Editorial 2012 / ansätze 5 + Musik ansätze 4

Musik esg-nachrichten 4 + 5 /2012 ansätze 4 + 5 / 2012 Seite 1 Bestellung von Werbematerialien Lesezeichen, Postkarten, Pin, Aufkleber, …

D + E + F

NEU

Restposten

G H C1 – C5 B

K E

Die Bestellungen gehen schriftlich per Mail an: Bestellformular:

Menge: Artikel: Preis: bestellung@ A Imageflyer im Format A4 (beidseitig bedruckt) »die Schulzeit ist vorbei« 0,25 Euro besonders geeignet für Oberschüler, Abiturienten (Bild siehe hintere Umschlagseite) bundes-esg.de B Lesezeichen (21 x 7 cm) »frei« 0,30 Euro C1 Postkarte (10,5 x 14,8 cm) »ESGeht um dich … nicht um die Wurst« 0,40 Euro oder per Post an: C2 Postkarte (10,5 x 14,8 cm) »ESGeht um dich … nicht um die Masse« 0,40 Euro C3 Postkarte (10,5 x 14,8 cm) »ESGeht um dich … nicht um die Norm« 0,40 Euro ESG C4 Postkarte (10,5 x 14,8 cm) »ESGeht um dich … nicht um Experimente« 0,40 Euro in der Geschäftsstelle der aej C5 Postkarte (10,5 x 14,8 cm) »ESGeht um dich … nicht um den Style« 0,40 Euro D1 Postkarte (10,5 x 21 cm) »ob wir uns darauf verlassen können?« 0,30 Euro Otto-Brenner-Straße 9 D2 Postkarte (10,5 x 21 cm) »lass uns gemeinsam suchen« 0,30 Euro 30159 Hannover D3 Postkarte (10,5 x 21 cm) »wer’s zugucken satt hatt« 0,30 Euro Telefon: 0511.12 15 – 0 E Plakat (29,7 x 84 cm) »zeit für begegnung« 0,50 Euro F Plakat (29,7 x 84 cm) »lass uns gemeinsam suchen« 0,50 Euro G Plakat im Format A2 ESG + Hahn-Logo 0,50 Euro H Plakat im Format A2 ESG-Deutschlandkarte 0,50 Euro I Aufkleber (Ø 9,5 cm) »Mitkrähen« | I* – erhältlich auch ohne »Slogan« 0,20 Euro J Mini-Aufkleber (Ø 1,4 cm – Blatt à 48 Stück) nur Hahn ohne Abb. 0,20 Euro K ESG-Hahn-Pin (Ø ca. 2,2 cm) 1,50 Euro L Schlüsselbänder/Namensbände (roter Hahn, schwarzes Band) ohne Abb. 1,50 Euro M ESG Tasche (Baumwolltasche) ohne Abb. ab 10 St. Mengenrabatt: 8,00 Euro 10,00 Euro N ESG Bleistift ohne Abbildung (50er Packung) 15,00 Euro O ESG Post it (Format A7) ohne Abbildung (20er Packung) 20,00 Euro

P Die ESG-Kaffee-Tasse ohne Abbildung (6 Stück) 30,00 Euro Q ESG-Fensteraufkleber (Ø ca. 29,5 cm) ohne Abbildung 7,50 Euro

Alle Preisangaben sind inklusive Mehrwertsteuer und zuzüglich Versandkosten ab 2,95 EUR innerhalb Deutschlands. Die Versandkosten richten sich nach Versandart, Größe und dem Logistikdienstleister. Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser, pünktlich zur Adventszeit kommt dieses letzte Heft der ansätze im Jahr 2012. Mit der Advents- und Weihnachts- zeit beschäftigt sich auch unser besonderes Schmankerl: Das Weihnachtsrätsel auf S. 67, bei dem es sogar kleine Überraschungen zu gewinnen gibt. Musik ist das Hauptthema dieses Heftes, zu dem sehr unterschiedliche Zugänge geboten werden: Ausführlich dokumentieren wir einen Vortrag von zum Thema Kirchenlied der Gegenwart (S. 4 ff.). Der Christologie in Neuen Geistlichen Liedern (S. 12) und der Theologischen Präsenz an Musikhochschulen (S. 15) widmen sich zwei weitere Artikel. Für den Sprengstoff und das Konfliktpotential, die Lieder und Musik auch heute noch darstellen können, haben wir mehrere Bei- spiele: Das erschreckende Geschehen um die Band Pussy Riot (S. 10 f.), offene Kritik an einer Personalie im Bis- tum Limburg (S. 17) und den deprimierenden Umgang mit einem großen holländischen Liederdichter (S. 21 ff.). Die Vorstellung der persönlichen „CD des Jahres“ der Geschäftsstelle runden diesen Teil ab. Aus dem Verband ist die Verleihung eines Umwelt- preises an die ESG Berlin zu berichten (S. 28) sowie über die Bundesversammlung in Trier, ihre Beschlüsse und Gewählten sind zu dokumentieren (S. 30 ff.). Mit dem studentischen Leben befassen sich eine Sati- re von Lars Hoegen zu Smartphones (S. 37) sowie zwei Reiseberichte über Reisen in die USA (S. 48 ff.). Abgerundet wird das Heft mit Artikeln zu Ökumene und Internationalen Beziehungen, der Vorstellung des neuen Bundesrates (S. 58 f.) und anderer Nachrichten über Menschen in der ESG sowie einigen Buchvorstel- lungen.

Eine interessante Lektüre wünscht

Jörn Möller, ESG-Generalsekretär

ansätze 4 + 5 / 2012 Seite 1 Inhalt

Der „Fall Dehm“ Seite 17

Christian Modehn „Die neue Liebe in Amsterdam“ Seite 21

Marei-Liselotte Radke / Jan-Henning Overhoff Caminando va! Seite 24

Bundes-ESG-Geschäftsstelle in Hannover Eine CD des Jahres Seite 26

ESG vorgestellt

ESG Berlin / Heike Steller-Gül

Bläserkreis der ESG Freiburg Nachhaltig konsumieren – Verleihung des Foto: privat 14. Ökumenischen Umweltpreises an die ESG Berlin Seite 28 ansätze 4 + 5 / 2012 Musik Aus dem Verband Mathilde Fuß (ESG-Bundesversammlung) Mit der Sackkarre durch die Basilika? Editorial Seite 30 Seite 1 Jörn Möller (ESG-Bundesversammlung) Inhalt BV 2012 in Trier – Ergebnisse und Beschlüsse Seite 2 Seite 33

Fanny Dethloff (ESG-Bundesversammlung) Das Thema Die Bundesarbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“ Eugen Eckert Seite 35 Ein neues Lied wir heben an Seite 4 Lars Hoegen (ESG-Bundesversammlung) Bekenntnisse zu Mobiltelefonen Uwe-Karsten Plisch – Eine Satire PUSSY RIOT – Punk-Gebet Seite 37 Seite 10 Uwe-Karsten Plisch Lisa Faber Mythen des Konzils – 50 Jahre Vaticanum II Aspekte der Christologie in Seite 40 Neuen Geistlichen Liedern Seite 12 Uwe-Karsten Plisch (HuT-Workshop) Unser letztes Mal Heiner Wajemann Seite 44 Theologische Präsenz an der Musikhochschule Seite 15

Seite 2 ansätze 4 + 5 / 2012 Inhalt

Kristin Kölbl (KEK-Zentralausschuss) Uwe-Karsten Plisch – Rezension Die europäische Ökumene am Scheideweg Gott denkend entdecken Seite 45 Seite 65

Martin Schurig (WSCF-Europe) Uwe-Karsten Plisch – Rezension Who is my neighbour? „Eine Liebe, ein Gott, ein Christentum!“ Seite 46 Seite 66

Christin Schreiber Wenn einer eine Reise tut, … Seite 48 spezial

ESG Köln Weihnachtspreisrätsel Bericht einer Studienreise der ESG Köln Seite 67 in die USA Seite 51 Presseerklärung

Von Menschen EJB & BDKJ – Presseerklärung EJB und BDKJ zu Studiengebühren Die „Neuen“ im ESG-Bundesrat Seite 68 Seite 58

Neuer ESG-Pfarrer in Magdeburg Hans-Martin Krusche-Ortmann Ankündigungen Seite 60 Ökumenischer Bibeltag 2013 Neue STUBE-Referentin Wie alles begann Sabine Ayeni – das Evangelium nach Markus Seite 60 Seite 69

Eckart Stief (Verabschiedung: Doris Schuhmann) 24+24h-Akademie „Ich nehme meinen Hut und geh’“ Christlicher Fundamentalismus Seite 61 in Deutschland Seite 69

ESG-Chortreffen Neuigkeiten Bundesweites ESG-Chortreffen 2013 in Bonn Seite 70 Seite 60 / 61 3. Meike-Schneider-Literaturpreis Ausschreibung Seite 71 Über Bücher

Uwe-Karsten Plisch War Jesus verheiratet? Seite 62 Impressum Uwe-Karsten Plisch – Rezension Abkürzungen Fortlaufende Bibellese Seite 72 Seite 64

Uwe-Karsten Plisch – Rezension Bibel AnDenken Seite 64

ansätze 4 + 5 / 2012 Seite 3 Thema Musik

Eugen Eckert Ein neues Lied wir heben an Reformatorische Risiken und Nebenwirkungen auf Kirchenlieder der Gegenwart

* Der Text wurde zu- I. erst als Vortrag am 1. September 2012 „Die Asche will nicht lassen ab, bei der Tagung „Die sie stäubt in allen Landen. Hie hilft kein Bach, Lieder Martin Lu- Loch, Grub noch Grab; thers und die dichte- sie macht den Feind zuschanden. risch-musikalische Die er im Leben durch den Mord Wirkung der Refor- zu schweigen hat gezwungen, mation“ in Worms die muss er tot an allem Ort gehalten. mit aller Stimm und Zungen gar fröhlich singen lassen“.

Mit der 10. Strophe der ersten Lieddichtung von Martin Luther grüße ich sie zum letzten Vortrag der heutigen Tagung*, die der dichterisch-musika- lischen Wirkung der Reformation nachgeht. Mit seinem ersten Lied von 1523 hatte Luther im Al- ter von 40 Jahren einen nicht zu erwartenden und Luther musiziert Quelle: Bundes-ESG keineswegs planbaren Zufallstreffer gelandet. In zwölf Strophen formulierte er sein Entsetzen und seine Empörung über die erste öffentliche Hin- das heutzutage Millionen von Menschen auf der richtung von evangelischen Predigern. Heinrich ganzen Welt jederzeit und voller Sehnsucht nach- Voes und Johann Esch, beide wie Luther ehemali- singen können. Jähner schreibt, McKenzie war es, ge Mönche des Augustinereremitenordens, starben „der dem Soundtrack der Hippies den entscheiden- am 1. Juli 1523 in den Flammen des Ketzergerich- den Ohrwurm lieferte“. In seinem Lied reihe er ein tes von Brüssel. Zuvor hatten sie sich geweigert, Glücksversprechen an das andere: Du wirst sanf- die evangelische Lehre zu widerrufen. Im letzten te und freundliche Menschen dort treffen („you’re Vers seines ersten Liedes „Von den zweyen Marte- gonna meet some gentle people there“), eine gan- rern Christi, zu Brüssel … verbrannt“ kündigt Lu- ze Generation ist in Bewegung, sich neu auszu- ther an, was durch sein Lied kurze Zeit später land- drücken und die Welt neu zu verstehen („There’s auf, landab Wahrheit wurde: von Mund zu Mund a whole generation with a new explanation“) und sang sich die Nachricht weiter. Wie ein Lauffeuer der Sommer wird deine Liebe sein („summertime verbreitete sich das Lied und damit die Nachricht will be a love-in-there“). Die Welt wird eure sein! vom Unrecht, das den beiden Märtyrern zugefügt worden war. In einer Welt, die noch ganz ohne die Es gibt solche Jahrhundertsongs bis heute. Lieder, modernen Medien unserer Zeit lebte, war das Lied die von Mund zu Mund einfach weitergesungen als Transportmittel für Nachrichten erfunden wor- werden. Lieder, die eine Nachricht verbreiten oder den und angekommen. eine Stimmung vermitteln. Lieder, die aufheitern und trösten. Lieder, die aggressiv machen und einen Mit der Überschrift „Der Schöpfer eines großen Lie- Aufschrei zum Inhalt haben. Lieder, die Menschen des ist tot“ würdigt Harald Jähner in der Ausgabe so wichtig werden, dass sie dafür Gefängnisstrafen der Frankfurter Rundschau vom 21. August 2012 riskieren. Die Magdeburger Chronik von 1524 ent- den amerikanischen Musiker Scott McKenzie. Drei hält über das Frühjahr folgenden Bericht: „Im sel- Tage zuvor war McKenzie im Alter von 73 Jahren ben Jahr … ist ein alter Mann, ein Tuchmacher, bei an den Folgen eines schweren Nervenleidens ge- dem Denkmal des Kaisers Otto gestanden und hat storben. Mit seinem einzigen Hit „San Francisco“ allhier die ersten geistlichen Lieder feilgehabt, als und dessen ersten Worten „If you’re going to San ‚Aus tiefer Not schrei ich zu dir‘ und ‚Es wolle Gott Francisco, be sure to wear some flowers in your uns gnädig sein‘ und hat solche den Leuten vorge- hair“ hat Scott McKenzie 1967 ein Lied geschaffen, sungen. Da ist der alte Bürgermeister Hans Rubin

