiziel- len Mitarbeitern IMs), die der MfS-Bezirksverwaltung Berlin zugeordnet waren. Ihre Aufgabe war es für die Sicherung, Kontrolle sowie die lü- ckenlose Überwachung ihres Zuständigkeitsgebiets Sorge zu tragen.

An der Hauswand der ehemaligen Kreisdienststelle des MfS in Köpenick befindet sich eine Natursteintafel mit der Inschrift:

77 Soweit nicht anders vermerkt: Heinrich-Wilhelm Wörmann: Widerstand in Köpenick und Treptow. Gedenkstätte Deutscher Widerstand, 2013, S. 31f. 78 Holger Hübner: Das Gedächtnis der Stadt. Gedenktafel in Berlin. Argon, 1997, S. 398.

Köpenick

In diesem Gebäude befand sich bis Dezember 1989 die \ Kreisdienststelle Köpenick des Ministeriums für \ Staatssicherheit der DDR. \ Das Ministe- rium für Staatssicherheit sicherte durch \ politische Willkür, Unterdrü- ckung und Überwachung \ der Bevölkerung Macht und Herrschaft der SED.

Anlass für die Anbringung der Gedenktafel am 04.11.2004 war der 15. Jahrestag der Alexanderplatz-Demonstration vom 04.11.1989.

1962 bezog das MfS die Kreisdienststelle in der Friedrichshagener Straße mit drei Geschossen und Keller. Der KD-Leiter beantragte 1984 eine Er- weiterung des Gebäudes, um neue Arbeits- sowie Schutzräume zu schaf- fen. Im Juli 1986 entschied sich die Verwaltung, eine „Bürobaracke“ als Zwischenlösung aufzustellen. Ab August 1989 sollte die Musikschule Kö- penick (Friedrichshagener Straße) als Erweiterungsbau für Unterkunft und Verpflegung genutzt werden.

Zudem unterhielt die Staatssi- cherheit in Köpenick 145 kon- spirative Wohnungen, Objekt- dienststellen beispielsweise in den Industriebetrieben (FWB, WF, KWO, TRO, KNE), eine Außendienststelle im ehemali- 160 gen Rat des Stadtbezirks Kö- penick, sowie Sport- und Erho- lungsanlagen. Die Zahl der Mitarbeitenden wuchs von 30 auf 68, darunter sieben Frau- en, exklusive IM-Aktivitäten im Jahr 1989 an. Für das Jahr 1986 ist davon auszugehen, dass mindestens 14 IMBs ein- gesetzt wurden. IMBs - Inoffi- Kulturring in Berlin e. V. zieller Mitarbeiter der Abwehr mit Feindverbindung - standen im direkten Kontakt zu Personen, die vom MfS als feindlich kategorisiert wurden (beispielsweise zu Kirchengruppen oder Oppositionellen).

1989 wurde das MfS in Amt für Nationale Sicherheit umbenannt (AfNS), und ein Jahr darauf aufgelöst. Belastende Materialien wurden durch das MfS vernichtet.79 80

79 Annette Kaminsky (Hrsg.): Orte des Erinnerns: Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur. Ch. Links, 2007, S. 152.

Köpenick

Eine analoge Gedenktafel hängt vor dem ehemaligen MfS Treptow in Jo- hannistal (siehe da).

Rudolf MANDRELLA Auschwitz 06.03.1902 - Brandenburg 03.09.1943 Mandrellaplatz (Dammvorstadt)

Rudolf Mandrella finanzierte sich sein 1923 begonnenes Jura-Studium in Berlin durch Straßenbauarbeiten. Die Heirat mit Maria Kulke erfolgte im Jahr 1936. Aus der Ehe gingen drei Jungen hervor. Wohnort Mandrellas war in Karlshorst, er war als Amtsgerichtsrat in Köpenick tätig. Bereits Ende der 1930er Jahre sprach er seinen Unmut über die Nationalsozialis- ten aus. 1941 meldete sich Mandrella freiwillig für den Dienst in der Ma- rine, gelangte dadurch nach Kiel und Stettin. Dort engagierte er sich mit kritischen Gleichgesinnten im Pfarrhaus. In der Nacht vom 04. auf den 05. Februar 1943 wurde er von der Gestapo verhaftet, am 06. März kam er ins Berliner Untersuchungsgefängnis und am 12.Mai wurde er in Des- sau vor das Reichskriegsgericht geführt, wo er wegen Zersetzung der Wehrkraft zu Tode verurteilt wurde.

Mandrella führte ein Tage- buch vom 102. Tag seiner Haft bis zehn Tage vor seinem Tod. Ebenso schrieb er einen 161 bewegenden Abschiedsbrief an seine Frau am Tag der Hinrichtung. Aus ihm geht seine starke Religiosität her- vor: „Zu dem Schicksal, das der Herr mir auferlegt hat, sage ich ein starkes Ja! Trau- rig macht mich nur der Ge- danke an Dich und die Kinder, an den Schmerz, den ich Dir und Deinen Angehörigen gemacht habe.“81

Kulturring in Berlin e. V. Seit Juli 1947 trägt der Platz vor dem Amtsgericht den Namen Rudolf Mandrellas, seit September 1982 erinnert eine von Wer- ner Rosenthal gestaltete Stele82 mit den folgenden Worten an ihn:

80 O.A.: „Heimatkunde – Lage der ehemaligen MfS Objekte in Berlin-Köpenick“. MFS-Ausstellung, Stand 03.07.1998, Archiv Köpenick, Ordner MfS. 81 Heinz Kühn: Blutzeugen des Bistums Berlin. Morus Verlag, 1950, S.88 – 106. 82 Anschreiben von Bezirksbürgermeister Klaus Ulbricht an Michael Mandrella am 23.06.2004.

Köpenick

Rudolf Mandrella \ Richter am Amtsgericht Berlin-Köpenick \ Katholi- scher Antifaschist \ geboren 6.3.1902 ermordet 3.9.1943 \ im Zuchthaus Brandenburg

MEIEREI C. BOLLE Wendenschloßstraße 254 (Wendenschloss)

Auf dem Gelände des Gut Marienhains wurde auf Initiative eines Ort- schronisten am 16.06.2016 eine Gedenktafel für die Meierei C. Bolle er- richtet. Sie trägt den Text:

Meierei C. Bolle \ 1832 [ Bolle Logo] 1918 \ Christl. Unternehmer \ Carl Bolle \ Der Bollehof \ zu Cöpenick

In den Backsteinbauten ließ der „Milchkönig“ Carl Bolle bis circa 1916 Milch und Fleisch produzieren.83

Pablo NERUDA, eigentl. Ricardo Eliecer Neftali Reyes Basoalto Temuco 12.07.1904 - Santiago de Chile 23.09.1973 Pablo-Neruda-Straße 14 - 17 (Allende-Viertel)

1971 erhielt der chilenische Dichter Pablo Neruda den Nobelpreis für Li- teratur. Er verstarb vermutlich an Prostatakrebs oder an Herzversagen, obwohl sich Gerüchte einer Ermordung bis heute halten. Sein Todesda- tum liegt zwölf Tage nach der Machtübernahme durch die Putschisten 162 am 11.09.1973.84

Das Liebesgedicht Nerudas „Bella“ ist auf einem Betonquader vor dem Häuserdurchgang befestigt:

BELLA \ BELLA, \ COMO ENLA PEIDRA FRECA \ DEL MANANTIAL EL AGUA \ ABRE UN ANCHO RELAMPAGO DE ESPUMA. \ ASI ES LA SONRISA EN TU ROSTRO. \ BELLA. \ BELLA, \ DE FINAS MANAS Y DELGADOS PIES \ COMO UN CABALLITO DE PLATA \ ANDANDO, FLOR DEL MUNDO. \ ASI TE VEO. \ BELLA. \ BELLA, \ NO TE CABEN LOS OJOS EN LA CARA.. \ NO TE CABEN LOS OJOS EN LA TIERRA. \ HAY PAISES, HAY RIOS, \ EN TUS OJOS, \ MI PATRIA ESTÁ EN TUS OJOS. \ YO CAMINO POR ELLOS, \ ELLOS DAN LUZ AL MUNDO \ POR DONDE YO CAMINO, \ BELLA. \ BELLA, MI BELLA, \ TU VOZ, TU PIEL TUS UNAS; \ BELLA, MI BELLA, \ TU SER, TU LUZ, TU SOMB- RA, \ BELLA.. \ TODO ESO ES MIO, BELLA, \ TODO ESO ES MIO, MIA, \ CUANDO ANDAS O REPOSAS, \ CUNADO CANTAS O DUERMES, \ CUAN- DO SUFRES O SUENAS, \ SIEMPRE, \ CUANDO ESTÁS CERCA O LEJOS, \ SIEMPRE, \ ERES MIA, MI BELLA, \ SIEMPRE.

83 Ralf Drescher: Gedenktafel für Bimmel-Bolle. Berliner Woche, 16.07.2016. Frank Pauli: Bimmel-Bolle. Ein christlicher Unternehmer in Berlin (1832–1910). Wichern-Verlag, 2000. 84 Adam Feinstein: Pablo Neruda. Bloomsbury Publishing, 2008.

Köpenick

Kulturring in Berlin e. V.

Die Übersetzung in der rechten Spalte lautet:

SCHÖNE \ SCHÖNE, \ WIE IM KÜHLEN GESTEIN \ DAS WASSER DES QUELLS \ ALS EIN ÜPPIGER BLITZ AUS GISCHT ENTSPRINGT, \ SO IST DAS LÄCHELN IN DEINEM GESICHT, \ DU SCHÖNE. \ SCHÖNE, \ MIT FEINEN 163 HÄNDEN UND SCHLANKEN FÜßEN \ WIE EIN SILBERPFERDCHEN, \ LEICH- TEN GANGES, BLÜTE DER WELT, \ SO SEHE ICH DICH, \ DU SCHÖNE. \ SCHÖNE, \ DEINE AUGEN HABEN NICHT RAUM GENUG IN DEINEM GE- SICHT. \ NICHT RAUM GENUG AUF DER ERDE. \ LÄNDER GIBT ES, FLÜSSE GIBT ES \ IN DEINEN AUGEN, \ MEIN VATERLAND IST IN DEINEN AUGEN. \ ICH DURCHWANDERE SIE, \ SIE SPENDEN LICHT DER WELT, \ DIE ICH DURCHWANDERE, DU SCHÖNE. \ SCHÖNE, MEINE SCHÖNE, \ DEIN STIMME, DEINE HAUT DEINE NÄGEL, \ SCHÖNE, MEINE SCHÖNE, \ DEIN SEIN, DEIN LICHT, DEIN SCHATTEN, SCHÖNE. \ DIES ALLES IST MEIN, SCHÖNE, \ ALL DIES IST MEIN, DU MEINE, \ WENN DU GEHST ODER RUHST, \ WENN DU SINGST ODER SCHLÄFST. \ WENN DU LEIDEST ODER TRÄUMST. \ IMMER, \ WENN DU NAHE BIST ODER FERN, \ IMMER, \ BIST DU MEIN, MEINE SCHÖNE, \ IMMER. \\ PABLO NERUDA \ 1904 - 1973

Köpenick

OPFER DER SED-DIKTATUR Gutenbergstraße 33 (Spindlersfeld/Köllnische Vorstadt)

An der Hauswand befindet sich seit dem 17.06.2009 eine schwarze Gedenk- tafel mit weißer Inschrift:85

In diesem Gebäude befand sich bis 1989 die Kreisleitung \ der Sozialisti- schen Einheitspartei Deutschlands (SED). \ Unter der Diktatur dieser Par- tei wurden die Bürger in \ ihren demokratischen Grundrechten be- schränkt. \ Zahlreiche Andersdenkende hatten darunter zu leiden \ und zählten zu den Opfern der SED.

Die Kreisleitung Köpenick hatte ihren Sitz zuerst in der Lindenstraße 42, dann in der Lindenstraße 44 und ab Beginn der 1970er Jahre in der Gu- tenbergstraße. Sie unterstand der Bezirksleitung Berlin der SED. Die Tek- tonikgruppe C des Landesarchivs Berlin verwahrt die Bestände der Kreis- leitung.86

OPFER DES SOWJETISCHEN GEHEIMDIENSTES NKWD (1945 -1947) Seelenbinderstraße 99 (Dammvorstadt)

An der Hauswand des heutigen Fi- nanzamt Treptow-Köpenick in der Seelenbinderstraße 99 (ehemals Kai- ser-Wilhelm-Straße) ist seit dem 164 13.12.2000 eine schwarze Granittafel mit weißer Inschrift befestigt. Diese besagt:

In diesem Haus, einer ehemaligen Poli- zeikaserne, \ befand sich von 1945 bis 1947 ein Stützpunkt \ des sowjetischen Geheimdienstes NKWD. \ Nach Kriegs- ende wurden im Keller \ dieses Gebäu- des zahlreiche \ Bürgerinnen und Bür- O.A.: Stadtrat Retzlaff, Fritz Schulz. ger interniert \ und von hier in Strafla- 13.12.2000. Archiv Museum Treptow- ger deportiert, \ wo viele von ihnen Köpenick 19/19.53 umgekommen sind.

Zur Einweihung der Tafel war auch Fritz Schulz zugegen, der am 20.10.1945 in der Seelenbinderstraße inhaftiert wurde und im Anschluss

85 Svend Simdorn: Einladung. Bezirksamt Treptow-Köpenick, 26.05.2009. Die Adlershofer Zeitung, Nr. 181 notierte noch im Mai 2009, dass den Mitteilungen des BVV-Vorstehers Nr. VI/27 zu entnehmen sei, dass der Eigentümer des Ge- bäudes in der Gutenbergstraße 33 die Anbringung einer Tafel zum Gedenken an die SED-Kreisleitung ablehnend gegenüber stand: W.S.:„Platzverweis“ und „Hammelsprung“. Adlershofer Zeitung, Mai 2009, Nr. 181. 86 Bestandsnummer im Landesarchiv Berlin: C Rep. 903-01-02

Köpenick

daran sieben Jahre in Sachsenhausen sowie in den Lagern der SU ver- brachte.87

1930/31 wurde das Gebäude als Polizeischule und Polizeirevier errichtet. Nach Kriegsende bis 1947 nutzte der NKWD den Keller und die Garage des Gebäudes als Sammelgefängnis. Potentielle NS-Verbrecher und sonstige feindlich gesinnte Personen wurden hier festgehalten und zum Teil in sowjetische Speziallager transportiert.88

Von 1945 bis in die 1950er Jahre wurden 200.000 Menschen von sowje- tischen Geheimdiensten inhaftiert. Derzeit bekannt sind 23 Haftorte im Bezirk, von denen sich fünf in Treptow und 18 in Köpenick befinden. Im Opersektors des Ministerium für Staatssicherheit MGB (Министерство государственной безопасности) wurde ab 1947 Personal abgebaut. Dies genauso wie die Tatsache, dass Massenverhaftungen wie 1945 nicht mehr stattfanden, führte zur Schließung einiger Hafteinrichtungen, so auch dem Gefängnis in der Kaiser-Wilhelm-Straße 99.89

Auch in Niederschöneweide in der Hasselwerderstraße 38/40 findet sich eine Gedenktafel für die Opfer des NKWD (siehe da).

Paul POHLE Köpenick 04.11.1883 - Berlin Juni 1933 Pohlestraße 12 (Kietz) 165 An der Hauswand des Wohnorts des Reichsbanner- und SPD-Mitglieds Pohle hängt eine Tafel aus schwarzem Granit mit folgender, weißer In- schrift:

In diesem Hause wohnte \ das SPD-Mitglied \ Paul Pohle \ 1883 - 1933 \ Opfer der Köpenicker Blutwoche

Seit dem 02.12.2013 befindet sich vor dem Haus in der Pohlestraße (bis 1951 Elisabethstraße90) ebenfalls ein Stolperstein mit der Inschrift: 91

87 Karin Schmidl: Gedenktafel für Gefangene, die der NKWD deportierte Sieben Jahre im Lager ohne Gerichtsurteil. Berliner Zeitung, 10.02.1999. 88 Annette Kaminsky: Orte des Erinnerns: Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur in SBZ und DDR. 2007, S.147. iba: Tafel soll an Gefangene in Köpenick erinnern. Abendblatt, 21.12.2000. Ralf Drescher: Gedenktafel für Ge- heimdienstopfer. Wochenblatt, 21.12.2000. 89 Peter Erler: GPU-Keller Arrestlokale und Untersuchungsgefängnisse sowjeti- scher Geheimdienste in Berlin (1945 – 1949). Bund der Stalinistisch Verfolgten e.V. 2005, S. 5, 26, 36 – 44. 90 Sylvia Lais, Hans-Jürgen Mende (Hrsg.): Lexikon Berliner Straßennamen. Hau- de et Spener, 2003, S. 351. 91 O.A.: „Stolpersteine für sieben Opfer der Köpenicker Blutwoche“. In: SPD Fraktion in der BVV Treptow-Köpenick: Infobrief, 10/2013, S.2.

Köpenick

HIER WOHNTE \ PAUL POHLE \ JG. 1883 \ IM WIDERSTAND/SPD \ MISS- HANDELT/GEFOLTERT \ VON SA \ ERMORDET JUNI 1933 \ KÖPENICKER BLUTWOCHE

Sein Sohn Kurt Pohle (ebenfalls Opfer der Blutwoche) berichtete, dass sein Vater im Ersten Weltkrieg als Maschinengewehrschütze eingezogen wurde. Paul Pohle kämpfte an der Langen Brücke während des Kapp- Putsches 1920. Anfang der 1920er Jahre arbeitete Pohle bei der Firma Heinrich Thiele und Co in Kreuzberg als Schraubendreher und engagierte sich als Betriebsratsvorsitzender. Nachdem er entlassen wurde, arbeite- te er als Laborant in der Apotheke des Krankenhaus Köpenick. Im März 1933 schmuggelte Pohle Fotos von misshandelten SA-Opfern ins Aus- land.92 Kurz darauf wurde er an seinem Arbeitsort von der SA am 21.06.1933 abgeholt.93 Pohle verstarb an den Folgen der Misshandlun- gen im Sturmlokal Demuth. Er wurde im Schmöckwitzer Forst erhängt aufgefunden.94

EHELEUTE RATSCH Georg Ratsch (Naumburg/Saale 24.03.1880 - Berlin 20.07.1965) Alide Ratsch, geb. Janowski (Pola 26.01.1883 - Berlin 17.07.1975) Freiheit 14 (Alt-Köpenick) Dammbrücke (Köllnische Vorstadt)

Am Pfarrhaus der Gemeinde in der 166 Freiheit 14 ist an der linken Giebel- wand eine Kupferplatte auf Holzrah- men mit der folgenden Inschrift ange- bracht:

Georg Ratsch, \ Pfarrer der \ refor-

ProAB e.V. mierten Gemeinde \ 1927-1947, \ seine Ehefrau Alide \ und die Gemeinde \ machten dieses Pfarrhaus \ zu einer Stätte der \ Zuflucht und der Hilfe \ für Antifaschisten, Juden \ und Opfer des Krieges \ in den Jahren 1933 – 1945

Die Gedenktafel wurde anlässlich des 55. Jahrestags der Köpenicker Blutwoche am Montag den 20.06.1988 enthüllt.95

Die Aufzeichnungen von Alide Ratsch, der Ehefrau des Pfarrers der evangelisch-reformierten Schloßkirchengemeinde, finden sich in der Schloßkirchengemeinde Köpenick. Sie beschreibt darin, wie sich das

92 Stefan Hördler: SA-Terror als Herrschaftssicherung: "Köpenicker Blutwoche" und öffentliche Gewalt im Nationalsozialismus. Metropol, 2013, S.89. 93 Brief Kurt Pohles an Stimme der DDR. 08.03.1978. Archiv Köpenick. 94 Heinrich-Wilhelm Wörmann: Widerstand in Köpenick und Treptow. Gedenk- stätte Deutscher Widerstand, 2013, S.41f. 95 O.A.: Ehrung in Köpenick für Pfarrer Georg Ratsch. Neues Deutschland, 21.06.1988.

Köpenick

Pfarrhaus im Widerstand engagierte und Verfolgten Unterschlupf ge- währte. So hält sie zu der Köpenicker Blutwoche fest:

„Wir schliefen nur noch in den Kleidern. Jede Nacht klopfte es bei uns u. jemand bat: Bitte machen sie schnell auf. Eine Nacht [kam] auch der Theologe Völker, der einen nervösen Weinkrampf erlitt. Er hatte Materi- al gesammelt über viele Gräueltaten zur Bekanntgabe in der Zukunft. Und das trug er bei sich, wir haben alles schleunigst in der Küche ver- brannt. Hätte man ihn untersucht, wäre er sofort totgeschlagen wor- den.“ 96

Besondere Verdienste hat sich Alide Ratsch ebenfalls bei der Rettung der Köpenicker Altstadt gemacht, an der eine weitere Gedenktafel von Ul- rich Stulpe aus dem Jahr 2011 an sie erinnert: 97

ALIDE RATSCH \ 1883-1975 \ IN ERINNERUNG AN DIE MUTIGE \ PFAR- RERSFRAU ALIDE RATSCH (1883-1975), \ DIE IN DER ZEIT DES NATIONAL- SOZIALISMUS \ VERFOLGTEN ZUFLUCHT GEWÄHRTE. \ IN DEN LETZTEN KRIEGSTAGEN SETZTE SIE \ SICH COURAGIERT FÜR DIE RETTUNG DER \ KÖPENICKER ALTSTADT UND DEREN \ BEWOHNER EIN.

SCHIFFSUNGLÜCK 1916 Zum Schmetterlingshorst 2

23. JULI 1916 \\ AM 23. JULI 1916 KOLLIDIERTEN \ DIE MOTORFÄHRE 167 „ANNA“ UND DER \ AUSFLUGSDAMPFER „HINDENBURG“\ AUF DEM LANGEN SEE BEI GRÜNAU.\ DIESES UNGLÜCK KOSTETE 22 MENSCHEN \ DAS LEBEN - UNTER IHNEN NEUN KINDER. \ INFOLGE DIESER KATASTRO- PHE WURDEN \ DIE VORSCHRIFTEN DER BINNENSCHIFF-\FAHRT DEM WACHSENDEN SCHIFFS-\VERKEHR ANGEPASST.

Die Tafel des Grafikers Ulrich Stulpe, der bereits die Tafel für das Flug- zeugunglück in Bohnsdorf, sowie die für das Maueropfer Lutz Schmidt entwarf, wurde zum 100. Jahrestags des Unglücks am 23.07.2016 aufge- stellt.98 Der Standort der Tafel befindet sich vor der ehemaligen Gast- stätte Schmetterlingshorst.

Vater und Sohn SCHMAUS Johann Schmaus (München 05.12.1879 - Berlin 21.06.1933)

96 Heinrich-Wilhelm Wörmann: Widerstand in Köpenick und Treptow. Gedenk- stätte Deutscher Widerstand, 2010, S. 197 - 205. 97 Ralf Drescher: Alide Ratsch rettete Köpenicker Altstadt. Berliner Woche, 21.12.2011. 98 Vgl. Heinrich Langmaack: „Eine Schiffskatastrophe auf dem Langen See“. In: Heimatverein Köpenick e.V. (Hrsg.): Von Copnick nach Köpenick – neue Streifzü- ge durch seine Geschichte. Trafo, 2014, S. 211- 218. Ralf Drescher: Schiffsun- glück auf der Dahme vor 100 Jahren. Berliner Woche, 29.07.2016.

Köpenick

Anton Schmaus (München 19.04.1910 - Berlin 16.01.1934) Schmausstraße 2

Der Gewerkschaftler und SPD-Politiker Johann Schmaus wurde in der Nacht vom 21. zum 22. Juni im Rahmen der sogenannten Köpenicker Blutwoche vor seinem Haus aufgegriffen und in seinem Schuppen gefol- tert. Dazu ein handgeschriebener Archivzettel aus dem Berliner Leichen- schauhaus:

„Vermutliche Todesursache: Erhängen. Kurze Vorgeschichte: Sch. ist tot in seinem Schuppen aufgefunden, besichtigt am 23. VI. um 10 Uhr. Die speziellen für die Todesursache oder das Verbrechen wichtigen äusseren Befunde: reichl. blaurote Striemen über d. Gesäß; Kotbesudelung d. Oberschenkel; mehrf. Platzwunden über d. Schädel […]; Strangmarke am Halse, Suffus. [Unterblutungen] re. Unterarm.“

Anton Schmaus leistete Wider- stand gegen die ins Haus einge- drungenen SA-Männer, erschoss drei von ihnen mit einer Pistole und flüchtete ziellos nur in Bade- hose bekleidet Richtung Fried- richshagen. Er stellte sich kurze Zeit darauf der Polizei, die ihm 168 versicherte ihn nicht an die SA auszuliefern. Die Sturmabwehr überfiel jedoch den Haftort. An- ton Schmaus erhielt eine Schuss- wunde, die ihn lähmte und den aufsteigenden Dickdarmanteil öffnete. Es kam zu einer eitrigen Kulturring in Berlin e. V. Entzündung der linken Niere, die in Nachbarschaft zum Dickdarm liegt. Trotz Lähmung führte die SA weitere Misshandlungen durch, eben- so erlitt Schmaus eine Infektion mit Lungenentzündung, Druckgeschwü- re in Folge der Bettlägerigkeit und war stark abgemagert. Er verstarb im Januar 1934.99

Auch Katharina Schmaus, die Ehefrau von Johann Schmaus, wurde von SA-Schergen verhaftet und im Amtsgefängnis schwer misshandelt. An- schließend war sie gezwungen Boden und Treppenhaus von den Spuren

99 Gunter Geserick, Klaus Vendura, Ingo Wirth: „Die Politik und der Tod. Von Köpenick zum Alexanderplatz“. In: dies.: ZEIT ZEUGE TOD. Spektakuläre Fälle der Berliner Gerichtsmedizin. Militzke, 2010, S.169 – 194.

Köpenick

zu reinigen. Ihre 13jährige Tochter musste nach ihrer Verhaftung Miss- handlungen im Lokal Seidler beiwohnen.100

Am Wohnort im Elsengrund ist an der Hauswand eine Bronzetafel be- festigt:

In diesem Hause wohnten \ die Widerstandskämpfer \ Johann Schmaus \ geb. 5.12.1879 in München \ am 21.6.1933 in der \ Köpenicker Blutwo- che \ ermordet. \ Anton Schmaus \ geb. 19.4.1910 in München \ am 16.1.1934 an den \ Folgen grausamer \ Misshandlungen \ in Köpenick \ verstorben.

Ebenso befinden sich hier seit dem 02.12.2013 zwei Stolpersteine mit den Texten: 101

HIER WOHNTE \ ANTON SCHMAUS \ JG. 1910 \ IM WIDERSTAND/SPD \ MISSHANDELT/GEFOLTERT \ VON SA \ TOT 16.1.1934 \ POLIZEIKRAN- KENHAUS \ KÖPENICKER BLUTWOCHE

und

HIER WOHNTE \ JOHANN SCHMAUS \ JG. 1879 \ IM WIDERSTAND/SPD \ MISSHANDELT/GEFOLTERT \ VON SA \ ERMORDET 21.6.1933 \ KÖPENI- CKER BLUTWOCHE 169 Marianne von SCHMETTAU, geb. v. Rüffer 24.04.1721 - Berlin 23.04.1771 Schlossinsel (Alt-Köpenick)

Das Köpenicker Schloß wurde nach dem Tod Henriette Maries von Bran- Brandenburg-Schwedt (1782) im Jahr 1804 an den Grafen Friedrich Wilhelm Carl von Schmettau ver- kauft, in dessen Besitz es bis zu sei- nem Tod nach einer Verletzung in der Schlacht bei Auerstedt war.102

Marianne von Schmettau war die Gemahlin des Feldmarschalls Graf von Schmettau, sowie Mutter des Generalleutnants Friedrich Wilhelm Kulturring in Berlin e. V.

100 Heinrich-Wilhelm Wörmann: Widerstand in Köpenick und Treptow. Gedenk- stätte Deutscher Widerstand, S. 26ff. 101 O.A.: „Stolpersteine für sieben Opfer der Köpenicker Blutwoche“. In: SPD Fraktion in der BVV Treptow-Köpenick: Infobrief, 10/2013, S.2. 102 Theodor Fontane: Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 4. Teil Spree- land-Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow. 1925.

