SPD – 07. WP Fraktionssitzung: 13. 06. 1973 (Kurzprotokoll)

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13. Juni 1973: Fraktionssitzung (Kurzprotokoll)

AdsD, SPD-BT-Fraktion 7. WP, 2/BTFG000021. Überschrift: »Protokoll der SPD am Dienstag, den 13. 6.1973«. Zeit: 15.10–18.00 Uhr. Vorsitz: Wehner, dazwischen Schellen- berg. Protokoll: Sommer. Datum der Niederschrift: 11. 7. 1973.

Sitzungsverlauf: A. Bericht des Fraktionsvorsitzenden über die Sitzung des Fraktionsvorstands (Rechte der ständigen Vertretung der DDR; Häftlingshilfegesetz; Saar-Kanalisierung). – TOP 1: In- formationen (Wohngeld; Subventionen für den Airbus; Bericht über die Reise des Bun- deskanzlers nach Israel; Doppelbesteuerungs- und Sozialversicherungsabkommen mit Polen; Stärke der NATO-Streitkräfte in Europa; Stärke der sowjetischen Streitkräfte; Streik der Fluglotsen). B. Vorbereitung der Plenarsitzungen: TOP 2: Tagesordnung und Ablauf der Plenarsitzun- gen. – TOP 3: 2. und 3. Beratung Kartellrechtsnovelle. – TOP 4: 2. und 3. Beratung Än- derung Bundesausbildungsförderungsgesetz. – TOP 5: 2. und 3. Beratung Änderung Adoptionsrecht. – TOP 6: 2. und 3. Beratung Änderung Wohneigentums- und Erbbau- recht. – TOP 7: 2. Beratung und Schlussabstimmung betr. Übereinkünfte Urheberrecht. – TOP 8: Antrag CDU/CSU betr. Jugendstrafvollzugskommission. – TOP 9: 2. und 3. Beratung Rechte der ständigen Vertretung der DDR. C. Sonstiges: TOP 11: Unterausschuss Gesamtreform Lebensmittelrecht. – TOP 12: Unter- ausschuss für humanitäre Hilfe. – TOP 13: Unterausschuss für Rundfunkfragen. – TOP 14: Rundfunkrat Deutschlandfunk. – TOP 15: Rundfunkrat Deutsche Welle. – TOP 16: Arbeitsgruppe Vermögensbildung. – TOP 17: Ausschussumbesetzungen. D. Termin und Ort der kommenden Klausurtagung des Strafrechtssonderausschuss. – TOP 18: Nächste Termine. – Verschiedenes: TOP 19: Informationsreisen des Sonderausschus- ses für die Strafrechtsreform in die USA.

[A.] Vor Eintritt in die Tagesordnung entschuldigt die Mitglieder des Innerdeutschen Ausschusses, die heute in Berlin tagen, und die als krank gemeldeten Mitglieder der Fraktion. Herbert Wehner berichtet über die Sitzung des Fraktionsvorstandes vom heutigen Tage. Im Mittelpunkt stand die Diskussion über die Behandlung des Gesetzentwurfes betreffend die Rechte der Ständigen Vertretung der DDR in der Bundesrepublik (Ta- gesordnungspunkt 9 der heutigen Fraktionssitzung). Der Fraktionsvorstand stand vor der Situation, daß der Gesetzentwurf, der am Freitag auf der Tagesordnung des Bun- destages steht, bereits durch Kampfabstimmung auf die Tagesordnung am Donnerstag gesetzt werden muß. Bei einer Ablehnung des Gesetzentwurfes durch den Bundesrat – es handelt sich um ein zustimmungsbedürftiges Gesetz – wären die Fristen vor der Sommerpause für die Anrufung des Vermittlungsausschusses am Freitag nicht mehr gegeben. Herbert Wehner weist hier auf den Zusammenhang dieses Gesetzentwurfes mit der bayerischen Klage vor dem Bundesverfassungsgericht hin. Die CDU/CSU- Fraktion hat nun in letzter Minute eine Zusage gegeben, daß der Gesetzentwurf am Donnerstag nach der Mittagspause im Plenum aufgerufen werden könne. Herbert Wehner berichtet, daß der Fraktionsvorstand den Tagesordnungspunkt 10 – Änderung und Ergänzung des Häftlingshilfegesetzes – von der Tagesordnung abgesetzt habe. Der Verband der Heimkehrer hat vom 15.–17. Juni sein Jahrestreffen. Dort wird

