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20 Jahre Wiedervereinigung Deutschlands Bundesfachseminar des Deutschen Frauenring e.V. vom 13.11.2009 bis 14.11.2009 in Erkner ____________________________ Gefördert durch: ________________________ Impressum Herausgegeben von: Deutscher Frauenring e.V. Redaktion: Bundesgeschäftsstelle Titelblatt: Gudula Hertzler-Heiler Copyright by: Deutscher Frauenring e.V. Bundesverband, Brandenburgische Straße 22, 10707 Berlin 3 Inhaltsverzeichnis 1. Vorwort des Präsidiums 4 2. Die Rolle der Kirchen als Ort für Oppositionelle - Vorträge von - Steffen Reiche 5 - Dr. Maria Nooke 10 3. Wendekinder - Inhaltsangabe zum gezeigten Dokumentarfilm 21 3. Frauen in Ost und West: Hoffnungen, Schwierigkeiten, Ansprüche nach der Wiedervereinigung und heute Protokoll der Podiumsdiskussion 22 5. Anhang Tagungsprogramm 39 4 Vorwort des Präsidiums Am 9.11.1989 kam es zu der plötzlichen und spektakulären Maueröffnung die auf einem Versehen gründete. In den letzten Wochen des Jahres 2009 gab es vielfälti- ge Dokumentationen zu „Schabowskis Zettel“. Wir alle haben vielfältige Berichte da- zu gehört oder gesehen. Obwohl die Regierungen in Polen, in der früheren CSSR und in Ungarn mit Streit und Unruhen zu kämpfen hatten, gab es in Ost- oder Westdeutschland niemanden der auf das Ereignis der Grenzöffnung der DDR vorbereitet war. Der Einigungsver- trag wurde unter großem Zeitdruck erstellt. Unser Seminar „20 Jahre Wiedervereinigung Deutschland“ startete mit einem Ein- führungsvortrag zum Thema „Die Überwindung der SED-Diktatur: Ursachen und Verlauf der friedlichen Revolution“, der einen Überblick über die Ereignisse und Hin- tergründe gab. Leider kann der Vortrag von Herrn Dr. Hüttmann aus urheberrechtli- chen Gründen an dieser Stelle nicht abgedruckt werden. Der zweite Teil war dem Thema „Die Rolle der Kirchen als Ort für Oppositionelle“ gewidmet. Zwei Oppositionelle, Herr Steffen Reiche und Frau Maria Nooke, die ak- tiv am Umbruch beteiligt waren, berichteten die Geschehnisse aus ihrer Sicht. Die Umbruchzeit wurde im Jubiläumsjahr der Maueröffnung in vielfältiger Weise ge- zeigt und erörtert. Dabei stand ein Aspekt wenig im Vordergrund: Die Kinder der Wendezeit. Der Dokumentarfilm „Wendekinder“ wurde im Laufe des Seminars ge- zeigt. Er erzählt, wie die damals 12-19jährigen die Umbruchzeit erlebten und wie dies ihr Leben veränderte. Der Regisseur des Films und zwei Protagonisten folgten unserer Einladung und diskutierten mit den Teilnehmerinnen des Seminars den Film. Für uns als Frauenverband, der sowohl in den alten als auch in den neuen Bundes- ländern vertreten ist, ist die Sicht von Frauen in Ost und West auf die friedliche Re- volution und die Veränderungen nach der Wiedervereinigung von vitalem Interesse. In einer Podiumsdiskussion wurden Fragen gestellt nach Hoffnungen, Schwierigkei- ten und Ansprüchen von Frauen in dieser Zeit, wo wir heute stehen und welches unsere gemeinsamen Ziele sind in einer Welt, die sich schnell verändert und uns vor neue Herausforderungen stellt. Noch eine abschließende Anmerkung: Der Abdruck der Erlebnisberichte bzw. Dis- kussionsbeiträge erfolgt ohne Streichungen oder Textänderungen, da die in den spontanen