Störche in Sachsen 1. sächsische Weißstorchtagung

Landesverband Sachsen e.V. Wölfe in Sachsen

Seite Inhalt

1 Vorwort Bernd Heinitz (Vorsitzender NABU Sachsen) 3 Grußwort Dr. Matthias Görbert (Leiter des Staatsbetriebes Sächsische Gestütsverwaltung) 5 Grußwort Frank Kupfer (Sächsischer Staatsminister für Umwelt und Landwirtschaft) 8 Störche im Winter – Ein Filmtagebuch Frank Koschewski (telekine fernsehproduktion) 11 Internationale Aspekte des Weißstorchschutzes Kai-Michael Thomsen (Michael-Otto-Institut im NABU, Bergenhusen) 25 Die aktuelle Situation der Weißstörche in Deutschland Dr. Michael Kaatz & Dr. Mechthild Kaatz (Vogelschutzwarte Storchenhof Loburg e. V.) 33 Das Sächsische Artenschutzprogramm für den Weißstorch Dr. Jan Schimkat (Leiter des NABU-Naturschutzinstitutes Dresden) 43 100 Jahre Weißstorcherfassung und Weißstorchschutz im ehemaligen Bezirk Günter Erdmann (Langjähriger Weißstorch-Betreuer im RB Leipzig) 52 Zur Populationsökologie sächsischer Weißstörche – eine Übersicht Dr. Joachim Ulbricht (Leiter Sächsische Vogelschutzwarte Neschwitz) 62 Eine konsequente Umkehr ist nötig Spontaner Kurzbeitrag zur 1. Sächsischen Weißstorchtagung Horst Köppler (Naturschutzhelfer / Artbetreuer Weißstorch im Altkreis Großenhain) 66 Neue Anforderungen an die Weißstorch-Kreisbetreuer in Sachsen Heike Panzner (NABU-Naturschutzinstitut Dresden) 68 Sächsische Weißstorchlebensräume und ihre Aufwertung als Nahrungshabitat Sabrina Lott (Koordinatorin des Artenschutzprogramms Weißstorch im NABU-Naturschutzinstitut Dresden) 74 Einführung in das Exkursionsgebiet: Die Weißstörche Moritzburgs und das Weißstorch-Nest an der Fasanerie Dr. Peter Hummitzsch & Uwe Stolzenburg (NABU-Naturschutzinstitut Dresden) 77 Tagungsimpressionen Vorwort

Vorwort

Bernd Heinitz

Sehr geehrter Herr Staatsminister, sehr dieser Maßnahmen sind seitdem von den geehrte Gäste und liebe Mitglieder des NABU-Instituten zusammen mit zahlrei­ NABU Sachsen! chen ehrenamtlichen Storchenbetreuern Ich begrüße Sie herzlich zur ersten säch­ praktisch umgesetzt worden. sischen Weißstorchtagung, veranstaltet vom NABU und dem Freistaat Sachsen, In der Zwischenzeit hat die Intensi­ hier vertreten durch die Biosphären­ vierung der Landwirtschaft weiter reservatsverwaltung Oberlausitzer Hei­ zu­genommen. Grenzertrags- und Still­ de- und Teichlandschaft. Was liegt näher, legungsflächen werden wieder in als sich im Jahr der Biodiversität und die Nutzung einbezogen, Maschinen des 20-jährigen Bestehens des NABU in werden größer, schwerer und schnel­ Sachsen für den Wappenvogel des NABU, ler, Fruchtfolgen weiter verengt. Mit den Weißstorch, besonders intensiv zu gravierenden Folgen für die Biodiver­ engagieren. Der Weißstorch wurde übri­ sität in der Agrarlandschaft. Bereits gens 1966 – per Zuteilung als “National­ jetzt sind zum Beispiel in Sachsens vogel” durch den Internationalen Rat für Agrarlandschaft 65 bis 76 Prozent der Of­ Vogelschutz (heute BirdLife Internatio­ fenlandarten gefährdet. Und „gefährdet“ nal) – unser Wappenvogel, zunächst des bezeichnet die höchste Gefährdungs­ Deutschen Bundes für Vogelschutz, aus stufe einer Artengruppe. Aber auch dem später der NABU hervorging. der trotz Haushalts- und Finanzkrise nahezu ungebremst fortgesetzte Stra­ Lange Zeit war der Weißstorch in vielen ßenbau und die damit einhergehende deutschen Dörfern zu Hause. Die Zerstö­ Landschaftszerschneidung und -versie­ rung seiner Lebensräume führte jedoch gelung fordern ihre Opfer. Deshalb sind zu einem dramatischen Rückgang, der Schutzmaßnahmen für Arten des agrari­ anhält, auch in Sachsen. Bereits Anfang schen Offenlandes dringend notwendig. der 1990er Jahre wurde deshalb in Sach­ Das macht eine intensivierte Fortsetzung sen ein Artenschutzprogramm für den des Artenschutzprogramms Weißstorch Weißstorch gestartet, für das vom NABU- alternativlos. Denn infolge der genann­ Naturschutzinstitut Dresden im Auftrag ten negativen Einflüsse ist die Lage des des Freistaates die wissenschaftlichen Weißstorchs in Sachsen nach wie vor kri­ Grundlagen und notwendige praktische tisch. Im Einzelnen wird darüber unsere Maßnahmen erarbeitet wurden. Viele Tagung informieren.

Bernd Heinitz | Vorsitzender NABU Sachsen 1 Störche in Sachsen

Chancen hat der Weißstorch allerdings nur, Weißstorch auch ausreichende finanzi­ wenn dem Bekenntnis unserer Landes­ elle Mittel und Flächen zur Verfügung regierung zum Schutz der biologischen gestellt werden, können all die Erkennt­ Vielfalt auch konkrete Maßnahmen folgen! nisse, die wir haben, dazu dienen, dass Nicht nur die Wirtschaft braucht Rettungs­ die sächsischen Weißstorch-Lebensräu­ schirme, sondern auch der Naturschutz, me effektiv aufgewertet werden und das heißt der Erhalt unserer natürlichen ein günstiger Erhaltungszustand der Lebensgrundlagen. Es ist an der Zeit, Population gewährleistet ist. Die zweite nicht immer nur auf die – begrenzten – Weißstorchtagung, die das Ministerium Selbstheilungskräfte der Natur zu hoffen, für Umwelt und Landwirtschaft und der sondern vielmehr auf die der Wirtschaft! NABU ins Auge gefasst haben, wird da­ Nur wenn für das Artenschutzprogramm rüber Rechenschaft ablegen.

Foto: Uwe Schroeder

2 Bernd Heinitz | Vorsitzender NABU Sachsen Grußwort des Staatsbetriebes Sächsische Gestütsverwaltung

Grußwort

Dr. Matthias Görbert

Sehr geehrter Herr Staatsminister, sehr Das heißt, es ist nie zu spät, ob es sich nun geehrter Herr Heinitz, sehr geehrter um Zuchthengste oder den Weißstorch Herr Schwarzhold, meine Damen und handelt. Es muss allerdings engagierte Herren, Menschen geben, die bereit sind und den wir freuen uns darüber, dass Sie heute in die Mut haben, zuzufassen und - auch gegen Gestütsverwaltung gekommen sind, in das den Zeitgeist – bestimmte Maßnahmen Landesgestüt nach Moritzburg. 1733 bis einzuleiten, um etwas Wertvolles am 1735 sind diese Stallungen gebaut worden, Leben zu erhalten oder neu wieder ent­ zusammen mit dem Schloss. Es handelt sich stehen zu lassen. Im Originalzuchtgebiet also um uralte Gemäuer, und der Freistaat Oldenburg / Ostfriesland zum Beispiel Sachsen hat sich 1992 zu seinem Alteigen­ ist die Rasse des Schweren Warmblutes tum bekannt, hat es zurückgenommen aus ausgestorben, aber in Sachsen und Thü­ der Verwaltung der Treuhand, und so ist in ringen lebt sie zu unserer großen Freude jahrelanger mühevoller Arbeit das wieder fort. Im Jahr 1988, unmittelbar vor der entstanden, was Sie sehen können. Dafür Wende, konnten wir sogar vierzehn Rap­ sind wir sehr dankbar. pen an die hauseigene Kavallerie der Natürlich ist nicht der Weißstorch unser britischen Königin liefern. Das war ein Wappentier, sondern ein Hengst. In die­ großer Erfolg und hat damals der ganzen sem Raum sehen Sie ein Gemälde von Zucht einen enormen Auftrieb gegeben. Lord, einem Rappen, der in den 1930er Und deshalb denke ich, dass es auch für Jahren nach Moritzburg gekommen ist den Weißstorch noch lange nicht zu spät und die Zucht der Schweren Warmblüter ist. Wir haben gute Erinnerungen an die mit begründet hat. Dass es diese Rasse 1970er Jahre, als zu den Hengstparaden noch gibt, diese Schweren Warmblüter, im September, wenn 15 000 Menschen das ist den Züchtern in Sachsen und Thü­ als Besucher am Platz saßen, die Störche ringen zu danken, die seit 1871 an diesen Pferden festgehalten haben, aber auch meiner Vorgängerin und Lehrerin, Frau Dr. Hertha Steiner, die das Landesgestüt von 1962 bis 1985 geleitet und damals unter anderem zehn Hengste behalten hat. Auf dieser Basis konnte die Zucht nach 1975 wieder aufgenommen werden. Landgestüt Moritzburg Foto: Ina Ebert

Dr. Matthias Görbert | Leiter des Staatsbetriebes Sächsische Gestütsverwaltung 3 Störche in Sachsen

von Moritzburg – damals gab es einen einen Horst im Bereich des Fasanenschlöss­ Horst ganz in der Nähe – mit den flüggen chens gibt, wo nach wie vor jedes Jahr ein Jungstörchen losflogen und es sich nicht Storchenpaar brütet. Auch auf meinen nehmen ließen, über diesen Paradeplatz abendlichen Radtouren empfinde ich es hinweg zu schweben. 15 000 Menschen immer als sehr schön, wenn mit dem Früh­ schauten begeistert nach oben und lie­ jahr die Störche kommen. Diese Freude ßen die Pferde kurze Zeit Pferde sein. an den Störchen und einer intakten Natur Heute früh haben wir uns noch einmal möge uns auch in der Zukunft erhalten darüber unterhalten und uns an diese Zeit bleiben. In diesem Sinne wünsche ich Ih­ erinnert. Es freut uns, dass es in Moritzburg nen eine erfolgreiche Tagung.

Landgestüt Moritzburg Foto: Ina Ebert

4 Dr. Matthias Görbert | Leiter des Staatsbetriebes Sächsische Gestütsverwaltung Grußwort des SMUL

Grußwort

Frank Kupfer

Sehr geehrter Herr Heinitz, sehr geehrte niger junge Störche verlassen die Horste, Damen und Herren, sodass die Bestände in den letzten Jahren ich freue mich darüber, dass ich heute bei zurückgegangen sind. Diesen Trend wol­ Ihnen zu Gast sein darf. len wir stoppen. Ich möchte zu Beginn die Gelegenheit nut­ zen, Ihnen zu gratulieren zu 20 Jahren NABU Als mich Herr Heinitz vor geraumer Zeit hier in Sachsen. Sie wissen, wir befinden um Unterstützung einer Sächsischen uns in einer schwierigen Zeit. Das Thema Weißstorchtagung bat, bedurfte es daher Finanzen ist ja schon angesprochen wor­ keiner großen Überredungskunst. den. Ich hatte in diesem Jahr die Aufgabe, 24,1 Millionen Euro für den Haushalt ein­ Auch mir sind die weiß-schwarz gefie­ zusparen. Das war sehr schwer. Wir haben derten Gesellen ans Herz gewachsen. Vielen wehtun, Vielen Mittel wegnehmen Der Weißstorch hat ja überhaupt ein müssen. Ich habe daher große Achtung vor positives Image – anders übrigens als Ihrer Entscheidung, die Jubiläumsfeier zum der Wolf. Dieser hat einen negativen 20-jährigen Bestehen des NABU Sachsen Ruf, unverdienterweise. Ich versichere abzusagen und das dafür gedachte Geld Ihnen, dass der Schutz des Wolfes für für Ihre Facharbeit einzusetzen. Dafür mei­ mich ebenso einen hohen Rang hat. Die nen Respekt und herzlichen Dank! auch Ihnen bekannten Diskussionen über den Wunsch der Jäger, den Wolf Meine Damen und Herren, unter den Schutz des Jagdrechtes zu Moritzburg wird von den meisten Be­ stellen, habe ich geführt, um die Jäger in suchern zuerst mit der Pferde- und unsere Bemühungen einzubinden. Der Fischzucht sowie dem Schloss in Ver­ Landesjagdverband ist ein anerkannter bindung gebracht. Dabei gibt es hier Naturschutzverband, und ich möchte, noch ganz andere Schätze zu heben. In dass die Jäger sich ebenfalls der Verant­ der breiten Öffentlichkeit ist zu wenig wortung für den Wolf stellen. Ich werde bekannt, dass die Moritzburger Kuppen­ an die Jäger in Bezug auf den Schutz des landschaft mit ihren zahlreichen Seen Wolfes Forderungen richten. Wenn sich auch Heimat vieler Weißstörche ist. zeigen sollte, dass die Jäger Verantwor­ tung wahrnehmen wollen, dann bin ich Leider macht sich Meister Adebar seit damit einverstanden, den Wolf ins Jagd­ 1996 rarer auf unseren Fluren. Immer we­ recht aufzunehmen. Andernfalls wird

Frank Kupfer | Sächsischer Staatsminister für Umwelt und Landwirtschaft 5 Störche in Sachsen

nichts passieren. Entschuldigen Sie, dass Der günstige Erhaltungszustand der ich jetzt die Weißstorchtagung auch für Weißstorchpopulation wird mit mehr den Wolf nutze, aber ich möchte klarma­ als zwei bis zweieinhalb ausfliegen­ chen: Ich stehe für den Artenschutz hier den Jungtieren pro Brut gewährleistet. im Freistaat Sachsen. Dafür brauchen die Störche bessere Nahrungsgrundlagen. Unser besonderes Mein Geschäftsbereich unterstützt na­ Augenmerk soll daher den Nahrungsha­ türlich auch diese erste Sächsische bitaten im Umkreis von zwei Kilometern Weißstorchtagung. Die Biosphärenreser­ um den Storchenhorst gelten. vatsverwaltung Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft hat die Weißstorchaus­ Wir planen, nach Auswertung der um­ stellung mitgebracht, die Sie hier sehen, fangreichen Daten, bis Ende dieses Jahres und finanziert auch die Tagung maßgeb­ einen Handlungskatalog zu erarbeiten. Er lich mit. soll für ausgewählte Horststandorte kon­ krete Maßnahmen dafür beinhalten, wie Herr Dr. Görbert stellt uns die Räum­ die Nahrungshabitate verbessert werden lichkeiten des Gestüts zur Verfügung, können. sodass wir uns hier – umgeben von ed­ len Vierbeinern – um das Wohl der rot Übrigens hat sich die Staatsregierung die bestrumpften Zweibeiner kümmern kön­ Aufgabe gestellt, bis zum Jahr 2020 den nen. Flächenverbrauch drastisch zu reduzie­ ren. Denn – Herr Heinitz hat das Problem Meine Damen und Herren, schon angesprochen – die zunehmen­ der Freistaat hatte bereits 1994 ein Arten­ de Versiegelung von Flächen ist auch schutzprogramm ins Leben gerufen. Im ein Grund dafür, dass der Weißstorch Rahmen dieses Programms konnten die sich nicht mehr so entwickelt, wie wir es ehrenamtlichen Betreuer Horste bauen alle gerne möchten. Wir haben hier im und pflegen und so die Storchenpopula­ Freistaat Sachsen im Augenblick einen tion über einen längeren Zeitraum mehr Flächenverbrauch von fünf Hektar pro oder weniger konstant halten. Tag. Unser Ziel ist es, diesen Verbrauch Zurzeit sind jedoch die Reprodukti­ auf unter zwei Hektar zu senken. Das ist onsraten zu gering, sodass wir das eine immense Aufgabe, die mittelbar Artenschutzprogramm vor allem auch Ihrem Anliegen dient. hinsichtlich biotopverbessernder Maß­ nahmen intensivieren müssen. Dabei Bei den Bemühungen um den Weißstorch werden wir vom Sächsischen Landtag dürfen wir uns auf umfangreiche Untersu­ tatkräftig unterstützt. chungen des NABU-Naturschutz­instituts

6 Frank Kupfer | Sächsischer Staatsminister für Umwelt und Landwirtschaft Störche in Sachsen

Dresden sowie eines gut organisierten Anerkennung. Bitte lassen Sie in Ihrem gewachsenen Horst- und Kreisbetreuer­ Engagement nicht nach! netzes der Storchenfreunde stützen. Sie haben mit Ihrer Arbeit dazu bei­ Die Kreisbetreuer erfassen in enger getragen, dass der Weißstorch eine persönlicher Zusammenarbeit mit den prominente Art ist, die stets ein positives Horstbetreuern in Objektlisten nicht nur Echo in der Öffentlichkeit hervorruft, an die Nahrungshabitate, den Horststand­ der viele Menschen via Internet Anteil ort und die Brutergebnisse mit diversen nehmen oder die mit und ohne blau ge­ Hinweisen zum Horstgeschehen, sie sind färbtes Gefieder tagelang die Spalten von auch Ansprechpartner für die Bürger und Zeitungen füllen. Naturschutzbehörden. Nicht nur für den Storch gehört Klap­ pern zum Geschäft. Je besser die Meine Damen und Herren, Öffentlichkeitsarbeit, umso besser ist die wir brauchen Sie auch weiterhin. Wir kön­ Unterstützung. Daher hoffen wir, auch nen auf Ihr ehrenamtliches Engagement mit der heutigen Veranstaltung gute Re­ nicht verzichten. Sie haben im Laufe der sonanz zu finden. Jahre ein fundiertes Fach- und Spezial­ wissen gesammelt. Lassen Sie uns auch über diese Tagung hinaus zusammen „klappern“ – für die In vielen Teilen Sachsens engagieren Sie Störche, für die von ihnen bevorzugten sich für den Schutz und die Pflege unseres Amphibien, Insekten und Mäuse, ja für Lebensraumes, und im „Windschatten“ die biologische Vielfalt in unserem schö­ des Storches profitieren indirekt weitere nen Sachsen. gefährdete Tier- und Pflanzenarten von den Schutzmaßnahmen für den Storch. Ich bin froh, in Ihnen, Herr Heinitz, und So leisten Sie einen wichtigen Beitrag für in Ihrem Verband Partner zu haben, die den Biotop- und Artenschutz in Sachsen sich mit Fachkenntnis und für die Sache weit über die Art Weißstorch hinaus. Sie kämpfend für unsere Natur einsetzen. Da­ tun dies unbezahlt und freiwillig – nach für herzlichen Dank. Möge es so bleiben der Arbeit, in der Freizeit, in der auch – auch in den nächsten 20 Jahren. Ich bin Familie und Freunde warten. Das ver­ für jede sachliche Unterstützung immer dient besonderen Dank und besondere dankbar.

Frank Kupfer | Sächsischer Staatsminister für Umwelt und Landwirtschaft 7 Störche in Sachsen

„Störche in Not? Weißstörche als Überwinterer“ Ein Film von Frank Koschewski

Frank Koschewski

Dass Weißstörche den Winter in Afrika Störche im Winter verbringen, weiß eigentlich jedes Kind. 4.März 2010: Der Winter lässt nicht locker. Nur drei Störche in Sachsen wussten das Sachsens Winterstörchen scheint das nichts offenbar nicht, sie blieben einfach hier. auszumachen; bereits im Oktober 2009 Haben sie den Abflug in den Winter ver­ wurden zwei von ihnen in den Flussauen passt? Suchten sie die Menschennähe? der Weißen Elster bei Leipzig immer wieder Oder hat ihr Hierbleiben etwas mit dem gesehen. Dann begann ein langer Winter… Klimawandel zu tun? Genau das wollten Frank Koschewski und In Hohenossig bei Leipzig kam ein weite­ sein Team wissen, als sie sich entschlos­ rer Überwinterer dazu. Ein Unberingter. sen, das außergewöhnliche Storchen­ Er war besonders „schlau“ und schloss verhalten mit der Filmkamera in Ton und sich der Familie Finsterbusch an. Sabine Bild festzuhalten. Den so entstandenen Finsterbusch erzählt: „Tja – der schlich Kurzfilm unter dem Titel „Störche in Not? ums Haus herum und suchte Nahrung auf Weißstörche als Überwinterer“ stellte der den Feldern. Dann kam die Kälte. Seitdem Filmemacher im Rahmen der 1. Weiß­ ist er bei uns.“ Und er bleibt sehr nah bei storchtagung des NABU Sachsen vor. „seinen“ Menschen. Sabine Finsterbusch „Während der winterlichen Dreharbeiten hilft dem Weißstorch; sie füttert ihn drei­ war uns wichtig, auch die Naturfreunde mal täglich mit Fischen, toten Kücken zu beobachten, die den Störchen das und Fleischstücken. Überwintern erleichtern“, so erzählte er, Die meiste Zeit verbringt der Storch seit „manchmal war es so kalt (bis -29 Grad Januar im Hauseingang der Familie. Nur Celsius), dass das Objektiv der Kamera zum Füttern oder wenn vermeintliche einfror… Auch nach der Winterzeit blie­ Feinde – wie das Kamerateam und die Be­ ben wir an den Störchen ‚dran‘ und erleb­ ringer – kommen, macht er Ausflüge „vor“ ten bis Ende August viel Spannendes und die Haustür. Neues aus dem Storchenalltag.“ Februar 2010: Die Elsterauenstörche Eine Vorstellung vom Alltag der Winter­ bleiben von Leipzigs Bewohnern nicht störche und von diesem Film sollen die unentdeckt. Sie sind inzwischen eine win­ folgenden Fotos und Aufzeichnungen terliche Attraktion. Auch bei ihnen wird vermitteln: zugefüttert. Für alle drei Störche bricht jetzt eine har­

8 Frank Koschewski | telekine fernsehproduktion Störche in Sachsen

Überwinterung in der Elsteraue Im geschützten Winterquartier

Zwei Überwinterer Sabine Finsterbusch und „ihr“ neues Haustier

Die Überwinterer immer im Blick Dreharbeiten zur Kika-Doku „Storch in Not“

Ausharren bei -23 Grad Celsius Bruterfolg

Spaziergang im Garten Flugversuche des Nachwuchses

Ein sicheres Storchenzuhause Winterfreuden

Frank Koschewski | telekine fernsehproduktion 9 Störche in Sachsen

te Zeit an. Viele Tage und Nächte schneit Storch einen Partner findet und irgendwo es. Die Temperaturen sinken auf minus 29 einen Horst baut. „Bitte bloß nicht auf dem Grad Celsius. Wintergarten...“, wünschen sie sich. Doch Noch ist Finsterbuschs Storch aktiv, das wird allein der Storch entscheiden. beobachtet seine Umgebung und Verän­ Momentan gefällt es ihm bei seinen derungen ganz genau. Dann kommt der Menschen sehr gut, obwohl er auf Selbst­ Tag der Beringung. Danach hat Sabine versorgung umsteigen musste. Finsterbusch alle Mühe, das Vertrauen ihres Schützlings wiederzugewinnen. Mitte April 2010: Endlich hat sich der Früh­ Mehrere Tage nimmt er von ihr keine Nah­ ling durchgesetzt, und die sächsischen rung an. Sie fürchtet: „Wenn der Storch Weißstörche zeigen Frühlingsgefühle; seine Angst nicht überwindet, wird er Zärtlichkeiten werden ausgetauscht, es den Winter nicht überleben.“ kommt zur Familiengründung. Wenn alles klappt, nicht zu viel Mais und Mitte März 2010: Noch immer liegt Raps auf den Feldern angebaut werden, Schnee. Nur allmählich taut es. haben die Störche nach 32 Tagen 1 bis 5 Langsam können die Störche zu „Natur­ Jungstörche. Ob die am Ende des Som­ kost“ zurückkehren. Sie sind wieder auf mers auch in Sachsen überwintern oder der Suche nach Mäusen und Maulwürfen, nach Süden ziehen werden – das wird nach Würmern und Schnecken. sich noch zeigen. Auch Finsterbuschs Storch hat inzwischen Vielleicht steht uns eine neue Stor­ das Jagdfieber gepackt. Minutenlang lau­ chenära bevor, auch ein Anzeichen von ert er vor einem Maulwurfshügel. Dann Klimawandel… geht es blitzschnell: die erste eigene Beute nach fast einem halben Jahr – eine Feld­ Inzwischen ist für den MDR ein weiterer, umfangreicherer Film maus. Eigentlich könnte der Storch jetzt von Frank Koschewski mit dem Titel „Das Jahr der Störche in Mitteldeutschland“ entstanden, der bereits im November 2010 wieder ohne Finsterbuschs Hilfe leben… im Fernsehen lief. Das neueste Werk, die Reportage „Unter- nehmen Winterstorch“, kann auf DVD erworben werden.