Seite 4 ansätze 4 + 5 / 2012 Musik Thema

von St. Johannis aus der Frühmesse kommen und derte von Sonderpolizisten warten in Bussen und hat gesehen, dass viel Volks um den Mann umher im Gebäude, um möglichen Aufruhr zu unterdrü- gestanden. Da hat er seine Knechte gefragt, was da cken“2. Von der Rentnerin Sawina wird berichtet, wäre. Hat einer, Kustos genannt, ihm geantwortet: dass sie – über ihren Protest hinaus – noch eine ‚Es stünde da ein loser Bube, der hätte Luthers ket- ganz andere Konsequenz gezogen habe. Sie sagt: zerische Gesänge feil und singe sie dem Volk vor‘. „Als der Prozess begann, habe ich mein Kreuz ab- Da hat der Bürgermeister befohlen, dass sie den genommen. Dieses Patriarchat ist unmöglich, die- Mann ins Gefängnis setzen sollten; welches von se Kirche hat selbst gar kein Gewissen“3. Stund an geschehen ist. Als das für die Gemeinheit Knapp 500 Jahre liegen zwischen dem Bericht (also vor die Öffentlichkeit) gekommen ist, sind bei aus der Magdeburger Chronik von 1524 und den 200 Bürger auf das Rathaus gekommen und haben Geschehnissen dieser Tage in Moskau. Ich habe für den Mann gebeten, dass er möchte seines Ge- im Juni zugesagt, diesen Vortrag zu übernehmen fängnisses entledigt werden, da die Stadtknechte und ihn überschrieben: „Reformatorische Risi- ihn hätten böslich gegen den Bürgermeister ange- ken und Nebenwirkungen auf Kirchenlieder geben. Da hat man den armen Mann aus dem Ge- der Gegenwart“. Damals konnte ich nicht ahnen, fängnis losgelassen“1 wie sehr sich zwei Berichte über die Wirkung re- 1 Otto Schlißke, ligiöser Lieder so ähneln würden, die 500 Jahre Handbuch der Lutherlieder, „Mutter Gottes, Jungfrau, vertreibe Putin, vertreibe Abstand voneinander haben. Judith Pfeiffer hat Göttingen 1948, S. 36. Putin, vertreibe Putin“ haben die durchaus skand- in der Mittagszeit über das Thema „Das geistliche alträchtigen Musikerinnen der Band „Pussy Riot“ Lied als Waffe gegen die ‚Gottlosen‘“ gesprochen. 2 Frankfurter Rundschau Anfang März 2012 in der Christus-Erlöser-Kathe- Im Mittelalter hat Martin Luther Gottlosigkeit vom 18./19. August 2012, drale in Moskau öffentlich gesungen. In ihrem vor allem am Römischen Papst und einer nicht S. 2. „Punkgebet“ geht es ebenfalls um Märtyrer, um reformwilligen Kirche festgemacht und manches Menschen, die einfach in Lagerhaft verschwinden, Lied tatsächlich als Waffe genutzt. Seine letzte Ge- 3 Ebd. wenn sie nicht kirchen- und regierungskonform sangbuchvorrede für das Babstsche Gesangbuch sind. Leider hat sich die russisch-orthodoxe Kirche von 1545 schließt mit den Worten „Gott gebe, 4 Martin Luther, nach Jahrzehnten der Verfolgung längst mit dem dass damit dem Römischen Papst, der nichts als Ausgewählte Schriften, Putin-Regime kritik- und distanzlos versöhnt. Ich Heulen, Trauern und Leid in aller Welt angerich- Hg. Karin Bornkamm und zitiere aus dem Liedtext von Pussy Riot: „Schwarzer tet hat durch seine verdammten, unerträglichen Gerhard Ebeling, Priesterrock, goldene Schulterklappe – alle Pfarr- und leidbringenden Gesetze, großer Abbruch und Insel-Verlag, kinder kriechen zur Verbeugung. Das Gespenst Schaden geschehe. Amen“4 . Die Frauen von Pussy Frankfurt a.M. 1983, der Freiheit im Himmel – Homosexuelle werden Riot würden diesen Satz Luthers heute sicher fast Bd. V „Kirche, Gottes- in Ketten nach Sibirien geschickt. Der KGB-Chef im Wortlaut unterschreiben, wäre der Römischen dienst, Schule“, S. 285 ist euer oberster Heiliger. Er steckt die Demonst- Papst ausgetauscht gegen ihren Präsidenten und ranten ins Gefängnis. Um den Heiligsten nicht zu Patriarchen. betrüben, müssen Frauen gebären und lieben … Kirchlicher Lobgesang für die verfaulten Führer – Kreuzzug aus schwarzen Limousinen. … Der Pa- triarch glaubt an Putin. Besser sollte er, der Hund, II. an Gott glauben. Der Gürtel der Seligen Jungfrau ersetzt keine Demonstration – Die Jungfrau Maria Selbst überrascht von der großen Verbreitung und ist bei den Protesten mit uns“. Wirksamkeit seiner Märtyrer-Ballade hatte Mar- Sie wurden wegen „religiös motivierten Rowdy- tin Luther offenbar das geistliche Lied als proba- tums“ angeklagt. Und nach dem zehnten Prozesstag tes Mittel entdeckt, reformatorische Inhalte in die sprach die Moskauer Richterin Marina Syrowa am Köpfe und Herzen der Menschen in Stadt und Land 17. August die erst 22jährige Frontfrau Nadesch- zu bringen, von denen die meisten ja Analphabe- da Tolokonnikowa und zwei ihrer Mitmusikerin- ten waren. Dass er dazu ein strategisches Gesamt- nen schuldig, religiösen Hass gesät zu haben. Zu konzept entwickelte, mag ein Auszug aus einem zwei Jahren Lagerhaft wurden die jungen Frauen seiner rund 400 Briefe an seinen Freund Spalatin verurteilt. Die sechs Monate der Untersuchungs- zeigen, der als Beichtvater von Kurfürst Friedrich haft werden angerechnet. Vor dem Gericht warte- dem Weisen auch von höchster Bedeutung für die ten mehrere Hundert Menschen auf das Ende der Verbreitung der Reformation war. Luther schreibt Prozesstage. Junge und Ältere trugen Pussy-Riot- im Jahreswechsel 1523/24 an Spalatin: „Ich bin wil- Abzeichen, bedruckte T-Shirts. Wer mit Plakaten lens, nach dem Beispiel der Propheten und alten protestierte, wurde in einen Polizeibus mit abgedun- Väter der Kirche, deutsche Psalmen für das Volk kelten Fenstern gesteckt. „Als die Richterin endlich zu machen, das ist geistliche Lieder, dass das Wort das Strafmaß verliest“, heißt es in der Frankfurter Gottes auch durch den Gesang unter den Leuten Rundschau, „schreien die Unterstützer (der Musi- bleibe. Wir suchen also überall Poeten. Da Ihr kerinnen) draußen ihre Empörung heraus. Hun- nun der deutschen Sprache so mächtig und beredt 

ansätze 4 + 5 / 2012 Seite 5 Thema Musik

darinnen seid, so bitte ich Euch, dass Ihr hier eine Christen g’mein“ eine zweite Ballade. In ihr for- Hand mit uns anlegt und einen von den Psalmen muliert er in Ich-Form die radikale menschliche zu einem Gesang zu machen sucht, wie Ihr hier Verlorenheit: „Dem Teufel ich gefangen lag, im Tod ein Muster von mir habt. Ich wollte aber, dass die war ich verloren, mein Sünd mich quälte Nacht und neuen Wörterlein vom Hofe wegbleiben, damit die Tag, darin ich war geboren. Ich fiel auch immer tie- Worte alle nach dem Begriffe des gemeinen Volkes fer drein, es war kein Guts am Leben mein, die Sünd ganz schlicht und gemeinverständlich, doch aber hatt’ mich besessen“ (EG 341,2) deren Erlösung von 5 Schlißke, S. 25. rein und geschickt herauskämen“5. Luthers pädago- Gottes barmherzigem Ratschluss abhängt, „Da gisch- aufklärerisches Liedkonzept beinhaltet also: jammert Gott in Ewigkeit mein Elend übermaßen; 1. Die Absicht, weitere Lieder zu schreiben, um er dacht an sein Barmherzigkeit, er wollt mir helfen das Wort Gottes transportieren zu können; lassen; er wandt zu mir das Vaterherz, es war bei 2. Nach begabten Dichtern zu suchen und ihm fürwahr kein Scherz, er ließ’s sein Bestes kosten sie zur Mitarbeit zu gewinnen; (EG 341,4) und „in der persönlichen Zueignung des 3. Als Maßstab des Schaffens eine einfache, Heils überwunden“ wird. „Er sprach zu mir: ‚Halt gut nachvollziehbare Schlichtheit, dich an mich, es soll dir jetzt gelingen; ich geb mich sel- aber mit Qualität. ber ganz für dich, da will ich für dich ringen; denn ich Ich selbst habe Ende der 1990er Jahre im Rahmen bin dein und du bist mein, und wo ich bleib, da sollst zweier Reisen die aufklärerische Wirksamkeit du sein, uns soll der Feind nicht scheiden“ (EG 341,7). von Liedern unter Tausenden von Analphabeten Ich hoffe, Sie halten mich jetzt nicht für vermes- miterlebt. Mit meinem Lehrpfarrer Rudolf Dohr- sen, wenn ich dem zweiten Lied Martin Luthers ei- mann, seiner indischen Frau Rita und einer 30köp- nes meiner eigenen ersten Lieder als Beispiel für figen Reisegruppe haben wir beim Bau eines neuen die Risiken und Nebenwirkungen geistlicher Lieder Krankenhauses in der zentralindischen Millionen- der Gegenwart gegenüberstelle. Das Lied „Meine stadt Nagpur mit angepackt. Das alte, seinerzeit engen Grenzen“ entstand 1981 und ist als Kyrie ur- von iroschottischen Mönchen errichtete Kranken- sprünglich Teil unserer ökumenischen Messe für haus, dem als Chefarzt Ritas Bruder Dr. Mukerjee den Frieden mit dem Titel: „Aus Liebe zum Men- vorstand, war nach mehr als 100 Jahren baufällig schen“. Die Melodie schrieb , der geworden. Zur Arbeit der Krankenschwestern in als katholischer A-Kirchenmusiker bis zu seiner Nagpur gehörte es, auch an die Ränder der Stadt zu Frühpensionierung nach schwerer Krebserkran- fahren, in die Slumgebiete, um prophylaktische kung an der Frankfurter Liebfrauenkirche tätig Behandlungen vorzunehmen und daneben Hygi- war. Seit dem Erscheinen des Evangelischen Ge- eneschulungen durchzuführen. Medien für diese sangbuches in der Ausgabe für die Evangelische Schulungen waren große Bildtafeln und vertonte Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) gehört das Texte. Auf den Bildern wurde zum Beispiel eine Lied unter der Nr. 584 zum Regionalteil für die überdimensionale Kopflaus gezeigt und die dafür EKHN und die Evangelische Kirche von Kurhessen- nötige Behandlung mit einem Lied vorgesungen. Waldeck. Ich möchte mit Ihnen zunächst die vier Dieses Lied wurde danach von den rund 4.000 ver- Strophen des Liedes singen, um es danach – auch sammelten Frauen wiederholt und wiederholt. Aus im Vergleich zu Luthers Ballade „Nun freut euch unserer deutschen Liedtradition kennen wir „Ba- liebe Christen g’mein“ – zu entdecken. cke, backe Kuchen“ und wissen darum bereits von So, wie Luthers Lied, steht auch meines in der Kindesbeinen an, dass sieben Zutaten einen guten 1. Person Singular. Heißt es bei Luther in der be- Kuchen ausmachen: „Eier und Schmalz, Zucker und reits zitierten Strophe 2 „Dem Teufel ich gefangen Salz, Milch und Mehl, Safran macht den Kuchen lag, im Tod war ich verloren“, schreibe ich „Meine gehl“. Nach derselben Idee, mit derselben Metho- engen Grenzen, meine kurze Sicht bringe ich vor de erfolgen Schulungen in Indien: egal, ob es um dich, Gott“. Heißt es bei Luther in Strophe 3 „Mein einfache medizinische Behandlungen geht oder guten Werk, die galten nicht“, schreibe ich: „Mei- Rezepte für eine gesunde Ernährung – dort in In- ne ganze Ohnmacht, was mich beugt und lähmt“. dien habe ich vor rund 15 Jahren eindrücklich mit- Formuliert Luther „die Angst mich zu verzweifeln erlebt, wie Überlebensnotwendiges und Wissens- trieb, dass nichts denn Sterben bei mir blieb“ lautet wertes, mit einer Melodie versehen, vermittelt und meine Textparallele „Mein verlornes Zutraun, mei- auf diese Weise von den Frauen immer wieder neu ne Ängstlichkeit bringe ich vor dich“. Und zitiert erinnert werden konnte. Nebenbei bemerkt: es war Luther mit „Ich bin dein, du bist mein, des sollst schwer auszuhalten, dass sich die Männer dieser du gewiss sein“ eines der bekanntesten Gedichte Fortbildung entzogen und sich lediglich in Sicht- des Mittelalters, spreche ich von der „tiefen Sehn- weite und trinkend über ihre Frauen amüsierten. sucht nach Geborgenheit“. Bereits kurz nach seiner im ganzen Land ver- Auch biographisch sind Luther und ich im Blick breiteten Ballade über den Märtyrertod der beiden auf Parallelen der beiden Lieder verbunden durch zur Reformation übergetretenen Augustinermön- einen in unseren Seelen tobenden Kampf. War es che schreibt Luther 1523 mit „Nun freut euch liebe bei Luther das verzweifelte Ringen um die Gnade

Seite 6 ansätze 4 + 5 / 2012 Musik Thema

Gottes, ist es bei mir das Entsetzen über den Zusam- menbruch meiner Glaubensinhalte seinerzeit. Was mich und mein Lied anlangt, will ich Ihnen das kurz erläutern. Nach der erfolglosen Bewerbung um einen Medizinstudienplatz und der bitteren Erfahrung, trotz einer Krankenpflegeausbildung in der Warteliste für Medizin immer weiter nach hinten zu rutschen, hatte ich mich, auf Empfeh- lung des damaligen Frankfurter Stadtjugendpfar- rers, für das Theologiestudium entschieden. Meine Eltern, die nach dem Krieg als Flüchtlinge aus Un- garn nach Deutschland gekommen waren, konnten mir das Studium nicht finanzieren. Ich musste also parallel arbeiten und fand eine Stelle im Schicht- dienst eines evangelischen Wohnheims für 14- bis 18jährige Mädchen aus zerstörten familiären Ver- hältnissen. Religiös sozialisiert in der Evangelisch- stoßen worden waren. Von Nelly Sachs stammt Eugen Eckert musiziert Methodistischen Freikirche war ich geprägt von das unglaublich schöne Bild, David habe in sei- Foto: Maren Boderke manch naiver Glaubensvorstellung. Darum war nen Liedern, David habe in den Psalmen der Bibel ich auch überzeugt davon, in diesem Wohnheim „Nachtherbergen für die Wegwunden“ gebaut. Ich den jungen Frauen lediglich als ein guter Mensch schreibe geistliche Lieder, meine sehr geehrten Da- begegnen zu müssen, um ihnen helfen zu können, men und Herren, weil auch ich mit meinem, durch traumatische Vorerfahrungen zu überwinden. diesen tragischen Tod im Jahr 1980 gewandelten Wir arbeiteten mit einem Bezugspersonensys- und geerdeten, Glauben solche Nachtherbergen mit tem. Das heißt, so wie alle anderen auch, war ich in bauen will. Ich habe mich an Grenzerfahrungen besonderer Weise Ansprechpartner für drei Mäd- abarbeiten müssen, so wie seinerzeit auch Luther. chen. Eine von ihnen war bei uns im Heim, weil Und so wie Luther fast 500 Jahre vor mir, erlebte ihr Vater sie mehrfach missbraucht hatte. Im Zu- auch ich die Befreiung aus den inneren Kämpfen sammenspiel mit der therapeutischen Bearbeitung darin, schlussendlich der Macht Gottes zutrauen ihrer Leidensgeschichte war es uns gelungen, sie zu können, mit meiner eigenen Ohnmacht fertig bestens zu stabilisieren. Wir hatten ihr eine Lehr- zu werden, sie wandeln zu können in neue Dimen- stelle zur Friseurin vermittelt. Sie ging jeden Mor- sionen für mein Leben, in eine tragfähigere Hoff- gen zur Arbeit oder in die Schule und insgesamt hat- nung, in einen Glauben mit viel längerem Atem. ten wir alle den Eindruck, dass sie auf einem guten Nachdem ich „“ mit seiner Weg sei. Bis mich, als ich für ein paar Tage Urlaub ganz einfachen und theologisch so kongenialen genommen hatte, der Anruf erreichte, dass dieses Melodie 1981 mit meiner Band HABAKUK auf 16jährige Mädchen nach der Einnahme von Schlaf- Schallplatte eingespielt hatte, machte ich die er- tabletten und dem Trinken einer Flasche Whisky staunliche Erfahrung, dass sich auch dieses Lied im Koma auf der Intensivstation der Frankfurter wie ein Lauffeuer verbreitete. Und in den drei Jahr- Universitätsklinik liege. Ich habe nie etwas über zehnten seit seiner Entstehung haben mich schon die Hintergründe ihres Handelns erfahren. Als ich viele Menschen angesprochen und mir von ihren an ihrem Bett stand, lebte sie noch. Zwei Tage spä- Grenz- und Ohnmachtserfahrungen erzählt und ter starb sie. „Meine engen Grenzen, meine kurze davon, wie dieses Lied sie im tiefsten Inneren an- Sicht“: hatte ich einmal geglaubt, dass mit dem be- rührt und trägt. rühmten Bisschen an gutem Willen Verletzungen zu verbinden und zu heilen seien, so wurde ich im Wohnheim hart damit konfrontiert, dass der Scha- den, den ein Mensch dem anderen zugefügt hat, III. von verheerender Dauer bis hin zur Selbstzerstö- rung sein kann. Ich konnte den Suizid eines mir Größte Popularität in der Bevölkerung konnte Mar- anvertrauten Mädchens nicht verhindern: „Meine tin Luther offenbar erzielen, weil er „dem Volk aufs ganze Ohnmacht, was mich beugt und lähmt“. Ich Maul“ schaute. Weniger derb ausgedrückt heißt das: habe im Heim dazu die Erfahrung gemacht, belo- er konnte die Sprache seiner Mitmenschen verste- gen, bestohlen und sogar mit Waffen bedroht zu hen und selbst sprechen und war durchaus in der werden: „Mein verlornes Zutraun, meine Ängst- Lage, Populäres aufzugreifen, um es in geistliches lichkeit“ – und dennoch habe ich insgesamt zehn Allgemeingut zu verwandeln. Jahre an diesem Ort gearbeitet, weil ich doch ein Sein bereits erwähntes pädagogisches Interesse wenig Beheimatung und etwas Nestwärme denen formulierte er auch in seiner Vorrede zum Witten- geben wollte, die unbarmherzig aus dem Nest ge- berger Chorgesangbuch von 1524. Luther schreibt 

