rer Mehrheit in Bayern der CDU in CSU Bonn die Macht gesichert hat, wankt ja ohnehin schon. Fünf Jahre nach dem Tod des gro- ßen Vorsitzenden sickern allmählich Das Gesetz des die Feinheiten des Amigo-Systems durch. Da wurde bislang geschwiegen, weil jeder von jedem etwas wußte, was nicht ans Licht der Öffentlichkeit soll- Schweigens te. Nun hat Stoiber gegen eines der obersten Gebote des Meisters versto- Immer neue Geschichten aus dem Affären-Sumpf der CSU erschüttern ßen: „Keine Wirkung zeigen.“ die Partei. Ministerpräsident Stoiber kämpft gegen den alten Stoiber fing an auszupacken und, um seine eigene Unschuld herauszukehren, Filz aus den Zeiten des Franz Josef Strauß. Doch er gerät unter den Druck von den Stiftungsgeldern zu plaudern. der Parteifreunde – und er selber hängt auch mit drin. Walter Schöll, millionenschwerer Pen- sionär und einst enger Berater des Herrschers Strauß, griff zum Vokabu- ie Stimmung in der CSU-Vor- ger von Peter Gauweiler mit dem lar der Mafia, als er vorigen Montag standssitzung am Montag vor einer bayerischen Umweltministerium be- Stoibers Verstöße gegen das Gesetz DWoche war eisig. traut, zu Wort meldete: Die Zeit sei des Schweigens anprangerte: „Er hat Parteichef Theo Waigel stellte den reif „für einen absoluten Neuanfang die ,Omerta`‘ gebrochen. Das wird sich Ministerpräsidenten der CSU“. rächen.“ zur Rede: Was habe ihn bloß dazu ge- Wohl wahr. Ausmisten ist überfällig Das Gesetz des Schweigens brechen trieben, seine beiden Amtsvorgänger in jener Spezln-Partei, die sich seit nun auch andere. Mitwisser fühlen sich und Franz Josef Strauß Jahrzehnten bis in jeden Winkel des ermutigt, die Affären der CSU offen- bloßzustellen, die als Testamentsvoll- weißblauen Freistaates breitgemacht zulegen. strecker Nebeneinkünfte bis zu 300 000 hat. Da ist die Affäre des heutigen stell- Mark pro Jahr kassierten? Um selbst als Doch mit solchen Wahrheiten könn- vertretenden CSU-Vorsitzenden Ge- Saubermann dazustehen, weil er den te Stoiber seine Partei überfordern. rold Tandler. Unter der Verantwor- Job abgelehnt hatte? Der Ministerpräsident riskiert viel: tung Tandlers als bayerischer Finanz- Stoiber wand sich. Es habe in der Stif- Will er sich wirklich der Erblast Strauß minister war 1990 ein Deal mit Zwick tungsangelegenheit Anfragen aus der entledigen und offenbart er einen gro- ausgehandelt worden: Gegen eine Zah- Presse gegeben, da sei er Veröffentli- ßen Teil der Machenschaften aus der lung von 8,3 Millionen Mark hatte die chungen lieber zuvorgekommen. Ein Clique des einst von ihm vergötterten Finanzverwaltung die Gesamtforderung Waigel-Mitarbeiter überprüfte anschlie- Chefs, könnten die Wähler voll Entset- des Staates in Höhe von 70 Millionen ßend die Angaben des Ministerpräsi- zen die Strauß-Partei mit Stimmentzug Mark niedergeschlagen. denten und stellte fest, sie stimmten abstrafen. Immer neue Einzelheiten kommen nicht: „Es gab keine Recherchen.“ Die bayerische CSU, vermeintlich ans Licht: Tandler und der alte Zwick Dabei war der Regierungschef doch uneinnehmbare Bastion der Christen- hielten geschäftlich zusammen, auch vom CSU-Vorsitzenden gerade erst zur union, die in der Vergangenheit mit ih- als der in die Schweiz geflohene Heiß- Wahrheit angehalten worden. Nach der SPIEGEL-Veröf- fentlichung über Stoibers Ami- go-Connection mit dem Steu- erflüchtling Eduard Zwick (SPIEGEL 8/1994) wäre es besser gewesen, so Waigel im Vorstand, wenn Stoiber nicht behauptet hätte, Zwick gar nicht zu kennen. Die Behauptung, schimpfte Waigel, sei doch offenkundig falsch. Sie wirke so, als habe Stoiber etwas zu verbergen. Dann empfahl der Partei- chef dem Regenten: „Die rich- tige Verteidigungslinie wäre gewesen, du hättest gesagt, du hast mit der Steuersache Zwick nichts zu tun.