SPD – 07. WP Fraktionssitzung: 12. 12. 1974 (Tonbandtranskript/Kurzprotokoll)

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12. Dezember 1974: Fraktionssitzung (Tonbandtranskript/Kurzprotokoll)

AdsD, SPD-BT-Fraktion 7. WP, 6/TONS000031. Titel: »Fraktionssitzung am 12. 12. 1974«. Beginn: 13.40 Uhr. Aufnahmedauer: 01:12:43. Vorsitz: Wehner.

Sitzungsverlauf: A. Entwurf eines Gesetzes zur Förderung von Investitionen und Beschäftigung. – Antrag der Bundesregierung betr. zusätzlicher Bundesausgaben zur Förderung der Konjunktur. B. Aussprache der Fraktion. C. Bundesminister Franke zu einem Brief des baden-württembergischen Ministerpräsiden- ten Filbinger an den Ersten Sekretär des ZK der DDR, Honecker. [A.] Wehner: Die Sitzung ist eröffnet. Genossinnen und Genossen, sie ist notwendig ge- worden, weil die Fraktion Bericht erhalten soll, und zwar unmittelbar, über das Ergeb- nis der Kabinettsberatungen und Koalitionsgespräche, die heute Mittag ganz vor Kur- zem eben abgeschlossen worden sind mit dem, was im langen Titel »Programm zur Förderung von Beschäftigung und Wachstum bei Stabilität« heißt und in der Kurzfas- sung »stabilitätsgerechter Aufschwung«. Der Vorsitzende der Fraktion und der stell- vertretende Vorsitzende haben an diesen Beratungen teilgenom- men. Meine Auffassung ist, dass dieses hart, ich muss sagen, sehr hart erarbeitete Pro- gramm ein Arbeitsergebnis ist, dass wir guten Gewissens werden vertreten können. und werden hier einleitend berichten. Sie müssen um 14.30 Uhr beim Beginn der Bundespressekonferenz sein. Der Bundeskanzler steht für die Aussprache weiter zur Verfügung, und ich will mir hier erlauben, im Voraus diesen hier eben genannten drei Genossen dafür zu danken, dass sie aus unerhört ermüdenden, lang dauernden Beratungen und unmittelbar vor harten Debat- ten, die im stattfinden werden, der Fraktion zur Verfügung stehen. (Beifall.) Das Wort hat Hans Apel. Apel: Genossinnen und Genossen, das, was ich vorzutragen habe, lässt sich in sieben Punkten zusammenfassen und das sind auch die sieben Punkte, die ich ansprechen werde aus dem von eben angekündigten Programm. Die ersten beiden Punkte sind für die Fraktion weniger interessant, müssen aber draußen vertreten wer- den. Der erste Punkt ist eine Aussage im Programm zur Geldpolitik der Bundesbank. Wir begrüßen in diesem Entwurf die Aussage der Bundesbank, dass sie die Geldmenge 1975 um acht Prozent ausweiten will, um so einen Wachstumspfad möglich zu machen, der gleichzeitig Preisstabilität sicherstellen soll. Zweiter Punkt ist {…}1 (Beginn des Auszugs aus dem Kurzprotokoll.) Hans Apel berichtet: 1. Die Bundesregierung begrüße den Willen der Bundesbank, dem angestrebten Auf- schwung 1975 den notwendigen Geldspielraum zu geben und die Zentralbankmenge im

1 Die Aufnahme ist an dieser Stelle für circa 50 Minuten unterbrochen (0:03:01–0:52:45). Die Redebe- träge von Apel und Arendt sowie die sich anschließende Aussprache der Fraktion werden im Folgen- den nach dem Kurzprotokoll wiedergegeben. Vgl. AdsD, 2/BTFG000085.