Wortbeiträgen zum Ausdruck kommenden Emotionen nicht verfälscht werden sollten. Doris Riedel Mitglied des Präsidiums 5 Die Rolle der Kirchen als Ort für Oppositionelle 20 Jahre Wiedervereinigung Deutschlands und in diesem Zusammenhang die Rolle der Kirchen als Ort für Oppositionelle ist ein gutes, ein wichtiges Thema. Ich denke, man kann sagen, ohne Kirchen wäre zu- mindest nicht zu diesem Zeitpunkt und Steffen Reiche ganz gewiss auch nicht ohne Gewalt die- Theologe, Mitbegründer der SDP ser friedliche Umbruch so verlaufen. Die Kirchen haben eine zentrale Rolle in die- sem Prozess gespielt, besonders auch die evangelische Kirche, die Jahrzehnte lang bekämpft und um zwei Drittel ihrer Mitglie- der in den 40 Jahren DDR gebracht wur- de. Unbewusst haben die vorbereiteten und organisierten Reformen, der Mut zum aufrechten Gang, der in den Kirchen ge- vieles von dem, was die Staatssicherheit lernt wurde und das offene Wort, was dort dort machen wollte, gelang ihnen eben gesprochen werden konnte, den Prozess auch nicht. eingeleitet, der das Ende der DDR dann Horst Sündermann, der Vorsitzende des besiegelte. Sicherheitsrates, hat einmal in dieser Um- Die evangelischen Kirchen in der DDR ha- bruchzeit, in dieser Zeit der friedlichen Re- ben gewiss auch Fehler gemacht. Sie wa- volution gesagt: ren oft zu ängstlich oder zu kompromiss- bereit, aber sie hatten den Auftrag, Kirche für andere zu sein. Sie waren nach ihrer „Mit allem haben wir gerechnet, nur nicht Tradition orientiert, denn Bekennende Kir- mit Kerzen.“ che und die Barmer Theologische Erklä- rung , das war den Christen natürlich als Also Kerzen, die aus den Kirchen mitge- Auftrag im Bewusstsein, aber auch als bracht wurden als Symbol, welches aus schon einmal genutzte Chance und als der Kirche auf die Straße getragen wurde. einmal zu wenig engagiert genutzte Chan- Die wichtigsten Impulse und Stationen, die ce. Die Kirche war von ihrer Stellung in der dazu motiviert haben, sich für Reformen in Gesellschaft her dazu in der Lage, denn der DDR einzusetzen, waren: die Umwelt- die Kirchen bildeten den einzigen Frei- bibliothek in Prenzlauer Berg, die jungen raum, der nicht vom Staat reglementiert Gemeinden, die Kirche von unten, die Kir- werden konnte. Was die Staatssicherheit chentage und die Montagsdemos in Leip- machen konnte, war, Staatssicherheitsleu- zig, in Plauen, in Dresden, in Potsdam und te in die Kirchen zu schicken, die das gan- an vielen anderen Orten. Der konziliare ze versucht haben zu erkunden, aufzuklä- Prozess für Frieden, Gerechtigkeit und Be- ren und davon weiter zu erzählen. Aber wahrung der Schöpfung war die Selbstver- 6 gewisserung der Kirche, dass ihr politi- einem langen Prozess Barmer Theologische scher Auftrag, der gerade auch in einer durch die Kirchen seit Erklärung Gesellschaft wie der DDR, wo es demo- der Reformation er- Die Barmer Theologische kratisch legitimierte Parteien ja nicht gab, kämpft worden sind, Erklärung entstand am ein Auftrag für die Gesellschaft war. zurückgenommen und 31. Mai 1934 auf der Be- Es gab in den Kirchen, das muss selbstkri- beschnitten werden. kenntnissynode in Bar- men. Es war damals als tisch gesagt werden, auch rote Pfarrer, die Manche wollten an notwendig