Politik

„Manch Liberaler würde sich nie mit einem Linken zusammensetzen“

Politisch sind die beiden selten einer Meinung – trotzdem sind DIETMAR BARTSCH (Die Linke) und JÜRGEN KOPPELIN (FDP) seit Jahren befreundet. Mit p&k sprachen sie über Reinhard Mey, das Rupfen von Ministern und warum sie gemeinsam so gut lästern können.

einer gemeinsamen Delegationsreise nach Koppelin: War das nicht, als mich die Lin- Koppelin: … und für Entwicklung und wirt- Meistens bin ich deshalb vorsichtig, was ich mit einem Linken zusammensetzen, INTERVIEW: SANDRA SCHMID UND NICOLE ALEXANDER China zu erzählen. Koppelin ergänzt. Auf ken erschießen wollten … schaftliche Zusammenarbeit. sage – aber mit Jürgen Koppelin geht das. habe ich den Eindruck. Fragen warten die beiden nicht. Die Stich- Bartsch: … und ich Dich gerettet habe? Bartsch: Genau, den Niebel-Etat. Da haben Koppelin: Wenn ich zum Beispiel mit ein Dietmar Bartsch, 55, steht zuerst in der worte liefern sie sich meist selbst. Der Zeit- (lacht laut) wir einen sehr guten Draht zueinander. paar FDP-Freunden unten im Keller der Plötzlich eine Lautsprecherdurchsage: Tür. Hoch aufgeschossen, fast ein wenig druck? Offenbar vergessen. Nach einer Mi- Koppelin: Du hast meine Begnadigung un- Was verbindet Sie noch? Sie kommen Parlamentarischen Gesellschaft zusam- „Die Mitglieder der Fraktion werden gebe- schlaksig. Dann kommt Jürgen Koppelin, nute das erste dröhnende Lachen. terschrieben! (lacht auch) beide aus Norddeutschland … mensitze und du kommst vorbei … ten, die Plätze im Plenum zu verstärken.“ 67: Groß auch er, kräftig, volles weißes Bartsch: Nein, im Ernst, so eine Freund- Koppelin: Wir haben einfach die gleiche Bartsch: … dann sag ich so etwas wie: ‚Aha, Die beiden scheinen die Aufforderung gar Haar. Zusammen rutschen sie auf das Sofa Herr Koppelin, Herr Bartsch – wie schaft entwickelt sich mit der Zeit. Wir Mentalität, den gleichen Humor. So eine die Blockfreunde haben wieder den gan- nicht zu hören, reden angeregt weiter. in Koppelins Büro. Bartsch hat es eilig: Wie haben Sie sich eigentlich besser ken- sind ja beide im Haushaltsausschuss und Art englischen Humor. zen Tisch okkupiert‘. Jürgen kann dann lange dauert das, worüber sprechen wir? nengelernt? Gab es ein bestimmtes Mitberichterstatter für den Etat des Bun- Bartsch: Manchmal tut dieser ein bisschen lachen, manch andere gucken … Was mögen Sie an Herrn Bartsch, Herr

Ach so, Freundschaft. Bartsch beginnt von Ereignis? despräsidenten … Foto: www.baumannstephan.com weh. Man darf nicht zu dünn besaitet sein. Koppelin: … stinkig. Die würden sich nie Koppelin?

