Trierer Zeitschrift 2006/07
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Der Hund bei Epona Henning Gans Der Hund bei Epona 137 Eine „reitende Matrone“ aus der Sammlung Wilhelm Scheuermann Regierungssekretär (später Geh. Rechnungsrat) im Innenministerium des noch jungen „Reichs- land Elsaß-Lothringen“ begonnen hatte. Schon als Knabe beschäftigte sich Scheuermann mit der Geschichte des Elsaß und sammelte elsässische Altertümer (Alsatica) jedweder Art2. Diese Samm- lung wurde über Jahrzehnte hinweg kontinuier- lich erweitert. Eine Abteilung war der Vor- und Frühgeschichte reserviert. Scheuermann hat vie- le dieser frühen Kulturzeugnisse entweder selbst geborgen, besonders bei den Tiefbauarbeiten zum Neubau der Schwemmkanalisation in Straß- burg (1898-1907), oder von anderen erworben. Während des Studiums der Naturwissenschaften an der „Kaiser-Wilhelm-Universität“ in Straßburg besuchte er Seminare bei Rudolf Henning (1852- 1930) und Eduard Thrämer (1843-1916), um seine Altertumskenntnisse zu vertiefen, und er nahm 1 Wilhelm Scheuermann. Porträt um 1930. Einleitung In dem vorliegenden Beitrag wird über eine der Forschung bisher unbekannte Eponastatuette das 1 Standesamt Glatz, Geburtsurkunde Nr. 206/1879. Staatsar- chiv Breslau (Archiwum Państwowe we Wrocław). Für das Auftreten des Hundes bei der Göttin zu erhellen Heraussuchen der Urkunde dankt der Verf. dem Konser- versucht. vator. – Vgl. auch Meldekarteikarte der Stadt Straßburg. Stadtarchiv Straßburg (Archives de la Ville et de la Commu- Die besagte Statuette ist Bestandteil der „Samm- nauté Urbaine de Strasbourg), 602 MW 654. – Ch. Weber/W. lung W. Scheuermann“. Das Schicksal dieser ur- Westphal, Matricula Scholae Argentoratensis IV. Strasbourg, sprünglich recht umfangreichen Privatsammlung Chapitre Saint Thomas 1983. Stadtarchiv Straßburg, US 733-4, 598 s. v. Nr. 9963 (Eintrag 12. Oktober 1893). Scheuer- ist eng mit dem des Sammlers verknüpft [ Abb. mann sah sich selbst stets als Elsässer und Straßburger. 1 ], an den hier zunächst erinnert werden soll: 2 Der früheste Beleg der Sammeltätigkeit datiert auf das Jahr Wilhelm Scheuermann (1879-1945) wurde zwar 1894; vgl. Mittelalter-Katalog von R. Henning, Musée Archéo- in Glatz/Niederschlesien (heute Klodzko/Polen) logique de Strasbourg, Inv.-Verz. 10.000-11.999 (2. Septem- 1 ber 1909 bis 19. März 1913) s. v. Inv.-Nr. 10257. Für die Ein- geboren , wuchs aber in Straßburg i. E. auf, wo sichtnahme in die alten Inventar-Kataloge dankt der Verf. sein Vater um 1882 seine Beamtenlaufbahn als dem Museumsassistenten. Trierer Zeitschrift 69/70 · 2006/07 · 137-165 138 Henning Gans an Ausgrabungen von Robert Forrer (1866-1947) zuvorderst den Erwerb (1942) der Privatsamm- auf dem Odilienberg (1898-1899)3, in Achenheim lung des Oberlin-Urenkels Paul Werner (1877- (1899) und Stützheim (1900) teil4. Eine eigene Gra- 1941) aus Freudenstadt mit vielen Originalen zu bung führte er im Sommer 1899 mit Unterstüt- danken8. Neben dieser konservatorischen Tätig- zung der Straßburger Altertumsgesellschaft auf keit engagierte sich Scheuermann im Straßbur- dem Plateau des Koepfel (500 m über NN) durch5, ger Geschichtsverein und im Vogesenclub, für der sich ungefähr einen Kilometer südwestlich