Ende März 2010: Erneut hat es geschneit. Inzwischen sind einige Störche aus dem Süden zurückgekehrt und haben ihre Storchenhorste in Sachsen besetzt. Finsterbuschs Winterstorch hat noch keinen „Anschluss“ gefunden, sich aber häuslich in Hohenossig niedergelassen: auf Finsterbuschs Wintergarten. Finster­ buschs hoffen immer noch, dass „ihr“ Frank Koschewski

10 Frank Koschewski | telekine fernsehproduktion Störche in Sachsen

Internationale Aspekte des Weißstorchschutzes

Kai-Michael Thomsen

Das Michael-Otto-Institut des NABU im und etwa 148 000 Paare (HPa) umfasst Schleswig-Holsteinischen Bergenhu­ (Thomsen 2008). Die ebenfalls wichtige sen befasst sich unter anderem mit dem südwestliche Kernpopulation, zu der vor Schutz des Weißstorchs, vor allem auf allem die Störche in Spanien und Por­ nationaler und internationaler Ebene. In tugal gehören, besteht aus etwa 41 000 diesem Beitrag soll auf die internationale HPa. Die deutsche Weißstorchpopulation Bestandsentwicklung und die Situati­ ist Teil der nordwestlichen Randpopulati­ on in den Überwinterungsquartieren on (etwa 6 200 HPa). Deutschland bildet und ihren Einfluss auf die Situation in die nordwestliche Verbreitungsgrenze Deutschland eingegangen werden. des Weißstorchs und wird von beiden Kernpopulationen beeinflusst. Im Kern­ Wenn wir uns in den Brutgebieten mit gebiet liegt die Reproduktionsrate meist dem Weißstorch beschäftigen, steht höher als in den Randpopulationen. Dies vor allem das Bearbeitungsgebiet, der führt zu einem Populationsüberschuss Landkreis oder das Bundesland des Be­ und einer Abwanderung von Brutvögeln arbeiters im Vordergrund. Dabei werden in die Randpopulationen. die Entwicklung der Storchenpopulation und der Bruterfolg ganz genau beobach­ Wenn wir uns die Bedingungen für den tet. Um die Entwicklung in Deutschland Weißstorch in Deutschland anschauen, einordnen zu können, ist es allerdings sind sie von großenteils suboptimalen notwendig, einen Blick auf die Situation Lebensräumen mit intensiver landwirt­ außerhalb unserer Grenzen zu werfen, schaftlicher Nutzung geprägt. Das dichte weil auch sie unsere regionalen Bestände elektrische Leitungsnetz stellt zudem eine maßgeblich beeinflussten. erhebliche Gefahr für Weißstörche dar. Hinzu kommt, dass die klimatische Si­ Die Lage der deutschen Weißstorchpo- tuation im westlichen Deutschland pulation durch niederschlagsreiche und kühle Die Weltpopulation des Weißstorchs Sommermonate geprägt ist und hohe Jun­ wurde von Schulz (1999) in mehrere genverluste verursacht. Dies führt zu einer Unterpopulationen aufgeteilt. Größte Be­ labilen Bestandssituation in Deutschland. deutung hat die östliche Kernpopulation, die sich über Polen, die baltischen Staaten, Gleichmäßig auf die Gesamtpopulation die Ukraine, Weißrussland etc. erstreckt wirkt sich die Sterblichkeitsrate auf dem

Kai-Michael Thomsen | Michael-Otto-Institut im NABU, Bergenhusen 11 Störche in Sachsen

Abb. 1: Ergebnisse des VI. Internationalen Weißstorchzensus 2004/05

Zug und im Winterquartier aus. Insbeson­ aus, weil externe Faktoren auf die Ge­ dere ist dabei die klimatische Situation samtpopulation wirken. im Sahel zu nennen, wo die Störche nach ihrem langen Zug zunächst eine mehr­ Ergebnisse des VI. Internationalen wöchige Zwischenrast einlegen. Aber Weißstorchzensus von 2004/2005 wir haben auch ganz neue Entwicklun­ Das Michael-Otto-Institut im NABU hat gen, wie die Überwinterungstradition den VI. Internationalen Weißstorchzensus in Spanien, die etwa Mitte der 1980er 2004/05 mit Unterstützung unserer in­ Jahre ihren Anfang genommen und ternationalen Dachorganisation BirdLife mittlerweile ein starkes Wachstum der International und des britischen RSPB ko­ Westpopulation nach sich gezogen hat. ordiniert (Thomsen 2008).

Diese Faktoren machen unsere Arbeit Abb. 1 stellt die Bestandszahlen in den 31 schwierig. Es kann durchaus vorkom­ teilnehmenden Ländern dar, die 92 Pro­ men, dass wir gute Lebensräume für den zent der Weltpopulation beherbergen. Weißstorch vorfinden und eine gute Na­ Polen ist mit über 50 000 Paaren das Land turschutzarbeit leisten. Dennoch bleibt mit den größten Weißstorchbeständen, eine Besiedlung durch den Weißstorch gefolgt von Spanien mit 33 000 Paaren. In

12 Kai-Michael Thomsen | Michael-Otto-Institut im NABU, Bergenhusen Störche in Sachsen

Abb. 2: Bestandstrends zwischen 1994/95 und 2004/05 nach den Ergebnissen des V. und VI. Internationalen Weißstorchzensus

Deutschland brüteten 4 500 Paare im Jahr Weltbestand nahm in diesem Zeitraum 2004. In Dänemark, einstmals ein Land um etwa 39 % zu, die Westpopulation um mit mehreren Tausend Storchenpaaren, 104 % und die Ostpopulation um 30 %. waren es nur noch drei Paare. Mittlerweile Diese Zahlen mögen die Annahme nahe­ ist dort die natürliche Weißstorchpopula­ legen, dass wir uns um die Entwicklung tion ausgestorben. der Weißstorchbestände derzeit keine Sorgen machen müssen. Bei näherer Be­ Der Weltbestand des Weißstorches trachtung werden wir aber sehen, dass beträgt etwa 231 000 Paare. Die West­ dies für Deutschland nicht zutrifft. population, die im westlichen Sahel und in Spanien überwintert, besteht aus Gründe für den Bestandsanstieg bis 52 000 Paaren, die Ostzieher, zu denen 2004 die Weißstörche in Sachsen gehören, aus Was sind die Ursachen für diese Entwick­ 178 000 Paaren. Abb. 2 stellt die Trends lungen? Bei der Westpopulation ist vor zwischen 1994/95 und 2004/05 dar. Au­ allem die Situation in Spanien und Portu­ ßer in Dänemark und Usbekistan haben gal wichtig. Mit Hilfe der Förderung der die Bestände des Weißstorchs zugenom­ EU sind in den letzten 20 bis 30 Jahren men beziehungsweise waren stabil. Der viele bewässerte Reisfelder entstanden,

Kai-Michael Thomsen | Michael-Otto-Institut im NABU, Bergenhusen 13 Störche in Sachsen

die für Weißstörche eine hervorragende sind, als sie bei einer Überwinterung in Nahrungsquelle darstellen. In den Bewäs­ Westafrika wären. Damit ist die Überwin­ serungsfeldern und Wasserkanälen hat terung in Spanien zum bestimmenden sich ein aus Amerika eingeschleppter Krebs Faktor für die Entwicklung der gesamten (Procambarus clarkii) stark vermehren kön­ Westpopulation geworden. Dieses neue nen – eine attraktive Nahrungsquelle für Überwinterungsverhalten hat aber auch den Weißstorch. Hinzu kommen große of­ zur Folge, dass in Westdeutschland mitt­ fene Mülldeponien, die ebenfalls leicht zu lerweile zahlreiche Individuen bereits erreichende Nahrung für den Weißstorch Mitte März ihre Nester besetzen und mit bieten. Ebenso haben bessere klimatische der Brut beginnen, weil die Vögel früher Bedingungen im westlichen Sahel einen aus Spanien zurückkehrten. positiven Einfluss ausgeübt. Die Gründe für den Bestandsanstieg der Die „neuen Nahrungshabitate“ auf der Ostpopulation sind leider weniger offen­ iberischen Halbinsel dürften auch dafür sichtlich. Wir beobachten eine stärkere eine Ursache sein, dass dort eine Über­ Bestandszunahme an der östlichen Ver­ winterungstradition des Weißstorchs breitungsgrenze. Beispielsweise ist in der entstanden ist. Die Überwinterung von Ukraine und in Weißrussland eine Zunahme Weißstörchen in Spanien ist ein Phänomen, von 70 % zu verzeichnen, und es findet eine das seit Mitte der 1980er Jahre beobachtet Arealausweitung in Richtung Osten statt. wird (Tortosa et al. 1995). Die Überwinte­ Letzteres könnte klimatische Ursachen rer nutzen vor allem offene Mülldeponien haben, mit der Folge, dass vermehrt Nah­ und Reisfelder als Nahrungshabitate. Im rungshabitate wie Grünland entstanden Rahmen des VI. Internationalen Weiß­ sind. Zudem dürfte nach dem Zusammen­ storchzensus wurde 2004 vom spanischen bruch des sowjetischen Wirtschaftssystems BirdLife-Partner SEO auch eine Erfassung Ende der 1980er Jahre noch bis 2004 in der überwinternden Weißstörche in Spa­ vielen osteuropäischen Staaten eine gute nien durchgeführt. Diese Zählung ergab, Lebensraumsituation für den Weißstorch dass über 31 000 Individuen in Spanien mit einer extensiveren Landwirtschaft vor­ überwinterten (Molina & del Moral 2005). geherrscht haben. Möglicherweise hat sich Die Zahl der Überwinterer stieg seit 1995 auch die klimatische Situation im östlichen über 300 % an. Sahel mit besseren Überwinterungsbedin­ gungen günstig ausgewirkt. Dies hat letztendlich dazu geführt, dass Verluste auf dem Zug und während der Wie wird die Entwicklung des Weißstorch­ Überwinterung bei den in Spanien über­ bestandes weitergehen? Seit dem Tiefpunkt winternden Vögeln erheblich geringer Mitte der 1980er Jahre hat es einen starken

14 Kai-Michael Thomsen | Michael-Otto-Institut im NABU, Bergenhusen Störche in Sachsen

Bestandsanstieg beim Weißstorch gege­ 1970er und 1980er Jahren wurde durch ben. Ob sich dieser Anstieg fortsetzt, hängt die langanhaltende Dürreperiode im von zahlreichen Faktoren ab. westlichen Sahel verursacht, mit der Folge, dass die Überlebensraten der Ein Faktor ist natürlich die Lebensraum­ überwinternden Weißstörche dramatisch situation in den Brutgebieten bei uns in sanken (Bairlein 1991). Aber auch für den Deutschland und in den ost- und mittel­ östlichen Sahel kann die Auswirkung von europäischen Ländern, die im Jahre 2004 Dürrejahren auf die Überlebensraten der europäischen Union beigetreten sind. des Weißstorchs nachgewiesen werden, Die Lebensraumsituation im Brutgebiet ist wenngleich die Ostzieher ein viel grö­ wesentlich für den Reproduktionserfolg ßeres Überwinterungsgebiet – vom des Weißstorchs verantwortlich. Vor dem Südrand der Sahara bis nach Südafrika Hintergrund der agrarpolitischen Ent­ – nutzen als die Westzieher. Schaub et wicklungen in der EU werden hier al. (2005, 2008) haben eine Analyse der wahrscheinlich größere Veränderungen Ringfundmeldungen durchgeführt und stattfinden. die jährlichen Überlebensraten von Jung- und Altstörchen berechnet. Die Autoren Störche auf Reisen – Satellitenteleme- haben ihre Ergebnisse mit klimatischen trie-Projekt des NABU Daten aus verschiedenen Regionen Afri­ Als zweiter Faktor haben die Zug- und kas korreliert und festgestellt, dass die Überwinterungsbedingen des Weißstorchs Primärproduktion im östlichen Sahel einen wesentlichen Einfluss auf die Be­ die Überlebensraten des Weißstorchs standsentwicklung, wie das Phänomen der signifikant beeinflusst. Vergleichen wir sogenannten Störungsjahre zeigt. Schon die Überlebensraten von Weißstör­ früh wurde vermutet, dass die Störungsjah­ chen mit der Bestandsentwicklung in re vor allem durch widrige Bedingungen unseren Brutgebieten (zum Beispiel in auf dem Zug und im Winterquartier aus­ Schleswig-Holstein), finden wir auffäl­ gelöst werden (Schulz 1998). Sie sind lige Übereinstimmungen (Abb.3): In dadurch gekennzeichnet, dass ein Großteil Jahren mit geringen Überlebensraten der Storchenpopulation sehr spät in die sank auch der Weißstorchbestand in Brutgebiete zurückkehrt, der Bestand sich Schleswig-Holstein. In Jahren mit hohen erheblich reduziert und der Reproduk­ Überlebensraten sind ansteigende Be­ tionserfolg nur sehr gering ist. Die Jahre standszahlen registriert worden. 1991, 1997 und 2005 sind Beispiele. Unsere Weißstörche erreichen den Der starke Bestandsrückgang der West­ Sahel im September, am Ende der Re­ population des Weißstorchs in den genzeit, und bleiben meist bis November

Kai-Michael Thomsen | Michael-Otto-Institut im NABU, Bergenhusen 15 Störche in Sachsen

Abb. 3: Jährliche Überlebensrate osteuropäischer Weißstörche (Schaub et al. 2005) und die Auswirkung auf den Bestandstrend in Schleswig-Holstein. oder Dezember, um dann weiter bis – die Primärproduktion. Sie stellt die nach Südafrika zu ziehen. Ein Teil der Grundlage für das Nahrungsangebot Überwinterer kann sogar die gesamte (phytophage Insekten – Heuschrecken) Überwinterungsperiode bis zum Rückzug dar. Dabei ist von besonderem Interes­ im Sahel verbleiben. Nach dem langen se, wie die ziehenden Individuen auf die Zug haben die Weißstörche einen hohen jährlich unterschiedlichen Bedingungen Nahrungsbedarf. Deshalb dürften sie während der Überwinterung reagieren: besonders empfindlich auf widrige Be­ • Korreliert die Dauer der Rast im Sahel dingungen reagieren. mit der Primärproduktion? Die Niederschlagsmenge während der • Wie reagieren einzelne Individuen auf Regenzeit in den Wochen zuvor ent­ die jährlich unterschiedlichen Bedin­ scheidet über das Pflanzenwachstum gungen im Winterquartier?

16 Kai-Michael Thomsen | Michael-Otto-Institut im NABU, Bergenhusen Störche in Sachsen

• Können einzelne Individuen, die in Weißstorchüberwinterung aufzubauen. güns­tigen Jahren nur im Sahel rasten, in Durch die Nutzung von leicht zugängli­ ungünstigen Jahren auch andere Win­ chen Fernerkundungsdaten lassen sich terquartiere aufsuchen? Rückschlüsse auf das Überwinterungs­ • Korreliert die Rückkehr der Individuen verhalten der Weißstörche ziehen. ins Brutgebiet mit dem Rastgebiet und der Primärproduktion im Sahel? Projektdetails Antworten auf diese Fragen können wir Es fanden 30g-Microwave-GPS-Satelli­ mithilfe der Satellitentelemetrie finden, tensender Verwendung, die von einer die bereits seit Anfang der 1990er Jahre Solarzelle mit Strom gespeist werden. vom Max-Planck-Institut für Ornithologie Diese Sender zeichnen stündlich die GPS- und vom Storchenhof Loburg am Weiß­ Koordinaten auf und senden sie alle drei storch praktiziert wird. Tage an einen Satelliten, der sie an eine Bodenstation weiterleitet. Über das Inter­ Im Jahr 2009 hat das Michael-Otto- net können die Daten abgerufen werden. Institut im NABU mit finanzieller Die GPS-Ortungen ermöglichen mithilfe Unterstützung der King Baudovin Foun­ von raumbezogenen Fernerkundungs­ dation United States (KBFUS) und der daten eine sehr genaue Analyse von Federal Express Corporation (FedEx) drei Habitatnutzung, Home Range und tages­ Weißstörche mit sogenannten GPS-Sa­ zeitlichen Nutzungsmustern. tellitensendern ausgestattet. Technische Unterstützung erhielten wir von Dr. Mi­ Für die Besenderung wurden Altstör­ chael Kaatz (Storchenhof Loburg) und che aus Schleswig-Holstein gefangen. der Vogelwarte Radolfzell. Das Projekt Es sollen möglichst Ostzieher besendert ist zugleich ein Beitrag zur Zugvogelkam­ werden. Die Abb. 4 zeigt die Zugwege der pagne von BirdLife International und hat drei Weißstörche im Winter 2009/10. Ein einen starken öffentlichkeitswirksamen Vogel (Männchen „Helmut“) ist ein West­ Aspekt. Der Weg der Störche kann auf der zieher, der bis Spanien flog und dort auf Website des NABU verfolgt werden. In ei­ Mülldeponien und ­Bewässerungsfeldern nem Tagebuch wird über das Leben der Störche im Winterquartier berichtet. Ziel des NABU ist es, insgesamt 10 besenderte Weißstörche zu beobachten. Derzeit (Ok­ tober 2010) sind es 6 Vögel. Werden die besenderten Vögel des Storchenhofes Lo­ burg und anderer Projekte einbezogen, kann es gelingen, eine Art Monitoring der Storch mit GPS-Satellitensender Foto: Kai-Michael Thomsen

Kai-Michael Thomsen | Michael-Otto-Institut im NABU, Bergenhusen 17 Störche in Sachsen

Abb.4: Zugwege von drei besenderten Weißstörchen aus Schleswig-Holstein 2009/10

überwinterte. Er war bereits Anfang März raufhin relativ genau nachvollziehen und (am 6. März) wieder im Brutgebiet zurück. vermuten, dass die Störchin von einem Ein zweiter Vogel (Männchen „Hobor“) großen Greifvogel erbeutet wurde. überwinterte im östlichen Sahel zwischen Tschad und Sudan. Auch dieser Vogel war Beurteilung der Rastgebiete mithilfe vergleichsweise früh am Brutplatz zurück der Satellitentelemetrie (am 26. März). Der dritte Vogel (Weibchen Die GPS-Ortungen können anhand ver­ „Gertrud“) hat sich zunächst bis Mitte De­ schiedener Fernerkundungsdaten in zember im Sahel aufgehalten. Teilweise einem geografischen Informationssystem überlappte sich das Rastgebiet mit dem (GIS) einer genauen Analyse unterzogen von „Hobor“. „Gertrud“ ist bis nach Tansa­ werden (Gerkmann 2008). Zur Analyse der nia geflogen und kam dort Anfang Januar Habitatnutzung im afrikanischen Winter­ zu Tode. Der Sender wurde später anhand quartier wurde die satellitenbildgestützte der Koordinaten von einem Mitarbei­ Karte der Landbedeckung und Landnut­ ter von BirdLife Tansania in einem Baum zung von Afrika (Global Landcover 2000; gefunden. Wir konnten die Vorgänge da­ www-gem.jrc.it/glc2000) verwendet. Die

18 Kai-Michael Thomsen | Michael-Otto-Institut im NABU, Bergenhusen Störche in Sachsen

o enes Kulturland mit Buschland geschlossenes Bereich relativ viel Strahlung reflektiert, o ener 0% Grasland Gehölzvegetation 9% und kann als Maß für die Vitalität der Ve­ 7% getation herangezogen werden. Er lässt Rückschlüsse auf die Primärproduktion und somit auch auf das Nahrungsange­ o enes Grasland mit bot für den Weißstorch zu. Einzelbüschen 20% Die dekadenweise vorliegenden Kar­

o enes tendaten wurden mit den Ortungen Kulturland Grasland (>50%) 7% der Weißstörche im GIS überlagert und 56% verschnitten (Abb.6). Dabei konnten wir lückiges Grasland feststellen, dass die Störche ihr Rastge­ 1% biet bei zunehmender Trockenheit im Abb. 5: Habitatnutzung von zwei im östlichen Sahel rastenden Weißstörchen 2009/10 Verlauf der Überwinterung tendenziell immer weiter nach Süden in Regionen Daten aus dem spanischen Winterquar­ mit höherer Primärproduktion verlagern. tier wurden mittels des CORINE Landcover Wird es auch hier zunehmend trockener, (http://www.eea.europa.eu/themes/lan­ zieht ein Großteil der Störche weiter nach duse/interactive/clc-download) analysiert. Ost- und Südafrika. Für die Beurteilung der klimatischen Situa­ tion wurde der sogenannte Normalized Die Niederschlagsmenge im Sahel Differenced Vegetation Index (normali­ während der Regenzeit von Juni bis sierter differenzierter Vegetationsindex) September dürfte nicht nur die Überle­ – NDVI herangezogen (http://earlywar­ bensraten beim Weißstorch beeinflussen, ning.usgs.gov/fews/africa/index.php). sondern auch die Länge des Aufenthalts. Finden die überwinternden Weißstörche Abb. 5 zeigt die Habitatnutzung der bei­ im Sahel gute Verhältnisse vor, müssen sie den rastenden Weißstörche im östlichen sich erst spät oder überhaupt nicht auf die Sahel. Vor allem offenes Busch- und Suche nach neuen Nahrungsressourcen Grasland sowie landwirtschaftliche begeben. Das dürfte positive Auswirkun­ Nutzflächen werden von ihnen aufge­ gen auf ihre Kondition haben und eine sucht. Über 50 % der Ortungen liegen auf frühere Rückkehr ins Brutgebiet ermög­ landwirtschaftlich genutzten Flächen. lichen. Je zeitiger ein Brutvogel wieder Feuchtgebiete spielten dagegen im im Brutgebiet eintrifft, desto besser ist Winter 2009/10 keine Rolle als Nahrungs­ in der Regel sein Bruterfolg. Im Falle von habitate für den Weißstorch im Sahel. Dürreperioden im Überwinterungsgebiet Der NDVI beruht auf der Tatsache, dass beziehungsweise Zwischenrastgebiet gesunde Vegetation im nahen Infrarot- Sahel treten im Brutgebiet sogenannte

Kai-Michael Thomsen | Michael-Otto-Institut im NABU, Bergenhusen 19 Störche in Sachsen

