DER WELT ERBE GEWANNE ZU EIGEN, WER AUS DEM RHEINGOLD SCHÜFE DEN RING DAS RHEINGOLD Vorabend des Bühnenfestspiels von Richard Libretto vom Komponisten In deutscher Sprache mit deutschen & englischen Untertiteln

Wotan RENATUS MESZAR Donner SEUNG-GI JUNG / Ks. ARMIN KOLARCZYK Froh CAMERON BECKER / JAMES EDGAR KNIGHT DER WELT ERBE Loge Ks. KLAUS SCHNEIDER / MATTHIAS WOHLBRECHT Alberich JACO VENTER Mime Ks. KLAUS SCHNEIDER / Ks. HANS-JÖRG WEINSCHENK GEWANNE ZU EIGEN, Fasolt YANG XU Fafner AVTANDIL KASPELI Fricka ROSWITHA CHRISTINA MÜLLER a. G. / KATHARINE TIER / Ks. EWA WOLAK WER AUS DEM Freia AGNIESZKA TOMASZEWSKA Erda ARIANA LUCAS a. G. Woglinde ULIANA ALEXYUK / Ks. INA SCHLINGENSIEPEN RHEINGOLD SCHÜFE Wellgunde STEFANIE SCHAEFER / KRISTINA STANEK Floßhilde DILARA BAŞTAR / KATHARINE TIER

Siegmund / WITALIJ KÜHNE a. G. DEN RING Sieglinde / Gutrune ROSA SUTTER a. G. Brünnhilde DIANA MATTHESS a. G. Hunding / Hagen MATTHIAS ROTT a. G. Gunther STEFAN PIKORA a. G.

Musikalische Leitung JUSTIN BROWN Nachdirigat JOHANNES WILLIG Regie DAVID HERMANN Bühne JO SCHRAMM Kostüm BETTINA WALTER Licht STEFAN WOINKE, JO SCHRAMM Dramaturgie BORIS KEHRMANN

BADISCHE STAATSKAPELLE STATISTERIE DES STAATSTHEATERS KARLSRUHE

PREMIERE 9.7.16 GROSSES HAUS Aufführungsdauer ca. 2 ½ Stunden, keine Pause

1 Regieassistenz EVA VON BÜLOW-SCHUCH, ANJA KÜHNHOLD Abendspielleitung ANJA KÜHNHOLD Musikalische Assistenz & Einstudierung RAINER ARMBRUST, PAUL HARRIS, ALISON LUZ, MIHO UCHIDA Studienleitung STEVEN MOORE Bühnenbildassistenz NELE RICHTER Kostümassistenz KIM LOTZ Übertitel ACHIM SIEBEN Soufflage EVELYN WALLPRECHT Inspizienz GABRIELLA MURARO Leitung der Statisterie OLIVER REICHENBACHER Regiehospitanz DAVID MERZ, NIKITA SWIRIDOW Bühnenbildhospitanz FENJA SCHWARZTRAUBER Kostümhospitanz CENNET AYDOGAN

Technische Direktion HARALD FASSLRINNER, RALF HASLINGER Bühneninspektor RUDOLF BILFINGER Bühne STEPHAN ULLRICH, EKHARD SCHEU Leiter der Beleuchtungsabteilung STEFAN WOINKE Leiter der Tonabteilung STEFAN RAEBEL Ton / Video GUNTER ESSIG, JAN PALLMER Leiter der Requisite WOLFGANG FEGER Werkstättenleiter GUIDO SCHNEITZ Malsaalvorstand GIUSEPPE VIVA Leiter der Theaterplastiker LADISLAUS ZABAN Schreinerei ROUVEN BITSCH Schlosserei MARIO WEIMAR Polster- und Dekoabteilung UTE WIENBERG

Kostümdirektorin CHRISTINE HALLER Gewandmeister/-in Herren PETRA ANNETTE SCHREIBER, ROBERT HARTER Gewandmeisterinnen Damen TATJANA GRAF, KARIN WÖRNER, ANNETTE GROPP Waffenmeister MICHAEL PAOLONE, HARALD HEUSINGER Schuhmacherei THOMAS MAHLER, NICOLE EYSSELE, VALENTIN KAUFMANN Modisterei DIANA FERRARA, JEANETTE HARDY Kostümbearbeitung ANDREA MEINKÖHN Chefmaskenbildner RAIMUND OSTERTAG Maske SABINE BOTT, MELISSA DÖBERL, KARIN GRÜN, FREIA KAUFMANN, NIKLAS KLEIBER, MARION KLEINBUB, MELANIE LANGENSTEIN, CAROLIN MASKE, JESSICA MOLNAR, SOTIRIOS NOUTSOS, SANDRA OESTERLE

WIR DANKEN für die Unterstützung durch den Richard-Wagner-Verband Karlsruhe e. V. der Privatbrauerei Hoepfner GmbH für die Unterstützung der Premierenfeier.

Wir machen darauf aufmerksam, dass Ton- und/oder Bildaufnahmen unserer Aufführungen durch jede Art elektronischer Geräte strikt untersagt sind.

NACH GOLD NUR SOLLT IHR NOCH GIEREN 2 Jaco Venter 3 MACHT MACHT

ZUM INHALT MIES

Erste Szene als Pfand nach Riesenheim mit. Wotan ist gezwungen, mit Loges Hilfe den Schatz zu Alberich, ein Nibelung aus Nibelheim, beschaffen. erscheint auf dem Grund des Rheins. Die Rheintöchter verspotten ihn. Die Dritte Szene aufgehende Sonne bricht sich an einem Schatz. Statt das Gold zu hüten, plaudern Alberich hat die Nibelungen versklavt. die Wächterinnen sein Geheimnis aus. Wer Mime muss ihm eine Tarnkappe schmieden. es zum Ring schmiedet, kann sich durch Er möchte sie behalten, weiß aber nicht, ihn die Welt unterwerfen. Dies vermag wie der Zauber funktioniert. Alberich aber nur, wer der Liebe entsagt. Alberich entreißt dem Bruder den Helm und züchtigt beschließt, dies zu tun, und raubt das Gold. ihn. Mime klagt Wotan und Loge, wie sich die Verhältnisse in Nibelheim verschlimmert Zweite Szene haben, seit Alberich herrscht. Der erscheint und prahlt mit seinen Plänen. Mit Hilfe des Wotan träumt von einer neuen Residenz. Goldes will er sich die Welt unterwerfen. Fricka hat erfahren, dass ihre Schwester Loge gibt vor, an den Fähigkeiten des Helms der Preis für den Bauauftrag ist. Freia zu zweifeln und provoziert ihn zu einer flieht vor Fasolt und Fafner, die den Lohn Probe, in deren Verlauf er ihn fängt. für ihre Arbeit einziehen wollen. Wotan erwartet Loge. Der Feuergott versprach, Vierte Szene sich nach einer Alternative umzusehen. Er erscheint mit leeren Händen. Die Alberich muss sich mit seinem Schatz Liebe(sgöttin) ist mit nichts auf, über oder freikaufen. Er belegt den Ring mit einem unter der Erde aufzuwiegen. Nur einer hat Fluch. Wer ihn besitzt, soll sterben, wer sich von ihr losgesagt, um Macht auzuüben: nicht, vor Gier nach ihm zerfressen werden. Alberich. Nebenbei richtet Loge die Bitte Die Riesen erscheinen und fordern den der Rheintöchter aus, ihnen wieder zu Schatz. Wotan versucht, Helm und Ring für ihrem Eigentum zu verhelfen. Wotan sich zu behalten. Erda warnt ihn vor dessen weist das von sich. Die Riesen erklären Gefahr. Im Streit um den Ring erschlägt sich bereit, das Rheingold statt Freia zu Fafner den Bruder. Alberichs Fluch wirkt. akzeptieren. Bis zum Abend nehmen sie sie Die Götter ziehen in Walhall ein.

4 Roswitha Christina Müller, Renatus Meszar MACHT

5 6 Uliana Alexyuk, Katharine Tier, Ariana Lucas, Stefanie Schaefer 7 DAS SATYRSPIEL AM ANFANG ZUM STÜCK

Nach den drei Jugendwerken , schon zu seinen Lebzeiten belächelt und und in den 1830er karikiert wurde. Sie sollte die Vorgänge Jahren und den drei romantischen Opern poetisieren und in den Rang allgemeingülti- Der fliegende Holländer, Tannhäuser und ger Allegorien erheben, indem sie sie durch in den 40ern betrat Richard Wag- Stabreime, Versbindung, altertümliche und ner in den 50er Jahren mit dem Ring des teilweise neu geschaffene Worte von ge- Nibelungen Neuland. Der Form nach schuf sprochener Alltagssprache abhob. Schon er ein dramatisiertes Epos, dem Tonsatz die Sprache sollte das in die nach „musikalische Prosa“, das sinfonisch Sphäre der Kunst erheben. weiterentwickelte Rezitativ. Warum Festspiel? Wagner gehörte zu jenen Komponisten, die ihre Libretti selbst verfassten. Musik Das Nibelungen-Libretto wendet die Form und Text sollten in der modernen Oper aus der griechischen Tragödie auf die ger- einem Guss sein. Diese Forderung hatten manische Mythologie an. Die attischen um 1800 die Frühromantiker aufgestellt. Tetralogien, seit dem 6. vorchristlichen E.T.A. Hoffmann, einer der Lieblingsautoren Jahrhundert Kernstück der staatlichen des jungen Komponisten, und Robert Schu- Dionysos-Feste in Athen, lernte der vater- mann griffen sie eine Generation später lose Gymnasiast bei seinem Onkel, dem auf, dachten sie musiktheoretisch weiter Dresdner Altphilologen und Sophokles- und versuchten sie in ihren Opern umzu- Übersetzer Adolph Wagner, bei dem er setzen. Die Forderung der „romantischen aufwuchs, kennen. Sie bestehen aus drei Universalpoesie“ war die Keimzelle des von zusammenhängenden Tragödien und einem Wagner 1849 so genannten „Gesamtkunst- abschließenden Satyrspiel. Die einzige werks“. Sie lag in avancierten Kreisen in erhaltene Tetralogie, allerdings ohne Satyr- der Luft. Wagner fand erstmals eine befrie- spiel, ist die Orestie des Aischylos. Welch‘ digende musikalisch-dramatische Synthe- tiefen Eindruck sie kurz vor Beginn der se, obwohl seine raunende Kunstsprache Arbeit am Ring erneut auf Wagner machte,

8 belegen seine Briefe und Schriften, nicht nicht als „Oper“ oder „Drama“, sondern als zuletzt die Autobiografie so- „Festspiel“. Alle politischen Theorien Wag- wie die Abhandlungen Die Kunst und die ners laufen auf die staatlich gelenkte und Revolution, Das Kunstwerk der Zukunft subventionierte Erziehung des Zuschauers und Oper und Drama. Letztere entstanden durch Theater hinaus. als theoretische Vorarbeiten in der Inku- bationszeit des Rings. Sie versuchen den Die besondere Form des Rings als Te- Begriff „Gesamtkunstwerk“ erstmals klar tralogie nach antikem Vorbild war nicht zu definieren und als Projekt eines Theaters von Anfang an geplant. Als Wagner sich der Zukunft in die Diskussion zu werfen. Ende der 1840er Jahre mit dem Stoff Nach sieben desillusionierenden Jahren als beschäftigte, befand er sich in seiner Königlich-Sächsischer Hofkapellmeister in romantischen Phase, die durch den 1843 Dresden hatte Wagner 1849 alle Hoffnun- uraufgeführten Fliegenden Holländer, den gen verloren, dass das Theater der Gegen- 1845 uraufgeführten Tannhäuser und den wart in seinem Sinne reformierbar sei. 1850 uraufgeführten Lohengrin bezeichnet wird. Im Zusammenhang mit der Arbeit an Zum Theater gehörte für ihn übrigens auch Lohengrin las er im Sommer 1847 nicht nur das Publikum, das seinen Ansprüchen das in Karl Simrocks Über- nicht genügte. Er wollte keine Hörer, die zur setzung, aus dem er den Streit der beiden Unterhaltung oder um gefällige Melodien Königinnen Brünhild und Kriemhild vor zu genießen ins Theater gingen, sondern dem Wormser Münster in den 2. Akt seiner solche, wie er sie sich bei den Dionysien in Oper verpflanzte, sondern auch die Orestie Athen vorstellte. Sie sollten sich von der des Aischylos und Komödien des Aristo- Tragik philosophischer Weltschau im dra- phanes. Besonders die Erläuterungen des matischen Gleichnis erschüttern lassen und Aischylos-Übersetzers Johann Gustav nach neun Stunden geläutert das Theater Droysen, berichtet Wagner 25 Jahre spä- verlassen. So hatte es Schiller in den Kra- ter in Mein Leben, hätten ihn in die Lage nichen des Ibykus idealisierend dargestellt, versetzt, „das berauschende Bild der athe- die Wagner seit Kindheit auswendig kannte. nischen Tragödienaufführungen so deut- Um ein solches Publikum zu bilden, legte er lich meiner Einbildungskraft vorzuführen, den Zuschauerraum des Bayreuther Fest- daß ich die Oresteia vorzüglich unter der spielhauses nicht in der damals üblichen Form einer solchen Aufführung mit einer Hufeisenform an, wo man die Zuschauer in bisher unerhört eindringlichen Gewalt auf den Logen besser sah als die Bühne, son- mich wirken fühlen konnte. Nichts glich dern entwarf erstmals ein Auditorium nach der erhabenen Erschütterung, welche der antikem Grundriss. An die Decke ließ er Agamemnon auf mich hervorbrachte: bis statt barocker oder klassizistischer Stucka- zum Schluß der Eumeniden verweilte ich turen das Zeltdach malen, das die Athener in einem Zustande der Entrücktheit, aus vor der Sonne schützte. Diese Reform des welchem ich eigentlich nie wieder gänzlich Theaterbaus hatte er schon Jahrzehnte vor zur Versöhnung mit der modernen Literatur Bayreuth mit seinem Dresdner Co-Revolu- zurückgekehrt bin. Meine Ideen über die tionär erarbeitet. Und in Bedeutung des Dramas und namentlich Anlehnung an die Dionysien bezeichnete er auch des Theaters haben sich entschei- seinen Ring des Nibelungen schon damals dend aus diesen Eindrücken gestaltet.“