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die Novellierung des Häftlingshilfegesetzes behandelt und dazu auch im besondern Stellung genommen werden. Der Geschäftsführende Präsident Herr Kießling insistiert auf die Kopplung der Termine für die Novellierung der Heimkehrergesetzgebung und des Häftlingshilfegesetzes durch die Fraktion. Dabei werde aber übersehen, daß dies Jahre zurückliege und in der Zwischenzeit andere Fakten hinzugekommen seien. Den- noch würde eine Einbringung des Gesetzentwurfs zur Änderung und Ergänzung des Häftlingshilfegesetzes zu einer demagogischen Behandlung auf dem Jahrestreffen des Heimkehrerverbandes führen. Herbert Wehner berichtet weiter, daß Klaus Dieter Arndt im Fraktionsvorstand über die Behandlung des Themas »Saar-Kanalisierung« im Haushaltsausschuß berichtet hat. Der Haushaltsausschuß hat keinen Leertitel für 1973 dafür vorgesehen. Der Koaliti- onspartner hat ebenfalls einen Leertitel – entgegen dem Votum des Fraktionsvorsitzen- den und seines Stellvertreters, Herrn Flach – abgelehnt. Im Ergebnis ist ein Kompromiß dahingehend erzielt worden, daß der Haushaltsausschuß eine Entschließung abgeben werde, daß für 1974 die üblichen Mittel für die Saar-Kanalisierung durch die Bundesre- gierung aufzubringen seien. Punkt 1 der Tagesordnung – Informationen Erich Henke weist darauf hin, daß die geltenden Obergrenzen des Wohngeldes nicht mehr ausreichend sind, insbesondere die Neubaumieten aus den jüngeren Sozialbauten zu subventionieren. Die Mieten seien zu stark in die Höhe gegangen. Es sei daher eine Anpassung der Wohngeldbestimmung erforderlich, um die Preissprünge der letzten Jahre ausgleichen zu können. Es sei für 1974 eine Steigerung im Bundeshaushalt von maximal 30 Millionen DM an Wohngeldmitteln notwendig. Der Vorschlag der Ar- beitsgruppe gehe dahin, dies aus dem Einzelplan 25 zu nehmen. Das Kabinett habe sich aber nicht in der Lage gesehen, zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen, da dies auch mit dem Stabilitätsprogramm der Bundesregierung nicht vereinbar sei. Die Ar- beitsgruppe hält den Stabilitätsgesichtspunkt für 1974 für nicht mehr so gravierend. Er habe daher die Frage an die Bundesregierung, ob das Wohngeld nicht der jüngeren Entwicklung im sozialen Wohnungsbau angepaßt werden könne und die 30 Millionen DM in den Haushaltsplan 1974 aufgenommen werden sollten. Dieter Haack berichtet, daß im Ministerium ein Gesetzentwurf ausgearbeitet worden sei, dieser aber dann zu- rückgestellt wurde, mit Rücksicht auf die Haushaltsberatungen 1974. Der Entwurf könne dann aber wieder als Koalitionsentwurf eingebracht werden. Hedwig Meermann weist darauf hin, daß bei einer Nichtnovellierung des Gesetzes 1973 Geld eingespart werde, da ein Teil der Wohngeldempfänger aus dem Kreis der Berechtigten durch höhere Einkommen ausgeschieden sei. Es könne aber niemand wollen, daß aus einer sozialpolitisch wichtigen Sache im gegenwärtigen Zeitpunkt Geld miteingespart werde. Hans Hermsdorf weist darauf hin, daß diese Sache nicht nur eine stabilitätspolitische, sondern auch eine fiskalische Seite habe. Es sei daher die Meinung des Kabinetts und durch Beschluß bestätigt worden, daß geldwirksame Gesetze nur im Zusammenhang mit dem Haushalt 1974 behandelt werden sollten. Erich Henke weist auf den vorliegenden Mietenbericht hin und daß daraus die gesetzli- chen Konsequenzen gezogen werden müssen. Festzulegen seien die neuen Mietober- grenzen, und das Gesetz muß spätestens am 1. 1. 1974 vorliegen, so daß mit der Bera- tung des Gesetzes unmittelbar begonnen werden sollte. Karl-Heinz Hansen stellt im Zusammenhang mit der Absatzfinanzierung des Airbuses folgende Frage an die Bundesregierung: Nach Pressemeldungen soll das Kabinett heute

