1 In der Bredenau 2 Im alten Dorf UNTER KÜNSTLER*INNEN UND PHILOSOPHEN AUF DÜNNEM EIS Das Elternhaus von Cato Bontjes van Beek war durchdrungen von Kunst, Musik, Literatur, Philosophie Wie wird dieses kleine Mädchen, und Politik. „Professes Hus“ hieß es in Fischerhude nur, und „Professes Kinners“ waren Cato und ihre behütet im Schoß der Familie, zu Geschwister Mietje und Tim. Errichtet hatte das Haus 1908 der Königliche Professor Heinrich Breling, einer Widerstandskämpferin, bereit Hofmaler Ludwigs des Zweiten und Künstler in Fischerhude. Brelings jüngste Tochter Olga, Tänzerin, Isa- das eigene Leben für die Menschen- dora-Duncan-Schülerin und später Malerin, war Catos Mutter. Ihr Vater war ein rechte zu opfern? Als Kind unter- niederländischer Matrose und linker Freigeist, der zu einem bedeutenden Keramiker wurde. Mit Olgas nahm Cato ausge­dehnte Streifzüge älterer Schwester Amelie, ebenfalls Malerin und Bildhauerin von Rang, gründete Catos Vater 1921 die in die Wiesen entlang der Wümme renommierte Fischerhuder Kunst-Keramik. Otto Modersohn und Heinrich Vogeler gingen im Haus in der ins Moor. Sie fotografierte viel. Am Bredenau ein und aus, ebenso wie der jüdische Maler Fritz Mühsam. Heinrich Vogeler war mit Jan Bontjes Badepla­ tz bei der alten Schleuse van Beek seit dessen Aufenthalt im Worpsweder Barkenhof befreundet. sprang sie als einzige vom Gelän­der Otto Modersohn hatte nach Paula Beckers Tod Catos Tante Louise­ geheiratet, eine Konzert- und Opernsän- Mit Theodor Lessing auf Naturentdeckung, 1930 ins Wasser. Mit ihren Ge­schwistern gerin. In diesem Um­feld einer künstlerisch erfolgreichen Großfamilie wuchs Cato auf. „Ein Inbegriff der trug sie sportliche Wettkämpfe aus: Freiheit“, so nannte das Heim der Bontjes van Beeks. Prägenden Einfluss auf Cato hatte Weitsprung, Speerwerfen, Diskus auch der jüdische Philosoph und Publizist Theodor Lessing, enger Freund und häufiger Gast der Familie, der mit den Kindern weite und Hochsprung. Spaziergänge entlang der Wümme unternahm und ihnen die Augen für die kleinen Wunder der Natur öff­nete. Die Ermordung des Im Winter glitt sie auf Schlittschuhen sicher über das dünne unbeugsamen­ Warners vor dem Nationalso­ zialismus 1933 war für die Familie ein Schicksalsschlag, für die kaum 13-jährige Cato eine Eis der zugefrorenen Weiden. Und sie träumte davon, eines frühe Erfahrung des Unrechts, das nun in Deutschland­ herrschte. Tages im Flugzeug durch die Lüfte zu fliegen. Für Neues konn- te Cato sich begeis­ tern; 1931 willigte AUF DEN SPUREN VON CATO BONTJES VAN BEEK die abenteuerlustig­ e Elfjährige in den Vor- EIN RUNDGANG DURCH FISCHERHUDE schlag einer Tante ein, eine Zeit lang zu ihr nach Amster­dam zu ziehen. straße Dort besuchte sie Land eine deutsche Schu- le und lernte in we- Brüggehof n nigen Monaten Nie-

en pmakspooH Fischerhude derländisch. Friedhof Zum Dieke

grebmmI mA Am Dobbe Zwei Jahre hielt es 6 3 Kämp den Wildfang aus Norddeutschland bei den holländischen

r Ort Verwandten. Im Juli 1933 kehrte Cato nach Fischerhude Eichenstraße Auf den Zum Brögstreek 4

Molkereistraße Kuhs zurück­ - ins mittlerweile nationalsozialistische Deutschland.