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Jahresdurchschnitt um 8 % auszuweiten. Diesen Beschluß habe die Bundesbank im Benehmen mit der Bundesregierung gefaßt. 2. Die Haushalte des Bundes und der Länder seien expansiv zu fahren und sollten teil- weise durch Auflösung von Rücklagen finanziert werden. Damit sollen die öffentlichen Hände einen Beitrag zum Konjunkturaufschwung leisten. 3. Der Bund werde zusätzliche öffentliche Investitionen in der Höhe von 1,13 Milliar- den DM tätigen. Es seien ausschließlich Bundesinvestitionen geplant. Dabei müßten Schwerpunkte gebildet werden, so daß nicht alle Ressorts beteiligt werden könnten. Für die Arbeitsförderung seien 600 Millionen vorgesehen, für die Entwicklung der Energieversorgung 310 Millionen DM, für den Hochbau 230 Millionen DM (gemeint sei Hochbau der verschiedenen Art, davon besonders der Bau für betriebliche Berufs- ausbildungsstätten mit einem Anschlag von 55 Millionen DM), für den Tiefbau 370 Millionen DM, Fahrzeug 115 Millionen DM und sonstiges 55 Mio. DM.

4. Unternehmen, Gewerbe und freie Berufe sollen eine Investitionszulage von 7,5 % erhalten, soweit sie in der Zeit vom 30. 11. ’74 bis zum 30. 6. 1975 neue Anlagen bestel- len. Für bestimmte energiesparende Investitionen sollen künftig unbefristet und zusätz- lich zu den übrigen Zulagen eine Zulage von 7,5 %gewährt werden. Für den Zeitraum vom 30. 11. ’74 bis 30. 6. ’75 handle es sich also um eine Zulage von insgesamt 15 %. 5. Die Absatzmöglichkeiten der Wohnungswirtschaft sollen durch die Gewährung der

Abschreibungsmöglichkeiten nach Paragraph 7 b des Einkommensteuergesetzes auch für Zweiterwerber und durch die Befreiung von der Grunderwerbssteuer bei Zwi- schenerwerb verbessert werden. 6. Für den Küstenschutz biete der Bund im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe zusätz- lich 50 Millionen DM an. Voraussetzung sei allerdings, daß die Länder Komplemen- tärmittel aufbrächten. 7. Kleine und mittlere Unternehmen sollen durch die Bereitstellung von 500 Millionen DM im ERP-Wirtschaftsplan von mindestens einer Milliarde DM Finanzierungshilfen bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau stärker gefördert werden. Mit dieser Maßnahme könne der sogenannte Verlustrücktrag vermieden werden. Walter Arendt trägt dazu ergänzend vor: Die Bundesregierung habe sich für die Erhaltung eines hohen Beschäftigungsstandes ausgesprochen. Aus diesem Grunde enthalte das Programm Mittel zur Erhaltung und Förderung der Beschäftigung. 1. 500 Millionen DM Lohnkostenzuschüsse. Sie solle erhalten, wer vor dem 1. Mai 1975 einen Arbeitslosen nicht nur vorübergehend einstellt. Betroffen seien etwa 90 000 Ar- beitnehmer. 2. Arbeitslose, die vor dem 1. Mai 1975 durch einen Ortswechsel oder einen Berufs- wechsel eine neue Tätigkeit aufnähmen, sollen eine Mobilitätszulage von 100,– DM für jeden Monat der Arbeitslosigkeit bis zu einem halben Jahr erhalten. Dafür stünden 100

Millionen DM bereit. Ca. 200 000 Arbeitnehmer könnten auf diesem Weg vermittelt werden. 3. Durch die Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes soll der Bezug von Kurzarbei- tergeld von 12 auf 24 Monate verdoppelt werden. [B.] In der anschließenden Diskussion will Erhard Mahne wissen, ob sichergestellt sei, daß bei den öffentlichen Investitionen die Verteilung gerechter erfolge als bei dem letzten 250 Millionen-Programm.

