Rede Zur Freiheit in Jena
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Rede zur Freiheit in Jena Freya Klier: „Einer aus Jena hat die Freiheit nicht mehr erlebt“ 23. November 2007 Herausgeber Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit Truman-Haus Karl-Marx-Straße 2 14482 Potsdam Kontakt Redaktion der Freiheit Reinhardtstraße 12 10117 Berlin Telefon: 030.28 87 78-51 Telefax: 030.28 87 78-49 [email protected] Gesamtherstellung COMDOK GmbH Büro Berlin 2008 Rede zur Freiheit in Jena Freya Klier: „Einer aus Jena hat die Freiheit nicht mehr erlebt“ 23. November 2007 4 Rede zur Freiheit – Jena Inhalt Dr. Peter Röhlinger Begrüßung 7 Freya Klier „Einer aus Jena hat die Freiheit nicht mehr erlebt“ 12 Dr. Wolfgang Gerhardt MdB Schlusswort 23 Rede zur Freiheit – Jena 5 6 Rede zur Freiheit – Jena Dr. Peter Röhlinger Begrüßung Meine sehr verehrten Damen und Herren, die heutige „Rede zur Freiheit“ trägt den Untertitel „Einer aus Jena hat die Freiheit nicht mehr erlebt. Gedanken zur Opposition in der DDR“. Ich freue mich sehr, liebe Frau Klier, dass wir Sie zu diesem Thema heute hier begrüßen dürfen. Wir haben mit Ihnen jemanden gewonnen, der, wenn es um das Thema Berufsverbot oder um die Erfahrung von Ausweisung und Inhaftierung geht, weiß, wovon er spricht. Es war für mich bei der Bekanntmachung dieser Veranstaltung eine große Freude festzustellen, dass die Reaktion durchweg lautete: „Freiheit, Klier, ja, da komme ich!“ Sie sind hier allseits bekannt, ich habe das Gefühl, es wird eine interessante Veranstaltung. Ferner freue ich mich, dass auch Sie, lieber Wolfgang Gerhardt, heute bei uns sind, in einem Raum, in dem wir schon einmal zusammentrafen, im Frühjahr 1990. Ich begrüße Sie als Vorsitzenden des Vorstandes der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. Besonders freue ich mich auch, dass unser Ehrenbürger Walter Scheler unter uns ist. Walter Scheler gehörte zu denen, die im Zusammenhang mit dem 17. Juni 1953 verhaftet und nach Weimar zur sowjetischen Militäradministration transpor- tiert wurden, gemeinsam mit Alfred Diener. Diener, der am Morgen des nächsten Tages standrechtlich erschossen wurde, hat auf der Fahrt zu Ihnen, Herr Scheler, und zu Ihren Freunden gesagt: „Haltet dicht, ich nehme alles auf mich!“ Heute geht es um die Aufarbeitung unserer Geschichte. Dass man das in An- wesenheit von Betroffenen machen kann, die sich eingebracht haben in Zeiten, in denen man Leib, Leben und Gesundheit riskiert hat, wenn man zu seiner politischen Überzeugung stand, finde ich besonders wichtig. Rede zur Freiheit – Jena 7 Begrüßen möchte ich schließlich Altrektor Machnik als Vertreter der Fried- rich-Schiller-Universität. Professor Koschmieder, den das Programm des heutigen Abends noch als Grußredner ausweist, muss ich entschuldigen. Er ist erkrankt und hat mich gebeten, selbst einige Worte zur Universität und ihrem Bezug zum Frei- heitsthema zu sagen. Ich möchte mich aber zunächst noch bedanken bei allen, die diese Veranstal- tung mit organisiert haben, in Potsdam, in Berlin, in Halle, in Weimar und natürlich hier in Jena. Ich weiß, dass es sehr schwierig ist, für einen anspruchsvollen Vortrag ausgerechnet an einem Freitagabend ein größeres Publikum zu mobilisieren. Meine Damen und Herren, Sie alle werden eine andere Perspektive auf die Ge- schichte haben. Ich freue mich, so viele junge Menschen hier im Raum zu sehen, die einen Teil von dem, worüber wir heute reden wollen, nur noch aus Büchern kennen. Ich freue mich natürlich auch über die Anwesenheit all derer, die aktiv oder passiv am Widerstand beteiligt waren. Aktiv am Widerstand beteiligt – einen Namen habe ich ja schon genannt. Aktive Widerständler gab es in Jena natürlich aber auch zum Zeitpunkt der friedlichen Revolution von 1989, auf die wir stolz sein können. Aber ich begrüße auch die, die in der Zeit der Diktatur dafür gesorgt haben, dass es einen Grundkonsens an Solidarität gab, der dafür gesorgt hat, dass diese Stadt ihre Menschlichkeit auch in schwierigen Zeiten nie verloren hat. Ich freue mich aber auch über die Anwesenheit von Menschen, die enttäuscht sind vom Ausgang der friedlichen Revolution und vom Ergebnis des eigenen Enga- gements. Viele waren, während sie Widerstand leisteten, von anderen Hoffnungen getragen, von Erwartungen, die sich nicht erfüllen sollten. Wenn Sie das Buch von Frau Klier über Matthias Domaschk lesen, finden Sie im Einband die Namen einer ganzen Anzahl von Mitstreitern. Nur wenige sind nach der Wende in Führungs- funktionen in der Kommunal- oder Landespolitik gegangen. Über die Gründe für diese Resignation sollten wir, wie ich finde, ernsthaft nachdenken. Seien Sie bitte nicht erstaunt, wenn ich jetzt auch noch diejenigen begrüße, die bis zum Mauerfall zur politischen Elite gezählt haben. Das hat seinen guten Grund. Jede Generation sollte ihre Geschichte selbst aufarbeiten. Ihren