ansätze 4 + 5 / 2012 Seite 7 Thema Musik

dort: „Deshalb habe auch ich – mit einigen anderen zusammen –, um einen guten Anfang zu machen und denen Anlass zu geben, die es besser vermö- gen, etliche geistliche Lieder gesammelt, um das heilige Evangelium, das jetzt durch Gottes Gnade wieder aufgegangen ist, zu treiben und in Schwang zu bringen …. Und es sind diese Lieder dazu auch in vier Stimmen gesetzt, aus keinem anderen Grund, als dass ich möchte, dass die Jugend, die ohnehin soll und muss in der Musik und in anderen rech- ten Künsten erzogen werden, etwas hätte, damit sie die Buhllieder und fleischlichen Gesänge los würde und statt derselben etwas Heilsames lern- te und so das Gute mit Lust, wie es den Jungen ge- 6 Martin Luther Werke V, bührt, einginge“6. Ein feste Burg in Martin Luthers Handschrift (Fälschung Hg. Karin Bornkamm und Um die Jugend zu begeistern, um ihnen ech- von Hermann Kyrieleis) Quelle: wikipedia Gerhard Ebeling, te Alternativen zu den Liebes- und vor allem den Frankfurt 19832, S. 226. derben Trinkliedern bieten zu können, tut Luther zum Beispiel für sein Lied „Vom Himmel hoch, da Mit ein paar kleinen Eingriffen hat Martin Luther komm ich her“ das, was das Neue Geistliche Lied das musikalische Kontaktspiel aus der Abteilung seit seinem Aufkommen vor rund 50 Jahren fort- „Buhllieder und fleischliche Gesänge“ in ein gesun- gesetzt hat, zeitweise heftig bekämpft von Vertre- genes Weihnachtsspiel verwandelt. Der Text des tern der arrivierten Kirchenmusik. Luther greift Liedes besteht aus 15 Strophen, die bereits in einer auf die Musik und zum Teil sogar den Text eines Familie am Heiligen Abend in verteilten Rollen ge- seinerzeit äußert populären Rätsel- und Kranzsin- sungen und gespielt werden konnten. gliedes zurück – und landet einen der bis heute Das Lied versetzt Singende und Hörende un- größten geistlichen Hits. Allerdings: wer heutzu- mittelbar hinein in das Weihnachtsgeschehen. tage so umgeht mit Urheberrechten, hat als Plagi- Engel entfalten in den ersten fünf Versen die Weih- ator schnell einen Prozess mit der GEMA am Hals. nachtsbotschaft. Die Kinder – und mit ihnen die Im ausgehenden Mittelalter wurde solches Auf- ganze Familie – antwortet mit Vers 6 „Des lasst nehmen und Weiterführen nicht als mangelnde uns alle fröhlich sein“. Weitere acht Strophen ge- Originalität verstanden, sondern als respektvolle ben einzelnen Familienmitgliedern Gelegenheit, Weiterführung von bereits Vorhandenem. im Solovortrag ihre Anbetung zum Ausdruck zu Das von Luther aufgegriffene Original „Ich bringen. Die Kinder – und mit ihnen wieder die kumm auß fremden landen her und bring euch vil versammelte Familie – antwortet in Vers 15 „Lob, der newen mär, der newen mär bring ich so vil, mer Ehr sei Gott im höchsten Thron, der uns schenkt dann ich euch hie sagen will“ hat einen „Sitz im Le- seinen eingen Sohn. Des freuen sich der Engel Schar ben“, der mit dem heutigen Speed-Dating vergleich- und singen uns solch neues Jahr“. Mit kleinen Re- bar ist, bei dem es um ein schnelles Kennenlernen gieanweisungen lässt sich auf diese Weise das Lied von neuen Flirt- oder Beziehungspartnern geht. „Vom Himmel hoch“ auch im Gottesdienst einer Fahrende Sänger haben auf den Marktplätzen Kirchengemeinde oder in der Weihnachtsfeier der der Dörfer und Städte mit dieser ersten Strophe Kinderkirche als kleines gesungenes Weihnachts- junge Burschen und kranzgeschmückte Mädchen spiel nach Lukas 2,10ff gestalten. zusammengetrommelt. „Die fremden Land, die sind Dass Luther, der das Lied wahrscheinlich 1534 so weit, darin wächst uns gut Sommerzeit, drin wach- zum häuslichen Gebrauch für die eigene Familie sen Blümlein rot und weiß, die brechen Jungfraun mit schrieb, besonders die Kinder im Blick hatte, bezeu- ganzem Fleiß“. gen zum einen die Verniedlichungen „Kindelein, Wenn der Kreis groß genug war, stellte der fah- Windelein, Krippelein und Jesulein“ und zum an- rende Sänger ein Rätsel. Der Bursche, der es beant- dern das Einbauen des Wiegenliedes „Suse, Ninne worten konnte, trat in die Mitte des Kreises und – das ist Schlafe, Kindchen“ in Vers 14. Insofern gab singend Antwort. „Und machen daraus einen kann man in Luther auch den Schöpfer der Gattung Kranz und tragen ihn an den Abendtanz und lan die „Geistliches Kinderlied“ sehen, wobei, sicher auch Gsellen darum singen, bis einer tut das Kränzlein ge- im Blick auf Neuschöpfungen der Gegenwart, der winnen“. Fiel die Antwort richtig aus, konnte dieser kritische Einwand hier nicht fehlen darf, dass es Bursche nun einem Mädchen ein Rätsel aufgeben. die Sprachentwicklung von Kindern eher behin- Konnte sie es nicht lösen, musste sie ihren Kranz dert, wenn Erwachsene meinen, durch Verniedli- dem Rätselsteller überreichen. Die Kontaktbörse chungen eine besonders kindgemäße Sprache zu war eröffnet – und konnte später beim gemeinsa- sprechen. men Tanz ihre Fortsetzung finden.

Seite 8 ansätze 4 + 5 / 2012 Musik Thema

es kommt eine auferstehung die ist IV. der aufstand gottes gegen die herren und gegen den herrn aller herren: den tod Eines seiner letzten Lieder überschreibt Luther auch mit den Worten „Ein Kinderlied“ und fährt 1970 erschien – textlich mit einigen Schärfungen fort: „zu singen wider die zween Erzfeinde Chris- versehen – dieses Gedicht als Lied in der Vertonung ti und seiner heiligen Kirche, den Papst und Tür- des katholischen Musikers . ken“. In unserem Gesangbuch lautet der aggressive, Der Aufschrei war groß nach dem Erscheinen Gott zu gewaltsamem Eingreifen aufrufende Text: dieses Liedes. Ich war selbst Teilnehmer der Ta- „Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort und gung „Musik zu den Kirchentagen“, die im Herbst steure deiner Feinde Mord, 1989 in der Evangelischen Akademie Arnoldshain die Jesus Christus, deinen Sohn, wollen stürzen stattfand. Das Gesangsorchester Peter Janssens von deinem Thron“ (EG 193,1). war seinerzeit die prägende Musikformation der Das Original von 1543 ist noch extremer und schär- Kirchentage und – am Beispiel des Liedes zum fer. Es lautet: Gedicht von Kurti Marti – wurde der Komponist „Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort und von den teilnehmenden Kirchenmusikern an den steur des Papsts und Türken Mord, Pranger gestellt und scharf kritisiert. Gegen die die Jesus Christus, deinen Sohn, möchten stürzen marschmäßige Gestalt der Vertonung gab es Ein- von deinem Thron“7 wände, gegen die folkloristische Harmonik, die 7 Martin Luther Werke V, vielen Pausen und den dadurch zu komplizierten Hg. Karin Bornkamm und Bereits in seiner Schrift „Vom Kriege wider den Tür- Rhythmus und die letztlich unsingbare Melodie- Gerhard Ebeling, ken“ hatte Luther 1529 die Türken und den Papst als führung. Zu meinem Erstaunen hörte sich Peter Frankfurt 19832, S. 275. gemeinsamen Feind des Reiches und des Evangeli- Janssens alle Attacken in großer Gelassenheit an. ums ausgemacht. Und ganz im Sinne des im Mit- Als das Pulver seiner Kritiker verschossen war und 8 Schlißke, S. 135. telalter üblichen sprachlichen Grobianismus ver- man längst auf seine Antwort wartete, spielte er stieg sich Luther zu solch furchtbaren Sätzen. Dass am Klavier Luthers Leib und Magenlied „Christ 9 Martin Luther, WA VII, dieses Lied bis heute in unserem Gesangbuch steht, ist erstanden, von der Marter alle“ vor. In Luthers S. 282. halte ich für einen Skandal. Wen wundert es, dass Tischreden findet sich der Satz: „Alle Lieder singt kein anderes Lutherlied in katholischen Gebieten man sich mit der Zeit müde, aber das ‚Christ ist er- 10 Christoph Albrecht, so verfolgt wurde wie dieses? „Am 19. Mai 1559 etwa standen‘ muss man alle Jahre singen“9. Und dann Einführung in die beschloss der Rat von Straßburg: ‚In den Kirchspie- wies Peter Janssens den verblüfften Kirchenmusi- Hymnologie, len ist allen zu befehlen, dies Lied in den Kirchen kern nach, dass seine Vertonung von „Das könn- Göttingen 1995, S. 17. nicht mehr zu singen …‘“8 In bissigem Spott paro- te den Herren der Welt ja so passen“ in Melodie, dierten die Katholiken Luther mit einem Seiten- Harmonik und Rhythmisierung angelehnt ist an hieb auf seinen Biergenuss: „Erhalt uns, Herr, bei „Christ ist erstanden“. deiner Wurst; sechs Maß, die löschen einem den Durst“ und überall unter ihnen kursierte der Satz, Luther habe durch seine Lieder mehr Menschen in die Hölle gebracht als durch seine Predigt. V. Kampf um Lieder, Kampf mit Liedern! Dass dieses Thema bis in unsere Gegenwart reicht, habe Die These meines Vortrags lautet: Anhand seines ich am Beispiel der russischen Band Pussy Riot ein- ersten Liedes „von den zweyen Marterern Christi“ gangs bereits gezeigt. Ich möchte diese Beobach- hat Martin Luther eher zufällig und im Nebenbei tung aber auch anhand eines Gesangbuchliedes die Risiken und Nebenwirkungen geistlichen Sin- unterstreichen. 1969 dichtete der Schweizer Pfar- gens entdeckt. Mit deren Entdeckung entwickelte rer Kurt Marti für sein Büchlein „Leichenreden“ sich sein Gespür für eine Strategie der Verbreitung ein ganz anderes Osterlied, als die bekannten. reformatorischer Inhalte mit Liedern. Insgesamt Der Text lautet: 43 uns bekannte Lieder stammen aus seiner Feder, das könnte manchen herren so passen darunter 37 Kirchenlieder. Christoph Albrecht wenn mit dem tode alles beglichen schreibt über sie: „Luthers Dichtungen sind kraft- die herrschaft der herren voll und urwüchsig im Satzbau, Wortschatz und die knechtschaft der knechte Reim. In ihrer Aussage sind sie knapp gefasst. Fast bestätigt wäre für immer alle haben gottesdienstliche oder katechetische Be- das könnte manchen herren so passen stimmung“10. Luthers Lieder wurden von Mund zu wenn sie in ewigkeit Mund weitergegeben. Letztlich hat sich die Refor- herren blieben im teuren privatgrab mation durchgesungen, nicht durchgepredigt und und ihre knechte in billigen reihengräbern auch nicht durchgeschrieben. aber es kommt eine auferstehung Mit einem letzten Beispiel aus unserer jungen die anders ganz anders wird als wir dachten Gegenwart will ich Ihnen zeigen, welche reforma- 

ansätze 4 + 5 / 2012 Seite 9 Thema Musik

torische Risiken und Nebenwirkungen im Singen Luthers Märtyrerlied über ein Flugblatt und dann auch ganz junger geistlicher Lieder bis heute ste- von Mund zu Mund verbreitet hatte, ging nun das cken können – wenn die Zeit dafür reif ist. ursprüngliche Hochzeitslied „Vertraut den neuen Im August 1989 hatte Klaus-Peter Hertzsch, Wegen“ als Ermutigungslied durch die Gruppen seit 1974 Professor für Praktische Theologie an und Kreise der Friedensbewegung in der DDR. der Theologischen Fakultät der Universität Jena, Der Autor hatte weder ahnen noch erwarten kön- die Trauung seiner Patentochter Maria-Barbara nen, dass sein kleines Lied zum Familienfest sich Kalkbrenner mit Thomas Müller übernommen. während der Friedensgebete und der Demonstra- Der Vater seiner Patentochter, selbst Pfarrer, hatte tionen in Jena, Leipzig oder Halle in den Mündern Hertzsch darum gebeten, für den Traugottesdienst der singenden Menschen in eine politische Prokla- einen neuen Liedtext zu einer bekannten Gesang- mation auf dem Weg zur friedlichen Revolution buchmelodie zu schreiben, so wie er es für viele in Deutschland verwandeln würde. So wie Scott andere Familienfeste der Kalkbrenners bereits McKenzies „San Francisco“ das Lebensgefühl der getan hatte. Hertzsch selbst schreibt über den Ent- Hippiegeneration zusammenfasst, lässt sich der stehungsprozess seines Liedes: „Der Trautext war Mut und die Aufbruchsstimmung unter den Bür- 1. Mose 12 – Abrahams Aufbruch in das gelobte gerrechtlern und Kirchengemeinden in der ehe- Land … Ich fand, das war ein schöner Trautext; denn maligen DDR beschreiben mit dem Lied von Klaus das Grundgefühl am Hochzeitstag ist ja Aufbruch Peter Hertzsch „Vertraut den neuen Wegen“. 11 Dietrich Meyer, Hg., ins Unbekannte, Neue, gemeinsam zu Erlebende.“11 Soweit mein exemplarisches Nachdenken über Das neue Lied im Evange­ Bei der Hochzeit am 4. August 1989 in der Annen- reformatorische Risiken und Nebenwirkungen auf lischen Gesangbuch, kirche in Eisenach erklang so zum ersten Mal das Kirchenlieder der Gegenwart. Ehe ich mit Ihnen Liederdichter und Lied „Vertraut den neuen Wegen, auf die der Herr zum Abschluss noch „Vertraut den neuen Wegen“ Komponisten berichten. uns weist“. singen möchte, danke ich Ihnen für Ihre Aufmerk- Düsseldorf 1997, S. 115. Hertzsch schreibt weiter: „Da es für die Hoch- samkeit. zeitsgäste zum Mitsingen das Lied auf abgezoge- Eugen Eckert, 12 Ebd. nen Blättern ausgeteilt worden war, nahmen es Studierendenpfarrer in der ESG Frankfurt am Main, viele von ihnen in ihre Gemeinden mit, so dass es Liederdichter und Mitherausgeber in den nächsten Wochen und Monaten an verschie- des ESG-Gesangbuches denen Orten gesungen wurde“.12 So wie sich einst „Durch Hohes und Tiefes“

Uwe-Karsten Plisch PUSSY RIOT – Punk-Gebet

(Хор) Богородица, Дево, Путина прогони Mutter Gottes, Jungfrau, vertreibe Putin Путина прогони, Путина прогони Vertreibe Putin, vertreibe Putin. Черная ряса, золотые погоны Schwarzes Ornat, goldene Schulterklappen Все прихожане ползут на поклоны Alle Bittsteller kriechen zur Verbeugung Призрак свободы на небесах Das Gespenst der Freiheit im Himmel Гей-прайд отправлен в Сибирь в кандалах Gay-Pride ist in Ketten nach Sibirien geschickt worden

Глава КГБ, их главный святой Der Chef des KGB ist ihr oberster Heiliger Ведет протестующих в СИЗО под конвой Führt die Protestierer bewacht in Haft Чтобы Святейшего не оскорбить Um den Heiligsten nicht zu betrüben Женщинам нужно рожать и любить Müssen Frauen gebären und lieben Срань, срань, срань Господня Scheiße, Scheiße, Scheiße des HErrn Срань, срань, срань Господня Scheiße, Scheiße, Scheiße des HErrn (Хор) Богородица, Дево, стань феминисткой Mutter Gottes, Jungfrau, werde Feministin Стань феминисткой, феминисткой стань Werde Feministin, werde Feministin Церковная хвала прогнивших воджей Kirchliches Lob für die verfaulten Führer Крестный ход из черных лимузинов Prozession aus schwarzen Limousinen В школу к тебе собирается проповедник In die Schule kommt der Pfarrer Иди на урок – принеси ему денег! Geh zum Unterricht – bring ihm Geld!