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Hans Apel bejaht die Frage und deutet an, daß im Hinblick auf die Wahlen eine Bal- lung erwünscht sei. Die Frage von Horst Krockert, ob ausländische Arbeitnehmer in die Mobilitätszulage eingeschlossenen seien, wird von Walter Arendt bejaht. Die Frage von Hans-Georg Schachtschabel, was in dem ERP-Wirtschaftsplan zur konjunkturpolitischen Absicherung stecke, beantwortet Hans Apel mit dem erläutern- den Hinweis, daß die Konzentrierung auf den Mittelstand für andere Bereiche Geldentzug bedeute. Bundesminister Friderichs2 rechne dies noch nach. Die Frage von Olaf Schwencke nach dem Zeitpunkt der Zulagen-Auszahlung für Ar- beitnehmer beantwortet Walter Arendt, in der folgenden Woche werde eine Vereinba- rung mit der Bundesanstalt für Arbeit unterzeichnet, wonach die Auszahlung sofort beginne. Hans-Jürgen Junghans teilt mit, daß der Arbeitskreis Wirtschaftspolitik in zwei Sit- zungen über ein mögliches Konjunkturprogramm beraten habe. Er danke den Ver- handlungsführern in dem Koalitionsgespräch dafür, da sie die Ergebnisse der AK- Beratungen im wesentlichen durchgesetzt haben. Die Frage von Hubert Weber, ob bei der Berechnung der Arbeitslosenzahlen auch Kurzarbeiter einbezogen werden sollen, wird von Walter Arendt verneint. Hans Urbaniak fragt , ob die 50 Millionen DM Modernisierungsmittel gerecht abfließen könnten. Karl Ravens antwortet, die 50 Millionen sollen als Darlehnsmittel eingesetzt werden. Außerdem würde der soziale Mietwohnbau wieder flottgemacht. Hansmartin Simpfendörfer bittet die Bundesregierung, das Land Baden-Württemberg nicht zu benachteiligen, weil Ministerpräsident Filbinger keine Gelegenheit zum Ge- schrei haben soll. Hans Matthöfer bemerkt, Sozialdemokraten sollten sich auf solche Argumente nicht einlassen. Bayern und Baden-Württemberg würden bei den Forschungsinvestitionen bevorzugt. Uwe Jens will von Hans Matthöfer wissen, ob genügend Mittel für energiesparende Maßnahmen bereitstünden. Hans Matthöfer erklärt, Programmziel sei nicht nur, Konjunktur zu fördern, sondern auch Energie einzusparen. Deshalb stünden genügend Mittel bereit. Heinz Rapp bemerkt, man ginge davon aus, daß die Investitionszulage ca. 6 bis 8 Milli- arden DM ausmache. Man solle kein Kind in die Welt setzen, um das man sich später nicht mehr kümmere. Er empfiehlt ein Meldesystem anzuhängen, das Transparenz des Mitteleinsatzes gewährleiste. Hans Apel rät davon ab und fügt die Bemerkung an, ohne Herbert Wehner und Her- bert Ehrenberg wäre man nicht über die Runden gekommen, weil die Verhandlungen mit dem Koalitionspartner schwer waren. Die Frage von Andreas von Bülow, ob in dem Investitionsprogramm auch Bahnhöfe der Deutschen Bundesbahn berücksichtigt seien, wird von bejaht. Herbert Ehrenberg nimmt erneut Bezug auf die Forderung von Heinz Rapp und bit- tet, sie aus Koalitionsgründen nicht weiter zu verfolgen. Vor allem sollten statistische Zwecke zurückgestellt werden.

2 , deutscher Politiker der FDP, Bundesminister für Wirtschaft.

