Zum Vorgeschichtlichen Verkehr an Der Elbe Zwischen Böhmen Und Sachsen Raum- Und Funktionskontinuität Der Besiedlung Des Elbdurchbruchs Vladimír Salaˇc
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Zum vorgeschichtlichen Verkehr an der Elbe zwischen Böhmen und Sachsen Raum- und Funktionskontinuität der Besiedlung des Elbdurchbruchs Vladimír Salaˇc Die Elbe stellt den einzigen Wasserweg dar, der Am intensivsten wurde der Elbdurchbruch für Dieser Beitrag wurde im Rahmen Sachsen und Böhmen miteinander verbindet, die den Verkehr wahrscheinlich in der jüngeren Ei- des Programms Strategie AV21 der sonst durch Grenzgebirge voneinander getrennt senzeit (Latènezeit, etwa 4. bis 1. Jahrhundert v. Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik zum Druck sind. Diese Flussverbindung zwischen den bei- Chr.) genutzt. Für diese Zeit gilt die Elbe als Ver- vorbereitet. den Ländern wurde schon seit dem Neolithikum bindung zwischen zwei unterschiedlichen kultu- (etwa seit 5.500 v. Chr.) benutzt, damals jedoch rellen und wahrscheinlich auch ethnischen eher nur für Prospektionsreisen. Auch in den fol- Kreisen – der Welt der in Böhmen vorkommen- genden Jahrtausenden wurde der Landweg über den latènezeitlichen Kultur, die den Kelten zu- den Nollendorfer Pass im Osterzgebirge bevor- geschrieben wird, und der Welt der Kultur der zugt, denn dieser Weg war für die Umsiedlungs- vorrömischen Eisenzeit, die am mittleren und bzw. Kolonisationsströmungen, für das Viehher- unteren Flusslauf der Elbe verbreitet war und detreiben oder für den eher gelegentlichen den Germanen zugeschrieben wird. Beim Blick Transport günstiger.1 Erst seit der jüngeren auf die Karte mag es scheinen, dass das Erzge- Bronzezeit (etwa seit 1.000 v. Chr.) hat sich die birge und das Elbsandsteingebirge eine scharfe Beziehung zum Wasser allgemein und nicht zu- Grenze zwischen den beiden Kulturen darstell- letzt auch zum Wassertransport verändert, und ten. In Wirklichkeit haben sich die beiden Kul- demzufolge wurde auch die Elbe für einen inten- turen durchdrungen und auf einem breiten Ge- siveren Verkehr genutzt.2 Dies belegt unter ande- biet vermischt, etwa vom Zusammenfluss der rem die erste stabile, wenn auch nicht besonders Elbe mit der Saale an bis zur Mündung der Biela dichte Besiedlung des Elbdurchbruchs. Die da- (Bílina) in die Elbe in Nordböhmen. Vor allem Blick auf Aussig (Ústí nad Labem), 1846. Im Hintergrund mals hier entstandenen Siedlungskammern wur- an der unteren Saale und sächsischen Elbe trafen ist das Osterzgebirge mit dem den dann ohne Unterbrechungen etwa bis zur allerdings latènezeitliche Einflüsse zusammen, Nollendorfer Pass (Sternchen) zu Zeitenwende benutzt. die nicht nur von Böhmen aus, sondern auch von sehen. Sächsische Heimatblätter · 2 | 2018 93 Zum vorgeschichtlichen Verkehr an der Elbe zwischen Böhmen und Sachsen weiteren Gebieten ausgingen, vor allem von der Landweg über den Nollendorfer Pass – der Südthüringen und Maingebiet.3 sogenannte Kulmer Steig – dar, den anderen Im vorliegenden Beitrag sollen allein diejenigen eben der Wasserweg auf der Elbe.4 Kontakte diskutiert werden, die sich zwischen Als Besonderheit beider Wege gilt, dass sie ge- Böhmen und Sachsen abspielten, und dabei vor- meinsame Ausgangspunkte haben – das