Seite 10 ansätze 4 + 5 / 2012 Musik Thema

Патриарх Гундяй верит в Путина Der Patriarch Gundjaj glaubt an Putin Лучше бы в Бога, сука, верил Besser würde der Hund an Gott glauben Пояс девы не заменит митингов – Der Gürtel der Jungfrau ersetzt keine На протестах с нами Приснодева Мария! Demonstrationen Die Jungfrau Maria ist bei den Protesten mit uns!

(Хор) Богородица, Дево, Путина прогони Mutter Gottes, Jungfrau, vertreibe Putin Путина прогони, Путина прогони Vertreibe Putin, vertreibe Putin.

Erläuterungen: Das sogenannte „Punk-Gebet“ Bis zum 27. November 2011 wurde die Reliquie in (eher die Performance eines KünstlerInnenkol- der nach dem Zusammenbruch des Kommunis- lektivs) nutzt gestalterisch Elemente der russisch- mus wiedererrichteten Christ-Erlöser-Kathedra- orthodoxen Liturgie (siehe auch das Video unter le ausgestellt. Allein in den beiden ersten Tagen http://www.youtube.com/PussRiot). Der Text ist (19./20. November) kamen über 50.000 Gläubige, auch bei böswilligster Betrachtung nicht blasphe- um sie zu verehren. Die Ausstellung der Reliquie misch zu nennen (ganz abgesehen von der Frage, in Moskau fiel mit den Geburtstagsfeierlichkeiten ob nach einem tiefergehenden theologischen Ver- des Moskauer Patriarchen Kyrill I. zusammen. ständnis so etwas wie „Blasphemie“ überhaupt Mit der „Wanderschaft“ durch Russland hat der existieren kann), aber der nur wenige Sekunden Gürtel Mariens erstmals das Kloster Vatopedi auf dauernde Auftritt in der Moskauer Christ-Erlöser- dem Berg Athos verlassen, wo er aufbewahrt wird. Pussy Riot in der Mos- kauer Christ-Erlöser- Kathedrale am 21. 2. 2012 hat sicher religiöse Ge- Die Sondererlaubnis, dass die Reliquie das Kloster Kathedrale fühle verletzt. Der russische Text ist gereimt und in der kleinen griechischen Mönchsrepublik ver- Quelle: http://pussy-riot. lässt sich gut singen, die deutsche Übersetzung ist lassen darf, erreichte Wladimir Jakunin, der Chef livejournal.com/ nicht immer ganz treffend. der russischen Staatsbahnen. „Ein Grund, weshalb Hier einige Erläuterungen zu Textpassagen, die wir das Vatopaidion baten, den Heiligen Gürtel der sich nicht ohne weiteres von selbst verstehen: Jungfrau Maria nach Russland bringen zu dürfen, Gay-Pride ist in Ketten nach Sibirien geschickt ist die demographische Lage in unserem Land“, er- worden spielt auf die Diskriminierung homosexu- klärte Jakunin der Presse. „Wir hoffen damit die ell liebender Menschen nicht zuletzt durch staatli- geistliche Wiedergeburt Rußlands, der christlichen che Organe an. Werte und vor allem der Familie zu fördern.“ Des- Um den Heiligsten nicht zu betrüben / Müssen halb: Um den Heiligsten nicht zu betrüben /Müssen Frauen gebären und lieben erschließt sich nur über Frauen gebären und lieben. die Ausstellung eines Fragments des Gürtels der Jungfrau Maria in der Christ-Erlöser-Kathedrale, auf die später im Text noch Bezug genommen wird (s.u.). Der Patriarch Gundjaj glaubt an Putin / Besser würde der Hund an Gott glauben „Patriarch Gundjaj“ ist im Russischen ein Wortspiel. Gundjaj bedeutet auf Russisch „der Näselnde“, Wladimir Michailowitsch Gundjajew = Владимир Михайлович Гундяев, ist der bürgerliche Name von Kyrill I., Patriarch von Moskau, dem Oberhaupt der russisch-orthodoxen Pussy Riot Kirche. Vom Sowjet-Geheimdienst KGB wurde er Quelle: http://pussy-riot. livejournal.com/ unter dem Namen „Michailow“ geführt. „Hund“: wörtl. „Hündin“ („suka“), ist ein rus- Besser als Jakunin kann man Lenins Abwandlung sisches Schimpfwort mit deutlich sexuellen Un- des Marx-Zitates von der Religion als Opium des tertönen (vgl. engl. „bitch“), eine Anspielung auf Volkes zu „Religion ist Opium für das Volk“ kaum die Gebärverpflichtung für russische Frauen, s.u. illustrieren (und versteht sie nun auch besser). Die Der Gürtel der Jungfrau ersetzt keine Demons- Liedzeile reklamiert die befreiende christliche Tra- trationen / Die Jungfrau Maria ist bei den Protesten dition gegen die Benutzung von Religion zur Ver- mit uns! Der „Heilige Gürtel der allerseligsten Jung- blödung der Massen, drückt aber zugleich auch frau Maria“ ist eine der am meisten verehrten Re- die Verzweiflung darüber aus, dass Zehntausende liquien der orthodoxen Christenheit. Ihm werden über Stunden anstehen, um eine tote Reliquie zu wundertätige Kräfte, insbesondere bei weiblicher betrachten, während Anti-Putin-Demonstrationen Unfruchtbarkeit, zugeschrieben. Moskau war die meist nur von einer Handvoll unerschrockener Ak- letzte Etappe einer am 24. Oktober 2011 in St. Peters- tivistInnen besucht werden. burg begonnenen „Wanderschaft durch Russland“. Uwe-Karsten Plisch

ansätze 4 + 5 / 2012 Seite 11 Thema Musik

Lisa Faber Aspekte der Christologie in Neuen Geistlichen Liedern

Auszüge aus einer 1. Vorstellung der Arbeitsgrundlage Bestandsaufnahme evangelischer und ökumeni- Examensarbeit (2011) „Durch Hohes und Tiefes“ scher Liedtradition der letzten 60 Jahre. Die Idee zu von Lisa Faber dem Buch entstand 2005 auf einer Studierenden- (betreut durch Prof. Als Arbeitsgrundlage und Forschungsschwerpunkt pfarrkonferenz, wonach die Fülle des heimischen Dr. Tom Kleffmann) habe ich mir das Gesangbuch „Durch Hohes und und internationalen Liedguts der Studierendenge- an der Universität Tiefes“ der Evangelischen Studierendengemein- meinde ganz Deutschlands allen Ortsgemeinden Kassel den (ESG) in Deutschland gewählt. Dabei lege ich gleichermaßen zugänglich gemacht werden sollte. den Schwerpunkt auf Texte von EUGEN ECKERT. EUGEN ECKERT (Studierendenpfarrer in Frank- Dies hat verschiedene Gründe. Auf der einen furt a. M., Lieddichter, Musiker), FRIEDRICH KRA- Seite sind es persönliche Gründe, wie meine eige- MER (Studierendenpfarrer in Halle/Saale) und ne jahrelange ehrenamtliche Aktivität in der ESG UWE-KARSTEN PLISCH (theologischer Referent Kassel, in der ich das Buch kennen und schätzen der Bundes-ESG) wurden beauftragt, die Idee um- lernte, wo wir Lieder neu erarbeiteten und schon zusetzen. bekannte „auffrischten“, wo wir Gottesdienste Das Buch setzt sich aus unterschiedlichen Kom- musikalisch umrahmten und das Buch auch in ponenten zusammen. Zum einen beinhaltet es der Arbeit mit meinem ESG-Chor genutzt wurde. Liedvorschläge, die direkt aus den Studierenden- Auf der anderen Seite führte die Aktivität inner- Gemeinden kamen, es gibt Lieder aus der Schweiz halb der ESG zu Kontakten mit den Herausgebern, und Österreich, neueres Liedgut aus den sehr un- mit denen wir in einem „Dauerprojekt“ die Lieder terschiedlichen regionalen Anhängen des Evange- des Buches nach und nach aufnehmen und online lischen Gesangbuchs und Neukompositionen Neu- (www.hohesundtiefes.de) zum Hören, Kennen ler- er Geistlicher Lieder. Bei der Auswahl der Lieder nen und Mitsingen, zur Verfügung stellen. Neben spielte für die Herausgeber dichterische Qualität, der gemeinsamen musikalischen Aktivität entwi- musikalische Substanz und theologische Verant- ckelte sich ein reger Austausch über Themen wie: wortbarkeit der Texte eine wesentliche Rolle. Im Neue Lieder in der Gemeinde; Theologie und Mu- Aufbau weist das Gesangbuch viele Gemeinsam- sik etc. Die vielen positiven Erfahrungen beein- keiten mit dem Evangelischen Gesangbuch auf. flussten den Entschluss zur Arbeit mit dem Buch Die 444 NGL sind geordnet nach Rubriken: Kir- maßgeblich und sollen eine Würdigung der Arbeit chenjahr, Gottesdienst, Biblische Gesänge, Glaube, der Herausgeber und vor allem EUGEN ECKERTS Liebe und Hoffnung wie auch Lieder der weltwei- sein. Die Einschränkung auf die Untersuchung ten christlichen Studentenbewegung. Im Anhang der Christologie innerhalb NGL EUGEN ECKERTS befinden sich zwei Messen und Andachtsmodelle soll hilfreich sein, einen Texter und seine Heran- mit Gebeten, Bekenntnissen, Segensworten, Psal- gehensweise so gut wie möglich darzustellen. Da- men und Hymnen. bei spielt es eine Rolle, welche Themenbereiche Der Titel „Durch Hohes und Tiefes“ lehnt sich der Christologie verarbeitet werden, wie Christo- an Röm 8,38–39 an, einen der paulinischen Schlüs- logie innerhalb der Lieder betrieben werden kann seltexte. Das Buch erschien 2008 im Strube Verlag, und welche Symboliken oder Worte zum Einsatz München. kommen. Das ganze Schaffen ECKERTS dabei zu betrachten ist schier unmöglich und so soll diese Arbeit einen ersten Anfang und Versuch darstel- 2. Einblick in eine der Analysen zum Thema len, sich der Christologie innerhalb seiner Texte „Die Geburtsgeschichte 1. Zu Beginn des zu nähern. Ein im Anschluss folgendes Gespräch und die Menschwerdung Jesu“ Jahres 2011 mit EUGEN ECKERT soll helfen, sein Schaffen, sei- erschien das ne Arbeits- und Vorgehensweise und Gedanken Lied Nr. 13 „Und dann warst du da“, 2002 Junge Gotteslob zur Christologie innerhalb seiner Lieder kennen „Ein Segen sein“ zu lernen. Das Lied besteht aus drei Strophen, welche durch im katholischen Kontext Doch was vermag das Liederbuch „Durch Hohes den Refrain miteinander verknüpft sind. „Und dann mit 701 Neuen Geist­- und Tiefes“ zu leisten? Bei dieser Liedsammlung warst du da“ sind der Titel und die ersten Worte des lichen Liedern. handelt es sich um das umfangreichste evangeli- Liedes. Diesen folgt, was geschah, als Christus Teil Limburg und sche Gesangbuch im deutschsprachigen Raum mit der Welt wurde. Ein Loblied auf Gott wird gesun- Kevelaer 2011. Neuen Geistlichen Liedern1 und es gilt als eine Art gen, in dem Christus die Hauptrolle trägt, denn das

Seite 12 ansätze 4 + 5 / 2012 Musik Thema

zum Himmel aufblickt und dankt (Lk 9,16) und 2. „Und Gott sprach: (2.) das erste gemeinsame Abendmahl an (Lk 22,19). Es werde Licht! Und es Direkt von Himmelsbrot wird nur im Alten Testa- ward Licht. Und Gott sah, ment geschrieben, wo es in Psalm 78,23–25 heißt: dass das Licht gut war. „Und er gebot den Wolken droben und tat auf die Da schied Gott das Licht Türen des Himmels und ließ Manna auf sie reg- von der Finsternis und nen zur Speise und gab ihnen Himmelsbrot. Brot nannte das Licht Tag und der Engel aßen sie alle, er sandte ihnen Speise in die Finsternis Nacht. […]“ Fülle.“ 1. Mose 1,3–5. In der letzten Strophe wird die Umkehr be- schrieben, die gleichzeitig ein Fragen nach dem 3. „Ja, du, Herr, bist meine Geschehenen beinhaltet. Tanzend und schwebend Leuchte; der Herr macht bewegen sich die Menschen fort und verbreiten meine Finsternis hell“ „die Gute Nachricht“, dass sich keiner mehr fürch- 2. Sam 22,29. ten müsse, denn: „Gott wächst im Kind, alle Angst Das ESG-Gesangbuch »Durch Hohes und Tiefes« weicht dem Licht.“ Die Thematik der Umkehr ist Quelle: Bundes-ESG im Alten wie auch im Neuen Testament zu finden. Sie kann eine Umkehr als Rückkehr sein (z.B. zu- Thema ist die Ankunft Christi und seine Folgen: rückkehren in das Heimatland) oder die innere aus Nacht wird Tag, dem Licht weicht die Angst Umkehr bedeuten (z.B. die Umkehr zu Gott, zum und das Fürchten vergeht. ECKERT verwendet Glauben). Wozu ist eine Umkehr notwendig und eine Lichtsymbolik, die zuerst in den Texten der dienlich? „Als sie das hörten, verstummten sie, lob- Bibel genutzt wurde. Das Licht spielte schon bei der ten Gott und sprachen: So hat Gott auch den Hei- Schöpfung eine bedeutende Rolle2 und taucht in den die Umkehr geschenkt, die zum Leben führt“ vielen unterschiedlichen Zusammenhängen auf3. (Apg 11,18) und mit Worten Jesu: „Wahrlich ich Neben den alttestamentlichen Belegen finden sich sage euch: Wenn ihr nicht umkehrt und wie die weitere entscheidende Stellen im Johannesevan- gelium: „Für alles, was geworden ist, war in ihm das Leben, und das Leben war das Licht der Men- schen. Und das Licht scheint in der Finsternis, aber die Finsternis hat’s nicht begriffen“ (Joh 1,4f). Mit der Geburt Christi kommt das Licht des Lebens in die Welt. Voller Freude preisen die Sänger im Re- frain mit Gloria-Gesängen das Gnadengeschenk Gottes: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden.“ Dieser Hymnus (auf Lateinisch „Gloria in excelsis Deo“) ist Bestandteil der liturgischen Ge- sänge. Er ist in der kirchlichen Tradition als Hym- nus angelicus bekannt. Der Vers entstammt der Ge- burtsgeschichte des Lukasevangeliums (Lk 2,14). Über die biblische Geburtserzählung und die Auf- nahme des tradierten Hymnus sind Refrain und Strophen miteinander verbunden. Die Hoffnung und das Staunen erwachsen aus dem Blick der Hirten auf den Stall, auf das Kind und den wegweisenden Stern. Dieser Blick wird Kinder werdet, so werdet ihr nicht ins Himmel- Lisa Faber und im Lied bis in unsere Gegenwart erweitert, auf alle reich kommen.“ (Mt 18,3). Die Umkehr und der Eugen Eckert Foto: Maren Boderke Menschen, die in der Heiligen Nacht den Ort des Glaube an Gott führen ans Licht und ins Leben. Staunens finden. Für die singende Gemeinde gilt Innerhalb des Liedes ist der Satz „Gott wächst als damit verbundene Hoffnung: die Not vergeht im Kind“ die zentrale christologische Aussage und und der Hunger wird durch das himmlische Brot der Höhepunkt. Das neugeborene Kind im Stall ist gestillt. Wenn ECKERT hier vom „himmlischen Gott. Das Kind bringt Hoffnung und Zuversicht; Brot“ schreibt, dann erinnert dies primär an die sein Kommen bringt Licht und verändert die Ta- Sprachsymbolik der Weihnachtserzählung nach geszeiten. Er ist das Licht für die Welt und die Men- Lukas. Denn „Jeschua“, wörtlich übersetzt „die Hil- schen. Gott ist von Anfang an die Mitte und Gott fe Gottes“ kommt in „Beth lächam“, wörtlich im ist in Christus, auch wenn Gott im Kind noch im „Haus des Brotes, in Brothausen“ zur Welt. Sekundär Prozess des Wachsens und Werdens ist. Durch klingen aus nachösterlicher Sicht (1.) die Speisung die Worte der Engel auf dem Felde „Fürchtet euch der Fünftausend, bei der Christus das Brot bricht, nicht“ hören die Menschen Gottes Stimme. 