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Friedhelm Halfmeier möchte wissen, ob Großinvestitionen begrenzt werden sollen. Karl Haehser sieht keinen Grund, sie zu begrenzen. Hubert Weber gibt der Hoffnung Ausdruck, daß mit den Lohnzuschüssen kein Miß- brauch getrieben werden könne. Norbert Gansel bedauert, daß im öffentlichen Nahverkehr nur die Deutsche Bundes- bahn berücksichtigt worden sei und nicht auch andere Verkehrsträger. Er empfindet es als schlecht, daß Banken, die Wohnungsbau betrieben, an der Begünstigung des Para- graphen 7 Einkommensteuergesetz teilnähmen (Ende des Auszugs aus dem Kurzprotokoll.) Schmidt (): {…} und ich muss darauf hinweisen, dass diese Investitionszulage, die ja genau konstruiert ist nach dem Paragraphen 6 des Stabilitäts- {…} für jede zusätz- liche Investition des Bundes voraussetzt, dass diese schon bisher in der mittelfristigen Finanzplanung enthalten war. Eine gesetzliche Barriere, die man hier nicht einfach überspringen kann. Zweite Einzelbemerkung. Ich hab’ an einer beifälligen Aufnahme {…}, dass es wohl notwendig wäre, zurückzukommen auf die Frage des Verlustrücktrages oder des soge- nannten Carryback. Als der Hans erwähnt hat, dass wir übereingekommen sind, das nicht ins Programm reinzuschreiben, gab es Beifall, und ich muss die Fraktion damit bekanntmachen, dass ich morgen vor dem Deutschen Bundestag sagen werde, dass wir dies an sich mit Sympathie betrachten, dass wir es prüfen werden und dass wir die Ab- sicht haben, wenn die Prüfung zu einem positiven Ergebnis führt, es zukünftig dauer- haft ins Einkommens- und Körperschaftsrecht hineinzuschreiben. Wenn das jetzt machbar gewesen wäre, wären jedenfalls die sozialdemokratischen Beteiligten an dem Koalitionsgespräch und die sozialdemokratischen Bundesminister bereit gewesen, bei einer Begrenzung bis zu fünf Millionen Rücktrag dies mitzumachen, weil es ja insbe- sondere dem kleinen Einzelhandel, dem Gewerbe, dem Handwerk, den mittelständi- schen Unternehmen, die zum Teil in aktueller Liquiditätsklemme sich befinden, gehol- fen haben würde. Es stellt sich aber heraus, dass dies Materien sind, die außerordentli- che Vorarbeit verlangen, dass sie insbesondere begleitet sind mit einem gegenwärtig nicht abgreifbaren Steuerausfallrisiko im Jahr der Umstellung. Dass das später wieder hereinkommt, ist eine ganz andere Frage, aber im Jahr der Umstellung ’75, in dem oh- nehin der Bundeshaushalt und die anderen öffentlichen Haushalte mit beträchtlichen Risiken belastet sind, erschien es uns nicht zweckmäßig, ein zusätzliches Risiko auf uns zu nehmen, das man mit guten Gründen auf ’ne Größenordnung zwischen 50 und 100 Millionen geschätzt hat und mit ebenso guten Gründen auf eine Größenordnung über eine Milliarde schätzen konnte. Grundsätzlich für die Zukunft werden wir versuchen, diesem Gedanken näherzutreten, den viele andere Industriegesellschaften in einem größeren Maße, als er bisher hier bei uns debattiert worden ist, schon verwirklicht haben. Das heißt nicht, dass nicht am Freitag, also morgen in der Bundestagsdebatte, wie ich hoffe, der Vorsitzende der CSU in diesem wie in seinen übrigen Punkten gewaltig welche auf den Deckel kriegen muss. Wenn man das zusammenzählt, was dieser Mann in einem Aufsatz auf der ersten Seite des »Handelsblatts« zusammengeschrieben hat, würde ich mich nicht wundern, wenn damit die öffentlichen Haushalte insgesamt um 17, 18, 20 Milliarden in einem einzigen Jahr verringert würden. Das ist dummes Zeug, was der aufgeschrieben hat, und es be- darf, wie ich hoffe, nicht noch besonderer Ermunterung, dass ihm das fachlich deutlich und klar und so, dass es der Mann auf der Straße auch noch verstehen kann, bewiesen