Köpenick

Carl von Schmettau. Letzterer war von 1804 bis 1806 Besitzer des Schlosses und ließ die barocke Bildnisurne in Gedenken an seine Mutter im Schlossgarten setzten. Auf einem Sandsteinsockel steht die Urne mit Porträt im Kranz sowie der (heute unleserlichen) Inschrift:

Marianne, Gemahlin des Feldmarschalls Graf von Schmettau, geborene von Rüffler, geboren am 24. April 1720, gestorben 23. April 1771 zu Ber- lin103

Die Urne ist so gearbeitet, als dass sie wie von einem Tuch bedeckt wirkt. Darunter winden sich zwei Schlangen als Zeichen der Ewigkeit. Außerdem ist der Schaft einer Fackel mit Flamme zu erkennen, daneben befindet sich ein weinender Knabe.104

Robert SCHUMANN Zwickau 08.06.1810 - Endenich 29.07.1856 Freiheit 15 (Alt-Köpenick)

Vor der ehemaligen Musikschule steht eine von Theo Balden 1956 entworfene Büste des deutschen Komponisten der Romantik: 105

Robert Schumann * 8.6.1810 + 29.7.1856

Sie befand sich bis 2016 vor der Musikschule Fried- Kulturring in Berlin 170 richshagener Straße 8.106 e. V.

Werner SEELENBINDER Stettin 02.08.1904 - Brandenburg Görden 24.10.1944 Mandrellaplatz 6 (Dammvorstadt)

Der sechsfache deutsche Meister und Teilnehmer der Olympischen Spie- le 1936 Werner Seelenbinder war als Transportarbeiter bei den Appara- tefabriken der AEG angestellt und beteiligte sich am betrieblichen Wi- derstand. Er gehörte zur Uhrig-Römer-Gruppe.107 Sein Vater August See-

103 Bruno Schulz: Köpenicker Denkmäler. O.V., o.J., S. 6. Pressearchiv Museum Köpenick, Ordner 841.0. 104 Klaus Weidner: Plastiken, Denkmäler, Brunnen im Bezirk Köpenick. Luisen- städtischer Bildungsverein 1993, S. 23. 105 Klaus Weidner: Plastiken, Denkmäler, Brunnen im Bezirk Köpenick. Luisen- städtischer Bildungsverein 1993, S. 18. 106 Sabine Flatau: Musikschule wird Heim für minderjährige Flüchtlinge. Berliner Morgenpost, 25.05.2016. 107 Heinrich-Wilhelm Wörmann: Widerstand in Köpenick und Treptow. Gedenk- stätte Deutscher Widerstand, S. 123, 170, 303.

Köpenick

lenbinder lebte in der Wendenschloßstraße 35 in Köpenick. 1942 wurde er verhaftet.108

Die Anklageschrift Seelenbinders hielt fest : In den Jahren 1941 bis 1942 hatte Seelenbinder „an Besprechungen über Umsturzarbeit einer größe- ren kommunistischen Organisation teilgenommen und Gesinnungsge- nossen geworben sowie unter anderem Zusammenkünfte und Quartiere vermittelt oder in anderer Weise die hochverräterischen Bestrebungen der KPD gefördert. Gleichzeitig haben sie dadurch während des Krieges auf die Zersetzung der Heimatfront hingearbeitet.“109

Ein Abschiedsbrief Seelenbinders vor der Hinrichtung in Brandenburg Görden ist überliefert, er schreibt:

„Ich weiß aber, daß ich in den Herzen von Euch und auch bei vielen Sportanhängern einen Platz gefunden habe, den ich immer darin be- haupten werde. Dieses Bewußtsein macht mich stolz und stark und wird mich in letzter Stunde nicht schwach sehen.“110

171

O.A.: Dr. Ulbricht enthüllt den GeO.A.: Dr. Ulbricht enthüllt den Gedenkstein für W. Seelenbinder. Archiv Museum Treptow-Köpenick, 19/19.56.

Im Hof des Amtsgerichts findet sich seit dem 27.01.2006 eine Metallplat- te mit der Inschrift:111

108 Standesbeamte in Vertretung Schlunke, Brandenburg 25.10.1944, Archiv Museum Köpenick. Siehe auch: Walter Radetz: Der Stärkere. Ein Buch über Werner Seelenbinder. Neuer Weg, 1980. 109 Lothar Skorning: Kurzer Abriß der Geschichte der Körperkultur in Deutschland seit 1800. Sportverlag, 1952. [Abschrift im Museum Köpenick] 110[Werner Seelenbinder]: Sein letzter Brief. Junge Welt, 23.10.1962. 111 Mendel: Gedenkstein für Werner Seelenbinder. Pressestelle BA TK, 24.01.2006.

Köpenick

Zum Gedenken an \ Werner Seelenbinder \ 1904 - 1944 \ Opfer des NS- Regimes

Seiner Widerstandstätigkeit wird ausschließlich in einer früheren Tafel mit Reliefporträt gedacht:

Dem mutigen Kämpfer \ gegen Faschismus, \ Imperialismus \ und Krieg \ Werner \ Seelenbinder \ zum Gedenken \\ Geb. \ 2.8.1904 \ Ermordet \ 24.10.1944112

Weitere Gedenktafeln für Seelenbinder existierten in der Martin- Hoffmann-Straße 15-26 (siehe OT Alt-Treptow) und an seinem Wohnort Glatzer Straße 6 in Friedrichshain. Eine Berliner Gedenktafel für Seelen- binder findet sich an seinem Trainingsort in der Thomasstraße 39, Neu- kölln. Im Werner-Seelenbinder-Sportpark in der Oderstraße (Neukölln) wurde er bestattet.113

Johann Julius Wilhelm SPINDLER Berlin 08.04.1810 - Berlin 28.09.1873 Spindlerbrücke (Spindersfeld)

Für den Wäschereibesitzer Johann Spindler befindet sich abgehend zum Grubepark an der Spindler- brücke auf einer Stele eine Ge- 172 denktafel mit Relief mit folgender Inschrift:

Wilhelm Spindler 1810 - 1873 \ Gründer der Firma W. Spindler

Im Museum Köpenick hängt eine Tafel im selben Stil für dessen Sohn Carl Spindler (Berlin 11.12.1841 – Berlin 18.10.1902) mit der Inschrift: Kulturring in Berlin e. V. Carl Spindler \ Geheimer Kommerzienrat \ 1841 - 1902

112 Ein Foto der Vorgängertafel ist im Museum Köpenick Treptow archiviert. Die Inschrift lautete: Dem mutigen Kämpfer für \ Deutschlands Zukunft \ Werner Seelenbinder \ geb. 2.8.04 ermordet 24.10.44 \ Dein Name ist uns Verpflichtung \ Die Pioniere der 9. Schule Siehe Martin Schönfeld: Gedenktafeln in Ost-Berlin. Schriftenreihe Aktives Museum, 1991, S. 68. 113 Holger Hübner: Das Gedächtnis der Stadt. Gedenktafeln in Berlin. Argon, 1997, S. 163, 375f., 389.

Köpenick

Die Bronzetafeln befanden sich ursprünglich in der Wallstraße 12 am Stammhaus Spindlers in Mitte. 114

Der Seidenfärber Wilhelm Spindler betrieb in der Burgstraße 3 von 1832 bis 1842 eine Färberei. Aus Platzgründen zog er von 1842 bis 1873 in die Wallstraße 12 und unterhielt dort eine Dampffärberei. 1871 nahm Wil- helm Spindler seine Söhne Carl und William als Teilnehmer in die Firma auf. Im selben Jahr entstand der Beschluss auch aufgrund wachsender Kundschaft die Geschäfte außerhalb Berlins anzusiedeln. Ein Grundstück nahe der Oberspree wurde, in der Region, die heute den Namen Spind- lersfeld trägt, angekauft. Im selben Jahr noch verstarb der Vater Wilhelm Spindler. Die zwei Söhne setzten ihre Tätigkeit fort und engagierten sich insbesondere für das leibliche und geistige Wohl ihrer Arbeiter bei- spielsweise durch die Gründung einer privaten Krankenkasse, eines Un- fallfonds, von Wohnstätten, einer Bibliothek, einem Gesangsverein, Ru- derverein und vielem mehr. Aus Krankheitsgründen musste sich William Spindler 1881 vom Geschäft zurückziehen. Er verzog auf die Isle of Wight. 115

Johannes STELLING Hamburg 12.05.1877 - Berlin 21./22.06.1933 Stellingdamm 36 (Elsengrund)

An der Hauswand des ehemaligen 173 Wohnorts von Johannes Stelling befin- det sich eine Bronzetafel mit den Wor- ten:

In diesem Hause \ wohnte \ der Antifa- schist \ Johannes \ Stelling \ geb. 12.5.1877 \ Er wurde von der S.A. am 21.6.1933 \ grausam in der \ Köpeni- cker Blutwoche ermordet

Ebenso wurde vor dem Haus am 02.12.2013 ein Stolperstein verlegt mit den Worten: 116 Kulturring in Berlin e. V. HIER WOHNTE \ JOHANNES STELLING \

114 Holger Hübner: Gedenktafeln und Steine im früheren Bezirk Köpenick. Unver- öffentlicht, Archiv Museum Köpenick, 2003. Spätestens seit 1881 trug Carl Spindler den Titel Geheimer Kommerzienrat laut der genannten Denkschrift zum 50jährigen Bestehen der Firma. Ob die Gedenktafeln erst nachdem Aus- scheiden des Bruders William Spindlers 1881 gefertigt wurden, ist unbekannt. 115 O.A.: Denkschrift zum Jubiläum des fünfzigjährigen Bestehens der Firma W.S. Spindler. O.A., 1882, S.9, 11f, 13ff. 116 O.A.: „Stolpersteine für sieben Opfer der Köpenicker Blutwoche“. In: SPD Fraktion in der BVV Treptow-Köpenick: Infobrief, 10/2013, S.2.

Köpenick

JG. 1877 \ IM WIDERSTAND/SPD \ MISSHANDELT/GEFOLTERT \ VON SA \ ERMORDET 22.6.1933 \ KÖPENICKER BLUTWOCHE

Stelling war ab 1905 Abgeordneter des Landtags in Schleswig-Holstein, dann von 1921 bis 1924 Ministerpräsident von Mecklenburg Schwerin. Von 1924 bis zum Verbot der SPD 1933 vertrat er den Wahlkreis Oppeln als Reichstagsabgeordneter.

Stelling wurde nach seiner Verhaftung im Sturmlokal Seidler misshan- delt, im Amtsgerichtsgefängnis erschossen und in einem Leichensack in der Dahme versenkt. Seinen Leichnam fand man angespült an der Dah- me am Grundstück Rückertstr. 8. In Folge der Misshandlungen war sein Leichnam unkenntlich, er konnte nur anhand der Kleidung und dem Ta- scheninhalt identifiziert werden.117

Eine weitere Gedenktafel für Stelling findet sich an der Stelling-Janitzky- Brücke am Teltowkanal (Adlershof), sowie am Essenplatz 1 (Köpenick). Am 31.07.1947 wurde die Dahlwitzer Straße in Stellingdamm umbe- nannt.118

STOLPERSTEINE

Familie BERNSTEIN Bruno Bernstein (Neidenburg 22.08.1879 - Auschwitz) Rosa Bernstein, geb. Stein (Berlin 08.12.1879 - Auschwitz) 174 Alt-Köpenick 18 (Köpenick)

Bruno Bernstein erhielt seine Approbation als Zahnarzt 1899 und ließ sich wahrscheinlich kurz darauf in Köpenick nieder. 1909 wurde er Stell- vertreter des Vorstands der Synagogengemeinde Cöpenick. Zudem en- gagierte er sich politisch für die Deutsche Demokratische Partei. Er er- hielt 1920 seinen Doktor im Fachbereich Medizin an der Universität . Nach Hitlers Machtantritt musste er 1933 sein Mandat in der Preußischen Zahnärztekammer niederlegen. 1938 war er gezwungen seine zahnärztliche Tätigkeit in Köpenick aufzugeben. Zur Volkszählung 1939 war das Ehepaar bereits in der Rosenheimer Straße gemeldet.119 Am 02.03.1943 wurde Bruno Bernstein nach Auschwitz deportiert. Seine Ehefrau Rosa Bernstein wurde am 17.03.1943 nach Theresienstadt de-

117 Heinrich-Wilhelm Wörmann: Widerstand in Köpenick und Treptow. Gedenk- stätte Deutscher Widerstand, 2013, S. 32, 37, 61f . Siehe auch: Horst Bednarck: Johannes Stelling (1877–1933), Ein Leben für die Sozialdemokratie, Eine politi- sche Biographie. BdA Köpenick, 1999. 118 Sylvia Lais, Hans-Jürgen Mende (Hrsg.): Lexikon Berliner Straßennamen. Hau- de et Spener, 2003, S. 427. 119 Gerd Lüdersdorf: Es war ihr Zuhause. Juden in Köpenick. Edition Roots 1998, S.57.

Köpenick

portiert, und am 18.05.1944 nach Auschwitz gebracht, wo sie ums Leben kam.120

Die am 07.06.2005 angebrachten und zwei Tage darauf eingeweihten Stolpersteine tragen folgenden Text121:

HIER WOHNTE \ DR. BRUNO BERNSTEIN \ JG. 1879 \ DEPORTIERT 1943 \ ERMORDET IN \ AUSCHWITZ und

HIER WOHNTE \ ROSA BERNSTEIN \ GEB. STEIN \ JG. 1878 \ DEPORTIERT 1943 \ ERMORDET IN \ THERESIENSTADT

Emilie COHN, geb. Stein Berent / Koscierzyna 30.05.1871 - Auschwitz122 Alt-Köpenick 34 (Köpenick)

Der Stolperstein für Emilie Cohn wurde am 06.06.2013 verlegt: 123

HIER WOHNTE \ UND ARBEITETE \ EMILIE COHN \ GEB. STEIN \ JG. 1871 \ DEPORTIERT 26.2.1943 \ ERMORDET IN \ AUSCHWITZ

David und Emilie Cohn wohnten zunächst in der Kietzer Straße 41a, ver- zogen dann in die Schloßstraße 25 (seit 31.07.1947 Alt-Köpenick). Sie übernahmen das Kaufhaus Lichtenstein. Aus ihrer Ehe gingen zwei Kin- 175 der hervor: Margarete (*1897) sowie Charlotte Danzinger, geb. Cohn (*31.07.1902). Als David Cohn 46 jährig im Jahr 1910 verstarb, führte seine Frau das Geschäft allein.124

Clara Klara Karoline EHRMANN, geb. Falk Tuchel /Tuchola 08.07.1868 - Theresienstadt 01.04.1943125 Wendenschloßstraße 172 (Wendenschloss)

120 Rosa Bernstein im Online-Gedenkbuch Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945. Angabe Susanne Willems/Koordinierungsstelle Stolperstein mit Bezug auf: Institut The- resienstädter Initiative: Theresienstädter Gedenkbuch. Die Opfer der Juden- transporte aus Deutschland nach Theresienstadt 1942–1945. Academia 2000. Der Stolperstein nennt hingegen Theresienstadt als Todesort. 121 H. Wichmann et al: „Dr. Bruno Bernstein, Rosa Bernstein, Alt-Köpenick 18“. In: Bund der Antifaschisten Treptow e.V. et al.: Stolpersteine in Berlin Treptow- Köpenick. Ohne Verlag, 2008, S.55 – 57. 122 Emilie Cohn im Online-Gedenkbuch des Bundesarchivs Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945 123 Angabe Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin. 124 Gerd Lüdersdorf: Es war ihr Zuhause. Juden in Köpenick. Edition Roots 1998, S. 58f, 148. 125 Clara Ehrmann im Online-Gedenkbuch Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945

Köpenick

Der Text des am 27.04.2012 verlegten Stolpersteins lautet: 126

HIER WOHNTE \ CLARA EHRMANN \ GEB. FALK \ JG. 1868 \ DEPORTIERT 3.10.1942 \ THERESIENSTADT \ TOT 1.4.1943

Georg EPPENSTEIN 07.12.1867 - Berlin 03.08.1933 Salvador-Allende-Straße 43 - 45 (Salvador-Allende Viertel)

Seit dem 21.06.2004 erinnert ein Stolperstein an Dr. Georg Eppenstein im Hausdurchgang seines ehemaligen Wohnhauses: 127

HIER LEBTE \ DR. GEORG \ EPPENSTEIN \ JG. 1867 \ MISSHANDELT \ TOT 3.8.1933 \ OPFER DER KÖPENICKER BLUTWOCHE

Der Stein ist der erste Stolperstein Köpenicks und wurde vom Bund der Antifaschisten, dem Bürgerverein Allende-Viertel und Schülern der Me- rian-Oberschule initiiert.128

Der Chemiker Dr. Georg Eppenstein besaß die Knoblauchsaftfabrik Rui- los in der Achenbachstraße (heute Salvador-Allende-Straße). Er wurde während der Köpenicker Blutwoche im Lokal Demuth brutal gefoltert. Seine Ehefrau Martha konnte beim Standartenführer Herbert Gehrke ei- ne Entlassung ihres Mannes durchsetzen. Sie erinnerte sich: „Ich er- schrak als ich ihn sah. Er war nicht wiederzuerkennen. Die Brille war 176 weg, die Augen, der Kopf zerschlagen, das Nasenbein zertrümmert. Mein Mann konnte weder sehen noch hören.“ Eine Operation in der Charité sollte das Nachsickern des Bluts ins Gehirn verhindern. Nach ei- nigen Tagen im Krankenhaus verstarb Eppenstein schließlich dort an den Folgen der Misshandlung.129

Julius FROMM, geb. Israel Fromm Konin 04.03.1883 - London 12.05.1945 Friedrichshagener Straße 38 (Köpenick)

Am 18.10.2014 erfolgte die Verlegung des Stolpersteins für den Fabri- kanten Julius Fromm mit der Inschrift:

126 Die Linke. Treptow Köpenick: Blättchen Treptow Köpenick. 05.04.1012, S.5. 127 Angabe Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin 128 Karin Schmidl: Erster Stolperstein in Köpenick. Berliner Zeitung, 24.06.04. 129 Gerd Lüdersdorf: Es war ihr Zuhause. Juden in Köpenick. Edition Roots 1998, S. 47. Vgl. BdA Köpenick e.V., Martha Eppenstein: „Dr. Georg Eppenstein, Salva- dor-Allende-Straße 43 -45“. In: Bund der Antifaschisten Treptow e.V. et al. (Hrsg.): Stolpersteine in Berlin Treptow-Köpenick. 2008, S. 51 - 53. Stefan Hörd- ler: „Das Beispiel Georg Eppenstein und die Ruilos Knoblauch-Verwertungs- G.m.b.H“. In: ders.: SA-Terror als Herrschaftssicherung: "Köpenicker Blutwoche" und öffentliche Gewalt im Nationalsozialismus. Metropol Verlag, 2013, S. 189 – 197.

Köpenick

HIER ARBEITETE \ JULIUS FROMM \ JG. 1883 \ FIRMA ARISIERT 4.8.1938 \ FLUCHT 1938 \ ENGLAND \ TOT 12.5.1945 \ LONDON

Vom Schtetl zog Julius Fromm als Kind mit seiner Familie nach Berlin, wo sie ihren Lebensunterhalt zunächst durch die Herstellung und den Ver- kauf von Zigaretten bestritt. Julius Fromm studierte nebenher Chemie und gründete 1914 das Fabrikations- und Verkaufsgeschäft für Parfüme- rie und Gummiwaren. Er konzipierte das erste nahtlose Kondom aus Na- turkautschuk. Seine Firma, die Fromms Act Gummiwerke GmbH lancier- te das Kondom Fromms Act, und das Unternehmen beherrschte schnell den Markt der Kondomherstellung.

1922 errichtete Fromm in Friedrichshagen in der Rahnsdorfer Straße ei- ne Fabrik, 1929 kaufte er das Grundstück in der Friedrichshagener Stra- ße. Zu der Zeit produzierte die Firma rund 24 Millionen Kondome jähr- lich. 1938 wurde die Firma für einen Bruchteil ihres Wertes an Hermann Görings Patentante vermacht. Julius Fromm emigrierte mit seiner Fami- lie nach London, wo er kurz nach Kriegsende verstarb. Ein Rückerhalt der Firma war für die Angehörigen nach Kriegsende nicht möglich, da das Unternehmen in einen VEB überführt wurde. Kondome der Marke Fromms Act wurden weiterhin verkauft. Nach Wendezeiten 1990 ver- suchte der Sohn Fromms das Grundstück Friedrichshagener Straße zu- rückzuerhalten, es erfolgte eine finanzielle Entschädigung.130 177 Eheleute GUSYK Lydia Gusyk, geb. Berger (Berlin 24.11.1909 - Auschwitz) Max Gusyk (Wylkowyszki, Vilkaviškis 05.09.1902 - Auschwitz 19.06.1943) Hirschgartenstraße 2 (Köpenick)

Lydia Gusyk wurde am 04.03.1943 und Max Gusyk am 01.03.1943 mit dem 31. Osttransport nach Auschwitz deportiert. 131 Die Verlegung der Stolpersteine erfolgte am 27.04.2012.132

HIER WOHNTE \ LYDIA GUSYK \ GEB. BERGER \ JG. 1909 \ DEPORTIERT 4.3.1943 \ ERMORDET IN \ AUSCHWITZ

HIER WOHNTE \ MAX GUSYK \ JG. 1902 \ DEPORTIERT 1.3.1943 \ AUSCHWITZ \ ERMORDET 10.6.1943

130 Götz Aly, Michael Sontheimer: Fromms: Wie der jüdische Kondomfabrikant Julius F. unter die deutschen Räuber fiel. S. Fischer Verlag, 07.10.2014. Andreas Kopietz: Gedenken an Julius Fromm. Ein Stolperstein für den Erfinder des Kon- doms. Berliner Zeitung, 17.10.2014 131Das Online-Gedenkbuch hält im Gegensatz zum Stolperstein fest, dass Max Gusyk am 19.06.1943 im Vernichtungslager Auschwitz ermordet wurde. Gusyk im Online-Gedenkbuch Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozia- listischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-194. 132 Die Linke. Treptow Köpenick: blättchen Treptow Köpenick. 05.04.1012, S.5.

Köpenick

Götz KILIAN 07.10.1891 - Hamburg 08.08.1940 Heidekrugstraße 67 (Köpenick)

Am 07.07.2008 wurde der Stolperstein für Götz Kilian mit folgender In- schrift verlegt:

HIER WOHNTE \ GÖTZ KILIAN \ JG. 1891 \ MISSHANDELT \ TOT 6.8.1940 \ OPFER DER \ KÖPENICKER BLUTWOCHE

Kilian arbeitete als Verlagsleiter beim Agis-Verlag. Aufgrund seiner her- ausgeberischen Tätigkeit im Rahmen der Publikation einer Broschüre zum 400. Jubiläums des Bauernkrieges mit dem Titel „Im Kampf um die Freiheit“ wurde Kilian wegen Hochverrat angeklagt, die Anklage wurde jedoch fallengelassen. In den 1920er Jahren engagierte er sich für die KPD in der BVV und agierte einige Zeit als unbesoldeter Stadtrat. Nach zahlreichen Hausdurchsuchungen Anfang 1933, wurde Kilian im März 1933 verhaftet. Einen Tag nach seiner Freilassung wurde er im Rahmen der Ereignisse um die Köpenicker Blutwoche erneut verschleppt und in das Lokal Seidler gebracht. Nieren und Harnwege Kilians wurden durch die Folter schwer geschädigt. Die Familie verzog 1934 nach Hamburg, wo sie monatlich meldepflichtig war. Der schwerkranke Götz wurde 1938 erneut zum Verhör festgenommen, er verstarb 1940 im Krankenhaus Hamburg-Eppendorf.133 178

Familie KOHN Heinrich Kohn (Berlin 12.03.1910 - Riga 29.10.1942), Ruth Kohn (Berlin 27.01.1938 - Riga 29.10.1942), Vera Kohn, geb. Zlotnicki (22.06.1905 - Riga 29.10.1942) Mahlsdorfer Straße 94 (Köpenick)

Für die Familie Kohn wurden am 06.06.2013134 Stolpersteine mit folgen- dem Text verlegt:

HIER WOHNTE \ HEINRICH KOHN \ JG. 1910 \ DEPORTIERT 26.10.1942 \ RIGA \ ERMORDET 29.10.1942

HIER WOHNTE \ RUTH KOHN \ JG. 1938 \ DEPORTIERT 26.10.1942 \ RIGA \ ERMORDET 29.10.1942

HIER WOHNTE \ VERA KOHN \ GEB. ZLOTNICKI \ JG. 1905 \ DEPORTIERT 26.10.1942 \ RIGA \ ERMORDET 29.10.1942

133 O.A.:„Götz Kilian, Heidekrugstraße 67“. In: Bund der Antifaschisten Treptow e.V. et al.: Stolpersteine in Berlin Treptow-Köpenick. Ohne Verlag, 2008, S.64 – 66. Heinrich-Wilhelm Wörmann: Widerstand in Köpenick und Treptow. Gedenk- stätte Deutscher Widerstand, 2013, S.36. 134 Angabe Koordinierungsstelle Stolpersteine.

Köpenick

Familie MIRAUER Franz Daniel Mirauer (Berlin 15.01.1898 - Auschwitz), Tana Mirauer (Berlin 02.04.1939 - Auschwitz), Gertrud Margot Mirauer, geb. Hesse (Kassel 05.05.1902 - Auschwitz) Janitzkystraße 37 (Köpenick)

SchülerInnen der 9ten Klasse der Merian Schule setzten sich für die Ver- legung von Stolpersteinen für die Familie Mirauer am 26.03.2010 ein. Diese tragen die Inschrift:

HIER WOHNTE \ FRANZ MIRAUER \ JG. 1898 \ DEPORTIERT 17.5.1943 \ THERESIENSTADT \ ERMORDET IN \ AUSCHWITZ

HIER WOHNTE \ GERTRUD MIRAUER \ GEB. HESSE \ JG. 1902 \ DEPOR- TIERT 17.5.1943 \ THERESIENSTADT \ ERMORDET IN \ AUSCHWITZ

HIER WOHNTE \ TANA MIRAUER \ JG. 1939 \ DEPORTIERT 17.5.1943 \ THERESIENSTADT \ ERMORDET IN \ AUSCHWITZ

Franz Mirauer studierte in Berlin und schrieb seine Dissertation 1923 in Erlangen über „Zwischentaktmusik und Bühnenmusik des deutschen Theaters in der klassischen Zeit“. Am Züricher Schauspielhaus arbeitete er später als Dramaturg.

Mit seiner Frau Gertrud und ihrer gemeinsamen Tochter Tana lebte die 179 Familie in der Kleinstraße 37. Sie wurden am 17.05.1943 nach Theresi- enstadt gebracht. Von dort wurde Franz Mirauer am 01.10.1944 und Gertrud Margot Mirauer mit ihrer vierjährigen Tochter Tana am 06.10.1944 nach Auschwitz deportiert und ermordet.135

Eheleute ZERNICK Friedrich/Fritz Zerni[c]k (Neisse / Nysa 03.07.1895 - Auschwitz 08.04.1943) Berta Zerni[c]k, geb. Rachmiel (Pinne / Pniewy 21.01.1897 - Nahe Riga 29.10.1942) Mandrellaplatz 1 (Köpenick)

HIER WOHNTE \ FRIEDRICH ZERNICK \ JG. 1895 \ DEPORTIERT 1.3.1942 \ ERMORDET IN \ AUSCHWITZ

HIER WOHNTE \ BERTA ZERNICK \ GEB. RACHMIEL \ JG. 1892 \ DEPOR- TIERT 26.10.1942 \ ERMORDET IN \ AUSCHWITZ

Das Ehepaar Zernick betrieb ein Lebensmittelgeschäft am Mandrella- platz 1 (ehem. Hohenzollernplatz 5), an das sich ihre Wohnung anschloß.

135 Online-Gedenkbuch: Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozia- listischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945. o.A.: „13 neue Stolper- steine“. In: Die Linke: Blättchen Treptow-Köpenick, Nr.158, 04.03.2010, S.7.