Gebiet nehmlich die Möglichkeiten der Deutung von der heutigen Städte Lobositz (Lovosice) und Funden aus der Elbe und deren Umgebung. Im Pirna – und eigentlich zwei Alternativen der Hinblick darauf, dass die beiden Länder in der gleichen Verkehrsverbindung darstellen. Vom Vorgeschichte durch das unbesiedelte und Landweg aus dem Bereich der bergigen Ab- Das böhmisch-sächsische schwierig passierbare Erzgebirge, das Elbsand- schnitte im Böhmischen Mittelgebirge und Ost- Grenzgebiet mit Markierung der steingebirge und das manchmal vergessene erzgebirge mangelt es bisher an wichtigeren im Text erwähnten Fundstellen Böhmische Mittelgebirge voneinander getrennt latènezeitlichen Funden, deshalb kann man sich und wahrscheinlichen vorgeschichtlichen Wegen waren, kann man begründet annehmen, dass zur Organisation der Bewegung auf diesem Weg (1 latènezeitliche Friedhöfe, die gegenseitigen Kontakte nur auf zwei kon- nicht äußern. Aus dem Elbdurchbruch dagegen, 2 Körpergräber, 3 Brandgräber) kreten Wegen realisiert waren. Den einen stellt also aus dem engen Tal, das der Fluss quer über das Böhmische Mittelgebirge und das Elbsand- steingebirge ausgehöhlt hatte, sind verhältnis- mäßig reichliche Funde vorhanden. Außerdem stellt der Elbdurchbruch (mit Übergang ins Dresdner Becken) die Domäne einer spezifi- schen Kulturgruppe, der sogenannten Bodenba- cher Gruppe dar. Es handelt sich um eine ty- pisch vermischte archäologische Kulturgruppe, in der sich Elemente der vorangegangenen Bil- lendorfer Kultur, der vor allem aus der Böhmi- schen Tafel ausstrahlenden latènezeitlichen Kultur und der vom Norden durchdringenden Jastorfkultur vermischen.5 Das Spezifikum der Bodenbacher Gruppe ist es, dass sie verschiede- ne in der materiellen Kultur vorkommende Ein- flüsse nicht verarbeitet und sie zur Bildung ei- ner neuen Qualität verwendet hat, sondern diese Einflüsse frei mitleben lässt.6 In einem Grab der Bodenbacher Gruppe sind also etwa Gegenstän- de der entwickelten Latènekultur und grobe handgemachte Gefäße hiesiger Provenienz in Vergesellschaftung vorzufinden. Die Bodenba- cher Gruppe bildet also keine eigene spezifi- sche materielle Kultur, die nur für sie typisch wäre, bis auf die einzige Ausnahme der soge- nannten Bodenbacher Nadel.7 Die Bodenbacher Gruppe kennen wir bis jetzt fast ausschließlich aus Brandgräberfeldern, in denen beim Brand- ritus deutlich Einflüsse der ursprünglichen Bil- lendorfer Kultur bzw. vom Norden aus dem Be- reich der Jastorfkultur überwiegen, wie das einzige modern ausgegrabene Gräberfeld in Pir- na-Copitz8 am besten deutlich macht. Siedlun- gen dieser Gruppe sind bis jetzt nicht bekannt. Das grundsätzliche Charakteristikum der Bo- denbacher Gruppe ist der Fakt, dass sie aus- schließlich an den Flusslauf der Elbe gebunden ist. Fast sämtliche Funde der Bodenbacher Na- deln kommen unmittelbar von den Elbufern.9 Der Wasserweg zwischen Böhmen und Sachsen verlief also durch das Gebiet der Bodenbacher Gruppe. Lange Zeit wurden die Funde der Bo- denbacher Gruppe vor allem aus dem ethni- Sächsische Heimatblätter · 2 | 2018 94 Zum vorgeschichtlichen Verkehr an der Elbe zwischen Böhmen und Sachsen schen Gesichtspunkt interpretiert.10 Das einzige ten unbesiedelten Gebieten umgeben. Zu Kon- zu lösende Hauptproblem