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über die Absatzfinanzierung des Airbuses entschieden haben. Seine Frage lautet: 1. Ist heute entschieden worden, 2. bedeutet Absatzfinanzierung eine Exportsubventionie- rung, 3. kann eine solche Exportsubventionierung Folgen haben in Bezug auf Forde- rungen aus anderen Exportzweigen der Bundesrepublik und 4. wie würde das – die Vorfragen bejahend – in die stabilitätspolitische Landschaft passen? Bundeskanzler Brandt antwortet, daß Auswirkungen auf andere Exportzweige nicht gegeben seien, da hier ein Fall eigener Art vorläge, dem Abmachungen bis in die Zeit der Großen Koalition zugrunde lägen. Stabilitätspolitische Gründe seien auch nicht durchschlagend, es sei denn, man setze voraus, daß die gegenwärtigen Schwierigkeiten 10 Jahre anhielten. Das Kabinett habe mit Mehrheit beschlossen, aus diesem Projekt nicht auszusteigen, aber Auflagen zum Tragen kommen zu lassen. schlägt vor, die Sache, insbesondere auch die Frage der Auflagen, in einem dafür zuständigen Arbeitskreis zu behandeln. Willy Brandt weist darauf hin, daß ihm nicht daran gelegen sei, vor dem Besuch von Staatspräsident Pompidou1 dem Kabinettsbeschluß eine zu positive Ausdeutung zu geben. Georg Schlaga weist auf das positive Echo des Besuches von Willy Brandt in Israel hin. Er stellt die Frage, ob der Bundeskanzler in der Lage sei, einen kurzen Bericht über seine Gespräche in Israel vor der Fraktion zu geben. Herbert Wehner weist darauf hin, daß von der Opposition der Wunsch geäußert wur- de, einen Bericht des Bundeskanzlers über seine Israel-Reise in Form einer Regierungs- erklärung zu bekommen, die dann diskutiert werden sollte. Das Kabinett hat dazu erklärt, daß dies im Rahmen der Haushaltsberatungen geschehen werde. Willy Brandt gibt den von Gerhard Schlaga gewünschten Bericht über seine Reise nach Israel. Zum Inhalt wird auf die dem Protokoll beiliegende Presseerklärung der Fraktion verwiesen. Herbert Wehner dankt Willy Brandt für seinen Bericht. Hans-Jürgen Wischnewski stellt die Frage nach dem Stand des Doppelbesteuerungsab- kommens und des Sozialversicherungsabkommens mit der Volksrepublik Polen. antwortet, daß das Doppelbesteuerungsabkommen vor Weihnachten unter- zeichnet worden sei, die technischen Arbeiten (Sprachenvergleich usw.) abgeschlossen seien und das Abkommen jetzt an das federführende Finanzministerium geht. Das Sozialversicherungsabkommen sei Ende April unterzeichnet worden, die technischen Arbeiten werden bis zum Herbst abgeschlossen sein, so daß dann beide Abkommen dem Deutschen zugeleitet werden. Bertram Blank weist auf Pressemitteilungen hin, wonach nach einer amerikanischen Untersuchung die Stärke der NATO-Streitkräfte in Europa einschl. der französischen Streitkräfte wesentlich höher zu bewerten sei, als dies allgemein in der Öffentlichkeit angenommen werde. Dem hat allerdings der NATO-Befehlshaber in Europa wider- sprochen. Seine Frage lautet, ob darauf kritisch eingegangen wird. antwortet, daß die Herkunft der Studie bisher noch nicht ganz geklärt sei, er werde aber die Sache untersuchen und demnächst der Fraktion auch berichten. Georg Schlaga weist in diesem Zusammenhang auch auf unterschiedliche Zahlen bei der Bewertung der Streitkräfte in den Ostblockländern hin, so sei z. B. lange Zeit be- hauptet worden, in der DDR seien in letzter Zeit 2 000 Panzer zugelaufen. Die Zahl sei einmal überhöht gewesen, und zum anderen bezog sich der Zulauf auf das Jahr 1968.