9 Wagners Parallelinteresse an der Antike historisch-philologische Sachbestände und am deutschen Mittelalter führte noch ständig überlagerten. Der Mythos war während der Arbeit an Lohengrin zu Plänen für Wagner ein Medium, zeitlose Gesetze für zwei Schauspiele, die über das Ent- menschlichen Zusammenlebens, politischer wurfsstadium nicht hinauskamen. Das eine Organisation und historischer Entwicklung widmete sich unter dem Eindruck der klas- zu erkennen, über sie nachzudenken und sie sischen Monografie Droysens Alexander künstlerisch-gleichnishaft darzustellen. In dem Großen, das andere dem deutschen Siegfried sah er 1848/49 einen Revolutionär Kaiser Friedrich Barbarossa, dessen an der Bakunin’schen Typs. An Bakunins Seite Realität scheiternder Versuch, eine neue hatte er sich an den Vorbereitungen der weltpolitische Ordnung zu schaffen, auf Dresdner Mai-Aufstände beteiligt. In einem Wotan vorausweist. Ein Buch des Karlsru- Brief vom März 1850 redet er ihn als „Lieber her Direktors des Badischen Generallan- freund und bruder“ an. Bakunin vertrat die desarchivs Franz Joseph Mone, Untersu- Ansicht, dass die Verhältnisse nicht mehr chungen zur teutschen Heldensage, 1836, reformiert werden könnten, sondern voll- brachte Wagner von diesen Plänen ab und ständig zerstört werden müssten, um Platz lenkte sein Interesse ganz der deutschen für einen besseren Neuanfang zu machen. Sagenwelt zu. Besonders Mones Lehre vom An der Siegfried-Sage konnte Wagner „doppelten Inhalt“ der Sagen, ihrem „ge- durchspielen und darstellen, wie sich ein schichtlichen und mythischen“, zog Wagner solcher Revolutionär in der geschichtlichen an. „Man könnte sagen“, schreibt Mone Welt bewegt und gegen welche Widerstän- in der Einleitung seiner Studie über den de er sich behaupten muss. Das machte den Nibelungen-Stoff, „der Leib der Heldensage Stoff für ihn zu einer Zeit aktuell, als er sich ist die Geschichte, der Geist der Mythus.“ selbst in revolutionären Zusammenhängen Damit bestätigte er den Komponisten nicht bewegte. Wie rückhaltlos sich der 35-Jähri- nur in seiner Suche nach einem Drama, das ge Bakunins Denken anschloss, überliefert historische Vorgänge allgemeingültig deu- wiederum Devrients Tagebuch. Am 1. Juni tet und zum zeitlosen Verständnis aktueller 1848 heißt es dort: „Nach Tisch Besuch Entwicklungen beiträgt, sondern verlieh von Kapellmeister Wagner; wir zankten uns vor allem dem deutschen „Mythos“ eine wieder barbarisch über Politik. Er will zer- welthistorische Dimension, die sich in ihrer stören, um Neues aufzubauen, ich will das Grundsätzlichkeit mit dem antiken messen Bestehende zu einer neuen Welt verwan- konnte. Am 1. April 1848 erzählte Wagner deln.“ Am 12. Oktober liest Wagner ihm das seinem Dresdner Kollegen Eduard Devri- Szenarium zu Siegfrieds Tod vor. Der Dresd- ent von einem „neuen Opernplan aus der ner Regisseur zweifelt an seiner Bühnen- Siegfriedsage“. Das Tagebuch des späteren tauglichkeit. „Diese rohgeschnittenen Rie- Karlsruher Intendanten überliefert die erste sengestalten müssen der Einbildungskraft Erwähnung des Projekts. überlassen bleiben, die Wirklichkeit unserer Bühne macht sie klein und tändlich. Auch Nun stürzte sich der Komponist in holt Wagner immer zu weit aus und knetet germanisch-altnordische Sagenstudien, seine modernen Anschauungen ein. Er klagt entlieh Übersetzungen und vergleichende mich förmlich an, dass ich nicht auf seine Abhandlungen aus der Dresdner Hofbiblio- Theaterrevolutionspläne eingegangen bin.“ thek, wobei sich ihm aktuelle Politik und Am 21. Oktober: „Kapellmeister Wagner

10 brachte mir einen Opernentwurf, hatte wie- mit den Nibelungen. Während dieser sich der große sozialistische Rosinen im Kopf.“ aber zeit seines Lebens nicht von seinem Am 2. Dezember liest Wagner ihm das fer- Vor- und Hassbild Schiller emanzipieren tige Libretto vor. Devrient hält es für seine konnte, schritt Wagner unter dem Eindruck beste bisherige Arbeit. „Nachher sprachen seiner Antike-Studien über Schiller und wir lange über Sprache, Volksbildung, Meyerbeer hinaus und erweiterte sein christliche Entwicklung und kamen natür- Siegfried-Drama in der geschilderten Wei- lich auch auf den Staat, wo er wieder sein se zum Festspiel. Die Gründe erläuterte er Steckenpferd, die Vernichtung des Kapitals, Theodor Uhlig, einem radikalen Sozialisten bestieg. Aber er ist doch der bedeutendste und Antisemiten, in einem Brief vom 12. Kopf von allen, die ich in Dresden kenne.“ November 1851. Es sei ein Fehler gewesen, schreibt Wagner Uhlig in der gemäßigten Nach seiner im Detail bis heute ungeklärten Kleinschreibung, die Jacob Grimm deut- Beteiligung am Dresdner Mai-Aufstand schen Demokraten als Zeichen ihrer anti- musste Wagner fliehen, um der Todesstrafe absolutistischen Gesinnung empfohlen wegen Hochverrats zu entgehen. Wie viele hatte, dass er sich bei Siegfrieds Tod an Demokraten fand er in der Schweiz Exil. die Konventionen des überlebten Theaters Dort schrieb er am Leitfaden der Antike die gehalten habe. Dadurch habe alles auf eine oben erwähnten Zürcher Kunstschriften „hauptkatastrophe“ zugespitzt werden über das Theater der Zukunft, da ihm das müssen, während „der große zusammen- Theater der Gegenwart jetzt verschlossen hang, der den gestalten erst ihre unge- war. Sie dienten ihm dazu, sich über die heure, schlagende bedeutung giebt“, den Dresdner Kapellmeisterjahre klar zu werden Zuschauern „nur durch epische erzählung“ und Konsequenzen daraus zu ziehen. Dies hätte mitgeteilt werden können. „Um daher sei ihm jetzt „nöthiger“, „als alles unnütze Siegfrieds tod zu ermöglichen, verfaßte ich Opernschreiben“, erklärte er seiner ver- den jungen Siegfried: je bedeutender aber zweifelten Frau am 16.4.1850. Anschließend dadurch das Ganze sich schon gestaltete, griff er Siegfrieds Tod wieder auf. Dabei desto mehr mußte mir jetzt, als ich an die wurde ihm klar, dass die 1848 konzipierte scenisch=musikalische ausführung des „Heldenoper“ über die gesellschaftlichen jungen S. ging, einleuchten, daß sich das Widerstände, an denen Revolutionäre bedürfniß nach deutlicher darstellung des scheitern, ohne Vorgeschichte unverständ- ganzen Zusammenhanges an die Sinne nur lich blieb und dass es undramatisch war, sie noch gesteigert hatte. Jetzt sehe ich, ich in langen Erzählungen nachzureichen. Nach muß, um vollkommen von der bühne herab dem Vorbild von Schillers Wallensteins Tod verstanden zu werden, den ganzen Mythos schickte er ihr Der junge Siegfried voraus. plastisch ausführen“, also darstellend, nicht Auch seine Begegnung mit Meyerbeers erzählend. „Mit dieser meiner neuen kon- Prophet Anfang 1850 in Paris spielte dabei zeption trete ich gänzlich aus allem bezug eine Rolle. Wagner verstand den jüngsten zu unserem heutigen theater und publikum Erfolg seines Rivalen als Revolutionsdrama, heraus: ich breche bestimmt und für immer das es zu übertreffen galt. Auch darum mit der formellen gegenwart. Fragst Du erweiterte er das „Drama des großen Ein- mich nun, was ich mit meinem plane vor- zelnen“ zum „Mythos“. Zur gleichen Zeit habe? – Zunächst, ihn ausführen. […] Am beschäftigte sich Friedrich Hebbel in Wien Rheine schlage ich dann ein theater auf,

11 12 Agnieszka Tomaszewska, Renatus Meszar, Yang Xu, Avtandil Kaspeli, oben Matthias Rott, Witalij Kühne, Diana Matthess 13 und lade zu einem großen dramatischen te: Die Vögel. Diese Satire handelt von feste ein: nach einem jahre vorbereitung zwei Athener Bürgern, die in den Himmel führe ich dann im laufe von vier tagen mein fliehen – einer vor seinen Gläubigern – und ganzes werk auf: mit ihm gebe ich den men- den Vögeln einreden, sie sollten eine Stadt schen der Revolution dann die bedeutung zwischen Olymp und Erde bauen, um den dieser Revolution, nach ihrem edelsten Göttern jene Macht wieder zu entreißen, sinne, zu erkennen. Dieses publikum wird die diese ihnen geraubt hätten. Der Kampf mich verstehen: das jetzige kann es nicht.“ der Vögel gegen die Götter ist eine antike Parodie des Titanenkampfes, der seinen Aus dem Doppeldrama wurde „Ein Bühnen- Weg auch in die germanische Mytholo- festspiel für drei Tage und einen Vorabend“, gie gefunden hat und im Rheingold dem wie der Untertitel nun lautete. Damit spielte Gegensatz zwischen Göttern und Riesen er auf die Dionysien an, die ebenfalls am zugrunde liegt. Das Entscheidende war Tag stattgefunden hatten und nicht zur Un- aber Aristophanes‘ Schichtung des Kosmos terhaltung am Abend, wie das „verdorbene“ in drei Ebenen, die Erde, auf der die Men- moderne Theater. Ebenso ging die Idee des schen leben, die des Himmels, in dem die Vorabends auf die Dionysien zurück. Dort Vögel leben und die des Olymp, auf dem die wurden in einem „Pro-Agon“ vor dem Fest Götter leben. Nach diesem Vorbild gliederte die Teilnehmer des Tragödien-Wettbewerbs Wagner den Stoff im Rheingold. Dort gibt vorgestellt und am Abend vor diesem das es im Erdinnern die Stollen der Nibelun- Kultbild des Dionysos feierlich aus seinem gen. Eine Ebene weiter oben gräbt Vater Tempel vor der Stadt ins Theater geleitet. Rhein sein Flussbett durch die Erdkruste Wagner, der schon den Jungen Siegfried und bietet seinen Töchtern, Personifizie- als „heiteres musikalisches Drama“ gestal- rungen des Wassers und der Wellen, ihren ten wollte, verlegte das die attische Tetralo- Lebensraum. Das Rheintal steigt zu einem gie abschließende Satyrspiel an den Beginn Hochplateau als Aufenthalt der Götter auf, und ließ die germanischen Götter damit dessen Charakterisierung Wagner der feierlich in das Theater einziehen, ein Akt, Vögel-Übersetzung des Bad Wildbader der sich im Einzug der Götter nach Walhall Lehrersohns Ludwig Seeger entnommen am Schluss des Rheingolds spiegelt. hat. Auf einem „Felsgipfel“ über dieser Hochebene erhebt sich, dem aristophani- Warum Komik? schen Olymp gleich, die Götterburg Walhall. Diese topografische Struktur lieferte das Dass dies keine Spekulation ist, belegen Modell für die Gliederung der Handlung in Spuren von Wagners theoretischer Be- vier Szenen ab, die wie bei Aristophanes schäftigung mit dem Satyrspiel in seiner pausenlos ablaufen. Mitteilung an meine Freunde in eben jenem Jahr 1851, als sich der Ring vom Zwei- Es gibt auch zahlreiche inhaltliche und zum Vierteiler auswuchs. Das Rheingold sprachliche Parallelen zwischen dem orientiert sich allerdings weniger an dem Rheingold-Libretto und den Vögeln des Aris- einzigen antiken Satyrspiel, das zu Wag- tophanes. Peithetairos, der ehrgeizigere der ners Zeiten bekannt war, dem Zyklopen des beiden Schwindler, rät den Vögeln, die Göt- Euripides, als vielmehr an einer Komödie ter auszuhungern, indem sie ihre Vogelstadt des Aristophanes, die er besonders schätz- zwischen Erde und Olymp so stark befes-

14 tigen, dass die Düfte der Brandopfer, von bibliothek liegen, enden mit dem Vers „daz denen sich die Götter nähren, nicht mehr ist der Nibelungen nôt“. Um sie von Fassung zu ihnen aufsteigen können. Eine ähnliche C zu unterscheiden, tragen sie danach den Strategie verfolgen bei Wagner die Riesen, Titel Der Nibelungen Not und Klage. Fas- die die Götter durch Freias Entführung aus- sung C, die sich seit 2001 in der Badischen hungern wollen. Der Aufsteiger Peithetairos Landesbibliothek Karlsruhe befindet, hat wird mit fortschreitender Handlung größen- sich im Laufe des 19. Jahrhunderts jedoch wahnsinnig wie Alberich. Nachdem er sich durchgesetzt, und mit ihr der uns geläufige die Götter mit Hilfe der Vögel bereits unter- Titel nach deren letztem Vers „daz ist der worfen zu haben glaubt, schickt er sich an, Nibelunge liet“. Diese Entwicklung vollzog nun auch noch die Menschen zu unterjo- sich erst, nachdem Wagner das Nibelun- chen. Man könnte die Parallelen bis hinein gen-Libretto 1853 vollendete. Er konnte sich in Seegers Sprache, die Wagner nachahmt, noch auf keinen allgemein akzeptierten For- und das lautmalerische Gelalle, mit dem schungsstand berufen, musste sich seine Aristophanes nicht nur in den Vögeln Spott eigene Meinung bilden und wollte mit Lach- treibt, weiter verfolgen. Für das Verständnis mann auf die ältestmöglichen Urformen der des Rheingolds genügt jedoch die Einsicht, Mythen zurückgehen, um das Wesen des dass ihm eine Komödie zugrunde liegt und Menschen, die immer wiederkehrenden dass es ungeachtet seiner gelegentlich Strukturen seines Handelns und „Gesetze“ pathetischen Sprache und Musik durchaus der Geschichte zu ergründen. komisch gemeint war. Nicht zuletzt lugt hinter Loge, Wagners germanischem Feu- In der Darstellung von Siegfrieds Tod, also ergott, der witzig-opportunistische, nie um der gesellschaftlichen Verhältnisse, die eine Wortverdrehung verlegene Papposilen zur Ermordung des Revolutionärs führen, hervor, um dessen und seiner Gefährten hielt er sich relativ eng an die erste Hälfte Befreiung aus der Knechtschaft Polyphems des Nibelungenliedes bzw. von Der Nibe- es im Zyklopen des Euripides geht. lungen Not. Niedergeschlagen haben sich dort verblasste Erinnerungen an ethnische „Nibelungenlied“, aber nicht aus Karlsruhe Konflikte der Völkerwanderungszeit zwi- schen ostgermanischen Stämmen und den Über seine Stoffquellen gibt Wagner in ei- aus Zentralasien nachrückenden Hunnen nem viel zitierten Brief an Franz Müller vom im Raum Worms. Sie endeten mit dem 9. Januar 1856 Auskunft. An erster Stelle Untergang der Burgunden und Goten im 6. nennt er Karl Lachmanns Ausgabe des Jahrhundert. Niedergeschrieben wurde das Nibelungenliedes von 1826 einschließlich Nibelungenlied aber erst um 1200 im süd- seiner Abhandlungen dazu. Bezeichnend deutschen Raum. Wagner sah es im Laufe ist, dass sich Wagner an diese Ausgabe seiner Beschäftigung immer kritischer. Er hielt. Von drei unterschiedlichen Fassungen empfand die Verlegung der altgermani- des mittelalterlichen Epos legte Lachmann schen Heldensagen an einen „modernen“ seiner Ausgabe die Fassung A mit der Be- Hof von 1200 als Verwässerung ihrer ur- gründung zugrunde, diese käme der verlo- sprünglichen Kraft und Bedeutung. Schon renen Urform am nächsten. Die Fassungen 1846 teilte er dem dänischen Komponisten A und B, deren Haupthandschriften in der Niels W. Gade, der in Leipzig die Gewand- Bayerischen National- und St. Galler Stifts- hauskonzerte leitete, mit, er werde hinter