Köpenick

Sie verzogen von Köpenick in die Freisinger Straße (Schöneberg) und an- schließend in die Wullenweberstraße 3 ().136 Friedrich/Fritz Zernick wurde am 01.03.1942 nach Auschwitz deportiert. Dort leistete er Zwangsarbeit auf einer Baustelle der I.G. Farben. Ende März 1943 wurde er wegen Schürfwunden am linken Fuß ausgemustert und am 8. April 1943 in Auschwitz ermordet.137 Berta Zernick wurde entgegengesetzt der Angabe auf dem Stolperstein wahrscheinlich in den Wäldern Rigas ermordet.138

Für die Stolpersteine von Paul von Essen, Erich Janitzky, Paul Pohle, An- ton und Johann Schmaus, sowie Werner Sylten (siehe da).

Werner SYLTEN Hergiswyl/Schweiz 09.08.1893 - Schloß Hartheim bei Linz 26.08.1942 Müggelbergplatz (Wendenschloss) Ostendorfstraße 19 (Wendenschloss)

Sylten studierte Theologie in Marburg, leistete seinen Militärdienst wäh- rend des ersten Weltkriegs ab und leitete ab 1925 ein Mädchenerzie- hungsheim in Bad Köstritz bei Gera. Nach den Nürnberger Rassengeset- zen 1935 musste er diese Arbeit aufgrund seiner jüdischen Abstammung aufgeben, seine Ehefrau Hildegard nahm sich das Leben. 1936 übernahm er ehrenamtlich die Leitung des illegalen Büros der Lutherischen Be- kenntnisgemeinde Gera bis zu ihrer Schließung durch die Gestapo 1938. 180 Sylten zog zunächst nach Friedenau, dann 1940 nach Wendenschloß. Er verhalf als Mitarbeiter des Büros Grüber - der evangelischen Hilfsstelle für Rasseverfolgte in Deutschland - über 1000 Jüdinnen und Juden zur Ausreise. 1940 verhaftete die Gestapo den Leiter des Büros Pfarrer Grü- ber und am 27.02.1941 ebenfalls Werner Sylten. In Dachau inhaftiert, wirkte er als Seelsorger für Mitgefangene, wurde dann aufgrund seines durch Folter bedingten schlechten Gesundheitszustands nach Hartheim bei Linz transportiert. Dort wurde er vergast. Sechs Tage vor seiner Er- mordung wendet er sich an seine Familie:

„‘Nun aber bleibet Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei - aber die Liebe ist die größte unter ihnen.‘ [Korinther 13] In solcher Gewißheit laßt uns

136 Gerd Lüdersdorf: Es war ihr Zuhause. Juden in Köpenick. Edition Roots 1998, S.81f. 137 Susanne Willems: „Von der Dammvorstadt zur Köpenicker Altstadt“. In: Akti- ves Museum Faschismus und Widerstand in Berlin e.V. Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin (Hrsg.): Stolpersteine in Berlin #2. 12 Kiezspaziergänge. Ei- genverlag, S. 68 – 79. 138 Angabe Susanne Willems/Koordinierungsstelle Stolperstein mit Bezug auf Alfred Bernd Gottwaldt, Diana Schulle: Die Judendeportationen aus dem Deut- schen Reich 1941-1945. Marix Verlag, 2005. Außerdem: Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V., Riga-Komitee der deutschen Städte: Buch der Erinne- rung / Book of Remembrance: Die ins Baltikum deportierten deutschen, österrei- chischen und tschechoslowakischen Juden. Walter de Gruyter, 2003, S.379.

Köpenick

innig verbunden bleiben und immer neue Mut und Kraft daraus schöp- fen.“139

Seine zwei Söhne, die neue Lebensgefährtin sowie zahlreiche Bekannte gaben ihm das letzte Geleit bei seiner Beisetzung auf dem Friedhof der evangelischen Kirchengemeinde in der Rudower Straße (Köpenick).140

Die von Werner Rosenthal gestaltete Gedenkstele mit Portraitmedaillon für Sylten wurde am 26.06.1985 eingeweiht. Bei der Einweihung anwe- send waren Dr. Dietrich Voigtberger, Vorsitzender des CDU- Bezirksvorstandes Berlin, sowie der Sohn des Theologen, Reinhard Syl- ten.141 Ihr Text lautet:

WERNER SYLTEN \ EVANGELISCHER PFARRER \ RETTER RASSISCH \ VER- FOLGTER \ OPFER DES FASCHISMUS \ GEBOREN 9.8.1893 \ ERMORDET 26.8.1942

Der Gedenkstein steht in der Nähe seines früheren Wohnorts Osten- dorfstraße 19 (ehemals Lessingstraße), wo seine Familie noch bis 1945 wohnte. Vor dem Wohnhaus befindet sich seit dem 02.12.2013 ein Stol- perstein mit dem Text:

HIER WOHNTE \ PFARRER \ WERNER SYLTEN \ JG. 1893 \ VERHAFTET 27.2.1941 \ KZ DACHAU \ LANDESANSTALT \ SCHLOSS HARTHEIM \ LINZ 142 \ ERMORDET 26.08.1942 181

SYNAGOGE DER JÜDISCHEN GEMEINDE KÖPENICK Freiheit 8 (Alt-Köpenick)

Zur der 1889 gegründeten Coepenicker Synagogengemeinde gehörten Adlershof, Bohnsdorf, Coepenick, Friedrichshagen, Alt- und Neuglieni- cke, Gosen, Grünau, Johannisthal, Kietz, Müggelheim, Schmöckwitz, Schöneiche, Ober- und Niederschöneweide, Wernsdorf und Neu-Zittau. Sie vertrat damals 176 Familienmitglieder. Gottesdienste der jüdischen Gemeinde wurden bis zum Erbau der Synagoge in diversen Gaststätten wie dem „Kaiserhof“ in der Grünstraße oder dem Ratskeller durchge- führt. Die wachsende Gemeinde - sie zählte alsbald zu der größten im Regierungsbezirk Potsdam - drang auf die Errichtung eines eigenen Got- teshauses. Nach Bemühungen des Vorstands der Synagogengemeinde zu Cöpenick konnte das Grundstück in der Freiheit 8 erworben und im April

139 Bruno Köhler: Die Welt braucht viel, viel Liebe. O.A., 1978, S.7. 140 Claus-Dieter Sprink: Terror konnte ihn nicht brechen. Abendblatt, 23.08.2002. 141 O.A.: Gedenkstele für Pfarrer Werner Sylten eingeweiht. Neues Deutschland, 27.06.1985. Bezirksamt Treptow-Köpenick, Amt für Weiterbildung und Kultur (Hrsg.): Gesamtübersicht der Denkmale u. Plastiken im Bezirk Treptow-Köpenick. Stand April 2004, S. 17. 142 o.A.: „Stolpersteine für sieben Opfer der Köpenicker Blutwoche“. In: SPD Fraktion in der BVV Treptow-Köpenick: Infobrief, 10/2013, S.2.

Köpenick

1910 mit dem Synagogenneubau begonnen werden. Die Einweihung des Hauses fand am 25.10.1910 unter Anwesenheit der Gemeindemitglieder sowie der Vertreter städtischer Körperschaften statt. Am 01.07.1930 schloss sich die Gemeinde der von Berlin an.143

An der Mauer zum Grundstück der zer- störten Synagoge findet sich eine von Achim Kühn gestaltete Messingtafel mit Reliefdarstellung der Synagoge, die zum 55. Jahrestag nach den November- Pogromen am 09.11.1993 angebracht wurde. Die einleitenden Worte der Ge- Und hier ist \ וזה שער השמים„ denktafel das Tor des Himmels“ verweisen auf die Inschrift aus dem ersten Buch Mose Kapitel 28 / 17: „Wie heilig ist diese Stätte! Hier ist nichts anderes als Gottes Haus, und hier ist die Pforte des Him-

ProAB e.V mels“, die in Hebräisch über dem Ein- gangsportal der Synagoge angebracht war. Die Gedenktafel erinnert weiterhin an die unsagbaren Ereignisse:

Und hier ist das Tor des Himmels \ Zur Erinnerung an \ וזה שער השמים die \ Jüdische Gemeinde zu Köpenick \ und ihre Synagoge \ die am 9. No- 182 vember 1938 in der \ Pogromnacht zerstört wurde

Die Ereignisse während der Reichsprogramnacht in Köpenick wurden am 10.11.1938 von der „Niederbarnimer Zeitung“ aus Friedrichshagen be- grüßt:

„Auch in Köpenick hat sich die gerechte Form über den Feigen Mord von Paris [Ermordung eines deutschen Diplomaten durch polnischen Juden in Paris] in einer handgreiflichen und symbolischen Form Luft gemacht. Hier ging man in den Mittelpunkt der Dinge und faßte den Erbfeind an der Stelle, an der der Geist der Zersetzung seinen Ursprung und Aus- gangspunkt hat: Die Synagoge von Köpenick wurde in den Zustand ver- setzt, der es den Söhnen des warmen Orients erheblich erschweren wird, bei kaltem Wetter dort ihren grausamen Verschwörungen und Ge- heimriten zu huldigen.“

Reliquien der Synagoge wurden durch die Nationalsozialisten im Frauen- tog versenkt. Durch einen Bombenangriff während des Kriegs wurde die

143 Gerd Lüdersdorf: Es war ihr Zuhause. Juden in Köpenick. Edition Roots, 1998. S. 15ff, 29ff.

Köpenick

Synagoge zusätzlich zerstört, nach Kriegsende wurde sie abgetragen.144 Die Jüdische Gemeinde hatte das Gelände Mitte der 1990er Jahre ver- kauft.145

Auch das Mahnmal "Flammenwand" in der Levetzowstraße 7 (Tiergar- ten) gedenkt der Synagoge Köpenick neben anderen jüdischen Gottes- häusern in Berlin.

VICTORIASÄULE Schlossplatz (Alt-Köpenick)

Die Einweihung des durch den Landwehr- und Kriegerverein errichteten Kriegerdenkmals für die deutschen Einigungskriege erfolgte am 9.10.1881.146 Auf einem rechteckigen Sockel befand sich eine Säule, die von einer Viktoria mit Lorbeerkranz gekrönt wurde. Auf der vorderen Seite des Sockels war zu lesen:

Der Landwehr- und der Kriegerverein zu Coepenick ihren in den Feldzü- gen 1864, 1866, 1870/71 gebliebenen Kameraden zum Gedächtnis.

Auf den Seite des Sockels standen die Jahreszahlen der Kriege - 1864, 1866, 1870/71, die Namen der Gefallenen, sowie die Orte der wichtigs- ten Schlachten:

Düppel Alsen \ Königgrätz Gitschin \ Sedan Gravelotte \ Missunde Trau- 183 tenau \ Paris

Postkartenarchiv C36, C4, Museum Köpenick 144 Claus-Dieter Sprink: Spuren der jüdischen Gemeinde in Köpenick. Vortrag am 27. April 1993. Heimatmuseum Köpenick 1993, S. 6f, 12. Gerd Lüdersdorf: Es war ihr Zuhause. Juden in Köpenick. Edition Roots, 1998, S. 32. 145 Leif Allendorf: Streit um Neubau auf Synagogengelände. Berliner Morgen- post, 01.09.2000. 146 Fritz Abshoff: Deutschlands Ruhm und Stolz. Unsere hervorragendsten vater- ländischen Denkmäler in Wort und Bild. Verlagsanstalt Universum, 1901, S.62, 156. Willy Spatz: Der Teltow. 3. Teil. Ohne Angabe, 1917.

Köpenick

Die Orte Düppel und Missunde sowie die Ostsee-Insel Alsen beziehen sich auf den Deutsch-Dänischen Krieg 1864. Königgrätz, Trautenau sowie Gitschin gehen auf den Krieg mit Österreich 1866 zurück. Sedan, Gravel- otte und Paris beziehen sich auf den deutsch-französischen Krieg 1871.147 Das Denkmal stand bis etwa 1980 auf dem Schloßplatz. Teile wurden nach dem Abtragen im Denkmalpflege-Archiv in Ahrensfelde eingelagert. Die Räumung erfolgte 1996/97. Im Depot des Landesdenk- malamtes in Alt-Friedrichsfelde befinden sich Flügelreste der Victoria.148

ZERSTÖRTE VIELFALT Futranplatz (Alt-Köpenick)

Im Rahmen des Berliner Themenjahres 2013 „Zerstörte Vielfalt“ wurden durch den Gegenwartskünstler Ben Wagin Denksteine in Berlin ver- legt.149 In Köpenick wurde am 25. September 2013 ein solcher durch Wagin, Bezirksbürgermeister Igel sowie durch die Kulturprojekte Berlin GmbH eingeweiht.150 Er trägt das Logo des Themenjahres sowie die In- schrift:

Zerstörte Vielfalt \ 1933 \ 1938 \ 1945 \ Ben Wagin

Er befindet sich am Futranplatz, zentraler Ort des Widerstands gegen den Kapp-Putsch 1920, sowie in der Nähe der ehemaligen Synagoge in der Freiheit 8 (siehe da). 184 Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hat eine Verlegung der Denksteine explizit abgelehnt. Kritik an der Verlegung in den Berliner Bezirken äu- ßerte ebenso die Kulturstadträtin in Mitte. Bemängelt wird, dass sich die sogenannten "Denksteine" nicht auf ein historisches Datum und Ereignis beziehen, sondern auf eine Veranstaltungsreihe. Außerdem befänden sich Vorort bereits entsprechende Gedenksteine.151

ZWANGSARBEITER, NS-ZEIT Wendenschloßstraße 154/158 (Wendenschloss)

147 Ernst Müller: Erinnerungen. O.V., O.J., Archiv Museum Köpenick. 148 Briefwechsel Museum Köpenick (GeschZ KA 1, 14.03.2000) mit Landesdenk- malamt (19.05.2000, LDA 114). 149 Neben dem Gedenkstein in Köpenick finden sich weitere in der Knesebeck- straße/Savignyplatz, am Reinickendorfer Freiheitweg, am Sachsendamm, in der Luftkriegsschule in Havelhöhe, am Helene-Weigel-Platz, am Breitscheid Platz und am Gelände des Bildhauersymposions. In: Astrid Herbold, Ben Wagin: Nenn mich nicht Künstler: Autobiographie. Ch. Links Verlag, 2015, S.218. 150 Büro des Bezikrsbügermeisters: Enthüllung eines Denksteins "1933 -1938 - 1945 Zerstörte Vielfalt" am Futranplatz. Pressemitteilung, BA T-K, 18.09.2013. Ralf Drescher: Am Futranplatz wurde Denkstein eingelassen. Berliner Woche, 26.09.2013. 151 Rolf Lautenschläger: Das ist befremdlich. (Interview mit Sabine Weißler). TAZ Online, 05.11.2013.

Köpenick

Die Tafel findet sich auf der Rückseite des Gebäudes 4. Das Haus wurde zu DDR-Zeiten als VEB Funkwerk genutzt. Der Text der Platte lautet:

Ehrendes Gedenken den antifaschistischen Kämpfern aus der Sowjetuni- on, Jugoslawien, Belgien, Frankreich und Deutschland, die in dem fa- schistischen Rüstungsbetrieb GEMA zwangsverpflichtet waren und in diesem Haus von der Gestapo inhaftiert, entwürdigt, gequält und danach in die faschistischen Todeslager verschleppt wurden.

Im Bezirk Treptow-Köpenick waren laut Arbeitsamt 1944 über 26.000 ausländische Arbeitskräfte im Einsatz, die in 230 Unterkünften unterka- men. Die Gesellschaft für elektroakustische und mechanische Apparate GEMA wurde 1934 gegründet, und produzierte ab Ende der 1930er Jah- re in der Wendenschloßstraße kriegswichtige Güter. Im Mai 1941 wurde durch die GEMA ein Lager für ausländische Arbeitskräfte in der Ausflugs- gaststätte Marienlust eingerichtet.152

Nicht zu verwechseln ist der Gedenkort für die Zwangsarbeiter der GE- MA in der Wendenschloßstraße 154/158 mit dem Lager der AEG Kabel- werk in der Wendenschloßstraße 304/308.153 Das Außenlager Oberspree wurde Anfang 1942 als Gefangenenlager, wahrscheinlich für sowjetische Kriegsgefangene geplant und war für circa 1200 Personen konzipiert. Dort wurden zum Jahreswechsel 1942/1943 rund 1295 Zwangsarbeiter untergebracht. Es zählte damit zu den fünfzehn größten Zwangsarbeiter- 185 lagern der Zeit in Berlin. Im September 1944 wurde das Gelände als Au- ßenlager Oberspree des KZ Sachsenhausens genutzt. Im Oktober 1944 wurden 680 weibliche, mehrheitlich polnische Häftlinge aus Ravens- brück in das Außenlager Oberspree gebracht. Über Dahme und Spree wurden die Häftlinge zum Kabelwerk Oberspree per Schiff verfrachtet und wurden dort für das Pressen und Zuschneiden von Kabeln einge- setzt. Im April 1945 löste man das Lager auf und transportierte die Häft- linge per Schiff in das Hauptlager Oranienburg. Nach Kriegsende wurden die Baracken des Außenlagers bis 1989 zivil genutzt, anschließend wur- den dort Wohnhäuser errichtet.154

152 Heinrich-Wilhelm Wörmann: Widerstand in Köpenick und Treptow. Gedenk- stätte Deutscher Widerstand, 2013, S.268. 153 Schönfeld hält zu der Gedenkplatte der GEMA fest, dass das Kabelwerk Oberspree 1944 6168 ausländische Zwangsarbeiter beschäftigte. Siehe Martin Schönfeld: Gedenktafeln in Ost-Berlin. Schriftenreihe Aktives Museum, 1991, S. 66. 154 Wolfgang Benz, Barbara Distel, Angelika Königseder (Hrsg.): Der Ort des Ter- rors: Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager, Band 3. C.H.Beck, 2006, S. 116. Cord Pagenstecher: „Lagerlisten und Erinnerungsberich- te. Neue Quellen zur Topografie und ärztlichen Betreuung der Berliner Zwangs- arbeiterlager“. In: Andreas Frewer und Günther Siedbürger (Hrsg.): Medizin und Zwangsarbeit im Nationalsozialismus. Einsatz und Behandlung von „Auslän- dern“ im Gesundheitswesen, Campus 2004, S. 91 – 107. o.A.: Häftlingszwangs-

Köpenick

Die Gedenktafel für die GEMA am Funkwerk von 1978 beendete eine Phase des Schweigens in Bezug auf die Erinnerung an ZwangsarbeiterIn- nen in Berlin.155

186

arbeit für die Privatwirtschaft und die SS. Die Außenlager und Außenkomman- dos des KZ Sachsenhausen 1936 – 1945. Medienstation Gedenkstätte und Mu- seum Sachsenhausen. 155 Martin Schönfeld: „Von der Abwesenheit der Opfer zu einer späten Erinne- rung. Denkmale für Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in Berlin“. In: Ar- beitskreis Berliner Regionalmuseen (Hrsg.): Zwangsarbeit in Berlin 1938 – 1945. Metropol, 2003, S. 286.

Köpenick

Müggelheim

17. JUNI 1953 Müggelheimer Damm 143

Der Volksaufstand in der DDR wurde 1953 laut Stasi-Unterlagen erstmalig in der Gaststätte Rübezahl in Erwägung gezogen. Zum An- lass des 60. Jahrestages des Aufstands wurde eine an einem Findling befestigte Bronzetafel am 08.06.2013 enthüllt. Die von der Bildgieße- rei Seiler in Schöneiche gefertigte Tafel trägt die Inschrift1:

Zur Erinnerung an den Volksaufstand vom 17. Juni 1953 \ Der Volks- aufstand vom 17. Juni 1953 in der DDR hatte hier \ seinen Ausgangs- punkt. Bei einem Ausflug der Arbeiter der \ Baustelle Krankenhaus Friedrichshain vier Tage zuvor wurden \ bereits auf der Fahrt zum 187 Müggelsee die von der SED-Führung \ beschlossenen Normerhöhun- gen diskutiert. Hier, im nahen \ Biergarten der Gaststätte „Rübezahl”, entschlossen sich die \ Arbeiter zum Streik. \ In den folgenden Tagen kam es zu ersten Arbeitsnieder- \ legungen, die sich bis zum 17. Juni zu einem Volksaufstand in \ der gesamten DDR ausweiteten. Mehr als eine Million \ Menschen beteiligten sich in über 700 Orten an dem \ Volksaufstand, der gewaltsam niedergeschlagen wurde

Johann-Jacob BAEYER Müggelheim 05.11.1794 - Berlin 10.09.1885 Alt-Müggelheim 13 (Dorfanger)

Der in Müggelheim geborene Baeyer nahm an den Befreiungskriegen gegen Napoleon teil. Im Anschluss blieb er Soldat, führte topographi- sche Studien und Vermessungsarbeiten an der Kriegsschule in Kob- lenz durch und engagierte sich in der Lehre. Von 1843 bis 1857 leitete er die trigonometrische Abteilung des preußischen Generalstabs. Im

1 Bezirksamt Treptow Köpenick: Einweihung Gedenkstein zum 60. Jahrestag des Volksaufstandes vom 17. Juni (Pressemitteilung). 29.05.2013. Ralf Dre- scher: DDR-Nostalgiker schänden Erinnerung an Arbeiteraufstand. Berliner Woche, 27.02.2014. Ralf Drescher: Die Vorgeschichte des 17. Juni 1953 be- gann am Müggelsee. Berliner Woche, 11.09.2012.

Müggelheim

April 1862 fand eine erste Konferenz zur mitteleuropäischen Gradmessung in Berlin statt. Diese gilt als Grundstein zur internationalen Erdmessung und führte zur Einrichtung des Geodätischen Insti- tuts (1869/1870), welches Baeyer bis zu seinem Tod leitete. Es zeigte sich eben- falls verantwortlich für die Koordination der länderübergreifenden Gradmes- sung.2 O.A.: Thomas Baeyer in d. Uniform des General J. J. Den roten Gedenkstein aus Granit von Baeyer. 1997. Fotoarchiv Hans Füssel krönt ein bronzener Globus.3 Museum Treptow-Köpenick 19/19.18 Die Inschrift von 1962 lautet:

Dem Begründer der \ Internationalen Erdmessung \ 1794 [ Porträtre- lief] 1885 \ Johann Jacob Baeyer \ aus \ Müggelheim \ anläßlich des 100-jährigen Bestehens \ der internationalen Erdmessung \ im Jahre 1962

Max Curt GROTTEWITZ, eigtl. Pfütze Grottewitz bei Grimma 22.02.1866 - Berlin 16.07.1905 Alt-Müggelheim 15 188 Grottewitz stellte naturwissenschaftliche Fachgebiete in seinen Schriften leicht verständlich dar, und engagierte sich in der Arbeiter- wanderbewegung. Ab 1891 wohnte Grottewitz in Müggelheim bis er in jungen Jahren bei einem Badeunfall in einem märkischen See er- trank.4 Zum Friedrichshagener Dichterkreis pflegte er enge Beziehun- gen. So äußerte sich Wilhelm Bölsche über ihn:

"[Ich habe] einmal geschrieben, daß Grottewitz' Schriften im Herzen unseres Volkes fortleben würden. Diese Prophezeiung ist wahr ge- worden. Sie haben keinen rauschenden Augenblickserfolg gehabt wie so manches vergängliche Tagebuch, aber sie dauern still weiter und

2 Fritz Mühlig: "Baeyer, Johann Jakob". In: Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Hrsg.): Neue Deutsche Biogra- phie Bd. Aachen - Behaim. Duncker & Humblot, 1953, S. 536f. Joachim Höpf- ner: Johann Jacob Baeyer - ein hervorragender Geodät des 19. Jahrhunderts. Leibniz Online, Zeitschrift der Leibniz-Sozietät e. V., 2013. 3 Bezirksamt Treptow-Köpenick, Amt für Weiterbildung und Kultur (Hrsg.): Gesamtübersicht der Denkmale u. Plastiken im Bezirk Treptow-Köpenick. Stand April 2004, S.17. 4 Ralf Drescher: Müggelheim ehrt seinen Arbeiterdichter Curt Grottewitz. Berliner Woche, 26.02.2016. Zur Biographie siehe auch Wilhelm Bölsche: „Zur Erinnerung an Kurt Grottewitz“. In: Kurt Grottewitz: Sonntage eines Großstädters in der Natur. Dietz, 1925, S. 5 - 17.

Müggelheim

grünen alljährlich neu wie der deutsche Wald, den ihr Verfasser so geliebt.“5

Anlässlich des 100. Ge- burtstags Grottewitz wur- de 1966 eine von Walter Sutkowski gestaltete dunk- le Messingtafel an der Hauswand Ecke Odern- heimerstraße angebracht.6 Der Text lautet:

Hier lebte und wirkte \ der Natur- und \ Arbeiter- Kulturring in Berlin e. V. freund \ Dr. Curt Grotte- witz \ [Symbol N] \ 22. Februar 1866 - 16. Juli 1905

Das „N“ im Kreis auf der Gedenktafel ist Symbol der Arbeiterwander- bewegung Naturfreunde. Zur Ehren Grottewitz führt der Grottewitz- Wanderweg entlang der Großen Krampe. Sein Grabstein befindet sich auf dem früheren Müggelheimer Friedhof Krampenburger Weg.

Hans KIRSTEIN Berlin 11.07.1891 - Auschwitz 13.12.1942 189 Tongrubenweg 76

Am Wohngrundstück steht ein Granitstein mit Messingtafel und KZ- Winkel:

Hier wohnte der \ jüdische Bürger \ Hans Kirstein \ geb. am 11.7.1891 \ Er wurde im Konzentrations- \ lager Auschwitz \ am 13.12.1942 \ von den Hitler- \ faschisten \ ermordet \ Ehre seinem Andenken

Der Gedenkstein wurde genauso wie derjenige für Rode in Müggel- heim und das Mahnmal in der Pohlestraße durch die PGH „Werk- stein“ in der Müggellandstraße wahrscheinlich zwischen 1958 und 1962 geschaffen.7

5 Grottewitz, Bölsche: Der Mensch als Beherrscher der Natur. Bücherkreis, 1928, S. 7. 6 Martin Jahn: Curt Grottwitz: Der fast unbekannte Müggelheimer. Rund- schau Köpenick, 2005, S. 3. 7 O.A.: Das Mahnmal Pohlestraße. Nationale Zeitung Berlin, 29.06.1961. Zur Datierung: Das NAW existierte seit 1951. Laut Angaben des Müggelheimer Heimatvereins e.V. schlossen sich mehrere Handwerker 1958 zur PGH Werk- stein zusammen. Die Enteignung erfolgte 1972 und es kam zu einer Um- wandlung in die VEB Werkstein.

Müggelheim

o.A., Fotoarchiv Museum Treptow-Köpenick 19/19.51

MÜGGELHEIMER SIEDLER Alt-Müggelheim

In der Dorfkirche hängt gegenüber dem Eingang eine Tafel mit golde- ner Inschrift:

Unsern Nachkommen zum Ge- 190 dächtniß. \ Am Jubelfeste \ des hundertjährigen Bestehens von Müggelheim, \ den 1. Juni 1847, \ waren hier Wirthe: \ in Nr: \ 1. Friedrich Werger. \ 2. Philipp Hembt. \ 3. Friedrich Werger. \ 4. Wilhelm Leopold. \ 5. Philipp Hembt. \ 6. Paul Höltz. \ 7. Wil- helm Porth. \ 8. Wilhelm Rauch. \ 9. Peter Genzler. \ 10. Philipp Genzler. \ in Nr: \ 11. Peter Genzler. \ 12. Friedrich Marx. \ Paul Arnoldi: Karte gefertigt anlässlich der 13. Philipp Leopold. \ 14. Fried- 200 Jahr-Feier Müggelheims (Ausschnitt). Bibliothek Museum Treptow-Köpenick. rich Höltz. \ 15. Friedrich Mieth- ge. \ 16. Paul Rauch. \ 17. Peter Baeyer. \ 18. Jacob Baeyer, Schulze. \ 19. Jacob Brunnert. \ 20. Philipp Grimm. \ 21. Christian Schenck, Mühlenmeister. \ Carl Friedrich Wulckow, Küster und Schullehrer. \ E.F.S. Carus, Hofprediger u. Kreis- Schulinspector. \ Wo der Herr nicht das Haus bauet, \ So arbeiten um- sonst, die daran bauen!