NDVI 0,7

0,6

0,5

0,4 y = -0,0022x + 86,754 R² = 0,4612 0,3

0,2

0,1

0 15- Aug- 4- Sep - 24- Sep - 14- Okt- 3- Nov- 23- Nov- 13- Dez- 2- Jan - 22- Jan - 11- Feb Abb. 6: Entwicklung des Normalized Diff erenced Vegetation Index (NDVI) an den Rastorten von zwei überwinternden Weißstörchen im östlichen Sahel von September 2009 bis Januar 2010

Störungsjahre auf. Viele Brutvögel blei­ die den Sahel als Winterquartier nutzen ben aus, die Rückkehrer treff en später (Zwarts et al. 2009). Und nicht zuletzt bei uns ein und haben einen geringeren wirken sich die Dürrephasen auch auf Bruterfolg. die Menschen aus, die im Sahel Landwirt­ Vor dem Hintergrund des Klimawandels schaft betreiben müssen. ist das Phänomen der Störungsjah­ re von besonderer Bedeutung. Wenn Das Rastgebiet Spanien Dürrephasen im Sahel in der Zukunft Ganz anders stellt sich die Situation für vermehrt auftreten, dürfte dies für überwinternde Weißstörche in Spanien dar. den Weißstorch eine allgemein höhere Storch „Helmut“ hat sich die meiste Zeit in Sterblichkeitsrate nach sich ziehen. Es der Umgebung von Madrid aufgehalten. ist mit einer durchschnittlich späteren Auch für ihn wurde die Habitatnutzung Rückkehr ins Brutgebiet zu rechnen, mit im GIS analysiert. Dabei konnte festge­ der Folge, dass die Reproduktionsraten stellt werden, dass nur 16 % der Ortungen sinken. Mülldeponien betrafen (Abb.7), fast die Hälfte dagegen landwirtschaftlich Diese Problematik triff t nicht nur für den genutzte Flächen (45 %). Die Habitat­ Weißstorch zu, sondern ebenso für mehr nutzung von „Helmut“ gibt Hinweise als 500 europäische Brutvogelarten, darauf, dass überwinternde Weißstörche

20 Kai-Michael Thomsen | Michael-Otto-Institut im NABU, Bergenhusen Störche in Sachsen

Industrie u. Abbau ächen des sogenannten Vogelschutzparagra­ Gewerbe ächen 6% 0% fen im Bundesnaturschutzgesetz wird im Laufe der Jahre dazu führen, dass Wasser ächen Gewässerläufe 18% Deponien u. 0% Abraumhalden zumindest in Deutschland die Anzahl ge­ 16% töteter Weißstörche sinken wird. Dagegen Hartlaub - Nicht Natürliches gewächse bewässertes werden die Gefahren durch elektrische Grasland 13% Ackerland 2% 9% Freileitungen auf den Zugwegen sehr stark Agroforstlich genutzte Flächen zunehmen, denn mit der wirtschaftlichen 2% permanent Komplexe bewässertes Entwicklung in vielen wichtigen Durch­ Parzellen - Obst u. Ackerland strukturen Beerenobst - 24% zugsländern, zum Beispiel der Türkei, wird 0% bestände 8% Weinbau ächen Reisfelder das elektrische Freileitungsnetz immer 0% 2% dichter. In diesem Falle hat Deutschland Abb. 7: Habitatnutzung eines in Spanien überwinternden Weißstorchs 2009/10 eine große Vorbildfunktion für eine vogel­ schutzfreundliche Stromversorgung. nur zum Teil Mülldeponien nutzen und durchaus in der Lage sind, weitere Nah­ Konsequenzen für die Entwicklung der rungshabitate zu erschließen. Da auch Weißstorchpopulation in Deutschland in Spanien aufgrund einer EU­Verord­ Schimkat (2004, 2008) hat mithilfe ei­ nung off ene Mülldeponien geschlossen ner Ringfundanalyse festgestellt, dass werden müssen, wird die fast unend­ die Reproduktion des Weißstorchs in lich vorhandene Nahrungsquelle Müll den ostdeutschen Bundesländern nicht zukünftig weitgehend versiegen und ausreicht, um die natürlichen Verluste derzeit noch ungeklärte Folgen für über­ auszugleichen. Somit ist die ostdeutsche winternde Weißstörche nach sich ziehen. Population auf eine Zuwanderung aus Diese Frage hat auch für unseren Bestand den osteuropäischen Kerngebieten mit Bedeutung, denn derzeit wird der Be­ hohem Bruterfolg angewiesen. stand in Westdeutschland maßgeblich durch das starke Populationswachstum Zwischen 1994 und 2004 nahm die Ost­ der Westpopulation gestützt. population des Weißstorchs um 28 % zu (Thomsen 2008). Auch in Deutsch­ Direkte Gefährdungen land war ein Zuwachs von 419 HPa zu Die Ursachen von direkten Verlusten verzeichnen (NABU­BAG Weißstorch­ durch elektrische Mittelspannungsleitun­ schutz 1995, 2005). Das Jahr 2005 war gen und ­Masten beim Weißstorch und ein Störungsjahr, und der Bestand brach anderen Großvögeln sind hinlänglich in Deutschland ein; er ging auf 3 651 dokumentiert worden (Haas & Nipkow HPa zurück (NABU­BAG Weißstorch­ 2007). Die Einführung und Umsetzung schutz 2006). Danach erfolgte in den

Kai-Michael Thomsen | Michael-Otto-Institut im NABU, Bergenhusen 21 Störche in Sachsen

40 relativer Deutschland Ost Bestand Ukraine 30

20

10

0 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008

-10

-20 Abb. 8: Vergleich von Bestandstrends des Weißstorchs in der Ukraine (nach Grishchenko 2010) und in den ostdeutschen Bundeslän- dern (nach NABU-BAG Weißstorchschutz 1995 und 2009).

ostdeutschen Bundesländern nur eine in Ostdeutschland die Werte von 2004 zögerliche Bestandserholung, wobei die nicht wieder erreicht werden. Nach einer Populationsgröße von 2004 nicht wieder Phase mit ansteigenden beziehungs­ erreicht wurde. Aufgrund vorliegender weise stabilen Beständen nimmt der Daten konnte ein Vergleich der Populati­ Brutbestand in Ostdeutschland wieder onsentwicklungen zwischen der Ukraine ab. Der Weißstorch ist wieder stärker ge­ und den ostdeutschen Bundesländern fährdet! vorgenommen werden (Grishchenko Dafür können wir zwei Ursachen disku­ 2010). tieren: Großräumige Bestandsveränderungen Verglichen wird die relative Bestandsent­ können sich an den Verbreitungsrändern wicklung, wobei die Werte des Jahres einer Population stärker auswirken als im 1994 gleich null gesetzt wurden (Abb.8). Zentrum. Die ostdeutsche Weißstorch­ Es fällt auf, dass die Bestandsentwicklung population wird nach Schulz (1999) zur in Ostdeutschland und in der Ukraine bis nordwestlichen Randpopulation gerech­ zum Störungsjahr 2005 fast gleich verlief, net und ist weniger stabil. danach aber große Unterschiede aufwies. Mit einem starken Lebensraumverlust im Während in der Ukraine der Bestandsein­ Brutgebiet einhergehend, fi ndet keine bruch von 2005 im darauff olgenden Jahr Wiederbesiedlung von Brutstandorten fast wieder kompensiert wurde, konnten mit schlechter Habitatausstattung statt.

22 Kai-Michael Thomsen | Michael-Otto-Institut im NABU, Bergenhusen Störche in Sachsen

Es gibt eindeutige Hinweise dafür, dass gegebenen Flächen handelt es sich meist sich gerade in Ostdeutschland die Le­ um feuchte, schwer zu bewirtschaftende bensraumsituation in vielen Regionen Flächen und damit um potentielle Nah­ verschlechtert hat. rungshabitate des Weißstorchs.

Bei der Betrachtung aktueller Entwicklun­ In Polen konnte zwischen 1994/95 und gen in der Landwirtschaft fällt seit etwa 2004 landesweit ein Bestandsanstieg fünf Jahren in fast allen Bundesländern von 28 % registriert werden (Guziak & ein erheblicher Rückgang von Grün­ Jakubca 2006). Doch die Populationsent­ land und Stilllegungsflächen auf (NABU wicklung verlief nicht im ganzen Land 2009). Im Rahmen des Ausbaus von re­ parallel. Im südwestlichen Polen kam generativen Energien wird der Bau von es im Gegensatz zum Landestrend zu Biogasanlagen gefördert, die vor allem einem leichten Bestandsrückgang. Es mit dem Substrat Mais betrieben werden. sind die Regionen mit intensiver Land­ Der zunehmende Maisanbau geht häufig bewirtschaftung. Ebenso stagnieren die mit einem Rückgang des Grünlandanteils einher. Darüber hinaus verursacht die zunehmende Flächenkonkurrenz einen Anstieg der Pachtpreise und erschwert Landwirten die extensive Nutzung von Grünland. Außerdem sind die Angebote des Vertragsnaturschutzes aufgrund der Flächenkonkurrenz weniger konkurrenz­ fähig. Die Lösung dieses Konfliktes stellt eine der wichtigsten Fragen im Natur­ schutz der kommenden Jahre dar.

Weitere Entwicklungen in den östli- chen EU-Staaten Der Wandel in der Landwirtschaft der öst­ lichen EU-Staaten wird möglicherweise in zwei Richtungen verlaufen: Auf Gunst­ standorten wird die Nutzung intensiviert, auf Ungunststandorten wird sie aufgege­ ben. Die Nutzungsaufgabe ist aus Sicht des Weißstorchschutzes ebenfalls ein bedeutender Faktor, denn bei den auf­ Foto: Kai-Michael Thomsen

Kai-Michael Thomsen | Michael-Otto-Institut im NABU, Bergenhusen 23 Störche in Sachsen

­Weißstorchbestände in den EU-Beitritts­ Deutschland die Bestände seit 2005 wie­ ländern Lettland, Tschechien und Ungarn. der angestiegen. Schwer einzuschätzen ist der Einfluss von Kolonien in Tierparks Die Situation der Westpopulation stellt und Vogelpflegestationen in West­ sich dagegen vollkommen anders dar: deutschland, den Niederlanden und im Aufgrund der verkürzten Zugwege nach Elsass. Diese Brutpaare haben aufgrund Spanien und der dort guten Überwinte­ von Zufütterungen einen höheren Re­ rungsbedingungen für den Weißstorch produktionserfolg als reine Wildpaare. dürfte die Überlebensrate stark ange­ Ob und wie sich die Schließung der stiegen sein, mit der Folge, dass der Mülldeponien auf der iberischen Halb­ zum Bestandserhalt notwendige Repro­ insel auf die Westpopulation auswirken duktionserfolg für Westzieher weitaus wird, lässt sich schwer voraussagen und niedriger als für Ostzieher liegen dürfte. ist Gegenstand eines Forschungsprojek­ Im Zuge des allgemeinen Bestandstrends tes von Storch Schweiz (Schulz & Enggist sind im westlichen und nordwestlichen 2010).

24 Kai-Michael Thomsen | Michael-Otto-Institut im NABU, Bergenhusen Störche in Sachsen

Die aktuelle Situation der Weißstörche in Deutschland

Dr. Michael Kaatz

1. Einleitung Im Folgenden wird auf der Grundlage 1983 wurden nur 3742 anwesende Horst­ der Mitteilungsblätter der NABU-Bundes­ paare (HPa) deutschlandweit registriert, arbeitsgruppe (BAG) Weißstorchschutz und dieser Bestand reduzierte sich weiter und anderer Quellen die Bestandssitua­ bis auf den Tiefstand von 2949 HPa im tion des Weißstorchs in Deutschland Jahr 1988. Anschließend erholten sich die charakterisiert, danach die Arbeit des Bestände vor allem in den 1990er Jahren. Storchenhofes Loburg zur Erhaltung Mit 4482 HPa konnte 2004 eine Höchst­ beziehungsweise Verbesserung der Weiß­ zahl erreicht werden. storchbestandssituation beschrieben. Aufgrund verschiedener Ursachen (Kli­ 2. Der Weißstorchbestand in Deutschland ma, Witterung, Nahrung, Gefahren und In der Abbildung 1 ist der Weißstorch­ anderes) treten wie zum Beispiel 1991, bestand Deutschlands ab 1934 in 1997 oder 2005 sogenannte Weiß­ Abständen mehrerer Jahre und ab 1983 storchstörungsjahre auf, in denen viel bis 2009 jährlich dargestellt. weniger Paare eintreffen und auch der

Abb.1: Bestandsentwicklung des Weißstorchs in Deutschland von 1934 bis 2009, Quelle: NABU-Bundesarbeitsgruppe Weißstorchschutz

Dr. Michael Kaatz & Dr. Mechthild Kaatz | Vogelschutzwarte Storchenhof Loburg e. V. 25 Störche in Sachsen

Tab. 1: Übersicht zum Weißstorchbestand (HPa) in Deutschland Bundes- 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 land MV 1177 1143 1091 1065 1142 834 877 848 863 770 BB 1405 1372 1369 1318 1409 1181 1219 1238 1296 1193 BE 3 3 2 2 2 2 1 1 3 3 ST 574 563 539 522 572 485 508 511 542 539 SN 394 393 364 344 368 274 296 298 313 297 NI (40)361 (43)353 (60)356 (34)387 (51)411 (46)354 (57)361 (82)399 (68)434 419 SH (19)249 (26)213 (34)207 (38)215 (36)238 (33)170 (34)200 (39)209 (41)229 204 HH 10 15 11 16 16 15 16 16 17 19 BY 126 109 114 121 (3)128 (3)128 (5)143 (2)162 (3)179 187 BW (169)57 (179)61 (174)74 (187)80 (202)86 (225)97 *1 *2 (1)49 (100)283 326 TH 24 19 21 22 24 20 24 21 24 25 NW 10 8 8 (40)18 (50)23 (43)23 (63)28 (77)29 (92)41 54 HB 4 4 5 3 5 4 3 4 4 4 HE (30)19 (36)22 (36)23 (43)34 (55)44 (59)47 (7)111 (2)122 (?)149 163 RP (31)8 (27)10 (28)13 (31)14 (29)13 (26)15 (8)39 (8)49 (6)62 82 SL (2)1 (2)2 (2)1 (2)1 (1)1 (1)2 2 (1)2 (1)4 3 Gesamt: (291) (313) (334) (375) (427) (436) (174) (212) (311) (323) 4422 4290 4198 4162 4482 3651 3828*1 3958 4443 4288 MV Mecklenburg-Vorpommern, BB , BE Berlin, ST Sachsen-Anhalt, SN Sachsen, NI Niedersachsen, SH Schleswig- Holstein, HH Hamburg, BY Bayern, TH Thüringen, NW Nordrhein-Westfalen, HB Bremen, HE Hessen, RP Rheinland-Pfalz, BW Baden-Württemberg, SL Saarland ( ): zugefütterte Störche; *1: ohne BW; *2: Teilergebnis von BW Quelle: Mitteilungsblatt 102/2010 der BAG Weißstorchschutz

Anteil von Horstpaaren ohne Junge Dieser Bestand gehört ganz überwiegend (HPo %) sehr hoch ist (30-50 %). Bei noch zu den Störchen, die auf der Ostroute ziehen. einigermaßen intakten Natur- und Um­ Vor einigen Jahrzehnten waren die auf weltverhältnissen sowohl im Brut- als der Westroute ziehenden Störche, das auch im Überwinterungsgebiet und auf betrifft in Deutschland die südlichen Bun­ den Zugrouten normalisieren sich die Be­ desländer, die „Sorgenkinder“ betreffs standsverhältnisse wieder auf den Stand Bestandsentwicklung. Das hat sich geän­ vor dem Störungsjahr. dert, weil viele Störche dieser Population infolge veränderter Nahrungsbedingun­ Der Hauptanteil des Weißstorchbestan­ gen bereits in Spanien überwintern. des in Deutschland befindet sich in den Infolge dieser Zugverkürzung dürfte eine östlichen Flächenländern, vor allem in Minderung der Gefährdung erfolgen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, und die Störche treffen in guter Kondition Sachsen-Anhalt und Sachsen. früh im Brutgebiet ein. Demgegenüber

26 Dr. Michael Kaatz & Dr. Mechthild Kaatz | Vogelschutzwarte Storchenhof Loburg e. V. Störche in Sachsen

Tab. 2: Übersicht zum Weißstorchbestand in Deutschland 2009 (Quelle: Mitteilungsblatt 102/2010 der BAG Weißstorchschutz) Bundes- HPa HPm HPo HE JZG JZa JZm HPo% StD land MV 770 525 245 40 1185 1,5 2,3 31,8 3,3 BB 1193 885 308 22 2146 1,8 2,4 25,8 4,1 BE 3 0 3 0 0 0 0 100,0 ST 539 396 143 15 925 1,7 2,3 26,3 2,6 SN 297 239 58 7 550 1,9 2,3 19,5 1,6 NI 419 306 113 8 625 1,5 2,0 27,0 SH 204 131 73 8 235 1,2 1,8 35,8 1,3 HH 19 15 4 2 36 1,9 2,4 21,0 BY 187 133 54 9 323 1,7 2,4 28,9 0,3 TH 25 18 7 2 47 1,9 2,6 28,1 0,2 NW 54 27 27 3 61 1,1 2,3 50,0 HB 4 2 2 0 2 0,5 1,0 50,0 HE 163 124 39 1 337 2,1 2,7 23,9 RP 82 58 24 0 161 2,0 2,8 29,3 0,4 BW 326 290 36 0 716 2,2 2,4 11,1 SL 3 3 0 0 9 3,0 3,0 0 0,7 Gesamt 4288 3152 1136 117 7358 1,7 2,3 26,5 2008 4443 9060 2,0 MV Mecklenburg-Vorpommern, BB Brandenburg, BE Berlin, ST Sachsen-Anhalt, SN Sachsen, NI Niedersachsen, SH Schleswig- Holstein, HH Hamburg, BY Bayern, TH Thüringen, NW Nordrhein-Westfalen, HB Bremen, HE Hessen, RP Rheinland-Pfalz, BW Baden-Württemberg, SL Saarland ist ein rückläufiger Bestandstrend bei den flächen sowie die intensivere Nutzung östlichen Bundesländern zu verzeichnen, von Grünland und der Verlust von Still­ der in Mecklenburg-Vorpommern einen legungsflächen und Feuchtwiesen und katastrophenartigen Charakter aufweist. damit verbunden die starke Reduzierung Von 2004 mit 1142 HPa ging der Weiß­ von Nahrungstieren (Insekten, Kleinsäu­ storchbestand auf 770 HPa im Jahr 2009, gern, Amphibien, Reptilien und anderen) also um 33 %, zurück. geben Anlass zu großer Sorge.

Wesentlicher Grund für den Rückgang Das bedeutet ganz allgemein einen ist die in den letzten Jahren (ab 2004) zu Rückgang der Artenvielfalt (Biodiver­ verzeichnende gravierende Veränderung sität), denn der Weißstorch ist infolge in der Landnutzung. Insbesondere der seines äußerst breiten Nahrungsspek­ Umbruch von Grünland zu Acker, vorwie­ trums ein Hauptindikator für das Ausmaß gend für Mais- und Rapsanbau, und damit beziehungsweise den Rückgang der Ar­ der vollständige Verlust von Nahrungs­ tenvielfalt.

Dr. Michael Kaatz & Dr. Mechthild Kaatz | Vogelschutzwarte Storchenhof Loburg e. V. 27 Störche in Sachsen

3000

2500

2000

1500 HPa

1000

500

0 1907 1948 1951 1965 1967 1969 1973 1980 1984 1988 1998 2005 2006 2009 HPa 2670 1002 814 765 659 579 402 396 251 183 240 170 200 204 Abb.2: Abnahme der Weißstorchbestände in Schleswig-Holstein von 1907 bis 2009 nach HAECKS

Die Dimensionen der veränderten Land­ Dazu gehören: nutzung und auch deren Auswirkungen • Beendigung von Grünland- und nicht nur auf den Weißstorch wurden von Brachflächenumbrüchen, dafür die Dziewiaty in den Mitteilungsblättern der über­wiegende Nutzung von Zweit- und NABU-BAG Weißstorchschutz 101/2009 Zwischenfrüchten für Biogasanlagen, und 102/2010 dargestellt. • Anreize für Mutterkuhhaltung und wei­ In der Tabelle 2 sind Angaben zu den tere Formen der Weidetierhaltung (auch wesentlichen Reproduktionsdaten des für Kleinhalter), weil eine derartige Nut­ Weißstorchbestandes 2009 aufgeführt. zung zu potenziellen Nahrungsflächen Die Abbildung 2 zeigt die Bestandsent­ für den Weißstorch und damit für viele wicklung in Schleswig-Holstein über andere wild lebende Tiere und Pflanzen einen Zeitraum von ca. 100 Jahren. Der führt, Rückgang beträgt über 90 % auf nur • Förderung und Ausbau extensiver noch 7,6 % des Bestandes von 1907. Landnutzungsmethoden (ökologischer Falls sich dieser Trend fortsetzt, könnte in Landbau), verbunden mit der Anlage absehbarer Zeit der Weißstorch in Schles­ breiter Ackerrandstreifen,konsequenter wig-Holstein verschwunden sein. Schutz der Flussauengebiete und Um der negativen Bestandsentwicklung Renaturierung verbauter Fluss- und entgegenzuwirken, ist die Kompensation Bachläufe. verloren gegangener Lebens- und Nah­ rungsräume unerlässlich.

28 Dr. Michael Kaatz & Dr. Mechthild Kaatz | Vogelschutzwarte Storchenhof Loburg e. V. Störche in Sachsen

Tab. 3: Winterstörche 2009/2010, Quelle: Mitteilungsblatt 102/2010 der BAG Weißstorchschutz Bundesland Anzahl Information von: Brandenburg 1 W. Köhler, F. Schulz Sachsen-Anhalt 3 P. Raschig, A. Wernicke Sachsen ca. 5 Dr. J. Schimkat, G. Erdmann (3, davon jeweils ein Storch aus Frankreich und Radolfzell) Niedersachsen 10 (2) G. Fiedler, Dr. R. Löhmer Nordrhein-Westfalen 8 Dr. A. Bense für Krs. Minden-Lübbecke Schleswig-Holstein 13 K.-M. Thomsen, U. Peterson Thüringen 3 K. Schmidt Hessen ca. 50 Achenbach, Deuter, Heuser, Hillerich, Petri, Schaffner, Seum, Stübing, Zim- mermann (2005/06 waren es noch 73) Bayern 73 Wieding Baden-Württemberg ca. 100 U. Reinhard Krs. BC, RV, SIG, UL (44) Saarland 2 I. Dorner Rheinland-Pfalz 19 I. Dorner, H. Buschmann Gesamt 287 (2)

Ein Problem stellen die sogenannten zu­ überwintern, ist in Einzelfällen schon in gefütterten Störche dar, die in Klammern vergangenen Jahrhunderten beschrie­ in Tab. 1 aufgeführt sind. Diese spielen in ben worden. Die häufig hohe Zahl jetzt den südlichen Bundesländern eine Rolle, bei uns überwinternder Störche (zum Bei­ aber auch in Niedersachsen und Schles­ spiel in Baden-Württemberg etwa 100, s. wig-Holstein. Durch deren Ausweisung Tabelle 3) ist in der Hauptsache auf Zucht­ will die NABU-BAG Weißstorchschutz stationen, auf nicht fachgerechte Haltung deutlich machen, dass wir alles unter­ in menschlicher Obhut und vor allem auf nehmen müssen, damit sich der Storch in Zufütterung zurückzuführen. Ob even­ einer artenreichen Landschaft natürlich tuell auch der Klimawandel schon eine ernähren kann. Wir dürfen den Storch als Rolle spielt, bleibt abzuwarten. Hauptindikator (Anzeiger) für die Biodi­ Es geht letztendlich um die Frage, ob wir versität nicht verlieren. den Weißstorch als echten Zugvogel und als Anzeiger für eine noch einigermaßen In diesem Zusammenhang sind auch die naturnahe Landschaft erhalten wollen Winterstörche zu sehen; es ist oft festzu­ oder ob aus ihm eine „verhausschwein­ stellen, dass ihre Anzahl zunimmt. te“ (dieser Ausdruck stammt von Prof. Dr. Diese Angaben erheben keinen Anspruch Konrad Lorenz) Vogelart werden soll, die auf Vollständigkeit und werden auch zu­ sinnbildlich an die Tür klopft, um Futter künftig aktualisiert. aus dem Eimer zu erhalten. Dass Störche versuchen, bei uns zu Als weiterführende Literatur für diesen

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Glucken und Kunstbrutapparat erfolgreich erbrütet und mit viel Mühe aufgezogen. Die Auswilderung aller 6 Jungstörche wurde von vielen Storchenschützern aus Sachsen begeistert begleitet.