15 das Nibelungenlied zurückgehen und „nach des Nibelungen- und Amelungenliedes, ihren altnordischen Edda-Dichtungen grei- Gottlieb Mohnikes Übersetzung der Nor- fen, die sind viel tiefsinniger als unsere mit- wegischen Königsgeschichte Heimskringla telalterlichen.“ Fünf Jahre später warb er von Snorri Sturluson von 1837 sowie, nach- in seiner Mitteilung an meine Freunde um dem die Ring-Konzeption als Ganzes fest- Sponsoren für sein Nibelungen-Projekt und stand, Simrocks Übersetzung der Älteren strich dessen Neuartigkeit heraus: „Meine und Jüngeren Edda von 1851. Besonders Studien trugen mich so durch die Dichtun- wichtig waren für Das Rheingold die Edda, gen des Mittelalters hindurch bis auf den für Die Walküre die Völsunga-Saga und Grund des alten urdeutschen Mythos; ein für Siegfried die Sigurd-Lieder. Alle diese Gewand nach dem anderen, das ihm die Götter- und Heldenlieder stammen aus dem spätere Dichtung entstellend umgeworfen gemeingermanischen Siedlungsraum, wur- hatte, vermochte ich von ihm abzulösen, um den dort aber nur mündlich überliefert und ihn so endlich in seiner keuschesten Schön- erst im 13. und 14. Jahrhundert meist von heit zu erblicken. Was ich hier ersah, war Geistlichen in Island aufgezeichnet, sodass nicht mehr die historisch konventionelle sich das Kuriosum ergibt, dass sie zwar Figur, an der uns das Gewand mehr als die archaischer als das Nibelungenlied wirken, wirkliche Gestalt interessieren muss; son- aber später aufgeschrieben wurden. dern der wirkliche, nackte Mensch, an dem ich jede Wallung des Blutes, jedes Zucken Die erste Konzeption der kräftigen Muskeln, in uneingeengter, freiester Bewegung erkennen durfte: der Diese Quellen hatte Wagner mit Ausnahme wahre Mensch überhaupt.“ der Simrockschen Edda-Übersetzung schon in Dresden zur Hand. Bereits vom 4. Okto- Die Spuren des Nibelungenliedes sind in ber 1848 datiert eine Aufzeichnung, in der der Götterdämmerung am deutlichsten. Sie er den vollständigen Handlungsverlauf des folgt dem dort erzählten Handlungsgang in Rings vom Raub des Rheingolds bis Hagens wesentlichen Zügen. Über die dem Nibe- Tod skizzierte. Sie trägt die Überschrift Die lungenlied zugrunde liegende germanische Nibelungensage (Mythus), ist unter dem Sagenwelt informierte sich Wagner durch später hinzugefügten Herausgebertitel Der philologische und volkskundliche Studien Nibelungen-Mythus. Als Entwurf zu einem wie Wilhelm Grimms Deutsche Heldensage Drama in Wagners Gesammelten Schrif- von 1829, Jacob Grimms Deutsche Mytho- ten und Dichtungen zu finden, war dessen logie von 1835 und vor allem das bereits ungeachtet aber noch nicht als Szenarium genannte Buch Franz Joseph Mones, ande- eines viertägigen Festspiels gedacht. rerseits durch Nacherzählungen und Text- Wagner versuchte in ihr, den Stand seiner editionen altnordischer Sagas, insbesonde- Forschungen zur germanischen Götter- und re durch Friedrich Heinrich von der Hagens Heldensage festzuhalten und das Chaos wi- Nordische Heldenromane in fünf Bänden, dersprüchlicher Überlieferungsbruchstücke 1814ff., in denen er unter anderem die Wil- in einen kohärenten Zusammenhang zu kina-, Niflunga- und Völsunga-Saga las, bringen. Ihr Ton erinnert an die Nacherzäh- desselben Autors Helden Buch von 1811, lungen alter Sagen, wie sie seit der Roman- Karl Simrocks sechsbändiges Heldenbuch tik als Volksbücher beliebt waren und uns von 1843ff. mit Übersetzungen der Gudrun, heute in Gustav Schwabs Sagen aus dem

16 klassischen Altertum (1838–1840) geläufig sich seit dem Fliegenden Holländer immer sind. Wagner diente sie als Vorarbeit, auf in der mehr oder weniger selben Weise. deren Grundlage er im nächsten Schritt das Zunächst verschaffte sich der Komponist in Libretto zu Siegfrieds Tod schrieb. Dessen einer so genannten „Prosaskizze“ Klarheit hier schon bis in einzelne Dialogteile aus- über den Stoff, seine dramatische Eignung gearbeiteter Handlungsverlauf nimmt denn und wirkungsvolle Anordnung. Diese Ar- auch sieben ihrer insgesamt elf Druckseiten beit ging in die Erstellung einer Szene für ein, während für die „Vorgeschichte“, die Szene voranschreitenden, detaillierten im Ring die drei vorangehenden Tage bean- Handlungsskizze über, die in einem dritten sprucht, vier Seiten genügen. Frappierend Schritt in Verse gebracht wurde. Dann er- bleibt, wie genau Wagner sich äußerlich in folgte die Komposition in einer Skizze auf der Ausführung der anderen Teile ab 1851 wenigen Notensystemen mit Angaben zur an diesen 1848 skizzierten Handlungsver- Instrumentation, beim Rheingold erstmals lauf hielt. Natürlich kam es bis zur vorläufi- auf großen Partiturbögen, auf denen schon gen Fertigstellung und Publikation des voll- Ideen zum Gesamtklang Platz hatten. Damit ständigen Ring-Librettos 1853 inhaltlich zu war der Schöpfungsprozess für Wagner ab- Präzisierungen und Änderungen und welt- geschlossen. Es folgten die Instrumentation anschaulich im Laufe der insgesamt 26-jäh- der Partiturskizze und die Reinschrift, die er rigen Entstehungsgeschichte des Rings zur Überprüfung und Korrektur nutzte. mehrfach zu Umdeutungen der Ursprungs- idee einschließlich der daraus resultieren- Die erste Prosaskizze zum Rheingold ent- den Textänderungen. Wagners Tetralogie stand vom 3. bis 11. November 1851, die war also nicht erst nach den Uraufführun- der Walküre unmittelbar anschließend gen ihrer Bestandteile einem Prozess stän- bis zum 20. November. Im Frühjahr 1852 diger Interpretation und Um-Interpretation überarbeitete Wagner beide Skizzen und ausgesetzt. Der Komponist beteiligte sich machte sich an die Versifizierung zunächst selbst als erster Interpret seines Werkes der Walküre. Am 2. Juli 1852 erläuterte er schon während seiner Entstehung daran, je Freund Uhlig die dadurch veranlasste Än- nachdem, ob er gerade Droysen, Proudhon, derung der Gesamtkonzeption: „Die beiden Feuerbach, Schopenhauer oder indische Siegfriede müssen jetzt stark überarbeitet Philosophie gelesen hatte, ob er mit Ba- werden, namentlich in allem, was den kunin, Herwegh oder Ludwig II. Umgang eigentlichen Göttermythos betrifft, denn pflog, die Chancen einer Weltverbesserung dieser hat eine allerdings viel präzisere optimistisch oder pessimistisch sah, an den und ergreifendere Physiognomie gewon- Dresdner und kleindeutschen Theaterver- nen.“ Vom 15. September bis 3. November hältnissen verzweifelte oder im nationalen 1852 brachte er jedoch erst einmal das Zeitgeist, der zur Reichsgründung führte, Rheingold-Libretto in Verse, bevor er bis Chancen für ein nationales Festspielhaus Ende des Jahres die beiden Siegfried- witterte. Ein Stück seines wendigen Loges Dramen überbearbeitete. Ursprünglich steckt auch in Wagner. hatte er für Siegfrieds Tod einen Erlö- sungsschluss nach Art des Fliegenden Wie ist „Das Rheingold“ entstanden? Holländers vorgesehen. Die Flammen des Scheiterhaufens Brünnhildes und Sieg- Die Entstehung Wagnerscher Opern vollzog frieds sollten zusammenschlagen und die Folgeseiten Seung-Gi Jung, Renatus Meszar, Matthias Wohlbrecht, Agnieszka Tomaszewska, Yang Xu, Avantadil Kaspeli 17 18 19 Liebenden in einer Lichtgloriole zu Wotan Wer sind die Nibelungen? nach Walhall in den Himmel auffahren, auf dass die „saubere“ Macht zu den Göttern Damals sah Wagner die Nibelungen noch zurückkehre und der Ring im Rhein wieder als Allegorie der frühindustriellen Arbei- zu alter, nicht-materialistischer Unschuld terschaft, die sich zu organisieren begann. geläutert würde. Diesen Idealismus tilgte In „unterirdischen düsteren Klüften und Wagner nun, indem er den Götterhimmel Höhlen“ müssten sie „gleich Würmern im und mit ihm allen Glauben an „saubere“ todten Körper“ der Bergwerke „die harten Macht, und sei sie metaphysischer Natur, Metalle“ für Alberich „glühen, läutern und verbrennen ließ. In dieser Form ließ Wagner schmieden“. Als klassischer Kapitalist die Libretti 1853 in 50 Exemplaren auf eige- zwinge er sie kraft seines Rings, „für ihn ne Kosten drucken. Die vier Abende hießen fortan allein zu arbeiten“. So heißt es in der Der Raub des Rheingolds, Die Walküre, Der ersten Handlungsskizze im Erscheinungs- junge Siegfried und Siegfrieds Tod. jahr des Kommunistischen Manifests. Das komponierte Rheingold-Libretto folgt dieser Im Laufe desselben Jahres las er sie auf Interpretation, denn in diesem Sinne erläu- einer Art Promotion-Tour in Zürich, Basel tert auch Mime Wotan und Loge in der 3. und Paris vor. Franz Liszt, Hans von Bülow Szene, wie Alberich die Nibelungen knech- und Josef Joachim reisten dazu extra vom tet. Und obwohl Wagner damals schon Karlsruher Musikfest nach Basel. In Paris nicht mehr viel auf die Arbeiter gab, ließ er saß Hector Berlioz im Publikum. Während Brünnhilde in ihrem für die Götterdämme- einer Sommerwanderung überkam Wag- rung ausgetauschten Schlussmonolog in ner auf dem Julierpass die Vision Wotans Siegfrieds Tod noch als Arbeiterbefreierin und Frickas „auf Bergeshöhen“, anschlie- auftreten: „Ihr Nibelungen, vernehmt mein ßend in Italien die Idee zum Rheingold- Wort! / eure Knechtschaft künd ich auf: / Vorspiel. Zwischen dem 1. November 1853 der den Ring geschmiedet, euch Rührige und 14. Januar 1854 schrieb er in einem band, – / nicht soll er ihn wieder empfah’n, Rausch die ganze Kompositionsskizze – / doch frei sei er, wie ihr!“ Kurz bevor er nieder. „Glaub mir“, teilt er seinem Freund diese Worte dichtete, teilte er Ernst Bene- Liszt mit, „so ist noch nicht komponiert dikt Kietz, mit dem er in Paris sozialdemo- worden: ich denke mir, meine Musik ist kratische Wähler-Versammlungen besucht furchtbar.“ Bis zum 28. Mai 1854 stellt er hatte, jedoch mit: „Dass ich je etwas auf die Partitur fertig, um sich gleich anschlie- die Arbeiter, als Arbeiter, gab, muß ich jetzt ßend an die Walküre zu begeben und empfindlich büßen: mit ihrem Arbeiterge- informierte August Röckel über den aktu- schrei sind sie die elendsten Sklaven, die ellen seiner Ring-Konzeption. „Wir müssen jeder in die Tasche stecken kann, der ihnen sterben lernen“, erklärte er dem Freund, heute recht viel „Arbeit“ verspricht.“ Dem „und zwar sterben im vollständigsten entsprechend wird das Nibelungen-Thema Sinne des Wortes; […] Wodan schwingt der geknechteten Arbeiterschaft, das im sich bis zu der tragischen Höhe, seinen Rheingold dominant ist, in den drei folgen- Untergang – zu wollen. Dies ist alles, was den Stücken zur Nebensache. Der Walküre wir aus der Geschichte der Menschheit zu teilt Wotan in seiner großen Beichte im 2. lernen haben: das Notwendige zu wollen Akt des nach ihr benannten Tags zwar noch und selbst zu vollbringen.“ mit, dass „uns“ „Selgen“, also der Hocharis-

20 tokratie, „durch Alberichs Heer […] das Innern der Erde schuftet das Proletariat in Ende“ drohe, und zwar „ein schmähliches“. lichtlosen Räumen, denn Nibelheim, altnor- Das veranlasst Wagner aber nicht dazu, disch Niflheim, heißt „dunkle Welt“, woran sich im Ring weiter mit dieser Klasse als Wagner den Zuschauer mit der stehenden geschichtsbildender Macht in irgendeiner Formel von „Nibelheims Nacht“ laufend er- Weise zu beschäftigen. Die Nibelungen innert. Auf der Erde schuften die Riesen, die verschwinden nach dem Rheingold von der sich immerhin begrenzter Autonomie und Bildfläche. Das Stück heißt Der Ring des der Sonne erfreuen. Und „auf Bergeshö- Nibelungen und nicht der Nibelungen. Es ist hen“, dem Himmel nah, regieren die Götter. kein Volksdrama, sondern ein individuelles „Die ihr durch Schönheit herrscht, schim- und darum ein Geschichtsdrama nur im bür- mernd hehres Geschlecht“, mahnt Fasolt gerlichen Sinne. Wagner sucht den Gang melancholisch, da er ihrer Schönheit und der Geschichte aus dem „Wesen des Men- Klugheit nicht teilhaftig ist und darum einer schen“ zu deuten. Sein philosophierender tieferen Klasse angehört die Blasierten, die Blick richtet sich auf allgemeinmenschliche gerade die Verfassungsrechte mit Füßen zu Machtgier, das Paradox von Freiheit und treten im Begriffe sind. Man erkennt in ih- Bestand und auf die tragisch-unausweichli- nen Vertreter des europäischen Hochadels, che Verstrickung des Individuums – Wotan, dessen Lebensstil Wagner gern geteilt hät- Siegmund, Sieglinde, Siegfried, Brünnhil- te, weshalb er sich mehr und mehr mit Wo- de – in die Widersprüche des Lebens. Der tan in einer Weise identifiziert, die den Gott Kampf der Lichtalben, Schwarzalben und streckenweise zum Selbstporträt macht. Riesen als Allegorien dreier historischer Noch deutlicher wird ihre Zuordnung zur Klassen um die Macht steht im Rheingold Hocharistokratie im 2. Akt der Walküre. zwar noch im Hintergrund, verblasst im Dort setzt Fricka die vorrevolutionär-feuda- Laufe des Rings aber so sehr, dass Wagner le Auffassung der Ehe als Zweckbündnis, am Ende der Götterdämmerung den Brand bei dem Liebe und Zuneigung keine Rolle Walhalls nicht einmal mehr als Ergebnis spielen, starr gegen den neuen bürgerlichen jener revolutionären Kämpfe zwischen Rie- Ehebegriff als Liebesbündnis durch, den sen und Göttern darstellen will, als den ihn der flexiblere, reformfähigere Wotan, wenn seine altnordische Quelle, der Ragnarök, auch aus eigennützigen Gründen, zuneigt. schildert. Er macht daraus einen Akt politi- In der Walküre aber fechten die Götter und schen Harakiris Wotans, der einsieht, dass damit die Hocharistokratie schon auf verlo- sein Regime abgewirtschaftet hat. Wagner renem Posten. Im Mittelpunkt stehen dort traut dem Klassenkampf schon Anfang der Menschen, die noch wie Hunding die alten 1850er Jahre nicht mehr zu, Motor der Ge- Gesetze ehren oder dies, wie Siegmund schichte zu sein, wie am Ring abzulesen ist. und Sieglinde, nicht mehr tun. Hunding hat In diesem Sinne geht er über Meyerbeers nichts davon, denn er wird trotzdem gefällt. gehasst-beneideten Propheten hinaus. Wotan hält sich an die Gesetze, obwohl er Oder, je nach Perspektive, dahinter zurück. nicht mehr an sie glaubt. Seine auf der alten Weltordnung beruhende Macht kann er nur Wer sind die Götter? noch behaupten, indem er Siegmund und Sieglinde sinnloserweise umbringt. Das än- Im Rheingold gibt es aber noch eine klar dert nichts daran, dass sie, die das Gesetz erkennbare Gesellschaftspyramide. Im der Autonomie gegen den toten Buchsta-