Am 01. Juni 1747 erfolgte die Gründung des Dorfes Müggelheim durch 20 Familien aus der Pfalz (Odernheim). Von 1747 bis zum

Müggelheim

100jährigen Bestehen des Dorfes sind 501 Lebendgeburten, 91 Hochzeiten (ab 1786) und 261 Sterbefälle notiert. Familien wie Wer- ger (der Unterhändler aus Odernheim), Hembt (Familie stammte aus Hampton in England und zog dann in die Pfalz), Genzler (Gaentzler), Marx, Baeyer oder Grimm waren bereits 100 Jahre früher als Wirte, der vom König Friedrich II verliehenen Häuser zu verzeichnen. Zu an- deren Siedlern gehörten Jacob Gaentzler (1751), Adam Rauch (1752) oder Friedrich Höltz (1777). Brunner [Brunnert] übernahm 1760 das Anwesen Wolffs.8

Albert SCHWEITZER Kaysersberg 14.01.1875 - Lambaréné 04.09.1965 Alt-Müggelheim 22

Am 19.11.2008, dem Buß- und Bettag, wurde der Friedens-Stein mit dem Zitat Albert Schweitzers eingeweiht:

FRIEDEN \ Das Wenige, das Du \ tun kannst, ist viel. \ Albert Schweitzer 191 Der Stein entsprang aus Kulturring in Berlin e. V. dem Wunsch während des Irak-Kriegs etwas für den Frieden zu leisten, der Umweltkreis der evangelischen Kirchengemeinde setzte sich schließlich für die Umset- zung ein.9

STOLPERSTEINE

Ursula und Hertha MILKE Ursula Milke (Berlin 08.08.1919 - Ravensbrück 16.06.1944), Hertha Milke, geb. Opprower (Berlin 04.12.1893 - Auschwitz 26.05.1943) Alt-Müggelheim 17

Für die Frau des Bäckermeisters Milke und auch für deren Tochter Ursula befinden sich Stolpersteine vor der ehemaligen Bäckerei. Der Stein für Ursula Milke wurde am 27.04.2012 verlegt, ein Jahr darauf am 06.06.2013 erfolgte die Verlegung auch für Hertha Milke. Die In- schrift der Steine lautet:

8 W. Reinhold: Zweihundert Jahre Müggelheim 1747 - 1947. Das neue Berlin, 1947, S. 16, 22ff. 9 HK/IZ/AS-B: Einweihung des Friedenssteins. Müggelheimer Bote, 11/2008.

Müggelheim

HIER WOHNTE \ URSULA MILKE \ JG. 1919 \ DEPORTIERT \ AUSCHWITZ \ TOT 16.06.1944 \ RAVENSBRÜCK

HIER WOHNTE \ HERTHA MILKE \ GEB. OPPROWER \ JG. 1893 \ DE- PORTIERT \ AUSCHWITZ \ ERMORDET 26.05.1943

Sowohl Mutter als auch Tochter wurden nach Auschwitz deportiert, von dort wurde Ursula Milke am 16.09.1943 ins Frauen-KZ Ravens- brück verschleppt. Die Dorfchronik hält fest, dass Hertha Müller in Auschwitz vergast wurde. 10

OKTOBERREVOLUTION Gosener Damm / Krampenburger Weg

Der Gedenkstein befindet sich auf einem Rasen am Nordrand der Großen Krampe und erinnert an die Oktoberrevolution der Bolsche- wiken unter Lenin und Trotzki in Russland im Jahr 1917:

Zum 50. Jahrestag \ der Großen Sozialistischen \ Oktoberrevolution

Fritz RODE Staßfurt 04.12.1885 - Sachsenhausen 09.08.1940 Rodestraße 41

Rode war an der technischen 192 Herstellung der illegalen Zei- tung "Die Stimme der Werktä- tigen" der Unterbezirkszei- tung der KPD Köpenick betei- ligt, die mit einer Auflage von 150 - 200 Exemplaren heraus- gegeben wurde. Der Abzugs- apparat für die Zeitung stand in Rodes Laube in der Kolonie Leopold (heute Rodestraße). Im September 1936 deckte die Gestapo die Tätigkeiten auf, es kam zu umfangreichen Verhaftungen. Rode wurde zu Kulturring in Berlin e. V. drei Jahren und sechs Mona-

10 Simona Behrendt: Ein Stolperstein für Ursula Milke. Müggelheimer Bote, 04.2012. Sip: 2. Stolperstein am Dorfanger erinnert an die Jüdin Hertha Mil- ke. Müggelheimer Bote, 07.2013. Milke im Online-Gedenkbuch des Bun- desarchivs Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945.

Müggelheim

ten Zuchthaus verurteilt. Er wurde im KZ Sachsenhausen am 9. Au- gust 1940 ermordet.11 Am Wohnort findet sich versteckt ein Granit- stein mit Messingtafel:

Hier wohnte der \ Widerstands- \ kämpfer \ Fritz Rode \ geb. am 4.12.1885 \ Am 9.8.1940 \ von SS-Banditen in \ Sachsenhausen \ er- mordet \ Ehre seinem Andenken

Der Gedenkstein wurde genauso wie derjenige für Kirstein in Müg- gelheim und das Mahnmal in der Pohlestraße durch die PGH „Werk- stein“ in der Müggellandstraße im Rahmen des NAW wahrscheinlich im Zeitraum von 1958 - 1962 geschaffen.12

Carl Reinhold Julius Rudolf RÜHL Cöpenick 29.03.1842 - Cöpenick 19.12.1909 Müggelsee-Promenadenweg

Rühl war über Jahre als Stadtverordneter aktiv und hatte den Vorsitz der Kommission für die Verwaltung des Cöpenicker Stadtforstes inne. Ihm ist eine Vielzahl der Forstwege an und in den Müggelbergen zu verdanken. Sein Gedenkstein, ein Granitfindling aus den Müggelber- gen, liegt an der Uferpromenade unweit der Gaststätte Müggelsee- perle in Richtung Rübezahl. Die eingemeißelte Inschrift lautet:

Stadtrat u. Stadtältester \ Rudolf Rühl \ verwaltete die Forst [sic!] der 193 \ Stadt Coepenick \ von 1884 \ bis 1909 \ - 1913

Der Granitfindling wurde 1913 platziert, war lange Zeit überwuchert und wurde erst in den 1970er Jahren bei der Verlegung des Müg- gelsee-Promenadenwegs freigelegt.13 Im Jahr 2000 erfolgte die not- wendige Restaurierung.14

11 Heinrich-Wilhelm Wörmann: Widerstand in Köpenick und Treptow. Ge- denkstätte Deutscher Widerstand, 2013, S. 138, 140f. wi: Den Straßenna- men auf der Spur (Teil II). Müggelheimer Bote, 09.1999. 12 O.A.: Das Mahnmal Pohlestraße. Nationale Zeitung Berlin, 29.06.1961. Zur Datierung: Das NAW existierte seit 1951. Laut Angaben des Müggelheimer Heimatvereins e.V. schlossen sich mehrere Handwerker 1958 zur PGH Werk- stein zusammen. Die Enteignung erfolgte 1972 und es kam zu einer Um- wandlung in die VEB Werkstein. 13 Christian Rühl: „Carl Reinhold Julius Rudolf Rühl“. In: Erich Hobusch: Das Forstamt Köpenick (Alternativtitel: Die Cöpenicker Forsten). Nordwest Medi- a, 2011, S. 52 - 55. 14 BEY: Aus den Bezirken: Gedenkstein für Forstmeister. Tagesspiegel, 06.12.2000.

Müggelheim

Einweihung des Gedenksteins 1913, Fotoarchiv Museum Treptow-Köpenick 19/19.36

194

Müggelheim

Niederschöneweide

Otto DUNKEL Hindenburg bei Templin 09.04.1889 - Neustädter Bucht 03.05.1945 Spreestraße 1 Otto Dunkel arbeitete als Steinholzleger in Rüstungsbetrieben unter anderem in den Mechanischen Werkstätten Neubrandenburg. Diese Tätigkeit nutzte er um sich im Widerstand zu engagieren, beispiels- weise als Kurier. Nachdem seine Aktivitäten verraten wurden, ver- schleppte man ihn ins KZ Neuengamme. Dort kam er bei einem Transport mit dem Schiff Cap Arcona in der Lübecker Bucht ums Le- ben. Der Ehrenfriedhof Cap Arcona in Neustadt (Schleswig-Holstein) 195 dient als zentraler Gedenkort für die Opfer.1 1978 erfolgte die Einweihung einer von Günter Schmolke gestalteten Metalltafel für Dunkel, die an der Hauswand angebracht wurde. Ihr Text lautete: Hier wohnte der antifaschistische \ Widerstandskämpfer \ Otto Dun- kel \ geb. am 9. April 1889 \ ermordet am 3. Mai 1945 \ Ehre seinem Andenken2 Laut Angaben seines Sohnes verschwand diese Gedenktafel für Dun- kel nach der Wende. Ein Stolperstein wurde am Wohnort am 28.10.2005 verlegt. Dieser trägt die Inschrift: HIER WOHNTE \ OTTO DUNKEL \ JG. 1889 \ KZ NEUENGAMME \ TOT 3.5.1945 \ VERSENKUNG DER \ MS 'KAP ARKONA' [sic!]

1 O.A.: „Otto Dunkel“. In: Stolpersteine in Berlin Treptow-Köpenick. Bund der Antifaschisten Treptow e.V. et al., 2008, S.28f. Vgl. Hugo Rübesamen: Ge- schleifter Ort - verwehte Spuren der Erinnerung. Zum Cap - Arcona - Geden- ken in Mecklenburg und an der Lübecker Bucht. Gedenkstättenrundbrief 137, S. 3 - 13. 2 Martin Schönfeld: Gedenktafeln in Ost-Berlin. Schriftenreihe Aktives Muse- um, 1991, S. 172.

Niederschöneweide

Der Stolperstein fokussiert die Opferrolle Dunkels und gibt keinen Hinweis auf seine Widerstandsaktivitäten. Ein früherer, bereits am 28.07.2005 verlegter Stolperstein wurde entwendet.3 GEFALLENE ERSTER WELTKRIEG Britzerstraße 1 Im Eingangsbereich der Evangelischen Friedenskirche finden sich zwei Triptycha, die die Namen der rund 350 Gefallenen des Ersten Welt- kriegs listen. Mittig steht jeweils ein Gedenkspruch unter einem Reli- ef geschrieben, links ein Ausspruch aus Johannes 15/13: Niemand hat grössere Liebe denn die dass er sein Leben lässet für sei- ne Freunde. 1914 - 1918 und rechts: Der Tod hat uns in die Erde gepflügt nun erntet. 1914 - 1918. 4 Georg LANGERHANS Frankfurt/Oder 23.09.1870 - Lichterfelde 08.03.1918 Rudower Str. 23 (Park Weg I links 5/6) Das Ehrengrab des Politikers und Bürgermeisters von Köpenick Georg Langerhans befindet sich auf dem Friedhof St. Laurentius. Es wurde mit Senatsbeschluss vom 23.05.1995 anerkannt.5 (Siehe auch: Tafel für Bürgermeister und Bezirksverordnetenvorsteher, OT Köpenick). 196 NS-ZWANGSARBEITERLAGER 1943 - 1945 Britzer Straße 5 Das Gelände an der Britzer Straße mit den noch stehenden Baracken ist das einzige, noch weitestgehend erhaltene Zwangsarbeiterlager Berlins. 1943 im Auftrag von Albert Speer errichtet, diente das Ge- lände der Unterbringung von Menschen, die in Nieder- und Ober- schöneweide als ZwangsarbeiterInnen eingesetzt wurden. 1944 wur- den hier ebenfalls 435 italienische Bauarbeiter untergebracht. Ein Jahr darauf wurde das Gelände als Außenlager für das KZ Sachsen- hausen genutzt, 200 Frauen mussten in der Batteriefabrik Petrix im heutigen Bruno-Bürgelweg Zwangsarbeit verrichten. Seit 1995 steht das Ensemble unter Denkmalschutz. Mitte der 1990er Jahre stellte die Berliner Geschichtswerkstatt die Geschichte des Ge- ländes in einer ersten Freiluftausstellung vor. Auf Antrag der PDS

3 Karin Schmidl: Gestohlener Stolperstein wird erneuert. Berliner Zeitung, 07.10.2005. 4 Zum Gebrauch der Erntemetapher in der Gedenkkultur siehe: Loretana de Libero:“ Künftiger Ernte blutige Saat“. In: Dies.: Rache und Triumph: Krieg, Gefühle und Gedenken in der Moderne. Walter de Gruyter, 2014, S.98 – 105. 5 Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt: Ehrengrabstätten des Landes Berlin. 2015, S. 43.

Niederschöneweide

wurde 1999 darüber beraten, in der Britzer Straße zwei Gedenktafeln zu enthüllen. Die Berliner Geschichtswerkstatt legte mit der Antifa Treptow ein Jahr darauf ein Konzept für eine zentrale Gedenk-, In- formations- und Dokumentationsstätte zum Thema Zwangsarbeit vor.6 Im Jahr 2001 wurde eine Gedenktafel links des Eingangs mit dem Text enthüllt: 7 Von 1939 bis 1945 errichtete das nationalsozialistische Regime \ in Berlin über 1000 Zwangsarbeiter- lager. \ Allein im Industriebezirk Treptow befanden sich mehr als \ 100 dieser Lager, in denen Frauen und Männer \ unterschiedlicher Nationalitäten interniert und zur Arbeit \ in der Kriegswirtschaft gezwungen wurden. \ Diese Bara- cken sind als einziges bauliches Zeugnis jener Zeit \ erhalten und ProAB e.V. sollen an die Menschen erinnern, die hierher \ und anderen Orts verschleppt \ wurden. \ Ausbeutung und Rassismus verletzten ihre Würde zutiefst.

Im August 2006 öffnete das Dokumentationszentrum NS Zwangsar- 197 beit. Seit 2010 lässt sich auch die Unterkunftsbaracke 13 im Rahmen von Führungen besichtigen. Drei Jahre darauf wurde die neue Dauer- ausstellung „Alltag Zwangsarbeit 1938 - 1945“ vorgestellt.8 OPFER DES NKWD Hasselwerderstraße 38/40 An der Hauswand der Villa "Offensiv" wurde am 09.11.2007 eine Ge- denktafel mit folgender Inschrift befestigt: 9 In diesem Haus befand sich im Jahr 1945 \ einer von bisher 20 be- kannten Haftorten \ des sowjetischen Geheimdienstes NKWD \ im Be- zirk Treptow - Köpenick. \ Nach Kriegsende wurden im Keller \ dieses Gebäudes zahlreiche Bürgerinnen \ und Bürger inhaftiert und von hier in \ Straflager deportiert, wo viele von ihnen \ umgekommen sind.

6 Regina Köhler: Zwangsarbeiterlager soll Gedenkstätte werden. Berliner Morgenpost, 03.05.2000. Dies.: Erinnerung an Zwangsarbeit. Berliner Mor- genpost, 05.10.2000. BW: Geplant: Gedenktafeln für die Zwangsarbeiter. Wochenblatt, 08.12.2000. Wolfgang Carst: Zwangsarbeit dokumentiert. Neues Deutschland, 11.06.2002. Karin Schmidt-Feister: Was lehrt die NS- Zwangsarbeit. Neues Deutschland, 23.08.2006. 7 Michael Zajonz: Die Geschichte hat Freigang. Tagesspiegel, 25.07.2004. 8 Für eine Übersicht der Aktivitäten des Fördervereins ab 1993 bis 2006 sie- he auch http://zwangsarbeit-in-berlin.de/schoeneweide/texte/chronik.pdf 9 O.A.: Gedenktafel wird eingeweiht. Berliner Woche, 07.11.2007.

Niederschöneweide

In der Hasselwerderstraße existierte ein Stützpunkt der 15. Oper[ativen] Gruppe des NKWD / MGB. Die Keller- räumlichkeiten des Gebäu- des wurde von 1945 bis wahrscheinlich Dezember 1946 als Arrestzellen ge- nutzt. Die Haft in den „GPU- ProAB e.V. Kellern“ sollte ursprünglich zur Verfolgung nationalsozialistischer Aktivisten dienen, wurde je- doch ein Instrument des Terrors und der Unterdrückung. Der Initia- tor der Gedenktafel, der Rentner Wolfgang Elsholz, erinnert sich da- ran, wie er als Kind von der gegenüberliegenden Schule in die Räum- lichkeiten blicken konnte und sah, wie bei Verhören Schläge einge- setzt wurden. Vor dem Krieg gehörte die Villa der Firma Deutsche Messingwerke Carl Eveking AG und wurde als Wohnhaus für die Evekings und ande- re Familien genutzt. In ihrem Werk in der Berliner Straße 131 - 134 (heute Schnellerstraße) waren Zwangsarbeiter angestellt. Die Villa wurde später durch die Staatssicherheit genutzt.10

11 Bernd Nock (SPD) stellte den Antrag zur Finanzierung der Tafel. Eine 198 weitere Gedenktafel für die Opfer des NKWD befindet sich in der See- lenbinderstraße 99 (OT Köpenick). Ernst SCHNELLER Leipzig 08.11.1890 - Sachsenhausen 11.10.1944 Schnellerstraße 70a / (71)12

10 Vgl. Peter Erler: GPU-Keller Arrestlokale und Untersuchungsgefängnisse sowjetischer Geheimdienste in Berlin (1945 - 1949). Bund der Stalinistisch Verfolgten e.V. 2005, S. 24f. o.A.: Ehemalige NKWD-Keller Treptow- Köpenick. Zusammenstellung von Claus-Dieter Sprink, Heimatmuseum Kö- penick 2004, Ordner 27.0 Gerd Lüdersdorf: Gedenktafel. Berliner Abend- blatt, 28.11.2007. 11 Ralf Drescher: Erst interniert, dann deportiert. Gedenktafel erinnert an NKWD-Opfer. Berliner Woche, 05.12.2007. 12 Die Tafel befindet sich am Haus 70 a, am äußersten Ende des Hauses in Richtung Nummer 71. Unklarheiten herrschten, an welchem Haus die Tafel anzubringen sei. Ursprünglich war die Tafel am Haus 70 a angebracht wor- den, vermutlich da die Nummer 71 noch zerstört war. Der Wohnort Schnel- lers befand sich jedoch nicht in der Nummer 70a, sondern in der 71. 1955/56 wurde über eine Verschiebung der Tafel diskutiert. Vgl. Schriftver- kehr 1955, Archiv Treptow, Ordner 23.04 Denkmalpflege. Schönfeld führt 1991 die Nummer 71 an, Hübner nennt 1997 die Nummer 70 a. Martin Schönfeld: Gedenktafeln in Ost-Berlin. Schriftenreihe Aktives Museum, 1991, S. 170. Holger Hübner: Das Gedächtnis der Stadt. Gedenktafel in Berlin. Ar- gon, 1997, S. 388.

Niederschöneweide

Schneller war 1918 Mitglied des Soldatenrates, 1919 SPD-Mitglied, 1920 erfolgte sein Übertritt zur KPD, für die er von 1924 - 1933 in den Reichstag gewählt wurde. Er engagierte sich als Funktionär im Roten Frontkämpferbund (RFB), und leitete für vier Jahre ab 1929 die Reichsparteischule der KPD in Fichtenau. Nach dem Reichstagsbrand wurde Schneller am 28.02.1933 verhaftet. Das Reichsgericht verur- teilte Schneller zu sechs Jahren Zuchthaus. Anschließend wurde er ins KZ Sachsenhausen verschleppt. Hier unterstützte er die Gründung ei- ner Widerstandsgruppe. Im Herbst 1944 wurden 27 Mitglieder der Gruppe von der SS ermordet.13

199

ProAB e.V., 2009

An seinem Wohnort (damals Berliner Straße) ist an der Hauswand ei- ne Metalltafel mit folgender Inschrift angebracht: Hier wohnte \ von 1925 - 1933 der \ antifaschistische \ Widerstands- kämpfer \ Ernst \ Schneller \ Mitglied des \ Zentralkomitees \ und Vorsitzender \ des militärischen Rates \ der KPD geb. am 8.11.1890 \ von der SS am 11.10.1944 \ im Konzentrationslager \ Sachsenhausen \ ermordet 14 An der ehemaligen Ernst Schneller-Kaserne der NVA in der Straße Am Treptower Park 6/7 befand sich eine Gedenktafel mit der Inschrift Ernst Schneller, geboren 1890, ermordet 1944. Die Schule in der Kief-

13 Heinrich-Wilhelm Wörmann: Widerstand in Köpenick und Treptow. Ge- denkstätte Deutscher Widerstand, 2013, S. 15. 14 Eine frühere Inschrift lautete: Hier wohnte der von den Nazis ermordete antifaschistische Widerstandskämpfer Ernst Schneller. Mitglied des Reichs- tages 1933, geboren am 8.11.1890. Er wurde am 11.10.1944 im KZ von der SS auf Befehl erschossen. Hans Maur: Gedenkstätten der revolutionären Ar- beiterbewegung. Heft 3, 11.1972, S. 15.

Niederschöneweide

holzstraße 46/48 trug ebenfalls seinen Namen (heute Kiefholz- Grundschule).15 In dem einstigen Kulturhaus „Ernst Schneller“ des VEBs Berliner Metallhütten- und Halbzeugwerke (BMHW) in Schöne- weide wurde in der Fließstraße 3 - 4 am 11.10.1974 eine von Ernst Löber gestaltete überlebensgroße Büste Ernst Schnellers eingeweiht. Die Hauswand dahinter trug den Text Ernst Schneller \ 1890 - 1944.16 STOLPERSTEINE Otto DUNKEL Hindenburg bei Templin 09.04.1889 - Neustädter Bucht 03.05.1945 Spreestraße 1 Siehe Otto Dunkel. Käthe TUCHOLLA, geb. Scheffler Berlin 10.01.1910 - Plötzensee 28.09.1943 Bruno-Bürgelweg 99 - 125 Links hinter dem Eingang zum Käthe-Tucholla-Sportstadion befindet sich eine Gedenkmauer aus gelbem Klinkerstein. Auf einer eingelas- senen Steinplatte ist zu lesen: KÄTHE TUCHOLLA \ ERMORDET VON FASCHISTEN Links darunter befindet sich eine Kupfertafel mit der Inschrift: KÄTHE TUCHOLLA \ *10.1.1910 \ am 28.9.1943 hingerichtet. \ Sie 200 wurde wegen ihres aufrechten Kampfes \ gegen Faschismus und Krieg von den Faschisten \ im Strafgefängnis Plötzensee ermordet. \ Käthe Tucholla war Mitglied des Sportclubs Sparta Lichtenberg. \ IHR TOD SEI UNS VERPFLICHTUNG! Die Sekretärin Käthe Tucholla engagierte sich mit ihrem Mann, dem Schlosser Felix Tucholla, den sie im Arbeitersportverein „Sparta Lich- tenberg“ kennen lernte, für die KPD im Widerstand der Gruppe um Robert Uhrig und bot dem politisch Verfolgten Erwin Panndorf Ob- dach. Im Juli 1943 wurde das Ehepaar festgenommen. Sie wurden zur Todesstrafe verurteilt, die in Plötzensee vollzogen wurde.17

15 Ebd., S. 7, 15. 16 Troschka, Nickel, Sack: Einladung zur Einweihung der Ernst-Schneller- Büste. O.A., 1974. Siehe Zeitungsarchiv Museum Treptow-Köpenick, Ordner 23.04 bis 1989. O.A.: Ernst-Schneller-Relief für das RAW Schöneweide. Neues Deutschland, 01.11.1970. Klaus Weidner: Plastiken, Denkmäler, Brunnen im Bezirk Treptow. Luisenstädtischer Bildungsverein 1993, S.15. Laut Endlich befindet sich im Eisvogelweg 60 in Zehlendorf eine weitere Gedenktafel für ihn. Stefanie Endlich: Wege zur Erinnerung. Gedenkstätten und -orte für die Opfer des Nationalsozialismus in Berlin und Brandenburg. Metropol, 2006, S. 419, 489. 17 Ronald Sassning: Erwin Panndorf (1904 - 1942). Gera - Moskau - Spanien - Berlin. Der Weg zu antifaschistischen Fronten. Rosa-Luxemburg-Stiftung, Thüringen e.V., S.12.

Niederschöneweide

Kulturring in Berlin e. V.

201

Niederschöneweide

OBERSCHÖNEWEIDE

AUS DER ASCHE UNSERER TOTEN Straße zum FEZ 2

Das Denkmal von Hans Kies stellt drei zum Teil bewaffnete Männer und vor ihnen einen jungen Pio- nier dar, der eine übermannsgro- ße Fahne entgegennimmt.1 Die Bronzefiguren vor einer Sand- 202 steinmauer wurden im Frühjahr 1966 aufgestellt. Die Inschrift - ein abgewandeltes Zitat aus dem Ar- beiterlied Brüder seht die Rote Fahne - lautet: 2

AUS DER ASCHE UNSERER TOTEN \ KEIMT DIE NEUE SAAT Kulturring in Berlin e. V. Gewidmet ist das Denkmal so die Berliner Zeitung „den Kämpfern für Frieden, Fortschritt, den Opfern der Reaktion“.3 Das Denkmal findet sich vor dem Gebäude der ehe- maligen Pionierparkleitung. Kies gestaltete ähnliche Denkmäler auf Ehrengräbern für antifaschistische Widerstandskämpfer in Ostberlin.4

1 Laut Weidners Interpretation der Waffen - Säbel und Gewehr - ist dies eine Darstellung des historischen Wegs der Fahne von 1848 bis zur Gegenwart. Klaus Weidner: Plastiken, Denkmäler, Brunnen im Bezirk Köpenick. Luisen- städtischer Bildungsverein 1993, S. 10. 2 O.A.: Ein Lied lasst uns singen: internationale Kampflieder. Mitteldeutscher Verlag, 1953, S. 50. 3 Kurt Schwarz: [Fotografie - Denkmal]. Berliner Zeitung, 24.04.1966. 4 Vgl. Bezirksamt Treptow-Köpenick, Amt für Weiterbildung und Kultur (Hrsg.): Gesamtübersicht der Denkmale u. Plastiken im Bezirk Treptow-

Oberschöneweide

BUCHENWALDJUNGE Wuhlheide, FEZ

Da ist der "Junge", der für alle Kinder und Halbwüchsigen sprechen soll. Der Hunger hat ihm ein greisenhaftes Aussehen aufgezwungen. In seinen zu großen Kleidern versinkt er, und in seiner unschuldigen Pein möchte er den leeren Eßtopf allen überwundenen, aber auch noch heute lebenden Unmenschen ins Gesicht schleudern.5

203

ProAB e.V.

So beschreibt der Künstler Fritz Cremer 1958, die Figur des Jungen, der der Denkmalsgruppe im KZ Buchenwald angehört. Eine Nachbil- dung des Kindes wurde im nördlichen Parkbereich des Freizeit- und Erholungszentrums FEZ aufgestellt.6

Das Denkmal zeigt symbolisch die Versammlung mehrerer männli- cher Buchenwaldhäftlinge nach der Befreiung - dazu gehörend der Fahnenträger, der Kämpfer, der Schwörende, der Kämpfer mit der

Köpenick. Stand April 2004, S. 3. Vgl. weiterhin: Stefanie Endlich et al.: Ge- denkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus Eine Dokumentation II. Bundeszentrale für politische Bildung, 2000, S. 69. 5 Fritz Cremer, 1958 nach Kuratorium für den Aufbau nationaler Gedenkstät- ten in Buchenwald, Sachsenhausen und Ravensbrück. Nachdruck in URL www.gelsenzentrum.de/cremer_buchenwald_plastik.htm 6 Die Aufstellung erfolgte um 1952/58 laut Kommission Kunst im öffentli- chen Raum des Bezirkes Treptow-Köpenick von Berlin: Verzeichnis Kunst im öffentlichen Raum - Bezirk Treptow-Köpenick. Stand Januar 2016, S. 67.