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wird, welch eine Leichtfertigkeit und welch ein Unfug das ist, den der da in die Welt setzt. Nun aber zu meiner allgemeinen Bemerkung. Zu meiner allgemeinen Bemerkung. Liebe Freunde, ihr habt gestern im Bundestag aus der Wortwahl in der Regierungser- klärung deutlich, wie ich annehme, heraushören können, dass in Washington, in Lon- don, auf diesem Regierungscheftreffen in Paris, dass überall eine große Besorgnis be- steht, dass aus der Weltrezession etwas Schlimmeres würde. Wir wissen, dass wir zu beinahe einem Viertel mit unserer Beschäftigung abhängen von unseren Exportmög- lichkeiten, das heißt von den Importmöglichkeiten der anderen. Wir sind sehr abhän- gig. Es ist, wie ich freimütig einräumen will, wegen der unsicheren und unübersichtli- chen Entwicklung in der Welt nicht mit letzter Sicherheit die Hand zum Schwur zu erheben, dieses Programm werde im Laufe einer angemessenen Frist Vollbeschäftigung in unserem Lande herstellen. Das nicht. Auf der anderen Seite hätten wir aber allen Grund, uns selber und unseren Freunden und Kollegen in der Gewerkschaft, im Orts- verein, im Unterbezirk, jedem, mit dem wir sprechen, mit all dem Selbstbewusstsein entgegentreten, das wir haben dürfen auf der Grundlage des niedrigen Preis{…}, den wir heute haben, und der Grundlage dieses Programms, mit dem wir nun in die Sache reingehen. Die Wirkungen, die quantitativen Wirkungen werden nicht in wenigen Wo- chen entstehen. Sicherlich wird sich zum 30. Juno bei einer großen Zahl von Investiti- onsgüter herstellenden Unternehmen, bei einer großen Zahl von Tiefbau- und Hoch- bauunternehmen einiges in den Auftragsbüchern verändern und damit wird sich die Psychologie verändern. Unsere Hauptaufgabe im Lauf der nächsten drei, vier Monate ist, dazu beizutragen, dass die Psychologie sich verändert. Herbert Ehrenberg wird, gestützt auf die drei Fachministerien, um die es hier im We- sentlichen geht, und gemeinsam mit dem entsprechenden Kollegen aus der FDP- Fraktion – wie ich annehme, in wenigen Tagen – ein Argumentationspapier für diejeni- gen erarbeiten und bereitlegen, die nicht die ganze Fachdebatte der letzten drei, vier Wochen mit haben verfolgen können und im Augenblick vielleicht nicht alles so ganz klar vor Augen haben, auch dann noch nicht ganz klar durchsehen, wenn das Papier, das das Kabinett verabschiedet hat heute Mittag, im Lauf des Nachmittags in Rein- schrift in euren Fächern liegen wird. Ich wollte nur herzlich darum bitten, zusätzlich Gelegenheiten zu schaffen, zum Teil jetzt noch in den letzten beiden Wochen vor Weihnachten, auf jeden Fall neue aufzunehmen im Januar, Gelegenheiten herbeizufüh- ren, um die erwartete Wirkung dieses Programms in die Breite zu tragen. Die psycho- logische Wirkung ist die entscheidende, wie ja auch der Investitionsrückgang in den privaten Unternehmen zu einem erheblichen Teil psychologisch bedingt ist. Es ist die Besorgnis dessen, was man da aus der Welt auf sich zukommen hört. Zum Beispiel werden wir hier, abgesehen davon, dass Arendt und Apel und Friderichs im Augenblick vor der Bundespressekonferenz stehen und dass wir morgen eine Regierungserklärung machen mit Plenardebatte, unabhängig davon werden die wichtigen Gewerkschaftsvor- sitzenden von den Gewerkschaften, die im Markte stehen – ich rede nicht von denen im öffentlichen Dienst, die sind hier im Augenblick nicht gefragt, das kommt auch noch wieder –, die werden heute mit Arendt und Schmidt sich zusammensetzen, und wir werden miteinander reden und dafür sorgen, dass sie in die Lage versetzt werden, das in ihrem Bereich richtig darzustellen. Zum Beispiel wird Friderichs die führenden Unter- nehmer zusammenbitten in dieser Woche, um mit denen zu reden. Zum Beispiel wird Friderichs nach Nordrhein-Westfalen gehen, um dort die Energieinvestitionen an Ort und Stelle zu verkaufen. Ich gebe da nur so ein paar Hinweise mit der herzlichen Bitte, dass jeder sich hier ange- sprochen fühlen möge, mit seinem Bezirk und Unterbezirk, mit seiner heimatlichen