21 ben eines überlebten Gesetzes verteidigen, zend beschreiben, teilen uns mit, dass zwi- moralisch den Sieg davontragen. Sieglinde schen ihnen und den „listigen“ Nibelungen trägt mit Siegfried obendrein die Zukunft im eine Erbfeindschaft bestünde, die keine Schoß. Nicht umsonst führen die Drei das Seite für sich entscheiden kann. Zwischen Substantiv „Sieg“ im Namen. Wagner folgt den Lagern besteht ein Gleichgewicht der darin dem Nibelungenlied, obwohl er Sieg- Abschreckung, das permanent in Gefahr frieds Jugendgeschichte, die in der 2. Aven- ist, zu kippen. Um die Nibelungen-Gefahr in tiure erzählt wird, gegen die Geschichte Schach zu halten, brauchen die intellektuell Sigmunds, seiner beiden Frauen Signy und nicht ganz so gewandten Riesen die mal Hjördis, die bei ihm zu einer verschmelzen, „weisen“, mal „listigen“ Götter, und ordnen und seines Sohnes Sigurd alias Siegfried in sich der „pax Wotana“ unter. Man kommt der Völsunga-Saga austauscht. Im Nibelun- nicht umhin, dabei an Metternich und das genlied ist Siegfried ein Königssohn, der am Europa der Restaurationszeit zu denken, in Hofe seiner Eltern Siegmund und Sieglinde dem der 1813 geborene Wagner aufwuchs zum mittelalterlichen Idealherrscher erzo- und das er 1848/49 beseitigen wollte. Auch gen wird. Dies war eines jener „Gewänder“, dessen Balance zwischen Hochadel und die Wagner der mittelhochdeutschen Fas- Vertretern demokratischer Tendenzen sung abstreifte, um die Sage auf ihre altger- konnte nur durch Gewalt und faule Tricks manische „Urform“ zurückzuführen. von oben aufrechterhalten werden. Warum die Riesen den Göttern dann aber Freia rau- Schließlich verliert Wotan, um auf das The- ben und Wotans Macht untergraben wollen, ma hocharistokratischer Führungsansprü- auf die sie angewiesen sind, erscheint auf che im 19. Jahrhundert zurückzukommen, in den ersten Blick unsinnig. Vermutlich hat der Walküre sogar seine väterliche Auto- der Umstand, dass die Äpfel „golden“ sind rität vor Brünnhilde. Die Tochter erkennt in Wagner dazu veranlasst, in ihnen die Privi- einem klassischen Ablösungsprozess, dass legien des Adels zu sehen, die die niederen ihr Vater nicht so allmächtig, allwissend Klassen ausplünderten und nichts anderes und unfehlbar ist, wie Eltern aus Kinderper- als abzuschaffen waren. spektive erscheinen. In bester Absicht kün- digt sie ihm den kindlichen Gehorsam auf Wie dem auch sei. Der Gesellschaftsver- und kann wie Siegmund und Sieglinde nur trag droht zu platzen, als die Riesen mer- noch durch Gewalt auf die Linie eines Ancien ken, dass Wotan den Pakt, die Verfassung régime gebracht werden, an das dessen bricht. Damit deutet Wagner das Verhältnis Exponent Wotan selbst nicht mehr glaubt. zwischen Göttern und Riesen wie Karl Simrock, der 1855 in seinem Handbuch Was bedeutet der Vertrag? der deutschen Mythologie schrieb, die Edda gestalte „sittliche Ideen“ indem sie So weit ist es im Rheingold aber noch nicht. schildere, wie „die Riesen von den Göttern Noch ist die Gesellschaftspyramide intakt. bezwungen und in wohltätige Schranken Noch kann Wotan der Eitelkeit frönen, an gebannt“ würden. Beide beziehen sich auf ihrer Spitze zu stehen und die beste aller die Jüngere Edda, in der der altisländische Weltordnungen zu verteidigen. Die Riesen, Dichter-Historiker Snorri Sturluson (1179– die sich im Gegensatz zu den schönen Göt- 1241) erzählt, ein verkleideter Gigant habe tern selbst als plump, schwielig und schwit- den Göttern angeboten, ihnen in anderthalb

22 Jahren die Burg Asgard zu errichten. Die aus, versuchte aber einen Ring zu verstec- werde sie in Zukunft vor den Angriffen der ken, mit dessen Hilfe er neue Goldschätze Riesen schützen. Als Lohn verlangte er im Innern der Erde aufhäufen konnte. Als Freia, die Sonne und den Mond. Die Götter Loki auch ihn forderte, belegte der Zwerg wollten die Festung, den Preis aber nicht den Ring mit dem Fluch, jeder, der ihn trage, entrichten. Deshalb riet ihnen Loki, die Frist solle sterben. Loki kehrte zu Hreidmar zu- auf sechs Monate zu beschränken und die rück, stopfte den Otterbalg mit dem Schatz Auszahlung des Preises an die Bedingung zu aus und belegte ihn mit Gold, während Odin knüpfen, der Arbeiter dürfe keine Hilfskräfte es mit dem Ring ebenso halten wollte, wie außer seinem Pferd hinzuziehen. Damit sei Andwari. Hreidmar sah aber, wie ein Bart- der Vertrag unerfüllbar. Dem Riesen wäre haar Otrs aus dem Goldberg hervorstand das aber doch beinahe gelungen, hätte Loki und verlangte den Ring. Sogleich forderte sich nicht in eine Stute verwandelt und den Andwaris Fluch sein erstes Opfer. Fafnir Hengst des Riesen verführt. Wagner gestal- und Regin erschlugen den Vater. Dann tete diesen Schwank zu einer Allegorie der weigerte sich der ältere Bruder, die Beute verfassungsrechtlichen Debatten zwischen zu teilen, verwandelte sich mit Hilfe des den gesellschaftlichen Gruppen des Vor- „Schreckenshelms“ des Vaters in einen märz, also jener Zeit um, die in die Aufstän- Drachen und legte sich auf der Gnita- oder de von 1848/49 mündete. Neidheide auf den Schatz. Regin, der Schmied, floh zu König Hjalprek, wo er Sig- Was bedeutet der Fluch? munds Sohn Sigurd als Pflegesohn aufzog und gegen Fafnir aufhetzte. Mit Hilfe des Ein weiteres entscheidendes Motiv des Schwertes Gram, das Regin Sigurd schmie- Vorabends ist das des Fluchs, der durch dete und mit dem dieser Regins Amboss den vorhergehenden mehrfachen Raub des spaltete, tötete Sigurd Fafnir, anschlies- Rheingolds vorbereitet wird. Auch er ist send auf Rat eines Waldvogel Regin und der Völsunga-Saga und der Jüngeren Edda nahm Andwaris Schatz in Besitz. Wieder Snorri Sturlusons entnommen. In deren 3. verschmilzt Wagner die Fassung der Edda Buch erzählt Snorri, wie Loki, der gemein- mit der des Nibelungenliedes, um die „mo- sam mit Odin das Land durchstreifte, an derne“ Überformung der höfischen Zeit zu einem Wasserfall einen Fischotter erschlug. entfernen und den Mythos auf seine von Sie kehrten bei dem riesenhaften Bauern Wagner angenommene „Urform“ zurückzu- Hreidmar ein, der in dem Otter seinen Sohn führen. In der 3. Aventiure des Nibelungen- Otr erkannte und seine Söhne Fafnir und liedes erzählt Hagen am Hof zu Worms, wie Regin herbeirief, ihren Bruder zu rächen. Siegfried den Schatz König Nibelungs, der Man einigte sich jedoch auf ein Sühnegeld. am Niederrhein regierte, erworben habe. Dem Otter wurde das Fell abgezogen, die Dessen Söhne hätten Siegfried gebeten, Götter sollten es mit Gold ausstopfen und ihre Erbstreitigkeiten durch unparteiisches außen vollständig bedecken. Odin schickte Urteil zu schlichten. Sein Schiedsspruch Loki nach Schwarzalbenheim, um Andwari löste jedoch ihren Zorn aus, sodass Sieg- zu diesem Zwecke seinen Schatz zu rauben. fried sie in Notwehr erschlagen musste, Loki fing den Zwerg, der in Gestalt eines samt ihren Vasallen, ihren herbeieilenden Fisches im Wasser schwamm, und forderte Freunden, den Riesen, und dem Heer der den Hort als Lösegeld. Dieser gab ihn her- Nibelungen. Dessen Anführer, dem „star-

Folgeseiten Matthias Wohlbrecht, Ks. Klaus Schneider 23 24 XXXX 25 ken Zwerg“ Alberich, habe Siegfried das des germanischen Mythos, die er rückgän- Leben geschenkt und ihn nach ritterlichem gig machte, um ihm seine gleichberechtigte Brauch auf Eid zum Treuhänder des nun ihm Stelle neben dem antiken zurückzuerobern gehörenden Schatzes gemacht. Wagner und damit einen „deutschen Mythos“ glei- deutet die Erzählung vollständig um. Aus chen Prestiges zu schaffen. dem historischen Nibelungenstaat am Nie- derrhein wird ein mythisches Zwergenvolk Was bedeutet der Ring? unter Erde, aus Nibelungs kleinwüchsigem Ritter Alberich dessen Usurpator, den Wag- Im Nibelungenlied hat er als Zauberring ner mit Andwari verschmilzt. So führt er das keine Bedeutung. Siegfried raubt ihn der Motiv des Fluchs aus der Edda in die Nibe- Isländerin Brünnhild. Nach dessen Tod fällt lungensage ein und kann den Stoff nun im er dem Hort zu, den er den Söhnen Niblungs antikapitalistischen Sinne zu einer Allegorie abgenommen hatte. In der Edda besitzt des 19. Jahrhunderts umgestalten. Diese der Ring die Gabe, Gold zu machen. Durch „Allgemeingültigkeit“ beweist Wagner zu- Andwari wird er mit dem Fluch belegt, jeder, folge, dass es sich um seine Urform handle. der ihn besitze, werde sterben, und jeder der ihn nicht besitze, sich nach ihm verzeh- Durch das Andwari-Märchen kehren auch ren. Das macht ihn zum Symbol des Neides die heidnischen Götter um Odin/Wotan als treibende historische Kraft. Die Edda samt ihrem Untergang wieder in den My- verleiht dem Märchenstoff aber noch nicht thos zurück, die der christliche Dichter des diese geschichtsphilosophische Bedeutung. Nibelungenliedes daraus entfernt hatte. Das tut erst Wagner. Zwei zentrale Eigen- An ihrem Beispiel konnte Wagner die Ver- schaften dichtet er dem Ring nach seinem trags- oder besser Verfassungsproblematik eigenen Weltbild an, das sich nicht zuletzt seiner Zeit wie oben gezeigt darstellen: Als in Auseinandersetzung mit jungdeutsch- Ringen demokratischer Kräfte mit denen materialistischen und linkshegelianischen des Ancien régime um eine Verfassung, Autoren vor 1849 sowie mit Philosophen wie also Verträge, die für alle verbindlich sind. Proudhon, Feuerbach und Schopenhauer Wagner scheint dabei nicht das Gefühl einer nach 1849 herausgebildet hatte. Aktualisierung gehabt zu haben. Er stellt sei- ne Arbeit als Reinigung des christlich ver- Die eine benennen die Rheintöchter in der fälschten Mythos im Nibelungenlied durch ersten Szene: „Der Welt Erbe gewänne zu Re-Implantation seiner Edda-Funde dar. Auf eigen, wer zum Reife sich schüfe das Gold.“ diese Weise führt seine Dichtung die Sage Im Lauf der Tetralogie wird diese Verhei- auf ihre germanischen Wurzeln zurück und ßung samt dem dazugehörigen Leitmotiv rekonstruiert synthetisch den „Ur-Mythos“. von vielen Personen immer wieder bestä- Das war Mitte des 19. Jahrhunderts ein tigt. Das Stück suggeriert zunächst, dem geläufiges Verfahren philologischer Sprach- geschmiedeten Ring wohne eine unüber- und Mythenforschung. Nun wird auch klar, windliche Kraft inne, die seinem Besitzer warum er nach Vorlesung des Librettos von physische Macht verleihe. Man denkt an Siegfrieds Tod mit Eduard Devrient über eine Wunderwaffe wie die Atombombe. „Sprache, Volksbildung, christliche Entwick- Eine solche hatte es in der Operngeschichte lung“ diskutierte. Die „christliche Entwick- schon einmal gegeben: Den „siebenfachen lung“ hielt Wagner für eine Verfälschung Sonnenkreis“, um dessen Besitz sich Sa-

