Ein „Weiber-Freund"?
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L'Homme Ζ. F. G. 13,2(2002) Ein „Weiber-Freund"? Entstehung und Rezeption von Wilhelm Ignatius Schütz „Ehren=Preiß des hochlöblichen Frauen=Zimmers" (1663), einem Beitrag zur Querelle des femmes Marion Kintzinger Mit seiner Schrift „Ehren=Preiß des hochlöblichen Frauen=Zimmers" trat der gelehrte Jurist Wilhelm Ignatius Schütz 1663 als vehementer Verteidiger des weiblichen Ge- schlechtes an die Öffentlichkeit. Entschieden setzte er sich für die These ein, dass der Verstand des weiblichen Geschlechtes dem des männlichen von Natur aus gleich, auch „zu Verrichtung tugendsamer Werck/ un(d) Thaten ebenmässig qualificirt, und geschickt sei".1 Seine Schrift wurde zu einem Erfolg.2 Hinter dem Pseudonym Poliandin verborgen, aber umso heftiger, attackierte ihn drei Jahre später der junge Literat Johann Gorgias. Entschieden verneinte er das aufgestellte Egalitätspostulat.3 Trotz zunächst breiter Rezeption, sogar durch Sigmund von Birken in einem Schäfer- gespräch über den „Ehrenpreis",4 gerieten Person und Werk später in Vergessenheit. Erst 1 Als Textausgabe künftig: Wilhelm Ignatius Schütz, Ehren=Preiß Deß Hochlöblichen Frauen=2mmers, Frank- furt 1663; Johann Gorgias, Gestiirtzter Ehren=Preiß des hochlöblichen Frauen=Zimmers, o.O., 1666, hg. von Marion Kintzinger u. Claudia Ulbrich, Hildesheim/Zürich/New York 2003, mit einer Bnleitung von Marion Kintzinger - Schütz im Text zitiert als „Ehrenpreis", Gorgias als „Gestürtzter Ehrenpreis". 2 Im Jahr 1673 erschien eine zweite, in der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttin- gen als Verlust geltende Auflage, die nach Hajek entschärft worden sein soll. Sie enthält einen Brief- wechsel zwischen zwei adeligen Frauen, datiert auf den 16. Dezember 1665. Egon Hajek, Johann Gor- gias. Ein verschollener Dichter des 17. Jahrhunderts, in: Euphorion, 24 (1925), 22-49, 197-240, 205, Anm. 2 und 208. Einführend Elisabeth Gössmann Hg., Das Wohlgelahrte Frauenzimmer, München 19982. 3 Gorgias, Gestürtzter Ehren=Preiß, wie Anm. 1,1666. 4 Vgl. Gössmann, Frauenzimmer, wie Anm. 2, 177f; Christian Franz Paullini, Hoch= und Wohl=gelahrtes Teutsches Frauenzim(m)er, Frankfurt/Leipzig 1712, 6-8, 167f. Paullini beginnt und endet mit einer aus- führlichen Würdigung der Schriften von Schütz und Sigmund von Birken, Gorgias hingegen ignoriert er. Auch in akademischen Disputationen findet der „Ehrenpreis" Beachtung. Jacob Thomasius u. Johann Sauerbrei, Diatriben academicam de foeminarum eruditione priorem ... sub praesidio ... Jacobi Thoma- sii... eruditorum examini proponit lohannes Sauerbrei, Leipzig 1676. Die hier präsentierte „Erörterung über die gelehrte Bildung der Frauen" ist 1671 an der Universität Leipzig vorgetragen worden. Wie die vorliegende Neuauflage von 1676 zeigt, fand sie über den Anlass der akademischen Prüfung hinaus Be- 175 Online gestellt mit finanzieller Unterstützung der Universität Basel (Lehrstuhl Prof. Dr. Claudia Opitz-Belakhal). Kintzinger, Ein „Weiber-Freund?" das Interesse an Texten zur Querelle des Femmes5 hat Schütz wieder in Erinnerung ge- rufen. Seine Thesen zur Bildungsfähigkeit der Frau, seine Kritik an ihrer bildungsmäßigen, rechtlichen und politischen