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Dietmar Bartsch wuchs in der DDR auf, studierte Wirtschafts- wissenschaften und wurde 1990 in Moskau Positionen vertritt, die in der Fraktion litbüro in Havanna gleich die richtigen dass sie sich mit Kollegen aus ande- promoviert. Die Polit-Karriere des 55-Jähri- nicht mehrheitsfähig sind. Da hilft es, Leute getroffen. (lacht) ren Fraktionen gut verstehen? gen begann 1989 in der PDS, zunächst als wenn man sich auf die Schulter klopft Koppelin: Als vor Kurzem sei- Schatzmeister, später als Bundesgeschäfts- und sagt: ‚Die wissen nicht, was sie tun.‘ Wieder eine Lautsprecherdurchsage: „Es nen 65. Geburtstag gefeiert hat, bin ich führer und Wahlkampfleiter. Nach der Wahl- Herr Koppelin, wie haben Sie den folgt noch einmal ein Rundruf aus dem natürlich hin. Das war für mich selbstver- schlappe 2002 zog er sich aus der Politik Parteitag 2012 erlebt, als Herr Bartsch Fraktionsbüro. Die Mitglieder der Frak- ständlich. Aber von den anderen Parteien zurück, drei Jahre später wurde er Bundes- vergeblich als Parteivorsitzender der tion werden dringend gebeten, die Plätze geschäftsführer der Linken. 2012 unterlag war niemand da. Linkspartei kandidiert hat? im Plenum zu verstärken.“ der stellvertretende Fraktionsvorsitzende in Bartsch: Von den Sozialdemokraten kam Koppelin: Es kommt ja eher selten vor, dass einer Kampfkandidatur um den Parteivorsitz. sehr spät jemand, als die Medien weg ich Parteitage der Linken verfolge, aber Bartsch: Bei mir ist die Lautsprecheranlage waren. Das ist unsouverän. Ich finde es dieser hat mich interessiert. Ich habe leider kaputt gegangen. (grinst) schrecklich, wenn auch das Persönliche extra im Internet geguckt, wie die Ab- Gehen Sie denn ab und zu gemeinsam die Solidarität und Die Linke nicht die streng nach Parteien getrennt ist. Man- stimmung gelaufen ist – und sehr bedau- ein Bier trinken? Freiheit. Beides geht aber letztlich nur che erwarten das vielleicht. Aber dann ert, dass er nicht gewählt wurde. Ein Feh- Bartsch: Also, wenn man im Haushalts- zusammen. Die Differenzen beginnen müssen wir eben zeigen, dass die poli- ler, wie ich finde. Die Linke hätte profi- ausschuss heftige Auseinandersetzungen bei viel irdischeren Problemen. Zum Bei- tische Auseinandersetzung nicht aus- tiert, wenn er Vorsitzender geworden hatte, dann gehört es dazu, hinterher ein spiel der Frage des Spitzensteuersatzes…. schließt, dass man ansonsten normal wäre. Bier trinken zu gehen. Ist eigentlich bekannt, dass Sie so gut miteinander umgeht. Koppelin: Er ist nicht so verbissen wie ei- „ Wir haben die gleiche Bartsch: Als meine Partei 2002 an der Koppelin: Und dann lästern wir ein biss- miteinander können? Der Haushaltsausschuss, dem Sie nige in seiner Partei. Der andere ist kein Mentalität, den gleichen Fünf-Prozent-Hürde gescheitert ist und chen. Das kann ich mit ihm gut, denn ich Koppelin: Nein, wir laufen ja nicht Re- beide angehören, ist als Hüter des Gegner für ihn, er versucht ihm seinen nicht mehr als Fraktion in den weiß, dass er nichts weitertragen würde. klame. Budgetrechts des Parlaments wohl Standpunkt auch mit Witz nahezubrin- Humor. Eine Art englischen einziehen konnte, brachte das für mich Bartsch: Wir können uns durchaus auch Ist das hier dann eine Art Outing? der mächtigste Ausschuss im Bundes- gen. Ich höre ihm gern zu. Er kommt Humor“ Jürgen Koppelin den völligen Neustart: Ich war nicht mehr Kritisches über Kollegen in der eigenen Bartsch: Die, die mich nicht leiden kön- tag. Kann es sein, dass sich hier über- zwar aus einer anderen politischen Rich- Bundestagsabgeordneter, nicht mehr Fraktion erzählen, ohne dass es hinterher nen, werden sagen: ‚Hab ich es doch ge- parteiliche Freundschaften leichter tung, aber ich verstehe ihn. Außerdem ist Bundesgeschäftsführer, nicht mehr Wahl- im „Spiegel“ steht. wusst. Eigentlich müsste er in der FDP entwickeln, weil man gemeinsam die Dietmar immer für Überraschungen gut. Koppelin: (lachend) Ich bin neben Wolf- kampfleiter – ich war nur noch einfaches Freundschaft setzt ja eine Geistesver- sein.‘ Das stört mich aber nicht, spricht Begehrlichkeiten der Regierung ab- Letztens habe ich ihm erzählt, dass ich gang Kubicki der zweite „Quartalsirre“? Mitglied. In dieser Situation bekam ich wandtschaft voraus. Geht das denn, nicht für diejenigen. wehren muss? mich mit dem Kulturstaatsminister zu- Bartsch: Das sagen andere. damals von Jürgen einen handgeschrie- wenn man politisch solch unter- Koppelin: Es gab schon Leute aus meiner Bartsch: Abwehren, darum geht es nicht. sammensetze, und ihn gefragt, ob in sei- Koppelin: Stimmt. benen Brief. Das hat mich beeindruckt. schiedliche Positionen vertritt wie Fraktion, die gesagt haben: ‚Wie kannst Wir entscheiden! nem Wahlkreis ein Denkmal zu restau- Bartsch: Mein Landesverband, Die Linke Herr Bartsch, wie finden Sie eigent- Sie? du nur mit so einem Linken …‘ Koppelin: Und das Kabinett sitzt draußen rieren sei. Ich dachte, jetzt lässt er be- in Mecklenburg-Vorpommern, wird auch lich Reinhard Mey? Koppelin: Ich sehe es so: Dietmar engagiert Haben andere Abgeordnete mehr und muss warten. stimmt das Haus der Deutsch-Sowjeti- von dem einen oder anderen kritisch ge- Bartsch: (stutzt) Ich weiß nicht, Jürgen, sich für Menschen, die auf der Schatten- Probleme als Sie, öffentlich zu zeigen, Aber es könnte ja sein, dass die FDP schen Freundschaft renovieren, aber nix sehen. Außerdem haben wir beide schon den kennst du besser als ich. seite stehen, für Gerechtigkeit. Wenn Li- die eigenen Minister schont. Aller- da, er hat mir eine Kapelle vorgeschla- mit den Parteifreunden heftige Kontro- Koppelin: Ja, das ist ein Freund von mir. berale ihre Aufgabe ernstnehmen, dann dings: Mit haben Sie das gen! versen gehabt. Er hat ein Lied über die Freundschaft müssen sie das genauso tun. bei den letzten Haushaltsberatungen Und umgekehrt, Herr Bartsch, was Stärken Sie sich in solchen Situatio- geschrieben. Darin heißt es: ‚Habt Sie könnten also auch in der gleichen „ Ich finde es schrecklich, nicht gemacht. mögen Sie an Herrn Koppelin? nen gegenseitig den Rücken? Dank für , die ich mit euch Partei sein? wenn auch das Persönliche Bartsch: Es sind schon andere Minister ge- Bartsch: Mich hat beeindruckt, dass sich Bartsch: Ich erinnere mich an eine Situa- verplaudert hab, und für eure Ge- Bartsch: Das nun nicht gerade. Es gibt aber rupft worden. Das gab es zu allen Zeiten. Jürgen als Mitglied der