26 rastro und die Königin der Nacht in der ihn – oder löste er sie überhaupt erst aus? Zauberflöte streiten. Diese Annahme wird – Franz Joseph Mone, der in den schon im Verlauf der Handlung aber gründlich zitierten Untersuchungen zur teutschen widerlegt, weil die Besitzer des Zauber- Heldensage über den „Hort der Nibelun- rings ihren Feinden gemäß Fluch aus- gen“ schrieb, „die alten Teutschen“ hätten nahmslos erliegen. Alberich hat ihn in der „keine Schätze“ gehortet. Der „Begriff 4. Szene des Rheingolds noch am Finger, des Hortes [sei] ihnen ursprünglich fremd“ als Wotan ihn ihm brutal entreißt. Wotan gewesen. Schon das Wort sei „fremden kann sich trotz dessen Hilfe nicht gegen die Ursprungs“, was beweise, dass der Mate- Riesen wehren, Fasolt nicht gegen Fafner, rialismus ihrer Mentalität von außen zuge- Fafner nicht gegen Siegfried, Brünnhilde, tragen wurde. Dieses „außen“ identifizierte der ihn Siegfried als „Ehering“ geschenkt Wagner mit „den Juden“ und konstruierte hat, nicht gegen Siegfried, als er ihr ihn in zur gleichen Zeit, als er den Ring konzipier- Gestalt Gunthers entreißt und Siegfried te, seine rassistische Theorie von ihrem schützt er nicht vor Hagen. Mit dem Ring zersetzenden Einfluss auf die Völker. „Die gewinnt man sich „der Welt Erbe“ also Juden“, so Wagner 1850 in Das Judentum nicht durch physische Macht „zu eigen“, in der Musik, seien per se unkreativ, da sie sondern durch eine andere. Diese andere als rein materialistisches Volk nur akkumu- Macht lässt sich im Rückgriff auf Wagners lieren könnten und auch andere Völker mit Quelle, die Edda, erschließen. Andwaris dem Krebsgeschwür des Materialismus Ring besitzt die Fähigkeit, Gold zu machen. infizierten. Der Ring handelt von der Be- Er macht seinen Besitzer unermesslich herrschung der Welt durch unendlichen reich. Durch diesen Reichtum macht er sich Reichtum. Er ist eine Kritik am Materia- die Welt „zu eigen“. Er unterwirft sich die lismus als bestimmendem Zweck des Zu- Welt durch Geld. Dieses Prinzip wird im sammenlebens und Motor der Geschichte. Ring nur einmal klar ausgesprochen, wenn Durch die Rückführung der christlich ver- Alberich vor Wotan prahlt: „Schätze zu fälschten Nibelungensage auf ihre unver- schaffen und Schätze zu bergen, / nützt mir fälschten germanischen Ursprünge wollte Nibelheims Nacht. / Doch mit dem Hort, in Wagner diese Fehlentwicklung rückgängig der Höhle gehäuft, / denk‘ ich dann Wunder machen und das Publikum zu einer Rückbe- zu wirken: / die ganze Welt gewinn‘ ich mit sinnung auf jenes „alte teutsche“ Wesen ihm mir zu eigen!“ Wer das Geld hat, kann veranlassen, dem „der Begriff des Hortes“ sich die Welt kaufen. und Hortens, also Akkumulierens „fremd“ war. Darum zeigt er Alberich als Versklaver Geld, Luxus, Unabhängigkeit! Das waren und Unterdrücker der Nibelungen in seiner Wagners Lebensthemen. Immer begehrt, vulgärsten Gestalt. Wotans Materialismus nie ausreichend vorhanden. Selbst das ist elegant verbrämt. Fafners „hier lieg ich Theaterwesen gehe am „nichtswürdigsten und besitze“ ist die tumbe Form des Mate- Kunstschacher“, der „Banquierskunsthu- rialismus und Mimes verlogene Geschäftig- rerei“ zugrunde, wird Wagner nicht müde keit zeigt, wie Materialismus den Charakter in seinen Briefen wie der Fuchs in der deformiert. Fabel die unerreichbaren Trauben das Geld zu schelten. Dafür machte er „die Juden“ Wagner erfindet aber noch ein zweites verantwortlich. In dieser Ansicht bestärkte Motiv. Nur der vermag das im Naturzustand

27 „lautere“, also unschädliche Gold in ver- materialistischen Zeitalters. Menschen derbliches Geld umzumünzen bzw. „zum werden kaltblütig umgebracht. Aus Gründen Reif zu zwingen das Gold“, der der Liebe des Machtgewinns und -erhalts geknüpfte Macht entsagt. Zunächst ist man geneigt zu Familienbande entarten zu Gewaltbezie- glauben, damit sei der Eros gemeint. Was hungen. Das Zusammenleben wird zum Alberich sich antut, um den Ring schmieden Kampf aller gegen alle. Freie Arbeit wird zu zu können, beschreibt er selbst als Kastra- Sklaverei. Die Erde wird rücksichtslos aus- tion. „Frevelte ich, so frevelt‘ ich frei an gebeutet, der Rhein seiner Sonne beraubt, mir.“ Er hat sich verstümmelt wie Wotan, der Weisheitsquell versiegt, die Weltesche als dieser sich ein Auge ausriss, um aus verdorrt. Am Ende kann Wotan seine Helden dem Weisheitsquell unter der Weltesche zu nur noch aussenden, ihr morsches Geäst zu trinken und aus einem ihrer Äste als Herr- zersägen und als Brennholz rund um Walhall schaftsinstrument den Speer der Verfas- aufzuschichten, um den abgewirtschafte- sung zu schnitzen. Auch Wotan hat sowohl ten Planeten auszulöschen. Zurück bleiben seinem Körper als auch dem Leib der Natur Wasser als Bedingung neuen Lebens und und dem Weisheitsquell zum Zwecke einer das „glotzende“ Publikum der Gegenwart Staatsgründung Gewalt angetan, statt alle als Zuschauer der Götterdämmerung. drei in ihrem naturgegeben-gewaltlosen So-Sein zu belassen. Tatsächlich um- Was ist das Rheingold? schreibt Alberich des „Angstversehrten fluchfertige, furchtbare Tat“, die Wotan Damit ist das Rheingold auch ein Symbol erspart bleibt, weil der Zauber, der das Gold der Kunst. In seinem Naturzustand vor dem zum Reif zwang, bereits ausgeführt wurde „Sündenfall“ diente es Rheintöchtern wie und er den Ring nur noch zu rauben braucht, Nibelungen zur Freude. Es machte das Le- mit denselben Worten wie Klingsor seine ben schön. „Ein Tand ist’s in des Wassers Kastration im . Und Wotan erklärt Tiefe, lachenden Kindern zur Lust“, weiß Brünnhilde in der Walküre, der Umstand, Loge. „Sorglose Schmiede, schufen wir dass Alberich mit Kriemhild Hagen zeugen sonst wohl / Schmuck unsern Weibern, konnte, sei ein Wunder gewesen. Wäre er wonnig Geschmeid‘, / niedlichen Niblun- biologisch dazu in der Lage gewesen, hätte gentand; / wir lachten lustig der Müh‘“, es dessen nicht bedurft. berichtet Mime. Durch den „nichtswürdigen Kunstschacher“ wurde es zum Speku- Dennoch meint die Absage an die Liebe, lationsobjekt erniedrigt und leistet einer die nötig war, um den Ring schmieden zu geschichtlichen Fehlentwicklung Vorschub, können, nicht Eros – Lust hat sich Albe- die in den Untergang führen muss. rich bei Kriemhild ja käuflich erworben –, sondern Agapé, Nächstenliebe. Nur wer An all dem ist Wotan nicht unschuldig. Seine die Schöpfung nicht liebt, ist fähig, sie sich rücksichtslose Machtgier führt zum Bau zu unterwerfen. Wer Geld zum höchsten Walhalls und löst Alberichs Fluch aus. Er Wert erhebt, kann die Welt nicht lieben, behauptet, Verrat und Gewalt als Methoden die er ausbeutet und zerstört. Darin und von Herrschaft abzulehnen, bedient sich in der Dynamik, mit der die Geldgier ganze ihrer aber ungeniert. Das Pathos und die Gesellschaften virusartig infiziert, liegt Erhabenheit seiner Musik tun dabei alles, der Fluch des Rings, das Verbrechen eines um sein Wesen zu verschleiern. Sie vermit-

28 teln Wotan nicht wie er ist, sondern wie er an ihrer Seite auszuharren. Loge zieht sie gesehen werden möchte. Nicht umsonst mit dem Hinweis auf, dass der Nibelungen- gibt es im Ring nicht einen Sündenfall, ring eifersüchtigen Matronen die Macht sondern zwei – den Raub des Rheingoldes verleihe, ihre Männer zu kontrollieren. Doch durch Alberich und das Brechen des Speers da ist Fricka bereits mehr am Schmuck, als aus dem Stamm der Weltesche durch Wo- am Manne gelegen. Diese Interpretation tan. In beiden Fällen schänden die Akteure von Odin/Wotans Promiskuität ist völlig nicht nur die Natur, sondern verstümmeln ungermanisch, nämlich autobiografisch. sich auch selbst. Alberichs Tyrannei wie Die konfliktreiche Ehe zwischen dem auf Wotans Verfassungsordnung richten sich seine Kunst bedachten Wagner und der beide gegen den Naturzustand. In beiden auf bürgerliche Sicherheit pochenden Sän- Fällen regieren Gier statt Weisheit und Aus- gerin geriet mit dem Verlust beutung statt Nachhaltigkeit. Die Rückgabe des Dresdner Kapellmeisteramts und des des Rheingoldes würde das Gold dem Wirt- gesicherten Einkommens in eine tiefe Kri- schaftskreislauf wieder entziehen und ihm se, die Wagner 1850 einmal mehr mit dem seine natürliche Unschuld als rein ästheti- Gedanken einer Trennung spielen ließ. Mit scher Gegenstand zurückgeben, den man der 22-jährigen Jessie Laussot, der Gattin anschaut, dessen man sich erfreut, statt eines Gönners aus Bordeaux, wollte er ihn in unnatürlichen und auch sinnlosen über Malta auf den Heimatboden der Antike Mengen (Fafner!) zu horten. Die Aussage nach Griechenland und Kleinasien fliehen. des Ring-Symbols lässt sich in einen Satz „Mir Gotte musst du schon gönnen, dass in zusammenfassen: Nur wer die Welt nicht der Burg gefangen, ich mir von außen ge- liebt, kann sie beherrschen. winne die Welt.“ Wotans Worte an Fricka sind Wagner in seinem ständigen Kampf Liebe und Ehe mit Minna aus dem Herzen gesprochen. Am 16.4.1850 legte er ihr in einem langen Brief Dennoch birgt Das Rheingold auch eine die Trennung nahe. Seine Erklärung für die Ehe-, also Liebeskomödie. Die an die an- Beziehung zu Jessie wiederholt wiederum tiken Götter angelehnte Promiskuität der sinngemäß Wotan in der Walküre: „Unver- germanischen und deren Unbedenklichkeit söhnlich stehst Du da vor mir, – suchst Ehre in sexuellen Fragen war ein delikates The- da, wo ich fast Schande erkennen muss, ma im 19. Jahrhundert. Schon Odin frönte und schämst Dich davor, was mir das will- der Vielweiberei und auch Wagner stellt kommenste ist.“ Dass er mit den ihn anbe- ihm nach eddischen Vorbildern nicht nur tenden Frauen seiner Gönner durchbrennen seine Gemahlin Frigg/Fricka zur Seite, son- wollte, ist ein Verhaltensmuster, das sich dern lässt ihn mit Erda, der altnordischen als Konstante durch sein Leben zieht. Mit Seherin Wala, auch die Walküren zeugen Mathilde Wesendonck, Eliza Wille, Cosima und mit einer Waldfrau die Zwillingsge- von Bülow war es nicht anders. Wagner schwister Siegmund und Sieglinde. Im brauchte Bestätigung, um den Schaffens- Rheingold beschwert sich Fricka gutbür- prozess seiner aktuellen Werke durchzu- gerlich, dass ihr Gatte es mit ehelicher stehen. Das Thema Ehe und Liebe und das „Treue“ nicht so genau nähme und in der der gesellschaftliche Tabus sprengenden Walküre wirft sie ihm gar vor, sich lieber zwischenmenschlichen Beziehungen wird unter seine jungen Töchter zu mischen, als in der Walküre eine zentrale Rolle spielen.

Folgeseiten James Edgar Knight 29 30 31 ECHTES THEATER ZUR MUSIK

GMD JUSTIN BROWN ÜBER „DAS RHEINGOLD“

Justin, Du hast 2008 als Generalmusikdi- bracht haben. Hat sich Deine Sicht auf rektor mit dem „Ring“ in Karlsruhe ange- Wagner dadurch verändert? fangen und leitest jetzt Deine erste Neu- produktion. Was bedeutet Dir Wagner? Vertieft hoffentlich. Natürlich beschäftige ich mich seit über 20 Jahren mit Wagner, Wagner war der Grund, warum ich nach aber Das Rheingold ist das erste Werk, Deutschland und speziell nach Karlsruhe das ich zum zweiten Mal neu einstudiere. kam. Ich wollte in die deutsche, besonders Ich erlebe es heute anders. Mir ist klar ge- die Wagner-Tradition eintauchen, die an worden, wie weit gehend es ein Konversa- diesem Hause besonders stark ist und tionsstück ist. Es geht fast ausschließlich immer war. Wagner hat mich seit meiner um Politik und Machtspiele, Diskussionen Jugend fasziniert. Wenn man einmal von und Austausch politisch-philosophischer ihm gepackt wird, kommt man nie wieder Argumente, wie bei einer Sitzung im engli- los. Wir konnten 2008 zwar keine Neuin- schen Unterhaus. In den Auseinanderset- szenierung des Rings machen, aber ich zungen zwischen Wotan und Alberich tritt hatte damals viele Proben mit dem Orche- das besonders deutlich hervor, in anderer ster. Wenn wir jetzt nach 2008 und zwei Weise auch in denen zwischen Wotan und kompleten Zyklen 2011 und 2013 wieder Loge und Wotan und Fricka. Darum muss daran gehen, haben die meisten Mitglieder man sie fließend dirigieren. Wagner hat der Staatskapelle das bereits mit mir ge- 1876 bei den Proben einen wunderbaren spielt. Darauf können wir heute aufbauen. Satz gesagt: „Ein ganz langsames Tempo kommt im ganzen Rheingold nicht vor.“ Die Wenn Ende 2017 „Die Götterdämmerung“ Diskussion soll ständig im Fluss bleiben. herauskommt, wirst Du den gesamten Das hat manchen Sänger überrascht, der Bayreuther Kanon außer dem „Fliegenden diese oder jene schöne Stelle gerne brei- Holländer“ neu in Karlsruhe herausge- ter genommen hätte. Aber extra um das zu

32 Diana Matthess, Matthias Wohlbrecht, Renatus Meszar 33 verhindern, schreibt Wagner ausdrücklich baut. Das ist aber gar nicht erhaben. Er- „sehr fließendes Tempo“, „ohne jedes habene Musik kommt erst in der Walküre, Zurückhalten“ oder „ohne unmotiviertes wenn Wotan begreift, dass er nicht gewin- Verweilen und Zögern“ vor. Das gibt dem nen kann. Das ist für mich der Schlüssel zu Stück seine Lebendigkeit, das Philosophi- Wotan und vielleicht zum ganzen Ring. sche macht es zum Vorwort des Zyklus. Aber wenn Erda am Ende im „Rheingold“ Wie siehst Du das Verhältnis von Musik erscheint, ist er schon verwirrt, oder? und Inhalt bei Wotan? Er handelt wie ein Gauner, singt aber nobel wie ein Gott? Wenn ein erfolgreicher junger "Winner“ hört, wie jemand zu ihm sagt „Alles, was Das sehe ich anders. Wotan ist selbstver- ist, endet“, wischt er das nonchalant weg. liebt. Der Choral zu Beginn der 2. Szene Wotan ist etwas beunruhigt, aber seine charakterisiert nicht ihn, sondern Walhall. Einsicht ist noch in weiter Ferne. Erstmal Wagner setzt hier erstmals Wagner-Tuben zeugt er die Wälsungen in der Hoffnung, ein. Er kombiniert je vier Tuben, Posaunen sie würden seinen Willen ausführen. Wo- und Hörner, ein gigantischer Blech-Sound. tan ist ein großer Selbsttäuscher. Das zeigt, wie Wotan sich aufbläst. Gleich . darauf kommt seine Frau, bringt die Blase Mit dem „Ring“ verabschiedet sich zum Platzen und von nun an bewegt sich Wagner von der romantischen Oper und alles auf einer anderen Ebene. „Leichter im schafft das Musikdrama. Wie erlebst Du Tempo“ schreibt Wagner. In Rheingold ist diesen Bruch? Wotan ein ehrgeiziger, skrupelloser junger Mann, kein nobler. Alberich wirft ihm das Der war für mich immer sehr stark. Ich in der 4. Szene zu Recht vor. Dieser große finde es einfacher, Rheingold zu dirigieren Streit vor dem Fluch ist für mich die inter- als Tannhäuser oder Lohengrin. Da hat essanteste Stelle im Stück. Man darf nicht Wagner noch mit der Romantik gekämpft vergessen, dass Wagner seine Ansichten und versucht, seine eigene Stimme zu im Laufe der Arbeit am Ring geändert hat. finden. Beim Tannhäuser hat sich seine Aber hier hat man fast das Gefühl, dass er Sprache zwischen 1845 und 1861 so stark auf Alberichs Seite steht. Die Nibelungen geändert, dass die beiden Fassungen nicht sind die Arbeiter und Wagner stand auf mehr zusammenpassen. ihrer Seite. Pathos ist selten im Rheingold. Wie entwickelst Du zu Deine Klangvor- Sind Anfang und Ende auch unpathetisch? stellungen und -fantasien zum „Ring“?