Benachteiligung überzeugten davon, ihn als einen der nam- haften Vertreter der deutschen Querelle des Femmes einzuordnen. Es hieß: „Von Wilhelm Ignatius Schützens ,Ehren-Preiß Deß Hochlöblichen Frauen-Zimmers' (1663) kann sicherlich gesagt werden, daß er eine feministische oder mit dem Feminismus sympathi- sierende ,pro-woman' Position innerhalb der frühmodernen querelle des femmes vertritt."6 Selten aber wurde hinterfragt, ob Schütz tatsächlich meinte, was er da schrieb. Wie wäre die Schrift zu beurteilen, wenn sie ein gelehrter Scherz gewesen wäre?7 Umso achtung (Zu Schütz u.a. §22). Der Text ist reproduziert unter www.uni-mannheim.de/mateo. [Sigmund von Birken], Ehren-Preis des Lieb-löblichen Weiblichen Geschlechtes, in einem Hirten-Gespraech vorge- stellet/ durch Rondan, 1669, in: Pegnesis Zweyter Theil: begreifend Acht Feldgedichte der Blumgenoß- Hirten an der Pegnitz, Nürnberg 1679; Horst Fassel, Sigmund von Birken und Siebenbürgen, in: Wolfen- bütteler Barock-Nachrichten, 5 (1978), 140-142. 5 In der Querelle des Femmes geht es um einen Vorzugsstreit des weiblichen und männlichen Geschlechts. Das Spektrum des Streits reicht von der ernstgemeinten Klage der Betroffenen über die gelehrte Dispu- tationsübung bis hin zum scherzhaften Wortgefecht. Das Genre bedient sich verschiedener eingeführter literarischer Formen, die strukturbildend wirken: hauptsächlich der Form des Streits mit den hieran gekoppelten Diskursformen, dem Gespräch beim Gastmahl, der akademischen Disputation oder Schul- übung, der Gerichtsrede, einem inszenierten Scheingefecht mit vortier feststehendem Resultat, einer Scherzdisputation, dem fingierten Traum, Ketzerdialog, Bild usw. Dazu die Verwirrspiele um die „Dispu- tato nova contra mulieres, qua probatur eas homines non esse" (1595) und ihre unterschiedliche Re- zeption bei Manfred P. Fleischer, Späthumanismus in Schlesien, München 1984,190-212. Die Texte der Querelle des Femmes interessieren heute als Zeugnisse zu einem Vorstellungsraum über Geschlechter- zuschreibungen. Die Querelle des Femmes wird im allgemeinen dem 15.-18. Jahrhundert zugeordnet, dazu Gisela Bock, Frauen in der europäischen Geschichte. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart, München 2000. Zu den folgenden Epochen etwa Barbara Stollberg-Rilinger, Väter der Frauengeschichte? Das Ge- schlecht als historiographische Kategorie im 18. und 19. Jahrhundert, in: Historische Zeitschrift, 262 (1996), 39-72, 44. Zum Aspekt der Kontextualisierung Gisela Bock u. Margarete Zimmermann, Die Que- relle des Femmes in Europa. Eine begriffs- und forschungsgeschichtliche Einführung, in: Quere//es. Jahr- buch für Frauenforschung, 2, Stuttgart/Weimar 1997, 9-38; Claudia Ulbrich, Unartige Weiber. Präsenz und Renitenz von Frauen im frühneuzeitlichen Deutschland, in: Richard van Dülmen Hg., Arbeit, Fröm- migkeit und Eigennutz, Frankfurt a. M. 1990,13-42, 29; Dagmar Freist, Geschlechtergeschichte: Normen und soziale Praxis, in: Anette Völker-Rasor Hg., Frühe Neuzeit, München 2000, 183-202; Heide Wunder, Herrschaft und öffentliches Handeln von Frauen in der Gesellschaft der Frühen Neuzeit, in: Ute Gerhard Hg., Frauen in der Geschichte des Rechts. Von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, München 