Oberschöneweide

Decke, der Diskutierende, der Rufer, der Zweifler und der Negative, die den historischen Schwur ablegen: 7

„Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht! Die Vernichtung des Nazismus mit sei- nen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren gemor- deten Kameraden, ihren Angehörigen schuldig. Zum Zeichen Eurer Bereitschaft für diesen Kampf erhebt die Hand zum Schwur und sprecht mir nach: WIR SCHWÖREN!“8

Über das Leben eines Buchenwaldkindes schrieb Bruno Apitz 1958 den Roman „Nackt unter Wölfen“.9 Die Ausstellung "Vergessene Frauen von Buchenwald" aus dem Jahr 2001 erinnerte erstmals an das Leben von Frauen und Mädchen in den Außenlagern des KZs.10

Ernst Thälmann, nach dem der damalige Pionierpark ursprünglich benannt war, wurde in Buchenwald ermordet.11

Carl DEUL 25.01.1855 - Oberschöneweide 17.08.1904 An der Wuhlheide 131a (Feld I/2)

Das Grab des Königlichen Baumeisters und Bürgermeisters von Ober- schöneweide ab 1898 wurde mit Senatsbeschluss vom 02.09.1997 als 204 Ehrengrab anerkannt.12

7 Soweit nicht anders vermerkt: Fritz Cremer: [KZ Buchenwald - die Grup- penplastik]. Kuratorium für den Aufbau nationaler Gedenkstätten in Bu- chenwald, Sachsenhausen und Ravensbrück, [1958]. URL: www.gelsenzentrum.de/cremer_buchenwald_plastik.htm 8 o.A.: Ansprache in französischer, russischer, polnischer, englischer und deutscher Sprache auf der Trauerkundgebung des Lagers Buchenwald am 19. April 1945. Buchenwaldarchiv NZ 488. 9 Zu der Frage, ob der Buchenwaldjunge die Figur aus Apitz Roman symboli- siert siehe: Bill Niven: The Buchenwald Child - Truth, Fiction and Propagan- da. Boydell & Brewer, 2007, S. 74ff. 10 Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora: Vergessene Frauen von Buchenwald. Ohne Katalog, 2001. 11 ADN/BZ: Ernst Thälmann - Vorbild der jungen Generation. Berliner Zei- tung, 18.08.1978. 12 Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt: Ehrengrabstätten des Landes Berlin. 2015, S. 13.

Oberschöneweide

Thomas Alva Edison Milan 11.02.1847 - West Orange 18.10.1931 Wattstraße 69-70

Eine Büste des Erfinders und Unternehmers Thomas Edison findet sich in der nach ihm am 01.04.1995 benannten Edison- Grundschule.13 Die Schule konnte keine Auskunft darüber erteilen, wann diese auf- gestellt worden war. Mindestens neun Jah- re befindet sie sich bereits im Haus. Kulturring in Berlin e. V.

GEFALLENE ERSTER WELTKRIEG Firlstraße / Kottmeierstraße

Der Kirchplatz der Christuskir- che wurde 1908 vermutlich von Robert Leibnitz angelegt und zählt heute als Garten- denkmal. An der äußersten Ecke des Platzes befinden sich Reste eines 1931 eingeweih- ten Denkmals in Erinnerung 205 an die im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten aus Oberschöneweide. Auf dem Sockel standen vier Skulptu- ren, die 1942 eingeschmolzen wurden.14

Kulturring in Berlin e. V. In der Kirche hängen weiter- hin vier Tafeln, die an über 600 Gefallene namentlich erinnern. Über- schrieben ist die Namensliste mit dem Text:

Es starben den Tod fürs Vaterland im Weltkriege 1914 - 1918

13 Vgl. Kommission Kunst im öffentlichen Raum des Bezirkes Treptow- Köpenick von Berlin: Verzeichnis Kunst im öffentlichen Raum - Bezirk Trep- tow-Köpenick. Stand Januar 2016, S. 77. 14 Vgl. Landesdenkmalamt(Hrsg): Denkmale in Berlin: Bezirk Treptow- Köpenick, Ortsteile Nieder- und Oberschöneweide., Imhof, 2003, S. 122f. Klaus Bittschier hält fest, dass das Denkmal am 19.04.1931 eingeweiht wur- de. Die Bronzefiguren symbolisierten einen verwundeten Krieger, die Sorge, die Abwehr, sowie die Trauer. 1942 wurden die Figuren eingeschmolzen. Vom 19.08.1949 bis zum 27.09.1950 wurde der Sockel des Denkmals mit dem Schriftzug „Dem geschändeten Menschen 1949 Christus unsere Hoff- nung“ versehen, er musste jedoch aufgrund eines Konflikts mit dem Bür- germeister abgenommen werden. Ohne Hinweis auf Quellen: www.denkmalprojekt.org/dkm_deutschland/b-oberschoeneweide_wk1.htm

Oberschöneweide

GEFALLENE ERSTER WELTKRIEG An der Wuhlheide 131 a

Auf dem Waldfriedhof Oberschöneweide findet sich links des Haupt- wegs ein Denkmal, dass die über 160 Namen, der hier begrabenen Gefallenen aus dem Ersten Weltkrieg listet. Ein steinerenes Kreuz be- krönt es.

GEGEN KINDSMISSBRAUCH An der Wuhlheide

Vor dem Hauptgebäude des FEZ steht ein von Johannes Heibel ent- worfenes Denkmal gegen Kindsmissbrauch. Es ist ein drei Meter ho- her Metallkäfig ohne Zugang mit einem Eisenbett in der Mitte, auf dem eine stilisierte Bild-Zeitung aus Aluminium liegt. Sie trägt das Zi- tat des Altbundeskanzlers Gerhard Schröder „Kinderschänder weg- schließen - für immer!“

Das Denkmal wurde ursprünglich im Jahr 2002 durch die Initiative gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen temporär aufgestellt. Die Ravené Possehl-Stahl AG spendete das Ma- terial für das Denkmal, Jugendliche der Innung für Metall- und Kunst- stofftechnik übernahmen ehrenamtlich die Schweißerarbeiten.15 206 Bis 2004 wurde es auf dem Gelände des FEZ der Öffentlichkeit prä- sentiert. Am 08.09.2007, zum Tag des offenen Denkmals, wurde es drei Jahre darauf auf einem neuen zweistufigen Sockel aus Beton wiedereingeweiht und ist nun dauerhaft vor Ort zu sehen.16

Albert Karl Friedrich KRIEGER Obernick 06.04.1833 - Coepenick 05.05.1892 An der Wuhlheide 197 / Eichgestell

Anlässlich des Todes des Oberförsters Albert Krieger wurde noch im selben Jahr laut dem Teltower Kreisblatt am 17.12.1892 ein Gedenk- stein aufgestellt, der im Beisein der Familie des Oekonomienraths Neuhauss dem königlichen Forstmeister Westermener übergeben wurde:

DEM \ KÖNIGL. FORSTMEISTER \ ALBERT KRIEGER \ OBERFÖRSTER IN COEPENICK \ VON 1872 - BIS 1892 \ GEWIDMET \ VON SEINEN FREUNDEN \ UND \ JAGDGENOSSEN \ 1892

15 Steffi Bey: Ein Käfig gegen den Kindesmissbrauch. Berliner Morgenpost, 27.05.2002. 16 Marion Gusella: Pressemitteilung Mahnmal gegen Kindesmissbrauch vor dem FEZ. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit FEZ, 04.09.2007.

Oberschöneweide

ProAB e.V. 1853/54 diente Krieger der Artillerie und gehörte daraufhin dem Kö- niglich Reitenden Feldjäger Corps an. Als Oberförster arbeitete er zu- nächst von 1868 - 1872 in Poppeln, nach Coepenick wurde er am 01.10.1872 versetzt. Er setzte sich u.a. für den Erhalt des Eichenbe- stands ein, beispielsweise in der Anlage des Eichgestells in der Wuhl- heide, wo auch der Gedenkstein steht.17

NS-VERBRECHEN Volkspark Wuhlheide 207 Im Volkspark Wuhlheide nahe dem Eingang Tresko- wallee/Hegemeisterweg pflanzte der polnische Künstler Łukasz Surowiec im Rahmen der Berlin Biennale fünfzig Birken aus Auschwitz-Birkenau.18 Der Künstler erklärte im Interview dazu:

„Ich nutze [die Bäume], um ein Denkmal zu schaffen, das nicht nur vor Zerstörung geschützt werden muss, sondern um das man sich auch aktiv kümmern muss - durch das Gießen, durch die Kultivierung. Bei Denkmälern aus Stein und besonders bei den großen, besteht die Gefahr, dass die Leute sagen: wir haben die Geschichte zu Ende ge- bracht, jetzt können wir sie vergessen, da wir ein großes Denkmal haben.“19

Eine Plakette mit dem folgenden Text wurde zur Erinnerung ange- bracht:

17 Erich Hobusch: Das Forstamt Köpenick (Alternativtitel: Die Cöpenicker Forsten). Nordwest Media, 2011, S. S. 43f. Eine interne Übersicht des Muse- ums Köpenick hält fest, dass der Gedenkstein 1952 erneuert wurde. 18 O.A.: Birken pflanzen, Erinnerung ernten. Berliner Zeitung, 02.04.2012. 19 Interview Łukasz Surowiec, 27.03.2012. URL: http://blog.berlinbiennale.de/kommentare/ein-interview-mit-lukasz- surowiec-26714

Oberschöneweide

Im November 2011 brachte der polnische Künstler Łukasz Surowiec 320 Birken aus dem Gebiet um die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau nach Berlin, um gegen das Vergessen zu arbeiten. Die Bäume wurden über den Stadtraum Berlin verteilt und wurden mit Unterstützung der 7. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst gepflanzt.

Auf dem Gelände der HTW in der Wilhelminenhofstraße 75A gegen- über den ehemaligen Zwangsarbeiterbaracken und auf dem Hof der Alexander-von-Humbolt-Oberschule in der Oberspreestraße 173 - 191 wurden weitere Birken gepflanzt. 20

Walther RATHENAU Berlin 29.09.1867 - Berlin 24.06.1922 An der Wuhlheide 131a (Abt. I/1)

Auf dem Waldfriedhof in der Wuhlheide befindet sich die Ehrengrab- stätte des Landes Berlin für den deutsch-jüdischen Industriellen, Poli- tiker und Reichsminister Walther Rathenau. Diese wurde mit Senats- beschluss vom 01.12.1992 anerkannt, seit 1977 steht die Anlage un- ter Denkmalschutz.21

In der Familiengrabstätte sind Emil Moritz Rathenau und seine Ehe- frau Mathilde, sowie die Kinder Erich und Walther Rathenau beige- setzt. Emil Rathenau gründete 1884 die später sogenannte „Allge- 208 meine Elektricitäts-Gesellschaft“, die sich unter seiner Regide zu ei- nem der größten Elektrokonzerne weltweit entwickelte. 1915, nach dem Tod des Vaters, übernahm Walther Rathenau den Vorsitz des Aufsichtsrats. 1918 beteiligte er sich an der Gründung der Deutschen Demokratischen Partei und war ab 1922 Reichsaußenminister. Er ver- starb noch im selben Jahr an einem rechtsextremistischen Attentat.

Die Grabanlage in antiker Ästhetik wurde von Alfred Messel gestaltet, den Bauschmuck entwarf Herrmann Hahn.22 In Anwesenheit des Au- ßenministers der DDR Lothar Bolz anlässlich des 40. Todestags Rathenaus wurde eine Gedenktafel mit der folgenden Inschrift ein- geweiht:

20 Angaben der Berlin Biennale 2012. URL: http://blog.berlinbiennale.de/projekte/berlin-birkenau-von-lukasz- surowiec-19073 21 Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt: Ehrengrabstätten des Lan- des Berlin. 2015, S. 59. 22 Jessica Hänsel: Erbbegräbnis Familie Emil Rathenau. Landesdenkmalamt, 24.06.2012.

Oberschöneweide

IM GEDENKEN AN \ DR. WALTER [sic!] RATHENAU \ DER DEN RAPAL- LOVERTRAG MIT \ DER SOWJETUNION UNTERSCHRIEB \ MIT DEN GROSSEN STAATEN IN OST UND \ WEST GUTE BEZIEHUNGEN SUCHTE \ UND DESHALB VON DER REAKTION \ IM JUNI 1922 ERMORDET WURDE. \ NATIONALRAT DER NATIONALEN FRONT \ DES DEMOKRA- TISCHEN DEUTSCHLAND \ BERLIN, 24. JUNI 1962

Kulturring in Berlin e. V. 209

Diese Tafel wurde am 27.09.1992 entfernt.23 Eine neue Tafel hält aus- schließlich fest:

DR. WALTHER RATHENAU \ GEBOREN \ 29.9.1867 \ ERMORDET \ 24.6.1922 \ REICHSAUSSENMINISTER 1922

Anlässlich des 90. Todestags wurde im Beisein von Außenminister Guido Westerwelle am 24.06.2012 das für 350.000 Euro sanierte Erbbegräbnis eingeweiht.24

Josef RENNOCH 20.02.1987 - 16.01.1939 Roedernstraße / Griechische Allee

Auf einer Bronzetafel ist um ein Relief des Begründers der St. Antoni- uskirche folgende Inschrift angeordnet:

23 Holger Hübner: Das Gedächtnis der Stadt. Gedenktafel in Berlin. Argon, 1997, S. 401. Vgl. Klaus Weidner: Plastiken Denkmäler, Brunnen in Berlin Köpenick Katalog 1993, S. 15. 24 Sabine Flatau: Grab von Rathenau für 350.000 Euro saniert. Berliner Mor- genpost, 18.06.2012.

Oberschöneweide

Begründer und \ erster Pfarrer \ 1903 - 1923 \\ Erbaute die \ St. Anto- nius \ kirche \ 1906 - 07 \\ Monsignore \ Josef Rennoch \\ * 20.2.1872 \ + 16.01.1939

Josef Rennoch wurde 1903 für die Kuratiegemeinde Oberschönewei- de, Johannisthal und Baumschulenweg zum ersten Seelsorger beru- fen. In einem Zimmer seiner Privatwohnung richtete er eine Kapelle ein. Die katholiche Kirche wurde, wie eine andere Tafel am Gottes- haus ausweist, 1906/07 erbaut. Am 13.11.1913 wurde der Kuratus Josef Rennoch zum ersten Pfarrer der Gemeinde ernannt. 1923 wur- de er zum Pfarrer der Herz-Jesu Gemeinde Berlin berufen und verließ die Gemeinde Oberschöneweide.25

210

Kulturring in Berlin e. V.

STOLPERSTEINE

Else SCHIERHORN, geb. Dierberg Essen 23.02.1898 - Auschwitz Zeppelinstraße 9

HIER WOHNTE \ ELSE SCHIERHORN \ GEB. DIERBERG \ JG. 1898 \ DE- PORTIERT 17.3.1943 \ THERESIENSTADT \ 1944 AUSCHWITZ \ ER- MORDET

Else Schierhorn zog nach ihrer Geburt in Essen alsbald mit ihrer Fami- lie nach Berlin. Sie heiratete vermutlich den Schneider Erich Schier- horn, wohnte allerding seit 1938/39 nicht mehr mit ihm zusammen. Die letzte gemeinsame Adresse war die Weserstraße 204 in Neukölln.

25 Informationen zur Geschichte des Denkanats und zu Josef Rennoch finden sich unter: www.dekanat-koepenick.de/schoeneweide/sch_geschichte.html

Oberschöneweide

1939 lebte sie als Untermieterin in Oberschöneweide. Später zog sie vermutlich in eine sogenannte „Judenwohnung“ in der Ansbacher Straße in Schöneberg. Nachdem Else Schierhorn 1943 nach Theresi- enstadt deportiert wurde, erfolgte die weitere Deportation am 28.10.1944 nach Auschwitz, wo sie verstarb.

An der Verlegung nahmen AnwohnerInnen darunter die Iniatorin des Gedenksteins Anne Eichhorst sowie SchülerInnen der Isaac-Newton- Schule teil.26

Manfred STARGARDTER Berlin 21.05.1920 - Auschwitz Schillerpromenade 7a

HIER WOHNTE \ MANFRED STARGARDTER \ JG. 1921 \ FLUCHT BEL- GIEN \ INTERNIERT MECHELEN \ DEPORTIERT 31.7.1943 \ ERMORDET IN \ AUSCHWITZ

Der in Israel lebende Sohn Manfred Stargardters Herr Cohn berichte- te anlässlich der Verlegung des Stolpersteins, dass die Eltern Manfred Stargardters in der Schillerpromenade 7a ein Haushaltswaren- und Spielzeuggeschäft führten. 1941 floh das junge Paar in einem Güter- wagon nach Belgien. Kurz nach der Geburt ihres Kindes wurde Manf- red Stargardter verhaftet, Mutter mit Kind wurden Dank der Belgi- 211 schen Widerstandsbewegung in den Ardennen versteckt. Die Mutter schrieb ihre Memoiren auf Französisch nieder.27

Wilhelm SÜLT Patzig 03.04.1888 - Berlin 02.04.1921 Rummelsburger Landstraße 2 - 12

Auf dem ehemaligen Bewag-Gelände des alten Kraftwerks Rummels- burg wurde 1946, 25 Jahre nach der Ermordung des Gewerkschaftlers Sült, in Erinnerung an ihn eine Bronzetafel mit der folgenden Inschrift eingeweiht:

Zum Gedenken \ an \ Wilhelm Sült \ Im Kampf um die Freiheitsrechte \ der Arbeiterschaft \ unseren Reihen entrissen \ durch Mörderhand \

26 Ralf Drescher: Nachbarin sorgt für Erinnerung an Else Schierhorn. Berliner Woche, 27.03.2015. O.A.: Verlegung eines Stolpersteins. Spreekurier, 03.2015, S.7. Anne Eichhorst: Ein Stolperstein für Else Schierhorn, geb. Dier- berg. Redaktion Zeitschrift aktuell, Juni 2014. URL: https://www.berlin.de/aktuell/ausgaben/2014/juni/suchanzeigen/artikel.22 3965.php 27 Manfred Stargardter: [Rede des Sohnes von Manfred Stargardter bei der Legung des Stolpersteins]. O.V., 02.10.2010. URL: www.dielinke-treptow- koepenick.de/politik/archiv/detail/zurueck/2632010-12-stolpersteine- verlegt/artikel/rede-des-sohnes-von-manfred-stargardter-bei-der-legung- des-stolpersteins-am-26310/

Oberschöneweide

am 30. März 1921. \ Sühnt seinen Tod durch rastlose Tat \ für Frieden Freiheit und Gerechtigkeit \ Gestiftet \ im Aufstieg aus Trümmern und Not \ am 1. Mai 1946. \ Von der Belegschaft der \ BEWAG.

Emil Gumbel veröffentlichte in den 1920er Jahren das Buch „Vier Jah- re politischer Mord“ und schildert darin die Tat wie folgt:28

„Sült, Führer der Elektrizitätsarbeiter bei mehreren Streiks, wurde am 30. März 1921 durch die politische Polizei (Abt. 1) in Schutzhaft genommen. Als er am 1. April zur Vernehmung ins Polizeipräsidium gebracht wurde, soll er nach dem amtlichen Bericht („Vos- sische Zeitung", 1. April) dem Beam- ten einen Stoß versetzt haben und die Treppe hinaufgesprungen sein, wo- rauf der Beamte, Janike, zweimal auf ihn schoß und ihn in die Leber und Nieren traf. Sült erklärte seinem

ProAB e.V. Rechtsanwalt Dr. Weinberg auf dem Totenbett, er habe weder den Beam- ten gestoßen, noch sei er geflohen. Als Sült am Boden lag, wurde er von einem Polizeioffizier mit dem Ruf: „Verrecke, Du Aas" („Das Ta- 212 gebuch", 9. April), mit Füßen getreten. Zunächst wurde er einfach auf einer Pritsche liegen gelassen. Um 3 Uhr kam Dr. Eylenburg, wurde aber nicht vorgelassen mit der Begründung, Sült sei schon in der Cha- rite. Erst um 7 Uhr abends kam er dorthin. „Vor der Operation hatte er schon 1,5 Liter Blut verloren" (Prof. Lubarsch). Am 2. April, mor- gens 4 Uhr, starb er. Gegen alle Vorschriften wurde die Leiche bereits am Vormittag seziert. Dr. Klauber, der verabredungsgemäß an der Sektion teilnehmen sollte, fand die Leiche bereits seziert vor. „Es fehlten sämtliche Eingeweide, so daß über die Art der Verletzung durchaus nichts mehr festgestellt werden konnte. Zu meiner großen Überraschung war die Stelle der Einschußwunde herausgeschnitten." Durch die voreilige Sektion war die Möglichkeit einer weiteren Auf- klärung beseitigt. Eine Bestrafung wegen dieses Falles ist nicht er- folgt.“ 29

Welche Bedeutung Wilhelm Sült in der historischen Rezeption gehabt hatte, zeigt die Verlegung eines Ehrengrabes in der Gedenkstätte der Sozialisten auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde. Die Gedenkstätte

28 Vgl. Benjamin Lahusen: Emil Julius Gumbel - Das rechte Auge. Zeit, 09.02.2012. 29 Emil Julius Gumbel: Denkschrift des Reichsjustizministers zu 'Vier Jahre po- litischer Mord'. O.V., 1924, S. 66.

Oberschöneweide

wurde 1951 eingeweiht. Im mittleren Rondell befanden sich acht Eh- rengräber für Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg, Franz Mehring, Franz Künstler, Rudolf Breitscheid, Ernst Thälmann, John Schehr und Wil- helm Sült. Letzter wurde 1973 durch Walter Ulbricht ersetzt.30

Ernst THÄLMANN Hamburg 16.04.1886 - Buchenwald 18.08.1944 Straße zum FEZ 2

Zum Deutschlandtreffen der Jugend wurde Pfingsten 1950 die nach dem ehemaligen KPD-Vorsitzenden und Buchenwald Häftling be- nannte Pionierrepublik Ernst Thälmann in der Wuhlheide eröffnet.31

Anlässlich der X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten 1973 wur- de ein Ehrenhain Thälmann zu Ehren angelegt. Bei der feierlichen Einweihung der Büste Thälmanns, die auf einem Betonsteinpfeiler stand, war auch seine Tochter Irma Gabel-Thälmann anwesend.32 Das Denkmal stand genau wie das von Hans Kies aus der „Asche unserer Toten“ (siehe da) im hinteren Teil des Geländes beim Fuchsbau.

213

ProAB e.V.(„Arbeiterführer Ernst Thälmann“ laut Kommission Kunst im öffentlichen Raum des Bezirkes Treptow-Köpenick von Berlin: Verzeichnis Kunst im öffentlichen Raum - Bezirk Treptow-Köpenick. Stand Januar 2016, S. 66.)

30 Heinz Vosske: Geschichte der Gedenkstätte der Sozialisten in Berlin- Friedrichsfelde. Dietz, 1982, S. 30, 154. Auskunft des Friedhofs Friedrichsfel- de. 31 O.A.: [Fotografie - Deutschlandtreffen der Jugend]. Junge Welt, 03.10.1978. 32 Annika Müllner, Karin Pfundstein: Die X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten 1973 in Berlin im Rundfunk der DDR. Deutsches Rundfunkarchiv, 2013.

Oberschöneweide

Auch das fünfteilige Bronzerelief von 1978 des Bildhauers Gerhard Thieme Thälmann-Ehrung wurde im Hauptgebäude des heutigen FEZ, dem damaligen Haus der Pioniere gezeigt. Fotografien desselben sind u.a. auf Postkarten des Pionierpalasts „Ernst Thälmann“ überliefert, die im Archiv des Museums Treptow-Köpenick bewahrt werden.33 Am Ehrenhain Ernst Thälmanns und dem Bronzerelief für die Kämpfer der Arbeiterklasse wurden bei Gedenkveranstaltungen regelmäßig Krän- ze niedergelegt.34

Im öffentlichen Archiv des FEZ lagern nicht nur Reste der Ernst- Thälmanns-Gedenkstätte, sondern ebenfalls die Büste Angela Davis, der US-amerikanische Bürgerrechtskämpferin, die sich einst auf dem Gelände des FEZ befand.35

Weitere Gedenksteine für Ernst Thälmann befanden sich im Ellern- weg 20 (ehem. Herta-Geffke Oberschule) in Johannisthal, sowie in der Schule Radenzer Straße 16, Baumschulenweg.36

WIDERSTANDSKÄMPFER Erich Busse (Oberschöneweide 19.10.1905 - 20.9.1944), Wilhelm Firl (Dresden 26.01.1894 - Berlin Plötzensee 16.08.1937), Fritz Kirsch (Berlin 05.03.1903 - Sachsenhausen 30.04.1940), Fritz Plön (Berlin 03.12.1906 - Brandenburg 28.08.194[4/5]), Günther Ratajczak (Obersteine 17.5.1923 - Brandenburg 10.01.1944), Elfriede Tygör 214 (Berlin 10.10.1903 - Plötzensee 25.08.1944), Bernhard Sobottka (Wanne-Eickel 30.06.1911 - [Hamburg] 20.7.1945) An der Wuhlheide 131 a

Auf dem Waldfriedhof steht nicht weit vom Haupteingang entfernt rechter Hand ein (möglicherweise zum Teil symbolischer) Grabstein für sieben Widerstandskämpfer mit dem Text:

33 Das ND hielt 1978 fest, dass der Bildhauer Gerhard Thieme Entwüfe für eine Thälmann Ehrung im Auftrag des Ministeriums für Volksbildung vorleg- te. Diese sollten für das neue Haus der Jungen Pioniere in der Wuhlheide entstehen. O.A.: Bildhauer stellte seine neuen Werke vor. Neues Deutsch- land, 14.10.1978. 34 O.A.: 1500 Pioniere beim Appell am Ehrenhain. Neues Deutschland, 18.08.1978. ADN/BZ: Pioniere der Hauptstadt ehrten Ernst Thälmann. Berli- ner Zeitung, 17.08.1974. 35 Auskunft Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit FEZ Berlin. Vgl. Klaus Weidner: Plastiken, Denkmäler, Brunnen im Bezirk Köpenick. Luisenstädti- scher Bildungsverein 1993, S. 37. 36 Holger Hübner: Das Gedächtnis der Stadt. Gedenktafel in Berlin. Argon, 1997, S. 391.

Oberschöneweide

Den Toten zu Ehren \ den Lebenden zur Pflicht \ Erich Busse \ Wilhelm Firl \ Fritz Kirsch \ Fritz Plön \ Günther Ratajczak \ Elfriede Tygör \ Bernhard Sobottka \ Unvergessen

215

Kulturring in Berlin e. V.

Der Dreher Erich Busse nahm 1930 in Karlshorst an Kursen der Wi- derstandsgruppe „Neu Beginnen teil.37 Auch zu NS-Zeit partizipierte er an konspirativen Treffen der Gruppe und fertigte Berichte für die Leitung an. Nach seiner Verhaftung 1936 wurde er am 09.01.1937 zu über zwei Jahren Zuchthaus verurteilt. Im Juli 1938 wurde er vorzeitig entlassen, kam jedoch nach erneuter Festnahme 1940 in der Haft ums Leben. 38

37 Siehe dazu: Richard Löwenthal: Die Widerstandsgruppe "Neu Beginnen" (Vortrag in der Gedenk- und Bildungsstätte Stauffenbergstraße). Gedenk- stätte Deutscher Widerstand, [28.01.1981], 2001. 38 Heinrich-Wilhelm Wörmann: Widerstand in Köpenick und Treptow. Ge- denkstätte Deutscher Widerstand, 2013, S. 90.

Oberschöneweide

Der frühere Bezirksverordnete in Treptow Wilhelm Firl wurde 1935 vom ZK der KPD entsandt, um über die Beschlüsse der sogenannten Brüsseler Konferenz in Moskau zu informieren und über die dortige Lage zu berichten. Firl wurde am 30.01.1936 verhaftet und vom Volksgerichtshof 1937 zum Tode verurteilt. Er war kurzzeitig in der Wattstraße 11 in Oberschöneweide wohnhaft.39 Ein Findling erinner- te einst vor der Sprachheilschule in Friedrichshagen an ihn.40

Zu Fritz Kirsch siehe Stolperstein im OT Adlershof, auch im OT Johan- nisthal ist ihm ein Denkmal am Albineaplatz gewidmet (siehe da).

Der Leiter des Widerstandsgruppe in den AEG Kabelwerken Ober- spree war Fritz Plön, der in der mechanischen Werkstatt des Betriebs als Schweißer arbeitete. Er wurde im Rahmen der Verhaftungen um Robert Uhrig und Josef Römer festgenommen. Sein Todesurteil vom 06.07.1942, wurde am 28.08.1944 in Brandenburg vollstreckt.41 Siehe ebenfalls Gedenkstein in der Wilhelminenhofstr. 67/77.