1 Staatspräsident von Frankreich.

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Weiterhin sei die Zahl der sowjetischen Divisionen an der chinesischen Grenze einmal mit 100 und ein anderes Mal mit 40 Divisionen angegeben worden. Derartig divergie- rende Zahlen tragen nicht zu einer Klärung bei, er fragt Georg Leber, was er hier zu einer Klärung beitragen wolle. Georg Leber bestreitet, je von 100 sowjetischen Divisionen an der chinesischen Grenze gesprochen zu haben, richtig sei die Zahl 42. Georg Kahn-Ackermann weist Georg Leber auf seine Information im Arbeitskreis hin, über die Zulieferung von Waffensystemen der UdSSR an der Westgrenze. Im Pen- tagon habe man noch vor kurzem den Vorgang nicht als außergewöhnlich betrachtet und in den Rahmen des Normalen verwiesen. Er bitte Georg Leber hier auch um eine Stellungnahme zu dieser unterschiedlichen Interpretation. Georg Leber antwortet darauf, daß eine große Zahl von Panzerwaffen zugeführt wor- den sei, ohne Rücknahme der alten Waffensysteme. Kurt Mattick stellt im Zusammenhang mit dem Streik der Fluglotsen die Frage an die Bundesregierung, ob bereits ein Ausweg zu sehen sei oder ob die Bevölkerung weiter- hin von dem Wohl und Wehe von 1 200 Fluglotsen abhängig bleibe. Ernst Haar berichtet, daß die Bundesregierung Gegenaktionen eingeleitet habe, gegen 3 Fluglotsen seien Disziplinarmaßnahmen eingeleitet worden. Das Bundesinnenministe- rium halte das Angebot für Erschwerniszulagen aufrecht. Darüber hinaus gehende Angebote werden nicht unterbreitet, Möglichkeiten weiterer Disziplinarmaßnahmen erörtert. Fritz Schäfer berichtet, daß im Innenausschuß Bundesinnenminister Genscher ausführ- lich zu dem Stand der Sache berichtet habe. Der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU Carstens habe in einer Presseerklärung aufgefordert, daß der Verkehrs- und der Innen- ausschuß mit den Fluglotsen verhandeln solle. Im Innenausschuß habe die CDU/CSU dagegen Bundesminister Genscher zum Hartbleiben aufgefordert. Die CDU spiele hier ein ganz klares Doppelspiel, dies sei ihr auch im Innenausschuß vorgeworfen worden. [B.] Tagesordnungspunkt 2 – Tagesordnung und Ablauf der Plenarsitzung Karl Wienand berichtet über den Ablauf der Plenarsitzungen dieser Woche. Er weist darauf hin, daß am Donnerstag und Freitag volle Präsenz erforderlich ist, wegen zu erwartender kontroverser Abstimmungen. Am Freitag könne auch noch eine Sitzung des Vermittlungsausschusses notwendig werden, wenn der Bundesrat die Novelle zum Grundsteuerrecht am Freitag nicht passieren läßt. Am Freitag wird ebenfalls der Untersuchungsausschuß eingesetzt. Die SPD-Fraktion ist sich ihrerseits klar über die Besetzung und die Beweisthemata. Durch die Veröffent- lichung in der »Welt am Sonntag« ist die CDU/CSU-Fraktion von ihrer Zusage im Ältestenrat abgewichen, bis Mittwoch die Beweisthemata auf den Tisch zu legen. Diese Feststellung müsse hier getroffen werden. Eugen Glombig teilt mit, daß sich der Arbeitskreis IV dahingehend verständigt hat, daß Hans Urbaniak zum Tagesordnungspunkt 4 – Jugendarbeitsschutzgesetz – eine Erklä- rung abgeben wird. Tageordnungspunkt 3 – Zweite und Dritte Lesung der Kartellrechtsnovelle. Uwe Jens gibt der Fraktion einen Bericht über die Beratungen zur Änderung des Ge- setzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Uwe Jens hält diese Novelle für das wich- tigste Gesetz in dieser Legislaturperiode im Bereich der Wirtschaftsgesetzgebung. Er