ansätze 4 + 5 / 2012 Seite 13 Thema Musik

um, priesen und lobten Gott für alles, was sie ge- hört und gesehen hatten“: Das ist in 10 Sekunden oder noch schneller gesagt – und ich nahm mir vor „nein, du musst es machen wie beim Kinderspiel ‚Bock steh‘, du musst diesen Moment festhalten und dich fragen, was heißt denn: „sie priesen und lobten Gott“?“. Aus diesem Kontext ist „Freunde wacht auf“ entstanden [Eugen singt]. Alle aufge- wacht, will das Lied sagen, Leute, ihr könnt doch jetzt nicht schlafen, da ist etwas Besonderes pas- siert, da ist Großartiges geschehen. Ein Lied voll spanischem Temperament, packend und mitrei- ßend. […] Du fragst nach der Verknüpfung zwischen Traditionellem und Neuem? Bei dem Lied ist sie ganz augenscheinlich, weil ja sogar der deutsche Text mit dem Lateinischen verwoben wird, sodass Übersetzung und Vulgata-Tradition miteinander Geburtsgeschichte Der Themenschwerpunkt des Liedes ist das mensch- verquickt und verbunden sind. Und das ist nur ein Grafik: Lisa Faber liche Leben mit seinen Ängsten, Zwängen, Nöten Beispiel dafür, wie ich mich bemühe, die Beziehung und Sorgen und Gottes Antwort darauf in Chris- zwischen Neuem und Traditionellen zu pflegen. tus. Es handelt sich um einen narrativen Textty- pus, was bedeutet, dass ein Reden über die Geburt In deinen Liedern verwendest du sehr oft eine Licht- und die Ankunft Jesu stattfindet. Symbolik. „Das Dunkel wird hell“, „die Nacht wird zum Tag“. Bist du Fan des Johannes-Evangeliums oder von Paul Gerhardt („Die güldene Sonne“) oder nutzt du die 3. Auszug aus dem mit Eugen Eckert Symbolik einfach als metaphorisches Mittel? geführten Interview Also erst einmal bin ich Paulus-Fan. Und Paulus hat ja etwa auch für Jochen Kleppers „Die Nacht ist Am 19. September 2011 besuchte ich EUGEN ECKERT vorgedrungen“ den Stoff geliefert: „Noch manche in Frankfurt am Main. In einem längeren Gespräch, Nacht wird fallen auf Menschen Leid und Schuld das ich auf Tonband mitschnitt, ging ECKERT auf bis uns einst beglänzt von seinem Lichte … kein meine Fragen ein. Dunkel mehr hält“. Also Jochen Klepper in der Tradition des Römerbriefes (13,12) wie auch Paul Zur Untersuchung deiner Texte habe ich elf Lieder aus Gerhardt mit seiner Lichtsymbolik etwa in: „Ich unterschiedlichen Bereichen ausgewählt und zu einigen steh an deiner Krippe hier“ und Vers 3 „Ich lag in von ihnen habe ich ein paar Fragen. tiefster Todesnacht, du warest meine Sonne, die In den Liedern „Und dann warst du da“ und „Freun- Sonne, die mir zugebracht Licht, Leben, Freud und de, wacht auf“ verwendest du den Hymnus angelicus Wonne“. Das neugeborene Kind Jesus und der auf- („Ehre sei Gott in der Höhe …“). Dies zeigt eine Bindung erstandene Christus: beides finde ich, im Blick auf an kirchliche Traditionen. War es dein Ziel, hier Altes meine eigene Frömmigkeit, am deutlichsten wider- und Neues miteinander zu verknüpfen? Sozusagen eine gespiegelt in der Keltischen Spiritualität. Des öfte- Beziehung oder Verbindung zwischen dem NGL und den ren bin ich bereits auf der Insel Iona in Schottland alten Kirchenliedern aufzubauen? gewesen und habe dort als Symbol dieser Spiritua- Ich bin mir dessen bewusst, dass ich auf den lität das Kreuz mit der Sonne im Zentrum kennen Schultern der Generationen vor mir stehe und gelernt. Mit dieser Symbolik stellten die Kelten na- nicht „das Rad neu erfinde“, sondern allenfalls an- türlich die Auferstehung dar. Der Tag der Sonne, dere inhaltliche Akzente setze, andere inhaltliche der Sonn-Tag, ist untrennbar mit der Feier der Auf- Entwicklungen beschreibe. Bei den Liedern, die erstehung verbunden und damit verbunden steht du nennst, kann ich ganz pragmatisch sagen, dass auch die Zeitansage, dass die Nacht zu Ende gehen das Buch „Lass dein Licht leuchten“, das wir mit wird und der Tag anbricht, an dem Gott Wohnung dem Arbeitskreis Kirchenmusik herausgegeben unter uns nehmen wird. Insofern sind alle meine haben, ausschließlich Advents- und Weihnachts- Lieder, in denen ich die Licht-Symbolik verwende, Die vollständige lieder enthält. Und eine Idee, die ich dafür hatte, immer auch eschatologisch orientiert. Arbeit kann in der bestand darin, die Sätze und Bilder der Weihnachts- ESG-Geschäftsstelle geschichte, die beim Vorlesen in den Gottesdiens- Lisa Faber studierte von 2006 bis 2012 Lehramt unter ten am Heiligen Abend ja viel zu schnell vorbeirau- Gymnasium mit den Fächern Ev. Theologie und [email protected] schen, durch musikalische Momente stehen und Musik in Kassel. Gegenwärtig arbeitet sie als pdf wirken zu lassen. Also zum Beispiel Lk 2,20 a, wo als Lehrkraft im Vorbereitungsdienst bestellt werden. es über die Hirten heißt: „und sie kehrten wieder am Gymnasium Philippinum in Marburg.

Seite 14 ansätze 4 + 5 / 2012 Musik Thema

Heiner Wajemann Theologische Präsenz an der Musikhochschule

An fast allen 23 Musikhochschulen der Bundesre- publik Deutschland gibt es Orgel- und Kirchenmu- sikabteilungen. Es ist sicherlich kein Zufall, dass gerade in der Bachstadt Leipzig 1843 das erste Kon- servatorium gegründet wurde, und zwar durch den Konvertiten und Bachverehrer Felix Mendelssohn Bartholdy. Aus der Konservatoriumsbewegung des 19. Jahrhunderts haben sich dann allmählich die Musikhochschulen entwickelt, so wie wir sie heute plural aufgestellt im Lande vorfinden. Jeden- falls sind an all diesen musikalisch-künstlerischen Ausbildungsstätten Kirche und Theologie präsent, vertreten durch lehrende Theologinnen und Theo- logen, durch praktizierende Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker, durch forschende Musikwis- senschaftlerinnen und Musikwissenschaftler der beiden großen Konfessionen. Die Orgel als Königin der Instrumente findet sich in ihrem überwiegend sakralen Einsatz sowohl in den großen Konzertsä- len als auch in etlichen entsprechend ausgestatte- ten Überäumen der Musikhochschulen. Die Ausbil- dung zum Organisten- oder Kantorinnenamt wird und Berufung nach dem Studium auszuüben, be- Heiner Wajemann am meist nach Grundsätzen gestaltet, die auch für das deutet auch, kirchliche Strukturen und das eigene Eingangsportal Foto: Uwe-Karsten Plisch Selbstverständnis der ESGn gelten, also etwa nach Amtsverständnis im Kontext von Dienst, Ekklesio- den vier Ausformulierungen des Begriffs „inter“: logie und Gemeindekonzept in einer später mitzu- international, interkulturell, interkonfessionell gestaltenden Gemeinde zu durchdenken. Nicht nur und interdisziplinär. Viele Lehrkräfte der Bereiche in wissenschaftlichen, theoretischen Vorlesungen, Liturgik, Hymnologie, Gregorianik und Theologie sondern nachgerade im praxisbezogenen Diskurs bringen in ihren Lehrveranstaltungen auch ein spi- werden gemeinderelevante Erkenntnisse und Fä- rituelles Angebot mit ein. Zwangsläufig scheinen higkeiten neu und kreativ geboren. Dazu gehören beim Behandeln, Analysieren, Interpretieren von auch kirchenrechtliche, journalistische und öf- Chorälen und geistlicher Musik Glaubensinhalte fentlichkeitswirksame sowie das Sponsoring von und -praktiken auf. Die vertonten, religiösen Texte teuren Konzerten und neu anzuschaffenden Or- verweisen Lehrende wie Studierende oft auf die je geln betreffende Fragestellungen. Kirchenmusik individuelle praxis pietatis. Kirchenmusik als Beruf ereignet sich im nachstudentischen Leben sozusa- gen im Umfeld von Religion, Kulturvermittlung und Ökonomie. Diese Berufsperspektive gilt es, im Blick zu behalten. Manche ESG flankiert hilf- reich an den genannten Schnittstellen und bei den kirchenmusikalischen Sozialisationsprozessen. An der Hochschule für Musik, Theater und Me- dien in Hannover (HMTMH) sind bei der Qualifizie- rung zum hauptberuflichen Kirchenmusikeramt als Schwerpunkte vorgesehen: Orgel-Literaturspiel, Orgel-Improvisation, nach Wunsch auch Rock, Pop, Jazz am Tasteninstrument, Chor- und Orchester- leitung, die vier oben genannten theoretisch-wis- senschaftlichen Fächer, kantorale Fächer wie Ge- sang und Gregorianik, Einzelunterricht in Tonsatz ESG-Präsenz an der Hochschule Foto: Uwe-Karsten Plisch und Komposition, in Generalbass- und Partitur- 

ansätze 4 + 5 / 2012 Seite 15 Thema Musik

spiel, eventuell auch tionskultur.“ Oder eine andere Formulierung, die an einem Melodieins- auch in jeder ESG-Satzung stehen könnte: „Wir sind trument wie Posaune uns der Tatsache bewusst, dass es uns heutzutage oder Cello. Stilistisch allen täglich schwerer fällt, in einer globalisierten wird sakrale Musik und wertepluralistischen Welt moralisch immer behandelt von der ‚richtige‘ Entscheidungen zu treffen – und dabei mittelalterlichen Tra- negative Auswirkungen auf andere zu vermeiden dition über J. S. Bach oder verhindern. ‚Ethisch‘ heißt deshalb nicht ‚gut bis hin zu avantgar- sein‘, sondern auf andere Menschen in der Würdi- distischer Musik wie gung ihres Andersseins zuzugehen und sich res- atonale und serielle pektvoll mit ihren Überzeugungen auseinander zu Musik, Gospel und setzen.“ D.h. also auch, dass mit den Kommilitonin- Jazz, Musik aus dem nen und Kommilitonen über christlich-ethisches ökumenischen oder Verhalten, über die so genannten Softskills und global-interkultu- über Kommunikations- und Rechtsstrukturen in rellen Kontext. Der kirchlichen Zusammenhängen zu diskutieren ist. Focus ist allerdings Die Aufnahmeprüfung ist an jeder Musik- an den meisten kir- hochschule sehr schwer. Trotzdem ist bei den Zu- chenmusikalischen gangsbedingungen wie auch bei allen aktuellen Ausbildungsstätten Exzellenzinitiativen, bei allen verschiedenen Be- auf die klassische wertungen des Bologna-Prozesses, aber auch bei evangelische bzw. ka- allen ganzheitlichen Persönlichkeitsbildungen tholische Sakralmu- auf den Begriff der Barmherzigkeit hinzuweisen, sik gerichtet. Leider insbesondere bei denjenigen, die die Aufnahme- sind zur Zeit in der prüfung nicht geschafft haben. Die Frage besteht: Bundesrepublik nur Wärest Du wirklich im Musikerberuf glücklich ca. 340 Kirchenmu- geworden? Natürlich sind die Aufnahmebedin- sikstudierende im- gungen an den einzelnen Musikhochschulen für matrikuliert, davon angehende Kirchenmusikerinnen und Kirchen- sehr viele ausländi- musiker sehr hoch. Dadurch gibt es allerdings im sche Studierende. Die Kirchenmusikstudium und auch in jedem anderen Musikhochschulen, Musikstudium eine ganz geringe Abbrecherquo- insbesondere auch te. Darüber könnten andere Fakultäten und Stu- Orgelschülerin die Kirchenmusikabteilungen sind und werden diengänge neu und intensiv nachdenken. In den Foto: Uwe-Karsten Plisch im 21. Jahrhundert ein großer Exportschlager sein. Ingenieurswissenschaften erreichen ja bekannter- Man liebt im Ausland eben die Musik von Bach und maßen 53% nicht das Ziel, d.h. keinen Abschluss. Händel, von Mendelssohn oder Reger, und will das Auf jeden Fall kommt es im späteren beruflichen Entstehungsland dieser sakralen Musik genauer Wettbewerb darauf an, durch Können und Kunst kennenlernen. Deutsche potentielle Studierende zu überzeugen. sehen dagegen oft in ihren Heimatgemeinden die Rahmenbedingungen, unter denen ihre Orgelleh- Wer motiviert, ja lustbe- rerinnen oder Orgellehrer arbeiten, kritisch, Be- dingungen, die sicherlich verbesserungsbedürftig tont Kirchenmusik prak- sind. Aber dieses Thema wäre einen neuen Aufsatz wert. tiziert, wird Menschen an Christliche Werte haben explizit wie implizit Eingang in die Musikhochschulen, somit auch die jeweils vorhandenen in die Orgel- und Kirchenmusikabteilungen ge- funden, so etwa durch den an der HMTMH verab- Chöre binden und wahr- schiedeten ethischen Code of Conduct vom 30. Okto- ber 2006. Dort findet sich zum Beispiel der Passus: scheinlich künftig beim „Die Grundsätze eines liberalen Menschenbildes, der Gleichheitsgrundsatz, Toleranz, Respekt und Gemeindeaufbau mehr vorurteilsfreie Würdigung jeglicher kulturell- künstlerischen und wissenschaftlichen Leistung Wirkkraft entwickeln gelten gleichermaßen nach innen und nach außen. Wir akzeptieren und fördern deshalb auch not- können als die Wortver- wendige Formen demokratischer Beteiligung und stehen für eine allseits transparente Kommunika- kündigung.

Seite 16 ansätze 4 + 5 / 2012 Musik Thema

Diese These wird sicherlich in den nächsten Jahr- zehnten in kirchlichen Zusammenhängen zu dis- kutieren sein. Zum kirchenmusikalischen Berufs- bild gehört das Motivieren von begabten Kindern und Jugendlichen in den Gemeinden und natürlich in den Universitätsstädten auch die Förderung von kirchenmusikinteressierten Studierenden aller Studienrichtungen mit dazu. Manche ESGn und KHGn sind in der und mit der deutschen Musik- hochschulszene vor Ort intensiv und konvergent miteinander vernetzt. Organisten, Chorleiterinnen, Gospelchormitglieder kommen oft in beiden Ein- richtungen zusammen, in Musikhochschule und Hochschulgemeinde. Das ist sinnvoll, gemeinde- und gemeinschaftsstiftend. Möge daraus Segen und die theologische Präsenz an den Musikhoch- schulen wachsen und gedeihen.