Koalition nicht tion nach der Bundestagswahl 2009: Jür- duld, wenn’s mehr als eine Meinung Werte, die uns verbinden, Solidarität und nach Parteien getrennt ist“ Koppelin: Gestern erst habe ich wieder anders verhält als in der Opposition. Da gen war als Parlamentarischer Geschäfts- gab, dafür, dass ihr nie fragt, wann ich Freiheit. Natürlich betont die FDP nicht Dietmar Bartsch einen gerupft! Ich habe den Staatssek- habe ich bei anderen schon 180-Grad- führer nicht bestätigt worden. Da habe komm oder geh, für die stets offene retär des Bundespresseamtes herzitiert. Wendungen erlebt: Erst kämpfen sie für ich zu ihm gesagt: ‚Menschenskinder, Tür, in der ich jetzt steh.‘ Bedauerlicherweise musste er auch noch die Rechte der Abgeordneten und der Op- denen ist wohl der Erfolg zu Kopf gestie- Koppelin: Das ist aus dem Lied „Gute draußen warten. position – aber an dem Tag, an dem ihre gen!‘ Es gibt eben manche in der FDP, Nacht, Freunde“. Wie lange? Fraktion die Regierung stellt, hat sich das denen nicht passt, dass Jürgen auch mal Ist Ihre Freundschaft auch so? Koppelin: Eine Stunde. Und eine Stunde erledigt. Da ist Jürgen anders. Außer- Bartsch: Nein, man muss es nicht über- kann sehr lang sein, wenn man viele Ter- dem gefällt mir, dass er zu seiner Position treiben. Wir fahren ja nicht zusammen in mine hat. steht. Vielen ist die Parteiräson wichtiger Jürgen Koppelin den Urlaub. Bartsch: Es hat schon Ministerinnen ge- ist als das Mandat. Ihm nicht. Natürlich Koppelin: Im Vordergrund steht bei uns geben, die vier oder fünf Stunden warten verteidigt er diese Regierung – völlig zu war Zeitsoldat, Referent eines MdB, Promo- die Wertschätzung. mussten … tionmanager für Schlagerstars und Mode- Unrecht, wie ich finde. (grinst) Aber reden Sie auch über Privates? Koppelin: Und dann haben wir sie nach rator einer NDR-Musikshow: Der 67-Jährige Koppelin: (gespielt ernst) Das weise ich Koppelin: Wenn man auf Delegations- Hause geschickt. Das sind erzieherische blickt auf eine bewegte berufliche Vergan- ohne Begründung zurück. reise ist, dann erzählt man sich schon das Maßnahmen. genheit zurück. Mit 17 kam er zur FDP, war Bartsch: Aber er ist dennoch eigenständig. eine oder andere über die Familie. Kürz- Bartsch: Vor allem ist es die Gesetzes- viele Jahre lang im Bundesvorstand. Seit Klar, dass er in der Debatte den politischen lich waren wir in Kuba, allerdings ohne lage: Das Parlament entscheidet! Das Fal- 1990 sitzt er im Bundestag, war dort Parla- Gegner angreift, das mache ich auch. Au- Dietmar. scheste, was man als Minister tun kann, mentarischer Geschäftsführer und stellver- ßerhalb des Plenums ist Jürgen aber einer, tretender Vorsitzender der FDP-Fraktion. Zur Bartsch: Mein Vater wurde 80. Deshalb ist, sich mit den Haushältern anzulegen. der auf Argumente eingeht. Und: Er kommt Wahl im Herbst tritt der Ehrenvorsitzende konnte ich leider nicht mitfahren. Das kann böse Auswirkungen haben. aus einem besonderen Landesverband, der der FDP in Schleswig-Holstein nicht mehr an. Koppelin: Schade eigentlich, wärst du Koppelin: Und sei es nur, dass man nachts

FDP Schleswig-Holsteins! dabei gewesen, dann hätte ich im Po- Fotos: www.baumannstephan.com um zwei im Ausschuss erscheinen muss.