Unser Ziel ist es, die Störche so kurz wie möglich in menschlicher Obhut zu hal­ ten. Jungstörche setzen wir oft nach dem „Adoptionsverfahren“ wieder in Stor­ chennester ein. Das geschieht nach einer sorgfältigen Vorauswahl. Eine Prägung Auswilderung von Jungstörchen nach erfolgreicher Pfl ege auf den Menschen möchten wir weitge­ hend vermeiden. Beitrag sind die Mitteilungsblätter der NABU­BAG Weißstorchschutz und die Ar­ Eine der Hauptverlustursachen sind die beiten von Kaatz C. und M. (2004), Kaatz elektrotechnischen Anlagen der Energie­ C. und M. (2008), schiMKat (2008), thoMsen versorger. Gemeinsam mit der NABU­BAG u. a. (2001) und thoMsen & Kaatz (2010) zu Stromtod engagiert sich der Storchenhof nennen. zum Beispiel mit der E.ON Avacon AG und mit der envia Netzservice GmbH, um den 3. Vogelschutzwarte Storchenhof Vogelschutz an Leitungen und Masten Loburg e.V. nach Paragraf 53 (BNatschG) zu realisieren. Diese 1979 begründete Natur­ und Vo­ Ein weiteres Feld, auf dem man sich für gelschutzeinrichtung hat bis heute 1443 den Weißstorchschutz einsetzen kann, ist Störche zur Pfl ege aufgenommen und die Öff entlichkeitsarbeit. konnte von diesen etwa 70 % (über 1000) wieder erfolgreich auswildern. Eine gan­ Der Storchenhof wird alljährlich von bis ze Reihe von ihnen kam aus Sachsen. So zu 10 000 Besuchern aufgesucht. Als un­ konnten zum Beispiel durch den enga­ sere Storchendame „Prinzesschen“ noch gierten Einsatz von Herbert Bauer, Dietmar lebte, kam im Jahr 2006 alle 14 Tage ein Heyder und Günter Erdmann und vielen Bus aus Dresden zu uns, und in der Säch­ anderen ganze Gelege nach Brutpartner­ sischen Zeitung waren viele Nachrichten ausfall gerettet und zum Storchenhof über Prinzesschen zu lesen. Berühmt gebracht werden. Im Jahr 2008 kam zum wurde die Störchin aus drei Gründen: 1. Beispiel ein Sechsergelege aus Prießnitz Sie trug über 10 Jahre einen Satellitente­ (Sachsen) zum Storchenhof und wurde mit lemetriesender. 2. Sie legte den längsten

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für einen Storch denkbaren Zugweg zu­ storches wirkt sich die Beweidung mit rück. 3. Weil sie spät zurückkehrte, musste Rindern, Pferden, Schafen und anderen sie alljährlich um ihren Partner kämpfen. äußerst positiv aus. Demgegenüber Prinzesschen wurde auch durch eine ist die heute überwiegend betriebene Briefmarke bekannt, die über 26 Millionen Bewirtschaftungsform von Grünland Mal in Deutschland erschien. Gegenwär­ (zum Beispiel die Art der Mahd) ein Ne­ tig sind drei Störche mit Satellitensendern gativfaktor. ausgestattet; ihre Reiseroute kann auf 3. Die Umsetzung des Paragrafen 53 zum unserer Internetseite www.Storchenhof- Vogelschutz an Energiefreileitungen Loburg.info verfolgt werden. ist von grundlegender Bedeutung zur Minderung der direkten Hauptverlust­ Im Rahmen von Führungen werden den ursache beim Weißstorch. Gästen, vor allem Schülern und Jugendli­ 4. Eine weitere im Zunehmen begriffene chen, in anschaulicher Weise Wissen über Verlustursache ist der Straßenverkehr, den Weißstorch und auch unsere Erfah­ von dem vor allem Brutvögel betroffen rungen vermittelt, um ihnen den Wert sind, die an den gemähten Straßenrän­ der Natur auch für ihr ganz persönliches dern Futter suchen. Leben bewusst zu machen. 5. Die traditionellen Arbeiten zur Er­ haltung, Pflege, Sicherung usw. der 4. Schwerpunkte für den Weißstorch- Horstunterlagen und Horststandorte schutz sind in bewährter Weise weiterzuführen. Zusammengefasst sind folgende Aufga­ benkomplexe für den Weißstorchschutz Eine ausführliche Darlegung zum Weiß­ zu nennen: storchschutz ist im 3. Jubiläumsband Weißstorch (2008) bei Kaatz, C.u.M. und in Unentbehrliche Grundlage für Weiß­ vielen weiteren dort enthaltenen Beiträ­ storchschutzmaßnahmen ist die exakte gen zu finden. jährliche Bestandserfassung. 1. Die Erhaltung und Bewahrung natur­ Danksagung naher Flussauenlandschaften wie zum Stellvertretend für die vielen deutsch­ Beispiel an der Elbe mit Altwässern, landweit engagierten Weißstorchschüt­ Feuchtgrünländereien, weiten Über­ zerinnen und -schützer ist folgenden schwemmungsräumen (Entstehung Landes- und Regionalbetreuern für die temporärer Gewässer) sind für die Si­ hilfreiche Arbeit bei der Bestandserfas­ cherung des Lebens- und Nahrungs­ sung, einschließlich der Übernahme wei­ raumes der Weißstörche unerlässlich. terer Weißstorch- und Naturschutzaufga­ 2. Für den Nahrungserwerb des Weiß­ ben, sehr zu danken:

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Bundesland Kürzel Landes- und Regionalbetreuer Mecklenburg-Vorpom- MV H.-H. Zöllick, H. Eggers, H.-D. Graf, Dr. L. Daubner mern Brandenburg BB B.Ludwig, H.-R.Friedrich, W.Köhler Berlin BE NABU Berlin, H. & W. Zoels Sachsen-Anhalt ST Dres. C.& M. Kaatz Sachsen SN Dr. J. Schimkat, G. Erdmann, Dr. U. Heinrich, Dr. R. Bäßler Niedersachsen NI Arbeitsgemeinschaft der Weißstorch-Betreuer Nordwestdeutschlands, Staatliche Vogelschutzwarte Niedersachsen, Hannover, D. Stiefel, Dr. R. Löhmer, V. Blüml Schleswig-Holstein SH AG Storchenschutz im NABU, J. Haecks, U. Peterson Hamburg HH NABU Hamburg, J. Pelch Bayern BY Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. - Verband für Arten- und Biotopschutz, O. Wieding Thüringen TH K. Schmidt Nordrhein-Westfalen NW Arbeitsgemeinschaft der Weißstorch-Betreuer Nordwestdeutschlands, Staatliche Vogelschutzwarte Niedersachsen, Hannover, D. Stiefel, Dr. A. Bense, V. Blüml Bremen HB Arbeitsgemeinschaft der Weißstorch-Betreuer Nordwestdeutschlands, Staatliche Vogelschutzwarte Niedersachsen, Hannover Hessen HE NABU Hessen, B. Petri, Dr. R. Lorenz, K. Hillerich Rheinland-Pfalz RP NABU-LAG Weißstorchschutz Rheinland-Pfalz, I. Dorner Baden-Württemberg BW U. Reinhard, W. & U. Feld, U. Mahler Saarland SL NABU Saarland

5. Literatur Kaatz, C. & Me. (2008): Die Weißstorchbestandssituati­ ­Weißstörche (Ciconia ciconia) mittels eines Simu­ on in Deutschland und in Sachsen-Anhalt – In Kaatz, lationsmodells - In Kaatz, C.&Me. (Hrsg): 3. Jubi­ C. & Me. (Hrsg): 3. Jubiläumsband Weißstorch, 3. Ju­ läumsband Weißstorch, 3. Jubilee Edition White bilee Edition White Stork – Loburg, 118-125 Stork – Loburg, 330-333 Kaatz C., Kaatz M. (2004): Weißstorch (Ciconia ciconia). Thomsen, K-M., Dziewiaty K., Schulz H. (2001): Zu­ In Gedeon K. Mitschke A., Sudfeldt C. (Hrsg.): Brutvö­ kunftsprogramm Weißstorch – Aktionsplan zum gel in Deutschland, Hohenstein-Ernstthal, 6-7 Schutz des Weißstorchs in Deutschland. NABU, Mitteilungsblätter der NABU-BAG Weißstorchschutz Bonn. Nr. 94/2002 – 102/2010 Thomsen K-M., Kaatz C. (2010): Vom Monitoring zum Schimkat, J. (2008): Untersuchung der Populations­ Aktionsplan: Die NABU-Bundesarbeitsgruppe dynamik von Regionalbeständen ostziehender Weißstorchschutz; Falke 57, Sonderheft, 458-462

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Das sächsische Artenschutzprogramm für den Weißstorch

Dr. Jan Schimkat

Sehr geehrte Damen und Herren, Jetzt, im Jahr 2010, befinden wir uns in ei­ wie der Herr Staatsminister schon ausge­ ner ganz ähnlichen Situation wie vor gut 10 führt hat, war der Weißstorch 1994 der Jahren, und wir müssen dafür sorgen, dass Vogel des Jahres, und das wurde damals sich das Artenschutzprogramm besser wei­ vom sächsischen Staatsministerium für terentwickelt, als es damals der Fall war. Umwelt und Landesentwicklung zum Anlass genommen, zusammen mit dem Allerdings sind die Arbeiten im Rahmen NABU Sachsen ein Artenschutzprogramm des Artenschutzprogramms Weißstorch für den Weißstorch aufzulegen. Ziel des auch nach dem Jahr 2000 nie ganz zum Programms war es zunächst, Listen mit Stillstand gekommen. Es existiert ja in allen existierenden Weißstorchhorsten zu Sachsen eine sehr gute Kreis- und Horst­ erarbeiten und den Handlungsbedarf für betreuerstruktur, und diese Betreuer allein jeden Horst festzustellen. Diese Objektliste sorgen schon dafür, dass für den Weiß­ wurde damals im Auftrag des Sächsischen storch ehrenamtlich beziehungsweise Ministeriums für Umwelt und Landesent­ von Naturschutzvereinen sehr viel getan wicklung vom NABU-Naturschutzinstitut wird, für die Sanierung und den Neubau Dresden (NSI) erarbeitet und 1996/97 den von Horstunterlagen zum Beispiel und für Naturschutzbehörden übergeben. Im Jahr die Pflege von mehreren Schutz- und Pro­ 2000 publizierte das NSI dann zusam­ jektflächen, die für den Storch angelegt men mit der Vogelschutzwarte Neschwitz worden sind. Außerdem wurden die Ko­ noch eine Broschüre, einen vorläufigen ordinierung und die Datensammlung der Endbericht, unter dem Titel „Artenschutz­ jährlichen Erfassung von Bestand und Re­ programm Weißstorch in Sachsen“. Diese produktion fortgeführt. Weiterhin haben vom Landesamt für Umwelt und Geologie sich mehrere sächsische Ornithologen mit herausgegebene Broschüre fand national dem umfangreichen Datenmaterial be­ und international große Anerkennung. fasst und es wissenschaftlich bearbeitet. Somit lagen Ende der 1990er Jahre sowohl Die folgende Grafik (Abb. 1) zeigt die Be­ die fachlichen Grundlagen als auch Erfah­ standsentwicklung des Weißstorchs in rungen aus sogenannten Pilotprojekten Sachsen; es ist zu sehen, dass die Jahre zur Lebensraumgestaltung vor. Eine ko­ 1997 und 2005 „Störungsjahre“ waren ordinierte landesweite Umsetzung der und dass nach 2005 keine richtige Erho­ Ziele des Artenschutzprogramms erfolgte lung der Bestände einsetzte, während jedoch nicht. es nach dem Störungsjahr 1997 erst

Dr. Jan Schimkat | Leiter des NABU-Naturschutzinstitutes Dresden 33 Störche in Sachsen

Abb. 1: Anzahl der Brutpaare in Sachsen 1996 - 2009

­einmal wieder gut weiterging. Die Ten­ in den meisten Jahren wesentlich weni­ denz in Sachsen muss also bedenklich ger waren, was heißt, dass die sächsische erscheinen. Das macht auch die Über­ Weißstorchpopulation ihren Bestand sicht von 1996 (Abb. 2) über die Störche nicht aus sich selbst heraus erhalten im Biosphärenreservat „Oberlausitzer kann und somit auf Zuwanderung an­ Heide- und Teichlandschaft“ deutlich. gewiesen ist. Auch aufgrund solcher Die großen Quadrate zeigen an, dass Erkenntnisse zu schlechten Bruterfolgen vier Junge im betreffenden Nest flügge gab es den Beschluss des sächsischen geworden sind. Die kleineren Zeichen Landtages vom 14.11.2008 (auf dem bedeuten, dass entsprechend weniger auch unsere Tagung beruht), dass der Junge großgezogen wurden. Wenn Schutz von Vogelarten der offenen man diese Darstellung mit dem zweiten Feldflur, zu denen der Weißstorch ge­ Bild vom Jahr 2006 (Abb. 3) vergleicht, hört, gestärkt werden muss. Das betrifft wird man bemerken, dass es im Jahr insbesondere die Bodenbrüter (zum Bei­ 2006 zu einer erschreckenden Ausdün­ spiel Feldlerche, Kiebitz und Rebhuhn), nung kam (nicht nur hinsichtlich der für die es das sächsische Bodenbrü­ Brutpaarzahl, sondern auch in Bezug auf terprojekt gibt, über das in Sachsen den Bruterfolg), zu einem Rückgang der schon mehrfach berichtet worden ist Lokalpopulation von 30 Prozent in zehn und das meines Erachtens sehr erfolg­ Jahren. reich anläuft. Darüber hinaus wurde am Mindestens zwei Junge pro Brut müssen 14.11. die Entscheidung getroffen, das aufgezogen werden, um den Bestand zu Artenschutzprogramm für den Weiß­ erhalten. In der Darstellung auf Seite 36 storch intensiviert fortzusetzen und mit (Abb. 4) ist zu sehen, dass es in Sachsen dem Bodenbrüterprojekt zu vernetzen.

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Abb. 2: Übersicht über Brutplätze des Weißstorchs im Projektgebiet „Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft“ im Jahr 1996. 81 Horstpaare im Jahr 1996

Abb. 3: Übersicht über Brutplätze des Weißstorchs im Projektgebiet „Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft“ im Jahr 2006. 57 Horstpaare im Jahr 2006 (Bestandsrückgang um etwa 30% innerhalb von 10 Jahren)

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Abb. 4: Gesamtbruterfolg (JZa) 1984 -2009 Das setzt voraus, dass man zunächst Unser Projekt startete mit folgenden Ak­ einmal das bisherige Artenschutzpro­ tivitäten: gramm auswertet, sich einen Überblick zu 1. Schaff ung einer Koordinatorenstelle im den bisherigen Ergebnissen und Erkennt­ NSI Dresden (allerdings leider befristet nissen verschaff t und dann prüft, welche bis zum 31.7.2010), Förderinstrumente es in Sachsen gibt 2. Beginn der Evaluierung des bestehen­ und welche Vorschläge zur Optimierung den Artenschutzprogramms Weißstorch, bestehender oder zur Schaff ung neuer 3. Erarbeitung eines Konzeptes für Weiß­ Förderinstrumente für den Weißstorch storchmaßnahmen, und seine Lebensräume gemacht wer­ 4. Populationsgefährdungs­ und Nah­ den können. Das übergeordnete Ziel ist rungsraumanalyse, dabei die Verbesserung des Erhaltungs­ 5. Beratungsgespräche mit Landnutzern zustandes der sächsischen Population zur Umsetzung von nutzungsintegrier­ durch Verminderung von Mortalitäten ten Maßnahmen, (zum Beispiel durch Minimierung des 6. Vorbereitung der Umsetzung investi­ Todes an Mittelspannungsmasten), die ver Maßnahmen. Erhaltung von Nistmöglichkeiten (wobei Im Rahmen unserer Recherchen zum wir ganz wesentlich auf die ehrenamt­ Artenschutzprogramm haben wir auch liche Arbeit der Weißstorchfreunde die Fördermitteldatenbank ausgewertet angewiesen sind) und – als Schwerpunkt und konnten feststellen, dass im Freistaat – durch die Steigerung des Bruterfolgs Sachsen im letzten Jahrzehnt relativ viel mithilfe der Sicherung beziehungsweise zum Schutz von Weißstorch und auch Verbesserung der Nahrungsangebote anderen Off enlandbewohnern gesche­ beziehungsweise ­habitate. hen ist. 83 Maßnahmen wurden in dieser

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Zeit gefördert, meistens handelte es sich um Mittel des betreffenden Regierungs­ präsidiums, also um Förderung auf der Basis der Naturschutzrichtlinie usw. Das waren 83 Maßnahmen, die unmittelbar dem Weißstorch zugute kamen. Es war geplant gewesen, auf der Grundlage der genannten Objektlisten 151 Maßnah­ men zur Sicherung und Neuanlage von Niststätten durchzuführen. Und das ist der Teil des Artenschutzprogramms, der gut bis sehr gut gelaufen ist; quasi alle geplanten Maßnahmen wurden umge­ setzt. Dabei wurden 56 Horstbau- und Sanierungsmaßnahmen vom Freistaat gefördert, doch vieles ist natürlich ehrenamtlich und unbezahlt getan wor­ den. Außerdem war damals geplant, 22 Maßnahmen zur Reduzierung der Gefähr­ dung durch elektrische Freileitungen zu realisieren. Das ist ebenfalls geschehen. Inzwischen besteht hier aufgrund des Abb. 5: Mast mit Sitzstange neuen gesetzlichen Auftrags, die soge­ nannten Killermasten bis Ende 2012 zu entschärfen, neuer Handlungsbedarf. In diesem Zusammenhang ist es wich­ tig, zu sagen, dass sich auch hier der Kenntnisstand der Ornithologen ent­ wickelt hat. Sie sehen auf den Fotos (Abb. 5 & Abb. 6) Beispiele für Schutz­ maßnahmen, die aus heutiger Sicht sogenannte ­No-Go-Maßnahmen sind. Sie sehen oben einen Mast mit einer Sitzstan­ ge. Dieser müsste jedoch, wie auf dem unteren Bild zu sehen, mit solch einer Abdeckhaube versehen werden, die hier allerdings nicht die geforderten Maße hat. Abb. 6: Mast mit Abdeckhaube

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zu sehen ist, sind diese Wiesen doch eine wichtige Nahrungsquelle, denn es wachsen die entsprechenden Beu­ tetiere heran, und abgesehen davon, spielen solche auf Grenzertragsböden entstehenden Feuchtflächen natürlich für die ökologische Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes und für die Biodi­ versität allgemein eine große Rolle. Und es war damals auch das Hauptanliegen des Artenschutzprogrammes, über Sach­ sen verteilt solche Lebensraumprojekte zur Wiedervernässung zu starten. Etwa Abb. 7: Sohlwiesen Großdittmannsdorf zwanzig sind realisiert worden. Dabei Und so stellt sich uns für die Jahre bis hat es sich eigentlich nicht bewährt, 2012 die gewaltige Aufgabe, in Koope­ die ermittelten Daten als Grundlage für ration mit den Energieversorgern die Projekte einfach an die unteren Natur­ gesetzlichen Bestimmungen durchzu­ schutzbehörden weiterzugeben, weil setzen, denn es ist ungewiss, was danach dort die entsprechenden Mitarbeiter auf dem Rechtsweg geschehen wird oder fehlen und – das unterstelle ich – auch kann hinsichtlich der dann noch ungesi­ weiterhin fehlen werden, Mitarbeiter, die cherten oder unsachgemäß gesicherten bereit sind und die Möglichkeit dazu ha­ Mittelspannungsmasten, die für viele ben, sich innerhalb ihrer Arbeit aktiv um Großvögel ein wesentlicher Mortalitäts- derartige Maßnahmen zu kümmern. und Gefährdungsfaktor sind. Wir haben der Fördermitteldatenbank Wir hatten damals, 1996/97, zum Schutz auch entnommen, dass in der Zeit von des Weißstorchs 79 Lebensraumprojekte 1996 bis 2007 immerhin 370 Maßnah­ – die Anlage von Kleinteichen, Tümpeln men zum Erhalt von Lebensräumen und Nasswiesen – entwickelt und vorge­ für Weißstorch und andere Wiesenbe­ schlagen. Man bezeichnet solche Projekte wohner realisiert worden sind. Dazu heute als investive Maßnahmen, und auf gehören allerdings auch allgemeine Bio­ dem Foto (Abb. 7) sehen Sie das Beispiel toppflegemaßnahmen, die nicht genauer der Sohlwiesen Großdittmansdorf. Das ist beschrieben sind und deshalb dem Weiß­ eine Archivaufnahme, aber heute sieht es storch nicht unbedingt zugute kommen dort noch ganz ähnlich aus. Auch wenn müssen. Insofern ist die Fördermittelda­ hier kein Storch auf ­Nahrungssuche tenbank für unsere Auswertung nicht

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präzise genug. Ich sehe aber die Möglich­ unsere Weißstorchprojekte mit dem keit, das Datenbanksystem für zukünftige Bodenbrüterprojekt zu vernetzen. Es Recherchen noch weiter auszubauen. besteht eine große Chance, mittels ei­ Außerdem gehören zu diesen 370 Maß­ ner noch stärkeren Vernetzung mit dem nahmen auch solche, die nur einmal im Bodenbrüterprojekt das Weißstorchar­ Jahr durchgeführt werden, die Mahd tenschutzprogramm voranzubringen. einer Wiese zum Beispiel. Und wenn dieselbe Wiese im nächsten Jahr wieder Die Abbildung (Abb. 8) gibt einen gemäht würde, wäre das eine zweite Überblick über die Maßnahmen, die Maßnahme. Deshalb darf man die Zahl 2009 angelaufen sind beziehungswei­ 370 nicht in Beziehung setzen zu den 79 se fortgesetzt wurden, und über den im Artenschutzprogramm erarbeiteten jeweiligen Stand. Ein großes Problem Lebensraumprojekten, von denen, wie besteht darin, dass diese Maßnahmen gesagt, etwa 20 realisiert wurden. investive Maßnahmen sind, deren Ent­ wicklung eigentlich zwei bis vier Jahre Im Zuge der neuen Einarbeitung in das dauert und die jetzt mehrere Jahre lang Artenschutzprogramm haben wir auf betreut werden müssten. Probleme, der Grundlage der früheren Objekte des die sich im Wesentlichen mit der Kritik Artenschutzprogramms zwecks Schaf­ der Naturschutzverbände an den für fung, Vernetzung, Verbesserung und sie bestehenden Fördermöglichkeiten Erweiterung von Feuchtbiotopen neun bei Biotoppflege und Biotopgestaltung Maßnahmetypen für sogenannte inves­ ­decken, gibt es auch bei der Finanzierung tive Maßnahmen entwickelt, zu denen dieser investiven Maßnahmen: nutzungsintegrierte Maßnahmen auf • Einige der naturschutzfachlich sinn­ ­Ackerflächen und Grünland hinzukom­ vollen und dringend nötigen Schutz­ men. Wir können also durchaus auf die maßnahmen sind über die Richtlinien Arbeit der 1990er Jahre zurückgreifen. „Natürliches Erbe“ oder „Agrarumwelt­ Die Projektgebiete für unsere Weißstorch­ maßnahmen und Waldmehrung“ nicht maßnahmen im Jahr 2009 richteten förderfähig (zum Beispiel Portions­ sich nach den Schwerpunkten des Vor­ mahd von Feldfutterstreifen). kommens des Weißstorches; hier haben • Bei der Pflege von Biotopflächen de­ wir uns auch an das von Kai-Michael c­ken sich der Aufwand für die Pflege Thomsen (NABU-Institut für Vogelschutz und die Fördersätze nicht (zum Beispiel Bergenhusen) für ganz Deutschland sind Entsorgungs- und Transportko­ entwickelte System der sogenannten sten nicht förderfähig). Schwerpunkt- und Entwicklungsgebiete • Die Antragsstellung ist für ehrenamt­ gehalten und dann zusätzlich versucht, lich arbeitende Einzelpersonen und