“ Stoiber gab Waigel kleinlaut recht. Mit kaum gezügelter Wut verfolgte die Mehrheit der Vorständler die schwächliche Vorstellung des bayerischen Regierungschefs. Die Stim- mung wurde noch mieser, als sich Stoibers Gefolgsmann , als Nachfol- CSU-Politiker Stoiber, Chef Strauß (1987): Den Meister bloßgestellt

DER SPIEGEL 11/1994 25 DEUTSCHLAND wassermogul daheim längst zur Fest- nahme ausgeschrieben war. Ein gemeinsames Unternehmen, die Internat GmbH & Co. Ver- mietungs- und Verpachtungs-KG in Altötting, mit der offiziell der Bau ei- nes Internatsgebäudes per Fremdfinan- zierung betrieben wurde, diente allem Anschein nach auch anderen Zwecken: Zwick nutzte die Gesellschaft für Steu- erabschreibungen; Tandler, der in den achtziger Jahren zeitweise 13 Millionen Mark Schulden hatte, konnte sich über die Firma Kredite verschaffen – dank Bürgschaft von Eduard Zwick. Beide trennten sich von der Bavaria Internat wieder mit einem Trick. Erst zog sich Zwick zurück: Er verkaufte seinen Anteil für eine symbolische Mark an die Tandler-Ehefrau Gabrie- le. Tatsächlich erzielte er damit indi- rekt einen Vorteil in der Höhe seines negativen Kapitalkontos bei der Bava- ria – er wurde ein Minus von 1,3 Mil- lionen los. Gleich darauf, im Jahre 1985, ver- kauften die Tandlers die komplette, angeblich wertlose Bavaria für 5,4 Mil- lionen Mark an den Leiter der Tand- Amigos Tandler, Strauß, Zwick senior*: „Keine Wirkung zeigen“ lerschen Hotelfachschule, Konrad Ries. Laut Tandler wurden mit dem 1988, lange war die Bavaria verkauft, Der Minister sei bereit, mit Herrn Dr. Betrag lediglich die Bankschulden be- bescheinigte die Landshuter Hypobank Zwick Möglichkeiten der Aufhebung glichen, die aus dem Bau des Internats Zwick, daß seine Verpflichtung als Bür- des Haftbefehls (Dr. med. Eduard entstanden waren. Doch womöglich ist ge sich mittlerweile auf 1 107 666,35 Zwick) zu erörtern und den gesamten auch für ihn ein Veräußerungsgewinn Mark belaufe. Komplex der Strafverfolgung mit einzu- abgeflossen. Die Vergangenheit holt Stoibers Par- beziehen. Nach Einschätzung des bayerischen tei auch anderweitig ein. Der Vorsitzen- Finanzministeriums anhand des Schul- de des CSU-Bezirks Oberpfalz, der Der Minister sei bereit, alles in seiner denanteils von Zwick war die Bavaria- Landtagsabgeordnete August Lang, ge- Macht Stehende zu tun, um entspre- Gesellschaft nur mit rund drei Millio- rät ins Zwielicht. In seiner Zeit als Ju- chenden Einfluß zu nehmen. Dabei ge- nen Mark belastet – folglich müßten stizminister soll Lang versucht haben, he er weit über die Grenze seiner mini- 2,4 Millionen übriggeblieben sein. aus der Not der Familie Zwick – Vater steriellen Einflußmöglichkeiten hinaus. Tandler wird auch erklären müssen, Eduard wurde mit Haftbefehl gesucht Eingesetzt werden sollten auch persön- in welchem Umfang er die Bürgschaft und hatte sich in die Schweiz abgesetzt – liche Kontakte und nicht zuletzt die Ent- ausgenutzt hat, die Zwick 1980 in Hö- Kapital zu schlagen. wicklung eines realisierbaren Weges, he einer halben Million Mark für die In einem Aktenvermerk hat Junior der Ministerpräsident Strauß