Der Schluss ist sehr schöne Effektmusik, Das entwickelt sich im Laufe einer langen die einen szenischen Vorgang begleitet. Beschäftigung mit Wagners Opern und Das hat mit Wagners Idee vom Gesamt- hört meiner Meinung nach nie auf. Ich kunstwerk zu tun, die im Rheingold ihren halte es für falsch, einem Werk meinen Zenit erreicht und dann wieder abebbt. Der Stempel aufzuprägen. Ich versenke mich Anfang ist auch ein bisschen Hollywood, seit vielen Jahren so intensiv wie möglich allerdings sehr modern, wenn Wagner vier in den Noten- und Gesangstext, studiere Minuten lang einen Es-Dur-Akkord auf- philosophische und historische Grundla-

34 gen, versuche dem möglichst nahe zu kom- dass dabei eine vollkommen eigene musi- men, was Wagner gemeint haben könnte, kalische Welt herausgekommen ist. Ich fin- wie das Stück zum Leben zu erwecken de es bewundernswert, dass er die Arbeit sei. Auf der anderen Seite steht die eigene mitten im Siegfried abbrechen konnte, um Sensibilität, die ebenfalls Resultat lebens- zwei komplett andere Welten zu schaffen langer Praxis und Erfahrung ist. und dann wieder beim Ring anzuknüpfen.

Gab es ein Initiationserlebnis zu Wagner? Was ist die dirigentische Herausforderung angesichts der sinfonischen, ariosen und Das war 1977 Die Walküre am Covent Gar- rezitativischen Elemente in „Rheingold“? den. Dann Siegfried in der Solti-Aufnahme. Ich war gleich in das Stück verliebt. Den 1. Dass es wie aus einem Guss klingt, was Akt fand ich hinreißend. Dann kamen als nicht leicht ist, denn Rheingold ist anders ich in Cambridge studierte gleichzeitig die geschrieben als die späteren Opern, es Tristan-Aufnahmen von Leonard Bernstein fließt nicht so. Manchmal gibt es starke und Carlos Kleiber heraus, kurz darauf Brüche, die man akzentuieren muss, z. B. die von Reginald Goodall. Da war ich sehr wenn Wotan erwacht und Fricka dann in in dieses Stück verliebt. Als Korrepeti- einem völlig anderen Tempo in das herrli- tor habe ich Meistersinger gespielt, bei che Walhall-Motiv hineinplatzt. In diesem Rheingold in Schottland assistiert. Göt- Sinne sucht man im Rheingold nicht die terdämmerung lernte ich erst relativ spät große Linie, sondern den aufgeweckten kennen, als ich die anderen drei Stücke Schlagabtausch von Argument und Gegen- schon gut kannte. Ich konnte nicht fassen, argument. Das betrifft oft auch die Tempi. wie viel weiter die Götterdämmerung mu- sikalisch geht. Die Entwicklung des musi- „Das Rheingold“ ist sinfonisch kompo- kalischen Materials in diesem Stück ist für niert. Halten es die Leitmotive zusammen? mich eine der größten Leistungen der Mu- sikgeschichte. Ich war richtig erschrocken Das Rheingold hat sinfonische Elemente, über seine schwarze Farbe. Schon dass aber dass die Leitmotive das Werk zusam- Wagner den Ring überhaupt vollendet hat, menhalten, glaube ich nicht. In den mei- grenzt an ein Wunder. sten Fällen entwickeln sie sich hier noch nicht, das tun sie erst später. Sie erschei- Wie beeinflusst die Kenntnis aller Wagner- nen oft sogar in der ursprünglichen Tonart. Opern Deine „Rheingold“-Interpretation? Darum ist das Stück für mich ein Vorabend. Tristan ist sinfonisch komponiert und viel Ich habe seit langem das Gefühl, dass man näher an Beethoven, weil hier alles stän- bei jeder Wagner-Oper in einer komplett dig in Entwicklung ist. Der Ring ist echtes anderen, geschlossenen Welt ist. Wir ha- Theater und die Leitmotive helfen, seine ben Sonntag Tristan gespielt und am näch- philosophischen und theatralen Inhalte sten Tag auf der Probe Rheingold. Das kam zu kommunizieren. Und später im Ring mir fast wie ein anderer Komponist vor. spielt das Orchester, was die Sänger nicht Wagners Klangwelt ist so präzis erdacht, singen, weil man da schon weiß, was die dass man den Eindruck hat, er hätte sich Motive bedeuten. Rheingold bringt die so tief in seinen jeweiligen Stoff versenkt, Exposition der Probleme und Inhalte.

Folgeseiten Witalij Kühne, Renatus Meszar, Ariana Lucas 35 36 37 DIE ZUKUNFT ÜBERROLLT DIE GEGENWART ZUR INSZENIERUNG

DAVID HERMANN ÜBER „DAS RHEINGOLD“

David, wovon bist Du in Deiner sehr unge- ihn damit, dass sein Handeln fatale Folgen wöhnlichen Konzeption ausgegangen? hat. Das belastet ihn natürlich. Darum altert er im Rheingold in gewisser Weise Was ich an Rheingold strukturell interes- rascher. Das Stück entwickelt gegen Ende sant finde, sind seine drei Zeitebenen. Es eine Eigendynamik, in der die Zukunft die gibt die ewige Zeit, die durch die natur- Gegenwart einholt. Die Konsequenzen verbundenen Wesen Erda und die Rhein- seines Tuns überrollen sie. Man hat einen töchter repräsentiert wird. Zweitens gibt Augenblick lang den Eindruck, wir wohnen es die Erden- oder gegenwärtige Zeit, die schon der Götterdämmerung bei. Handlung um Alberich, die Götter und die Riesen. Hier geht es konkret um Macht, Während auf der einen Ebene das Rhein- das Erringen von Macht und Einfluss. gold im normalen Tempo abläuft, läuft par- Drittens gibt es die zukünftige Zeit, die allel der „Ring“ im Fast-Forward-Modus? die Konsequenzen von Wotans Handeln wiederspiegelt, das unentrinnbare Schick- Ja, dieser Ansatz beinhaltet auch ein sal. Diese Ebene habe ich in das Stück Wahrnehmungsexperiment. Muss man auf eingefügt. Sie ist aus dem Geist Wagners das Walhall-Motiv immer die Burg sehen geboren, der die Handlung über Leitmo- oder kann man diese Musik nicht auch an- tive gern und virtuos mit Ausblicken vor ders befragen? Kann Wagners Musik, die und zurück verknüpft und Verbindungen für eine bestimmte Atmosphäre intendiert öffnet. Darum frage ich mich, wieviel Ring ist und die Motive des Rings in Rheingold im Rheingold steckt? Wie wäre es, wenn räumlich-musikalisch eng führt, auch eine Wotan die Folgen seines Tuns schon zu andere Atmosphäre beschreiben? Ich Beginn der Tetralogie sieht? An einigen habe das Gefühl, das geht. Vielleicht kann Stellen scheinen wichtige Situationen des man sie auf diese Weise auch neu hören. späteren Rings kurz auf und konfrontieren Was passiert z. B., wenn die Schlussmusik

38 nicht nur ein glorioser Triumphmarsch der drei genannten Zeitebenen. Für die ewi- Götter ist, sondern wenn man ihre Hybris, ge, natürliche Zeit stehen Figuren, die die Wagner intendiert hat, wenn man das aus einem mythischeren Zusammenhang nahende Ende, das Loge voraussagt, auch kommen. Darum war es mir wichtig, dass zeigt? Hört man dann, dass es keine Ein- die Rheintöchter und Erda nicht wie Men- zugs-, sondern eine Untergangsmusik ist? schen erscheinen, sondern wie Wesen anderer Art. Aus demselben Grunde wollte Wie verknüpfst Du diese beiden unter- ich die Gegenwartsebene sehr konkret schiedlich schnell ablaufenden Zeiten? haben. Die Nibelungen sind Menschen, die mit ihren Händen arbeiten und Güter Indem ich auf die Parallelen eingehe, die herstellen, während die Götter eher Kapi- es zwischen Rheingold und Ring gibt. tal verwalten, Verträge abschließen und Wenn Wotan Alberich den Ring entreißt, Macht durch Netzwerke aufbauen. Die tut er das mit der gleichen Vehemenz, mit Riesen stehen zwischen diesen beiden. Sie der in der Götterdämmerung sein Enkel besitzen einerseits ein Bauimperium, sind Siegfried Brünnhilde den Ring entreißt. andererseits aber auch Architekten. Sie Wenn Fafner im Rheingold seinen Bruder sind den Göttern näher. Fasolt erschlägt, um den Ring zu behalten, wiederholt sich die Szene in der Götter- Du zielst in Deiner Inszenierung auch auf dämmerung zwischen Hagen und seinem stilistisch-atmosphärische Unterschiede Halbbruder Gunther. Solche Analogien zwischen den vier Szenen in Rheingold. machen wir in Parallelszenen sichtbar. Au- ßerdem steckt Rheingold voller Vorahnun- In der 1. Szene wollte ich eine sehr textge- gen. Träumt Wotan zu Beginn der 2. Szene treue Inszenierung machen, wo tatsächlich wirklich nur von Walhall? Beschränkt stattfindet, was Wagner intendiert hat und sich das, was er spürt, nur auf das, was eine gewisse Glaubhaftigkeit und Poesie er ausspricht oder ist im Unbewussten bekommt, auch etwas Märchenhaftes, nicht schon mehr vorhanden? Ist sein weil die Rheintöchter für mich zu einer an- Traum, die Wälsungen zu zeugen und noch deren Ebene gehören. Die 2. Szene ist ein größere Macht zu erringen, nicht schon Kammerspiel mit vielen Personen und all- hier angelegt? Das sind Fragestellungen, täglichen Bösartigkeiten, darum kommt der die die Rheingold-Handlung direkt und Darstellungsstil dort eher dem Schauspiel indirekt beeinflussen und kontrapunktisch nahe. Die 3. Szene zeigt im Gegensatz dazu aufladen. Es kommen dort aber nur Schlüs- einen Außenraum und die 4. hat etwas selmomente des Rings vor. Das sind kurze, Performatives. Der Raum ist in zwei Teile zugespitzte Episoden, die – ausgehend von geteilt und wird abstrakt behandelt. Vorher der Leitmotivtechnik – etwas Zitathaftes, gab es eine Raum-Zeit-Einheit, jetzt gibt teilweise auch Verspieltes haben. es ein Rechts und ein Links. Er ist leer, ent- kernt, die realistischen Zutaten sind weg. Wie siehst Du die vier mythischen Per- sonengruppen Nibelungen, Rheintöchter, Was war der Anlass dazu? Götter und Riesen? Es geht inhaltlich um den Auszug. Man Ich sehe sie ebenfalls in Bezug zu den kann es so lesen, dass Wotans Büroriegel

39 leer ist. Auf der anderen Seite brauche ich lang immer wieder Neues, deswegen wer- ganz praktisch eine Setzung, die es mir er- den diese Stücke so oft inszeniert. In der laubt, Götterdämmerung und Rheingold im Malerei ist es genauso. Man schaut sich eben beschriebenen Sinne unterschied- Gemälde immer wieder an, weil man nie licher Geschwindigkeiten nebeneinander alle Nebenfiguren sieht. Darum finde ich ablaufen zu lassen. Am Ende geht das es im Theater wichtig, dass auch hier eine Nebeneinander in eine höhere Dimension gewisse Polyphonie möglich ist, auf die über, in der das Feuer der Zukunft auf Gefahr hin, dass es die Zuschauer an ge- die Gegenwart übergreifen kann und das wissen Stellen vielleicht überfordert. Aber ganze System von Taten und ihren Folgen das macht ein Gesamtkunstwerk auch aus, zerstört. Das geht nur auf einer relativ dass es viele Schichten hat. abstrakten Grundlage. Wenn es zu reali- stisch wäre, würde es die Sprünge zwi- Dein „Rheingold“ schließt, wie es an- schen den Zeitebenen nicht mitmachen. fängt. Machst Du es dem Regisseur des nächsten Abends mit dieser geschlosse- Hätte Dein „Rheingold“ anders ausgese- nen Form nicht schwer? hen, wenn Du den ganzen „Ring“ insze- niert hättest? Das soll die Interpetationstür für den nächsten Kollegen auf keinen Fall zu- Auf jeden Fall. Ich habe mich mit dem schließen. Ich wollte damit dem Ende nach ganzen Zyklus beschäftigt und hatte das der von Loge angekündigten Götterdäm- Gefühl, in Rheingold ist Raum, noch et- merung jene positive Perspektive nicht was anderes zu erzählen. So bin ich auf vorenthalten, die es bei Wagner auch hat. die zweite Ebene gekommen. Und da ich Für das Fortleben der Zivilisation ist die wusste, dass meine Kollegen die folgen- Idee unentbehrlich, dass die Natur stär- den Stücke inszenieren, gefiel mir der Ge- ker ist, als der Mensch. Selbst wenn der danke, schon im „Vorabend“ Ausblicke zu Mensch die Erde zerstören würde, wird in geben. Mich interessiert polyphones sze- ein paar Millionen Jahren sicher wieder nisches Erzählen grundsätzlich. Ich finde eine neue Keimzelle neues Leben gebären. es schade, dass Bühnengeschehen oft so Außerdem wollte ich das Vorspielartige zentriert sind. Da gibt es einen Vorgang, des Rheingoldes betonen. Es ist unter den da muss man hinschauen. Ich mag es viel vier Abenden des Rings sicher der leich- lieber, wenn man sich aussuchen kann und teste und derjenige mit dem meisten Witz. entscheiden muss, wo man hinsieht, wenn Da ist es reizvoll, augenzwinkernd auszu- man auch mal was verpasst. Wer zum probieren, ob man innerhalb des kürzesten ersten Mal den Ring hört, hört auch nicht Stückes schon einen Blick auf das Ganze alle Strukturen. Man entdeckt sein Leben werfen kann.