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Abb. 8: Überblick zu den 2009 laufenden investiven Lebensraummaßnahmen

kleine Gruppen zu kompliziert; der gro­ Koordinator gibt. Deshalb hatten wir im ße Organisationsaufwand wird nicht Jahre 1995 dem Umweltministerium vor­ entlohnt. geschlagen, eine Koordinierungsstelle für • Der Eigenanteil bei der staatlichen den Weißstorchschutz einzurichten, doch Förderung beträgt mindestens 10 Pro­ stiegen aufgrund günstiger Umstände zent, das heißt, bei größeren Projekten außerhalb der sächsischen Brutgebiete müssen die Antragsteller erhebliche Mitte der 1990er Jahre die Weißstorch­ Mittel selbst aufbringen. bestände auf ein Rekordhoch, sodass der Das alles bedeutet, dass die momentan trügerische Eindruck entstand, dass es vorhandenen staatlichen Förderinstru­ dem Weißstorch gut geht und daher ein mente für den Weißstorch­ und den Koordinator nicht gebraucht wird. Auch Wiesenbrüterschutz nur eingeschränkt deshalb starb dieser Vorschlag. Jetzt ge­ geeignet sind. Außerdem fehlen Projekt­ hen die Weißstorchbestände im Freistaat mittel für die landesweite Koordinierung zurück und die fi nanziellen Bestände für des Artenschutzprogramms Weißstorch. den Artenschutz ebenfalls. Es bewegt sich nämlich nichts oder we­ Der Organisationsaufwand für eine inves­ nig, wenn es keinen entsprechenden tive Maßnahme, zum Beispiel die Anlage

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eines Tümpels, ist sehr hoch. Es gehören Dieser Koordinationsaufwand schreckt dazu: davon ab, etwas für den Weißstorch zu • Die fachliche Konzipierung [Auswer­ tun. Denn wenn wir als Naturschutzinsti­ tung des Artenschutzprogramms tut bei jedem Projekt 1000 bis 5000 Euro Weißstorch, Abstimmungen mit den Verlust haben, dann ist abzusehen, dass Flächennutzern, Gestaltung der Nut­ wir das vielleicht ein- oder zweimal ma­ zungsänderung (Pachtvertrag usw.), chen können, dann aber sagen müssen, Bereitstellung der Projektunterlagen dass das für uns nicht vertretbar ist. Ab­ für die Behörden, persönliche Abspra­ gesehen davon, dass es natürlich in der chen] heutigen Zeit ganz schwer ist, Flächen zu • Die Erstellung fachspezifischer Unterla­ finden, die zur Verfügung stehen. Und die gen [Auftragserteilung, projektspezifi­ Situation wird auch in dieser Beziehung sche Begleitung] nicht besser. • Projektierung [gegebenenfalls Be­ Um dem ganzen Dilemma zu entkom­ antragung von Fördermitteln, Auf­ men, ist Folgendes nötig: tragserteilung und Bereitstellung der • Vereinfachung der Beantragungsver­ Unterlagen, Abstimmung mit Natur­ fahren schutzbehörden, fachliche Begleitung • Einführung kostendeckender Fördersät­ der Projektierung, Projektabnahme] ze, Entkopplung von den Fördersätzen • Einholung der Stellungnahmen der Trä­ der Landwirtschaft, zum Beispiel Wieder­ ger öffentlicher Belange [Bereitstellung einführung separater Fördermöglichkei­ der Projektunterlagen, Bearbeitung ten für die Entsorgung von Mähgut der Auflagen (u.a. wasserrechtliche • Wiederaufnahme der Schutzgebiets­ Genehmigung), Ausschreibung (Bereit­ betreuung und verstärkte Förderung stellung der Unterlagen, Zuschlagsver­ des Flächenkaufs zugunsten des Natur­ gabe), Bauleitung, Abnahme] schutzes • Durchführung des Dauerbetriebes • Größere Flexibilität bei der Festlegung [Flächenbewirtschaftung, Objektsiche­ der Nutzungstermine rung, Kontrolle, Dokumentation] • Änderung der bestehenden Cross-Com­ Das alles muss man Punkt für Punkt ab­ pliance-Verpflichtungen zugunsten der arbeiten, wenn man in Übereinstimmung biologischen Vielfalt mit Recht und Gesetz vorgehen will. • Modifizierungder Förderinstrumente Zwei dieser Punkte sind förderungsfä­ zur Staffelmahd hig, bei den anderen aber, den meisten • Abstimmung der Schutzerfordernisse Anstrichen, handelt es sich um typische und Synergieeffekte für den Schutz von Koordinatorenarbeiten, die von kei­ Weißstorch und Bodenbrütern durch ner Förderrichtlinie abgedeckt werden. eine Koordinierungsstelle

Dr. Jan Schimkat | Leiter des NABU-Naturschutzinstitutes Dresden 41 Störche in Sachsen

Der Koordinator für den Weißstorchschutz Wachtelkönigs fällt. Deshalb sollte die sollte auch den Wiesenbrüterschutz mit Koordination von Weißstorch- und Wie­ übernehmen, weil hier große Synergie­ senbrüterschutz bei einer Person liegen, effekte möglich sind, zugleich aber auch die zudem gute botanische und bo­ naturschutzfachliche Konfliktpunkte be­ denkundliche Kenntnisse hat und über stehen. Man darf zum Beispiel den Ort Erfahrung in der praktischen Gestaltung und den Mahdtermin (im Interesse des von Biotopen verfügt. Weißstorchs) nicht so festlegen, dass er in das Brutrevier beziehungsweise in die Brutzeit des Braunkehlchens oder des Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

In Sachsen verwendete Weißstorchringe 1. kleiner Alu-Ring, stammt von der Vogelwarte Rossitten (1901 in Ostpreußen gegründet), Hiddenseeringe etwa ab 1960 2. wenig verwendeter Ring, Serie „2“ für Störche und Reiher 3. Kennringe (A und B), verwendet bis ca. 1994 4. Kennring KA, verwendet nach der Wende ab ca. 1995 5. Kennring H, ab ca. 1999 6. Elsa-Ring (Kunststoff), ab ca. 2003 Foto: Dietmar Heyder

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100 Jahre Weißstorcherfassung und Weißstorchschutz im ehemaligen Bezirk Leipzig

Günter Erdmann

Die 100 Jahre im Titel meines Vortrags Gebiet) für unseren Raum nur den Malk­ sind eine kleine Hochstapelei. Denn von witzer Horst auf, der seit 1852 bekannt ist. einer regelrechten Erfassung und einer Erst 1942 fand der Leipziger Ornithologe Forschungsarbeit kann man erst seit 1950 A. Zieger den seit 1858 bestehenden Horst sprechen. Bis dahin war über den Storch an der Mulde in Wasewitz. in Nordwestsachsen und im sich anschlie­ Auch aus der ehemaligen Provinz Sachsen, ßenden Gebiet der preußischen Provinz dem Streifen zwischen Schkeuditz, De­ Sachsen wenig bekannt. litzsch, bis , den Sachsen im Zusammenhang mit den Befreiungs­ Gegen Ende des 19., zu Beginn des 20. kriegen an Preußen abtreten musste, sind Jahrhunderts machten Meyer & Helm einige alte Horste bekannt geworden. in den Jahresberichten der ornitholo­ Oberglaucha bei Bad Düben ist als Brut­ gischen Beobachtungsstationen im platz seit 1882 belegt. In Papitz, heute Königreich Sachsen, J.H.W. Pirtsch für die Ortsteil von Schkeuditz, gab es um die Jahr­ nähere Umgebung von Torgau und H. hundertwende einen Horstplatz, dessen Hülsmann für die Umgebung von Wurzen Bewohner von den Leipziger Ornitholo­ einige wenige Angaben. 1906/07 fasste R. gen als der „preußische Storch“ bezeichnet Heyder die damaligen Kenntnisse über das wurde. Auch in Schöna (ehemals Altkreis Vorkommen von Weißstörchen in West­ Eilenburg) und in Mockritz (Altkreis Tor­ sachsen – vor allem im Raum um Borna gau) befinden sich Horste, die schon lange bis herüber in das Gebiet von Grimma/ existieren. Zimmermann schreibt 1922: „... das Wurzen – zusammen. letzte oder eins der letzten Nester links­ Zu dieser Zeit war das bis zur Mitte des seitig der Mulde, das noch bis Mitte des 19. Jahrhunderts wahrscheinlich gute ersten Jahrzehntes unseres Jahrhunderts Storchenvorkommen in unserem Raum bewohnt gewesen sein soll, befand sich in beinahe vollständig erloschen. ­Dörfel Großbardau.“ (Altkreis Grimma) erfasste in seiner Arbeit „Verwaiste Stor­ Kipping stellt 1929 in seiner Arbeit „Beo­ chenniststätten im Niederlande um bachtungen an der Vogelwelt Grimmas“ Oschatz“ all das, was aus diesem Land­ fest: „(Der) Storch (ist) fast jedes Jahr auf strich bekannt geworden war. dem Frühjahrszuge, doch immer seltener.“ A. Klengel führte in seiner Arbeit „Unsere Um diese Zeit war der Storch eine Rarität sächsischen Störche und Storchennester“ und oft schon die Beobachtung eines ein­ (ohne die Nester im ehemals preußischen zelnen Tieres eine Mitteilung wert.

Günter Erdmann | Langjähriger Weißstorch-Betreuer im Regierungsbezirk Leipzig 43 Störche in Sachsen

Ende der 1920er, Anfang der 1930er Jah­ folgenden Jahren haben sich weder hier re vermehrten sich die Störche in Polen, noch in den anderen Orten Störche ange­ dem Westteil der Sowjetunion, in Litauen siedelt. und in Ostpreußen sehr stark. Das führte dazu, dass die Jägerschaft in Ostpreußen Anfang der 1930er Jahre begannen die die Auffassung vertrat: „Tod allen Stör­ Störche von Osten her in unser Gebiet chen, sie fressen unsere Junghasen und vorzudringen. Bekannt ist, dass sie 1930 Hühner.“ J. Thienemann veröffentlichte 1932 Großtreben und 1933 Falkenhain besie­ in der Zeitschrift „Der Elch“ (Zeitschrift delten sowie 1934 Bad Lausick, Grethen, der Landesleitung Ostpreußen des Allge­ Dörfchenmühle, Gostemitz, Scholitz und meinen Deutschen Jagdschutz-Vereins) Sachsendorf. 1935 hatte Lindenhayn einen Artikel mit der Überschrift „Was tun ein Brutpaar. 1936 brüteten Störche in wir mit den vielen Störchen?“. In diesem Sausedlitz und Klitzschen und 1938 in Artikel machte er den Vorschlag, einen Wurzen. Für 1943/45 wissen wir von Brut­ Teil der „Raubstörche“ abzuschießen und paaren in mindestens 14 Orten. Jungstörche in storchenfreie oder stor­ chenarme Gebiete in Deutschland 1912 berichtete J. Thienemann im Journal auszusetzen, um dort wieder Störche für Ornithologie von einer 1910 in Aut­ anzusiedeln. Allein in Ostpreußen stieg hausen (damals Kreis Bitterfeld, heute die Zahl der Störche von 9 000 Paaren im Nordsachsen) beringten Storchenbrut, Jahr 1931 auf etwa 16 500 Paare im Jahr von der zwei Jungvögel wiedergefunden 1934. Ansiedlungsversuche sind aus dem wurden. 1910 wurde einer der Jungvögel Leipziger Raum von Falkenhain, Kleinlie­ in Ungarn erschossen. Ein solcher Ab­ benau, Wurzen und Zöbigker bekannt. schuss war nicht ungewöhnlich, denn der Aber keiner der Versuche führte zur Storch galt zu jener Zeit als Jagdschäd­ Ansiedlung von Störchen. Über den An­ ling. Der zweite Jungstorch verendete siedlungsversuch an der Mühle Zöbigker wahrscheinlich, weil er vergiftete Heu­ (heute Bestandteil der Stadt Markklee­ schrecken gefressen hatte. Er wurde im berg) berichteten die Leipziger Neuesten Februar 1911 unweit des Kilimandscharo Nachrichten vom 30.08.1935: „1935 wur­ gefunden. den auf dem Mühlengrundstück drei Jungstörche aus Rositten ausgesetzt. Der nächste Ringfund erfolgte erst 1932; Einer verstarb, zwei wurden flügge. Zu ein in Flacksee bei Kochalin (Köslin/Ka­ den 2 Jungvögeln gesellte sich noch ein schubien) beringter Jungvogel wurde erwachsener Storch. Vor einigen Tagen im gleichen Jahr westlich von Leipzig bei kamen die Zöglinge in Begleitung von 7 Altranstädt tot gefunden. Das war ein weiteren Störchen auf den Hof“. In den ungewöhnlicher Fund, denn Vögel aus

44 Günter Erdmann | Langjähriger Weißstorch-Betreuer im Regierungsbezirk Leipzig Störche in Sachsen

Polen ziehen gewöhnlich die Ostroute. Einen 1932 bei Dessau beringten Storch hat man im April 1940 bei Tiefensee (El­ lenburg) nach Storchenkämpfen tot gefunden. Insgesamt wurden bis 1951 18 Ringvögel bekannt, 5 waren im ehemali­ gen Bezirk Leipzig und 10 außerhalb des Bezirkes beringt worden. Bei drei Vögeln handelte es sich um sogenannte Auflas­ sungsstörche. Zwei dieser 18 Störche stammten aus dem Raum der Ostzieher, der schon oben genannte aus dem Raum Kochalin, der andere wurde 1936 in der Nähe von Dammgarten (Vorpommern) beringt und verletzt bei Magdeborn ge­ funden. Er kam in den Leipziger Zoo, überlebte aber nicht. Abb. 1: Heimatschrifttitel von Naunhof Von 1952 bis 2009 wurden 566 beringte Störche gefunden und ihre Ringe abge­ Roland Krönert (Oschatz) machte mithilfe lesen. 72 davon stammten nicht aus dem alter Angaben 12 alte Horststandorte im hier behandelten Gebiet. Gebiet zwischen Elbe und Colmberg aus­ findig (Abb. 2). 1949 begann der Beringer Erich Hummitzsch, Auch alte, oft bereits vergilbte Fotos ge­ nachdem er schon vor dem 2. Weltkrieg Stör­ ben exakte Angaben. So zeigt ein Foto che beringt hatte, mit der systematischen von 1939 ein Storchennest auf einem Erfassung der Störche in Nordwestsachsen Strohfeim bei Eschefeld, das allerdings und den angrenzenden Gebieten der ehe­ bei einem Sturm abgeworfen wurde. maligen preußischen Provinz Sachsen. Er bemühte sich, den Storchenbestand auch Hummitzsch verwandte zum Erfassen der rückwirkend zu erfassen. Storchenbrutplätze die Nestkarten der Will man Altbestände erfassen, muss Vogelwarte Radolfzell, befragte vor allem man Publikationen nutzen. Die großen die älteren Einwohner der Dörfer und ornithologischen Zeitschriften sind da­ suchte sich in den „Storchendörfern“ Ver­ für meist ungeeignet. Die aufwändige trauensleute. Durchsicht der örtlichen Veröffentlichun­ Für Nordwestsachsen (ab 1952 Bezirk gen, auch der örtlichen Tageszeitungen, Leipzig), erweitert durch die ehemals preu­ ist hingegen meist ergiebiger (Abb. 1). ßischen Gebiete Schkeuditz, Delitzsch,

Günter Erdmann | Langjähriger Weißstorch-Betreuer im Regierungsbezirk Leipzig 45 Störche in Sachsen

Abb. 2: Chronik von Roland Krönert

Eilenburg und Torgau, konnte er 1950 Jahrhunderts, auch die über den Storch, fünfzehn Horste erfassen. Sicher sind zu sind – von bestimmten „lukrativen“ Ge­ Beginn einige Horste übersehen worden. bieten abgesehen – nicht groß. So wurde Auf ehemals sächsischem Gebiet waren erst 1940 von A. Zieger der alte Horst in es der alte Horst in Malkwitz sowie im Zuge der Wiederbesiedlung ab 1928 die Horste in den Orten Bad-Lausick, Falken­ hain (Abb. 3), Wurzen, Sachsendorf und der schon fast 100 Jahre existierende Horst in Wasewitz an der Mulde.

Unsere Kenntnisse über die Vogelwelt im 19. und der ersten Hälfte des 20. Abb. 3: Der alte Falkenhainer Horst im Juli 1937 mit drei Jungvögeln Foto: A. Zieger

46 Günter Erdmann | Langjähriger Weißstorch-Betreuer im Regierungsbezirk Leipzig Störche in Sachsen

Tab. 1: Entwicklung des Brutbestandes ab 1950 und Zahl der Jungen 1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2009 Zahl der Paare 15 17 34 43 41 56 73 64 77 111 120 72 82 Zahl der juv 34 45 62 86 89 103 156 128 139 184 193 119 158

Wasewitz gefunden, trotz intensiver Insgesamt flogen ab 1950 bis zum Jahr Beobachtungen solch bekannter Orni­ 2009 6885 Jungstörche aus. Im gleichen thologen wie H. Lindner und W. Salsmann Zeitraum wurden 360 nicht erbrütete Eier vom Ornithologischen Verein zu Leipzig. und außerdem 94 Gelege erfasst, deren Über den Storch ist nur wenig in den Eizahl nicht festgestellt wurde. Geht man Protokollen des Leipziger Vereins nie­ hier von 3 Eiern pro Gelege aus, sind das dergelegt, über brütende Störche findet mindestens 282, zusammen mindestens man fast gar keine Informationen. Wenn 640 nicht erbrütete Eier. Auch wenn ein überhaupt, dann ist die Rede vom „preu­ Teil davon taub war, ist das doch ein ßischen Storch“ in Papitz, drei Kilometer nicht unerheblicher Verlust. Und sicher von der Landesgrenze entfernt und mit ist sowohl bei den Eiern wie auch bei den der Straßenbahn erreichbar. Selbst über Jungen die Zahl der toten noch höher. diesen Horst gibt es wenige konkrete An­ 823 tote Jungvögel in Horsten oder deren gaben. unmittelbarem Umfeld, die einem Horst F. Hörn, der Kreisnaturschutzbeauftragte zugeordnet werden konnten, wurden von Delitzsch, fasste für den damaligen erfasst. 31 Bruten gingen verloren, und Kreis Delitzsch das Storchenvorkommen geht man auch hier von 3 Jungstörchen von 1934 bis 1937 zusammen. Er konn­ pro Brut aus, sind das 919 tote Junge im te 6 besetzte Horste in Doberschütz, Zeitraum der betreffenden Jahre. Dörfchenmühle, Gostemitz, Lindenhayn, Oberglaucha und Scholitz und 2 unbe­ Die Ursachen beziehungsweise die Ver­ setzte Horste in Sprotta und Zschepen ursacher der Verluste sind: Kämpfe, nachweisen. Zuvor, im Jahr 1933, waren Witterung, Nahrungsmangel, Kolkraben, nur die Horste in Doberschütz und Ober­ Roter Milan, Raubsäuger (vor allem Mar­ glaucha vorhanden. der) und natürlich auch menschliche Störungen (Baumaßnahmen in der Nähe Hummitzsch war der Erste, der zaghaft über der Horste), Aufgabe von Gelegen bezie­ die Landesgrenze hinausging. 1950 hungsweise Bruten infolge des Verlustes konnte er 15 Horste erfassen, mehrheit­ von Altvögeln zum Beispiel durch Krank­ lich im Mulde/Elbe Bereich. Doch sicher heiten (ein Storch in Wermsdorf hatte gab es im Elbebereich, besonders in „Ost­ Hepatitis) oder durch Anflug an Stromlei­ elbien“, noch diesen oder jenen damals tungen. Insgesamt gingen während der nicht gefundenen Brutplatz. Brut 57 Altvögel ­verloren.

Günter Erdmann | Langjähriger Weißstorch-Betreuer im Regierungsbezirk Leipzig 47 Störche in Sachsen

Von den 3248 beringten Störchen wurden 2005 wurde der niedrigste Stand mit nur 678 Störche abgelesen (zum Teil mehrfach) 119 flüggen Jungen erreicht. 2009 hatten beziehungsweise tot gefunden. 202 Stör­ wir wieder 96 Brutpaare, die 158 Junge che erreichten das brutfähige Alter nicht. zum Ausfliegen brachten. 2010 waren es 92 Paare mit 146 Jungen. Diese Ergebnisse waren nur zu ermitteln dank der intensiven Arbeit der Beringer Allgemein wird gesagt, dass im Schnitt E. Hummitzsch, W. Kunze, W. Engelmann und zwei Junge pro Horst erforderlich sind, D. Heyder sowie der Kreisbetreuer, die um die Storchenpopulation zu halten. jährlich mehrfach die Horste besuchen Sieht man sich die Reproduktionsrate in und die Brutergebnisse, Verluste und Be­ unserem Bezirk unter diesem Gesichts­ sonderheiten erfassten. Trotzdem sind punkt an, ergibt sich folgendes Bild: die Verluste an einigen Horsten unzurei­ • 1950 - 1959 = 1,91 Junge je Horstpaar chend bekannt. bei vorwiegend kleinbäuerlicher Pro­ Konkrete Untersuchungen in einzelnen duktion Jahren ergaben, dass rund ein Drittel der • 1960 - 1969 = 1,74. Übergang der Land­ Jungen im Horst oder im engeren Um­ wirtschaft zur genossenschaftlichen kreis der Horste verendete. Besonders Produktion katastrophal war das Jahr 1953; 16 Paare • 1970 - 1979 = 2,08. Übergang zur Groß­ brachten nur 9 Junge zum Ausfliegen (es produktion, Fütterung vorwiegend mit war ein sehr nasses Jahr). Schlechte Jahre Grünfutter in der Vegetationsperiode waren auch 1961,1967, 1996 und 2003 • 1980 - 1989 = 2,05. Schaffung großer mit 1,4; 1968 mit 1,2; 1991 mit 1,3; 1997 Rinderbestände mit 1,2 und 2001 mit 1,5 ausgeflogenen • 1990 – 1999 = 1,74. Umbruch in der Jungen pro Horst. Landwirtschaft, drastische Verringe­ Gute Jahre mit zwei und mehr Jungen rung der Rinderbestände, weitgehende waren 1950, 1954, 1957, 1965, 1966, 1970 Einstellung der Grünfütterung – 1974, 1978, 1983, 1987, 1990, 1991 und • 2000 - 2009 = 1,70. Weitere Verringe­ zuletzt 1993. rung der Ackerflächen und Übergang Erstmals wurden 1971 mehr als 100 Jun­ zu „Hochstaudenkulturen“ (Raps, Mais, ge flügge (42 Paare brachten 112 Junge Sonnenblumen, Getreide), Aufgabe zum Ausfliegen). Ab 1974 waren es in je­ der Grünfutterproduktion dem Jahr über hundert, 1994 flogen 230 Junge aus, und 1998 wurde der höchste Diese Reproduktion ist nicht ausreichend Stand mit 250 Jungen erreicht. Seitdem für die Erhaltung des Bestandes. Der An­ sinkt die Zahl der Brutpaare und damit stieg der Population kann also nur durch auch die Zahl der flüggen Jungvögel. Zuzug aus anderen Gebieten erfolgt sein.