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ool P Im Dorf Im Alt en Cato in (erste Reihe, dritte von rechts) Cato Bontjes 3 Kirchstraße 13 4 Zum Dieker Ort 13 5 van Beek-Weg GEGEN DEN STROM DANN MÜSSEN WIR ES EBEN TUN! ES MUSS DIE AUFGABE EINES JEDEN MENSCHEN SEIN ... „Ihr geht furchtbaren Zeiten entgegen“, warnte Heinrich Voge­ Wenn ausländische Gäste vor dem Krieg zu Besuch weilten, Schon die Kriegsgefangenenhilfe der Mädchen war nach NS­ ler, bevor er 1931 nach Russland, ins Land der Oktoberrevoluti­ kam die Sprache unweigerlich auf die Untaten der Nationalso- Kriterien „Kriegsverrat“ und mit der Todesstrafe bedroht. on, auswanderte. Im Dorf am Rande des Teufelsmoors hielten zialisten. Die verbotenen BBC-Nachrichten wurden im Haus in Aber Cato Bontjes van Beek wollte mehr tun, als Häftlingen die Marschkolonnen der SA Einzug, mit Aufmärschen, Fackelzü­ der Bredenau­ täglich gehört. Dass die Brelings und Bontjes van Zigaretten, Feuerzeuge oder Nähgarn in die Manteltaschen gen und Hetzschriften. Trotz des Anpassungsdrucks traten die Beeks Regimeg­ egner waren, wusste man in Fischerhude. Auch zu schmuggeln. 1941 traf sie den Dichter Heinz Strelow wie- Bontjes-Kinder der Hitlerjugend und dem Bund Deutscher Mä­ Cato konn­te nicht über die zunehmende Verfolgung schweigen. der, der als Jugendlicher­ das Haus in der Bredenau besucht del nicht bei. Sie zogen den Unterricht vor, wenn die anderen In ihr reifte bereits die Überzeugung, dass es unter den Verhält- hatte. Zusammen wurden die beiden in der Widerstands- uniformiert und schulfrei zum nissen der Diktatur galt, menschlich zu bleiben und es durch gruppe um Libertas und Harro Schulze-Boysen und Mildred Dienst marschierten. „Ihr könnt Taten zu be­weisen. 1938, wenige Tage nach den Novemberpo- und aktiv. Wie Heinz Strelow war Cato ent- nicht immer gegen den Strom gromen, bat der befreundete Berliner Kurt Hinterlach die Fa- schlossen zu handeln. Das müsse, äußerte sie gegenüber ei- schwimmen!“, mahnte der Leh- milie, einem jüdischen­ Architekten auf der Flucht nach England ner Kameradin aus ihrer Segelfluggruppe, die Auf­gabe eines rer, doch Cato begehrte auf: Unterschlupf zu besorgen. Das geschah mit Unterstützung des jeden Menschen in dieser Zeit sein. „Aber wir können es!“ Wirtes Berkelmann,­ dem das Gasthaus am Dieker Ort 13 gehör- te. Er versteckte den Flüchtling, bis er wohlbehalten in Bremer- In der gemeinsamen Wohnung stellten sie, Heinz Strelow Die jüdischen Freunde der haven an Bord gehen­ konnte. Nicht Ironie, sondern List der Ge- und die anderen Gruppenmitglieder Flugblätter her, mit de- Familie kamen weiter in das Haus Die alte Schule 1930, heute Kita schichte: Der frühere Besitzer des Gasthofs, der jüdische Bäcker nen sie zur Beendigung des Krieges und in der Bredenau. Wenn die Diskussion über Kunst, Gesellschaft Joseph Hein, hatte einst die Ausbildung von Catos Großvater zum Sturz des Regimes aufriefen. Geplant und Weltanschauung hochbrandete, wurde die kleine Küche Heinrich Breling zum Maler gefördert. war auch die Aufstellung eines Funkgerä- zum philosophischen Universum. Catos Eltern hatten sich tes, um mit der Sowjetunion Verbindung 1933 getrennt, Vater Jan hatte die Keramikwerkstatt nach Ber- Seit Wochen schon wütete der Krieg, aufzunehmen.­ Doch die war der lin verleg­ t, die Verbindung zu ihm brach nicht ab. So drangen als Cato nach übersiedelte; „Roten Kapelle“ längst auf der Spur. Am nun neue Impulse, auch politische, aus der Weltstadt an die ihre Schwester Mietje folgte ihr Os- 20. Sep­tember 1942 wurde Cato Bont- Wümme.­ Die Familie ließ sich von der Nazi-Propaganda nicht tern 1940 nach. In der Reichshaupt- jes van Beek zusammen mit ihrem Vater beirr­en. Sie hielt den Kontakt zu ihren Freunden im Ausland stadt erlebte Cato den NS-Terror aus verhaf­tet. aufr­echt. 1937 reiste Cato für einige Monate nach Chelten- nächster Nähe. Hier wurde sie Zeu- ham in England, wo ihr Wichtiges widerfuhr: Sie erfüllte sich gin, wie die Gestapo jüdische Nach- Cato Bontjes van Beek in Haft In der Berliner - endlich - den Traum, einmal zu fliegen. In Briefen nach Haus barn abholte und verschleppte. Keramikwerkstatt schwärmte sie von dem Looping, das der Flieger auf ihre Bitte Sie erhielt Briefe ihres Bruders Tim, hin ausge­führt hatte. Die amerikanische Pilotin Amelia Earhart ihrer Cousins Christian und Ulrich von der Front. Vergeblich Friedhof an der war schon lange ihr Idol, ebenso wie der schwarze Sportler, wartete sie auf ein Lebenszeichen von John Hall. Sie las Maxim Schauspieler und Bürgerrechtler Paul Robeson. Und Cato ver- Gorki und wurde in ihren sozialistischen Überz­ eugungen be- 6 Molkereistraße liebte sich in England; bis 1941 blieb der Student John Hall, mit stärkt. Sie sah Fotos von den Gräueltaten der Wehrmacht und dem sie das Interesse für den Buddhismus­ teilte, ihre große Lie- der Einsatzgruppen in Russland und der Ukraine. Sie begegnete DAS, WAS IN MIR IST, KANN UND WIRD be. Erst der fortdauernde Krieg zerstörte diese Bindung. ukrainischen Zwangsarbeiterinnen und französischen­ Kriegsge- NICHT STERBEN fangenen, denen die beiden Schwestern Lebensmitt­ el zusteck- Ein Gedenkstein auf dem Friedhof in Fischerhude­ erinnert ten und mit denen sie Briefe austauschten. Sie freundete sich an die Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek. In der mit jüdischen Mädchen an, die illegal in der Keramikw­ erkstatt Kirche an dem nach ihr benannten Weg ist ihr eine Seite im des Vaters arbeiteten. All das ließ ihren Wider­standsgeist zur Tat Totenbuch gewidmet, darüber eine Skulptur des Erzengels werden: „Ihr Alten redet nur“, warf Cato ihrem Onkel einmal vor. Michael, dem Catos Gesichtszüge zugeschrieben werden, „Dann müssen wir es eben tun!“ gestiftet von Amelie Breling.