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Erneute Unterbrechung, Lautsprecher- Als „Mehrebenenbeziehung“ ihren informellen Treffen beim Ita- durchsage: „Es folgt der dritte Rundruf bezeichnet Friedhelm Wollner, der liener die eigenen Leute schockie- aus dem Fraktionsbüro. Wir brauchen Vereint gegen die Regierung die beiden bei den wöchentlich ren konnte. dringend Verstärkung im Plenum. Die Politische Gegner können auch privat nicht miteinander? stattfindenden Koalitionsfrühstü- Dennoch: Die Gefahr, im stres- FDP-Fraktion ist schlecht besetzt!“ Stimmt gar nicht. Es gibt eine Menge Freundschaften über cken erlebt hat, die Freundschaft „Mehrebenenbeziehung“: Peter Struck (SPD) und sigen Berliner Politikbetrieb reflex- zwischen den Fraktionsvorsitzen- (CDU) haft in den Freund-Feind-Modus Bartsch: (lachend) Das ist ja ein Ding. Viel- Fraktionsgrenzen hinweg. Doch wie entstehen sie? den von SPD und CDU. „Sie haben zu schalten, ist groß. Denn der me- leicht sollten die mal was zur Linken sagen, sich tatsächlich gut verstanden, das war kreis, in dem in jeder Sitzungswoche frei- diale Konkurrenzdruck ist hoch. „Damit die ist vielleicht auch dünn besetzt! zung und gegenseitigem Vertrauen be- nicht nur Inszenierung“, so der ehemalige tags Abgeordnete aller Fraktionen zu- haben sich die Aussichten für verlässliche VON NICOLE ALEXANDER In vier Monaten ist Bundestagswahl. ruhen. Zugleich sind es Beziehungen, Leiter der SPD-Bundestagsfraktion. „Sie sammenkommen. Freundschaften sowohl innerhalb der ei- Herr Koppelin, Sie treten nicht mehr or einigen Wochen im Bundestag: „in denen sich ein kompliziertes Span- wussten, dass ihr Wort beim anderen gilt, Als einen „bewussten Raum der Ge- genen Fraktion als auch über die Frakti- an. Sind Sie froh, dass Sie nicht mehr Gespräch mit Jürgen Koppelin, die nungsgemisch aus Nähe und Distanz, dass sie sich aufeinander verlassen kön- borgenheit“, erlebt Patrick Meinhardt onsgrenzen hinaus deutlich verschlech- Wahlkampf machen müssen? VRede kommt auf Freundschaften persönlicher Verbundenheit und politi- nen.“ Zugleich hätten sie aber nach außen diese Treffen mit Kollegen, denen der tert“, so Leuschner. Eine Entwicklung, Koppelin: Ich mache Wahlkampf, volles in der Politik. Der frühere parlamentari- schen Interessen findet.“ bewusst demonstriert, wie gut sie mitein- Glaube ähnlich wichtig ist wie ihm. „Hier die Lobbyisten neue Chancen eröffnet. Programm! Geht gar nicht anders. sche Geschäftsführer der FDP-Fraktion ander können. „Damit haben sie deutlich kann man sich sowohl politisch als auch Denn Abgeordnete, die die Beziehungen Und Sie, Herr Bartsch, als ehemali- nennt , Philipp Rös- gemacht: Die Fraktionen sind ein in sich persönlich über die Fraktionsgrenzen hin- zu ihren Kollegen als nicht mehr verläss- ger Wahlkampfleiter: Freuen Sie sich ler. Ob er auch mit Kollegen aus anderen geschlossenes Kraftzentrum, an dem die weg sehr offen und vertrauensvoll austau- lich erlebten, würden sich eher dem Rat schon auf die kommenden Monate? Fraktionen befreundet sei? Ja, Dietmar Regierung nicht vorbeikommt.