48 Günter Erdmann | Langjähriger Weißstorch-Betreuer im Regierungsbezirk Leipzig Störche in Sachsen

Woher diese Störche kamen, kann nur Soweit uns überliefert ist, brüteten im unzureichend ermittelt werden, da die 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts meisten unberingt waren. in unserem Gebiet die Störche vor allem auf Dächern und Bäumen. Der Versuch, Soweit durch Ringablesungen bei Brut­ auf Essen von Brennereien, Ziegeleien störchen festgestellt werden konnte, und Molkereien zu bauen, wurde unter­ kamen jeweils knapp 50 Prozent der bunden, da diese „Nistplätze“ in der Regel Störche aus dem Bezirk Leipzig be­ noch befeuert wurden. Der erste Nistplatz ziehungsweise aus den sich nördlich auf einem Dreibock wurde in Malkwitz er­ anschließenden Gebieten von Sachsen- richtet; bis dahin brüteten die Malkwitzer Anhalt beziehungsweise aus dem Gebiet Störche auf einer in den letzten Jahren Riesa-Großenhain. Vereinzelt tauchten in vollständig abgestorbenen Linde. Eine den letzten Jahren Störche mit Ringen auf dem nahen Kirchendach angebrachte aus Frankreich beziehungsweise von der Nestunterlage nahmen die Störche nicht Vogelwarte Radolfzell auf, 2010 einer mit an, doch der aufgestellte Dreibock wird einem Ring der Vogelwarte Helgoland. Ei­ bis heute als Nistplatz genutzt. nige dieser Vögel waren als verletzte Tiere beringt worden, und es blieb unklar, wo sie erbrütet wurden.

Auf der Rückseite der Publikation über das Artenschutzprogramm Sachsens ist ein beringter Storch abgebildet; der Ring trägt deutlich lesbar die Aufschrift Madrid, aber leider ist die Nummer nicht erkennbar. Das Foto wurde in Pressel aufgenommen, dort hat der Storch auch gebrütet. Funde aus östlichen Gebieten (Polen, Ukraine) gibt es nur wenige.

Unsere Störche siedeln vor allem nördlich unserer Region und in Richtung Südost. Aus den letzten Jahren liegen Meldungen über Störche aus Baden und Nieder­ sachsen vor und je ein Brutnachweis aus Österreich und Tschechien. Abb. 4: Horst Burkartshain Foto: Ralf Mäkert

Günter Erdmann | Langjähriger Weißstorch-Betreuer im Regierungsbezirk Leipzig 49 Störche in Sachsen

Dazu gehört der 1960 errichtete Horst auf einem Mast auf dem Dorfplatz in Burkartshain (Abb. 4). 100 Junge flogen bisher hier aus. Ein Gelege ging verloren, 4 Eier waren taub. 19 Jungvögel starben im Horst oder in Horstnähe

Nach dem 2. Weltkrieg wurden die Bren­ nereien der ehemaligen Güter stillgelegt, später stellten auch die kleinen Molke­ reien auf den Dörfern die Produktion Horst Schöna 1960. Zusammengebundene Leitern boten oft die einzige Möglichkeit, die Beringung durchzuführen. An der ein, ebenso viele der kleineren Ziegelei­ Leiter auf dem Dach: E.Hummitzsch. Foto: Fiebig en. Die Essen dieser Betriebe boten sich als Nistplätze an und wurden in vielen Fällen angenommen. Nach dem Beitritt der DDR zur BRD wurden die meisten Gärtnereien stillgelegt beziehungsweise stellten die Heizung von Kohle auf Gas um. Kleinere Betriebe auf den Dörfern hat die „Treuhand“ stillgelegt, und sie ver­ fielen allmählich. In vielen Fällen blieb die Esse stehen und trägt heute einen Stor­ chenhorst. Auch die Heizhaus-Essen der Futterhäuser aufgelöster Genossenschaf­ Horst Schöna 2002. Nach Auflösung der LPG verfällt das Gebäude. Eine Nestunterlage, die den Störchen in der Nähe ten und Volkseigener Güter sind heute angeboten wurde, haben sie verschmäht. Foto: Erdmann begehrte Neststandorte.

Den nächsten Horst auf einem Mast er­ Meist sind diese Essen die höchsten Punkte richteten die Störche selbst. Nachdem sie in den Orten, von denen die Störche einen zwischen die Stromdrähte gebaut hatten, guten Überblick über ihr Revier haben. Äl­ wurde vom Energiebetrieb eine Horstun­ tere Menschen konnten noch erleben, dass terlage aufgesetzt, die bis heute genutzt die Störche mit lang gerecktem Hals auf wird. Seitdem sind Bruten auf Masten dem Horst standen und die Futterbrigaden immer häufiger geworden. Gegenwärtig beobachteten, die zur Grünfutterernte aus­ befindet sich etwa ein Drittel der Horste rückten. Die Störche liefen dann hinter den auf Masten. Mähheckslern her, um aufzulesen, was bei der Mäharbeit freigelegt wurde.

50 Günter Erdmann | Langjähriger Weißstorch-Betreuer im Regierungsbezirk Leipzig Störche in Sachsen

Heute sind Horste auf Dächern selten und vorwiegend auf den östlichen Teil unse­ res Gebietes beschränkt.

Der Horst in Gostemitz am Rande des Endmoränengebietes bei Taucha (Abb. 5) wog, als er vom Dach entfernt und abtransportiert wurde, 20 Zentner (Leip­ ziger Volkszeitung vom 23.06.1960). Die Grenze zwischen Ost- und Westzie­ hern geht durch unser Gebiet. Von den Blick vom Horst Seebenisch auf die Ackerflur westlich von oben erwähnten 566 Wiederfunden sind Leipzig Foto: Dietmar Heyder 60 eindeutig der Westroute zuzuordnen, in der Mehrzahl aus dem westlichen Teil des Gebietes. Es wurden aber auch 8 Störche aus dem Altkreis Torgau auf dieser Route nachgewiesen. Aus den letzten Jahrzehnten gibt es keinen Nach­ weis aus Westafrika. Die Zugroute führt über die Schweiz und Südfrankreich zur Iberischen Halbinsel. Die Störche der Ostroute fliegen bis Südafrika. Es gibt mehrere Nachweise aus dem Gebiet, in dem „Prinzesschen“ den Winter verbrach­ Abb. 5: Horst Gostemitz Foto: Bischoff te und auch ihr Ende fand.

Günter Erdmann | Langjähriger Weißstorch-Betreuer im Regierungsbezirk Leipzig 51 Störche in Sachsen

Zur Populationsökologie sächsischer Weißstörche – eine Übersicht

Dr. Joachim Ulbricht

Gestatten Sie mir, zu Beginn meines Vor­ viele Aspekte der Populationsökologie trages an einen Mann zu erinnern, der dargestellt sind (Creutz 1985). sich um die Erforschung der Populations­ ökologie des Weißstorches in Sachsen Nun ein kurzer, sehr einfacher Über­ sehr verdient gemacht hat, an Dr. Gerhard blick zur Populationsökologie des Creutz, den früheren Leiter der Vogel­ Weißstorches. Kenntnisse dazu sind für schutzwarte Neschwitz (Abb. 1). Er wirkte das Verständnis der Bestandsdynamik an vielen Untersuchungen mit, und aus und schließlich für den Schutz der Art von seiner Feder stammt auch die in der Rei­ großer Bedeutung. Diese Zusammen­ he „Neue Brehm-Bücherei“ erschienene hänge sind für die sächsischen Störche Monografie zum Weißstorch, in der sehr bereits von Bässler et al. (2000) ausführ­ lich dargestellt worden.

Die Populationsgröße (der Bestand) wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst, was anhand eines Schemas (Abb. 2) ver­ anschaulicht werden soll. Die Population erhält zum einen Zugänge durch die ei­ gene Reproduktion, das heißt Jungvögel, die sich nach Erreichen der Brutreife im Alter von 3 bis 4 Jahren, mitunter aber auch erst später, in ihrem Geburtsgebiet ansiedeln. Zum anderen findet eine Im­ migration, das heißt Einwanderung von Störchen aus anderen Gebieten, statt. Dabei kann es sich sowohl um Jung- störche (Erstansiedler) als auch um Vögel handeln, die in den Vorjahren außerhalb Sachsens gebrütet haben (Umsiedler). Andererseits gibt es Abgänge durch die Sterblichkeit (Mortalität). Doch nicht alle Vögel, die nicht in ihr vorheriges Brut­ gebiet zurückkehren, sind gestorben. Abb. 1: Dr. Creutz (1911-1993) (rechts) bereitet die Beringung junger Weißstörche vor. Foto: R. Schipke 52 Dr. Joachim Ulbricht | Sächsische Vogelschutzwarte Neschwitz Störche in Sachsen

Nahrung Ansiedlungs- bedingungen

Reproduktion Zugänge Immigration

Wetter soziale Faktoren Poplationsgröße (Bestand) Nahrung Ansiedlungs- bedingungen

Sterblichkeit Abgänge Emigration

Gefahren soziale Faktoren Abb. 2: Schematische Darstellung der Beziehungen in einer Weißstorchpopulation

Sie können sich auch außerhalb unserer potenzieller Fremdansiedler wird vom Population angesiedelt haben, das heißt Fortpflanzungserfolg und vom daraus ausgewandert sein. All diese Größen resultierenden Populationsdruck mitbe­ werden beeinflusst von verschiedenen stimmt. Faktoren, von denen hier einige wichtige • Die Sterblichkeit wird auch vom Nah­ genannt seien: rungsangebot beeinflusst und von den • Die Reproduktion, der Fortpflan­ Gefahren, denen die Vögel ausgesetzt zungserfolg, hängt natürlich von den sind. Nahrungs- und Witterungsbedingungen • Die Auswanderung ist wie die im Brutgebiet ab. Eine große Rolle spie­ Einwanderung von den Ansiedlungs­ len aber auch die Verhältnisse außerhalb bedingungen abhängig, das heißt, des Brutgebietes, also im Winterquartier schlechte Bedingungen führen zu und auf dem Zug, denn sie haben Ein­ einer erhöhten Abwanderung von fluss auf die Kondition der Störche und Jungstörchen beziehungsweise sind somit auch auf ihren Bruterfolg. Ob der Grund dafür, dass sie sich nicht bei fremde Vögel in unsere Population ein­ uns ansiedeln. Auch hier können sozi­ wandern, hängt auch entscheidend von ale Faktoren von Bedeutung sein. den Lebensbedingungen ab, welche sie hier vorfinden. Zudem spielen sozi­ Die Bestimmung der Populationsgröße ale Faktoren dabei eine Rolle. Die Zahl erfolgt in Sachsen und in den anderen

Dr. Joachim Ulbricht | Sächsische Vogelschutzwarte Neschwitz 53 Störche in Sachsen

Abb. 3: Aktuelle Verbreitung und Häufi gkeit des Weißstorches in Sachsen. Vorläufi ge Ergebnisse der landesweiten Brutvogelkartie- rung im Zeitraum 2004 bis 2007. Quelle: Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie und Vogelschutzwarte Neschwitz

Bundesländern durch die jährliche Erfas­ Zeitabschnitten darzustellen. Abbildung sung der Weißstorchpaare. Diese wird von 4 zeigt die Entwicklung des sächsischen den Horstbetreuern und weiteren Per­ Weißstorchbestandes im Zeitraum 1962 sonen vorgenommen; die Kreisbetreuer bis 2008. Nach einer kontinuierlichen Zu­ und Artspezialisten führen die Ergebnisse nahme des Bestandes bis zum Jahr 1980 zusammen. ging dieser in den 1980er Jahren leicht Abbildung 3 zeigt die Verbreitung und zurück, um dann bis zum Ende der 1990er Häufi gkeit des Weißstorches in Sachsen. Jahre erneut anzusteigen. Seit ungefähr Es sind deutliche Vorkommensschwer­ zehn Jahren geht die Zahl der Horstpaare punkte in NW­, Mittel­ und Ostsachsen wieder deutlich zurück. erkennbar. Der für populationsbiologische Betrach­ Auf der Grundlage der jährlichen Er­ tungen wichtige Faktor Bruterfolg wird fassungsergebnisse ist es möglich, die bei den jährlichen Bestandserhebungen Bestandsentwicklung in bestimmten durch die Horstbetreuer mit erfasst. Von

54 Dr. Joachim Ulbricht | Sächsische Vogelschutzwarte Neschwitz Störche in Sachsen

500

450 HPa HPa3M 400

350 2008 300 aa re

p 250 Brut 200

150

100 HPa3M i = (HPa i-2 + HPa i-1 + HPa i ) / 3 50

0 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2020 Jahr Abb. 4: Bestandsentwicklung des Weißstorches in Sachsen im Zeitraum 1962 bis 2008. Bei der rot dargestellten Linie (HPa3M) handelt es sich um eine geglättete Kurve. Quelle: NSI Dresden (2010)

Interesse sind hierbei nicht nur die Zah­ tig sind aber auch die Bedingungen im len (fast) flügger Jungvögel je Horstpaar Winterquartier und in den Rastgebieten beziehungsweise erfolgreichem Horst­ auf dem Heimzug, denn diese haben paar, sondern auch Angaben zu den Einfluss darauf, in welcher Kondition die Verlustursachen. Abbildung 5 zeigt das Störche zu uns zurückkehren. für den Weißstorch typische Auf und Ab des Bruterfolges. Solche Schwankungen Während der Bestand und der Fortpflan­ sind ganz natürlich in einer Population; zungserfolg sich gut durch Beobachtung sie spiegeln die von Jahr zu Jahr wech­ erfassen lassen, sind einige andere Po­ selnden Bedingungen im Brutgebiet pulationsparameter nur mithilfe der wider. Besorgniserregend ist hingegen Beringung zu ermitteln. Die Beringung der nun schon seit einiger Zeit festzustel­ von Weißstörchen hat in Deutschland lende Abwärtstrend. und insbesondere auch in Sachsen eine lange Tradition. Ein Schwerpunkt lag Das Reproduktionsergebnis wird von und liegt dabei in Ostsachsen, wo im verschiedenen Faktoren bestimmt. Im Laufe der Jahrzehnte – unter anderem Brutgebiet sind das vor allem die Wit­ von Dr. Creutz und seinen Helfern – Tau­ terung und das Nahrungsangebot. sende nestjunger Weißstörche markiert Letzteres hängt nicht unwesentlich vom worden sind. Aus dem Wiederfund ei­ Zustand der Nahrungshabitate ab. Wich­ nes beringten Vogels ergeben sich

Dr. Joachim Ulbricht | Sächsische Vogelschutzwarte Neschwitz 55 Störche in Sachsen

Abb. 5: Bruterfolg des Weißstorchs (flügge Junge pro Brutpaar) in Sachsen im Zeitraum 1961 bis 2006. Die rote Linie zeigt den Abwärtstrend. Quelle: NSI Dresden (2010)

dann verschiedene Informationen im dieses aus populationsökologischer Sicht Hinblick auf den Zugweg, das Überwin­ von besonderem Interesse ist. terungsgebiet, das Alter etc. Neben den Zufallsfunden (meist Totfunden) gibt es Die Beringung von Weißstörchen in auch die Möglichkeit zur Ablesung von den östlichen Bundesländern, dem Ringen aus der Entfernung. Man benötigt Zuständigkeitsbereich der Beringungs­ dazu in der Regel eine stark vergrößernde zentrale Hiddensee, findet im Rahmen Optik (Spektiv) und etwas Geduld. Alle Or­ eines zentralen Beringungsprogramms nithologen sind zur Ablesung beringter in bestimmten Regionen statt. Ziel des Weißstörche aufgerufen. Um die Ablesbar­ Programms ist nicht nur eine gewisse keit zu verbessern, werden seit einiger Zeit Anzahl jährlicher Beringungen, sondern spezielle Ringe verwendet (siehe Abb. 6). auch eine intensive Kontrolle beringter Bei Feststellung eines beringten Storches, Vögel durch die Beringer oder andere zum Beispiel durch einen Horstbetreuer, Personen. In den vergangenen 15 Jah­ könnte unter Umständen ein Ornithologe ren sind in Ostdeutschland – ungefähr aus der Region um Ablesung gebeten be­ ­gleichbleibend – im Durchschnitt etwa ziehungsweise bei der Vogelschutzwarte 1100 Weißstörche im Jahr markiert wor­ diesbezüglich angefragt werden. In jedem den; die Anzahl der Ringablesungen pro Falle sollte auch festgestellt werden, ob Jahr stieg dagegen in diesem Zeitraum der Vogel zu einem Brutpaar gehört, da stark an: von etwa 500 auf über 1000.

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Abb. 6: Beringung von Jungstörchen Foto: M. Keitel

Dadurch ergibt sich insbesondere im Hin­ einfachen Methode ermittelten Werte blick auf populationsökologische Fragen konnten durch andere Untersuchungen, ein deutlicher Kenntniszuwachs. unter anderem mithilfe der Computersi­ mulation, weitgehend bestätigt werden. Aufgrund der Totfunde von Störchen Solche Aussagen sind unter anderem lassen sich Überlebensraten bestimmen, für die populationsökologische Bilanz das heißt Angaben zur Sterblichkeit wichtig, zum Beispiel das Verhältnis von gewinnen. So ergab eine Analyse der Sterblichkeit und Bruterfolg. Wiederfunde sächsischer Ringvögel Im Zusammenhang mit dem Thema (uLBricht et al. 2000), dass im 1. Lebensjahr Sterblichkeit sind auch die Todesursa­ ungefähr 57 % der jungen Weißstörche chen von Interesse. Angaben dazu fallen sterben, das heißt 43 % überleben bis meist bei der Meldung der Wiederfun­ zum nächsten Jahr. Ab dem 2. Jahr pegelt de an. Daraus kann beispielsweise für sich die Sterblichkeit auf einen Wert von die sächsischen Weißstörche abgeleitet etwa 21 % ein, somit überleben etwa 80 % werden, dass die Anfl üge an Mittelspan­ von Jahr zu Jahr. Diese nach einer relativ nungsfreileitungen – mit fast 80 % der

Dr. Joachim Ulbricht | Sächsische Vogelschutzwarte Neschwitz 57 Störche in Sachsen

Abb. 7: Wiederfundorte sächsischer Weißstörche während des Zuges und im Winterquartier. Nach Ulbricht et al.(2000)

Totfunde mit bekannter Ursache – die Die Untersuchung ergab außerdem, dass mit Abstand häufigste Todesursache für sich die Sterblichkeit der Jungstörche sächsische Weißstörche innerhalb Mittel­ im ersten Lebensjahr im Zeitraum 1960 europas sind (Ulbricht & Nachtigall 2000). bis 2000 nahezu verdoppelt hatte, was In den Überwinterungsgebieten hinge­ in erster Linie auf eine Zunahme der Lei­ gen überwiegen andere Todesursachen. tungsanflüge zurückzuführen war. Die

58 Dr. Joachim Ulbricht | Sächsische Vogelschutzwarte Neschwitz Störche in Sachsen

18 Median = 36,5 km 16

14

12 Brutnachweise (n = 320)

10

8

6

4

2

0 -10 -20 -30 -40 -50 -60 -70 -80 -90 -100 -110 -120 -130 -140 -150 -160 -170 -180 -190 -200> 200 Entfernung vom Geburtsort (km) Abb. 8: Ansiedlung in Sachsen beringter Weißstörche (n = 320 Brutnachweise)

Maßnahmen zur Vermeidung von Strom­ In neuerer Zeit hat man zur Erforschung schlag an Mittelspannungsfreileitungen der Zugwege und Überwinterungsge­ gemäß § 41 des Bundesnaturschutzge­ biete verstärkt die Satellitentelemetrie setzes sind somit dringend erforderlich zum Einsatz gebracht, wodurch auch und sollten schnellstmöglich flächende­ einige neue Erkenntnisse ermöglicht ckend umgesetzt werden. wurden. Verschiedene populationsökolo­ gisch bedeutsame Aussagen sind jedoch Bei der Betrachtung der Todesursachen nach wie vor nur durch die Beringung zu und Gefährdungen sind auch Kennt­ erhalten. Hierzu gehören neben den An­ nisse über die Winterquartiere und die gaben zur Mortalität auch solche zu den Zugwege sehr wichtig. In Abbildung 7 Ansiedlungsverhältnissen, das heißt zur sind die Wiederfunde sächsischer Weiß­ Geburts- und Brutgebietstreue sowie zur störche während des Zuges und im Aus- und Einwanderung. Winterquartier dargestellt. Die Linien in dieser Abbildung zeigen die Wiederfund­ Abbildung 8 zeigt die Entfernungen richtungen, welche aber nicht unbedingt zwischen Geburts- und Ansiedlungsort mit den Zugwegen übereinstimmen von in Sachsen beringten Jungstörchen. müssen. Die Wiederfundorte deuten Etwa 50 % der Ansiedlungen erfolgen jedoch darauf hin, dass ein großer Teil un­ nahe am Geburtsort, in einer Entfernung serer Störche die östliche Zugroute wählt. von bis zu 40 km. Doch gibt es auch

Dr. Joachim Ulbricht | Sächsische Vogelschutzwarte Neschwitz 59 Störche in Sachsen

Ansiedlungsentfernungen von über der Grundlage der sächsischen Erfas­ 200 km. Die Ansiedlungsorte liegen sungs- und Beringungsergebnisse kam vorwiegend in NW- beziehungsweise Schimkat (2000) zu dem Schluss, dass der SO-Richtung, was möglicherweise auf hiesige Weißstorchbestand stark von die geografische Ausdehnung Sachsens der Zuwanderung von Ansiedlern aus zurückzuführen ist, aber auch mit dem anderen Gebieten abhängig ist. Die­ Zugverhalten zusammenhängen könnte. se These wird auch durch die Arbeiten Die Ansiedlungsorte liegen in Sachsen dieses ­Autors und weitere Publikatio­ oder in anderen Bundesländern bezie­ nen gestützt. Der Fortpflanzungserfolg hungsweise Nachbarstaaten. der sächsischen Brutvögel reicht seit Die Herkunftsorte von Weißstörchen, die einiger Zeit nicht mehr aus, um den außerhalb Sachsens beringt und später Bestand auf einem guten Niveau zu als Brutvögel oder potenzielle Brutvö­ erhalten. Ursache hierfür ist vor allem gel hier beobachtet worden sind, liegen die Verschlechterung der Ernährungs­ vor allem in Ostdeutschland, aber auch bedingungen in der Umgebung der in Tschechien und Polen sowie anderen Brutplätze. Hinzu kommen relativ hohe Regionen Mitteleuropas. Dass zwischen Verluste, beispielsweise durch Anflüge einzelnen Regionen gewisse Ansied­ an Mittelspannungsfreileitungen, aber lungsbeziehungen bestehen, hat bereits auch durch starken Straßenverkehr, eine Creutz (1982) für die Oberlausitz ausführ­ Gefahr, die stetig zunimmt. Dies alles hat lich dargestellt. zur Folge, dass sich die Zahl potenzieller Geburtsgebietsansiedler verringert. Mit Wie viele Ansiedler aus anderen Regionen, einer starken Bestandsstützung durch zum Beispiel aus Polen, bei uns nachge­ Jungstörche, die aus Osteuropa zuwan­ wiesen werden, hängt auch davon ab, dern, ist aber auf längere Sicht nicht zu wie viele Vögel dort beringt werden. Die rechnen, da sich auch dort die Bedingun­ Zahl der Beringungen in Polen ist jedoch gen in der Agrarlandschaft verändern vergleichsweise gering, was angesichts werden. Die Verbesserung der Nah­ der vielen Brutpaare in diesem Lande rungshabitate und die Reduzierung von nicht verwunderlich ist. Die vorliegenden anthropogenen Verlusten innerhalb Ansiedlungsnachweise polnischer Weiß­ unseres Landes gehören deshalb zu den störche spiegeln deshalb mit Sicherheit vordringlichsten Aufgaben im sächsi­ nicht das wirkliche Ausmaß der Zuwande­ schen Weißstorchschutz. rung aus diesen Gebieten wider. Ich hoffe, es ist durch meine Ausfüh­ Bei seiner Analyse der Bestandsdynamik rungen deutlich geworden, dass dem mittels eines Populationsmodells auf Bestandsmonitoring und der kontinu­

60 Dr. Joachim Ulbricht | Sächsische Vogelschutzwarte Neschwitz Störche in Sachsen

ierlichen Erfassung des Bruterfolges der Eine verstärkte Ablesung von Ringen Weißstörche auch weiterhin eine große wäre sehr wünschenswert. Um nachzu­ Bedeutung zukommt. Beides ist ohne weisen, in welchem Maße unser Bestand die Mitwirkung der zahlreichen Horst- durch Störche aus anderen Ländern (zum und Gebietsbetreuer nicht leistbar und Beispiel Polen) gestützt wird, wäre es not­ erfordert eine zentrale Koordinierung. wendig, die dortige Beringungstätigkeit Auch die Beringung sollte zumindest im zu intensivieren. Sowohl der Schutz als bisherigen Umfang innerhalb des zen­ auch die Erforschung und das Monitoring tralen Programmes fortgeführt und nach der Weißstorchbestände erfordern eine Möglichkeit sogar intensiviert werden. weitere internationale Zusammenarbeit.

