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Arbeitsgemeinschaft zur Reinhaltung der Weser Freie Hansestadt l Hessen l Niedersachsen l Nordrhein-Westfalen l Thüringen

Wiederansiedlung von Wanderfischen im Wesereinzugsgebiet

2 Ein Merkblatt der Arbeitsgemeinschaft zur Reinhaltung der Weser (ARGE Weser)

Bearbeitung und Abbildungen:

Wassergütestelle Weser im Niedersächsischen Landesamt für Ökologie An der Scharlake 39 31135 Hildesheim Tel.: 05121 - 509 711

Unter Mitarbeit des Dezernats für Binnenfischerei beim Niedersächsischen Landesamt für Ökologie und der Be- zirksregierung Detmold.

1. Auflage: Juni 1996, 5.000 Stück

Gedruckt auf 100% Recyclingpapier

© ARGE Weser 1996 3 Warum Wiederansiedlung ? Ein wichtiger Bestandteil und eine Fortführung dieser Die Arbeitsgemeinschaft zur Reinhaltung der Weser Aufgabe ist ein Projekt, das die Durchgängigkeit der (ARGE Weser), der die Länder Bremen, Hessen, Nieder- Weser, und zum Ziel hat. Damit soll die sachsen, Nordrhein-Westfalen und Thüringen angehören, Wiederansiedlung von Wanderfischen (z.B. des Lachses) hat im Rahmen des Aktionsprogrammes Weser eine Be- in der Weser ermöglicht werden. Die Weser und ihre standsaufnahme der gesamten Weseraue hinsichtlich Oberläufe sowie die in das Gewässersystem eingebunde- Biotoptypen, Nutzungen und Störstellen erarbeitet. nen kleineren Nebenflüsse sind ehemalige Heimatgewäs- ser großer Lachsvorkommen, die aufgrund der zuneh- Für Weser, Werra und Fulda wurden sog. Leitbilder als menden Verunreinigung und des Verbaus durch Quer- Bewertungsmaßstab entwickelt. Die sich daraus erge- bauwerke ausgestorben sind. Der Lachs steht stellvertre- benden Konflikte, verglichen mit den potentiell noch tend für eine große Anzahl verschiedener Organismen als vorhandenen schützenswerten Zonen, führen zu einer Symbol für naturnahe und wertvolle Strukturen, wie sie ökologischen Gesamtplanung, bei deren Erstellung auch an der Weser nur noch vereinzelt zu finden sind, die aber die historische mit berücksichtigt wird. Verfeinert optimiert, reaktiviert und vernetzt werden können. wird die Arbeit durch ausgewählte, für das Weserein- zugsgebiet repräsentative Modellgebiete, die verschiede- ne Nutzungen berücksichtigen.

Die Karte vom Wesereinzugsgebiet zeigt ehemalige Lachsvorkommen in der Weser und einiger ihrer Nebenflüsse nach historischen Angaben sowie Wanderhindernis- se in Weser, Werra, Fulda und 3 Das Wehr in Bremen-Hemelingen stellt die erste Barriere für die aus dem Meer in die Weser aufstei- genden Fische dar

So ist es früher gewesen: Die Weser und ihre beiden Zuflüsse Werra und Fulda zu einer Trennung der Lachse von ihren angestammten wurden zu Beginn des 19. Jahrhunderts in erheblichem Laichplätzen führten. Dies waren vor allem der Bau der Umfang von Wanderfischen, insbesondere vom Lachs, Edertalsperre und der zwischen Hameln und Bre- aufgesucht. Die Hauptlaichgebiete lagen in der Eder und men-Hemelingen. , die Lachse drangen aber auch im Zuge ihrer Laichwanderungen in die Einzugsgebiete von , Mit der bereits Mitte des 19. Jahrhunderts begonnenen Wümme, und sowie in eine Reihe weiterer künstlichen Erbrütung von Lachseiern konnte der Rück- Nebengewässer der Weser vor. gang zwar verzögert, jedoch nicht verhindert werden, so daß das Lachsvorkommen in der Weser nahezu erlosch. Noch bis etwa 1910 wurden in der Weser zwischen Ha- meln und jährlich rund 4.000 - 5.000 Lachse In einer zweiten Phase gingen in Folge der starken Salz- gefangen. Der größte dokumentierte Fang wurde im Jahr belastung auch die Bestände weiterer Fischarten zurück. 1894 von 15 Lachsfischereibetrieben mit ca. 10.000 Hier ist insbesondere die Barbe zu nennen, die in der Stück und knapp 70 Tonnen erzielt. Bereits damals gin- Literatur noch um 1940 als die am häufigsten vorkom- gen von Wollwaschbetrieben, Färbereien, Gerbereien, mende Fischart in der Weser angeführt wird. verschiedensten Mühlen, Turbinen usw. negative Einflüs- se auf den Lachsbestand aus. Entscheidende Auswirkun- gen hatten allerdings wasserbauliche Maßnahmen, die