vorge- gemeinsame Firma übernommen hatte. Johannes Zwick eine Begebenheit im schlagen werden solle. Strauß werde Sommer 1986 festhal- dann über die entsprechenden Kontak- ten lassen und den Text te Anweisungen geben. später durch eine eides- Fischer schlug damals für den konspi- stattliche Versicherung rativen Treff einen Parkplatz im Ober- bekräftigt. Den Ver- pfälzer Wald vor. Als Zwick am Treff- merk habe er, so gibt er punkt erschien, forderte ihn der Mann an, unmittelbar nach vom Bayernkurier auf, seinen Wagen dem Vorfall einem stehenzulassen und zu ihm umzusteigen. Vertrauten diktiert: Fast eine Stunde, berichtet Zwick, sei Herr Fischer, Bayern- er kreuz und quer durch den Wald ge- kurier, Akquisiteur fahren worden. Die Reise endete im Pri- und Werber von Abon- vathaus von Minister Lang. nements, meldete Der Minister sei, so Zwicks Erinne- sich telefonisch bei rung, auf den Besuch vorbereitet gewe- Dr. med. Johannes sen. Ausführlich habe Lang im einzel- Zwick. Es sei ihm ge- nen die Möglichkeiten geschildert, für lungen, einen Ge- den Senior etwas zu tun. Zwick junior: heimtermin bei Herrn Immer wieder stellte er die Problematik Justizminister August in den Vordergrund, wie schwierig es Lang zu arrangieren. für ihn sei . . . tätig zu werden. Die poli- * 1980 auf der Terrasse von tische Situation habe sich geändert. Es Ex-Justizminister Lang: Hilfe gegen Spende? Zwicks Villa in Südfrankreich. sei auch für einen Justizminister nicht

26 DER SPIEGEL 11/1994 einfach, bei so schwerwiegenden Be- nichts. Zwick junior muß weiter sitzen. Verband. Welcher Beamte wagt es schuldigungen auf die Staatsanwalt- Die Staatsanwaltschaft legte erfolgreich schon, einem Verbandssyndikus etwas schaft Einfluß auszuüben. Man müsse Beschwerde ein. abzuschlagen, wenn der zugleich Gene- dabei sehr sorgfältig vorgehen. Auch dem bayerischen Finanzmini- ralsekretär der regierenden Partei ist ster Georg von Waldenfels ist der Ju- und Einfluß ausüben könnte über die ei- Lang soll dem Besucher Hoffnung stizfall Zwick nicht mehr ganz geheuer: gene Regierung. gemacht haben: Wenn „absolute Ver- „Es ist schon ein Skandal, wenn man , Nachfolger Stoibers traulichkeit“ (Zwick) garantiert sei, sich am Sohn schadlos hält, weil man als CSU-Generalsekretär, fand so etwas könne er schon jetzt zusagen, daß dem den Vater nicht bekommen hat.“ wohl auch nicht in Ordnung, er lehnte Vater geholfen werden könne – beson- Der Minister in Stoibers Kabinett jedenfalls eine anwaltliche Nebentätig- ders, so habe Lang laut Zwick gesagt, hält die fortdauernde Inhaftierung des keit ab. Die wäre zwar zulässig gewesen. „da er sich der Unterstützung von Mi- Juniors für eine „nicht angemessene Er aber habe sich „lieber ganz auf meine nisterpräsident Strauß sicher sei“. Härte“. Er sei bereit, den jungen Funktion konzentriert“. Laut Zwicks Memo habe Lang ver- Zwick in der Haftanstalt in Landshut Und bald nach Amtsantritt von Wies- sprochen, er werde zunächst versu- zu besuchen. „Ich habe da überhaupt heu endete in der Parteizentrale auch chen, „den Haftbefehl wegzubekom- keine Berührungsangst.“ Vielleicht die Tätigkeit der Sachbearbeiterin Han- men“. könne er im Zwiegespräch zu einem nelore Stein, geborene Stoiber. Dann sei der CSU-Minister zur Sa- günstigen Ausgang der Angelegenheit Bruder Edi hatte die Schwester mitge- che gekommen. Zwick diktierte: „Er beitragen. bracht, sie mit Organisationsfragen be- schilderte die schwierige finanzielle Si- Auch Stoibers Gegner ziehen neue traut, ihr die Zuständigkeit für seinen tuation der Oberpfälzer CSU. Man sei Geschichten aus dem Affärensumpf Stimmkreis Miesbach übertragen und auf großzügige Spender angewiesen. Hier nun könne Dr. Zwick im gemein- samen Interesse einen Beitrag leisten.