40 Avtandil Kaspeli, Yang Xu 41 JUSTIN BROWN Musikalische Leitung JOHANNES WILLIG Nachdirigat

Justin Brown studierte an der Cambridge Nach dem Studium an den Hochschulen University und in Tanglewood bei Seiji seiner Heimatstadt Freiburg i.B. und Wiens Ozawa und Leonard Bernstein. Als Dirigent begann der DAAD-Stipendiat seine berufli- debütierte er mit der britischen Erstauffüh- che Laufbahn am Theater Biel / Solothurn. rung von Bernsteins Mass. Der Brite leitete Im Januar 2000 wechselte Willig als 2. Ka- zahlreiche Uraufführungen und dirigierte pellmeister und Assistent des GMD an das wichtige Werke bedeutender zeitgenössi- STAATSTHEATER KARLSRUHE, drei Jahre scher Komponisten wie Elliott Carter und später als 1. Kapellmeister und stellvertreten- George Crumb. Außerdem musizierte mit der GMD an die Oper Kiel. Gastspiele führten namhaften Solisten wie Yo-Yo Ma, Leon ihn an die Opernhäuser von Neapel, Bologna, Fleisher und Joshua Bell. Gastengagements Wiesbaden, Freiburg i.B., Lyon sowie an die führten ihn an renommierte Opernhäuser Deutsche Oper Berlin. Sein Opernrepertoire weltweit, so jüngst zur Uraufführung von erstreckt sich von Werken Mozarts, Verdis Elena Langers Figaro Gets A Divorce an die und Puccinis über Richard Strauss bis hin Welsh National Opera. 2008 wurde er zum zur Moderne. Seit 2011/12 ist Willig 1. Kapell- Generalmusikdirektor des STAATSTHEA- meister und Stellvertretender Generalmusik- TERS KARLSRUHE ernannt. wo er vor allem direktor am STAATSTHEATER KARLSRUHE. für seine Dirigate der Werke Wagners, Hier dirigierte er u. a. Ein Maskenball, Tosca, Berlioz’, Verdis und Strauss’ gefeiert wird. La Traviata und Doctor Atomic. 2015/16 lei- Nach starter er nun ei- tete er die Neuproduktionen Der Prophet und nen neuen Ring des Nibelungen. Außerdem Macbeth, Mendelssohns Lobgesang sowie bringt er 2016/17 Avner Dormans das 6. Sinfoniekonzert, 2016/17 kommen Cile- als 5. Teil des Rings zur Uraufführung. as Adriana Lecouvreur und Rheingold hinzu.

42 DAVID HERMANN Regie

Der deutsch-französische Regisseur stu- dierte an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin und war Assistent von Hans Neuenfels. Er gewann den Ersten Preis beim Ring Award Graz und den Prix de la Critique 2015. Mit Mozarts Ascanio in Alba, einer Produktion des Nationaltheaters Mannheim, debütierte er bei den Salzburger Festspielen. Außerdem zeigte er Arbeiten u. a. bei der Ruhrtriennale und dem Lucerne Festival, an der Deutschen Oper Berlin, sowie an den Opernhäusern von Basel, Zürich, Lausanne, Madrid, Nancy, Frank- furt a. M., Essen, Amsterdam, Antwerpen, Düsseldorf/Duisburg und Saarbrücken. Zu seinen nächsten Projekten zählen u. a. Die Entführung aus dem Serail unter Theodor Currentzis am Opernhaus Zürich und eine Křenek-Trilogie an der Oper Frankfurt. Am STAATSTHEATER KARLSRUHE eröffnete er die Intendanz Spuhler mit Berlioz' Les Troyens und setzte seine Arbeit hier mit Boris Godunow fort.

43 JO SCHRAMM Bühne BETTINA WALTER Kostüm

Jo Schramm hatte seinen Einstand im Nach dem Studium der Bildhauerei in Nür- Theater 1993 in der Beleuchtungsabteilung tingen und des Kostümbildes an der Berli- des Schauspiels Stuttgart. Hier arbeitete er ner Hochschule der Künste kam die Ulmerin vier Spielzeiten bevor er Architektur an der an Frank Baumbauers Theater Basel. Seit Kunstakademie Stuttgart und Szenografie / 1990 lebt sie in Paris, seit 2001 in Straßburg. Medienkunst an der Hochschule für Gestal- Von hier aus geht sie freischaffend ihrer tung in Karlsruhe studierte. Seit Ende sei- umfangreichen künstlerischen Tätigkeit an nes Studiums sucht er in eigenen interdiszi- den großen Schauspiel- und Opernhäusern plinären Projekten unter anderem am HAU sowie Festivals Europas nach. Zu den Re- Berlin und ZKM Karlsruhe nach der Verbin- gisseurinnen und Regisseuren, mit denen dung von Licht, Video und Architektur. Seit sie zusammenarbeitet, gehören Alexander 2000 arbeitete er als Bühnenbildner u. a. Schulin, Barbara Frey, David Bösch, Phil- mit Christoph Schlingensief zusammen. Er ipp Himmelmann, Christof Nel, Christoph ist bei über siebzig Produktionen mit unter- Loy, Marco Arturo Marelli, Martin Kusej, schiedlichen Regisseuren an der Opéra de Nicolas Brieger, Nikolaus Lehnhoff, Anselm la Bastille Paris, der Staatsoper München, Weber, Giorgio Barberio Corsetti, Stéphane den Opernhäusern Nürnberg und Dortmund Braunschweig, François-Michel Pesenti. und fast allen großen deutschen Sprech- Außerdem lehrte sie seit 2004 Kostümbild theatern zwischen Wien und Hamburg tätig. in Straßburg und Hamburg. Seit 2010 hat sie Mit David Hermann arbeitete er erstmals die Professur für Kostümbild an der Staat- 2015 bei Lullys Armide unter Christophe lichen Akademie der Bildenden Künste Rousset in Nancy zusammen. Rheingold ist Stuttgart inne. Mit Rheingold debütiert sie seine erste Arbeit am STAATSTHEATER. in Karlsruhe.

44 Renatus Meszar, Matthias Wohlbrecht 45 RENATUS MESZAR Wotan Der studierte Kirchenmusiker gab 1990 bei der Münchner Biennale sein Operndebüt. Über Braunschweig, Weimar, Bonn kam er 2012 ans STAATS- THEATER KARLSRUHE, wo er die großen Wagner-Partien, Eichmann in Wallenberg, Groves in Doctor Atomic , Banco in Macbeth sang. Gastpiele führten ihn zuletzt als Kaspar nach Darmstadt und Wotan nach .

SEUNG-GI JUNG Donner Der koreanische Bariton studierte in Seoul und Karlsruhe. Engagements führten ihn nach Bern, Augsburg, Gstaad und Toulouse. 2011 debütierte er als Marcello und Vater Germont am Teatro La Fenice, Venedig. Im glei- chen Jahr kam er ans STAATSTHEATER KARLSRUHE, wo er sich zuletzt Ford in Falstaff, Macbeth und Kurwenal in Tristan und Isolde erarbeitete.

Ks. ARMIN KOLARCZYK Donner Der in Trento aufgewachsene Bariton gehörte 1997 zehn Jahre dem Thea- ter Bremen an, bevor er an das STAATSTHEATER KARLSRUHE wechselte. Hier gestaltete er u. a. die großen Mozart-Partien, Glucks Orest in Iphige- nie auf Tauris, Escamillo, Wagners Wolfram, Beckmesser, Kurwenal, John Adams‘ Doctor Atomic. 2017 debütiert er bei den Bayreuther Festspielen.

CAMERON BECKER Froh Der amerikanische Tenor wurde an der Arizona State University und am Salzburger Mozarteum ausgebildet. Bevor er 2015/16 ans STAATSTHEA- TER wechselte, war er am Theater Regensburg engagiert. In Karlsruhe war er u. a. als Tamino in Die Zauberflöte, Pedrillo in Die Entführung aus dem Serail, Freddy in My Fair Lady und Bardolfo in Falstaff zu erleben.

JAMES EDGAR KNIGHT Froh Der Australier ist seit dieser Spielzeit Ensemblemitglied des STAATSTHEA- TERS KARLSRUHE. Hier stellte sich der Absolvent der New Yorker Juilliard School und Stipentiat des Metropolitan Opera Development Programs als Fenton in der Neuproduktion von Falstaff vor. Außerdem war er Jonas in Der Prophet, Freddy in My Fair Lady und Macduff in Macbeth.

Ks. KLAUS SCHNEIDER Loge / Mime Der Rheinländer debütierte 1989 an der Opéra National de Paris und ge- hört seit 1990 dem Ensemble des STAATSTHEATERS KARLSRUHE an. Hier sang er die großen Mozart-, ausgewählte Wagner-Partien sowie u. a. Max im Freischütz, Blaubart, Hoffmann, Werther, Peter Grimes. 2003 wurde ihm der Kammersänger-Titel verliehen. Zuletzt war er Melot und Macduff.

Ks. HANS-JÖRG WEINSCHENK Mime Der Stuttgarter Tenor kam nach seinem Studium bei Josef Traxel über Heidelberg und Wuppertal 1980 fest an das STAATSTHEATER KARLSRUHE. Hier gestaltete er bis 2013 zahllose Rollen. Gastengagements führten ihn u. a. nach Zürich, Stuttgart, Hamburg, München, Paris, Prag und Madrid. In Karlsruhe war er zuletzt als Gottesnarr in Boris Godunow zu hören.

46 MATTHIAS WOHLBRECHT Loge Der Tenor studierte in Würzburg und Mailand, debütierte 1998 an der Kam- meroper Schloss Rheinsberg und kam über Rostock, Darmstadt, Mann- heim 2004 ans STAATSTHEATER KARLSRUHE. Gastspiele führten ihn nach Venedig, Bari, Moskau, München, Seoul, Berlin, Paris. In Karlsruhe wird er demnächst als Chamberlain in Dormans Wahnfried zu erleben sein.

JACO VENTER Alberich Der südafrikanische Bariton studierte in seiner Heimat und San Francisco, besuchte Meisterklassen u. a. bei Thomas Hampson, Ruth Ann Swenson und Patricia Craig. Seit 2011/12 ist er Ensemblemitglied am STAATSTHEA- TER KARLSRUHE, wo er u. a. als Germont père, Scarpia, Klingsor, Falstaff und Macbeth zu erleben war. Neu kommen Dulcamara und Alberich hinzu.

YANG XU Fasolt Der Bassbariton absolvierte sein Studium in Peking. Von 2013 bis 2015 war er im OPERNSTUDIO und sang am STAATSTHEATER u. a. Graf Ribbing in Ein Maskenball und Hahnkerl in Wo die wilden Kerle wohnen. Zuletzt war er als Lorenzo in Bellinis I Capuleti e i Montecchi zu erleben. 2016/17 folgen u. a. Somnus in Semele und Bartolo in des Figaro.

AVTANDIL KASPELI Fafner Der georgische Bass studierte u. a. in München, wo er als Sparafucile in Rigoletto debütierte. Am Prinzregententheater war er der Komtur in Don Giovanni. Seit 2011/12 ist er am STAATSTHEATER KARLSRUHE engagiert. Hier sang er Pimen in Boris Godunow, Colline, Sarastro, Zacharias in Der Prophet, Banco in Macbeth und demnächst Lorenzo in Bellinis Capuleti.

ROSWITHA CHRISTINA MÜLLER a. G Fricka Nach ihrem Studium in München und Salzburg, gehörte die deutsche Mezzosopranistin den Opernhäusern von Salzburg, Lübeck und Nürnberg an. Gastengagements führten sie u. a. an die Nationaltheater München, Weimar, Prag, Taipeh sowie an die Deutsche Oper Berlin. Demnächst kre- iert sie die Gräfin in Peter Konwitschnys Neuinszenierung der Soldaten.

KATHARINE TIER Fricka / Floßhilde Die australische Mezzosopranistin war an zahlreichen Opernhäusern u. a. in San Francisco, Dallas und Berlin zu hören. Seit 2011 ist sie Ensemble- mitglied des STAATSTHEATERS. Hier sang sie u. a. Octavian, Didon in Les Troyens sowie die Titelrollen in Iphigenie auf Tauris und Carmen. In der kommenden Spielzeit wird sie zudem als Sesto in Titus zu hören sein.

Ks. EWA WOLAK Fricka Die Preisträgerin glanzvoller Wettbewerbe kam als DAAD-Stipendiatin nach Karlsruhe. Seit 1998 gehört die vielseitige Altistin zum Ensemble des STAATSTHEATERS, wo sie als Dalila, Carmen und Fidés in Der Prophet, in den virtuosen Partien Händels und Rossinis sowie den Fachpartien Verdis brilliert. Gastspiele führen sie an alle bedeutenden Bühnen der Welt.

47 AGNIESZKA TOMASZEWSKA Freia Die polnische Sopranistin studierte in Danzig und Wien. Am STAATSTHE- ATER KARLSRUHE gastierte sie als als Katja in Die Passagierin bevor sie 2014 fest ins Ensemble eintrat. Hier machte sie als Sina in Verlobung im Traum, Mimì, Fiordiligi, Berthe in Der Prophet und Micaela von sich reden. Adina in L’elisir d’amore und Gräfin in Figaros Hochzeit kommen hinzu.

ARIANA LUCAS a. G. Erda Die Kalifornierin wechselte nach ihrer Ausbildung an den Universitäten von Sacramento und San Francisco ans Studio der Oper Luxemburg, wo sie zahlreiche Partien des Altfachs sang. Am STAATSTHEATER KARLSRU- HE gibt sie mit der Rheingold-Erda ihr Debüt. In der neuen Walküre wird sie demnächst auch als Schwertleite zu erleben sein.

ULIANA ALEXYUK Woglinde Die Ukrainerin war im Förderprogramm des Moskauer Bolschoi-Theater sowie im Opernstudio der Houston Grand Opera. Darüber hinaus sang sie in Chicago, Bari, Paris, Glyndebourne, New York. Seit 2015/16 gehört sie zum Karlsruher Opernensemble, wo sie u. a. als Bellinis Giulietta trium- phierte. 2016/17 ist sie als Adina in L’elisir d’amore zu erleben.

Ks. INA SCHLINGENSIEPEN Woglinde Nach Engagements in Bulgarien und unter Marc Minkowski in Madrid kam die Wuppertalerin über Bremen 2002 ans STAATSTHEATER. Hier kre- ierte sie von Mozarts Konstanze bis Meyerbeers Berthe zahllose Partien. 2006 erhielt sie den Goldenen Fächer der Theatergemeinde Karlsruhe, 2007 den Otto-Kasten-Preis, 2013 den Titel Kammersängerin.