Durch Steinschüttung befestigtes Ufer an der Weser 4 Heutige Fischaufstiegsanlage an der Mittelweser (Beckenpaß)

Hier liegen die Probleme: Die Wasserqualität der Weser und ihrer Nebenflüsse hat in den letzten hundert Jahren schwere Einbußen erlitten. Bei der Versalzung zeichnet sich heute eine deutliche Die im Werra-Gebiet entdeckten und industriell abgebau- Verbesserung der Verhältnisse ab. In den letzten fünf ten Kalisalz-Vorkommen führten dazu, daß die Werra Jahren hat sich die mittlere Chloridkonzentration an der und damit auch die Weser einer starken Versalzung aus- Werra um zwei Drittel verringert. Die Schwankungen der gesetzt wurden. Die bei der Aufbereitung des Kalisalzes Konzentration -für die im Wasser lebenden Organismen entstehenden Abwässer wurden über Jahrzehnte unvor- ein großes Problem- ist ebenfalls stark zurückgegangen. behandelt in die Gewässer eingeleitet. Für eine Reduzie- rung der Chloridfrachten und für die Vergleichmäßigung Die Verunreinigung insbesondere der Werra durch Ab- der Konzentrationen in der Werra und Weser wurde wässer stellte eine zusätzliche Belastung dar. Viele der deshalb ein vom Bund und den Ländern getragenes hier lebenden Tierarten wurden dadurch aus ihren ur- technisches Salzreduzierungskonzept aufgestellt, das sprünglichen Lebensräumen verdrängt. Bei der Reinigung neben der Untertagebringung von festen Salzrückstän- kommunaler Abwässer haben sich in den letzten Jahren den auch die Zwischenlagerung von Salzabwasser in an der Weser entscheidende Verbesserungen ergeben. einem unterirdischen Pufferspeicher (Jahresausgleich) Während die Belastung mit Phosphaten und Ammonium sowie in rekonstruierten Stapelbecken (Wochenaus- erheblich gesenkt werden konnte, hat sich die Nitratbela- gleich) vorsieht. stung jedoch verstärkt. Dies wird durch den erhöhten Ausstoß aus den Nitrifikationsstufen der Kläranlagen begründet.

Naturnahes Ufer im Oberlauf der Werra 5 Kommunale Großkläranlage Seehausen (Bremen)

Ein weiterer Ausbau der kommunalen Kläranlagen mit der Flüsse von besonderer Bedeutung. Hierdurch können Denitrifikationsstufen ist erforderlich. Entscheidende potentielle Laichgebiete (sauerstoffreiche, gut durch- Bedeutung kommt jedoch auch der Reduzierung der strömte Kieslückensysteme) sowie Aufwuchsgewässer für diffusen Stickstoffbelastung aus der Landwirtschaft und Jungtiere (wechselnde Strukturen mit flachen, schnell über den Luftpfad zu. durchströmten und tiefen, langsam durchströmten Berei- chen) erreicht werden. Mit Hilfe von Maßnahmen, die Durch die in diesem Jahrhundert errichteten Staustufen diese Bedingungen wiederherstellen, kann der Aufbau an der Mittelweser wurde den Wanderfischen der Auf- einer sich natürlich fortpflanzenden und selbsterhalten- stieg erschwert. Zwischen Bremen und Hannoversch den Population geschafft werden, der auch die Möglich- Münden wurden acht Staustufen errichtet. Es wurden keit einer schonenden, extensiven Fischerei bietet. Fischaufstiegsanlagen eingebaut, deren Funktionstüch- tigkeit zu überprüfen ist. Auf diesem Wege ist zu klären, Was wird bereits getan ? ob dem Lachs und anderen Wanderfischen der Aufstieg in die Oberläufe versperrt und die Chancen zum Ablai- Im niedersächsischen Bereich der Weser, inbesondere im chen genommen sind. Einzugsbereich von Aller, Wümme und Delme, bemühen sich seit Jahren die Fischereivereine um eine Wiederein- bürgerung von Wandersalmoniden. Diese kosteninten- Das soll erreicht werden: siven Besatzmaßnahmen, die es für mehrere Fischarten Für die Umsetzung des Projektes zur Wiederansiedlung gibt, sind an die Stelle einer sich selbst vermehrenden von Wanderfischen in der Weser ist die Durchgängigkeit Fischpopulation getreten und haben eine Fischerei wieder ermöglicht.