Im Garten in Fischerhude: John Hall, dritter von links, Cato ganz rechts Cato war noch keine 23 Jahre alt, als sie auf Befehl Hitlers hin- gerichtet wurde. Briefe und Notizen, die sie hinterlassen hat, MehrMEHR über ÜBER Cato CATO Bontjes Bücher: van Beek:Hermann Lesenswert: Vinke, 2013: Hermann Cato BontjesVinke, 2013: van Beek. Cato EinBontjes Portrait van Beek.Frauke Ein Geyken, Portrait 2014:Frauke Wir Geyken, standen 2014:nicht abseits.Wir standen Frauen nicht im abseits.Widerstand und die Aussagen überlebender Mithäftlinge zeugen davon, Frauengegen Hitler im WiderstandHeidelore gegen Kluge, Hitler 1994: HeideloreCato Bontjes Kluge, van 1994: Beek Cato„Ich will Bontjes nur eins van sein,Beek und „Ich das will ist nur ein eins Mensch.“ sein, und Das das kurze ist ein Leben Mensch.“ einer WiderstandskämpferinDas kurze Leben einer Wider-1920 standskämpferin- 1943Mietje Bontjes 1920 - van1943 Beek,Mietje 1998: Bontjes Verbrennt van Beek,diese Briefe!1998: Verbrennt Kindheit und diese Jugend Briefe! in Kindheit der Hitlerzeit und JugendM. Flügge, in der 1996:Hitlerzeit MeineSehenswert: Sehnsucht ist Th. das Grimm, Leben. Regina Eine Ge- dass sie bis zuletzt das Schicksal ihrer Leidensgenoss*innen Griebel,schichte 1991:aus dem Cato deutschen Bontjes van Widerstand Beek „Ihr redetFilm: alle Th. ...Grimm, aber keiner Regina tut Griebel, etwas!“ 1991: Dokumentarfilm Cato Bontjes van(DVD) Beek 54 „Ihrmin redetDagmar alle Brendecke,... aber keiner 2009: tut Cato.etwas!“ Dokumentarfilm Dokumentar- über das eigene stellte. Noch in der Todeszelle blieb der 90film min (DVD)Roman: 54 min M.Dagmar Flügge, Brendecke,1996: Meine 2009: Sehnsucht Cato. Dokumentarfilm ist das Leben. Eine 90 Geschichte minBildnachweis: aus dem deutschen Archiv S. Bontjes Widerstand van Beek,Bildnachweis: Fischerhude ArchivGedenkstätte S. Bontjes vanDeutscher Beek, FischerhudeWiderstandNachlassGedenkstätte Katja MeirowskyDeutscher WiderstandOrtsarchiv FischerhudeNachlass Katja Stock,Meirowsky KunstvereinOrtsarchiv Fischerhude FischerhudeCato-Archiv,Stock, KunstvereinC. B.v.B.-Gymnasium Fischerhude AchimCato-Archiv,Thomas Gatter. Gym- geistige Wider­stand Cato Bontjes van Beeks ungebrochen. nasium AchimThomas Gatter.