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wies auf die schwierigen Verhandlungen mit dem Koalitionspartner FDP in den zu- rückliegenden Jahren hin. Im Ergebnis werde die Preisbindung der zweiten Hand für Markenartikel zum 1. Janu- ar 1974 abgeschafft, die Preisempfehlungen werden neugestaltet, indem das Bundeskar- tellamt in Zukunft Mißbrauche stärker kontrollieren wird. Die Koalitionsfraktionen werden zwei Entschließungsanträge, die mit dem Koalitionspartner abgestimmt sind, zur 2. und 3. Lesung einbringen. Um das Gesetz voll zur Geltung zu bringen, werde es in Zukunft notwendig sein, das Bundeskartellamt personell besser auszustatten. Eine weitere Novellierung des Geset- zes werde auch in Zukunft nötig sein. Klaus Dieter Arndt bejaht die von Uwe Jens gemachten Verfahrensvorschläge für die 2. und 3. Lesung. Er bejaht auch den Bericht von Uwe Jens, möchte ihn aber in der Ten- denz positiver gestaltet sehen, um in der Öffentlichkeit keine Zweifel an diesem Gesetz vorab aufkommen zu lassen. In der Öffentlichkeit müsse klargestellt werden, daß eine Novellierung dieses Gesetzes vorher nicht möglich war, da sowohl die Regierung Er- hard als auch die Regierung Kiesinger eine Novellierung blockiert hätten. Erst in dieser Legislaturperiode sei es möglich geworden, die Preisbindung zu streichen. Die Novel- lierung sei daher als ein großer gesellschaftspolitischer Erfolg zu werten. Herta Däubler-Gmelin weist auf die alte SPD-Forderung hin nach Wegfall der Preis- empfehlungen; sie stellt die Frage, ob diese Forderung in der zweiten Lesung gestellt werden solle oder ob sogar ein Antrag der CDU/CSU zu erwarten sei. Horst Haase (Fürth) weist darauf hin, daß das gegenwärtige Ergebnis die einzig durchsetzbare Al- ternative gegenüber dem Koalitionspartner gewesen sei. Herbert Wehner weist die Fraktion darauf hin, daß dieses Ergebnis in einem Koaliti- onsgespräch erzielt worden sei. Es gehe hier dem Begriff nach um unverbindliche Preisempfehlungen. Er appelliere hier an den Koalitionsfrieden, der empfindlich gestört werde, wenn Anträge auf Verbot der Preisempfehlung aus der Fraktion heraus gestellt werden würden. Richtig sei, daß die FDP allerdings in der ersten Runde für die Strei- chung der Preisempfehlung eingetragen sei. Herbert Ehrenberg betont, daß zuerst der Bericht der Bundesregierung ausgewertet werden solle. Dann müsse entschieden werden, ob die Preisempfehlung verboten wer- den solle oder nicht. Norbert Gansel spricht sich gegen die Preisempfehlungen aus, da ihr Verbot ein Teil des Wahlkampfprogramms der SPD gewesen sei. Er halte auch den Zeitraum von drei Jahren für den Bericht der Bundesregierung nicht für sinnvoll. Der Bericht sollte bereits vor dem Wahlparteitag in zwei Jahren vorliegen. Horst Haase weist demgegenüber darauf hin, daß die Zweijahresfrist gerade vermieden werden muß. Das Gutachten wird jetzt nach der nächsten Bundestagswahl vorliegen, da die Frist ab 1. Januar 1974 zu laufen beginnt. Herbert Wehner würdigt abschließend das erzielte Ergebnis. Die Fraktion ist mit dem vorgeschlagenen Gang der Debatte einverstanden, ebenso werden die beiden Entschließungsanträge angenommen. Tagesordnungspunkt 4: 2. und 3. Lesung Änderung des Bundesausbildungsförderungs- gesetzes Rolf Meinecke gibt der Fraktion einen Bericht über die Beratungen zum Gesetzent- wurf. Die Gesetzesnovellierung enthalte im wesentlichen vier positive Elemente: 1. Die Einbeziehung von Kindern ausländischer Arbeitnehmer,