Zu dem KPDler Günther Ratajczak liegen keine Informationen vor.42

Die Stenotypistin Elfriede Tygör arbeitete von 1926 bis 1933 in der sowjetischen Handelsvertretung in Berlin, danach bei der Preußi- schen Landesbriefanstalt. Sie war die Lebensgefährtin Fritz Plöns. Ihre Wohnung nutzten sie für konspirative Treffen, 1938 schlossen sie sich 216 der Robert-Uhrig-Gruppe an. Tygör wurde wie ihr Mann, Robert Uh- rig, Fritz Mett und andere am 04.02.1942 von der Gestapo verhaftet. Nach Folter verschleppte man sie nach Ravensbrück. Am 05./06.07.1942 wurde Elfriede Tygör in Potsdam zum Tode verur- teilt.43

Die Eltern Sobottkas des Schaufensterdekorateurs Bernhard Sobott- ka kamen 1919 nach Oberschöneweide und flohen 1933 in die Sow- jetunion. Nach der Emigration der Eltern wurde Bernhard Sobottka als staatenlos erklärt. Von August bis Dezember 1933 internierte man ihn im KZ Oranienburg-Sonneburg. Im März 1943 wurde er er- neut verhaftet und zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt. Die Urne

39 Ebd., S. 113. 40 Holger Hübner: Das Gedächtnis der Stadt. Gedenktafel in Berlin. Argon, 1997, S. 394. 41 Heinrich-Wilhelm Wörmann: Widerstand in Köpenick und Treptow. Ge- denkstätte Deutscher Widerstand, 2013, S. S. 149, 153f, 170, 172. 42 Erwähnung in Reimund Schnabel: Macht ohne Moral: eine Dokumentation über die SS. Röderberg Verlag, 1957 , S. 519. 43 O.A.: Ein unbekannter Name, der zur Verpflichtung wurde. Tribüne, 13.05.1983.

Oberschöneweide

Sobottkas kam nach einer Odyssee als letzte in die Urnenstelle der Antifaschisten auf dem Oberschöneweider Friedhof.44

WIDERSTANDSKÄMPFER KWO Margarete / Grete Walter (22.02.1913 - 21.10.1935), Paul von Essen (Olsztyn 01.03.1886 - Berlin 21./22.06.1933), Fritz Plön (Berlin 03.12.1906 - Brandenburg 28.08.1944), Judith Auer, geb. Vallent[h]in (Zürich 19.09.1905 - Plötzensee 27.10.1944), Arthur Illgen (Berlin 22.[01./02./05.]1905 - Plötzensee 11.05.1943) Wilhelminenhofstraße 76-77

Auf dem Werksgelände der ehemali- gen KWO steht in einer kleinen Grünanlage nicht weit von dem Di- rektorenwohnhaus (Gebäude A9) von Johannes Kraaz eine Klinkersteh- le mit einem Winkel, auf dem ein Relief einen knienden und einen stehenden Häftling vor Stacheldraht abbildet. In Metallschrift erinnert der Stein an die Widerstandskämpfer und Firmenarbeiter der AEG/KWO:

Wir gedenken \ unserer Kämpfer \ 217 gegen den \ Faschismus \ Grete Wal- ter \ geb. 22.2.13 erm. 21.10.35 \ ProAB e.V. Paul v. Essen \ geb. 1.3.86 erm. 21.6.33 \ Fritz Plön \ geb. 3.12.06 erm. 28.8.44 \ Judith Auer \ geb. 19.9.05 erm. 27.10.44 \ Arthur Illgen \ geb. 22.1.05 erm. 11.5.43

Die Neuköllner Kommunistin Margarete Walter war seit 1933 Mit- glied des ZKs des Kommunistischen Jugendverbandes. Bereits im März 1933 wurde sie verhaftet und schwer misshandelt. Anschlie- ßend bemühte sie sich um eine Anstellung im KWO und verteilte dort Flugblätter. Trotz erneuter Verhaftung 1934 behielt sie ihre Arbeit im KWO bis zum Frühjahr 1935. Nach erneuter Folter nahm sich Marga- rete Walter 1935 durch einen Sprung in einen Lichtschacht im Gesta- pogebäude das Leben.45

44 Niederschrift vom 11.02.1986, Pressearchiv Museum Köpenick 60.3.6. Hermann Weber, Andreas Herbst: Deutsche Kommunisten. Dietz, 2004, S. 747. 45 Heinrich-Wilhelm Wörmann: Widerstand in Köpenick und Treptow. Ge- denkstätte Deutscher Widerstand, 2013, S. 154f.

Oberschöneweide

Paul von Essen engagierte sich im KWO als Gewerkschafter und Be- triebsrat.46 Zu seiner Widerstandstätigkeit siehe OT Köpenick, Essen- platz 9.

Zu Kriegszeiten arbeitete Judith Auer im KWO als Stenotypistin. Zu ihrer Rolle im Widerstand siehe OT Bohnsdorf Gedenkstein für Wi- derstandskämpfer. Auch am ehemaligen Kinderheim „Judith Auer“ des Tranformatorenwerks Oberschöneweide existierte früher ein Gedenkstein mit der Inschrift: Judith Auer \ hingerichtet \ am 27.10.1944 \ Sie kämpfte und starb \ für eine bessere Welt.47

Zu dem Leiter der Widerstandsgruppe im KWO Fritz Plön siehe oben, Denkmal für Widerstandskämpfer An der Wuhlheide 131a.

Arthur Illgen engagierte sich in der Steinbrinck-Franke Gruppe im Widerstand. Er arbeitete als Schriftmaler bei der AEG in Oberschö- neweide. Zu seinen Aktionen gehörte u.a., dass er in unübersehba- ren, roten Letter „Hitler abteten“ an die Außenwand der Kabel- und Akkumulatorenfabrik malte.48

WIDERSTANDSKÄMPFER OBERSCHÖNEWEIDE Griechischer Park

An der Spitze der Grünflache Griechischer Park in Höhe der Griechischen Allee 42 steht 218 eine Klinkerstele mit einem Relief, das einen Winkel sowie eine zum Schwur erhobene Hand zeigt. Sie verweist womöglich auf den Buchenwaldschwur.

Links und rechts der Säule steht die In- schrift:

Zum Gedenken \ an die \ Widerstands- \ ProAB e.V. kämpfer aus \ Oberschö-\ neweide Im Kampf gegen \ faschistische \ Barbarei \ gaben sie \ ihr Leben

Hintergründe zur Aufstellung der Säule sind nicht bekannt.

Paul ZOBEL Berlin 13.03.1891 - KZ Dachau [22./23.]03.1945 An der Wuhlheide 256 /263

46 Karin Schmidl: Gedenken an „Köpenicker Blutwoche“ „Wir müssen immer einer mehr sein als die". Berliner Zeitung, 20.06.2013. 47 Holger Hübner: Das Gedächtnis der Stadt. Gedenktafel in Berlin. Argon, 1997, S. 393. 48 Regina Scheer: Im Schatten der Sterne. Eine jüdische Widerstandsgruppe. Aufbau-Verlag, 2004, S. 173, 240. Margot Pikarski: Jugend im Berliner Wider- stand. Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik, 1978, S. 119.

Oberschöneweide

Die Gedenktafel am Vereinshaus des Paul-Zobel-Sportheims der BSG Turbine Gaswerke wurde anlässlich des 90igsten Geburtstags Paul Zobels am 13.03.1981 unter Anwesenheit von Vertretenden des Ko- mitees der Antifaschistischen Widerstandskämpfer, des Sekretariats der SED-Kreisleitung Köpenick, des DTSB-Bezirksvorstandes und der BSG des Arbeitersportlers eingeweiht.49 Ihre Inschrift lautet:

Dem unvergessenen Arbeitersportler \ und Widerstandskämpfer \ Paul Zobel \ geboren am 13.3.1891 \ ermordet am 23.3.1945 \ im KZ Dachau

Paul Zobel wurde 1923 KPD-Mitglied und engagierte sich als Funktio- när für den Arbeiter-Turn-und-Sportbund. Wegen der Herausgabe politischer Schriften wurde er 1927 zu einer Gefängnisstrafe verur- teilt. Da er von der KPD für den Preußischen Landtag nominiert wur- de, musste er aus der Haft entlassen werden. In der Nacht vom 27.02.1933 wurde er verhaftet und im KZ Sonneburg interniert. Nach seiner Entlassung engagierte sich Zobel weiter im Widerstand. Er ließ politische Schriften über die Gruppe Uhrig-Saefkow verteilen, wurde jedoch nach erneuter Festnahme im Juli 1944 ins KZ Dachau ver- schleppt, wo er verstarb.50

219

49 O.A.: Tafel erinnert an Arbeitersportler Zobel. Neues Deutschland, 14.03.1981. 50 Ebd., Martin Schönfeld: Gedenktafeln in Ost-Berlin. Schriftenreihe Aktives Museum, 1991, S. 119f.

Oberschöneweide

PLÄNTERWALD

BEZIRKSBÜRGERMEISTER UND BEZIRKSVERORDNETEN-VORSTEHER Neue Krugallee 4

In der Eingangshalle des Rathauses Treptow befinden sich links an der Wand drei Acrylglastafeln, auf deren linker Tafel das Be- zirkswappen gezeigt ist und mittig die BezirksbürgermeisterInnen sowie rechts die Vorstehenden der BVV gelistet werden. Die Tafeln 220 wurden am 31.01.2008 analog zu den Tafeln im Köpenicker Rathaus angebracht. Die derzeitige Inschrift lautet:

BÜRGERMEISTER \ BEZIRK TREPTOW VON BERLIN \ 1921 Julius Grunow \ 1933 Dr. Julius Köhne \ 1945 Paul May \ 1945 Paul Donner \ 1946 Erwin Bennewitz \ 1948 Paul Ickert \ 1951 Elfriede Dallmann \ 1952 Paul Gräfe \ 1959 Joachim Hoffmann \ 1961 Walter Sack \ 1964 Fritz Strutzke \ 1965 Horst Stranz \ 1967 Walter Sack \ 1974 Franz Stengl \ 1977 Günter Scheel \ 1981 Günther Manow \ 1986 Günter Polauke \ 1989 Günter Kirsche \ 1990 Peter Schindler \ 1990 Michael Brückner \ 1998 Siegfried Stock \ BEZIRK TREPTOW-KÖPENICK VON BERLIN \ 2001 Dr. Klaus Ulbricht \ 2006 Gabriele Schöttler \ BEZIRKS- VERORDNETENVORSTEHER \ BEZIRK TREPTOW VON BERLIN \ 1920 Otto Schneider \ 1921 Wilhelm Strieder \ 1925 Otto Schneider \ 1931- 1933 Wilhelm Strieder \ 1946-1948 Max Osten \ 1990 Heidrun Meiß- ner \ 1995 Wolfgang Sparing \ 1999 Wolfgang Grasenick \ BEZIRK TREPTOW-KÖPENICK VON BERLIN \ 2000 Ulrich Stahr \ 2001 Winfried Blohm \ 2006 Siegfried Stock

Plänterwald

Günter Kirsche übernahm nach dem 04.12.1989 das Amt kommissa- risch, gefolgt von Peter Schindler bis Mai 1990.1 Erster Bürgermeister nach den freien Wahlen in Treptow war Michael Brückner.

Friedrich EBERT Heidelberg 04.02.1871 - Berlin 28.02.1925 Defreggerstraße 20

Eine Berliner Gedenktafel wurde am Wohnort des ehemaligen Reichspräsidenten der Weimarer Republik Friedrich Ebert am 05.10.1994 eingeweiht:

In diesem Hause wohnte von 1912 bis 1919 \ Friedrich Ebert \ 4.2.1871 - 28.2.1925 \ Der Sozialdemokrat Friedrich Ebert wurde im Jahre 1919 \ von der Deutschen Nationalversammlung in Weimar zum ersten Reichspräsidenten gewählt

Zur Einweihung waren der damalige stellvertretende SPD- Vorsitzende Wolfgang Thierse, Bezirksbürgermeister Michael Brück- ner, weitere SPD-Mitglieder und andere Interessierte erschienen.

Das Berliner Gedenktafelprogramm wird seit 1985 in den Westberli- ner Bezirken und seit 1992 auch in Ostberlin durchgeführt. Die Ebert- sche Tafel war die erste im damaligen Bezirk Treptow.2 221 FICHTE-SPORTPLATZ 1900 - 1933 Eichbuschallee 30

Die Sandsteinstele mit Edelstahlsignet der Fichtesportler - der angeschrägte Buchstabe F - wurde von der Bildhauerin Renate Stötzer aus Altglienicke entworfen. Sie wurde am 18.11.1978 feierlich enthüllt.3 Daneben liegend findet sich eine am

1 Heike Schroll, Regina Rousavy: Das Landesarchiv Berlin und seine Bestände: Übersicht der Bestände Berlin (Ost) aus der Zeit von 1945 bis 1990. Berliner Wissenschafts-Verlag, 2006, S. 229. Das Landesarchiv gibt an, dass Fritz Strutzke sein Amt bereits 1963 antrat. Das ND spricht vom Amtsantritt 1964: O.A.: Neuer Bürgermeister in Treptow. Neues Deutschland, 08.01.1964. 2 H.A.: Ehrung für Ebert. Lokalnachrichten. 06.06.1994. hb: Zum Gedenken an Friedrich Ebert wird heute eine Gedenktafel enthüllt. Wochenblatt, [07.]10.1994. ric: Gedenktafel für Friedrich Ebert enthüllt. Morgenpost, 06.10.1994. 3 Notiz des Kulturbunds der DDR Kreis Treptow, Interessengemein- schaft Ortschronik Denkmalpflege, 20.12.1978. Archiviert im Zei- tungsarchiv Museum Treptow-Köpenick, Ordner 23.04 bis 1989. Vgl. o.A.: Stele zum Gedenken an „Fichte“-Sportler. Nationalzeitung Berlin, 20.11.1978. Klaus Weidner: Plastiken, Denkmäler, Brunnen im Bezirk Treptow. Luisenstädtischer Bildungsverein 1993, S. 13.

Plänterwald

22.06.2016 aus den Mitteln der Kiezkasse neueingeweihte Bo- denplatte mit dem Text: 4

Von 1900 - 1933 befand sich hier der \ Fichte Turn- und Sport- platz. \ Er war gleichzeitig Wirkungsstätte der \ revolutionären Berliner Arbeiter und \ ihrer Klassenorganisationen.

Die Namensgebung des Berliner Arbeitersportvereins Fichte

ProAB e.V. 222 ging auf den Philosophen Johann Gottlieb Fichte zurück. Am 06.08.1890 gründeten neunzehn Sportler den Verein, da ihnen der Ausschluss aus der Turnabteilung des Berliner Handwer- kervereins drohte und sie bereits durch die Stigmatisierung des Sozialistengesetzes geprägt waren. Da letzteres 1890 keine Verlängerung erhielt, stand der Weg frei für den Ausbau des Arbeitersports.

Eine erste Sportstätte wurde in einer Lichtenberger Laubenko- lonie eingerichtet. Durch den Anschluss an die Berliner Turner- schaft konnten später auch deren Hallen genutzt werden. Un- ter den 42 Vereinen, die sich 1893 zum Arbeiter-Turn-Bund Deutschland zusammenschlossen, galt der Fichte-Verein als der herausragende unter ihnen. 1900 - zu der Zeit nach der laut Angabe der Gedenkstele der Sportplatz Eichbuschallee ge- nutzt wurde - hatte der Verein knapp 1200 Mitglieder, darun- ter auch eine Vielzahl an Frauen. Die Mitgliederzahl wuchs bis zum Ende der 1920er Jahre bis auf die 10.000 an. Im Zuge der

4 Ralf Drescher: Erinnerung an Fichte-Sportler. Berliner Woche, 22.02.2016.

Plänterwald

Spaltung der Arbeiterbewegung trat ein Teil der SPD-Mitglieder der Freien Turnerschaft bei, was jedoch der Popularität des Fichte-Vereins keinen sonderlichen Abbruch tat. Wörmann spricht gar von 20.000 Menschen, die bis 1933 im Verein orga- nisiert waren.5

Im Frühling 1933 rissen Fichtesportler die Einrichtungen des Geländes Eichbuschallee ab, damit diese nicht von der SA be- schlagnahmt werden konnten. Die Mitglieder des Vereins tra- ten in Folge zum Teil bürgerlichen Vereinen bei. Einige von ihnen engagierten sich hier weiterhin politisch, wie beispiels- weise Walter Krautz im Deutschen Turnverein Adlershof.6

223

Antreten zum Riegenturnen, W. Giese, 1905/06. Fotoarchiv Museum Trep- tow-Köpenick OTP/SV 1/17

Julius GRUNOW Kaakstedt 11.01.1873 - Berlin 10.12.1960 Neue Krugallee 4

5 Günter Möschner : 5. August 1890: Erster Berliner Arbeiterturnver- ein. Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 8/1996 , S.86f. 6Heinrich-Wilhelm Wörmann: Widerstand in Köpenick und Treptow. Gedenkstätte Deutscher Widerstand, 2013, S.117f. Im SA-Heim Müg- gelseedamm / Seestraße (siehe da) in Friedrichshagen wurden zu der Köpenicker Blutwoche zahlreiche Fichte-Sportler misshandelt. Ein Fichtesportlerheim befand sich in Friedrichshagen. Ebd., S.33.

Plänterwald

Am 24.11.2005 wurde am Gebäude des Rathauses Treptow eine Ber- liner Gedenktafel für den ehemaligen Bürgermeister Grunow einge- weiht.7

In diesem Rathaus wirkte von 1921 bis 1933 \ JULIUS GRUNOW \ 11.1.1873 - 10.12.1960 \ Bezirksbürgermeister von Treptow \ Der so- zialdemokratische Politiker wurde 1933 \ von den Nationalsozialisten zwangsweise \ aus seinem Amt entfernt

Der Bäckerssohn Julius Grunow wurde 1902 zum Gemeindeverordne- ten der SPD in Oberschöneweide gewählt. Nach dem er 1916/17 als Soldat eingesetzt war, forderte ihn das AEG-Kabelwerk Oberspree für kriegswichtige Arbeiten an. Er trat zur USPD über, wurde zum Bür- germeister gewählt und wechselte 1922 erneut zur SPD. Zwei Wo- chen vor seiner Pensionierung wurde er 1933 mit Entzug seine Ruhe- standsbezüge wegen mangelnder Eignung entlassen. Nach 1948 er- hielt er eine Anstellung im Bezirksamt Treptow, erst 1958 erfolgte ei- ne Entschädigung für die entgangenen Bezüge.8

KARPFEN-JULE Neue Krugallee 4 / Rathaus

Die Einweihung der Bronzeplastik für die Karpfen-Jule geht auf den Vorschlag des Künstlers Peter Dietzsch zurück. Sie soll als Figur an die 224 Fischerzeit in Treptow erinnern und ein Pendant zum Hauptmann von Köpenick bilden.9

Kulturring in Berlin e. V.

7 Claus Dieter-Sprink: Einladung - Gedenktafel für Julius Grunow. 13.11.2005. 8 Christine Fischer-Defoy u.a.: Vor die Tür gesetzt – Im Nationalsozialismus verfolgte Berliner Stadtverordnete und Magistratsmitglieder 1933–1945. Aktives Museum (Hrsg.), 2006, S. 209. 9 O.A.: Karpfen-Jule ist da. Berliner Zeitung, 17.12.1998. Helmut Bräuer: »Karpfenjule« enthüllt. Neues Deutschland, 17.12.1998.

Plänterwald

Erich LODEMANN Brandenburg 26.10.1909 - Brandenburg 24.10.1944 Erich-Lodemannstraße/Dammweg

Am 09.09.1988 wurde eine von Werner Richter geschaf- fene Stele für den Wider- standskämpfer Erich Lode- mann eingeweiht.10 Der helle Sandstein trägt den Text:

Dem \ Kommunisten \ und \ Widerstandskämpfer \ Erich Lodemann \ geboren \ am 26.10.1909 \ ermordet \ am 24.10.1944 \ zum ehrenden \ Gedenken

Die sich einst auf dieser Stele befindliche Bronzebüste Kulturring in Berlin e. V. wurde vermutlich beim Sena- tor für Kulturelle Angelegen- heiten eingelagert.11 225 Erich Lodemann arbeitete nach seiner Lehre als kaufmännischer An- gestellter bei der Zeitung „Die Welt am Abend“. Er engagierte sich im Widerstand und wurde 1936 zu 3,5 Jahren Zuchthaus verurteilt. Im Anschluß schloss er sich der Uhrig-Gruppe an. Er wurde 1942 verhaf- tet, und nach längerem Aufenthalt in mehreren KZs ermordet.12

MAUEROPFER Jörg Hartmann (27.10.1955 - Berlin 14.03.1966) Lothar Schleusener (Berlin 14.01.1953 - Berlin 14.03.1966) Kiefholzstraße (Kreuzung zum nördlichen Heidekampgraben)

Das Mahnmal in der Kiefholzstraße in Gedenken an die Mauertoten zeigt eine Wand aus der der Umriss eines Kindes umgeben von Ein- schusslöchern herausgeschnitten ist. Ein daneben stehendes Mauer- segment Typ 3 trägt am unteren Ende die Inschrift:

10 ADN: Stele für Erich Lodemann. Berliner Zeitung, 10.09.1988. 11 Klaus Weidner: Plastiken, Denkmäler, Brunnen im Bezirk Treptow. Luisen- städtischer Bildungsverein 1993, S. 39. 12 Luise Kraushaar: „Erich Lodemann“. In: Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (Hrsg.): Deutsche Widerstandskämpfer 1933 – 1945. Dietz, 1970, S. 603.

Plänterwald

In Treptow starben fünfzehn \ Menschen an der Berliner Mauer. \ Un- ter den Opfern waren 2 Kinder. \ Jörg Hartmann, 10 Jahre alt und \ Lothar Schleusener, 13 Jahre alt, \ erschossen am 14.3.1966

Nach dem Urteil über einen Grenzer, der an den Todesschüssen auf Hartmann und Schleusner beteiligt war, beschloss die BVV im No- vember 1997 einstimmig die Errichtung eines Mahnmals. Aus dem Wettbewerb gingen Rüdiger Roehl und Jan Skuin mit ihrem Entwurf als Sieger hervor.13 Bei der Einweihung am 09.11.1999 zum zehnjäh- rigen Jahrestag des Mauerfalls war u.a. die ehemalige Lehrerin Jörg Hartmanns anwesend, die sich für die Errichtung des Denkmals im hohen Maße engagiert hatte.14

226

ProAB e.V.

In der DDR wurde der Vorgang zunächst vertuscht. Heutige Kenntnis- se besagen, dass die zwei Kinder Jörg Hartmann sowie sein Freund Lothar Schleusener am 14.03.1966 nach Einbruch der Dunkelheit ins Grenzgebiet gelangten. Das Feuer wurde gegen sie eröffnet. Womög- lich wollten die Kinder nach Westberlin, um den Vater Jörg Hart- manns zu besuchen.15 Nach derzeitigem Wissensstand starben an der

13 Matthias Trendel: Geschwärzte Stahlplatten erinnern an Maueropfer. Ber- liner Zeitung , 10.11.1999. 14 Soweit nicht anders vermerkt: Ronny Kern: Siebzehn Kilometer Grenze. Die Berliner Mauer Treptow 1961 – 1981. Vbb, 2011, S.227f. vgl. Claudia Fuchs: Im März 1966 wurden an der Mauer zwei Jungen erschossen / Eine Lehrerin glaubte den offiziellen Erklärungen nicht Die Suche nach der Wahrheit. Berli- ner Zeitung, 06.11.1999. 15 Christine Brecht: „Jörg Hartmann“, „Lothar Schleusener“. Hans-Hermann Hertle, Maria Nooke u.a.: Die Todesopfer an der Berliner Mauer 1961 – 1989. Ch. Links, 2009, S. 224 – 229.

Plänterwald

Mauer in Treptow 23 Personen, 19 von ihnen durch den Einsatz von Schusswaffen.16

MAUEROPFER Wolfgang Glöde (Berlin 01.02.1949 – Berlin 01.06.1962), Christian- Peter Friese (München 05.01.1948 - Berlin 25.12.1970), Jörg Hart- mann (27.10.1955 - Berlin 14.03.1966), Lothar Schleusener (Berlin 14.01.1953 – Berlin 14.03.1966) Kiefholzstraße (Kreuzung nördlicher Heidekampgraben)

Direkt neben dem Denkmal für die Maueropfer von Jan Skuin und Rüdiger Roehl befindet sich eine Informationstafel der Geschichts- meile Berliner Mauer, die am 09.11.2014 enthüllt wurde.17 Sie hält fest:

Wolfgang Glöde kam am 11. Juni 1962 in \ der KOLONIE „SORGEN- FREI” ums Leben. \ Als Grenzpolizisten in der grenznahen Klein- \ gar- tenanlage spielenden Kindern ihre \ Maschinenpistole zeigten, löste sich ein \ Schuss. Der 13-Jährige wurde tödlich ver- \ letzt. Die militä- rische Führung machte den \ Gefreiten K. verantwortlich. Er hatte sei- ne \ Waffe vorgeführt, ohne sie zu entladen. \ Am 14. März 1966 er- schossen Grenzpsten nahe der gleichen \ Gartenkolonie Jörg Hart- mann, 10, und Lothar Schleusener, \ 13 Jahre alt. Sie hatten sich nach Einbruch der Dunkelheit ins \ Grenzgebiet geschlichen und wollten 227 vermutlich in West-Berlin \ Jörgs Vater besuchen. Den Familien stell- ten \ die zuständigen Behörden den Tod der \ Kinder als Unglücksfall dar. \ Christian Peter Friese kam aus Naumburg/ \ Saale nach Ost- Berlin, um hier nach West- \ Berlin zu fliehen. In der Nacht zum 25. \ Dezember 1970 stieg er am Bahndamm \ Köllnische Heide in den Grenzstreifen ein. \ Fünf Grenzposten gaben insgesamt 98 \ Schüsse ab. Tödlich getroffen brach der \ 22-Jährige zusammen. Seine Mutter er- \ hielt die Nachricht, ihr Sohn sei bei einem \ Autounfall gestorben.

Neben Fotografien befinden sich auch die Lebensdaten der Gestor- benen auf der Informationstafel.18

MAUEROPFER Heinz Jercha (Berlin 01.07.1934 - Berlin 27.03.1962), Walter Hayn (Breslau/ Wroclaw 31.01.1939 - Berlin 27.02.1964), Erich Kühn (Landsberg 27.02.1903 - Berlin 03.12.1965), Gerald Thiem (Berlin

16 Ronny Kern: Siebzehn Kilometer Grenze. Die Berliner Mauer Treptow 1961 – 1981. Vbb, 2011, S.140. 17 Ralf Drescher: Bezirk erinnerte an authentischen Orten an tragische Schicksale. Berliner Woche, 10.1.2014. 18 Vgl. Biographien in: Hans-Hermann Hertle, Maria Nooke u.a.: Die Todesop- fer an der Berliner Mauer 1961 – 1989. Ch. Links, 2009, S. 95ff, 224 – 229, 303ff.

Plänterwald

06.09.1928 - Berlin 07.08.1970), René Groß (Berlin 01.05.1964 - Ber- lin 21.11.1986), Manfred Mäder (Prenzlau 23.08.1948 - Berlin 21.11.1986) Kiefholzstraße / Karpfenteichstraße

Die zwei Gedenktafeln erinnern an sechs Opfer der Berliner Mauer:

René Gross und Manfred Mäder versuchten \ an der Karpfenteich- straß e nach West- \ Berlin zu fliehen; sie wollten nicht auf die \ un- gewisse Entscheidung über ihre Ausreiseanträge \ warten. Grenzpos- ten entdeckten \ die beiden und schossen. Manfred Mäder \ verblute- te im Grenzstreifen; René Gross \ wurde durch einen Kopfschuss getö- tet. \ Heinz Jercha kam ums Leben, als er Ost- \ Berlinern zur Flucht verhelfen wollte. Der \ Tunnel unter der Heidelberger Straße war \ verraten worden; bewaffnete Mitarbeiter \ der DDR-Staatssicherheit eröffneten das \ Feuer auf den Fluchthelfer. Walter Hayn \ wurde von DDR-Grenzposten erschossen, \ als er sich an der Gartenkolonie »Sor- gen- \ frei« in den Grenzstreifen begab. Sein \ Fluchtmotiv blieb eben- so unklar wie das \ von Erich Kühn. Von einem Posten an der \ Trep- tower Straße beim Versuch, seiner \ Verhaftung zu entgehen, ange- schossen, \ verstarb Erich Kühn an den Folgen eines \ Bauchdurch- schusses. Gerald Thiem stieg \ aus unbekannten Gründen an der Trep- tower \ Straße von West-Berlin aus in den Grenzstreifen. \ Kurz darauf 228 brach er im Kugelhagel \ der Grenzposten zusammen.