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Landtagsfraktion, mit allen, die in Betracht kommen, Gelegenheiten herbeizuführen, zu schaffen, zu veranstalten, damit dies hier richtig unter die Leute gebracht wird. Die Überschrift, die wir uns wünschen möchten, das Schlagwort sozusagen, ist dies: Wir steuern einen stabilitätsgerechten Aufschwung an. Ich habe das Wort Stabilität nie so verstanden wie gewisse Modeapostel, die darunter immer nur die Preise verstanden. Ich habe durchaus darunter immer die Beschäftigung mitverstanden und ich glaube, das sollte jeder von uns dann auch so tun in den nächsten Wochen und Monaten. (Vereinzelter Beifall.) Mir liegt nur herzlich daran, hier jedermann deutlich zu machen, gegenüber Arbeit- nehmern, auch gegenüber den Unternehmern etwa in der Bauwirtschaft, den Hand- werkern und anderswo, dass wir alle dazu beitragen müssen, dass die psychologische Schwelle überwunden wird, vor der heute viele stehen, Arbeitnehmer sowohl wie Un- ternehmer. Um diese Mitarbeit wollte ich herzlich bitten. (Starker Beifall.) Wehner: Genossen, ich habe schon am Anfang gesagt, dass wir den drei Mitgliedern der Regierung, die hier teils einführend, teils jetzt Helmut in einer Schlussbemerkung uns zur Verfügung gestanden haben, herzlich danken, wie auch den anderen, die hier in der Debatte mitgewirkt und zur Verfügung gestanden haben. Ich wollte nur noch auf eines hinweisen. Wenn und das ist eine Frage des sehr bald, das, was eben hier ein Argumentationspapier genannt worden ist, eine klare fassliche Über- sicht über das, was da drinsteckt, zur Verfügung steht, dann sollten wir nie vergessen, in dem Zusammenhang mit diesen Bemühungen, stabil gerechten Aufschwung zustan- de zu bringen, die positiven Ergebnisse der Politik, die die Preisentwicklung beeinflusst haben, ferner die Steuerreform und die Realeinkommenssteigerung mit Beginn des Jahres und natürlich dabei das Kindergeld mit [zu] nennen, das gehört zusammen in dieses {…} weil, und das sagt auch und das wird auch heute in der Pressekonferenz gesagt werden, das {…} ja ebenso wie jenes Sonderprogramm, was jetzt im Laufen ist, und die konjunkturstützende Steigerung der öffentlichen Haushalte für die gesamtwirt- schaftliche Nachfrage im kommenden Jahr und besonders für den privaten und öffent- lichen Verbrauch schon erhebliche Impulse geben werden. Ich will aber die Diskussion nicht verlängern. Ich wollte nur, weil Simpfendörfer vorhin eine so schwerwiegende Frage in bezug auf die Wirkung der wiederholten Klagen des baden-württembergischen Ministerpräsidenten hier vorgebracht hat, bitten, etwas zu erläutern zu einer anderen Aktivität des besagten Herrn Ministerpräsi- denten, damit unsere Freunde, die in seinem Bereich zu wohnen die Mühe haben, (Heiterkeit.) wissen, was es sonst mit ihm ist. Egon Franke. [C.] Franke: Genossinnen und Genossen, heute steht in dieser Zeitung mit dieser spektaku- lären Überschrift etwas, was durchaus zulässt zu sagen, dass Herr Filbinger sich mit fremden Federn schmückt, und geradezu in skandalöser Weise den Eindruck erweckt, als genüge es nur, dass er an Herrn Honecker einen Brief schreibt, um ein Liebespaar zusammenzuführen. Es [ist] geradezu unverantwortlich, wie dieser Mann da gehandelt hat. Hier geht es um einen Fall, da ist ein junges Paar, hat sich kennengelernt im Aus- land, sie haben versucht, über die Tschechoslowakei zu entkommen. Dabei ist das Mädchen, das beteiligte Mädchen in Haft geraten, wurde dort eingesperrt, der junge Mann auch und sofort, als das bekannt wurde, haben die Stellen, die sich immer darum