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2. die Einbeziehung von Berufsfachschülern der elften Klassen, ca. 80 bis 90 000 Schü- ler, 3. eine bessere Fahrgeldunkostenanrechnung für verheiratete Schüler und 4. die Möglichkeit, in Härtefällen durch Rechtsverordnung besondere Förderungen zuzubilligen. Die Anrechnung der Waisenrente in Höhe von 90,– DM sei in den Ausschußberatun- gen als besonders ungerecht empfunden worden. Dieser Punkt sollte daher auch in den Bericht der Bundesregierung, mit dessen Vorlage im Herbst zu rechnen ist, aufgenom- men werden. Eugen Glombig weist darauf hin, daß die FDP den früheren interfraktionellen Ent- schließungsantrag betreffend den Bedarf für behinderte Kinder wieder einbringen will. Er trägt der Fraktion den Inhalt der Entschließung vor, da die Vorlage den Fraktions- mitgliedern nicht vorliegt. Er bittet die Fraktion um Zustimmung. Hugo Brandt stellt die Frage, wann mit einem Überblick über die Prioritäten bei der Finanzierung zu rechnen sei. Klaus von Dohnanyi antwortet darauf, daß im Bericht der Bundesregierung auch darüber Auskunft gegeben wird. Günther Slotta weist darauf hin, daß im Ausschuß auch über die Finanzierungslücken gesprochen worden sei. Er bitte die Bundesregierung, auch im Rahmen ihres Berichts, darauf einzugehen. Die Fraktion stimmt den Vorschlägen zu, ebenso der Vorlage von Eugen Glombig. Tagesordnungspunkt 5: 2. und 3. Lesung Änderung des Adoptionsrechts Jürgen Schmude berichtet der Fraktion über die Gesetzesvorlage. Er weist darauf hin, daß ein Entschließungsantrag der CDU/CSU-Fraktion vorgelegt wird. Die Fraktion stimmt der Vorlage zu, sie wird den CDU/CSU-Entschließungsantrag im Plenum ablehnen. Tagesordnungspunkt 6: 2. und 3. Lesung Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und der Verordnung über das Erbbaurecht Herbert Wehner bittet den Berichterstatter Fritz-Joachim Gnädinger vor seinem Be- richt über die Beratung zu dieser Gesetzesnovelle einige Worte zur Klarstellung ent- sprechend seinen Ausführungen im Fraktionsvorstand zu machen. Fritz-Joachim Gnädinger weist die Fraktion darauf hin, daß es sich bei dieser Novelle hier im wesentlichen um eine Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes handelt, die auf eine Initiative Bayerns im Bundesrat zurückgeht. Es werden kleine Verbesserungen z. B. hinsichtlich der Verwalterbestellung im WEG vorgesehen. Die Erbbaurechtsnovel- le ist ihrerseits noch nicht entscheidungsreif, da mit dem Koalitionspartner bisher noch keine Einigung hinsichtlich der Gestaltung der Erbbaurechtszinsen erzielt worden sei. Die FDP selbst habe ihrerseits auch noch keine einheitliche Haltung zu diesem Fragen- komplex. Die Bundesregierung hat ihre Gesetzesvorlage aus der 6. Legislaturperiode erneut in dieser Legislaturperiode eingebracht. Zur Erbbaurechtsnovelle fand ein Hea- ring statt mit dem Ergebnis, daß sich alle Sachverständigen gegen die Regierungsvorlage ausgesprochen haben. Die Fraktion stimmt der Vorlage zu. Herbert Wehner weist die Fraktion noch darauf hin, daß die Erbbaurechtsnovelle jetzt besser liegenbleibe, da die FDP für ihre interne Klärung Zeit benötige. Tagesordnungspunkt 7: 2. Lesung und Schlußabstimmung betr. die Übereinkünfte auf dem Gebiet des Urheberrechts