STEFANIE SCHAEFER Wellgunde Nach ihrem Studium gastierte die Frankfurterin in Stuttgart, Mannheim, Schwerin, Osnabrück, Schwetzingen und Frankfurt. Festengagements führten sie an die Opernhäuser Wuppertal, Darmstadt und Erfurt sowie 2011 ans STAATSTHEATER. 2015/16 war sie als Meg Page in Falstaff, Hän- sel in Hänsel und Gretel und in der Titelrolle von Bizets Carmen zu erleben.

KRISTINA STANEK Wellgunde Die Mezzosopranistin studierte in Düsseldorf und an der Royal Academy London. Von 2012/13 war sie im Ensemble des Theaters Trier, wo sie Car- men, Sesto in La clemenza di Tito und Glucks Orfeo sang. 2015/16 wech- selte sie ans STAATSTHEATER, wo sie u. a. als Eliza in My Fair Lady, Annio in La clemenza di Tito und Cherubino in Figaros Hochzeit zu erleben ist.

DILARA BAŞTAR Floßhilde Die mehrfach ausgezeichnete Istanbulerin studierte in ihrer Heimatstadt und Karlsruhe. 2012 bis 2014 gehörte sie dem Karlsruher OPERNSTUDIO an, 2014 wechselte sie ins Opernensemble des STAATSTHEATERS. Nach ihren Triumphen als Offenbachs Fantasio, Bellinis Romeo und in Poulencs La voix humaine singt sie 2016/17 u. a. Mozarts Sesto und Cherubino.

48 WITALIJ KÜHNE a. G. Siegmund / Siegfried Der geborene Dresdner studierte in Hamburg und Berlin Musical und Ca- mera Acting und war in zahlreichen Filmen unter Regisseuren wie Marcel Walz und Matthias Wissmann zu sehen. In Karlsruhe trat er u. a. im Sand- korn Theater auf. Den Besuchern des STAATSTHEATERS KARLSRUHE ist er u. a. durch seine Mitwirkung in My Fair Lady bekannt.

ROSA SUTTER a. G. Sieglinde / Gutrune Nach ihrer Ausbildung an der Abraxas Musical Akademie München ge- hörte die Allgäuerin zwei Jahre dem Theater auf Tour Darmstadt an. Mit der Beatles Revue Yesterday trat sie im Münchner Gasteig auf. Daneben lieh sie der kleinen Mandy in Feuerwehrmann Sam ihre Stimme. Außer- dem ist sie in mehreren Fernsehproduktionen zu sehen.

DIANA MATTHESS a. G. Brünnhilde Die Spezialistin in historischen Schwertkampf-Techniken wuchs in Afri- ka auf und schloss ihr Schauspielstudium 2013 an der Theaterakademie Mannheim ab. Schauspielproduktionen führten sie nach Périgueux, Opernengagements nach Mannheim, Pforzheim und München sowie Action-Theater-Performances nach Lichtenberg und Jülich.

MATTHIAS ROTT a. G. Hunding / Hagen Der Berliner Schauspieler wurde nach seinem Studium in Leipzig mit seiner Abschlussproduktion als Shakespeares Cymbeline ausgezeichnet. Er war neben seinen Engagements an Theatern in Chemnitz, Berlin, Darm- stadt und Heidelberg auch in zahlreichen TV-Produktionen zu sehen und gastierte bereits mehrfach am STAATSTHEATER KARLSRUHE.

STEFAN PIKORA a. G. Gunther Der gelernte IT-Systemelektroniker kam über die Volksschauspiele Ötig- heim, bei denen er noch aktiv ist, an das STAATSTHEATER KARLSRUHE. Hier war er seit 2008 in vielen Rollen, u. a. als Leopold im Rosenkavalier und als Wirt in Falstaff zu erleben. Seit 2011 singt der gebürtige Karlsruher auch im Extrachor des STAATSTHEATERS, zuletzt in Der Prophet.

RUH UND RAST IST EUCH ZERONNEN, IHM MUSST IHR SCHAFFEN 49 50 Uliana Alexyuk, Katharine Tier, Stefanie Schaefer 51 BILDNACHWEISE IMPRESSUM

TITELFOTO Felix Grünschloß HERAUSGEBER PROBENFOTOS Falk von Traubenberg BADISCHES STAATSTHEATER KARLSRUHE

GENERALINTENDANT Peter Spuhler TEXTNACHWEIS Alle Texte sind Originalbeiträge von KAUFMÄNNISCHER DIREKTOR Dr. Boris Kehrmann für dieses Pro- Johannes Graf-Hauber grammheft. VERWALTUNGSDIREKTOR Michael Obermeier

OPERNDIREKTOR Michael Fichtenholz

LEITENDER DRAMATURG OPER Carsten Jenß

REDAKTION Dr. Boris Kehrmann

KONZEPT DOUBLE STANDARDS BERLIN www.doublestandards.net

GESTALTUNG BADISCHES STAATSTHEATER Kristina Schwarz KARLSRUHE 2015/16 Programmheft Nr. 332 DRUCK www.staatstheater.karlsruhe.de medialogik GmbH, Karlsruhe DES RINGES HERR ALS DES RINGES KNECHT 52 DER RING DER VIELFALT DER NEUE KARLSRUHER RING Das STAATSTHEATER KARLSRUHE bricht zu einem neuen Ring des Nibelungen als Ring der Vielfalt mit vier internationalen Regiehandschriften auf. Eine Besonderheit ist die Fortführung der Wotan-Saga als Wagner-Saga mit der Oper Wahnfried als 5. Nibelungen- Abend. Es ist das erste abendfüllende Auftragswerk des Hauses seit elf Jahren. GMD Justin Brown arbeitet seit 2008 mit der BADISCHEN STAATSKAPELLE an seinem Wagner- Klang und übernimmt nun die Musikalische Leitung für den neue Ring und Wahnfried. Der Ring ist über 26 Jahre entstanden. Seine Konzeption hat zahlreiche Metamorphosen durch- gemacht. Sein Blick auf die Welt ist so komplex, dass es sich lohnt, die Perspektive immer wieder zu wechseln. Eingeladen wurden darum vier international tätige Regisseure unter 40 mit unterschiedlichem kulturell-ethnischen Hintergrund. Der Deutsch-Franzose David Hermann, der Amerikaner Yuval Sharon, der Isländer Thorleifur Örn Arnarsson und der Deutsche Tobias Kratzer verfügen über eine profilierte künstlerische Handschrift und ver- treten unterschiedliche Positionen. Vom Zwang befreit, den Gesamtverlauf von der Schöp- fung bis zum Ende der Welt in den Griff zu bekommen, finden sie im Dialog mit einander Ansätze und Sichtweisen, die sich bei einer Gesamterzählung nicht ergeben hätten. Den Umgang des Wagner-Clans mit dem Erbe des Komponisten bringt einer der erfahrensten Wagner-Regisseure unserer Zeit, der Brite Keith Warner mit Wahnfried auf die Bühne.

Mit diesem vielschichtigen und frischen Blick öffnet der Karlsruher Ring die Möglichkeit, Wagner und sein Werk neu zu entdecken. DER RING DES NIBELUNGEN

DAS RHEINGOLD Premiere 9.7.16

DIE WALKÜRE Premiere 11.12.16

WAHNFRIED Premiere 28.1.17

SIEGFRIED Premiere 10.6.17

GÖTTERDÄMMERUNG Premiere 15.10.17 KOMPLETTER ZYKLUS Ostern & Pfingsten 2018

53 DIE WALKÜRE Yuval Sharon durchleuchtet die Liebesgeschichte der Wälsungen-Ge- schwister und den Abstieg Wotans in Die Walküre. Der multimedial arbei- tende Regisseur gab nach viel beachteten freien Produktionen in den USA mit John Adams‘ Doctor Atomic gab er am STAATSTHEATER sein Europa- Debüt. Die Produktion wurde mit dem Götz-Friedrich-Preis ausgezeichnet brachte dem Kalifornier eine Einladung an die Wiener Staatsoper ein.

Sebastian Hannak ist in Karlsruhe durch seine innovativen Raumgestaltun- gen für u. a. Das Glasperlenspiel oder die Ballette Momo, Mythos und Anne Frank bekannt. Auch am Nationaltheater Mannheim, der Staatsoper Stutt- gart, dem Salzburger Landestheater und anderen Bühnen wurde er gefeiert. Seine Arbeiten wurden mehrfach zum Raum des Jahres nominiert und u. a. auf der Prager Quadriennale 2007 im deutschen Pavillon ausgestellt.

Die geborene Gießenerin Sarah Rolke arbeitete an Häusern wie dem Berli- ner Ensemble, den Salzburger Festspielen, dem Bolschoi-Theater Moskau, beim Beijing Music Festival und am Nationaltheater Mannheim. Bei Achim Freyers Ring des Nibelungen, 2007–2010 in Los Angeles, lernte sie Yuval Sharon kennen, mit dem sie Doctor Atomic am STAATSTHEATER heraus- brachte. Die Walküre ist ihre vierte Arbeit für Karlsruhe. WAHNFRIED Keith Warner ist als intimer Kenner der Werke Wagners und Bayreuths sowie als international gefeierter Regisseur genau der Richtige, um sich in Wahnfried mit dem Wagner-Clan und dem Erbe des Komponisten auseinan- derzusetzen. Er inszenierte Lohengrin bei den Bayreuther Festspielen, den Ring des Nibelungen in London und Tokio sowie Tannhäuser in Straßburg. Am STAATSTHEATER KARLSRUHE zeigte er 2015 Parsifal.

Tilo Steffens ist seit 1997 als freischaffender Bühnen- und Kostümbildner tätig. Für Keith Warner gestaltete er u. a. einen beeindruckenden Bühnen- raum für Parsifal in Karlsruhe und für Nabucco an der Deutschen Oper Berlin. Gemeinsam mit erarbeitete er Die Meistersinger von Nürnberg bei den Bayreuther Festspielen und Tannhäuser auf Gran Canaria.

Julia Müer ist Preisträgerin des Europäischen Opernregie-Preises. Sie arbeitet regelmäßig als Bühnen- und Kostümbildnerin mit Keith Warner. Gemeinsam mit ihm gab sie in Karlsruhe ihr Debut bei Parsifal und wird demnächst an der Semperoper Dresden mit ihm Doktor Faust herausbrin- gen. Engagements führten sie u. a. zu den Festspielen in Glyndebourne.

54 SIEGFRIED Thorleifur Örn Arnarsson setzt sich mit dem Erwachen des Naturburschen Siegfried auseinander. Der Isländer bewegt sich nicht nur geografisch zwischen den Welten, sondern auch künstlerisch zwischen Schauspiel, Performance, Musiktheater. Zu seinen Arbeiten zählen Lohengrin, Peer Gynt und Die Fledermaus. Seit 2014/15 ist er leitender Regisseur für Oper und Schauspiel in Wiesbaden. In Karlsruhe stellte er sich mit Sarah Kanes 4.48 Psychose vor.

Seit 1982 ist Vytautas Narbutas als Bühnen- und Kostümbildner für Schau- spiel, Film und Oper international tätig. Für seine Arbeiten wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Außerdem ist er Bildender Künstler und Grafiker. Seine Werke wurden u. a. in Litauen, Finnland, Japan und Island ausgestellt. Mit Thorleifur Örn Arnarsson verbindet ihn eine enge Arbeitspartnerschaft u. a. bei Romeo und Julia am Staatstheater Mainz sowie Die Nibelungen am Theater Bonn.

Die Isländerin Sunneva Ása Weisshappel ist im Bereich Installationen, Fotografie, Performance und Videokunst tätig. Sie gründete die Galerie und Künstlerresidenz Algera Studios in Reykjavík. Kostüme entwarf sie u. a. für das Stadttheater Reykjavík und das Hessische Staatstheater Wiesba- den. Künftige Engagements führen sie an das Staatsschauspiel Dresden, Staatstheater Hannover und Norwegische Nationaltheater Oslo.

GÖTTERDÄMMERUNG Tobias Kratzer, Gewinner des Grazer Ring-Awards 2008, setzt sich mit dem Ende der Welt in der Götterdämmerung auseinander. Dem Karlsruher Pub- likum ist er durch seine Aufsehen erregenden Inszenierungen Wallenberg, Meistersinger von Nürnberg und Der Prophet vertraut. 2019 wird er bei den Bayreuther Festspielen Richard Wagners Tannhäuser inszenieren.

Mit dem Regisseur Tobias Kratzer verbindet Rainer Sellmaier eine langjäh- rige Zusammenarbeit. 2008 gewannen sie in Graz sämtliche Preise beim Internationalen Wettbewerb für Opernregie und Bühnenbild Ring Award. Ihnen gelangen vielbeachtete Produktionen von u. a. Lohengrin am Natio- naltheater Weimar, Die Meistersinger von Nürnberg und Meyerbeers Der Prophet in Karlsruhe sowie Die Hugenotten am Staatstheater Nürnberg und der Opéra de Nice. 2019 werden sie den neuen Tannhäuser in Bayreuth herausbringen.

55 WAHNFRIED DER 5. TEIL DES „RINGS“ von Avner Dorman Libretto von Lutz Hübner & Sarah Nemitz URAUFFÜHRUNG / AUFTRAGSWERK

Nach elf Jahren erlebt Karlsruhe erstmals wieder die Uraufführung einer abendfüllenden Oper. Erzählt wird die Geschichte des Wagner-Clans, der nach dem Tod des Meisters von Bayreuth aus bestimmte, was als Wagners Erbe zu gelten hatte. Wir werden Zeugen eines grotesken und provokanten Kampfes hinter den Mauern von Wahnfried um die Deutungshoheit über Wagners Werk und Leben. In Verbindung mit der Neuinszenierung des Ring-Zyklus’ ist diese Oper unser Kommentar oder Nachtrag, ein Beitrag zum Wagner- Erbe und der langen Wagner-Tradition des STAATSTHEATERS. Das Libretto für den ersten Opernauftrag in der Intendanz von Peter Spuhler haben wir dem meistgespielten deutschen Theaterautor, Lutz Hübner, anvertraut. Er fertigt nach Wallenberg damit sein zweites Operntextbuch. Der Kompositionsauftrag ging an Avner Dorman. Der Amerikaner israelischer Herkunft ist in Karlsruhe bereits durch mehrere deutsche Erstaufführungen im Konzertprogramm wie der Ellef Sinfonie oder dem Concerto Grosso bekannt. Zuletzt spiel- te Schlagzeugstar Martin Grubinger mit großem Erfolg Dormans Frozen in Time.

MUSIKALISCHE LEITUNG Justin Brown REGIE Keith Warner BÜHNE Tilo Steffens KOSTÜME Julia Müer DRAMATURGIE Raphael Rösler

28.1.17 GROSSES HAUS

56 WAHNFRIED

Matthias Wohlbrecht, Renatus Meszar, Stefan Pikora, Witalij Kühne, Diana Matthess JEDER GIERE NACH SEINEM GUT, DOCH KEINER GENIESSE MIT NUTZEN SEIN!