Neben Fotografien befinden sich auch die Lebensdaten der Gestor- benen auf der Informationstafel.19 Auf der zweiten Tafel ist folgendes festgehalten:

Insgesamt wurden mindestens 136 \ Menschen zwischen 1961 und 1989 an \ der Berliner Mauer getötet oder kamen \ in unmittelbarem Zusammenhang mit \ dem DDR-Grenzregime ums Leben \ 98 Flücht- linge wurden erschossen, \ verunglückten oder nahmen sich das \ Le- ben. 30 Menschen aus Ost und \ West ohne Fluchtabsichten wurden \ erschossen oder verunglückten. 8 \ DDR-Grenzsoldaten wurden im Dienst \ von Fahnenflüchtigen, Kameraden, \ Flüchtlingen oder einem West-Berliner \ Polizisten getötet. 251 Reisende aus \ Ost und West starben vor, während \ oder nach Kontrollen an Berliner \ Grenzüber- gängen. Ungezählt sind \ die Menschen, die aus Kummer und \ Ver- zweiflung starben über die Auswirkungen \ des Mauerbaus auf ihr Le- ben.

Bei der Einweihung der Gedenkstelen am 21.11.2011 waren unter anderem der Bezirksbürgermeister Oliver Igel, die Witwe Manfred

19 Ebd., S. 73ff, 150ff, 412 - 417, 297ff.

Plänterwald

Mäders sowie der Vater René Groß anwesend. Die Stele geht auf ei- nen Beschluss der BVV zurück. 20

Zu Heinz Jercha siehe ebenfalls OT Alt-Treptow.

Dora SCHAUL, geb. Davidsohn Berlin 21.09.1913 – Berlin 08.08.1999 Dammweg 73

Anlässlich des zehnten Todestags der Widerstandskämpferin wurde am 08.08.2009 eine Gedenktafel an ihrem ehemaligen Wohnort ein- geweiht:

Hier wohnte die Antifaschistin \ DORA SCHAUL (1913-1999). \ Wäh- rend des 2. Weltkrieges kämpfte \ sie in Frankreich unter dem Namen \ Renée Fabre in der Résistance gegen \ die Nazi-Okkupation. \ In Brens bei Toulouse erhielt 2006 eine \ Straße ihren Namen.

Aufgrund ihrer jüdischen Herkunft emigrierte Dora Schaul 1933, und gelangte über die Niederlande nach Frankreich, dort wurde sie 1939 zunächst interniert. 1942 konnte sie aus dem Internierungslager Brens fliehen und sich der Résistance, der französischen Wider- standsbewegung, anschließen. Als Renée Fabre getarnt, arbeitete sie bei deutschen Dienststellen und lieferte der Widerstandsbewegung Informationen zu den Besatzern. Als sie 1946 nach Deutschland zu- 229 rückkehrte, ging sie eine Ehe mit Hans Schaul ein. Bis zu ihrem Tod lebte sie in Treptow.21

Die Anbringung einer Gedenktafel ging auf eine Idee aus der Bevölke- rung zurück, die von der SPD aufgegriffen wurde. Ihr Antrag in der BVV wurde von der Partei DIE LINKE unterstützt.22

STOLPERSTEINE

Selma GOTTFELD Selma Gottfeld (Stargard / Szczeciński 15.02.1881 - Riga 18.08.1942) Rethelstraße 6a23

20 Ralf Drescher: Erinnern an Maueropfer. Berliner Woche, 07.12.2011. Ralf Drescher: Mauertod an der Kiefholzstraße. 16.11.2011. 21 Sven Wierskalla: Gedenktafel für Dora Schaul eingeweiht. Herbstblatt Treptow-Köpenick, 11./12.2009. 22 Bezirksamt Treptow-Köpenick von Berlin, BdA Treptow e. V., Bürgerkomi- tee Plänterwald, Familie Schaul, Vision und Verantwortung e. V.: [Einwei- hung Gedenktafel]. O.V., 2009. 23 Vgl. Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V: Buch der Erinnerung: deportierten Die ins Baltikum deportierten deutschen, österreichischen und tschechoslowakischen Juden. De Gruyter, 2003, S. 307. Das Jüdische Adress- buch für Groß-Berlin. Ausgabe 1931 führt Selma Gottfeld einmal als wohn-

Plänterwald

HIER WOHNTE \ SELMA GOTTFELD \ JG. 1881 \ DEPORTIERT 1942 \ ERMORDET IN \ RIGA

Selma Gottfeld wurde am 15.08.1942 nach Riga deportiert und ver- starb dort drei Tage darauf.

Die Stolpersteinverlegung in der Rethelstraße erfolgte am 07.06.2005.24 Siehe auch den Stolperstein für Hedwig Lustig, geb. Gottfeld.25

Familie GRAETZ Arnold Graetz (Ritschenwalde / Ryczywół 13.02.1898 - Auschwitz 08.05.1943), Jenny Graetz (Ritschenwalde / Ryczywół 11.04.1894 - Auschwitz) Puderstraße 22

HIER WOHNTE \ ARNOLD GRAETZ \ JG. 1898 \ DEPORTIERT 4.3.1943 \ AUSCHWITZ \ ERMORDET 8.5.1943

HIER WOHNTE \ JENNY GRAETZ \ JG. 1894 \ DEPORTIERT 12.3.1943 \ ERMORDET IN AUSCHWITZ

Arnold und Jenny Graetz wurden beide mit demselben Namen in Rit- schenwalde / Ryczywół geboren, vermutlich waren sie Geschwister, womöglich auch Cousin/ Cousine. Jenny Graetz war in den 1940er 230 Jahren für die Firma Kurt Seidel (W35) tätig. Eventuell besteht ein Verwandtschaftsverhältnis zu Erich Graetz, geb. in Ritschenwalde, wohnhaft in Halensee. Er wurde am 26.02.1943 nach Auschwitz de- portiert.26

Initiiert wurde die Verlegung der Stolpersteine am 10.12.2007 durch SchülerInnen der Bouché-Grundschule in Zusammenarbeit mit dem

haft N 54, Brunnenstraße 185 und auch in N 65, Exerzierstraße 11a, Jüd. Krankenhaus. O.A.: Jüdisches Adressbuch für Groß-Berlin. Arani, 1931. 24 Selma Gottfeld auf den Seiten der Koordinierungsstelle Stolpersteine Ber- lin. 25 Nicht verwandt scheint die hier erwähnte Selma Gottfeld mit der Familie Gottfeld in Moabit gewesen zu sein, für die am 21.04.2016 Stolpersteine ge- setzt wurden. Ihnen gelang die Flucht nach Palästina. Laut Benjamin Gidron, der Recherchen über seine Familiengeschichte anstellte, war eine allerdings 1985 geborene Selma Gottfeld die Schwester von Sally Gottfeld. Sie arbeite- te als Krankenschwester. https://sites.google.com/site/gidronancestry/family_matters/wwi-and-the- early-berlin-years-1920-1933. 26 O.A.: „Puderstraße 22, vorn III“: In: Stolpersteine in Berlin Treptow- Köpenick. Bund der Antifaschisten Treptow e.V. et al., 2008, S. 8f.

Plänterwald

Bund der Antifaschisten. Die Kosten für den Stein trugen die Bewoh- nerInnen des Hauses Puderstraße 22.27

Familie LUSTIG Hedwig Lustig, geb. Gottfeld (Stargard 10.09.1885 - Auschwitz) Leo Lustig (Ratibor 22.08.1886 - Auschwitz) Rethelstraße 6a

HIER WOHNTE \ HEDWIG LUSTIG \GEB. GOTTFELD \ JG. 1885 \ DE- PORTIERT 1943 \ ERMORDET IN \ AUSCHWITZ

HIER WOHNTE \ LEO LUSTIG \ JG. 1886 \ DEPORTIERT 1943 \ ER- MORDET IN \ AUSCHWITZ

Leo und Hedwig Lustig wurden am 29.01.1943 nach Auschwitz depor- tiert.28 Die Stolpersteinverlegung in der Rethelstraße 6a erfolgte am 07.06.2005.29 Siehe auch Selma Gottfeld, Familie Seelig.

Familie SEELIG Max Seelig (Berlin 26.04.1921 - Riga 18.08.1942), Inge/Ingeborg See- lig, geb. Lustig (Berlin 11.02.1924 - Riga 18.08.1942) Rethelstraße 6a

HIER WOHNTE \ MAX SEELING \ JG. 1821 \ DEPORTIERT 1942 \ ER- MORDET IN \ RIGA 231

HIER WOHNTE \ INGEBORG SEELIG \ GEB. LUSTIG \ JG. 1924 \ DE- PORTIERT 1942 \ ERMORDET IN \ RIGA

Ingeborg und Max Seelig wurden am 15.08.1942 nach Riga transpor- tiert und verstarben dort drei Tage darauf.30 Die Stolpersteinverle- gung in der Rethelstraße 6a erfolgte am 07.06.2005.31 Siehe auch den Stolperstein für Leo Lustig.

Emil VON BEHRING Hansdorf 15.03.1854 - Marburg 31.03.1917 Puschkinallee 8

27 Ralf Drescher: Ein Stolperstein für die Geschwister Graetz. Berliner Woche, 16.04.2008. 28 Familie Lustig im Online-Gedenkbuch des Bundesarchivs Opfer der Ver- folgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945. 29 Birgitt Eltzel: Stolpersteine in der Altstadt. Berliner Zeitung, 08.06.2005. Familie Lustig auf den Seiten der Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin. 30 Familie Seelig im Online-Gedenkbuch des Bundesarchivs Opfer der Ver- folgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945. 31 Familie Seelig auf den Seiten der Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin.

Plänterwald

Am ehemaligen Wohnort des ersten Nobelpreisträgers für Medizin Emil von Behring wurde im Vorgarten 1983 eine von Ingrid Puhle- mann gestaltete Porträtbüste aufgestellt. Die Inschrift am Sockel lau- tet:32

Emil v. Behring \ *1854 +1917. \ Begründer der Serumtherapie für Diphterie und Tetanus

In dem Gründerzeithaus, in dem sich heute ein Dialysezentrum be- findet, ist dem Mediziner eine kleine Ausstellung im Foyer gewidmet.

Die Serumtherapie entwi- ckelte Emil von Behring 1890 am Hygiene-Institut der Universität Berlin. Emil von Behring und seine Schwester Emma Behring (1869 - 1926), die sich seit dem Tod ihrer Mutter 1892 um seinen Haushalt kümmerte, zo- gen im Herbst des Jahres 1892 von Johannisthal in die „Villa Emma“ der da- 232 maligen Treptower Chaussee (heute Pusch- kinallee). Noch im Januar 1893 wohnten sie dort. In Kulturring in Berlin e. V einem Brief vom 19.11.1893 an den Kolle- gen Erich Wernicke ist auf dem Briefkopf „Villa Emma“ durchgestri- chen, die Hausnummer in der Treptower Chaussee lautete nun 2 o- der 12. Hier wohnten sie vermutlich in den Jahren 1893/1894, wo- raufhin Emil Behring - ohne seine Schwester - zum Wintersemester 1894 nach Halle zog und dort die Professor für Hygiene antrat. Im Ap- ril 1895 übernahm er die Professur für Hygiene an der Marburger Universität. In Marburg wohnte er bis zu seinem Lebensende in einer Villa mit Ehefrau Else, geborene Spinola, und sechs Söhnen.33

32 Klaus Weidner: Plastiken, Denkmäler, Brunnen im Bezirk Treptow. Luisen- städtischer Bildungsverein 1993, S. 24. 33 Informationen von Dr. Ulrike Enke, Philipps-Universität Marburg. Ulrike Enke: 125 Jahre Diphtherieheilserum: „Das Behring’sche Gold“. Deutsches Ärzteblatt International Heft 49/Jg. 112, 04.12.2015, S. A2088 – A2090. Vgl. Richard Bieling: Der Tod hatte das Nachsehen. Emil von Behring – Gestalt und Werk. Bielefelder Verlag, 1954.

Plänterwald

Rahnsdorf

BROTAUFRUHR 6. APRIL 1945 Fürstenwalder Allee 27

Als Tagesration wurde im März 1945 der Berliner Bevölkerung 254 Gramm Brot, 32 Gramm Fleisch, und 16 Gramm Fett zugeteilt. In der Bäckerei Deter kam es aufgrund des Notleidens zu einem Aufruhr, den die am 06.04.19981 angebrachte Berliner Gedenktafel mit den folgenden Worten umreißt:

Zum Gedenken an die \ Opfer des Aufruhrs \ vom 6. April 1945 \ Weni- ge Wochen vor Kriegsende stürmten \ aufgebrachte Rahnsdorfer \ auf- 233 grund der unzureichenden Brotzutei- lung \ die hier befindliche Bäckerei \ Noch am gleichen Tag verhängte der ProAB e.V. \ »Volksgerichtshof« \ gegen daran beteiligte Bürger zwei Todesurteile \ von denen eines vollstreckt wur- de

Die Tagebucheintragungen des Reichspropagandaministers Joseph Goebbels verweist anders als die Gedenktafel auf drei Todesurteile:

„Ich fordere deshalb, dass gegen die Rädelsführer dieses Auflaufes sofort das Berliner Standgericht zusammentritt. […] Drei werden zum Tode verurteilt, ein Mann und zwei Frauen. Bei einer Frau liegt der Fall wesentlich milder, so dass ich mich hier zu einer Begnadigung entschliesse. Die beiden anderen zum Tode verurteilten, lasse ich noch in der Nacht enthaupten.“2

1 O.A.: Im April vor 53 Jahren stürmten Rahnsdorfer die Bäckerei Deter. Abendblatt, [18.04.]1998. 2Joseph Goebbels: Tagebücher 1945. Die letzten Aufzeichnungen. Zitiert nach: Helmut Engel: Die Genossen waren eben da und die anderen nicht. Kriegsende und Nachkriegszeit im Berliner Südosten. Rahnsdorf, Wilhelms-

Rahnsdorf

Die Verurteilten waren Max Hilliges, Margarete Elchlepp und Gertrud Kleindienst, wobei Kleindienst als Mutter von fünf Kindern zu einer mehrjährigen Haftstrafe im Zuchthaus begnadigt wurde.3

Heinrich DRAKE Lemgo 15.02.1903 - Berlin 26.07.1994 Bahnhofsvorplatz, S-Wilhelmshagen Hochlandstraße 13 (Wilhelmshagen)

Am Wohnort des Bildhauers Heinrich Drake wurde am 26.07.1997 anlässlich des dritten Todestags des Künstlers eine Gedenktafel mit Porträt und fol- gender Inschrift eingeweiht:

Heinrich Drake \ Bildhauer \ 15.2.1903 - 26.7.1994 \ wohnte und \ arbeitete hier \ von 1959 bis 1994

Unter der Skulptur von zwei Foh- len am Bahnhofsvorplatz in Wil- helmshagen befindet sich wei- 234 Kulturring in Berlin e. V. terhin die Inschrift:

Heinrich Drake \ 1903-1994 \ wirkte 36 Jahre als Bildhauer in Wil- helmshagen \ Die Aufstellung der Plastik ‘Junge Pferde’ ermöglichten finanziell: \ Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin - Bezirksamt Kö- penick von Berlin - \ Bildgiesserei Seiler GmbH ⋅-Bürgerverein Wil- helmshagen e.V.

Das Land Berlin zeigte kein Interesse am Nachlass des Künstlers. Zu Lebzeiten vermachte Drake dem Landesverband Lippe ein Gros seiner Sammlung.4

August HERRMANN 18.08.1842 - 1915 Dorfstraße

hagen, Hessenwinkel. BWV, Berliner-Wissenschaftsverlag (Heft 9), 2007, S. 23. Letzterer auch soweit nicht anders vermerkt. 3 Eine ausführliche Darstellung der Ereignisse findet sich in: Heinrich- Wilhelm Wörmann: Widerstand in Köpenick und Treptow. Gedenkstätte Deutscher Widerstand, 2013, S. 283f. 4 ClS: Gedenktafel für Heinrich Drake. Berliner Zeitung, 28.07.1997.

Rahnsdorf

Das Wasser war mein Sterbebette. Am Abend war mein letzter Tag. Vergebens rief ich: „Rette! Rette!“ Weil niemand mich ertrinken sah. Da schlief ich dann in Angst und Pein so nach und nach im Wasser ein.5

Der Fischer August Herrmann wusste um die Gefahren des Müg- gelsees und hielt insbesondere bei stürmischem Wetter nach Hilfesu- chenden Ausschau. Die von ihm Geretteten brachte er zu sich nach- hause, wo sie durch seine Frau gepflegt wurden. Herrmanns Schwie- gersohn erinnert sich:

„Einmal waren wir in einer Sommernacht um 3 Uhr gerade dabei ein paar große Aale zu bergen, als Herrmann aufhorchte. Ganz fern er- tönten Hilferufe. Er ließ sofort alles beiseite, warf die Aale ins Wasser und ruderte mit kräftigen Schlägen auf die Uferstelle zu. Dort fanden wir eine Anzahl an Menschen, die sich an einem umgekippten Boot festklammerten. Wir konnten sie allesamt ans Land bringen.“6

235

O.A. Fotoarchiv Museum Köpenick, 19/19.25.

1929 wurde ihm zu Ehren von Paul Gruson ein Kalkstein mit Portrait und der folgenden Inschrift geschaffen: 7

Dem Andenken \ des \ Fischermeisters \ August Herrmann \ geb. 1842 \ gest. 1915 \ zu Rahnsdorf

5 Inschrift auf dem Grabkreuz des Fischers Kahlenberg, Rahnsdorf Dorffried- hof (1863), siehe da. 6 Helmut Lehmann: Vom Fischerdorf zur Gemeinde Rahnsdorf. Bürgerverein Wilhelmshagen, 1994, S. 41. 7 Klaus Weidner: Plastiken, Denkmäler, Brunnen im Bezirk Köpenick. Luisen- städtischer Bildungsverein 1993, S. 16.

Rahnsdorf

Auf Kosten der Rettungsgesellschaft wurden die Steine für Lupe und Herrmann 1999 anlässlich des 100jährigen Bestehens der Gesell- schaft restauriert.8

Im Fotoarchiv des Museums findet sich unter 19/19.25. ein Hinweis auf eine Erläuterungstafel mit dem Text:

Gedenkstein \ Als es noch keine Wasserrettungsstation gab, stellte sich der Fischermeister August Herrmann selbstlos \ in den Dienst der Menschheit. So rettete er über \ 50 Menschen vor dem Tode des Er- trinkens. Weit \ über 100 Menschen hat er, oft unter mutigem Einsatz \ des eigenen Lebens, aus den Wellen des Müggelsees \ und der Spree in Sicherheit gebracht. Seinem \ gutem Beispiel nacheifernd beteilig- ten sich später \ auch andere Fischer intensiv an der Rettung vieler \ Menschen.

236

ProAB e.V.

FAMILIE ECKHARDT, GRAMATTÉ Ferdinand Anton Ludwig Eckhardt (Wien 28.04.1902 - Winnipeg 25.12.1995), Sonia (Sophie-Carmen) Eckhardt-Gramatté, geb. Frid- man-Kotschewskaja (Moskau 06.01.1902 - Stuttgart 02.12.1974), Walter Gramatté (Berlin 08.01.1897 - Hamburg 09.02.1929) Hochlandstraße 62 - 66 (Feld C, 9, Wilhelmshagen)

8 Werner Zimmermann: „Weil niemand mich ertrinken sah!“. Rahnsdorfer Echo 06./07. 2012, S.1, 3. Vgl. Dieter Roske: Ausstellung zum 100. Geburtstag der Wasserrettungsstation. Müggelheimer Bote, 05/2010.

Rahnsdorf

Der Senat beschloss am 10.08.1999 die Gräber des Kunstkritikers und Kunsthistorikers Ferdinand Eckhardt; der Musikerin, Pianistin und Komponistin Sonja Eckhardt-Gramatté sowie des expressionistischen Malers Walter Gramatté als Ehrengräber anzuerkennen.9

Kulturring in Berlin e. V.

EISENBAHNUNGLÜCK RAHNSDORF (1916) 237 Fürstenwalder Allee 93 (Feld L, III)

Auf dem Friedhof Rahnsdorf erinnert eine an einem Stein angebrach- te Metalltafel an das Eisenbahnglück von 1916 in Rahnsdorf:

In Gedenken an 19 junge Frauen aus den \ schlesischen Orten Türk- witz ( Turkowy) und \ Deutsch-Rasselwitz ( Raclawice Sl.), die als \ Gleisarbeiterinnen am 11. November 1916 auf \ der Bahnstrecke zwi- schen Rahnsdorf und \ Wilhelmshagen verunglückten.

Auf einer weiteren Tafel werden die Namen der neunzehn Toten in zwei Spalten gelistet:

Martha Arndt, 19 Jahre \ Martha Cegla, 20 Jahre \ Marie Fuchs, 24 Jahre \ Anastasia Henrich, 19 Jahre \ Franziska Hildebrandt, 25 Jahre \ Franziska Janocha, 21 Jahre \ Martha Kahnert, 22 Jahre \ Anna Kalka, 20 Jahre \ Hedwig Kalka, 17 Jahre \ Anna Kühn, 21 Jahre

In der rechten Spalte stehen folgende Namen:

9 Vgl. Ferdinand Eckhardt: Music from Within: A Biography of the Composer S C Eckhardt-Gramatté. The University of Manitoba Press, 1985. Ferdinand Eckhardt (Hrsg.):Das graphische Werk von Walter Gramatté. Amalthea, 1932.

Rahnsdorf

Philomena Lauf, 23 Jahre \ Hedwig Patermann, 19 Jahre \ Marie Pat- ermann, 27 Jahre \ Bertha Rosenberger, 25 Jahre \ Marie Rosenber- ger, 23 Jahre \ Agnes Sage, 29 Jahre \ Berta Scholtiszek, 24 Jahre \ Martha Zimny, 21 Jahre \ Rosalie Zimny, 19 Jahre

Die Gleisarbeiterinnen hatten das Warnsignal nicht vernommen, scherzten mit den vorbeifahrenden Soldaten auf dem Nachbargleis und wurden als dann von dem herannahenden Zug überfahren. Die sterblichen Überreste der Frauen wurden in einem Massengrab auf dem Rahnsdorfer Friedhof beigesetzt. Dank großzügigen Spenden wurde schon damals ein Gedenkstein errichtet. Dieser wurde in den 1950er Jahren entfernt (vermutlich wegen des Bezugs auf die schlesi- sche Herkunft der Arbeiterinnen), die Grabstelle um 1970 eingeeb- net. Am 09.04.2005 wurde dank des Engagements eines Ortschronis- ten der heutige Stein zur Erinnerung gesetzt.10

FISCHER VON RAHNSDORF Dorfstraße

Auf dem Kirchplatz in Rahnsdorf in der Nähe der Gedenktafeln für die Fischer Lupe und Hermann (siehe da) steht das Sandsteinrelief „Die böse Wolke“, welches die Künstlerin Ingeborg Hunzinger 1999 schuf.11 1985 wurde die Künstlerin als Reaktion auf den Stein für Lupe zum Schaffen des Werks inspiriert. 12 Unter der Skulptur ist eine Me- 238 talltafel mit den Symbolen des ASB Wasserrettungsdienstes, der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger und der Wasser- wacht angebracht. Weiterhin findet sich die Inschrift:

Die Arbeitsgemeinschaft Wasserrettungsdienst Berlin \ erinnert in Dankbarkeit an die Fischer von Rahnsdorf. \ Sie haben Menschen in Not geholfen. \ Wir fühlen uns ihnen verpflichtet.

BEFREIUNGSKRIEGE Fürstenwalder Allee 26 / Seestraße

Ein auf einem Sockel platzierter Findling mit der Inschrift

1813 1913

10 Stefan Strauss: Das Unglück von Rahnsdorf. 1916 raste ein Zug in eine Gruppe von Gleisarbeiterinnen / Eine Tafel erinnert nun daran, dass 19 Frau- en starben. Berliner Zeitung, 11.04.2005. 11 Büro des Bezirksbürgermeisters: Zum Tode von Ingeborg Hunzinger. Pres- semitteilung BA TK, 21.07.2009 12 Werner Zimmermann: „Weil niemand mich ertrinken sah!“. Rahnsdorfer Echo 06./07. 2012, S.1, 3. Vgl. Dieter Roske: Ausstellung zum 100. Geburts- tag der Wasserrettungsstation. Müggelheimer Bote, 05/2010.

Rahnsdorf

erinnert an den 100. Jahrestag des Endes der Befreiungskriege und an die Völkerschlacht bei Leipzig 1813. Der Stein wurde vermutlich zum 100. Geburtstag des Kaisers am 24.01.1914 aufgestellt.13 Am 16.10.2009 konnte das Denkmal restauriert werden, auch die Namen der Sponsoren wurden auf einer Tafel festgehalten.14

Kulturring in Berlin e. V.

239 GEFALLENE ERSTER UND ZWEITER WELTKRIEG Berghofer Weg / Mönchsheimer Straße

An dem Gefallenendenkmal auf dem Schonungsberg findet sich fol- gende Informationstafel:

Das Gefallenen-Denkmal auf dem Schonungsberg \\ Das auf Initiative des Militärvereins Rahnsdorf errichte- te und am 7. Oktober auf dem Scho- nungsberg eingeweihte Denkmal erin- nerte an die 82 während des Ersten Weltkriegs gefallenen Soldaten des Köpenicker Ortsteils Rahnsdorf.\\ Das von dem Architekten Kurt Lange ent- worfene Denkmal besteht aus einem quadratischen Turm aus Rüdersdorfer ProAB e.V. Kalkstein, der von einem Gang umge-

13 Gion Voges: 1813-2013. 200 Jahre Gedenken an den Sieg und die Opfer der Befreiungskriege gegen Napoleon. Rahnsdorfer Echo, 12.2013/01.2014, S. 10. 14 Oliver Igel: Denkmal in Rahnsdorf eingeweiht. Rahnsdorfer Echo, 12/2009, 01/2010, S.1.

Rahnsdorf

ben ist.\\ Die in halber Turmhöhe befindliche und vom Bildhauer Otto Wenzel aus Thüringer Muschelkalkstein erschaffene Figur stellt einen überlebensgroßen Roland dar, der - als Wächter auf sein Schwert ge- stützt - ruhig und ernst in die Landschaft blickt. Gegenüber der Frei- treppe befand sich eine bronzene Gedenktafel mit den Namen der aus Rahnsdorf, Wilhelmshagen und Hessenwinkel gefallenen Soldaten. Diese während der NS-Zeit mehrfach ergänzte Tafel wurde von einem Adler bekrönt.\\ Zum 10. Jahrestag der Gründung der DDR im Jahre 1959 wurde das Denkmal zu einem Mahnmal für die Opfer von Krieg und Faschismus umgestaltet. Nach Entfernung der 1928 angebrach- ten Namenstafeln mit den Opfern des Ersten Weltkrieges erfolgte die Errichtung dreier granitener Tafeln, auf denen die Anzahl der Toten beider Weltkriege sowie ein Text des Schriftstellers Max Zimmering aufgeführt werden.

240

O.A., Archiv Museum Treptow-Köpenick 19/19.14

Das Zitat Zimmerings lautet:

Ihr Menschen \ ihr habt selbst \ die Wahl \ Ihr selbst wählt \ Tod und Leben \ Der Friede Menschen \ ist allein \ in eure Hand gegeben \ Max Zimmering \ Den Opfern \ von Faschismus \ und Krieg

Auf der anderen Seite des Denkmals unterhalb des Soldaten steht auf zwei weiteren Granitplatten der Text:

I. Weltkrieg \ 1914 - 1918 5 Millionen \ Tote und weiterhin:

II. Weltkrieg \ 1939 - 1945 \ 55 Millionen \ Tote

Das Gefallenendenkmal wurde nach einer umfassenden Restaurie- rung für 65.000 Euro am 28.11.2012 der Öffentlichkeit übergeben.