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Herta Däubler-Gmelin berichtet der Fraktion über die Beratungen im Ausschuß. Die Vorlagen sind im Verhältnis zur Opposition nicht kontrovers. Es wird daher auch auf Erklärungen im Plenum verzichtet. Die Fraktion stimmt zu. Tagesordnungspunkt 8: Antrag der CDU/CSU betr. Jugendstrafvollzugskommission Hugo Brandt berichtet der Fraktion über die CDU/CSU-Initiative betr. die Einset- zung einer Jugendstrafvollzugskommission. Ziel der Kommission soll es sein, ein Ju- gendstrafvollzugsgesetz vorzubereiten. Tendenziell sei dem Antrag nicht zu widerspre- chen, da der Jugendstrafvollzug reformiert werden müsse. Das Strafvollzugsgesetz für Erwachsende habe aber gegenwärtig Priorität. Er plädiere daher für eine Überweisung an den Strafrechtssonderausschuß, um dort den Themenkreis abgrenzen zu lassen. Diese Tendenz sei mit dem BMJ und dem Koalitionspartner abgestimmt. Die Fraktion stimmt dem Vorschlag zu. Tagesordnungspunkt 9: 2. und 3. Lesung Gesetzentwurf über die Gewährung von Er- leichterung, Vorrechten und Befreiungen an die ständige Vertretung der Deutschen Demokratischen Republik Kurt Mattick berichtet der Fraktion über die Beratung im Ausschuß. Nach Berichten könne mit der Ablehnung des Gesetzes im Bundesrat gerechnet werden, so daß noch vor der Sommerpause der Vermittlungsausschuß angerufen werden müsse. Die CDU/CSU-Fraktion wird im Plenum einen eigenen Entwurf einbringen. Herbert Wehner weist noch einmal auf die Wichtigkeit dieses Entwurfs hin und daß die Verab- schiedung am Donnerstag zu erfolgen habe wegen des Zeitablaufs vor der Sommerpau- se. Die Fraktion stimmt den Vorschlägen zu. Tagesordnungspunkt 10: Änderung und Ergänzung des Häftlingshilfegesetzes Der Punkt ist von der Tagesordnung abgesetzt. [C.] Tagesordnungspunkt 11: Unterausschuß Gesamtreform Lebensmittelrecht erläutert die Vorlage für die Fraktionssitzung und weist darauf hin, daß noch Vorschläge für die stellvertretenden Mitglieder fehlen. Die Fraktion nimmt die Vorlage an. Tagesordnungspunkt 12: Unterausschuß für humanitäre Hilfe Karl Wienand erläutert der Fraktion die Vorlage und weist darauf hin, daß für Helmut Esters Rudolf Walther in den Unterausschuß eintritt. Die Fraktion stimmt der Vorlage zu. Tagesordnungspunkt 13: Unterausschuß für Rundfunkfragen Karl Wienand erläutert der Fraktion die Vorlage und weist darauf hin, daß für Karl Hofmann Heinz Kreutzmann in den Unterausschuß eintritt. Weiterhin sei Günther Wuttke als ordentliches Mitglied benannt worden. Kurt Mattick berichtet auf Fragen über die Aufgaben des Unterausschusses für Rundfunkfragen. Tagesordnungspunkt 14: Rundfunkrat Deutschlandfunk Herbert Wehner informiert die Fraktion darüber, daß die CDU/CSU jetzt 3 statt bis- her 2 Mitglieder in den Rundfunkrat entsenden will. Karl Wienand berichtet über die Vorlage und auch darüber, daß nach dem Gesetz 6 Mitglieder des Bundestages in den Rundfunkrat zu wählen seien. Nach dem Proportionalsystem sei das Verhältnis daher 3

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zu 2 zu 1. Die CDU/CSU-Fraktion will auf jeden Fall den Besitzstand aus der letzten Legislaturperiode wahren. Im Fraktionsvorstand stand neben den in der Vorlage aufgeführten Namen noch Bruno Friedrich zur Wahl an. Der Fraktionsvorstand hat dann nach seiner Geschäftsordnung , und Kurt Mattick gewählt. Günter Wichert schlägt noch Hermann Reiser für den Rundfunkrat vor, da er Journalist mit Berufserfahrung sei. Karl Wienand weist darauf hin, daß gegen eine Wahl von Hermann Reiser rechtliche Bedenken bestünden, weil Reiser zur Zeit nur beurlaubt sei, daher nach dem Gesetz nicht in den Rundfunkrat berufen werden könne. Ernst Schellenberg übernimmt von Herbert Wehner den Vorsitz. Kurt Mattick bestätigt die Bedenken von Karl Wienand hinsichtlich einer Berufung von Hermann Reiser in den Rundfunkrat. Die Fraktion stimmt den Vorschlägen des Fraktionsvorstandes zu. Tagesordnungspunkt 15: Rundfunkrat Deutsche Welle Die Fraktion wählt Hans-Jürgen Wischnewski auf Vorschlag des Fraktionsvorstandes in den Rundfunkrat der Deutschen Welle. Herbert Wehner übernimmt wieder den Vorsitz. Tagesordnungspunkt 16: Arbeitsgruppe Vermögensbildung Die Fraktion wählt Philip Rosenthal zum Vorsitzenden der Arbeitsgruppe Vermö- gensbildung. Die weiteren Mitglieder sollen von dem zuständigen Arbeitskreis benannt werden. Herta Däubler-Gmelin bittet die Fraktion, daß in Zukunft Personalvorschläge aus den Arbeitskreisen kommen und dort auch die Themen formuliert werden, bevor die Fraktion darüber beschließt. Tagesordnungspunkt 17: Ausschußumbesetzungen Helga Timm erläutert die Vorlage für die Fraktionssitzung betreffend Ausschußumbe- setzung. Die Fraktion stimmt der Vorlage zu. [D.] Im Anschluß an den Tagesordnungspunkt stellt Herbert Wehner die Frage, ob es zu- treffe, daß eine Sitzung des Strafrechtssonderausschusses während der Haushaltsbera- tung beabsichtigt sei. Adolf Müller-Emmert bestätigt dies und führt aus, daß zur Beratung des Einführungs- gesetzes zum Strafgesetzbuch eine Arbeitsgruppe des Strafrechtssonderausschusses in der kommenden Woche eine Sitzung im Schwarzwald anberaumt habe. Der Antrag zu dieser Sitzung sei bereits im März dieses Jahres gestellt worden. Die Klausurtagung sei notwendig, um den drei Mitgliedern der Arbeitsgruppe unter Vorsitz des CDU/CSU- Abgeordneten Eyrich die Möglichkeit zu geben, ungestört einige Tage den Entwurf zu beraten. Andernfalls könne die Strafrechtsreform am 1.1.1975 nicht in Kraft treten. Er müsse daher auf der Terminplanung beharren. Herbert Wehner bemängelt, daß nicht früher in der Obleutebesprechung über diese Klausurtagung geredet worden sei. Dem widerspricht Hans de With mit dem Hinweis, daß in einer Obleutebesprechung vor ca. 6 Wochen darüber geredet worden sei. Nach weiterer Debatte einigt man sich darauf, daß die Klausurtagung in der Nähe von Bonn (Münstereifel) durchgeführt wird und daß bei notwendigen Abstimmungen die Koali- tionsmitglieder nach Bonn eingeflogen werden. Tagesordnungspunkt 18: Termin

