Dr. Thomas Goppel Bayerischer Staatsminister Für Wissenschaft, Forschung Und Kunst Im Gespräch Mit Werner Reuß
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BR-ONLINE | Das Online-Angebot des Bayerischen Rundfunks http://www.br-online.de/alpha/forum/vor0609/20060919.shtml Sendung vom 19.09.2006, 20.15 Uhr Dr. Thomas Goppel Bayerischer Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst im Gespräch mit Werner Reuß Reuß: Verehrte Zuschauer, ganz herzlich willkommen zum alpha-forum. Unser heutiger Gast ist Dr. Thomas Goppel, Mitglied des Bayerischen Landtags seit 1974 und Bayerischer Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Ich freue mich, dass er hier ist, herzlich willkommen, Herr Staatsminister. Goppel: Hallo, Herr Reuß. Reuß: "Politik ist die Kunst, das Notwendige möglich zu machen", sagte Herbert Wehner, einst legendärer Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion. Und Norbert Blüm, der langjährige Minister unter Kanzler Helmut Kohl, meinte einmal: "Politik ist Handwerk, nicht Mundwerk!" Was ist Politik für Dr. Thomas Goppel? Goppel: Die Möglichkeit, jeweils aus unterschiedlichen Lösungsvorschlägen im Gespräch mit anderen die richtige Lösung auszusuchen und sie dann auch durchzusetzen. Reuß: "Politik ist die Durchsetzung des Notwendigen im Einklang mit den Betroffenen", haben Sie einmal gesagt. Das klingt nach Pragmatismus, das klingt auch konfliktmildernd, wenn ich das einmal so formulieren darf. Ist das Ihr Politikverständnis? Goppel: Mein Politikverständnis habe ich wohl ein klein wenig von der Art und Weise meines Vaters, um nicht zu sagen von der Art und Weise, wie meine Eltern Politik gemacht haben, übernommen. Sie haben morgens das Haus verlassen – unter all den Eindrücken und Problemen, die in einer Familie auftreten können – und dann war es, als ginge ein Ruck durch sie. Wenn mein Vater von zu Hause wegging, dann war er den ganzen Tag über letztlich komplett weg von uns: Dafür hat er sich aber jedem zugewandt, der auf ihn zugekommen ist, um zu sehen, ob er ihm helfen kann. Das hat mir ungeheuer imponiert. Ich versuche das zwar nicht zu imitieren, aber ich versuche immerhin, das auf meine Weise so zu machen. Ich finde jedenfalls, Politiker sind Pulsfühler. Reuß: Für jeden Politiker, der erfolgreich sein will, ist es sicherlich notwendig, dem Volk auch aufs Maul zu schauen, wie man salopp sagt. Nun gibt es aber diesen schönen Satz von Erwin Teufel, der einmal gesagt hat: "Wer sich mit dem Zeitgeist vermählt, wird bald Witwer sein!" Besteht die Gefahr, dass man dann, wenn man dem Volk zu sehr "aufs Maul schaut", diesem nach dem Munde redet? Wie groß ist die Gefahr des Populismus in der Politik und wie schützt man sich davor? Goppel: Ich glaube, dass der Populismus letztlich keine große Gefährdung darstellt. Denn Populismus ist ja eigentlich etwas, das einen Politiker den ganzen Tag überlegen lässt, wie er am schnellsten und am besten mit anderen im Reinen ist. Er denkt dann aber nicht mehr über die Sache nach. Genau deswegen wird er dann jedoch sehr schnell abgewählt. Dieser Satz mit dem Witwer ist also eine gute Beobachtung von Erwin Teufel. Ich glaube vielmehr, es ist notwendig, sich mit den Menschen anzufreunden. Wenn man das tut, dann ist man gelegentlich vielleicht ein bisschen zu freundlich und zu aufgeschlossen oder auch zu muffig, weil man bestimmte Leute möglicherweise nicht leiden kann, aber im Prinzip ist man dann auf einem guten Weg: Man orientiert sich am Umfeld! Denn