Literatur Bässler, R., Schimkat, J. & Ulbricht, J. (2000): Artenschutz­ storch in Sachsen. Materialien zu Naturschutz und programm Weißstorch in Sachsen. - Materialien zu Landschaftspflege. Sächsisches Landesamt für Naturschutz und Landschaftspflege. Sächsisches Umwelt und Geologie, Dresden: 54-58 Landesamt für Umwelt und Geologie, Dresden Ulbricht, J. & Nachtigall, W. (2000): Todesursachen an­ Creutz, G. (1982): Zur Populationsstruktur des Weiß­ hand von Ringfunden. - In: Bässler, R., Schimkat, J. storches (Ciconia ciconia) in der Oberlausitz. – Ber. & Ulbricht, J.: Artenschutzprogramm Weißstorch Vogelwarte Hiddensee 2: 44-58 in Sachsen. Materialien zu Naturschutz und Land­ Creutz, G. (1985): Der Weißstorch (Ciconia ciconia). - schaftspflege. Sächsisches Landesamt für Umwelt Neue Brehm-Bücherei Nr. 375. A. Ziemsen Verlag, und Geologie, Dresden: 52-53 Wittenberg Ulbricht, J., Nachtigall, W. & Kirchhoff, U. (2000): Zug, NSI Dresden (2010): Artenschutzprogramm Weiß­ Ansiedlungsverhältnisse, Sterblichkeit und storch im Freistaat Sachsen 2009. Endbericht. Im Alters-struktur. - In: Bässler, R., Schimkat, J. & Ul­ Auftrag der Sächsischen Vogelschutzwarte Nes­ bricht, J.: Artenschutzprogramm Weißstorch in chwitz. - NABU-Naturschutzinstitut Dresden Sachsen. Materialien zu Naturschutz und Land­ Schimkat, J. (2000): Analyse der Bestandsdynamik mit schaftspflege. Sächsisches Landesamt für Um­ einem Populationsmodell. - In: Bässler, R., Schim­ welt und Geologie, Dresden: 19-36 kat, J. & Ulbricht, J.: Artenschutzprogramm Weiß­

Dr. Joachim Ulbricht | Sächsische Vogelschutzwarte Neschwitz 61 Störche in Sachsen

Eine konsequente Umkehr ist nötig Spontaner Kurzbeitrag zur 1. sächsischen Weißstorchtagung

Horst Köppler

Zweifellos ist es wichtig, dass sich der NABU Obstgarten siebzehn Großbäume alter im 20. Jahr seines Bestehens erstmals in Sorten verliert! Man kann zwar neue Bäu­ Sachsen in einer Tagung seinem Wappen­ me pflanzen, aber es fehlt dann das Flair, tier widmet. Der Weißstorch genießt viele die Ehrfurcht vor dem Alten… Sympathien unter der Bevölkerung und Besonders schmerzt mich der Verlust ist daher der beste Transporteur für alle der Storchenbrut auf unserem Dach. Die Anliegen, die unseren Lebensraum betref­ Störchin wurde vom Sturm gegen das fen. Auf dieser Tagung möchte ich einige Nachbargebäude geschleudert und lag mit Anregungen dafür geben, im gesellschaft­ vielen Frakturen an Beinen, Flügeln und lichen Handeln neue Wege zum Schutz Hals tot auf dem Hof des Nachbarn (Abb. 1). der Natur einzuschlagen! Ebenfalls zum Thema Klimawandel gehört Folgendes: Es ist völlig unver­ Im Jahr 1989, während der gesellschaft­ ständlich und eine Schande, dass in der lichen Wende, habe ich zusammen mit jetzigen Zeit, da speziell für Nordsach­ einem gleichgesinnten Freund ein Plakat sen eine zunehmende Austrocknung getragen, darauf stand: „Für eine ökologi­ der Landschaft prognostiziert wird, sche Veränderung der Gesellschaft! Es ist nach wie vor Meliorationsmaßnahmen fünf Minuten vor zwölf, packen wir es an!“ durchgeführt werden! Es wird konträr zu Leider gilt diese Losung weltweit heute bestehenden Erkenntnissen immer noch noch genauso wie vor zwanzig Jahren, an für den schnellen Abfluss des Wassers aus unserer Situation hat sich grundsätzlich der Landschaft gesorgt! Das dürfte unter nichts geändert. keinen Umständen geduldet werden! Bachauen und diverse Meliorations­ Das zeigte auch der Tornado vom Pfingst­ gräben werden zumeist bis an den montag in Nordsachsen, der auch unser Gewässerrand landwirtschaftlich ge­ Grundstück massiv getroffen hat! Der nutzt. Auch das dürfte es nicht mehr Schaden an den Gebäuden wird relativ geben. In der Bezeichnung Landwirt schnell behoben sein, und danach sieht steht schließlich das Land an erster Stelle, es wieder so aus wie vorher oder sogar und es ist mit dieser Bezeichnung nicht besser. Doch es wird viele Jahrzehnte vorgegeben, dass das Land zerwirtschaf­ dauern, bis die Wunden an der Natur ge­ tet werden darf! heilt sind. Es blutet das Herz, wenn man Wer reguliert eigentlich die Landnut­ in einem großen, über hundertjährigen zung? Allein der Markt?! Man sieht

62 Horst Köppler | Naturschutzhelfer / Artbetreuer Weißstorch im Altkreis Großenhain Störche in Sachsen

Energiepflanzen, wohin das Auge reicht, Raps, Mais, und es gibt keine sinnvollen Fruchtfolgen, es geht nur ums schnel­ le Geld, um Fördermittel. Es fehlt in der modernen Gesellschaft der Respekt, die Hochachtung, vor dem Land und dem Wasser!

Wie sollte eine ökologische Gesellschaft aussehen? Positionspapiere dazu exi­ stieren mehr als genug! Es muss aber auch Veränderungen an bestehenden Abb. 1: Die brütende Störchin vom Weißstorchhorst auf unse- rem Dach hat der Sturm getötet (auch andere Storchenbruten Gesetzen und Praktiken geben! Und dies hier in der Großenhainer Landschaft waren betroffen). Das schmerzt sehr! in Sachsen als initiierendes Vorbild, in Deutschland und der EU als Vorreiter für ein globales Umorientieren! Fördermit­ tel sind gut, sie müssen aber mit klaren Bedingungen zum Nutzen der Natur ver­ bunden sein! Wer Landwirtwirtschaft betreiben will, muss einen Tribut an die Natur zahlen, andernfalls hat er nicht das Recht, Land­ wirt zu sein! Es ist eine Flächengröße festzulegen, die sich in Prozent an der jeweiligen Betriebswirtschaftsfläche ori­ entiert und extensiv bewirtschaftet wird Abb. 2: Ein lohnenswertes Diskussionsthema sind temporäre Feuchtstellen in der genutzten Agrarfläche! Hier müssen Lö- beziehungsweise voll dem Naturschutz sungen her, die daraus dauerhafte Trittstellen in der immer dient! An Gewässern muss prinzipiell ausgeräumteren Landschaft werden lassen! ein naturbelassener Streifen unbewirt­ beschriebenen Weise mit Begleitstreifen schaftet bleiben oder gegebenenfalls ausstattet, sollte Extraprämien bekom­ extensiv bewirtschaftet werden. Je nach men. Jeder landwirtschaftliche Weg Gewässergröße sollte dieser Streifen (auch die Verkehrsstraßen!) muss einen beidseitig 5, 10, 20, 50 Meter breit sein. Baum- oder Heckenbestand haben! Me­ Und wer naturbelassene Flächen mit­ liorationsmaßnahmen sind prinzipiell zu einander vernetzt, beispielsweise mit verbieten! Generell muss Naturschutz Feldgehölzen, die Entwässerungsgrä­ einen höheren gesellschaftlichen Stellen­ ben tangieren, wer die Gräben in der wert erhalten.

Horst Köppler | Naturschutzhelfer / Artbetreuer Weißstorch im Altkreis Großenhain 63 Störche in Sachsen

aufgenommenen) Maßnahmen an Mittel­ spannungsleitungen sind auch bei den Bahnanlagen Sicherungsmaßnahmen not­wendig! Sicher nicht flächendeckend an allen Bahnkilometern, aber an Ab­ schnitten, über die man sich verständigen müsste! Auch die Bahn hat wie alle Unter­ nehmen einen Beitrag zur Erhaltung der Natur zu entrichten (Abb. 3)!

Wenn wir solche Forderungen einmal lo­ Abb. 3: Beispiel für elektrifizierte Bahnanlagen. Neben der gisch auf uns alle beziehen, dann heißt bereits im Naturschutzgesetz verankerten Sicherungspflicht für Mittelspannungsanlagen der Stromversorger muss auch das, es ist eine Öko- beziehungsweise eine Lösung für Bahnstreckenbereiche mit hohem Gefähr- dungspotenzial geschaffen werden. Natursteuer für jedermann einzuführen, weil fast alles, was der Mensch tut, zu Eine andere Forderung ist die Änderung Problemen im Naturhaushalt, in unserer der Baugesetze! Für jede Bauaktivität Lebensumwelt, führt! Zwar gibt es bereits müsste ein Tribut an die Natur entrich­ auch positive Errungenschaften wie die tet werden! Ich meine damit nicht die Ausweisung der Nationalparks oder das Ausgleichsmaßnahmen, zu denen es Grüne Band, den ehemaligen Grenzstrei­ bei größeren Bauvorhaben schon Vor­ fen, usw., aber das reicht bei Weitem nicht gaben gibt, sondern eine Leistung, die aus! sich prozentual am Volumen der Bautä­ Der Maßstab für eine Natursteuer für tigkeit orientiert. Zum Beispiel sollten jedermann, für jedes Unternehmen und in beziehungsweise an Gebäuden prin­ jedes Geldinstitut wäre der ökologische zipiell geeignete Niststätten für diverse Fußabdruck, der Fußabdruck des Einzel­ Bewohner eingerichtet werden, denn der nen, der Familie, der Gemeinde, Kommu­ Mensch muss wieder lernen, mit der Na­ ne, der Kreise, der Regierungsbezirke, der tur zu leben… Bundesländer, der Bundesrepublik, der Europäischen Union. Was speziell den Vogelschutz betrifft, möchte ich darauf aufmerksam machen, Im Interesse der Ökologie sollte auch dass Sicherungsmaßnahmen an den Elek­ darauf verzichtet werden, Waffen für den troanlagen der Bahn energischer gefor­ Krieg zu produzieren. Deutschland steht dert werden müssen. Neben den schon hier ganz vorn auf der Liste, ist einer der im Gesetz verankerten (nur auf Forderung größten Waffenexporteure …, und es ist und nach langjährigem Kampf des NABU ziemlich pervers, wenn zum einen in der

64 Horst Köppler | Naturschutzhelfer / Artbetreuer Weißstorch im Altkreis Großenhain Störche in Sachsen

Presse von den Gewinnen der Deutschen nicht essen kann! So lange darf aber nicht Rüstungsindustrie und der Schaffung gewartet werden. von Arbeitsplätzen berichtet wird und wenn andererseits solche Firmen als Viel wäre noch zu sagen, aber das würde Spender für Naturschutzprojekte auftre­ den Rahmen eines kurzen spontanen Bei­ ten. trags überschreiten. Eins sollte jedoch klar sein: dass ohne Wenn die Gesamtgesellschaft nicht auf­ wirkliche Umkehr, ohne fundamentale Än­ hört, sich selbst zu belügen, wird es keine derungen, auch unseres Lebensstils, Natur Trendwende geben. Was uns hier weiter­ und Umwelt nicht dauerhaft vor Zerstö­ hilft, ist eine Abkehr von Geldgier und rung bewahrt werden können. Fangen Sie maßlosem Konsum. Fast jeder kennt die also an und überzeugen Sie auch andere Indianerweisheit über den Weißen Mann: Menschen von der Notwendigkeit, kleine dass er erst merken muss, dass man Geld Schritte in die richtige Richtung zu tun.

Horst Köppler | Naturschutzhelfer / Artbetreuer Weißstorch im Altkreis Großenhain 65 Störche in Sachsen

Neue Anforderungen an die Weißstorch-Kreisbetreuer in Sachsen

Heike Panzner

Das Kreisbetreuersystem im Freistaat der Störche im Brutgebiet beziehungs­ Sachsen basiert auf der Struktur der Alt­ weise zum Wegzug ins Winterquartier, kreise und hat sich über viele Jahre gut zu den bevorzugten Nahrungsflächen, bewährt. Wir möchten deshalb auch wei­ zu beringten (mit Angabe der Ringnum­ terhin an dieser Altkreisstruktur festhalten, mer), aber auch unberingten Störchen, um den altbekannten Zuständigkeits­ Storchenkämpfen, zu Horstwechsel, bereich eines jeden Kreisbetreuers nicht Totfunden und Todesursachen bezie­ nach jeder Kreisreform an die neuen Kreis­ hungsweise Ausfall von Horstpaaren. grenzen anpassen zu müssen. Bei den Nahrungsflächen interessieren uns besonders deren Größe, die Bewirt­ Bisher werden dem NABU-Naturschutzin­ schaftungsweise (extensiv, intensiv), die stitut Dresden nach einer Erfassungsperi­ Nutzungsart (Acker, Grünland usw.) und ode von den Kreisbetreuern neben dem die Entfernung dieser Flächen vom Horst­ Status aller bisher bekannten Horste auch standort. Sicher ist es vielen Betreuern neue Horststandorte beziehungsweise ab­ nicht möglich, uns diese zusätzlichen gebaute Horste gemeldet. Gegebenenfalls Informationen zu liefern, aber es wäre kommen weitere Informationen (zum Bei­ bereits von Nutzen, wenn solche Daten – spiel über Totfunde) hinzu. Wichtig ist, dass auch teilweise – für einige wenige Horste wir bei der Meldung neuer Horststandorte in Sachsen ermittelt werden könnten. So auch die Hoch- und Rechtswerte erhalten, dienen zum Beispiel die Angaben zu den um den Horststandort genau lokalisieren Weißstorchverlusten als wichtige Grund­ zu können; bei einigen Standorten weist lage, um Gefahrenquellen für unsere der Datenbestand diesbezüglich immer Störche zu beseitigen. noch Lücken auf. Ebenso wertvoll sind An­ Aus den uns gemeldeten Daten zu den gaben zu Totfunden, Ringfunden, Hand­ Mortalitätsursachen von adulten unbe­ aufzuchten, Horstkämpfen usw., die uns ringten Altstörchen ergibt sich für die bisher noch nicht von allen Betreuern ge­ Jahre 2000 bis 2009 bei fast 50 Prozent meldet werden. der zu Tode gekommenen Altstörche Ab dem kommenden Jahr erhoffen wir leider keine klare Aussage zur Todesursa­ uns von den Weißstorchbetreuern weite­ che. Für den gleichen Zeitraum muss aber re zusätzliche Informationen, sofern sich festgestellt werden, dass über 50 Prozent der Erfassungsaufwand in zumutbaren der flüggen unberingten Weißstörche Grenzen hält: Angaben zur Ankunftszeit Freileitungsopfer sind.

66 Heike Panzner | NABU-Naturschutzinstitut Dresden Störche in Sachsen

Aus diesen Ergebnissen lassen sich Weiterführende Ziele, auf die wir zur folgende Fragen ableiten, die leider rück­ Verbesserung des Weißstorchschutzes wirkend nicht mehr beantwortet werden hinarbeiten müssen, sind unter ande­ können, unter anderem auch deshalb ren: nicht, weil uns bisher nicht alle Totfunde • die unbedingte Durchsetzung des gemeldet wurden: § 41 des Bundesnaturschutzgesetzes Welche beziehungsweise wie viele Todes­ zur Minimierung des Vogeltodes an opfer gab es in den Brutgebieten in den elektrischen Freileitungen bis zum vergangenen Jahren tatsächlich? 31.12.2012 Was haben die Energieversorger im • Verbesserung der Nahrungssituation gleichen Zeitraum hinsichtlich der für Weißstörche durch Lebensraum­ Entschärfung von gefährlichen Mittel­ schutzmaßnahmen, zum Beispiel spannungsmasten getan? durch Anlage von stehenden Klein­ gewässern im Horstumfeld und durch Folgende Fragen sollten daher im Inter­ Renaturierung von Flussauen im säch­ esse des Weißstorchschutzes mit Hilfe der sischen Tiefland Betreuer zeitnah geklärt werden: • die prioritäre Umsetzung von Manage­ • Wie ist der aktuelle Stand der mentplänen für SPA- und FFH-Gebiete Entschärfung von gefährlichen Mittel­ sowie von entsprechenden Biotopver­ spannungsmasten? bundplanungen • Wie wird sich die Entschärfung von ge­ fährlichen Mittelspannungsmasten in Für die bisherige langjährige wertvolle den nächsten Jahren entwickeln? Mithilfe der sächsischen Betreuer und • Welche und wie viele Todesopfer gibt es? Helfer möchten wir uns ganz herzlich • Ist ein Rückgang von Totfunden darauf bedanken und hoffen auf weiterhin zurückzuführen, dass die Energieversor­ gute Zusammenarbeit sowie auf neue ger ihrer Pflicht nachkommen? Diese engagierte Mitstreiter, die die Betreuer­ besteht darin, bis einschließlich 2012 alle tätigkeit zum Schutz des Weißstorches gefährlichen Mittelspannungsmasten zu fortsetzen werden! entschärfen, also vogelsicher zu machen.

Foto: Uwe Schroeder

Heike Panzner | NABU-Naturschutzinstitut Dresden 67 Störche in Sachsen

Sächsische Weißstorchlebensräume und ihre Aufwertung als Nahrungshabitat

Sabrina Lott

Ich werde in der nächsten halben Stunde ab. Daraus kann die Schlussfolgerung einen kurzen Einblick in unsere Analyse gezogen werden, dass außerhalb der der sächsischen Weißstorchlebensräume Kernlebensräume nicht genügend Nah­ geben und über den Handlungsbedarf rung für den Weißstorch zur Verfügung informieren, der sich daraus ergibt. steht. Ändert sich an dieser Situation nichts, wird der Bestand des Weißstorchs Die schwarzen Punkte auf der Karte (Seite in Sachsen weiter zurückgehen. 69) entsprechen den 116 besten Horst­ Wollen wir aber, wie es unter anderem standorten in Sachsen. Diese weisen seit in der EU-Vogelschutzrichtlinie verlangt 1997 mehr oder weniger konstant Bruter­ wird, einen günstigen Erhaltungszu­ folge von zwei oder mehr Jungen pro Paar stand des Weißstorches erreichen und auf und bilden damit den Kernbestand gewährleisten, müssen wir etwas ändern. der sächsischen Weißstorchpopulation. Und das bedeutet, dass die Nahrungs­ Die Horststandorte mit gutem Bruterfolg räume der Kernpopulation geschützt, verteilen sich relativ gleichmäßig über entwickelt, gepflegt und die restlichen das gesamte Verbreitungsgebiet des Weißstorchlebensräume aufgewertet Weißstorches in Sachsen. werden müssen. Diese Kernlebensräume haben über Jahrzehnte hinweg genügend Nahrung Um einen Handlungsbedarf in Bezug auf für die erfolgreiche Aufzucht von gleich die Ausstattung der Brutplatzumgebung mehreren Jungen bereitgestellt. Der ab­ abzuleiten, haben wir Lebensraum­ nehmende Bruterfolg seit etwa dem Jahr analysen durchgeführt und dabei den 2000 zeigt allerdings, dass sich hier die Zusammenhang zwischen Bruterfolg und Lebensraumbedingungen offenbar ver­ bestimmten Flächennutzungen im Horst­ schlechtern. nahbereich (2-km-Radius) untersucht. Wir hofften, dadurch eine Mindestaus­ Der Nachwuchs der Kernpopulation stattung für Brutgebiete identifizieren zu stützt in besonderem Maße die gesamte können, die eine erfolgreiche Reprodukti­ sächsische Weißstorchpopulation. Der on des Weißstorchs verspricht. Bruterfolg der restlichen Weißstörche in In die Analyse sind Flächennutzungen Sachsen liegt deutlich unter dem der Kern­ eingegangen, von denen bekannt ist, population, stagniert auf einem ziemlich dass sie bevorzugte Lebens- beziehungs­ niedrigen Niveau und nimmt sogar leicht weise Nahrungsräume des Weißstorches