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Die Frage von Hugo Collet, ob die Fraktionssitzung vom 17. Juni auf den Montag verschoben werden könne, wird von Herbert Wehner negativ beantwortet. Tagesordnungspunkt 19: Informationsreise des Sonderausschusses für die Strafrechtsre- form in die USA und nach Großbritannien Adolf Müller-Emmert, Hans de With und Hans Bardens geben der Fraktion einen Bericht über ihre Erfahrungen betreffend die Liberalisierung der Abtreibungsbestim- mungen in London und im Staate New York bzw. in der Stadt New York vom 24. Mai bis 2. Juni 1973. Adolf Müller-Emmert faßt das Ergebnis dahingehend zusammen, 1. die Reise habe weder positive noch negative Aspekte für die eine oder andere der vorgeschlagenen Lösungen bei uns gebracht; 2. es müsse mehr Augenmerk auf eine geplante Schwangerschaft gerichtet werden, dazu sei mehr Aufklärung notwendig; 3. es müßten genaue Vorschriften geschaffen werden für die Ärzte, die den Abort vor- nehmen werden, und auch für die Kliniken, die für die vorzunehmenden Aborte zuge- lassen oder bestellt werden. Dabei sei insbesondere die geschäftliche Seite besonders zu beachten. Hans de With faßt das Ergebnis in 6 Punkten zusammen: 1. in Großbritannien und den USA sei vorerst keine Änderung der gesetzlichen Be- stimmungen zu erwarten,

2. 80 % der Abtreibungen werden in den ersten drei Monaten vorgenommen, 3. die Komplikationsrate sei immer geringer geworden, sie ist geringer als bei Geburten (die Abtreibungsrate ist konstant geblieben), 4. die Zahl der illegalen Aborte sinke, 5. für die Ärzte müsse die Möglichkeit geschaffen werden, Familienplanung vorzube- reiten, 6. bei der Reform des Paragraphen 218 sei darauf zu achten, daß Ärzte und Kranken- häuser in sachlicher und personeller Hinsicht auf die Reform vorbereitet werden. Hans de With verspricht, über die Reise einen Kurzbericht den Mitgliedern der Frakti- on zugehen zu lassen. Hans Bardens zieht folgendes Fazit der Reise: Mit der Reform des Paragraphen 218 müßten die Beratungsdienste gleichzeitig in Gang kommen; er empfehle das New Yorker Modell der Kombination von Vor- und Nach- beratung sowie des möglichen Abbruchs der Schwangerschaft. Weiterhin müsse der Geschäftemacherei mit dem Abort entgegengewirkt werden durch gemeinnützige kommunale Angebote; insbesondere würden bei uns französische und italienische Frauen Opfer der Geschäftsmacherei werden. Die Reform mache auch eine intensive Zusammenarbeit der Bundestagsfraktion mit den SPD-regierten Ländern notwendig. Herta Däubler-Gmelin schlägt vor, in den Arbeitskreisen Recht und Soziales das Er- gebnis der Reise zu beraten. Hans Bardens bejaht die Frage Ostman v. d. Leyes, ob die Zahl der Mehrfachabbrüche in den Vereinigten Staaten zurückgegangen sei.

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