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kümmern müssen, sich damit beschäftigt. Das ist im Herbst ’73 der Fall gewesen. Seit Januar ’74 haben wir mit den entsprechenden Stellen bereits Klarheit darüber geschaf- fen, dass, sobald es geht – das dauert länger, weil es nicht nur Einzelfälle sind –, eine Regelung erfolgt zugunsten dieser Beteiligten. Herr Filbinger hat zu irgendeinem Zeit- punkt, der später lag, viel später lag, im August – dies war schon im Januar ’74 –, im August ’74 hat er an Honecker geschrieben und noch zu einem späteren Zeitpunkt hat sein Büro informationshalber uns mitgeteilt, welche Schritte er unternommen hätte, um eine humanitäre Angelegenheit in Ordnung zu bringen. Daraufhin haben wir seinem Büro umgehend mitgeteilt, dass uns der Fall bekannt ist, dass wir uns eingeschaltet haben und dass in absehbarer Zeit, Tag konnten wir natürlich nicht angeben, sich eine Lösung bereits ergeben hat. Das ist der Tatbestand. Honecker macht das manchmal so, dass er Abgeordneten schreibt, aber er erkundigt sich vorher ganz genau danach, wie denn die internen Vor- bereitungen zur Entlassung der entsprechenden, bei ihnen inhaftierten Leute sind. Er hat einen Zwischenbescheid an Filbinger gegeben, er könnte im Augenblick noch nichts sagen, das würde noch überprüft. Die Bürgerin, um die es da geht, aus der DDR, befin- de sich nicht auf dem Boden der DDR. Sie war damals in Haft in Prag. Da hatten wir aber schon Kontakte dazu und zu einem späteren Zeitpunkt, als er wusste, dass das schon geregelt war, hat er sich dann diese Federn an den Hut gesteckt, als hätte seine Initiative bewirkt, dass zwei Leute freikamen. Ich will nichts zu der Größenordnung sagen, die Jahr für Jahr durch diese Bemühungen, die sehr umständlich und sehr schwierig sind, die Zahl derer, die daran beteiligt sind und die hierherkommen können, aber diese zwei sind demgegenüber ein ganz verschwindend geringer Bruchteil. Ich wollte nur sagen, diese Art von Herrn Filbinger ist insofern niederträchtig, weil es kaum möglich sein wird, bei den weiteren Verhandlungen mit der anderen Seite unter völliger Ignoranz dieses Vorganges zu Ergebnissen kommen zu können. Er hat wegen billiger Popularitätshascherei die Chancen vermindert, für Hunderte anderer Fälle eine leichtere Regelung herbeiführen zu können. (Vereinzelter Beifall.) Ich finde, bei allem Verständnis dafür, dass Politiker bereit sind, viele Wege zu gehen, um die Publicity für sich nutzbar zu machen, dieses Kapitel das ungeeignetste ist, um damit sich schmücken zu können. Ich wollte das nur unseren Freunden in Baden- Württemberg sagen, damit sie nicht vor Herrn Filbinger immer nur katzbuckeln, son- dern ihn auch mal gebührend treten, ja und nicht immer nur sagen, das können wir nicht noch mal aushalten, wenn Herr Filbinger was sagt, geht in Baden-Württemberg alles anders herum. Hier habt ihr ein gutes Argument, um mal zu zeigen, wie wenig er insgesamt bereit ist, für die Belange, an denen wir allgemein interessiert sein sollten, zu tun. Wehner: Danke, Egon Franke. Da war vorhin noch eine Wortmeldung, zu welchem Punkt? . Offergeld: Kurze profane Frage. Gibt’s schon Vorstellungen über die parlamentarische Abwicklung dieses ganzen Konjunkturpakets? Auf was müssen wir uns da einrichten nächste Woche? Wehner: Bitte. Schmidt (Hamburg): Es handelt sich um mehrere Gesetzesvorlagen. Die Koalition hat verabredet, dass diese Gesetzesvorlagen initiativ durch die beiden Fraktionen einge- bracht werden. Soweit es sich um Rechtsverordnungen handelt, wird die Bundesregie- rung handeln.