erachtet wor- in der CDU organisiert waren oder in der diesen Ausbildungs- den, das christliche Be- kenntnis vor der Verfrem- christlichen Friedenskonferenz mitmach- stätten nur ein freies dung durch die ten. Aber die übergroße Mehrheit war kri- Studium absolvieren „Deutschen Christen“ zu tisch. Sie hatten andere Möglichkeiten der und im Grunde gar schützen und den Macht- anspruch des Nationalso- besseren wahrhaftigeren Information. Zum nicht in den Pfarr- zialismus mit dem Ziel der einen das Gespräch untereinander, aber dienst eintreten. Die Gleichschaltung zurückzu- eben auch die Möglichkeit, Bücher oder Freiheit im Denken, weisen. Sie gilt als das wichtigste theologische Zeitungen über die Partnergemeinden aus die Freiheit zum Ge- Dokument aus der Zeit dem Westen zu bekommen. Es gab in der spräch, der Zugang zu des Kirchenkampfes im Dritten Reich. Die Erklä- DDR kirchliche sowie staatliche Ausbil- anderer Literatur und rung - sie besteht aus dungsstätten für Theologen und Diakone. zu Wissen und zu sechs Thesen - wird als Die kirchlichen Ausbildungsstätten in Ber- Kenntnissen, wie man wegweisendes Lehr- und Glaubenszeugnis der Kir- lin, Naumburg und Leipzig hatten eine ge- sie an anderen Stellen che im 20. Jahrhundert duldete Rolle. Man bekam einen inhaltli- der DDR kaum oder angesehen. Die Refor- chen Abschluss, der allerdings staatlich gar nicht erwerben mierten und die Evangeli- sche Kirche der Union nicht anerkannt war. In den staatlichen Fa- konnte, hat auch sie rechnen sie zu ihren Be- kultäten wurde im Wesentlichen große An- an diese Ausbildungs- kenntnisgrundlagen. Alle Kirchen sehen in der Bar- passung praktiziert. Aber das, was die 500 stätten geführt. mer Theologischen Erklä- Jungmenschen an den kirchlichen Ausbil- Zugleich hat die Kir- rung ein wichtiges theolo- dungsstätten in der Tradition der beken- che vielen 10.000 gisches Dokument aus der Zeit des Kirchenkamp- nenden Kirche gelernt haben, zum Bei- Menschen einen Ar- fes. spiel bei Lehrern wie Richard Schröder, beitsmarkt gegeben, Wolfgang Uhlmann oder Wolf Krötke, wa- an dem sie ihre Freiheitsrechte praktizie- ren ganz wichtige Impulse und auch eine ren konnten. Das waren diakonische Ein- Orientierung, sich einzubringen und sich richtungen, Einrichtungen in kirchlicher für Reformen Trägerschaft und einige wenige Schulen. Bekennende Kirche stark zu ma- Dieser begrenzte Arbeitsmarkt war ein Ort, Die Bekennende Kirche war wäh- chen. Es wur- wo Menschen neue Hoffnung schöpften, rend des Kirchenkampfes im Dritten de gelehrt, Orientierung sowie Impulse auch für den Reich eine Widerstandsbewegung dass es nicht Widerstand bekamen und in der ausge- innerhalb der evangelischen Kirche, die sich gegen den theologisch- unwiderspro- henden DDR-Zeit ein Ort für Menschen, politischen Einfluss der „Deutschen chen bleiben die resigniert hatten und entschieden hat- Christen“ wehrte. Der oppositionelle darf, wenn der ten, ich werde meine Zukunft woanders Zusammenschluss wandte sich zugleich gegen staatliche Eingriffe Staat DDR suchen. in die Kirche. Mit der Barmer Theo- Freiheitsrech- Der erste Artikel der Verfassung der DDR logischen Erklärung von 1934 trat er einer Verfälschung der evangeli- te und Bürger-