man steht ja mit jedem Schritt, den man macht, dem einen näher und dem anderen gegenüber ist man ferner, distanzierter. Das heißt, der Wechsel bleibt garantiert. Reuß: Da Sie schon so lange in der Politik tätig sind und so viele verschiedene Funktionen innehatten, versuche ich noch ein bisschen an den Insider heranzukommen, ihm noch ein paar Geheimnisse zu entlocken. "Es gibt in der Politik Menschen, die sagen zehn Mal so viel, wie sie wissen, und es gibt solche, die nur ein Zehntel von dem sagen, was sie wissen." Dieser Satz stammt vom amtierenden Vizekanzler Franz Müntefering. Gilt also doch das Bonmot von Generalfeldmarschall Moltke, der einmal sagte: "Alle, was man sagt, muss wahr sein, aber nicht alles, was wahr ist, muss man sagen." Goppel: Da hat Moltke sicherlich recht gehabt. Es ist sogar so, dass man nicht nur nicht alles sagen muss, was wahr ist, sondern man darf nicht alles sagen, was wahr ist. Denn damit würden gelegentlich die Möglichkeiten verschüttet werden, etwas zu entwickeln. Die Menschen leben nämlich nicht zu einem geringen Teil in allem, was sie tun, von Träumen. Wenn jemand zu mir in die Sprechstunde kommt, dann geht es oft genau darum. Sprechstunde halten ist übrigens etwas, das ich besonders gerne und auch regelmäßig mache, eigentlich jede Woche einmal. Da kann sich jeder melden und über sein Anliegen sprechen. Ich muss da natürlich manchmal zugeben, dass ich von bestimmten Dingen im Zusammenhang mit diesen Anliegen nichts verstehe. Aber das bedeutet doch immerhin, dass ich aufgeschlossen bleibe für das, was die Menschen bewegt. Gerade in diesem Bereich ist es sehr, sehr notwendig, sich selbst ganz zurückzunehmen und den anderen kommen zu lassen. Und ich stelle fest, dass jeder, der bei mir landet, im Prinzip subjektiv eine Geschichte erzählt, die objektiv oft ganz anders aussehen kann. Das lehrt einen selbst, dass man in fast allem nicht objektiv, sondern subjektiv unterwegs ist – selbst dann, wenn man sich um Objektivität bemüht. Reuß: "Politik kann so etwas wie eine Sucht werden", sagte Ihr Parteikollege Horst Seehofer. Teilen Sie seine Auffassung? Kann Politik süchtig machen? Goppel: Ich glaube, der Umgang mit Menschen macht süchtig. Wenn man Spaß daran hat, zusammen mit anderen Dinge zu entwickeln, dann verlernt man mit der Zeit, dass man das auch alleine und isoliert können muss. Man ist dann also darauf angewiesen und auch darauf aus, dass man möglichst häufig mit anderen zusammen ist. Dass Politik süchtig macht, ist aber meines Erachtens trotzdem der falsche Ausdruck dafür. Ich erlebe Horst Seehofer ja häufig, wenn er unterwegs ist – in den früheren Jahren etwas mehr als heute, aber immerhin –, und kann daher sagen: Bei Horst Seehofer ist das genauso wie bei mir und wie es z. B. auch Schauspielern geht: Wir brauchen den Beifall! Reuß: "Glaubwürdige Politik bedeutet für mich Verlässlichkeit gegenüber den Partnern und Mut zur Verantwortung". Dieser Satz stammt auch von Ihnen. Heißt "Mut zur Verantwortung", dass man manchmal auch Entscheidungen gegen Mehrheiten in der Bevölkerung treffen muss? Goppel: Gegen Mehrheiten in der Bevölkerung Entscheidungen zu treffen, ist ganz schwierig. Aber gegen die geltende Meinung muss man nicht selten stehen. Ich habe dabei z. B. so einen Fall in den letzten Monaten vor Augen. Es ging um die Neustrukturierung unserer Universitätslandschaft. Da gibt es wichtige und exzellente Leute, die uns raten, bestimmte Teile des universitären Angebots