“ schen“, sagt der bildungspolitische Spre- und den Annäherungen von Interessen- Bartsch: Ich bin auch diesmal in die strate- Bartsch sei ein Freund. Wie bitte? Das cher der FDP-Fraktion. Und fügt hinzu, gruppen öffnen. gischen Planungen innerhalb meiner Par- temperamentvolle FDP-Urgestein aus An der Parlamentsfront dass in den sieben Jahren, die er dabei ist, Gleichzeitig habe aufgrund des medi- tei eingebunden. Aus meiner Sicht ist die Schleswig-Holstein und der kühle Stra- „nie auch nur ein einziges Wort aus die- alen Drucks die Notwendigkeit für Poli- Wahlkampfzeit doch die spannendste. tege der Linkspartei aus dem Osten sind Parlamentarische Geschlossenheit zu de- sem Kreis nach außen gedrungen ist“. tiker, sich informell abzustimmen, deut- Wie lautet Ihr Tipp – wie werden FDP befreundet? Das mochten wir kaum monstrieren gegenüber den Begehrlich- Auch die derzeit 54 Parlamentarier- lich zugenommen. Informationen wür- und Linke abschneiden? glauben und daher haben wir die beiden keiten einer manchmal zu forsch auftre- gruppen (PG), die Kontakte zu anderen den oft viel zu früh an die Öffentlich- Koppelin: Die FDP wird ein besseres Er- gebeten, uns von ihrer Freundschaft zu tenden Regierung – das verbindet auch Volksvertretungen pflegen, bieten laut keit gelangen, daher seien Politiker mehr gebnis einfahren, als die Leute denken. erzählen (siehe Seite 18 bis 22). Reden gern über Politik und Fußball: die Mitglieder des Haushaltsausschusses Meinhardt eine hervorragende Möglich- denn je auf Vertrauensräume angewie- Doch wie ungewöhnlich ist eine sol- Günther Beckstein und über alle Fraktionsgrenzen hinweg. Die keit, über die Fraktionsgrenzen hinweg sen. „Freundschaften zwischen Abgeord- che Freundschaft eigentlich? Ist sie die „Haushälter“ sind die Hüter der Staats- freundschaftliche Kontakte zu knüpfen. „ Manche haben gesagt: Wie große Ausnahme im von Parteienstreit Solche Freundschaften entwickeln ausgaben, ohne ihre Einwilligung darf die Denn anders als in den Fachausschüssen, kannst Du nur mit so einem und Freund-Feind-Denken geprägten sich oft aufgrund gemeinsamer fachpo- Regierung keinen Cent ausgeben. in denen die Positionen der einzelnen Politikbetrieb? Nein, sagt der Soziologe litischer Vorlieben, erzählt Leuschner: Und das lassen sie deren Mitglieder Fraktionen knallhart aufeinanderprallen, Linken“ Jürgen Koppelin Vincenz Leuschner, der 2011 seine Dok- „Man mag sich, hat eine ähnliche Art, auch gern mal spüren. Darauf, dass die fänden sich in den PG Parlamentarier torarbeit über politische Freundschaften Politik zu machen, hat Verlässlichkeit Haushälter der eigenen Partei die Wün- zusammen, die jenseits aller politischen Die Koalition wird weiter bestehen. geschrieben und dafür viele Gespräche im politischen Betrieb erfahren.“ Dass sche schon absegnen werden, sollte sich Differenzen das gemeinsame Interesse Bartsch: Das sehe ich anders. Die FDP mit Bundestagsabgeordneten geführt über dieses fraktionsübergreifende Be- kein Minister verlassen. Es ist wohl kein für ein Land oder eine Region eine. wird zwar im nächsten Bundestag vertre- hat. Leuschner zufolge gibt es im Par- ziehungsgeflecht so wenig bekannt ist, Zufall, dass die Freundschaft zwischen So habe er als Vorsitzender der Par- ten sein. Aber für Schwarz-Gelb reicht es lament viel mehr freundschaftliche Be- liegt auch daran, dass eine Freundschaft Koppelin und Bartsch im Hauhaltsaus- lamentariergruppe Ostafrika einen sehr nicht. ziehungen bis ins gegnerische Lager hi- in der Regel nicht offensiv nach außen schuss ihren Anfang nahm. guten Draht in alle anderen Fraktionen, Und Die Linke? nein, als selbst Insider der Berliner Polit- getragen wird. Oder, in Koppelins Wor- Doch nicht nur an der parlamenta- erzählt der 46-Jährige – und fügt dann Koppelin: Die holt 7 oder 8 Prozent. Szene es sich träumen lassen. ten: Man läuft damit nicht Reklame. rischen „Front“ im Kampf gegen unan- hinzu, dass er sich insbesondere mit sei- Bartsch: Wir laufen vor der FDP ein. Wenn sie aber doch einmal öffentlich gemessene Forderungen und selbstherr- ner Stellvertreterin aus der