Dr. Heiner Wajemann, Hochschulpfarrer an der Technischen Universität Clausthal und Lehrkraft an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover Heiner Wajemann mit Orgelstudentin Foto: Uwe-Karsten Plisch

Der »Fall Dehm« Bistum Limburg schasst langjährigen Leiter des Arbeits- kreises „Kirchenmusik und Jugendseelsorge“

Patrick Dehm arbeitet seit 23 Jahren beim römisch-ka- Der „Fall Dehm“ ist aber zugleich mehr als eine mensch- tholischen Bistum Limburg, seit 11 Jahren ist er Leiter liche Tragödie; er ist zugleich ein Schlag gegen das Neue des Frankfurter „Hauses der Begegnung“, außerdem Geistliche Lied und reiht sich ein in die Bestrebungen seit 16 Jahren Vorsitzender des Arbeitskreises „Kir- erzkonservativer römisch-katholischer Kreise, im Zuge chenmusik und Jugendseelsorge“ im Bistum Limburg, der Neubearbeitung des römisch-katholischen Gesang- dessen Arbeit als Schrittmacher des Neuen Geistlichen buches „Gotteslob“ eine musikalische „Flurbereinigung“ Lieds bundesweit und über Deutschland hinaus große vorzunehmen, zu der z.B. auch die Eliminierung der Anerkennung genießt. Er ist 50 Jahre alt und Vater Lieder des niederländischen Dichters Huub Oosterhuis von drei Kindern. gehört (s. S. 21). Patrick Dehm wurde am 29. Juni 2012 vom Lim- Eugen Eckert, Mitherausgeber unseres ESG-Gesang- burger Generalvikar Franz Kaspar wegen „feindseliger buches „Durch Hohes und Tiefes“ und seit 32 Jahren Haltung ggü. dem Bistum“ fristlos gekündigt. Kurze Mitglied im Arbeitskreis „Kirchenmusik und Jugend- Zeit später erfolgte, weil das Bistum offenbar seiner seelsorge“ im Bistum Limburg hatte sich zunächst mit eigenen Begründung nicht traute, eine zweite, ebenso einem offenen Brief an den Limburger Diözesanbischof haltlose Kündigung. Einen gerichtlichen Schlichtungs- Franz-Peter Tebartz-van Elst gewandt und nach Ab- termin ließ das Bistum ungerührt verstreichen. Beide schluss des Verfahrens öffentlich seinen Austritt aus Kündigungen erwiesen sich arbeitsrechtlich als haltlos dem Arbeitskreis „Kirchenmusik und Jugendseelsorge“ und es endete, wie solche Fälle immer enden: in einem erklärt. Wir dokumentieren hier beide Schreiben, nicht Vergleich. Mit anderen Worten: das Bistum entledig- zuletzt, um in diesem unbarmherzigen und menschen- te sich eines missliebigen Mitarbeiters, koste es, was es verachtenden Vorfall Öffentlichkeit herzustellen. wolle. 

ansätze 4 + 5 / 2012 Seite 17 Thema Musik

An den Bischof des Bistums Limburg Eugen Eckert Prof. Dr. Franz-Peter Tebartz-van Elst Friedberger Anlage 27, Bischofsplatz 2 60316 Frankfurt/M., 65549 Limburg Email: Frankfurt, 4. September 2012 [email protected] Offener Brief zur fristlosen Kündigung von Patrick Dehm, Haus der Begegnung

Sehr geehrter Herr Bischof, Diözesananhänge und wahrscheinlich auch in im Bistum Limburg wurde 1971 der Arbeits- das derzeit entstehende neue Gotteslob. Lieder kreis „Kirchenmusik und Jugendseelsorge“ ge- aus unserer Arbeit wurden in jüngster Zeit bei gründet. Die Gründer sahen sich der Konstitu- Großereignissen wie dem Papstbesuch im Olym- tion über die heilige Liturgie des II. Vaticanum piastadion in Berlin oder bei der Schlussfeier des verpflichtet, „die Kirchenmusik zu pflegen und Katholikentages in Mannheim gesungen. deren Schatz zu mehren“. Seit seiner Gründung Ich engagiere mich als evangelischer Pfarrer hat der Arbeitskreis eine Fülle von Liederbüchern in diesem Arbeitskreis des Bistums seit mehr herausgegeben. Das jüngste von ihnen ist das in- als drei Jahrzehnten, weil sich ein Teil meiner zwischen weit verbreitete, Ihnen persönlich be- Seele der katholischen Kirche verbunden fühlt. kannte „Junge Gotteslob – Ein Segen sein“. Der Mein Vater und seine Familie stammen aus der Arbeitskreis genießt bundesweit einen herausra- katholisch geprägten ungarn-deutschen Region genden Ruf. Vom Liedgut, das in vier Jahrzehnten am Plattensee. Meine Mutter, die auch aus Un- geschaffen wurde, zehren Gemeinden im gesam- garn stammt, lernte er im Flüchtlingslager in ten deutschsprachigen Raum. Der Arbeitskreis Schlüchtern kennen. Ich war der Heiratsgrund gilt unter kirchlich engagierten Menschen als meiner Eltern. Als mein Vater Kontakt zu dem ein Aushängeschild für das Bistum Limburg. für ihn seinerzeit zuständigen katholischen Pfar- rer aufnahm und Hilfe und Beratung suchte, riet dieser ihm, die schwangere evangelische Frau unverzüglich zu verlassen. Sie zu heiraten wür- de zwangsläufig mit der Exkommunikation für ihn verbunden sein. Mein Vater stand zu meiner Mutter – und zu mir. Dafür bin ich ihm bis heu- te dankbar. Meine Großeltern und er selbst ha- ben ein Leben lang schwer daran getragen, dass er, der familiäre Verantwortung übernommen hatte, von seiner Kirche dafür ausgeschlossen wurde. Kurz vor seinem Tod ist mein Vater der evangelischen Kirche beigetreten. Dass ich mich im Arbeitskreis „Kirchenmu- sik und Jugendseelsorge“ seit mehr als drei Jahr- zehnten engagiere, hat mit der respektvollen An- erkennung des katholischen Teiles meiner Seele zu tun. In den vergangenen 16 Jahren war Patrick Dehm Vorsitzender dieses Arbeitskreises, auf Bitte und Wunsch des seinerzeitigen Diözesan- jugendpfarrers Dr. Wolfgang Pax. Ich bringe Pa- Eugen Eckert und Ich selbst wurde 1980 vom damaligen Vorsitzen- trick Dehm allerhöchste Wertschätzung für sein Patrick Dehm den, Pfarrer Michael Metzler, in den Arbeitskreis großes Engagement entgegen, dem sich alle Chor- Foto: privat berufen. Seit 32 Jahren schreibe ich Liedtexte, die und Liederbücher seither verdanken. Ziel unse- von Kirchenmusikern innerhalb und außerhalb rer Arbeit war und ist es, musikalische Bausteine des Bistums Limburg vertont werden. Lieder aus für lebendige, die Menschen abholende und pa- dieser Zusammenarbeit haben ihren Weg in den ckende Gottesdienste zur Verfügung zu stellen. Stammteil und regionale Anhänge des Evangeli- Sie selbst kennen die Chor- und Liederbücher aus schen Gesangbuches genauso gefunden, wie in unserer Arbeit: ihr Aufbau orientiert sich an der

Seite 18 ansätze 4 + 5 / 2012 Musik Thema

Feier der Messe. Den Menschen unserer Gegen- schließlich die ganze Gemeinde (Mt 18, 15 ff). Die wart die Liebe zum Gottesdienst zu vermitteln, Leitung des Bistums Limburg hat offenbar auf und sie dabei abzuholen in ihrer Lebenswirklich- das Vorbild des Evangeliums verzichtet und ih- keit, bei ihrem Musikgeschmack und bei ihrem ren durch 25 Jahre in großer Verantwortung für Hörverhalten, gehört zu den Zielen unserer Ar- die Kirche stehenden und verdienten Mitarbeiter beit. Dafür bieten wir seit Jahrzehnten eine Fülle weder befragt, noch gehört. Sie hat eine fristlo- von Fortbildungsveranstaltungen an. Und jede se Kündigung gegen den 50jährigen Vaters von dieser Fortbildungen war ausgebucht. Zum Teil drei Kindern ausgesprochen, wohlwissend, dass mussten wir Absagen aussprechen – aufgrund Patrick Dehm durch diese Kündigung vor den von Überfüllung unserer Veranstaltungen. Abgrund seiner ökonomischen Existenz gestellt Unmittelbar vor den Hessischen Sommer- wird. In meinen Augen ist das mehr als beschä- ferien, am 29. Juni 2012, wurde Patrick Dehm mend und einer Christusnachfolge nicht wür- vom Limburger Generalvikar Dr. Franz Kaspar dig (Jak. 4, 17). Diesen Vorwurf kann und will fristlos gekündigt. Als Kündigungsgrund wird ich der Leitung des Bistums nicht ersparen. von Seiten der Bistumsleitung eine „feindselige 32 Jahre Mitgliedschaft im Arbeitskreis „Kir- Haltung gegenüber dem Bistum“ aufgeführt. chenmusik und Jugendseelsorge“ sind eine lange Diese Begründung erfolgte aufgrund einer De- Zeit. Mein halbes Leben ist verbunden mit die- nunziation, die nicht bewiesen ist (1. Petrus 3,9). sem Engagement. Weil die Bistumsleitung selbst weiß, dass diese Auch darum will ich Sie, Herr Bischof, mit Begründung vor keinem Arbeitsgericht Bestand meinem Schreiben bitten, Patrick Dehm zu re- haben wird, hat sie mit einer zweiten Kündi- habilitieren und seine Weiterbeschäftigung zu gung nachgelegt. In ihr wird Patrick Dehm vor- veranlassen, in einem gleichwertigen Arbeits- geworfen, seine Kompetenzen überschritten zu feld und mit einem Schwerpunkt für das Neue haben, indem er ohne ausreichende Absprache Geistliche Lied. den großen Saal im „Haus der Begegnung“ reno- Sollte es dazu allerdings nicht kommen, kann vieren ließ. Nach meinem Wissensstand war die- ich mir eine weitere Mitgliedschaft im Arbeits- se Maßnahme zuvor mit dem Verantwortlichen kreis des Bistums nicht mehr vorstellen. Sech- im Bistum besprochen und von ihm genehmigt zig Jahre nach meinem Vater würde dann ich worden. schwer an „seiner“ Kirche tragen, in der ich so Als Christ unter Christen gehe ich davon aus, viel Bewegung erlebt habe. Darum wäre mein dass der Maßstab unseres Denkens und Handelns Wunsch: Sie öffnen Türen, um neue Wege des das Evangelium ist. Für den Konfliktfall enthält Vertrauens und Miteinanders zu entwickeln. das Matthäus-Evangelium herausragende Vor- schläge des Umgangs damit: zunächst das Vier- Mit freundlichen Grüßen Augen-Gespräch, notfalls dann das Gremium und Eugen Eckert

An den Bischof des Bistums Limburg Eugen Eckert Prof. Dr. Franz-Peter Tebartz-van Elst Friedberger Anlage 27, Bischofsplatz 2 60316 Frankfurt/M., 65549 Limburg Email: Frankfurt, 9. November 2012 [email protected] Mein Austritt aus dem Arbeitskreis „Kirchenmusik und Jugendseelsorge“ im Bistum Limburg nach 32jähriger Mitgliedschaft mit dem heutigen Datum.

Sehr geehrter Herr Bischof, se Kündigung von Patrick Dehm vorzutragen. am 4. September 2012 hatte ich mich in einem Unmittelbar vor den hessischen Sommerferi- Offenen Brief an Sie gewandt, um Ihnen und der en, am 29. Juni 2012, war die Kündigung durch Öffentlichkeit meinen Protest gegen die fristlo- Generalvikar Dr. Franz Kaspar ausgesprochen 

ansätze 4 + 5 / 2012 Seite 19 Thema Musik

worden – meines Erachtens unter Missachtung Resonanz wird bleiben und keinesfalls verloren der Maßstäbe christlicher Ethik (Mt 18, 15 ff) gehen. genauso wie der, gesetzlicher Regelungen durch In meinen Liedern vertrete ich eine einla- das deutsche Arbeitsrecht. dende Kirche, die die Menschenfreundlichkeit Anhaltend halte ich es für einen Skandal, wie unseres Gottes ausstrahlt. Ich vertrete eine Kir- die Leitung des Bistums Limburg mit einem Men- che, die auf der Spur Jesu bei den Menschen ist, schen umgeht und umgegangen ist, der sich in in den für sie schweren Zeiten genauso wie in fast 25jähriger hauptamtlicher Tätigkeit sowohl den Zeiten voller Staunen, Lob und Dank. Und als Mitglied der Dezernatsleitung im Bischöfli- ich vertrete in meinen Liedern eine Kirche, die chen Ordinariat als auch in der Leitung „Hau- beflügelt vom Geist Gottes, die Sprachen der ses der Begegnung“ in Frankfurt durch großes Menschen verstehen und sprechen kann und und verantwortungsbewusstes Engagement in mit dem langen Atem der Liebe Hoffnung in eine den Augen vieler Menschen überaus verdient Welt bringt, die solche Hoffnung bitter braucht. gemacht hat. Organisatorisch und in den letzten Jahren zu- In meinem Schreiben an Sie hatte ich drin- nehmend logistisch getragen von Patrick Dehm gend um die Rehabilitierung und gleichwertige als Motor unseres Schaffens konnten alle Mitglie- Weiterbeschäftigung von Patrick Dehm gebeten, der des Arbeitskreises begeisternd, die Menschen auch in jenem Bereich, der unsere gemeinsame gewinnend und die Arbeit der Kirchen fördernd Schnittstelle ist: die Arbeit am Neuen Geistli- von solcher Hoffnung singen. chen Lied. Ihre Entscheidung, Herr Bischof, und die der Seit 32 Jahren bin ich als Dichter von inzwi- Bistumsleitung, den Vorsitzenden unseres Ar- schen mehr als 1.000 Liedern und als Librettist beitskreises fristlos zu entlassen mit Begründun- für Oratorien, Kantaten und Singspielen beru- gen, die selbst das Gericht nicht als stichhaltig fenes Mitglied im Arbeitskreis „Kirchenmusik ansehen konnte, zerstört meinen Glauben an und Jugendseelsorge“ des Bistums Limburg. In eine geschwisterlich miteinander umgehende diesem Zeitraum habe ich maßgeblich mitgear- Kirche. Und sie entzieht mir den Boden, mich beitet an den fünf Medienpaketen, die das Bis- weiterhin im Arbeitskreis „Kirchenmusik und tum seit 1980 zur Unterstützung der gemeind- Jugendseelsorge“ des Bistums Limburg engagie- lichen Praxis herausgegeben hatte. Auch in die ren zu können. Gestaltung der fünf Chor- und Bandbücher des Ich hatte damit gerechnet, mich eines Tages Arbeitskreises, die seit 1994 erschienen sind und aus Altersgründen aus dieser Arbeit zurückzu- im deutschsprachigen Raum höchste Anerken- ziehen. Niemals hatte ich damit gerechnet, dass nung und Verbreitung finden, bis hin zum von die Leitung der Kirche ein so fruchtbares Feld vielen deutschen Bischöfen gewürdigten Jun- geistlichen Wachstums selbst zerstört. gen Gotteslob „Ein Segen sein“, habe ich sehr Sehr geehrter Herr Bischof, betroffen und viel Lebenszeit eingebracht. Im Kontext zahllo- tief enttäuscht über Ihren Umgang mit Patrick ser Workshops, Tagungen und Fortbildungsan- Dehm, einem visionären Theologen Ihrer Kirche, geboten habe ich in den zurückliegenden Jahr- der für sein Engagement geehrt und nicht entlas- zehnten dabei vielen Tausend singbegeisterten sen werden sollte, beende ich mit dem heutigen Menschen in evangelischen und katholischen Tag nach 32 wesentlichen und guten Jahren sehr Kirchengemeinden das vorbildliche Konzept des schweren Herzens meine Mitarbeit im Arbeits- Arbeitskreises „Kirchenmusik und Jugendseel- kreis „Kirchenmusik und Jugendseelsorge“ des sorge“ im Bistum Limburg vorgestellt und leiden- Bistums Limburg. schaftlich in eine Arbeit investiert, die ich auch für eine tragfähige Brücke der Ökumene halte. Es grüßt Sie Neue Geistliche Lieder, zu denen ich, beflü- Eugen Eckert gelt von der kreativ-spirituellen Atmosphäre im Arbeitskreis, die Texte beigesteuert habe, sind längst in die Gesangbücher aller christlichen Zur Kenntnis an: Konfessionen im deutschsprachigen Raum ein- , kommissarischer Vorsitzender gegangen. Sie sind millionenfach publiziert und des Arbeitskreises; auch beim Besuch des Papstes in Berlin 2011 ha- Andreas Großmann, Diözesankirchenmusikdirektor; ben mich dort anwesende Freunde durch digita- Dr. Beate Gilles, Dezernentin Kinder, le Nachrichten Anteil daran nehmen lassen, wie Jugend und Familie im Bischöflichen Ordinariat; das ganze Olympiastation begeistert mein Lied Pressevertreter/Innen; Teilnehmer/innen an Workshops, „Eingeladen zum Fest des Glaubens“ sang. Solche Tagungen und Fortbildungen