Enkeln und Urenkeln kann sie das nicht überlassen. Diese Möglichkeit müssen wir nutzen, und deswegen glaube ich, wenn auch ehemalige Funktionsträger an dieser Veranstaltung teilnehmen, die willens sind, an der Aufarbeitung ehrlich mitzuwirken, dann ist das zu begrüßen. Ich bin der festen Überzeugung, dass uns die Trennung zwischen Gut und Böse in diesem Prozess nicht weiterbringt. Seien wir ehrlich, erinnern wir uns, wie dankbar wir gewesen sind für Menschen, die scheinbar auf der anderen Seite 8 Rede zur Freiheit – Jena standen, die uns als Ansprechpartner und als Kollegen in schwierigen Situationen aber auch helfen konnten. Mit Schwarz-Weiß-Malerei kommen wir nicht weit. Lassen Sie mich auch einige Worte zur Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit sagen, deren Gast wir heute sind. Sie bemüht sich mit ihren etwa 150 Mitarbeitern in über 60 Ländern, den Wert der Freiheit zu vermitteln. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass das Ausland, wenn es nach Deutschland fragt, vor allem auf diejenigen zugeht, die die Diktatur erlebt und überlebt haben. Was man dazu in Stuttgart oder München berichten kann, ist für die Leute weniger wichtig als dasjenige, was man in Leipzig, in Jena oder in anderen ostdeutschen Städten zu erzählen hat. Ich denke, dass wir sogar die Pflicht haben, unsere Erfahrungen einzubringen. Über den Wert der Freiheit nachzudenken, lohnt sich natürlich auch heute noch. Sie wird unterschiedlich wahrgenommen, unterschiedlich verstanden, unterschied- lich interpretiert. An die Definitionen, wie sie in der DDR galten, erinnere ich mich nur dunkel. Genützt haben sie uns nichts, denn wir haben unter dem Defizit der Freiheit gelitten. Die Stiftung für die Freiheit hat diesen Wert genau zum richtigen Zeitpunkt in den Mittelpunkt ihrer Arbeit gestellt. Denn wir erleben täglich, dass die Freiheit auch heute bedroht ist, sie steht immer wieder zur Disposition. Die Stiftung will sich des Freiheitsthemas im Rahmen verschiedener Großver- anstaltungen annehmen. Dazu zählen der einmal im Jahr stattfindende Freiheits- kongress, der alle zwei Jahre verliehene Freiheitspreis und die zweimal pro Jahr stattfindende „Rede zur Freiheit“. Eine dieser Reden hält heute Frau Klier. Warum ausgerechnet in Jena? Der Grund liegt auf der Hand: Die Stadt hat einen engen Bezug zur Freiheitsgeschichte. Das beginnt schon sehr früh mit dem Auszug der Jenaer Studenten in die Freiheitskriege, setzt sich fort mit der Grün- dung der Urburschenschaften, mit den Klassikern der deutschen Philosophie, mit Schiller natürlich und mit Goethe. Goethe, der Geheimrat und Minister, hat uns auch aufgetragen, wie wir mit der Freiheit umzugehen haben. Am Ende von Faust II heißt es: „Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben, der täglich sie erobern muss“. Dieser Satz ist zeitlos, er gilt heute genauso wie übermorgen. Die Freiheitsgeschichte der Stadt Jena ist mit der literarischen Klassik natür- lich längst noch nicht zu Ende. Ich möchte einen Sprung machen und Rainer Ep- pelmann zitieren, lange Zeit Leiter der Enquêtekommission des Deutschen Bun- destages. Im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der DDR-Geschichte hat er mir einmal gesagt: „Herr Röhlinger: Sie können auf diese Stadt stolz sein. Sie gehört Rede zur Freiheit – Jena 9 zu denen, die wie Magdeburg, wie Berlin, wie Dresden, wie Leipzig als Städte des Widerstandes in Deutschland gelten“. Mit einem weiteren Sprung möchte ich an die Nachkriegszeit erinnern. Wir hatten gerade gestern eine Veranstaltung zur Erinnerung an Grete Unrein, Ehren- bürgerin dieser Stadt und Tochter von Ernst Abbe, einem der Väter der modernen Optik. Sie hat sich in der Zeit des Nationalsozialismus vorbildhaft für jüdische Mit- bürger eingesetzt und dabei ihr eigenes Leben aufs Spiel gesetzt. Ihr Beispiel zeigt, dass Menschen auch in Zeiten von Diktaturen durchaus in der Lage waren, für die Prinzipien der Humanität einzutreten. Wenn wir in die Kriegs- und Nachkriegszeit blicken, möchte ich auch an die Vertreter in den kommunalen Parlamenten und den Landesparlamenten erinnern, die, wie die Jenaer Oberbürgermeister Meier und Herdegen, ihr Amt unter unvor- stellbaren Repressalien niederlegen und die Republik verlassen mussten. Ich sage das deswegen, weil die Erinnerung an die DDR-Widerstandsgeschichte häufig erst mit dem 17. Juni beginnt. Ganz korrekt ist das nicht. Es gab auch in Jena eine li- berale Hochschulgruppe. Mitglieder dieser Gruppe leben glücklicherweise heute noch. Als Alumni kommen ihre Vertreter jährlich einmal zum Schiller-Tag nach Jena. Diese Gruppe war Ende der vierziger, Anfang der fünfziger Jahre zahlenmä- ßig größer als die FDJ. Das passte natürlich nicht ins Weltbild einer Diktatur des Proletariats unter Führung der marxistisch-leninistischen Partei. Viele von ihnen wurden inhaftiert oder verließen die Republik. Der