1997, 27-54. Zum Aspekt des Streites, das heißt zum „öffentlichen Austrag kontroverser Meinungspositionen" als Kommunikationsfomn im 17. Jahrtiundert Martin Giert, Pietismus und Aufklärung. Theologische Polemik und die Kommunikationsreform der Wissenschaft am Ende des 17. Jahrhunderts, Göttingen 1997, 27f und Hans Walther, Das Streitgedicht in der lateinischen Literatur des Mittelalters, Hildesheim 1984,18ff. 6 Jane O. Newman, „FrauenZimmers Geberden" und „Mannesthaten". Authentizität, Intertextualität und la querelle des femmes in Sigmund von Birkens „Ehren-Preis des Lieb-löblichen Weiblichen Geschlechts" (1669/73), in: John Roger Paas Hg., Der Franken Rom. Nürnbergs Blütezeit in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, Wiesbaden 1995, 314-330; Linda Ogden-Wolgemuth, Visions of women in the life and works of Sigmund von Birken, Michigan 1998, 108f und Fassel, Sigmund von Birken, wie Anm. 4, 140-142. 7 Johann Gorgias gibt an, er habe den „Ehrenpreis" zunächst für einen höflichen Scherz gehalten und sich allein wegen der eingetretenen Wirkung zu Wort gemeldet, Vorrede in Gorgias, Gestürtzter Ehren=Preiß, wie Anm. 1. 176 L'Homme Ζ. F. G. 13,2 (2002) dringlicher würde sich dann die Frage stellen, wie weibliche und männliche Leser oder Hörer die vorgetragenen Argumente aufgefasst und verwendet haben könnten. Zunächst soll deshalb die Intention des Verfassers umrissen werden. Dabei fällt auf, dass sich derselbe Autor nur zwei Jahre zuvor ausgesprochen misogyn äußerte. In sei- nen „Reflexiones politico-consolatoriae"8, einer Einführung in staatstheoretische Belange von Politikern, tadelt Schütz politisch tätige Frauen. Aus seiner Beanstandung geht her- vor, dass Frauen von Diplomaten in Vertretung ihres Mannes und an dessen Sozialstatus partizipierend offensichtlich selbst diplomatisch agierten und zumindest informell an der Diplomatie beteiligt waren.9 Dies verärgert den „Politicus" Schütz, der eine solche Praxis zu verhindern suchte mit Hinweis auf die „Inclination zur Eingezogenheit" der Frauen, auf mangelnde Bildungsqualifikation, die überdies bei einem Frauenzimmer nicht geschätzt würde, auf ihre Beeinflussbarkeit, mangelnde Verschwiegenheit und schließlich durch eine Anspielung darauf, sie folge den Imaginationen nächtlicher Träume.10 Seine Kritik gipfelt in 8 Wilhelm Ignatius Schütz, Reflexiones politico-consolatoriae, Oder Reiffliche Uber1egu(n)gen der jenigen Widerwertigkeiten und Unglück, welchen ein Politicus und vornehmer Weltmann ... underworffen ist, Frankfurt 1661 sowie Reinhard Kunkel, Die Staatsraison in der Publizistik des 17. Jahrhunderts mit be- sonderer Berücksichtigung der deutschen Publizistik. (Ein Beitrag zur Geschichte der Staatstheorien), Dissertation, Kiel 1922, 46f, 83,145. 9 Zu diplomatischen Aufgaben von Frauen als Ehegattin oder mit eigenem Auftrag und dem Status einer „ambassadrice" Anuschka Tischer, Eine französische Botschafterin in Polen 1645-1646. Die Gesandt- schaftsreise Renée de Guébriants zum Hofe Wladislaws IV., in: L'Homme. Z.F.G., 12, 2 (2001), 305-321 ; Jocelyne G. Russell, Diplomats at Work. Three Renaissance Studies, Phoenix Mill 1992. 10 Das Verhältnis von Frauen und Traum wurde geschlechtsspezifisch unterschiedlich gesehen.