“ Rolf Horst Fischer, Ex-Geschäfts- führer der CSU Oberpfalz, bestätigt den Treff im Wald. Zwar habe er Zwick bei Lang eingeführt. Er habe aber an dem Gespräch nicht teilge- nommen. Auch Lang bestätigte vorigen Mitt- woch, die beiden seien bei ihm gewe- Stoiber entsprach den eigenen Maßstäben längst nicht immer sen, es sei um die Aufhebung des Haft- befehls gegangen. Nur über Geld habe man nicht geredet. Er habe jedenfalls nichts verlangt. „Ich hätte Zwick zur Tür hinaus befördert, wenn er auch nur eine Andeutung gemacht hätte, daß er im Gegenzug eine Spende geben wür- Rivalen Stoiber, Waigel: Eisige Stimmung de.“ Lang bleibt dabei: Er habe sich „stets der CSU: solche, in denen der Minister- sie von der Partei bezahlen lassen. korrekt verhalten“. In seiner Amtszeit präsident vorkommt. So sickerte vorige Nachfolger Wiesheu benötigte keine ei- sei der Haftbefehl nicht aufgehoben Woche durch, Stoiber habe einst in be- gene Wahlkreisbetreuerin: „Das hat bei worden. Das hätten im Jahre 1987 denklicher Weise politische Funktionen mir die Sekretärin mit erledigt.“ „andere gemacht“. und geschäftliche Interessen miteinan- Stoiber brachte dann seine Hannelore Zwick junior wurde am 11. Januar der vermischt, seinen eigenen Maßstä- im teilstaatlichen Rüstungskonzern dieses Jahres festgenommen. Auch ihm ben längst nicht immer entsprochen. MBB unter. Sepp Hort, damals als stell- wurde Steuerhinterziehung vorgewor- Im Frühjahr 1978 verdingte sich Stoi- vertretender Geschäftsführer zuständig fen. Erst ging es um 110 Millionen, in- ber als Syndikus der Lotto-Toto-Ver- für Außenbeziehungen, erinnert sich ei- zwischen nur noch um Beihilfe zur Hin- triebsgemeinschaft und des Fachverban- ner „massiven Intervention von Herrn terziehung von 22 Millionen. des Lotto-Toto-Lotterie in Bayern e.V. Stoiber für seine Schwester“. Der habe Das Landgericht Landshut war am 23. Den einträglichen Job behielt Rechtsan- er, so Hort, nachgegeben „im Zusam- Februar bereit, den U-Häftling laufen walt Stoiber bei, als er im November menhang, daß der Bruder in die Staats- zu lassen, allerdings unter einer Bedin- 1978 von Strauß zum CSU-Generalse- kanzlei ging“. gung: „Der Beschuldigte hat beim kretär bestellt wurde, und er blieb im Verboten ist solche geschwisterliche Amtsgericht Landshut eine Sicherheits- Nebenberuf bis Oktober 1982, bis zu Fürsorge nicht. Doch sie bringt Stoiber leistung in Höhe von 60 Millionen DM seinem Amtsantritt als Leiter der Staats- in das Zwielicht, in dem ihn seine Geg- in barem Geld zu hinterlegen.“ kanzlei. ner haben wollen: Auch der Minister- CSU-Generalsekretär In Bayern ist die Lotterie ein staatli- präsident ist verstrickt im dicken Filz kam darüber ins Sinnieren, ob sich Bay- ches Unternehmen, untersteht dem der Staatspartei. ern „nicht lächerlich macht, 60 Millio- bayerischen Staatsministerium der Fi- So einfach ist es eben nicht, sich von nen in bar – die höchste Kaution, die je nanzen. Partner ist der privatwirtschaft- der Erbschaft des großen FJS zu befrei- gefordert wurde“. Es half ohnehin lich organisierte Lotto-Toto-Lotterie- en. Y

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