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(Zwischenruf.) Da müsst ihr euch dann bitte lieber an den Fraktionsgeschäftsführer wenden. Das will ich lieber nicht aus dem Handgelenk beantworten. Wehner: Ich gehe davon aus, dass wir die Vorlagen, soweit es sich um Gesetz{…} han- delt, es sind wohl zwei, dass wir die noch, wenn nicht heute so morgen haben werden, und dass wir dann sofort weitermachen und überlegen, was wir davon in zweiter und dritter Lesung so schnell wie möglich werden zurande bringen. Dazu Manfred Schulte. Schulte: Genossinnen und Genossen, zunächst eine Information. Wir beginnen im Plenum auf Wunsch der CDU/CSU erst wieder um 15.30 Uhr. Wir haben also noch ein kleines bisschen Luft. Ich mache sofort darauf aufmerksam, dass ab 15.30 Uhr un- unterbrochen ganze Serien von Abstimmungen kommen, die wir alle bestehen müssen, und wir werden durch die zeitliche Verschiebung Beratung Hochschulrahmengesetz sicherlich bis in die späten Abendstunden hier sein müssen. Es geht immer um zweite und dritte Lesungen, wo wir volle Präsenz brauchen. Bitte entfernt euch nicht zu weit vom Plenarsaal! Jetzt zu dieser Frage. Es gibt eine interfraktionelle Vereinbarung, dass die Gesetze, mit denen sich der Bundestag zu beschäftigen hat, initiativ, und zwar morgen in erster Le- sung eingebracht werden. Dann steht die Frage an, wann können sich die Ausschüsse damit beschäftigen? Da gäbe es die Möglichkeit, entweder den Montag oder Dienstag dazu zu verwenden oder aber den Mittwoch. Der Mittwoch hängt aber ab von einigen anderen Dispositionen. Die CDU hat in einem ersten Gespräch angedeutet, und ich habe auch mit Werner Mertes von der FDP darüber gesprochen, dass sie den Mittwoch bevorzugen würde, damit sie fraktionsintern noch die Chance hätte, diese Dinge vor- zuberaten und sie würde das dann von sich aus versuchen, mit so einzurichten, dass keine parlamentarischen Schwierigkeiten entstehen, auch in den Ausschüssen tatsäch- lich zu tagen. Unter Umständen geht aus dieser Andeutung hervor, dass sie vielleicht – wie ich das schon mal hier angedeutet habe – wie es bei vernünftiger Überlegung auch möglich wäre, dann auf die Große Anfrage zur Deutschlandpolitik vor Weihnachten verzichten wird. Dann wären die Dinge so zu realisieren und wir würden den Mitt- woch ansteuern. Das hieße für die beiden Gesetze, dass wenn wir sie Mittwoch im Ausschuss haben, wir sie am Donnerstagmorgen um neun verabschieden und dann in einem Arrangement mit dem Bundesrat sofort herübergeben. Das hat es in der Vergan- genheit schon öfter gegeben, dass wir das am selben Tage gemacht haben. Darüber werdet ihr sofort unterrichtet, sobald wir definitive Absprachen darüber haben. Wehner: Wird das Wort dazu gewünscht? Nicht der Fall. Dann danke ich und schließe die Sitzung.

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