Luftbild eines an den Flußlauf angeschlossenen Kiesteiches 6 Seit 1988 werden auch in nordrhein-westfälischen Ne- die nicht mit Aufstiegshilfen versehen sind, müssen diese bengewässern der Weser Lachsbrütlinge -bisher ca. nachträglich nach dem neuesten Stand der Wissenschaft 300.000 Stück- als Besatz eingebracht. Diese Maßnah- und Technik ergänzt werden. Der Rückbau von alten, men erfolgen in Kooperation der Fischereipächter und nicht mehr benötigten Wehren, Sohlabstürzen und ande- der zuständigen Fischereibehörden des Landes Nord- ren Barrieren muß vorangetrieben werden. Es gibt gera- rhein-Westfalen. Besondere Bedeutung wurde auf die de in den Oberläufen eine Vielzahl von Wehren und an- Herkunft der Lachseier gerichtet. Es erscheint vielver- deren Querbauwerken, die ihren ehemaligen Zweck nicht sprechend, wenn man auf Eier aus irischen Wildlachs- mehr erfüllen, aber trotzdem als Hindernisse im Wege beständen zurückgreift, da diese um die Jahrhundert- stehen. wende zum Teil aus Weserlachsbeständen begründet worden waren. Die Besatzmaßnahmen in Niedersachsen Eine weitere Maßnahme zum Erreichen des Zieles ist die und NRW haben bewirkt, daß vor allem in der Unter- Erkundung von potentiellen Laichplätzen. Falls diese weser, aber offensichtlich zunehmend auch in der Ober- Gebiete vom Fluß abgeschnitten sind, ist die Durchgän- weser wieder Einzelfänge von aus dem Meer aufgestie- gigkeit hier vorrangig wiederherzustellen. genen Lachsen gemeldet werden. Solange die natürliche Fortpflanzung nicht gewährleistet Eine erste Bestandsaufnahme sogenannter Störstellen an ist, müssen übergangsweise Aufzuchtanlagen errichtet der Werra, Fulda und Weser ist inzwischen durchgeführt werden, in denen Jungtiere aus Lachseiern herangezogen worden. Es wurden alle Hindernisse kartiert, die die und ausgesetzt werden. Durchgängigkeit des Fließgewässers stören. Hierzu zäh- len in erster Linie die großen Wehranlagen, in deren Als Erfolgskontrolle werden Begleituntersuchungen der Staubereichen es außerdem zu Sauerstoffmängeln kom- laufenden Maßnahmen von Fischereiverbänden und den men kann. Zudem sind stark verbaute Ufer als Aufent- zuständigen Fischereibehörden der Länder, koordiniert haltsplätze für Fische und ihre Nährtiere nur einge- durch die ARGE Weser, durchgeführt. Alle Maßnahmen, schränkt geeignet. die zur Wiedereinbürgerung des Lachses ergriffen wer- den, werden ferner genau dokumentiert, um das Projekt Um dem Lachs und anderen Wanderfischarten die Wie- nachvollziehbar zu machen. Alle, die an einer Wiederein- derbesiedlung der Weser zu ermöglichen, ist eine Reihe bürgerung von Wanderfischen und speziell des Lachses von Schritten nötig. Hier ist zunächst wichtig, die in den interessiert sind, müssen eng zusammenarbeiten, um die Wehren eingebauten Fischaufstiegsanlagen auf ihre gesetzten Ziele zu erreichen. Funktionstüchtigkeit zu überprüfen. Ein bestehender Fischpaß muß nicht unbedingt bedeuten, daß er von aufstiegswilligen Fischen auch gefunden und überwun- Die Zeitplanung den werden kann. Viele Begleitumstände wie Strömungs- Die erforderlichen Arbeiten sind zeitaufwendig. Es wird verhältnisse, Wasserstände Bauweise der Fischauf- angestrebt, das beschriebene Projekt innerhalb eines stiegsanlagen beeinflussen die Funktionstüchtigkeit. Zeitraumes von etwa 10 Jahren zu verwirklichen. Bis zum Jahre 2000 sollen die Überprüfung der Fischaufstiegsan- lagen, die Erkundung potentieller Laichgebiete, der Neu- Was muß noch getan werden ? besatz mit Laichbrut bzw. Laich sowie der Rückbau von Die ARGE Weser hat im Oktober 1995 einen entspre- alten, nicht mehr benötigten Wehranlagen in Angriff chenden Forschungsauftrag vergeben. Über einen Zeit- genommen werden. Größere bauliche Maßnahmen, wie raum von einem Jahr werden an sieben mit Fischauf- z.B. der Neu- oder der Umbau von Fischaufstiegsanlagen, stiegshilfen versehenen Staustufen der Ober- und Mit- werden nicht kurzfristig, sondern nur nach und nach telweser Reusenbefischungen durchgeführt. Die aufstei- realisierbar sein. genden Fische werden im oberen Bereich der Fischpässe gefangen, bestimmt, gezählt, vermessen und wieder freigelassen. Auf diese Weise wird das Aufstiegsverhalten von wandernden Fischen beobachtet, was Aufschluß über die Funktionsfähigkeit der einzelnen Fischaufstiegs- anlagen geben soll.

Hiermit schafft die ARGE Weser die wissenschaftlichen Grundlagen, auf deren Basis weitere Untersuchungen angestellt und Maßnahmen durchgeführt werden kön- nen.

Wenn eine ausreichende Funktionstüchtigkeit der Fischaufstiegsanlagen nicht gegeben ist, müssen die An- lagen so umgebaut werden, daß aufsteigende Fische sie finden und aufgrund ihres natürlichen Aufstiegsverhal- tens problemlos überwinden können. Bei Wehranlagen,

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