Linksfraktion Nach der Wahl trennen sich Ihre Wege. Nicht ganz unkompliziert (gemacht) wird, sorgt das fast immer für liches Auftreten der Regierung bilden Sabine Zimmermann sehr gut verstehe. Nachts um vier beim Du: (Die Werden Sie sich vermissen? Aufsehen. „Da besteht ein Vertrauens- sich Freundschaften quer durch alle po- Meinhardts kurzes Zögern, bevor Linke) und Rainer Brüderle (FDP) Koppelin: Ich werde noch oft in sein. Und: Freundschaften entstehen sogar verhältnis“, erklärten Grünen-Chefin litischen Lager. Naturgemäß friedlicher er Zimmermanns Namen nennt, ist be- Da trinken wir sicher ein Bier zusammen. eher zwischen Abgeordneten verschie- Claudia Roth und CSU-Hardliner Gün- ist die Situation beim Gebetsfrühstücks- zeichnend. Gerade zwischen Linken und neten, sei es innerhalb der eigenen Frak- Bartsch: Natürlich wird mir Jürgen dann dener Fraktionen als zwischen solchen ther Beckstein Ende vergangenen Jahres den anderen Fraktionen gibt es auf bei- tion oder darüber hinaus, werden deshalb erklären, wie schlecht wir das alles im derselben Partei. „Innerhalb der eige- im SZ-Magazin. „Nachts um vier waren den Seiten ideologische Vorbehalte. Nicht immer wichtiger“, meint Leuschner. Bundestag machen und dass früher alles nen Fraktion eine Freundschaft zu etab- wir beim Du“, erzählten wenig später jedem mag es opportun erscheinen, sich Dass alle vier Jahre Wahlen stattfin- besser war. Auf den Vortrag freue ich lieren, ist viel schwieriger als außerhalb“, Linken-Rebell Oskar Lafontaine und öffentlich dazu zu „bekennen“, dass er den, macht die Sache nicht einfacher: mich jetzt schon! so Leuschner, „weil es fraktionsintern FDP-Veteran Rainer Brüderle der „Zeit“. gute freundschaftliche Beziehungen zu Sie bringen es mit sich, dass manch Kol- ein starkes Konkurrenzverhältnis gibt.“ Bekannt war auch die Freundschaft, den Linken pflegt – und umgekehrt. lege, dem man vertraut, den Bundes- Eine gute Stunde ist verplaudert, auf Jür- Klar, wirklich enge Freundschaf- die Volker Kauder und Peter Struck zu tag freiwillig oder unfreiwillig verlässt. gen Koppelin wartet sein nächster Termin. ten, wie man sie mit ganz wenigen Men- Zeiten der Großen Koalition verband Immer diese Wahlen! Auch Koppelin wird nicht mehr antre- Auch Dietmar Bartsch muss los und eilt schen in seinem Leben pflegt, sind das und die sie auch nach Strucks Abschied ten. Bartsch weiß, er hat dann einen ver- davon. Koppelin geht seelenruhig nach in den seltensten Fällen. Was Leuschner aus dem Bundestag pflegten. Auf der Insgesamt aber werden die Glaubens- lässlichen Freund weniger im Parlament. nebenan, man hört ihn fröhlich einen Be- unter den Begriff „politische Freund- Gedenkfeier für Struck hielt Kauder eine kriege zwischen den Parteien längst nicht Immerhin: Im Falle eines Wiedereinzugs sucher begrüßen und ahnt: Seine Frakti- schaften“ fasst, sind zumeist Beziehun- bewegende, sehr persönliche Rede und mehr so heftig ausgetragen wie in Bonn. der FDP in den Bundestag wird es noch

onskollegen im Plenum werden weiterhin gen, die über reine Kollegialität deutlich nannte den Sozialdemokraten einen Fotos: dpa/ Stefan Puchner; Marco Urban; dpa/ Karlheinz Schindler; Franz-Peter Tschauner dpa/lnw Mögen sich seit Pizza-Connection-Zeiten: Cem Vorbei die Zeit, in denen die Pizza-Con- andere Liberale geben, mit denen er sehr ohne ihn auskommen müssen.  hinausgehen, die auf echter Wertschät- „wirklich guten Freund“. Özdemir (Grüne) und Armin Laschet (CDU) nection aus Grünen und Schwarzen mit gut kann, unter anderem Dirk Niebel. 

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