Seite 20 ansätze 4 + 5 / 2012 Musik Thema

Christian Modehn »Die neue Liebe in Amsterdam« Huub Oosterhuis: Dichter, Theologe, Prophet

er ist ein Mensch wie du“: Mit diesem Wort aus der Hebräischen Bibel bringt Oosterhuis seine politi- sche Überzeugung auf den Punkt. Sie teilt er mit seinen Freunden in der Sozialistischen Partei (SP). „Hab lieb den Fremden“ ist zugleich das Motto für den Widerstand gegen rechtslastige Populisten, die lange Zeit die Stützen waren einer christlich- demokratisch-konservativ-liberalen Regierung. Oosterhuis hat zu dem Thema 2012 eine Art Pam- phlet geschrieben mit dem Titel „Red hen die geen verweer hebben“ („Rette diejenigen, die keine Ver- teidigung haben“). Diese parteilich-solidarische Broschüre zugunsten der Fremden hat viel theo- logischen Streit verursacht, über den man in der „Neuen Liebe“ offen debattiert. Schon beim „klei- nen Kirchentag“ der Freisinnigen protestantischen Kirche der Remonstranten im März 2012 betonte Oosterhuis, dass das Reich Gottes mehr sei als ein schöner frommer Traum. Das Reich Gottes sollte nicht in eine spirituelle Innenwelt eingeschlossen sein. Es wird vielmehr von den Menschen hier und Huub Oosterhuis Foto: Roel Wijnants jetzt „gebaut“, wann immer sie sich für Gerechtig- keit und gegen die Ausgrenzung der Armen ein- In Amsterdam wurden in den letzten Jahren vierzig setzen. Im „Tun des Gerechten“ werde das Reich Kirchen abgerissen oder in Büros und Wohnungen Gottes ansatzweise hier geschaffen. umgewandelt. Wer in dieser „säkularisierten Stadt“ Oosterhuis ist und bleibt eine weithin geach- ein neues kirchliches Zentrum einrichtet, braucht tete poetisch-theologische Autorität: Königin Be- viel Mut und einen reichen Sponsor: Huub Ooster- atrix ließ es sich nicht nehmen, bei der Eröffnung huis ist mit beidem gesegnet. Er ist als Theologe, der „Neuen Liebe“ im Februar 2011 dabei zu sein. Dichter und Initiator der ökumenischen „Studen- Mit ihrem Gatten, dem sozial engagierten Prinz tenekklesia“ in ganz Holland bekannt. Der Unter- Claus von Amsberg, war Oosterhuis freundschaft- nehmer und Multimillionär Alex Mulder schenkte lich verbunden. Er hielt für ihn die Ansprache zur vor zwei Jahren der Gemeinde ein Haus mit dem Bestattung. verheißungsvollen Namen „Die neue Liebe“. Das Die Gemeinde, die sich in der „Neuen Liebe“ repräsentative Gebäude an der „Da Costakade“ sonntags um 11 Uhr zum Gottesdienst trifft, ist war früher ein katholischer Treffpunkt, es wurde auch als „Studentenecclesia“ bekannt. Es sind „Die Liebe“ genannt. Jetzt wird „Die Liebe“ „neu“, Menschen verschiedener Konfessionen, die sich und sie könnte „beinahe ewig währen“. Denn das als „Studierende“, als Lernbereite, verstehen. Huub Haus macht nach dem Umbau einen gediegenen Oosterhuis ist seit 1970 ihr geistlicher Leiter. In Eindruck: Auf drei Etagen bietet es Raum für The- dem Jahr kam es zum Bruch zwischen der katho- ateraufführungen, Konferenzen und Gottesdiens- lischen Studentengemeinde Amsterdams und der te. Es gibt eine Bibliothek, ein Café sowie Räume römischen Kirchenführung. Die Bischöfe wollten für die Redaktion der politisch-theologischen es nicht hinnehmen, dass die Studentenpfarrer Hauszeitschrift „De nieuwe liefde. Magazine“, sie auch nach ihrer Heirat Gottesdienste leiten. Papst erscheint vier Mal im Jahr. Die 14 festen Mitar- Paul VI. wollte sogar die aufmüpfigen Holländer beiterInnen werden das Haus zu einer Akademie auf die römische Linie einschwören. Als Oosterhuis gestalten, in der sich alles um die Kultur der Bibel 1970 heiratete, war er fest entschlossen, die Gemein- dreht. In einer neoliberalen Gesellschaft, die „ver- de nicht im Stich zu lassen. Ohne Bindung an Rom sucht unseren Verstand zu vernebeln und unser ist sie seitdem auch ein inspirierendes Vorbild für Gewissen zu betäuben“ (H. Oosterhuis) stellt der Katholiken, eigene, rom-unabhängige Gemeinden Amsterdamer Theologe die biblischen Weisungen zu bilden. Mindestens 20 sind es in Holland und in den Mittelpunkt. „Hab lieb den Fremden, denn Belgien. In anderen Ländern hat dieses „Modell“ 

ansätze 4 + 5 / 2012 Seite 21 Thema Musik

unabhängiger, freier unterschiedlicher konfessioneller Herkunft, die das progressiver Gemein- Wort ergreifen. „Es gibt bei uns keinen Weihrauch, den nicht gewirkt. In keine sakralen Gewänder und keinen kirchlichen Deutschland etwa Hofknicks“, sagte Oosterhuis einmal. Die Liturgie sammelte man lie- ist bei aller Schlichtheit erhebend: Es sind die Ge- ber Unterschriften sänge, die Gemeinschaft stiften unter den Teilneh- zugunsten eines Kir- merInnen und die die Einsicht fördern, „gemein- chenvolksbegehrens. sam vor Gott zu stehen, fragend und zweifelnd“. Man bittet jetzt wie- Für die musikalische Gestalt der Oosterhuis- der („Pfarrerinitiati- Gebete sind mehrere Komponisten verantwort- ve in Österreich“) die lich, Antoine Oomen und Tom Löwenthal etwa. katholische Hierar- Man glaubt Anklänge an Kurt Weill zu verneh- chie um etwas mehr men, gelegentlich auch romantische Motive, vor Reformen. Diese ver- allem in den musikalischen Intermezzi auf dem balen Auseinander- – hier üblichen – Piano. setzungen mit der In jedem Gottesdienst werden die eucharis- letztlich unerreich- tischen Gaben von Brot und Wein gereicht. „Das baren römischen Teilen des einen Brotes und das Trinken aus dem Macht hält Ooster- einen Becher erinnert an den Auftrag, unser Le- huis für sinnlos ver- ben zu teilen im Dienst an der Gerechtigkeit und brachte Zeit. „Als dem Frieden“, betont Huub Oosterhuis. Alle Mitfei- kritische Gemeinde ernden sind selbstverständlich eingeladen, diese stellen wir uns au- Gaben zu empfangen. Es ist der Chor, der das „Ta- ßerhalb des Macht- felgebet“ singt und dabei die besondere, die „ver- bereichs der römisch- wandelnde Kraft“ von Brot und Wein hervorhebt. katholischen Kirche Die „Tafelgebete“ von Huub Oosterhuis bezeugen, auf. Wir haben nicht dass Eucharistie hier nichts mit einem kultischen die Illusion“, so Oos- „Opfer“ zu tun hat. „Ich bin durch meine Studien terhuis, „diese Kirche in den Sprachraum der ersten Schriften von Jesus von innen her verän- von Nazareth gelangt. Und das relativierte für mich dern zu können. Wir die Autorität der späteren dogmatischen und litur- investieren alle Ener- gischen Texte“. gie in neue Beziehun- Kirchliche Traditionen sind für Oosterhuis zeit- gen zur Bibel“. bedingte und deswegen auch relative Glaubensäu- Huub Ooster- ßerungen. Sie können selbstverständlich – nach huis, 1933 in Ams- eingehender Prüfung – beiseite gestellt werden. terdam geboren, ist Die Studentenekklesia verehrt Jesus von Nazareth in einem frommen nicht als allmächtigen „Gottmenschen“, sondern katholischen Milieu als Propheten und Vorbild für kirchliches und po- De Nieuwe Liefde groß geworden, schon als Jugendlicher schrieb er litisches Handeln. Foto: Paul Berendsen seine ersten Gebete als Poesie. 1964 wurde er als Der katholische Theologieprofessor Alex Stock Jesuit zum Priester geweiht und bald zum Studen- (Köln) studiert die Arbeiten von Oosterhuis seit tenpfarrer ernannt: Für ihn und seine Kollegen vielen Jahren. Er stellt in seinem neuen Buch „An- war das Zweite Vatikanische Konzil der Beginn dacht“ die Leistungen des Niederländers „in die radikaler, grundlegender Kirchenreformen. Die Reihe der großen christlichen Dichter, die auf der hierarchische Ordnung war genauso wenig ak- sprachlichen Höhe ihrer jeweiligen Zeit immer zeptabel wie die nun erlaubte „landessprachliche auch Neues aus Altem geschaffen haben“. Alex Liturgie“: Sie ist für Oosterhuis nichts anderes als Stock meint, mit dieser Leistung habe sich diese wörtlich übersetztes Latein, sie bleibt kaum nach- „ecclesia“ wie „eine wirkliche Stadt auf dem Ber- vollziehbar und sehr befremdlich-unverständlich. ge“ platziert angesichts einer „theologisch etwas Um sich gegen die Übermacht Roms all die Jah- flachen Zeit“. Dabei bezieht sich Alex Stock auf die re zu behaupten, brauchte Oosterhuis „reformato- „Reimbemühungen“ deutscher Autoren. Er spricht rischen Mut“ und Durchhaltevermögen. Viermal ausdrücklich „von schwachsinnig zusammenge- musste die Gemeinde umziehen und eine Bleibe reimten Texten“ etwa der Schriftstellerin Marie suchen. Die Gestalt der Gottesdienste in der „Ni- Luise Thurmair. Sie ist mit mehr als 30 ihrer from- euwe Liefde“ wie auch schon vorher erinnert von men Produkte im katholischen Gesangbuch „Got- Ferne etwas an die römische Messe. Es gibt Lesun- teslob“ vertreten. gen aus der Bibel, Fürbitten und ausführliche Pre- In den Liedern von Huub Oosterhuis wird die digten. Aber es sind Theologinnen und Theologen „Kultur des poetischen Gebets“ gepflegt: Der einzel-

Seite 22 ansätze 4 + 5 / 2012 Musik Thema

ne klagt seinen Gott an, er ringt mit Ihm, will Ihn fallen lassen, findet aber doch wieder Zuversicht. „Beten ist viel mehr als Suchen. Beten ist eher War- ten. Suchen ist immer noch Aktion und Ungeduld. Warten hingegen ist Aufmerksamkeit“, schreibt Oosterhuis. Seine Gebete erschließen ihre Tiefe erst als Lieder, vor allem beim Mitsingen: „Der da sagt, Gott zu sein, soll er doch zeigen, was wir an ihm haben …“. Man höre einmal Verse aus der „Großen Litanei“: „Du bis unfindbar, Du bist ein Fremder. Deine Torheit, Gott, ist stärker als die Menschen … Gott, komm zurück, und gib uns den Frieden. Wie lange müssen wir auf dich warten?“ Einer bürgerlichen Christenheit kann Ooster- huis nur die prophetische Tradition der hebräi- schen Bibel als Korrektiv empfehlen: „Wenn die Kirchen sich von der Tradition des lebendigen jü- dischen Glaubens inspirieren lassen, werden sie vielleicht weniger schnell den religiösen Markt- mechanismen erliegen und weniger Bedürfnisse entwickeln nach Engelerfahrungen, Esoterik und Jenseitsszenarien. Und mit mehr Geisteskraft sich einsetzen für die Zukunft dieser Erde“. Das Zentrum „Die Neue Liebe“ macht diese Weisungen zum Programm: Es finden Studienta- ge statt, etwa zum neuesten Buch von Oosterhuis, einer Übertragung der Psalmen in die moderne Lebenswelt. In der „Amsterdamer Nacht der Theo- logie“ am 21. Juni 2012 wurde er für sein umfang- reiches Werk geehrt. Viele andere holländische Theologen müssen – vielleicht neidvoll – eingeste- hen: Es gibt in diesem Land keinen anderen öku- menischen Theologen, der so deutlich das religiö- se „Klima“ bestimmt und die biblische Botschaft nachvollziehbar für moderne Menschen zur Spra- che bringt wie Huub Oosterhuis. Und ausgerechnet die Lieder dieses Meisters der Sprache wollen die katholischen Bischöfe Hollands und Deutschlands nicht mehr in ihren Gesangbüchern haben: „Oos- terhuis darf nicht mehr gesungen werden“, heißt die Verordnung von Kirchenbürokraten, die in ih- rem Ghetto die unverständlichen Dogmen in ur- alter Sprache weiterpflegen wollen – letztendlich dann ohne gläubige Menschen, die nicht länger mehr Gottesdienst mit Unverständlichkeit kom- binieren wollen.

Informationen über die „Neue Liebe“, zum Teil auch auf Deutsch: http://www.denieuweliefde.com/

Die empfehlenswerte Studie von Alex Stock „An- dacht. Zur poetischen Theologie von Huub Ooster- huis“ ist 2011 im EOS Verlag St. Ottilien erschienen. Das Gesangbuch der ESG „Durch Hohes und Tiefes“ enthält von Huub Oos- terhuis die Lieder „Wer leben will wie Gott auf dieser Erde“ (HuT 33) und Christian Modehn „Die Steppe wird blühen“ (HuT 407 siehe oben). lebt als Journalist und Theologe in Berlin. Seine websites: www.religionsphilosophischer-salon.de www.remonstranten-berlin.de

ansätze 4 + 5 / 2012 Seite 23 Thema Musik

Gruppenbild des ESG-Chores »Red Rooster« Foto: privat

Marei-Liselotte Radke/Jan-Henning Overhoff Caminando va!

Einklang: Eine Gemeinde voller Musik Vier Szenen, viele ließen sich noch anführen, aber alle zeigen: In dieser Gemeinde ist Musik drinnen! Szene 1 „Nach dem Konzert ist vor dem Konzert …“ Der Applaus ist verklungen, die Konzertbesu- Chor cher verlassen die Kirche und spenden. Ehemalige SängerInnen vereinen sich mit dem Chor und sin- Der Chor RED ROOSTER besteht seit dem Winter- gen mit dem Chor weiter; Menschen stoßen dazu semester 1993/94 und ist damit wahrscheinlich der und beginnen zu tanzen. Auf der Zugfahrt nach beständigste ESG-Chor innerhalb Deutschlands. Oldenburg geht das Konzert dann noch weiter … Als Chor von Studentinnen und Studenten wird während der Vorlesungszeiten der Universität ge- Szene 2 probt. Außerdem stoßen in jedem Semester neue „Wie schön, dass du geboren bist ….“ Sängerinnen und Sänger dazu, während uns andere Mitternacht, Geburtstag in der ESG – wer spielt verlassen. Das führt dazu, dass seit dem Bestehen heute die Gitarre? Nach dem Klassiker von R. Zu- des Chores wohl mehr als 700 Menschen im Chor ckowski geht das Singen meistens in ein Wunsch- der ESG Oldenburg gesungen haben. konzert über; sind alle Chorstimmen vertreten, In der Chorgemeinschaft singen Musikstu- geht es vierstimmig weiter … dentInnen und LogopädInnen neben Menschen, die ihre ersten Musikerfahrungen machen, Erst- Szene 3 semester neben solchen im 40. Semester. Intensive „Wir sind des Geyers schwarzer Haufen …“ Stimmbildung sowie regelmäßige Chorfreizeiten Teamsitzung, Gemeindevollversammlung, Ar- und Konzerte sind dabei genauso wichtig wie die beitsgruppe: Die Sitzungen beginnen mit einem Gespräche nach den Proben. Drei veröffentlichte Lied und enden mit einem Lied. CDs, regelmäßige Auftritte auf Kirchentagen, Tour- neen durch Deutschland und die Partnerschaft mit Szene 4: Chören aus Namibia prägen das Chorleben über „Ewe Thina – ja, wir gehen den Weg …“ die regelmäßigen Konzerte hinaus. Wendland, November, Castor-Transport: wäh- Das Repertoire besteht aus traditionellen und rend einer Straßenblockade singen ESGlerInnen modernen Spirituals sowie klassischen Werken den südafrikanischen Freedom-Song. Im Wend- geistlicher Musik. Eine Besonderheit stellt das land wird dies sofort verstanden, und die friedli- breite Repertoire von Liedern aus dem Südlichen chen Blockierer stimmen mit ein. Afrika, besonders aus Namibia, dar. Diese werden

Seite 24 ansätze 4 + 5 / 2012 Musik Thema

ganz ohne Noten einstudiert. Treffen sich jeweils ein Sopran, Alt, Tenor und Bass, steht ihnen auch ohne Chorleiter ein breites Repertoire an Freedom Songs, Concert Songs usw. zur Verfügung. Gerade in der Auseinandersetzung mit der Bedeutung der Musik für die Befreiungsbewegungen im Südlichen Afrika wird immer wieder deutlich, wie christli- cher Glaube, politisches Handeln und Musik zu- sammen hängen.