68 Sabrina Lott | Koordinatorin des Artenschutzprogramms Weißstorch im NABU-Naturschutzinstitut Dresden Störche in Sachsen

darstellen, aber auch Flächennutzungen, 2-km-Radius für jeden beliebigen Punkt die geeignet sind, den Bruterfolg in ande­ in Sachsen. Die hellblauen Flecken sind rer Weise zu beeinflussen. Es handelt sich Gebiete, in denen sehr wenig Grünland dabei um Grünland und Feuchtbiotope, zur Verfügung steht; je mehr sich die das heißt prioritäre Nahrungsräume, so­ Farbskala in Richtung Rot verändert, wie um Acker, der hauptsächlich nach des­to größer ist der Grünlandanteil. Die der Ernte ein gutes Nahrungsbiotop ist. schwarzen Punkte kennzeichnen die Gehölzbiotope wurden ebenfalls mit Ho­rste der Kernpopulation. Sie liegen einbezogen, da sie nicht für die Nah­ sowohl in sehr grünlandreichen als auch rungsaufnahme genutzt werden. in sehr grünlandarmen Gebieten (blaue Bei der Analyse wurde sowohl der Einfluss Kreise). Noch bei einem Grünlandanteil des Flächenanteils der Nutzungstypen als von 3 Prozent wurde ein konstant hoher auch der Einfluss der Nahrungsraumqua­ Bruterfolg erzielt. Umgekehrt weisen er­ lität untersucht. folglose Brutgebiete teilweise einen sehr hohen Grünlandanteil auf. Zu den Ergebnissen Ganz ähnliche Analyseergebnisse sind Vorweggenommen: Wir konnten allein auch bei den anderen Flächennutzungen anhand der Flächenanteile der unter­ zu verzeichnen. Es existieren zwar in Bezug suchten Nutzungstypen (Grünland, Acker auf die Flächenanteile der unterschiedli­ usw.) leider keine Mindestausstattung für chen Nutzungstypen im Horstnahbereich erfolgreiche Brutgebiete identifizieren. Unterschiede zwischen Horsten mit ho­ Die Grafik zeigt den Grünlandanteil im hem Bruterfolg (>= 2 Junge/HP) und den

Sabrina Lott | Koordinatorin des Artenschutzprogramms Weißstorch im NABU-Naturschutzinstitut Dresden 69 Störche in Sachsen

weniger erfolgreichen oder erfolglosen dings auch einen überdurchschnittlich Horststandorten, diese Unterschiede hohen Anteil an besonders wertvollen sind jedoch weder besonders ausgeprägt Standgewässern auf. Man kann also noch signifikant. In den Gebieten mit er­ sagen, dass der Weißstorch nicht unbe­ folgreichen Bruten sind weniger Gehölze dingt große Nahrungsflächen braucht, vorhanden, es gibt aber im Durchschnitt solange die vorhandenen qualitativ sehr auch weniger Feuchtbiotope und mehr hochwertig sind. Acker im Horstumfeld, was wir so nicht erwartet hatten. Ergänzend zu dieser computergestütz­ ten GIS-Analyse haben wir im Jahr Allein die große Streuung der Werte lässt 2009 noch eine Vor-Ort-Untersuchung schlussfolgern, dass der Flächenanteil durchgeführt. Dabei sind die Erkennt­ der untersuchten Nutzungstypen keinen nisse aus der GIS-Analyse insgesamt entscheidenden Einfluss auf den Bruter­ bestätigt worden. Beispielsweise wur­ folg haben kann. Hier spielt vielmehr die de festgestellt, dass eine intensive Qualität der Flächen im Horstumfeld als landwirtschaftliche Nutzung dem Weiß­ Lebensraum für die Beutetiere des Weiß­ storch nicht schadet, solange er in storchs eine Rolle. Das haben auch unsere seiner Umgebung genügend hochwer­ weiteren Analysen bestätigt. tige Nahrungshabitate findet. Dann sucht er auch ziemlich oft und regelmä­ Wir konnten zum Beispiel nachweisen, ßig Nahrung auf den intensiv genutzten dass es in Gebieten mit erfolgreichen Landwirtschaftsflächen. Bruten einen deutlich höheren Anteil von Außerdem wurde festgestellt, dass sich qualitativ hochwertigen Kleingewässern die Bedingungen in und um struktur­ gibt. Die Anlage von wertvollen Kleinge­ reiche „echte“ Dörfer (die noch einen wässern würde demnach schon zu einer Bezug zur Landwirtschaft haben) sowie deutlichen Verbesserung des Nahrungsan­ in klein gekammerten Landschaften po­ gebotes für den Weißstorch führen, auch sitiv auf den Bruterfolg auswirken, im wenn das neu geschaffene Biotop nur eine Gegensatz zu denen in strukturarmen kleinflächige Maßnahme darstellt. Landschaften und Gartenstädten. Außerdem haben wir festgestellt, dass Um tatsächlich eine Mindestaus­ besonders wertvolle Biotope den Man­ stattung von Gebieten mit hohem gel an anderen Nahrungsflächen im Bruterfolg identifizieren zu können, Horstumfeld ausgleichen können. Das sind deutlich mehr Daten zur Qualität war beispielsweise bei einem Gebiet der Lebens- und Nahrungsräume nötig. mit einem sehr hohen Gehölzanteil von Hier besteht im Moment noch ein er­ über 60 Prozent der Fall, es wies aller­ heblicher Forschungsbedarf. Da wenige

70 Sabrina Lott | Koordinatorin des Artenschutzprogramms Weißstorch im NABU-Naturschutzinstitut Dresden Störche in Sachsen

Personen es allein nicht schaffen kön­ deren Vorhandensein den größten positi­ nen, diese Daten zu ermitteln, brauchen ven Einfluss auf den Bruterfolg zeigte. wir die Hilfe der Weißstorchfreunde und Solche Maßnahmen sind: Vernässung von ehrenamtlich tätigen Naturschützer. Es Feuchtwiesen, die Anlage beziehungs­ müssten zum Beispiel die Biotope im weise Sanierung oder Erweiterung von jeweiligen Horstumfeld im Hinblick auf Kleingewässern, Grabenstau, Grabenfrei­ die Bedürfnisse des Weißstorchs unter legung, die Anlage von Grabentaschen folgenden Aspekten neu kartiert werden: und von Uferschutzstreifen. Eignung der Flächen als Lebensräume Die genannten Maßnahmen führen zu für Beutetiere, Eignung der Flächen zur einer dauerhaften Verbesserung des Nah­ Nahrungsaufnahme des Weißstorchs und rungsraumes. Sie machen auch auf lange zeitlich gestaffelte Verfügbarkeit der Nah­ Sicht nur einmal eine größere Investition rung über den gesamten Brutzeitraum nötig; deshalb werden sie investive Maß­ hinweg. Beispielsweise kann es kurz nach nahmen genannt. dem Schlupf von Nestlingen zum Nah­ rungsengpass kommen, weil in dieser Zum Maßnahmepaket gehören auch Zeit viele Acker- und Wiesenflächen zu mehrere nutzungsintegrierte Maßnah­ hoch gewachsen sind, sodass der Weiß­ men, die jedes Jahr neu initiiert werden storch hier keine Nahrung aufnehmen müssen und zur Verbesserung der Ver­ kann. fügbarkeit der Nahrung dienen sollen. Vor allem in Kerngebieten der Weiß­ Dies betrifft zum Beispiel die Anlage von storchreproduktion (Kernpopulation) Feldfutterstreifen in Winterungen und sollen in diesem Zusammenhang Schlüs­ Mais. Die Feldfutterstreifen sollen dem selnahrungshabitate je Brutpaar identifi­ Weißstorch einen Nahrungsraum in den ziert werden, die gezielt gefördert und ansonsten zur Nahrungsaufnahme un­ geschützt werden müssen, damit die geeigneten Ackerkulturen bieten. Die Kernpopulation erhalten werden kann. Bewirtschaftung soll in Form einer Por­ tionsmahd erfolgen, sodass über den Auf der Grundlage der Erkenntnisse aus gesamten Brutzeitraum hinweg Nahrung der Lebensraumanalyse haben wir ein Pa­ zur Verfügung steht. Mit dem Belassen ket von Maßnahmen geschnürt, die der von Stoppelbrachen (Abb. S. 73) könnte Aufwertung der Weißstorchnahrungs­ man eine bessere Nahrungsversorgung räume dienen sollen. Schwerpunktmäßig während der Zugzeit sichern. Angepasste handelt es sich dabei um Maßnahmen Schnitttermine und vorgezogene Mahd zur Schaffung und Vernetzung von Le­ auf Grünland sind ebenfalls wichtige bensräumen für Beutetiere mit Bindung nutzungsintegrierte Maßnahmen. Sie an Feucht- und Gewässerbiotope, da gewährleisten niedrigwüchsige Flächen

Sabrina Lott | Koordinatorin des Artenschutzprogramms Weißstorch im NABU-Naturschutzinstitut Dresden 71 Störche in Sachsen

und damit eine durchgängige Versor­ und arbeitsaufwändige Portionsmahd gung mit Beutetieren zur Brutzeit. Auch durchzuführen. Außerdem merkten viele die Extensivierung der Grünlandnutzung Landwirte an, dass sie eigentlich keine dient der Schaffung von Lebensräumen Ackerflächen entbehren können, weil für Beutetiere. im Projektgebiet Moritzburg-Dresden zu wenige ertragreiche Äcker zur Verfü­ Im Folgenden möchte ich noch kurz et­ gung stehen. Diese seien zu kostbar und was zur Umsetzung einer ausgewählten werden oft schon über EU-Mittel geför­ Weißstorch-Maßnahme im Jahr 2009 sa­ dert, was eine Änderung der Nutzung gen: vor Ablauf des Förderzeitraums (im Jahr Wir hatten im Rahmen des Artenschutz­ 2013) praktisch unmöglich macht. Des programms Weißstorch im Herbst 2009 Weiteren haben uns die Landwirte darauf Kontakt zu Landwirten im Projektgebiet hingewiesen, dass sie selbst ihr Land nur Moritzburg-Dresden aufgenommen. Weil gepachtet haben und eigentlich gar nicht die Zeit schon fortgeschritten war, konn­ entscheiden könnten, ob irgendwelche ten wir jedoch nur noch die Sofortmaß­ Maßnahmen, insbesondere investive nahme „Feldfutterstreifen in Winterun­ Maßnahmen, für den Weißstorch reali­ gen und Mais“ anbieten. siert werden können. Man müsste sicher Die Resonanz der Landwirte war im Prin­ beide, Landnutzer und Flächeneigen­ zip positiv; alle haben sich grundsätzlich tümer, an einen Tisch bringen, um eine dazu bereit erklärt, zum Weißstorchschutz Lösung zu finden. beizutragen (sofern sie für den Mehrauf­ wand angemessen entschädigt würden). Fazit: Ackerflächen waren demnach für Aber es zeichneten sich andere Hinder­ die Maßnahmenumsetzung eigentlich nisse für die Umsetzung der Maßnahme tabu. Niemand wollte einen Feldfut­ ab: Die Kontaktaufnahme war so spät terstreifen eigens für den Weißstorch erfolgt, dass die Anlage eines Futterstrei­ anlegen. Jedoch haben sich viele Flä­ fens 2009 nicht mehr möglich war. Auch chennutzer bereit erklärt, im Interesse können viele Betriebe Feldfutter nicht des Weißstorchs Grünlandschutzmaß­ mehr verwerten. Das Feldfutter aus ei­ nahmen umzusetzen. Einige waren ner Portionsmahd mit vielen einzelnen außerdem bereit, vorhandene Feldfut­ Schnittterminen hat ganz unterschied­ terflächen, Stilllegungsflächen oder liche Qualitäten, was bei Kühen zur Grünland abschnittsweise zu mähen. Ein Verminderung der Milchleistung führt. Landwirt hat angeboten, über viele Jahre Deshalb verfügen die Betriebe kaum noch hinweg seine Fläche angepasst zu bewirt­ über die für solch eine Mahd notwendige schaften. Technik und die Kapazität, um die zeit- Ideal wäre es in jedem Fall, wenn man

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auf einer Fläche sowohl investive Maß­ Es besteht weiterer Forschungsbedarf nahmen als auch nutzungsintegrierte hinsichtlich der Zusammenhänge zwi­ Maßnahmen umsetzen könnte, weil sich schen Bruterfolg, Nahrungssituation, in dieser Kombination die größeren Ef­ Kapazität der sächsischen Nahrungsräu­ fekte ergeben. Ziel ist die langfristige me und anderer populationsökologischer Verbesserung des Nahrungsraumes für Kennwerte. den Weißstorch und die langfristige Si­ Und alle Erkenntnisse müssen zusam­ cherung der Verfügbarkeit der Nahrung. menfließen, um die sächsischen Weiß­ storch-Lebensräume effektiv aufwerten Abschließend möchte ich noch einmal die zu können, damit sich ein güns­tiger Er­ wichtigsten Erkenntnisse beziehungsweise haltungszustand der Population gewähr­ Aufgaben, die sich aus der Nahrungsraum­ leisten lässt. analyse ergeben, benennen: Nach den theoretischen und praktischen Die Schlüsselnahrungshabitate müssen Vorarbeiten muss in einem nächsten ermittelt und bewahrt werden, um die Schritt die Flächenverfügbarkeit ver­ Kernpopulation gezielt schützen zu kön­ bessert werden, und es müssen bessere nen. (finanzielle) Anreize beziehungsweise gesetzliche Verpflichtungen geschaffen Es muss eine systematische Datener­ werden, um Weißstorchschutzmaßnah­ hebung zur Qualität der sächsischen men in Zukunft erfolgreich umsetzen zu Weißstorchlebensräume erfolgen. können.

Stoppelbrache Foto: Uwe Stolzenburg

Sabrina Lott | Koordinatorin des Artenschutzprogramms Weißstorch im NABU-Naturschutzinstitut Dresden 73 Störche in Sachsen

Einführung in das Exkursionsgebiet: Die Weißstörche Moritzburgs und das Weißstorch-Nest an der Fasanerie

Uwe Stolzenburg

Seit über 50 Jahren gehört Moritzburg zu Umzug und bauten am Endmast auf den den sächsischen Weißstorch-Gemeinden. Leiterseilen ein Nest. Auf diesem – später Die erste länger währende Ansiedlung auf ein Wagenrad höher gesetzten – Nest erfolgte 1958 auf einer Eiche in der brüteten die Störche bis 1987, dann nicht Nähe des Jägerteiches im Grundstück mehr, wahrscheinlich weil die Sicht auf des Kunstmalers Erik Mailick. Nachdem ihre Nahrungsflächen von höher wach­ die benachbarten Bäume weit über das senden Bäumen zunehmend versperrt Nestniveau hinausgewachsen waren, wurde. nutzten die Störche 1984 den Bau einer Von 1981 bis 1990 hatte sich der Storch Niederspannungsfreileitung in der an­ einen frei stehenden Turm am Rande der grenzenden Siedlung zum freiwilligen Reitbahn als Brutstätte auserkoren. Auch

Exkursion zum Weißstorchhorst am Fasanenschlößchen Moritzburg Foto: Ina Ebert

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Tab. 1: Übersicht über den Bruterfolg im OT Fasanerie . Weißstorch-Brutvorkommen in Moritzburg, OT Fasanerie Örtlichkeit Besetzungs- jahre der Jahre Zahl (BP) Brutpaare erfolgreiche Brutpaare erfolglose Nestpaare Nestbesuch ohne Brut Ausgeflogene Junge OT Fasanerie 1965 - 2009 45 42 36 6 3 95 gekappte Eiche 1965 - 1981 17 15 12 3 2 26 Turmkopf 1982 - 1993 12 11 10 1 1 27 Holzmast 1994 - 2009 16 16 14 2 0 42

Tab. 2: Prozentuale Besetzung und relative Bruterfolge im OT Fasanerie Prozentuale Besetzung und relative Bruterfolge Örtlichkeit Besetzungs- jahre der Jahre Zahl % der Jahre mit BP % der Jahre mit erfolg- BP reichem Juv- mittl. Jahr pro Zahl Juv- mittl. BP pro Zahl Juv- mittl. pro Zahl erfolgreiches BP OT Fasanerie 1965 - 2009 45 93% 80% 2,1 2,3 2,6 gekappte Eiche 1965 - 1981 17 88% 71% 1,5 1,7 2,2 Turmkopf 1982 - 1993 12 92% 83% 2,3 2,5 2,7 Holzmast 1994 - 2009 16 100% 88% 2,6 2,6 3,0 hier beendeten die über die Turmhöhe Rahmen des Radebeuler Karl-May-Festes hinauswachsenden Nachbarbäume die in wenigen 100 Metern Entfernung kam. Nutzung. Mehrere weitere Nistangebote im Ort Ein künstliches Nistangebot am Südrand blieben bis heute ungenutzt. des Ortes auf den Grundstücken des Ein Moritzburger Brutvorkommen hat akademischen Malers Karl Timmler und sich jedoch als sehr stabil und erfolg­ seines Sohnes und damaligen Bürger­ reich erwiesen: dasjenige im Ortsteil meisters Dr. Andreas Timmler mit freiem Fasanerie. Es besteht seit 1965, als sich Blick auf große Nahrungsflächen nahmen der Storch auf einer gekappten Eiche die Störche etwas zögerlich an und sorg­ ansiedelte. Auch hier begannen trotz ten hier von 1994 bis 2004 für – allerdings häufigen Freischneidens Eichen aus der relativ geringen – Nachwuchs. Als Gründe Nachbarschaft bald das Nest zu überra­ für die Aufgabe des nach menschlichem gen. So war es nicht verwunderlich, dass Ermessen optimalen Standortes wer­ der Storch sofort umsiedelte, als 1982 auf den hochwachsende Bäume (allerdings dem Fasanenschlösschen die historische außerhalb des Hauptsichtwinkels) ver­ Figurengruppe zwecks Reparatur vom mutet, außerdem Knallereien, zu denen Turm genommen wurde und dadurch es alljährlich während der Brutzeit im eine freie Plattform entstand. 1994 sollte­

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die Figurengruppe wieder an ihren al­ gungsmanschette abzuknicken. Anfang ten Platz gestellt werden. Es begann ein 2006 wurde daher der Mast durch einen riskanter Umsiedlungsversuch. Dabei neuen ersetzt. stellten wir folgende Anforderungen: Leider vertreten einige Denkmalschützer • Bereitstellen zweier Nistangebote als die Auffassung, dass dieser Weißstorch- Alternativen, Mast das historische Ensemble stört und • mindestens gleiche Nesthöhe wie der daher verlegt werden sollte. Turmkopf, In der Gemeinde Moritzburg gab • ähnliche Sichtverhältnisse in Bezug auf beziehungsweise gibt es in den ein­ die Nahrungsflächen wie vom Turm­ gemeindeten Dörfern Steinbach und kopf aus, Dippelsdorf weitere Weißstorch-Brut­ • freier Anflug und Abflug in alle bezie­ vorkommen, in Steinbach bis vor zwei hungsweise aus allen Richtungen, Jahren, in Dippelsdorf seit zwei Jahren. • große Entfernung von höheren Bäu­ men, • Anbringen eines schnell entfernbaren Abweisers auf dem Turmkopf bis zur Installation der reparierten Figuren­ gruppe. Dementsprechend wurde westlich vom Fasanenschlösschen ein Holzmast mit Nestunterlage errichtet, der wegen sei­ ner Länge abgespannt werden musste, sowie auf der Spitze der ehemaligen Nist-Eiche ein Holzrahmen angebracht. Die zurückkehrenden Störche versuchten zunächst, den Abweiser zu überwinden, nahmen aber dann doch den hohen Mast an. Seitdem kam es jedes Jahr zu einer Brut. Bezogen auf die Zeit seit 1965 – vor allem aber seit 1994 – hat sich das Brut­ vorkommen am Fasanenschlösschen als im regionalen Vergleich weit überdurch­ schnittlich erfolgreich erwiesen (siehe Tabellen 1 und 2). Mitte des vergangenen Jahrzehnts drohte die Mastspitze an der Seilbefesti­ Fasanenschlösschen 1994 Foto: Peter Hummitzsch

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Zur Kontaktaufnahme: siehe Seite ??

Referenten der 1. sächsischen Weißstorchtagung: F. Kupfer, F. Koschewski, G. Erdmann, Dr. J. Schimkat, S. Lott, U. Stolzenburg, K.-M. Thomsen, Dr. J. Ulbricht, Dr. M. Kaatz, B. Heinitz; es fehlen im Bild: H. Panzner, Dr. M. Görbert

Fasanenschlösschen 1994 Foto: Peter Hummitzsch

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Am Rednerpult: Staatsminister Frank Kupfer

Der Meißner Ornithologe Bernd Katzer und Michael Kaatz Mit dem Optolyt-Okular 60x gelang Michael Kaatz während der Exkursion die eindeutige Ablesung des Ringes Praha BX 15659. Der Storch wurde am 15.6.2004 in Stvolinky/Tschechien beringt und die Ringnummer schon einmal am 4.4.2009 in Moritzburg am Fasanenschlösschen abgelesen. Entfernung zum Beringungs- ort 78 km NW.

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Das Fasanenschlösschen, letztes original im Stil des späten Dresd- ner Rokoko erhaltenes Schloss in Sachsen, war Treffpunkt für die Exkursionsteilnehmer.

Am Großteich mit seinen heute als Spielerei anmutenden maritimen Bauten aus dem 18. Jahrhundert verweilten die Tagungsgäste, um Wasservögel zu beobachten.

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Dieser Tagungsband entstand im Ergebnis der 1. Weißstorchtagung des NABU Sachsen, die am 29. Mai 2010 in Moritzburg stattfand. Ansprechpartner Weißstorchschutz in Sachsen NABU Naturschutzinstitut Dresden · Telefon: 0351-8020033 · E-Mail: [email protected] Peter Reuße, Großenhain · Telefon: 0152-02664673 oder 03522-3032704 · E-Mail: [email protected] Horst Köppler, Großenhain · Telefon: 03522-310916 · E-Mail: [email protected] Günter Erdmann, Leipzig · Telefon: 0341-3029421 Jens Müller, Brandis · Telefon: 034292-75070 Dietmar Heyder, Leipzig/Seebenisch · Telefon: 034205-84706 · E-Mail: [email protected] Uwe Seidel, Großbothen · Telefon: 034384 72597 · E-Mail: [email protected] Dieter Wend, Doberschütz · Telefon: 03423-755919 o. 0175-6138291 · E-Mail: [email protected] Bernd Holfter, Grimma · Telefon: 03437-917473 Herbert Bauer, Frankenhain · Telefon: 034341-43417 Harald Dohms, Torgau · Telefon: 03421-709255 Förderverein für die Natur der Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft e.V., Guttau OT Neudorf, · Telefon: 035932-36708 Annett Hertweck · Artenschutz: 0172-7940402 Wilfried Spank · E-Mail: [email protected] Fischereihof Kleinholscha, Neschwitz · Ortwin Heinze · Telefon: 035933-31900 · E-Mail: [email protected] Vogelschutzwarte Neschwitz,Telefon: 035933-31115 · E-Mail: [email protected] Franz Menzel, Niesky · Telefon: 03588-207554 · E-Mail: [email protected] Dr. Peter Hummitzsch, Radebeul · Telefon: 0351-8384823 · E-Mail: [email protected] Naturschutz Tierpark Görlitz e. V., Karin Riedel · Telefon: 03581-407400 · E-Mail: [email protected] Lutz Gliemann, Kamenz · Telefon: 03578-312523 Gisela Witschas, Boxberg · Telefon: 035774-30011 NABU Naturschutzinstitut Freiberg, Telefon: 03731-31486 · E-Mail: [email protected] Dr. Ursula Heinrich, Region Mittelsachsen · Telefon: 03731-7994050 ·E-Mail: [email protected] Udo Schröder, Vogtland · Telefon: 037432-20198 · E-Mail: [email protected] Jens Hering, Zwickau · Telefon: 0375-440226320 · E-Mail: [email protected] Eberhard Flöter, Chemnitz · Telefon: 037208-87833 · E-Mail: [email protected]

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Redaktion: Ursula Dauderstädt Layout & Satz: Uwe Schroeder Titelfoto: Frank Koschewski Herstellung: Zschämisch & Kollegen Januar 2011 Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren verantwortlich.

Diese Publikation wurde im Rahmen des „Entwick- lungsprogramms für den ländlichen Raum im Freistaat ­Sachsen 2007-2013“ unter Beteiligung der Europä- ischen Union und des Freistaates Sachsen, vertreten durch das Staatsministerium für Umwelt und Landwirt- schaft, realisiert.

Europäische Union Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums: Hier investiert Europa in die ländlichen Gebiete www.eler.sachsen.de

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