den er die Heimatzeitung „Die Vogesen“ gestal- von Klingenthal (nordwestlich von Obernai) er- tete, die vom Zentralausschuß der Vogesenverei- hebt und auf dem Überreste einer Befestigung ne herausgebracht wurde (Oktober 1942 bis Au- bekannt waren. Schon als Student schrieb Scheu- gust 1944). Das Staatliche Museum für Vor- und ermann Beiträge zur elsässischen Kulturgeschich- Frühgeschichte in Berlin hat zwar versucht, die te oder über archäologische Entdeckungen, die archäologische Abteilung seiner Sammlung zu meist in der Lokalpresse, aber auch in auswärti- gen Journalen und sogar in Forrers Werken er- schienen6. Unter dem Pseudonym „Joseph Krafft“ begründete er 1901 nicht nur die Kunst- und Lite- raturkritik in der Straßburger Tageszeitung „Der 3 Scheuermann war auch am Aufbau des Altertümer-Mu- Elsässer“, sondern trieb sie auf ein rhetorisches seums im Odilien-Kloster beteiligt: W. Scheuermann, Das Klostermuseum von St. Odilien. Der Elsässer Nr. 92 vom 20. Niveau, das bis dahin im Straßburger Feuilleton April 1899; Nr. 93 vom 21. April 1899. – Scheuermann, Das nicht erreicht worden war7. Von 1903 bis 1904 St. Odilien-Kloster. Antiquitäten-Zeitung 7, 1899, Nr. 45 vom gab er zusammen mit dem Heimatmaler Henri 8. November, 353 f. 4 Loux (1875-1907) „Neue Elsässer Bilderbogen“ „Im Sommer 1898 machte der Verfasser dieses (Artikels), den geologisches Interesse häufig nach Achenheim führte, heraus, in denen sowohl elsässisches Brauch- den hiesigen Alterthumsforscher Dr. Forrer auf die dortigen tum als auch alte Sagen, über die er schon seit Scherbenfunde aufmerksam“: W. Scheuermann, Archäologi- längerem forschte, künstlerisch anspruchsvoll sche Funde in Achenheim. Antiquitäten-Zeitung 7, 1899, Nr. 23 vom 7. Juni, 177 f. – R. Forrer, Bauernfarmen der Steinzeit illustriert als Kunstdrucke wieder ins öffentliche von Achenheim und Stützheim im Elsass (Straßburg 1903) Bewußtsein gerückt wurden. Als Scheuermann 5. dann 1905 von der „Deutschen Tageszeitung“ 5 W. Scheuermann, Vorläufiger Bericht über die bisher am als Kulturredakteur in die Reichshauptstadt ab- Koepfel geführten Ausgrabungen („nur für Herrn Prof. Hen- ning“), ca. 1899, 18 Bl., davon 3 Bl. Skizzen (Übersichtsplan, geworben wurde, kam seine Sammlung bald dar- Grundriß des Kastells, Plan des Steinbruchfelsens). Musée auf ebenfalls nach Berlin und wurde dort konti- Archéologique de Strasbourg, Katalog Inv.-Nr. 28000-28599 nuierlich durch Ankäufe oder Tausch erweitert. s. v. Inv.-Nr. 28026 (dort eingeklebt). 6 Auch während der Berliner Jahre veröffentlichte Zum Beispiel W. Scheuermann, Die verschiedenen Arten des Aufstieges. I. Geologie, Flora und Fauna am Odilienber- Scheuermann von Zeit zu Zeit Beiträge zur Kul- ge. II. Die Städte und Dörfer am Odilienberg. III. Die Schlös- turgeschichte des Elsaß, unter denen eine Biogra- ser und Burgruinen. IV. Die Ruinen alter Klöster und Kapel- phie (1937) über das Leben und Schaffen des elsäs- len. In: R. Forrer, Der Odilienberg. Seine vorgeschichtlichen Denkmäler und mittelalterlichen Baureste, seine Geschichte sischen Sozialreformers Johann Friedrich Oberlin und Legenden (Straßburg 1899) 1-29. – Vgl. auch Forrer a. O. (1740-1826) erwähnenswert ist. Im Oktober 1940 Vorw. IV: „W. Scheuermann, der die Freundlichkeit hatte, gelang dem inzwischen Einundsechzigjährigen, den Aufstieg und die ersten vier Kapitel zu übernehmen“, der zuletzt als „Obstbauer“ in Freienbrink vor sowie Th. Seltz: „An literarischen Mitarbeitern haben zum Werden des Buches beigetragen: Herr Klosterdirektor Abbé den Toren Berlins tätig war, schließlich die lang Caspar durch zahlreiche Mitteilungen und Ergänzungen, ersehnte Rückkehr nach Straßburg, das man 21 und Herr stud. re. nat. W. Scheuermann, der die ersten fünf Jahre nach den Versailler Verträgen wieder unter (sic!) Kapitel des Buches geschrieben hat.“ Der Elsässer Nr. 156 vom 6. Juli 1899 s. v. Der Büchertisch. deutsche Zivilverwaltung gestellt hatte. Zunächst 7 Vgl. z. B. W. Scheuermann, Der Straßburger Kunstsalon als freier Mitarbeiter in der Kulturredaktion der 1901 I.-IV. Der Elsässer Nr. 204 vom 26. Juni 1901, 2; Nr. 205 „Straßburger Neuesten Nachrichten“ tätig, er- vom 26. Juni 1901, 2; Nr. 206 vom 28. Juni 1901, 2; Nr. 209 hielt er 1941 eine Anstellung im Stadtarchiv, wo vom 29. Juni 1901, 1. 8 er auf eigene Initiative eine „Zeitgeschichtliche Schriftverkehr zum Erwerb des Oberlin-Archivs. Stadtarchiv Straßburg (Anm. 1), 22 Z 5. Der Verf. dankt dem Konservator Abteilung“ aufbaute, was damals noch recht mo- François Schwicker für die freundliche Unterstützung bei dern war. Die Stadt Straßburg hat Scheuermann der Sichtung der Akten. Der Hund bei Epona 139 erwerben, doch hielt Scheuermann an dem Plan Verfügung, sie geschlossen nach meinem Tode dem Straß- fest, sie der Stadt Straßburg zu stiften9. 1944 wur- burger Museum anzubieten, war lediglich 1919 als einge- schränktes Codizill beigefügt worden, da diese Bestimmung de seine archäologische Sammlung in der Lokal- erst wieder gültig sei, wenn Straßburg zum Reiche zurück- presse den Straßburgern bekannt gemacht10. Der gekehrt sei. Da diese Sammlung mit ihren Hunderten von geplante Transport der bereits verpackten Stücke stein-, bronze-, früheisenzeitlichen und Völkerwanderungs- Fundstücken ganz überwiegend aus dem Elsaß stammt, so von Scheuermanns Landgut in Freienbrink bei würde ich es, auch wenn ich nicht Elsässer wäre, für unver- Berlin nach Straßburg kam aber kriegsbedingt antwortlich halten, diese nie wieder zu beschaffende Fun- nicht mehr zustande. Schließlich besiegelten die de ihrem Ursprungslande zu entziehen, und nach den jetzt bald nach der Besetzung von Straßburg am 23. geltenden heimatkundlichen Grundsätzen werden wohl auch Sie, hoch verehrter Herr Professor, dieser Auffassung November 1944 durch General Philippe-Marie beistimmen, obwohl Sie Leiter eines Zentralmuseums sind.“ Leclerc (1902-1947) unter dem neuen Stadtkom- Schreiben (maschinenschr. Durchschlag) W. Scheuermann/ mandanten General Jacques Schwartz folgende Straßburg an Prof. Dr. Unverzagt/Staatliches Museum für 11 Vor- und Frühgeschichte Berlin, 24. Juni 1941. Stadtarchiv Entlassung aus dem städtischen Dienst , die aus Straßburg (Anm. 1), 22 Z 5; 2; maschinenschr. Durchschlag der Auflösung der deutschen Zivilverwaltung re- (mit Unterschrift), 90 W 464. sultierte, und die kurz danach verhängte Inter- 10 Anonymer Verfasser, Wilhelm Scheuermann 65 Jahre alt. nierung sowohl sein Schicksal (†