Rahnsdorf

Die Grundsteinschatulle wurde während der Restaurierung gebor- gen.15

GEFALLENE ERSTER WELTKRIEG Dorfstraße

In der Dorfkirche Rahnsdorf befindet sich eine Holztafel, die an die Gefallenen des Ersten Weltkriegs erinnert:

Rahnsdorf-Dorf, Mühle, Gut und Forstbezirk Köpenick \ Für’s Vater- land durch Kampf und Not, fest und getreu bis in den Tod.

Es folgen die Namen der 31 Verstorbenen inklusive Todesdatum.

Karl HILLERT Berlin 19.01.1927 – Berlin 08.01.2004 Bahnhofsvorplatz (Wilhelmshagen)

Am Sockel einer abstrakter Skulptur Karl Hillerts befindet sich eine Tafel mit der Inschrift:

KARL HILLERT \ (1927 - 2004) \ HIER BEHEIMATETER INTERNATIONAL BEKANNTER \ BILDHAUER UND GRAFIKER \ ZULETZT GASTPROFESSOR AN DER HOCHSCHULE DER KÜNSTE \ LETZTE RUHESTÄTTE AUF DEM 241 EV. FRIEDHOF WILHELMSHAGEN \ DIE ERSTELLUNG SEINER STAHL- PLASTIK „VISIONEN” \ ERMÖGLICHTEN: FAMILIEN HILLERT, WIES- MÜLLER, WESNIGK, \ BEZIRKSAMT TREPTOW-KÖPENICK VON BERLIN, \ HINZE STAHL GmbH, BREDEREK & JOSWIG GbR, \ BÜRGERVEREIN WILHELMSHAGEN-RAHNSDORF E.V. \ (Signet des Bürgervereins) 2007 (Bezirkswappen) \ EIGENTUM DES BEZIRKSAMTES TREPTOW- KÖPENICK VON BERLIN

Karl-Ludwig KAHLENBERG 1846 - Köpenick 10.1863 Dorfstraße / Kirchplatz

Als der Fischer Kahlenberg allein zum Fischen aufbrach, und nicht wie sonst üblich mit Begleitung, brachte er sich in eine missliche Lage und fiel von Bord. Nichtschwimmer, wie viele der Zeit, ertrank er jämmer- lich (siehe auch August Herrmann). In Erinnerung an ihn findet sich eine kleine Tafel am ehemaligen Wohnort:

15 O.A.: „28.11.2012: Bezirksbürgermeister weiht restauriertes Gefallenen- denkmal ein.“ In: Bezirksbürgermeister Oliver Igel vor Ort 2012. Bezirksamt Treptow Köpenick, 2012, URL: www.berlin.de/ba-treptow-koepenick/politik- und-verwaltung/bezirksamt/igel/artikel.14166.php.

Rahnsdorf

DER ERTRUNKENE FISCHER \ KAHLENBERG \ WAR ANSÄSSIG AUF DEM \ RAHNSDORFER FISCHERGUT \ DORFSTRASSE 3

Kulturring in Berlin e. V.

KRIEGSOPFER 1945 Schützenwäldchen (Wilhelmshagen)

Am 07.10.2010 wurde unter Anwesenheit von Mitarbeitenden der 242 Senatsverwaltung sowie des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfür- sorge ein Holzkreuz in Gedenken an die siebzehn Toten wiedererrich- tet, die beim kampflosen Einmarsch der sowjetischen Soldaten 1945 ihr Leben ließen. Die meisten von ihnen wurden erschossen, sechs Frauen begingen aufgrund von erfolgten Vergewaltigungen Suizid. Das damals gesetzte Holzkreuz zersetzte sich über die Jahre, eine Pflege der Grabstätte zu DDR-Zeit war offiziell nicht erwünscht.16

Eine Plakette am Gedenkkreuz erinnert:

Von guten Mächten wunderbar geborgen… \\ Dietrich Bonhoeffer. \\ Gewidmet den Toten, die 1945 im Schützenwäldchen begraben wur- den. Verstorben zwischen dem 21. und 23. April 1945.

In zwei Spalten folgen die Namen der Toten:

Erna Tannhäuser \ Eva Tannhäuser \ Karin Tannhäuser\ Bruno Stabo \ Elfriede Ziegenhagen \ Helmut Ziegenhagen\ Herr oder Frau Weiger \\ Hildegard Strohbusch\ Anna Strohlbusch \Valeska Strohbusch\ Hil- degard Kielau\ Heinrich Hehlert\ Emma Thürling\ Hans Alscher \\ und

16 Wolfgang Gericke: Bericht über die verborgene Grabstätte im Schützen- wäldchen. O.V., 2011. URL: www.rahnsdorf.net/fileadmin/Rahnsdorf/Lokale_Geschichte/Gericke_Tote_ 1945_in_Wilhelmshagen_01.pdf.

Rahnsdorf

zwei unbekannte Männer \\ in memoriam Herr Lehrer Kleint verstor- ben am 21. April 1945.

Karl und Emma LUPE Karl Lupe (01.07.1853 - 09.01.1930) Emma Lupe (05.07.1856 - 01.11.1931) Dorfstraße

Am Kirchplatz in Rahnsdorf erinnert ein Stein aus Granit an den Fi- scher Karl Lupe und seine Ehefrau:

Dem 138fachen Lebensretter \ zum Gedenken \ Karl Lupe \ Fischer- meister \ *1.7.1853 +9.1.1930 \ Emma Lupe \ geb. Finkelde \ *5.7.1856 +1.11.1931

Unten rechts ist der Gedenkstein signiert mit Kettner.17 Bei dem Stein handelt es sich um den Grabstein Karl Lupes, dessen letzte Ruhestät- te 1982 auf dem Rahnsdorfer Friedhof aufgelöst wurde. Angeregt durch bürgerschaftliches Engagement wurde der Grabstein auf den Kirchplatz versetzt. Auf Kosten der Rettungsgesellschaft konnten die Steine für die Fischer Lupe und Herrmann 1999 anlässlich des 100jährigen Bestehens der Gesellschaft restauriert werden.18

243

Kulturring in Berlin e. V.

Karl Lupe setzte sich mit dem Fischer Friedrich Linsener dafür ein, dass in Urlaubszeiten und bei Sturm der Müggelsee von einem Be-

17 Vgl. Klaus Weidner: Plastiken, Denkmäler, Brunnen im Bezirk Köpenick. Lu- isenstädtischer Bildungsverein 1993, S. 16. 18 Werner Zimmermann: „Weil niemand mich ertrinken sah!“. Rahnsdorfer Echo 06./07 2012, S.1, 3.

Rahnsdorf

obachtungsturm bewacht wurde. 1899 wurde daraufhin eine Ret- tungsstation am Müggelsee in Betrieb genommen.19

Clara MÜLLER-JAHNKE Lenzen 05.02.1860 - Wilhelmshagen 04.11.1905 Lassallestraße 67 (Wilhelmshagen) Hochlandstraße 62-66 / Saarower Weg

Am Wohnhaus der Schriftstellerin in der Lassallestraße wurde am 04.11.2005 rechts neben dem Eingang eine Messingtafel für die Schriftstellerin eingeweiht.20 Ihr Text lautet:

CLARA MÜLLER-JAHNKE \ 1860-1905 \ DICHTERIN \ STARB AM 4.11.1905 IN DIESEM HAUS, \ DAS SIE UND IHR MANN, DER MALER \ OSKAR JAHNKE, 1903 ERBAUEN LIESSEN.

Darunter findet sich das Emblem des Bürgervereins Wilhelmshagen sowie die Jahreszahl 2005.

Anlässlich des 147. Ge- burtstags der Schriftstel- lerin am 05.02.2007 er- folgte auf dem evangeli- schen Friedhof, Hoch- landstraße 64, die Ent- 244 hüllung einer ausführli- chen Informationstafel über das Leben Clara Müller-Jahnkes sowie eines Wegweiserschilds zu der versteckt liegen- den Grabstelle auf dem Friedhof Hochlandstra- ße.21 Das Grabmal aus einem über zehn Tonnen schwerem Findling wur- ProAB e.V. de von Oskar Jahnke, dem Gatten Clara Müller-Jahnkes gestaltet. Es trägt ihr Bildnis sowie die Worte:

19 Helmut Lehmann: Vom Fischerdorf zur Gemeinde Rahnsdorf. Bürgerverein Wilhelmshagen, 1994, S. 41. Ausführlich zur Rettungsstation: Helmut Leh- mann, Werner Zimmermann: Die Gemeinde Rahnsdorf und die Fischerin- nung. Bürgerverein Wilhelmshagen, 1995, S. 25. 20 Vorstand des Bürgervereins Wilhelmshagen-Rahnsdorf: Zum 100. Todes- tag von Clara Müller-Jahnke. O.A., KA 23.11./30.11.2005. 21 Franke: Einladung. Anschreiben an Barbara Zibler, 20.01.2007. Ralf Dre- scher: Erinnerung an Clara Müller-Jahnke. Berliner Woche, 14.02.2007.

Rahnsdorf

Clara \ Müller=Jahnke \ * \ 1905

Auf einem weiteren Findling am Grab halten die Worte des befreun- deten Julius Hart aus dem Friedrichshagener Dichterkreis das Folgen- de fest:

Sei gesegnet, du Götterbote \ der auf rauschenden Adlerschwingen \ meine Seele aus Nacht und Dunkel \ aufwärts trägt zu den fernen Höh'n, \ wo aus goldenem Schacht des Glückes \ nie versiegende Quellen sprudeln \ Dreimal süsser ist Schlaf denn Wachen \ aber das Süsseste ist der Tod. Kulturring in Berlin e. V.

NS-DURCHGANGSLAGER WILHELMSHAGEN Erknerstraße Fürstenwalderallee (Wilhelmshagen)

Am 17.04.2003 wurde am Bahnhofsvorplatz in Wilhelmshagen eine Metalltafel in Erinnerung an das Durchgangslager Wilhemshagen ein- geweiht: 22

Wenige hundert Meter von hier befand sich von 1942 - 1945 \ das Ar- beiter-Durchgangslager Wilhelmshagen. \ Dieses Lager bildete das 245 organisatorische Rückgrat für den Einsatz zehntausender Frauen und Männer in der NS-Kriegswirtschaft. \ Die aus allen Ländern Europas zur Arbeit in Deutschland \ gezwungenen Menschen wurden in die- sem Lager unter \ entwürdigenden Bedingungen interniert und von hier aus an \ zahlreiche Berliner und Brandenburger Unternehmen vermittelt. \ Reste einzelner Baracken sind bis heute im Wald erkenn- bar

Hinweisschilder im Wald verweisen auf die Lage der Stätte, die sich nahe der Außenstelle des Bundesarchivs in der verlängerten Erkner- straße befand. Als Reste des größten NS-Durchgangslagers in der Re- gion sind bis heute eine betonierte Bahnrampe und Barackenfunda- mente im Wald zu erkennen. 2007 wurde eine Gedenktafel an den Überresten der Rampe angebracht.23 Die Inschrift lautet:

22 Saf: Gedenktafel erinnert an NS-Lager. Berliner Morgenpost, 17.04.2003. 23 Zur historischen Verortung siehe: Leonore Scholze-Irrlitz: „Am Ende der Idylle. Das Durchgangslager für Zwangs- und Fremdarbeiter in Berlin- Wilhelmshagen“. In: Leonore Scholze-Irrlitz / Karoline Noack (Hrsg.) : Arbeit für den Feind. Zwangsarbeiter-Alltag in Berlin und Brandenburg (1939-1945). be.bra, 1998, S. 14-27. Claus-Dieter Sprink: „Das System der Durchgangsla- ger für ausländische Arbeitskräfte im Berliner Raum“. In: Zwangsarbeit in Berlin 1938 - 1945. Arbeitskreis Berliner Regionalmuseen 2003, S. 74 - 82.

Rahnsdorf

Fürstenwalder Allee 401 \ In den Jahren 1942 bis 1945 befand sich hier das „Arbeiterdurchgangslager Berlin Ost” eines von berlinweit 3.000 Zwangsarbeiterlagern. \ Im Rahmen des NS- Zwangsarbeitereinsatzes kamen an der nahegelegenen Rampe Wil- helmshagen ab April 1942 fast \ täglich Güterzüge überwiegend mit Frauen und Kindern an. Sie stammten vor allem aus den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion \ und Polen, aber auch aus Frankreich und Belgien. \ Hier wurden sie polizeilich erfasst und einige Tage unter primitivsten Bedingungen in zwanzig ständig überfüllten \ Holzbara- cken untergebracht. Nach der „Musterung” und Vermittlung erfolgte der Weitertransport in entsprechende \ Zwangsarbeitslager und von dort aus in Rüstungs- und andere Betriebe. \ Ab 1960 wurde auf ei- nem Großteil der 120.000 qm großen Waldfläche das Staatliche Film- archiv errichtet.

246

ProAB e.V.

Ebenso ist ein Lageplan abgebildet mit dem Hinweis:

Fundamentreste der 10 menschenunwürdigen Baracken \ befinden sich in ca. 250 Meter südöstlicher Richtung. \ Gestiftet von der Firma Heerlein Werbetechnik Berlin

Im Jahr 2010 fand eine Erinnerungsveranstaltung vor Ort unter An- wesenheit von Christine Glauning, Leiterin des Dokumentationszent- rums Zwangsarbeit in Niederschöneweide statt.24

Hans-Jürgen Mende, Kurt Wernicke: Berliner Bezirkslexikon Treptow- Köpenick. FTS / Edition Luisenstadt, 2008, S. 103, 154. 24 Ralf Drescher: Erinnerung an die Befreiung. Berliner Woche, 28.04.2010.

Rahnsdorf

Emil SCHWARZENSTEIN 1853 - Rahnsdorf 23.01.1908 Fürstenwalder Damm 852

Im Rahnsdorfer Forst vom See nicht weit, wo der Kuckuck ruft und das Wasserhuhn schreit, am Straßenrand regt es heut: Das Kreuz von Eichen, dunkel und schlicht, Das hat man dem toten Förster er- richt’t, Der hier seinen Wald einst betreut.

Wie in dem Gedicht von 1938 beschrieben, steht auch heute im Wald am Fürstenwalder Damm ein Holzkreuz in Erin- o.A.: Gedenkkreuz für Schwarzenstein. Juli nerung an den Förstermord: 1935. Archiv Museum Treptow-Köpenick 19/19.37 * \ 1853 \ Hier wurde \ der königliche Förster \ Emil Schwarzenstein \ ermordet. \ 23.01. \ 1908

247

ProAB e.V.

Am Abend vor seiner Ermordung kehrte der Förster im Restaurant Paradiesgarten zum Skatspiel ein. Er verließ das Lokal in der Nacht, am nächsten Morgen fand man ihn tot mit zwei Schusswunden auf. Sein Sohn wurde des Mordes verdächtigt, der Fall konnte jedoch bis heute nicht aufgeklärt werden.

Rahnsdorf

Der Forstwirt Wolfgang Bartkowski schuf das heutige Gedenkkreuz aus einer lokalen Stieleiche. Es wurde vom Forstamt Friedrichshagen im Herbst 2001 an der Mordstelle aufgestellt. 25

STOLPERSTEINE

Familie GUTER Heinz Guter (Rahnsdorf 17.10.1899 - Auschwitz), Felix Guter (Berlin 25.07.1930 - Auschwitz), Elisa Guter, geb. Goldberg (Rahnsdorf 24.04.1894 - Berlin 16.10.1942) Seestraße 32

HIER WOHNTE \ HEINZ GUTER \ JG. 1899 \ DEPORTIERT 4.3.1943 \ ERMORDET IN \ AUSCHWITZ

HIER WOHNTE \ FELIX GUTER \ JG. 1930 \ DEPORTIERT 4.3.1943 \ ERMORDET IN \ AUSCHWITZ

HIER WOHNTE \ ELISA GUTER \ GEB. GOLDBERG \ JG. 1894 \ GEDE- MÜTIGT \ ENTRECHTET \ TOT 16.10.1942

Die Verlegung der Stolpersteine erfolgte am 06.06.2013. Anwesend war u.a. der Schulfreund von Felix Guter, Harold Janklowicz der 82jähirg zur Stolpersteinverlegung aus Israel anreiste. 248 Zusätzlich zur Stolpersteinverlegung fertigte die Berliner Kunst- schmiedin Annette Maria Eckl einen Erinnerungsring, der um den Stamm einer Birke vor dem Haus gelegt wurde. Auch ein junger Rot- dorn wurde von Jugendlichen zum Andenken gepflanzt.26

25 Erich Hobusch: Der Förstermord am Müggelsee (Friedrichshagener Hefte Nr. 37). Antiquariat Brandel (Hrsg.), 2001, S. 35, 69. 26 Ruth Frey: Erinnern heißt Leben. Rahnsdorfer Echo, 08/09.2013, S. 7. Fami- lie Guter auf den Seiten der Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin.

Rahnsdorf

Schmöckwitz

GEFALLENE ERSTER WELTKRIEG Alt-Schmöckwitz 1

Links vor dem Kircheneingang liegt ein Löwe mit einem darauf sitzendem Knaben aus Sand- stein, der den Kopf auf eine umgedrehte Fackel stützt. In einer Hand hält er einen Lor- 249 beerkranz. Nach einer Interpre- tation von Klaus Weidner ist der Junge aufgrund seiner ver- kehrt herum gehaltenen Fackel ProAB e.V. als Genius des Todes zu erken- nen. Der Löwe gelte als Symbol der Tapferkeit der preußischen Ar- mee und wurde nach der Kriegsniederlage ruhend dargestellt. Die von Georg Hengstenberg signierte Skulptur von 1924 ist derzeit in ei- nem stark verwahrlosten Zustand. Sie trägt die Namen der zehn Ge- fallenen aus dem Ersten Weltkrieg.1

GEFALLENE IM 2. WELTKRIEG Alt-Schmöckwitz 1

Neben dem Löwen-Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrie- ges befindet sich eine Bodenplatte zur Erinnerung an die Gefallenen im Zweiten Weltkrieg aus Schmöckwitz und Karolinenhof mit der In- schrift:

1 Klaus Weidner: Plastiken, Denkmäler, Brunnen im Bezirk Köpenick. Luisen- städtischer Bildungsverein 1993, S. 8.

Schmöckwitz

Hier an der Kirche ruhen: [Nachname, Vorname, Geburtsdatum, Ster- bejahr der 14 Gefallenen, soweit bekannt] Zum Gedenken an die in Karolinenhof ruhenden Kriegsopfer [Nachname, Vorname, Geburtsdatum, Sterbejahr der 17 Gefallenen, soweit bekannt]

Die Sterbedaten verweisen allesamt auf den 24./25.04.1945 bezie- hungsweise auf Mai 1945.

250

ProAB e.V.

GEGEN KRIEG UND GEWALTHERRSCHAFT Adlergestell, Jagen 40

Zwischen Schappachstraße und Vetschauer Allee liegt einen kurzen Fußmarsch entfernt von der Straße im Wald der Notfriedhof Karoli- nenhof, auf dem zwischen Mai 1945 und November 1946 rund hun- dert Personen aus der näheren Umgebung bestattet wurden. Einige verstarben aufgrund des Kriegsgeschehens, zwanzig von ihnen ent- schieden sich angesichts der militärischen Niederlage für den Freitod.

In den 1970er Jahren wurde der Friedhof stillgelegt, nur das Grab von Rudolf Jordy ist noch mit einem Kreuz markiert. Eine Konfirmanden- gruppe unter Leitung von Wolfgang Stadthaus säuberte und markier- te die Flächen des Friedhofs. Am 05.05.2015 wurde neben einem Findling, der die Buchstaben RIP trägt, eine weiße Tafel mit folgen- dem Text eingeweiht:2

2 Wolfgang Stadthaus: Versunkene Friedhöfe in Schmöckwitz und Karolinen- hof. Winterwork, 2015. Ralf Drescher: Der einstige Notfriedhof erhält Tafel in Gedenken an 108 Tote. Berliner Woche 08.05.2015. O.A.: Gemeindebrief.

Schmöckwitz

Waldfriedhof Karolinenhof - eine Mahnung gegen Krieg und Gewalt- herrschaft \ Zum Gedenken an 103 erwachsene und 5 Kinder aus Karolinenhof, Schmöckwitz und Schmöckwitz-Siedlung. \ Sie wurden hier in der Zeit zwischen dem 5. Mai 1945 und dem 26. November 1946 beerdigt. \ (Fünf Spalten mit 108 Namen in nicht alphabetischer Folge).

SCHMÖCKWITZ-GRÜNAUER UFERBAHN (SGU) Alt-Schmöckwitz

Da die Gemeinde Schmöckwitz nur schlechten Zugang zum Eisen- bahnverkehr hatte, begründete sie den Bau einer Straßenbahnstre- cke nach Grünau. Am 09.03.1912 eröffnete die Schmöckwitz- Grünauer Uferbahn und verkehrt heute als Linie 68 auf der Strecke zwischen dem S-Bahnhof Köpenick über Grünau und dem Villenvor- ort Karolinenhof nach Alt-Schmöckwitz. Sie fährt vorbei am Rathaus Köpenick, der Schlossinsel und schließlich durch ein Landschafts- schutzgebiet entlang der Dahme (Langer See). Hier sind Naherho- lungsziele wie das Strandbad Grünau, die Badestelle Bammelecke sowie diverse Ausflugsgaststätten und Wanderwege gelegen.3

Aufgrund von reduziertem Fahrgastaufkommen und einer notwendi- gen Reparatur der Gleisanlagen stand 2006 eine Verkürzung der Stre- cke bis nach Grünau zur Diskussion.4 Die Debatte spitzte sich im Jahr 251 2011 zu, als der Erhalt der Strecke nach einer Notreparatur zur Dis- kussion stand. Im Rahmen der Protestaktionen wurde am 11.03.2011 eine Kunststofftafel in der Nähe der Betriebshaltestelle neben dem Weg zur Kirche mit folgender Inschrift angebracht: 5

Vor 100 Jahren, am 11. März 1911, begannen \ die Arbeiten zum Bau der Schmöckwitz- \ Grünauer Uferbahn. Die 7,8 Kilometer lange \ Strecke entlang der Dahme gehört zu den \ schönsten Deutschlands. \ Der Ortsverein Schmöckwitz und engagierte \ Bürger setzen sich für den Erhalt der \ Straßenbahnlinie ein. \ Die Uferbahn muss weiter

Evangelische Kirchengemeinde, 04./05.2015, S.2. Nils Michaelis: Vom Ster- ben im Chaos. Berliner Abendblatt, 04.05.2015. 3 Vgl. o.A.: Mit der Tram in den tiefen Süden von Berlin. Nr. 5. BVG, 2010. 4 Peter Neumann: Die von Stilllegung bedrohte Uferbahn hat weitaus mehr Fahrgäste, als die Verkehrsbetriebe zugeben. Berliner Zeitung, 14.06.2006. Silke Kohlmann: Endstation für eine Legende. TAZ, 12.05.2006. Peter Neumann: Nach Notreparatur ist der Betrieb der Uferbahn nach Schmöck- witz bis 2011 gesichert. Berliner Zeitung, 04.08.2006. 5 Peer Hausschild: Ortsverein Schmöckwitz kämpft um Erhalt der Uferbahn. Gedenkstein zum Baubeginn der Strecke vor 100 Jahren gesetzt (Pressemit- teilung). Ortsverein Schmöckwitz, 11.03.2011. Homepage der Initiative www.uferbahn.de. Stefan Jacobs: Anwohner demonstrieren für Rettung der Uferbahn. Tagesspiegel, 12.04.2011.

Schmöckwitz

fahr’n! \ Schmöckwitz, den 11. März 2011 \ Historischer Prellstein von der Strecke der Uferbahn

Die Inschrift verweist auf den Prellstein vor dem sie angebracht wur- de. Im April 2011 initiierten engagierte Bürger und Bürgerinnen eine Menschenkette entlang der Linie vom S-Bahnhof Grünau nach Schmöckwitz als Symbol für das besondere Interesse am Erhalt der Bahnstrecke. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung entschied sich einen Monat darauf, für die Erstattung der Sanierungskosten von zwanzig Millionen Euro für den Zeitraum von 2012 bis 2015 aufzu- kommen. Das Ziel „Die Uferbahn muss weiter fahr’n!“ konnte somit erreicht werden. 6

252

6 Ortsverein Schmöckwitz: Menschenkette zum Erhalt der Uferbahn. Der Grünauer, 03.2011. Sabine Flatau: Grünauer Uferbahn wird jahrelang sa- niert. Berliner Morgenpost, 27.04.2012. Stefan Jacobs: Uferbahn so gut wie gerettet. Tagesspiegel, 24.05.2011.

Schmöckwitz

Weiterführende Literatur

Monika Becker et al.: Juden in Treptow. Sie haben geheißen wie ihr heißt. Hentrich, 1993.

Bund der Antifaschisten Treptow e.V. et al. (Hrsg.): Stolpersteine in Berlin Treptow- Köpenick. Eigenverlag, 2008.

Stefanie Endlich: Wege zur Erinnerung. Gedenkstätten und -orte für die Opfer des Nationalsozialismus in Berlin und Brandenburg. Metropol, 2006.

Stefanie Endlich: "Berlin". In: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus. Eine Dokumentation II. Edition Hentrich, 2002.

Anna Kaminsky: Orte des Erinnerns: Gedenkzeichen, Gedenkstätten und Museen zur Diktatur in SBZ und DDR. Ch. Links, 2016.

Ronny Kern: Siebzehn Kilometer Grenze. Die Berliner Mauer Treptow 1961 – 1981. Vbb, 2011.

Kommission Kunst im öffentlichen Raum, Bezirk Treptow-Köpenick: Verzeichnis Kunst im öffentlichen Raum – Bezirk Treptow-Köpenick. Bezirksamt Treptow- Köpenick, Amt für Weiterbildung und Kultur (Hrsg.), 2016.

Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin (Hrsg.): Stolpersteine in Berlin #2. 12 Kiezspaziergänge. Aktives Museum Faschismus und Widerstand in Berlin e.V, 2008.

Sylvia Lais, Hans-Jürgen Mende (Hrsg.): Lexikon Berliner Straßennamen. Haude et Spener, 2003.

Gerd Lüdersdorf: Es war ihr Zuhause. Juden in Köpenick. Edition Roots, 1998.

Hans-Hermann Hertle, Maria Nooke: Die Todesopfer an der Berliner Mauer 1961– 1989. Ein biographisches Handbuch. Ch. Links, 2009.

Stefan Hördler: SA-Terror als Herrschaftssicherung: "Köpenicker Blutwoche" und öffentliche Gewalt im Nationalsozialismus. Metropol Verlag, 2013.

Holger Hübner: Das Gedächtnis der Stadt. Gedenktafel in Berlin. Argon, 1997.

Martin Schönfeld: Gedenktafeln in Ost-Berlin. Schriftenreihe Aktives Museum, 1991.

Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt: Ehrengrabstätten des Landes Berlin. 2015.

Klaus Weidner: Plastiken, Denkmäler, Brunnen im Bezirk Köpenick. Luisenstädtischer Bildungsverein, 1993.

Klaus Weidner: Plastiken, Denkmäler, Brunnen im Bezirk Treptow. Luisenstädtischer Bildungsverein, 1993.

Heinrich-Wilhelm Wörmann: Widerstand in Köpenick und Treptow. Gedenkstätte Deutscher Widerstand, 2013.

Onlineressourcen

Bundesarchiv (Hrsg.): Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945. URL: www.bundesarchiv.de/gedenkbuch

Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Verein Aktives Museum (Hrsg.): Gedenktafeln in Berlin. URL: www.gedenktafeln-in-berlin.de

Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin (Hrsg.): [Stolpersteine finden]. URL: www.stolpersteine-berlin.de

Thilo C. Agthe et al.: Onlineprojekt Gefallenendenkmäler. URL: www.denkmalprojekt.org

Die in der Ausarbeitung angeführten Internetquellen wurden im Zeitraum von 11.2015 bis 11.2016 abgerufen.

Die Fotografien von ProAB e.V. entstanden im Jahr 2009 im Rahmen des Projekts „Kultur Aktiv“, die Aufnahmen des Kulturrings in Berlin e.V. im Jahr 2013/2014.