war die Feststellung, takten mit den Nachbarlandschaften konnte es ob die Angehörigen dieser Gruppe dem kelti- nur am nördlichen Durchbruchsrand im Be- schen oder dem germanischen Ethnikum ange- reich von Pirna und im Süden kommen – ent- hörten. Die Frage wurde und konnte ausschließ- weder im Bereich des heutigen Aussig – hier lich anhand archäologischer Quellen allerdings hatte aber die Verbindung mit der Nachbar- nicht befriedigend gelöst werden. Heute scheint schaft eher regionale Bedeutung – oder erst in es am wahrscheinlichsten zu sein, dass das gan- Lobositz, das am Rande der latènezeitlichen ze Gebiet des Elbdurchbruchs und des Dresd- Siedlungsökumene liegt. Der Eingang des Elbta- ner Beckens eine Zone darstellte, in der sich les in das Gebirge bei Lobositz spielte zweifels- keltische, germanische und ursprünglich heimi- ohne eine entscheidende Rolle bei der Kontrol- sche Populationen, deren Wurzeln bis in die le und Organisation des Transports und Handels Spätbronzezeit hineinreichen, vermischten. In an der Elbe. Im Norden stellte einen ähnlichen letzter Zeit wurde gerade auf den Fakt hinge- Schlüsselpunkt die Umgebung der heutigen wiesen, dass in den Bodenbacher Gräberfeldern Stadt Pirna. eine deutliche Kontinuität seit der Späthallstatt- Die Entfernung zwischen diesen beiden Orten zeit festzustellen ist, als bisher angenommen konnte weder auf dem Landweg (60 Kilometer) war.11 noch auf dem Wasserweg (80 Kilometer) an ei- Erst in der letzen Zeit wurde damit begonnen, nem einzigen Tag überwunden werden, viel- eine nichtethnische Deutung der Bodenbacher leicht mit Ausnahme der Schifffahrt stromab- Gruppe zu suchen, vor allem unter dem Aspekt wärts. Der Wasserweg war nicht nur relativ ihres wirtschaftlichen Hinterlandes und ihrer lang, sondern führte durch ein anspruchsvolles Rolle bei den Beziehungen zwischen dem Böh- Terrain und war sicherlich auch schwierig mischen Becken und dem Gebiet des heutigen schiffbar. Es war nötig, den Weg in Etappen ein- Sachsen u. ä.12 In diesem Zusammenhang wurde zuteilen, nicht nur wegen seiner Länge, sondern ihre Lage auf Wegeverbindungen zwischen die- auch hinsichtlich seiner Schwierigkeit. Es ist sen Gebieten hervorgehoben, und es zeigte sich auch offensichtlich, dass der Weg an bestimm- deutlich, dass diese Gruppe eine bedeutende ten Plätzen (Stromschnellen, Felsen, Untiefen, Rolle bei der Organisation von Transport und veränderte Stromintensität u. ä.) unterbrochen Handel zwischen den beiden Landschaften und werden musste und man entsprechende Maß- unterschiedlichen archäologischen Kulturen ge- nahmen treffen musste: beispielsweise Rast vor spielt haben muss. Die Grabfunde der Bodenba- der Überwindung des Hindernisses, Umvertei- cher Gruppe lassen einen langfristigen und re- lung der Last, deren Versetzung sowie Mit- lativ intensiven Umlauf von Artefakten auf schleppen des Schiffes über nicht schiffbare beiden Seiten des Grenzgebirges nachweisen. Flussstellen. An diesen Plätzen veränderte sich Es handelt sich nicht um zufällige einmalige Im- sicher auch die Organisation der Schifffahrt porte, sondern in allen Bodenbacher Fundstel- stromaufwärts (Treideln, Staken u. ä.). Im len zum Beispiel um ein regelmäßiges Vorkom- Seichtwasser und in Wasserschnellen häuften men