14. Bundesversammlung Bundesrepublik Deutschland
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14. BUNDESVERSAMMLUNG DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND BERLIN, MITTWOCH, DEN 30. JUNI 2010 – Neudruck – 2 14. Bundesversammlung – Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2010 Inhalt Eröffnung durch Präsident Prof. Dr. Norbert Lammert . 3 A Konstituierung der 14. Bundesversammlung 5 A Zur Geschäftsordnung . 5 B Anträge . 5 C Bestellung der Schriftführer . 6 A Wahlvorschläge . 6 A Erster Wahlgang . 6 D Ergebnis des ersten Wahlgangs . 7 A Zweiter Wahlgang . 7 C Ergebnis des zweiten Wahlgangs . 7 D Dritter Wahlgang . 8 C Ergebnis des dritten Wahlgangs . 8 D Annahme der Wahl durch Christian Wulff . 9 B Ansprache von Bundespräsident Christian Wulff 9 B Schlussworte von Präsident Prof. Dr. Norbert Lammert . 10 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Mitglieder der 14. Bun- desversammlung . 11 A Anlage 2 Liste der Mitglieder der 14. Bundesversamm- lung, die an den Wahlgängen teilgenommen haben . 11 A Anlage 3 Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE sowie der Abgeordneten der Freien Wähler in der 14. Bundesversammlung . 18 A Anlage 4 Antrag der Mitglieder der Bundesversammlung Udo Pastörs, Holger Apfel und Dr. Johannes Müller . 18 C 14. Bundesversammlung – Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2010 3 (A) (C) 14. Bundesversammlung der Bundesrepublik Deutschland Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2010 Stenografischer Bericht Beginn: 12.00 Uhr Präsident Prof. Dr. Norbert Lammert: Auch im 61. Jahr, gerade in den vergangenen Wochen Sehr geehrte Mitglieder der Bundesversammlung! und Monaten, haben sich unsere Demokratie und das Exzellenzen! Verehrte Gäste! Ich eröffne die 14. Bun- parlamentarische System auch bei unvorhersehbaren He- desversammlung zur Wahl des zehnten Bundespräsiden- rausforderungen als handlungsfähig erwiesen. Es ist eine ten der Bundesrepublik Deutschland und heiße Sie alle gute und wichtige Erfahrung, dass die Verfassungsor- im Reichstagsgebäude in Berlin herzlich willkommen. gane zu gemeinsamer Verantwortung bereit und in der Mein besonderer Gruß gilt den Vertretern der Verfas- Lage sind. sungsorgane, den Mitgliedern der Bundesregierung, des Auch der Rücktritt des Bundespräsidenten hat zwar Bundesrates und des Bundestages, den von den Landta- manche Enttäuschung und einige Turbulenzen ausgelöst – gen gewählten Wahlmännern und Wahlfrauen und den (B) alles andere als ein normaler Vorgang, aber keine Staats- (D) Mitgliedern des Bundesverfassungsgerichts. Stellvertre- krise. Diese Bundesversammlung findet statt, weil der tend für sie alle nenne ich namentlich den Präsidenten Bundespräsident sein Amt niedergelegt hat, mit soforti- des Bundesrates, Jens Böhrnsen, dem ich für die über- ger Wirkung – ein in der Geschichte der Bundesrepublik, zeugende Wahrnehmung der Befugnisse des Bundesprä- sidenten in den vergangenen Wochen unseren Dank und ja in der Demokratiegeschichte unseres Landes einmali- Respekt aussprechen möchte. ger Vorgang. Diese Entscheidung und ihre Gründe haben wir zu respektieren, auch wenn viele von uns sie noch im- (Beifall) mer nicht wirklich verstehen können. Die vom Bundes- Besonders gerne begrüße ich den Bundespräsidenten präsidenten Professor Köhler für unser Land geleistete Roman Herzog und seine Gattin sowie die langjährige Arbeit will ich in seiner Anwesenheit am Freitag anläss- Präsidentin des Bundestages Rita Süssmuth, die auf der lich der Vereidigung seines Nachfolgers oder seiner Ehrentribüne Platz genommen haben. Nachfolgerin würdigen. (Beifall) Meine Damen und Herren, auch für Ausnahmesitua- tionen gibt es eine Vorkehrung in unserer Verfassung, Ich freue mich, dass die heutige Wahl im Inland wie hier mit der Festlegung des Grundgesetzes, die Bundes- im Ausland so großes Interesse findet, und heiße die versammlung innerhalb von 30 Tagen einzuberufen. Der zahlreichen Botschafter und Repräsentanten vieler be- eine oder andere mag – wie ich – wegen der kurzen Fris- freundeter Länder herzlich willkommen. ten zunächst erschrocken gewesen sein; dennoch können (Beifall) wir den Architekten des Grundgesetzes dankbar sein für diese Regelung, die uns eine monatelange Diskussion Schließlich begrüße ich alle, die diese Bundesver- sammlung im Rundfunk, im Fernsehen oder im Internet- um Wahltermin und Kandidaten erspart. angebot des Deutschen Bundestages verfolgen. Der überraschende Amtsverzicht hat in der Öffentlich- Meine Damen und Herren, seit der letzten Bundesver- keit manche Fragen aufgeworfen, die nach Antworten su- sammlung ist gerade ein gutes Jahr vergangen; sie traf chen. Er hat zugleich – jedenfalls nach meiner Wahrneh- sich hier am 23. Mai 2009, auf den Tag genau 60 Jahre mung – eine Nachdenklichkeit erzeugt, die allen direkt nach Verabschiedung des Grundgesetzes, der besten Ver- und indirekt Beteiligten Anlass auch zur selbstkritischen fassung, die wir Deutschen je hatten. Deshalb war die Befassung mit ihrer eigenen Rolle und zum Umgang mit 13. Bundesversammlung in gewisser Weise auch eine öffentlichen Ämtern gibt. Dies gilt für Amtsinhaber wie Feierstunde der Demokratie und des Parlamentarismus. Bewerber, für politische Parteien wie für die Medien. 