wegzulassen. Beim Weglassen ist dann natürlich niemand mein Freund. Wenn es hingegen darum geht, neue Angebote zu machen, dann kann ich mich vor Freunden kaum retten. Die Wahrheit liegt nun einmal in der Mitte: Ab und zu muss man eben auch einsam sein. Man kann sich in der Politik auch nicht in der Weise retten, wie das teilweise in der Wirtschaft mit den Unternehmensberatungsfirmen gemacht wird: Man lässt die Unternehmensberater das sagen, was man selbst eigentlich sagen möchte, sich aber nicht zu sagen traut, weil es zu negativ sein könnte. Die positiven Dinge sagt man dann jedoch sehr wohl gerne selbst. Nein, in der Politik ist das nicht möglich: In der Politik muss man das Unangenehme schon selbst sagen. Reuß: Kommen wir zu Ihrem Fachbereich. Wenn man darüber nachliest, dann stellt man fest, dass das eigentlich ein riesiger Bereich ist. Sie sind zuständig für zehn Universitäten, für 22 staatliche Fachhochschulen, für fünf staatliche Kunsthochschulen und für eine Reihe weiterer Hochschulen in kommunaler, kirchlicher oder privater Trägerschaft. Darüber hinaus sind Sie zuständig für die Bereiche Kunst und Kultur, für die Forschungseinrichtungen usw. Insgesamt investiert der Freistaat Bayern in seinem Haushalt in diesen Bereich jährlich rund vier Milliarden Euro. In Ihren Verantwortungsbereich fallen z. B. auch staatliche Bibliotheken, die staatlichen Archive, das Staatstheater, verschiedene Museen, der Denkmalschutz usw. Wenn ich das alles so überblicke, dann möchte ich Sie gerne fragen, was Ihnen dabei mehr Last und was mehr Lust ist. Ich hoffe, ich bringe Sie damit nicht in eine unangenehme Lage. Haben Sie einen Lieblingsbereich? Goppel: Nein, denn Lust und Freude macht mir alles. Wenn man in der Politik ist, dann geht es meiner Meinung nach wohl zunächst einmal vor allem darum, sich frei zu halten dafür, in bestimmten Gestaltungsbereichen unterwegs zu sein. Wenn man die Gestaltung als die übergreifend wichtige Aufgabe sieht, dann gibt es eigentlich nichts, was einem eine Last wäre. Denn selbst wenn einem inhaltlich etwas nicht so liegen würde, steht doch der Gestaltungsgedanke immer im Vordergrund. Das macht z. B. bereits einen Unterschied zum Umweltministerium aus, in dem ich ja auch einmal gewesen bin. Dort geht es nämlich sehr, sehr oft "nur" um die Verhinderung von Entwicklungen, die bereits gestern eingeleitet worden sind; es geht darum, bestimmte Dinge wieder abzubauen usw. Denken Sie nur einmal an die Abwasserproblematik: Das ist oft sehr, sehr diffizil, das dann wieder umzulenken. Im Universitätsbereich jedoch gibt es immer die Möglichkeit, auf einer anderen Ebene "die gute Seite" zur Entfaltung zu bringen und sie sich entwickeln zu lassen. Gut, man muss natürlich auch dort immer wieder bestimmte Widerstände überwinden, aber in diesem Ministerium habe ich wirklich an allem Freude. Reuß: Die Bildungspolitik ist ja ein eminent wichtiger Bereich, zumal in der Landespolitik, da die Bildung ja Ländersache ist. Stimmt denn der Satz von Hans Schwier, der in den siebziger Jahren Kultusminister in Nordrhein- Westfalen war und einmal gesagt hat: "Bildungspolitik ist ein Teil von einer Kraft, die stets das Gute will und oft Probleme schafft." Goppel: Dieser Satz ist sicherlich nicht verkehrt, aber er stellt doch eine Verallgemeinerung dar, die ich so nicht gelten lassen würde. Bildungspolitik ist der Versuch, jedem Menschen den Freiraum zu schaffen und zu erhalten, den er braucht, um sich bestmöglich entfalten zu können.