4 14. Bundesversammlung – Berlin, Mittwoch, den 30. Juni 2010 Präsident Prof. Dr. Norbert Lammert (A) Das Amt des Bundespräsidenten halten manche für fünf Jahre gewählt. Das Amt des Staatsoberhauptes (C) Kommentatoren für einen „besonderen Glücksfall“ unse- unterliegt damit genau denselben Regeln demokratischer rer Verfassung, andere bezeichnen es als „das vielleicht Legitimation wie jedes andere öffentliche Amt. Für alle schwierigste Amt, das in der Bundesrepublik zu vergeben demokratischen Wahlämter gilt: Die Person prägt das ist“. Beides ist wohl richtig. Die Erwartungen an den Amt, aber sie geht nicht in ihm auf, so wenig wie das Amt Bundespräsidenten hat die Präsidentin der 9. Bundesver- sich durch den jeweiligen Amtsinhaber definiert. Mit die- sammlung, Rita Süssmuth, am 23. Mai 1989 folgender- sem keineswegs banalen Spannungsverhältnis müssen maßen beschrieben: Der Bundespräsident habe die Auf- der Amtsinhaber wie die Öffentlichkeit leben – beide tun gabe – Zitat –, sich damit nicht immer leicht. … durch sein Wort und kraft seiner Persönlichkeit Die Übernahme eines Amtes macht aus der Person zu verdeutlichen, daß neben den geteilten Gewalten keinen Würdenträger, aber mit der Annahme der Wahl und unabhängig von den widerstreitenden Kräften in eben mehr als eine Privatperson. Das hat Folgen für die Regierung und Opposition in der Demokratie eine Wahrnehmung der übertragenen Aufgaben und Funktio- Basis der Gemeinsamkeit besteht, die alle verbindet. nen. Niemand muss öffentliche Ämter übernehmen. Wer Deshalb kann und soll der Präsident klärend, versöh- kandidiert und gewählt wird, übernimmt allerdings eine nend und friedensstiftend wirken. Er kann so Mittler Verantwortung, die er mit aller Kraft, nach bestem Wis- im System der Gewaltenteilung sein. sen und Gewissen wahrzunehmen hat. Niemand von uns steht unter Denkmalschutz, „Mittler im System“. Der Bundespräsident ist Teil des Verfassungsgefüges. Auch die Bundesversammlung ist (Vereinzelt Heiterkeit) ein Teil unseres politischen Systems. weder die Parlamente noch die Regierungen, nicht ein- Gewählt wird das Staatsoberhaupt nach Art. 54 des mal das Staatsoberhaupt. Kritik muss sein. Grundgesetzes von einer Versammlung, die nur zu die- (Vereinzelt Beifall) sem Zweck zusammentritt und die durch ihre verfas- sungsmäßige Zusammensetzung die politischen Kräfte- Aber den Anspruch auf „Wahrhaftigkeit und Respekt“ verhältnisse im Bund wie in den Ländern so aktuell und hat Bundespräsident Köhler mit vollem Recht nicht nur verlässlich wie möglich wiedergibt. Das war übrigens für sich, sondern für die politische Kultur unseres Lan- auch bei den 13 bisherigen Bundesversammlungen nicht des im Ganzen reklamiert. anders, ebenso wie das freie Mandat für die Mitglieder (Beifall) des Bundestages wie für die durch die Landtage gewähl- ten Wahlmänner und Wahlfrauen, die an Aufträge und Meine Damen und Herren, verehrte Mitglieder der (B) Weisungen nicht gebunden sind. Jede Bundesversamm- Bundesversammlung, wir alle, die wir uns heute versam- (D) lung ist neu zusammengesetzt; für jede Bundesversamm- melt haben, gehören verschiedenen Parteien oder gar kei- lung gelten die gleichen Prinzipien und Regeln. nen an, haben unterschiedliche Auffassungen zu wichti- gen Themen, unterstützen verschiedene Kandidaten für Meine Damen und Herren, in einigen westlichen De- öffentliche Ämter. Aber wir teilen die gemeinsame Ver- mokratien – Demokratien! – ist die staatliche Spitze durch antwortung für unser Land, die sich mit der Wahl eines eine erbliche Monarchie besetzt, mit dem durchaus be- Bundespräsidenten nicht erledigt, schon gar nicht in achtlichen Argument mancher Staatsrechtler, es sei klug, schwierigen Zeiten, die wir jetzt haben, mit vielen Unsi- auch und gerade in einer Demokratie das Amt des Staats- cherheiten und Ängsten, die keineswegs nur eingebildet oberhauptes dem Ehrgeiz der Parteien und gesellschaftli- sind. chen Gruppen zu entziehen und nicht der sonst unver- zichtbaren Mehrheitsregel zu unterwerfen. Am 30. Juni 1990, heute auf den Tag genau vor 20 Jahren – es war der Vorabend der Währungs-, Wirt- (Vereinzelt Beifall – Claudia Roth [Augsburg] schafts- und Sozialunion –, sagte der damalige DDR-Mi- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut! – nisterpräsident Lothar de Maizière in einer Fernsehan- Gegenruf von Sigmar Gabriel [SPD]: Claudia, sprache: jetzt hast du dich geoutet! Jetzt wirst du Prin- zessin! Wir haben es immer geahnt!) Der Blick zurück ist ein Blick im Zorn. Der Blick nach vorn ist ein Blick mit