Partnerschaft nach Namibia

Seit 1995 schon wurden im Chor Songs aus Afri- ka, vor allem aus Namibia gesungen, aber mehr als eine vage Antwort auf die Frage nach der Fas- zination dieser Stücke gab es eigentlich nicht. Ist es die grundsätzliche Verwurzelung dieser Musik der Mitte der Woche sind geprägt von Musik. Lie- Der ESG-Chor »Red im politischen wie im religiösen Leben (was in der werden gesungen aus dem ESG-Gesangsbuch Rooster« mit dem Partnerchor Deutschland so kaum denkbar ist)? Um das heraus- „Hohes und Tiefes“ oder aber auch aus der eigenen aus Namibia zufinden, kam die Idee auf, selbst nach Namibia zu zusammen gestellten ESG-Liedermappe, die jedes Foto: Rashid Seif Ghazi fahren und der Musik „auf den Grund zu gehen“. Semester weiterwächst. Veranstaltungen, Semina- In der ESG fand sich rasch eine engagierte Vorbe- re, Lagerfeuer, Kohlfahrten und viele weitere Ver- reitungsgruppe zusammen, um über 1 1 / 2 Jahre anstaltungen in der und mit der ESG sind geformt hinweg eine solche Begegnungsreise zu planen. von Musik. Lieder wie „Im Lande der Knechtschaft“ Seit 2001 hängt so immer wieder der rote Hahn der geben der Gemeinde neue Kraft und sind ein Aus- ESG (der – immer noch – gegen den Wind kräht!) druck der Hoffnung. Zum Ende des Jahres findet auf Plakaten in Windhoek und in der Township immer ein großes Dankeschön an alle Ehren- und Katutura, wie auch der Name unserer Partner, der Hauptamtlichen MitarbeiterInnen der ESG statt. Bridge Walkers, in Oldenburg. Unzählige gemein- In diesem Rahmen gibt es auch eine digitale Jah- same Konzerte (darunter das erste abendfüllende resrückschau, die das passende ESG-Motto trägt „schwarz-weiße“ Konzert mit Freedom Songs in „Da ist Musik drin“. Windhoeks ehemaliger Kolonialkirche), musika- lische und thematische Workshops, Gottesdienste und viel Zeit für die persönliche Begegnung wäh- Ausklang: Nach der Unabhängigkeit rend der nunmehr neun Begegnungen geben der Partnerschaft ihre Prägung. Die Musik diente dabei Seit Mitte Mai hat sich die Gemeinde räumlich, immer auch als „Türöffner“, um Namibia in seiner finanziell und personell vom Oberkirchenrat der (Kolonial-) Geschichte und seinem gegenwärtigen Landeskirche Oldenburg unabhängig erklärt. Wäh- Alltag kennen zu lernen. Aus der Begegnung von rend und auch nach dieser für alle Ehrenamtlichen jungen Menschen mit gemeinsamer Begeisterung belastenden Zeit sind Lieder wie „Ich träume eine für Musik wurde so eine Basis für Vieles gelegt: ge- Kirche“ oder „Caminando va“ ein Dauerbegleiter meinsames Lernen, wachsendes Verständnis fürei- geworden. Die Inhalte dieser Lieder haben die Ge- nander, Toleranz im alltäglichen interkulturellen meinde begleitet, getragen und in ihrem Vorhaben Umgang miteinander und letztlich auch für viele und ihren Entscheidungen bestätigt. Das Gemein- dauerhafte Kontakte. deleben der ESG Oldenburg wird weiterhin voller Über konkrete Öffentlichkeitsarbeit und Präsen- Musik sein, denn es geht weiter: „Es ist uns aber tationen im Oldenburger Umland und das Werben gelungen nach einer Musik zu tanzen, die morgen von Spenden für die Bridge Walkers hinaus arbeitet spielt“ (Zephania Kameeta, Bischof der Evanglisch- die Namibiagruppe der ESG über grundsätzliche Luthersichen Kirche in der Republik Namibia). Themen wie AIDS, interkulturelle Kommunika- tion, Kolonialismus, Identität, sowie aktuelle po- Marei-Liselotte Radke, Jan-Henning Overhoff litische Ereignisse in Namibia. ESG Oldenburg (unabhängig)

Musik im Gemeindeleben

Die ESG Oldenburg lebt von und mit Musik. Un- sere wöchentlich stattfinden An(ge)dachten in

ansätze 4 + 5 / 2012 Seite 25 Thema Musik

Bundes-ESG-Geschäftsstelle in Hannover Eine CD des Jahres When they find me in the river … Ende 2011 erschienen, hat mich dieses Album durch das ganze Jahr 2012 begleitet. Mirel Wagner, die schwarze Sängerin mit dem komischen deut- schen Namen stammt ursprünglich aus Äthiopien und lebt in Finnland, da kann frau schon mal den Blues kriegen … Und sie hat ihn, genauer gesagt den extra-schwerblütigen Delta-Blues. Auf ihrem Debüt-Album klingt das nur ganz selten noch wie dieses oder jenes, vor allem aber führt die radikale Beschränkung auf Stimme und Gitarre zu einem gut halbstündigen Hörerlebnis von ungeheurer In- tensität. Man kann in den Novembernebel starren und sich vorstellen, wie es ist, im Fluss zu treiben: When they find me in the river … tell my mother I was a good boy …

Uwe-Karsten Plisch

Rosenstolz: Wir sind am Leben Dieses Jahr habe ich gerne im Zug müde und abge- spannt Rosenstolz gehört. Insbesondere das erste Lied „Wir sind am Leben“. Mir gefällt die Mischung aus Aufforderung zum Tun (Hast Du alles probiert? Hast du alles versucht?) und Zuspruch (Keiner wird dich zerstören / Du bist am Leben). Die Musik ist lebendig und der Sängerin höre ich gerne zu. Mein anderer Favorit auf der CD ist E.N.E.R.G.I.E., das Lied mit der Erlaubnis, meine Energiereserven für mich zu behalten. Annette Klinke

Seite 26 ansätze 4 + 5 / 2012 Musik Thema

Mein Lieblingsalbum für den Herbst Beth Gibbons and Rustin’ Man – Out of Season – ein Album, das Mann oder Frau mit Musikge- schmack haben muss. Die wunderbare Frontfrau Beth Gibbons (Portishead) verzaubert mich jedes Mal aufs Neue mit ihrer rauchigen und gleichzei- tig zerbrechlichen Stimme. Hinter Rustin’ Man verbirgt sich Paul Webb von Talk Talk – die 80er lassen grüßen. Beide zusammen haben 2002 ein Album voller mystischer Klänge und wahnsinnig guter instru- mentaler Einlagen geschaffen. Melancholie, Ver- gänglichkeit, Gefühle überhaupt sind das Thema … eben deshalb passt das Album so gut in den Herbst. Ich hatte 2003 das Vergnügen, Beth Gibbons and Rustin’ Man auf der Bühne in Berlin zu sehen und zu hören und bin immer noch beseelt. Aber Vorsicht: wie schon anfangs erwähnt, nur was für Leute mit Musikgeschmack …

Vassiliki Chryssikopoulou

Brahms meets Italy Die schöne Entdeckung einer Neuauflage ist für mich die CD des Jahres geworden. Vor vielen Jah- ren hatte ich bei einem Konzert im Rahmen des Schleswig-Holstein Musik Festivals das Klavier- quintett f-Moll op. 34 von Johannes Brahms in ei- ner Bearbeitung gehört. Eigentlich – wie der Name sagt – für fünf Musiker geschrieben, wurde die- ses ohnehin spannungsreiche, dynamische und gelegentlich schwungvolle Stück dort von einer vergrößerten Besetzung gespielt und bekam rich- tig drive. Ein Übriges tat die Atmosphäre: Es war ein ‚Musikfest auf dem Lande‘ und gespielt wurde spät am Abend in einem historischen großen Kuh- stall. Es war eine unglaubliche Atmosphäre. Nur leider: Auf CD gibt es das natürlich nicht – weder die Bearbeitung noch die Atmosphäre! Eher zufällig bin ich nun auf eine Version dieses Klavierquintetts gestoßen, die vor über 30 Jahren vom Quartetto Italiano und dem Pianisten Mauri- zio Pollini aufgenommen und wieder auf CD ver- öffentlich wurde. Johannes Brahms meets Italy – oder zumindest fünf italienische Temperamente. Da geht wirklich die Post ab und die Spannungen und die Dynamik des Stückes sind intensiv spür- bar. Durchaus ein würdiger Ersatz für die Version in meiner Erinnerung. Diese CD hat mich in die- sem Jahr nicht nur über etliche langweilige Zug- fahrten gerettet! Jörn Möller

ansätze 4 + 5 / 2012 Seite 27 ESG vorgestellt

Verleihung des Umweltpreises Foto: ESG Berlin

Heike Steller-Gül Nachhaltig konsumieren Verleihung des 14. Ökumenischen Umweltpreises an die ESG Berlin

Am 25. September 2012 verliehen die Evangelische Im Vorbereitungstreffen sollten die Säulen des Po- Kirche in Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlau- litischen Nachtgebetes mit Inhalt gefüllt werden: sitz (EKBO) und das Erzbistum Berlin im Rahmen Information – Reflexion – Aktion. Information und des ökumenischen Gottesdienstes zum „Tag der Reflexion waren schnell geplant, Jennifer erarbei- Schöpfung“ den 14. Ökumenischen Umweltpreis. tete einen Pressereader mit aktuellen Infos, Julian Die ESG Berlin erhielt für ihr Projekt „Nachhaltig- schrieb die Hauptauslegung zum Thema, Christi- keitsrichtlinie zum regionalen, ökologischen und an informierte über EU-Subventionen und Dorian fairen Einkaufen“ den 3. Preis (500,– EUR). In ih- wollte im Gottesdienst singen. Nur für den Akti- rer Begründung hob die Jury hervor, dass die ESG onsteil fehlte noch eine Aktion. Dann kam die Idee: Berlin in ihrem Einkaufs- und Konsumverhalten Es könnte doch eine innergemeindliche Petition seit 2008 auf die Prinzipien der Ökologie, Regiona- gestartet werden, eine Unterschriftenliste, in die lität und Fairness setze. Die konkrete Praxis werde sich jede/r ESGler/in eintragen sollte, die/der dafür regelmäßig diskutiert und den Studierenden wür- stimme, dass die ESG in Zukunft ökofair einkaufe. den konkrete Tipps an die Hand gegeben. Zudem Als kleiner praktischer Beitrag, den die ESG leisten *. Herzlichen Dank würden damit andere Gemeinden ermutigt, all- – und der über das Kennenlernen in der ESG dann an Julian Bischof tagstauglich nachhaltig zu leben und zu arbeiten. auch für das eigene, private Verbrauchsverhalten aus dem Gemeinderat Letztendlich verdanken wir die Nachhaltigkeits- zum Vorbild werden könnte. der ESG Berlin, richtlinie Dorothee Sölle und ihrem Politischen Die biblischen Texte Psalm 104, Nehemia 5, 1 – 13 der seine Erinnerungen an Nachtgebet sowie dem Engagement von Studie- und Matthäus 14, 13 – 21 wurden in Beziehung zu das Politische Nachtgebet renden im Sommersemester 2008. In gut evange- Hungeraufständen, den Situationen in Haiti und und die Entstehung der lischer Tradition ging sie hervor aus Schriftaus- Indien und zu EU-Lebensmittelsubventionen ge- Richtlinie zusammen- legung und Gottes Wort im Gottesdienst – dem setzt. Im Aktionsteil wurde die Unterschriftenliste getragen und Politischen Nachtgebet „Welternährungskrise“ herumgegeben und unterzeichnet. Anschließend weiter gegeben hat! am 18. Mai 2008:* lag sie noch eine Weile in der ESG aus – bis zur

Seite 28 ansätze 4 + 5 / 2012 ESG vorgestellt

nächsten Gemeindeversammlung im Juni 2008, auf der die ESG Berlin mit dieser Petition im Rü- cken dann folgendes beschließen konnte:

Antrag zum Einkauf von ökologischen Lebens- mitteln: Die Gemeindeversammlung der ESG Berlin möge beschließen, dass beim Einkauf von Lebensmitteln für ESG- Veranstaltungen in Zukunft darauf geachtet wird, Produkte aus fairem Handel oder aus lokalem Anbau sowie aus öko- logisch verträglicher Produktion zu kaufen.

Begründung: Die Teilnehmenden des politischen Nacht- gebets vom 18. 5. 2008 rufen die ESG Berlin, zu der sie selbst zum großen Teil gehören, dazu auf, an dieser Stelle ihre Verantwortung im Hinblick auf eine gerechte und öko- logisch verträgliche Produktion und Verteilung von Lebens- mitteln wahrzunehmen. Wir sehen als problematisch an, hier zwar von der Politik und den einzelnen Verbraucher/ innen Veränderungen in Handlungs- und Lebensweise zu fordern, aber selbst nicht aktiv zu werden. In der ESG Ber- lin wird viel gegessen und getrunken, und zwar meist in melade für Alle“ der aej. In ökumenischer Zusam- »Marmelade für alle!« entsteht (oben) und Gemeinschaft. Das ist sehr wichtig und sehr gut so. Umso menarbeit ernteten wir Holunder und Äpfel und wird angeboten auf wichtiger ist es, hier ein Zeichen zu setzen. verkochten sie zu Gelees und Konfitüren, die wir dem »Fest der Kir- auf dem Berliner Fest der Kirchen und zu anderen chen« (unten) Foto: ESG Berlin Änderungsantrag: Der Gemeinderat wird beauftragt, Gelegenheiten zugunsten unserer Semesterkol- zu Beginn des nächsten Semesters ein Konzept zur Umset- lektenprojekte mit großem Erfolg unter die Leute zung dieses Beschlusses zu erarbeiten und die Einhaltung brachten. dieses Konzeptes sicherzustellen. Die Richtlinie und deren alltagstaugliche Um- setzung sind praktikable kleine Schritte zu mehr (Antrag auf der Gemeindeversammlung der ESG Berlin im Nachhaltigkeit, die leicht von Kirchengemeinden, SoSe 2008 am 19. Juni 2008.) Gemeindegruppen, Familien, WGs und Einzel- personen umgesetzt werden können, wenn große Änderungsantrag und Antrag wurden von der Maßnahmen wie energetische Sanierungen oder Gemeindeversammlung mehrheitlich angenom- Produktion erneuerbarer Energien aufgrund von men. Die Öko-AG entstand und übernahm die Vor- gegebenen Rahmenbedingungen nicht realisiert lage an den Gemeinderat – aus der die prämierte werden können. In Gemeinden wird gerne ge- Richtlinie letztendlich dann hervorging, die zum gessen und gefeiert. Lebensmittel spielen im Ge- 1. 1. 2009 in Kraft gesetzt wurde und in der letzten meindealltag täglich eine Rolle. Indem solch eine Ausgabe der ansätze nachzulesen ist. Sie stellt kei- handlungsleitende Richtlinie erarbeitet und im ne rein abstrakte Handlungsmaxime in unserem Bewusstsein gehalten wird, kann das Umweltbe- Gemeindeleben dar, sondern ihre Umsetzung wird wusstsein der Gemeinde und ihrer Angehörigen von der Mehrheit der ESGler/innen immer wieder gestärkt werden. Zugleich kann jede/r selbst aktiv eingefordert. werden: Wir werden von Konsument/innen zu Be- Auch im Rahmen der Nachhaltigkeitsrichtlinie wahrer/innen der Schöpfung. beteiligen wir uns gemeinsam mit der KSG Edith Heike Steller-Gül, Stein seit Herbst dieses Jahres an der Aktion „Mar- Studierendenpfarrerin ESG Berlin

ansätze 4 + 5 / 2012 Seite 29 Der Verband

Plenum der ESG-Bundesversammlung in Trier Foto: Bundes-ESG

Mathilde Fuß Mit der Sackkarre durch die Basilika? Bericht von der Bundesversammlung 2012

Vom 20. – 23. 9. 2012 fand die 8. ordentliche ESG- Die BV war geprägt durch ihre Teilnehmenden Bundesversammlung statt. Diesmal tagten die De- und ihren Tagungsort. Sie stand unter dem Thema legierten der Orts-ESGn im Caspar-Olevian-Saal „Kirchlicher Staat – staatliche Kirche?!“ und den neben der Konstantin-Basilika in Trier. Schon vor Konsequenzen daraus für die Arbeit an der Hoch- Beginn war klar, dass sie einige Besonderheiten schule und in den Hochschulgemeinden. Nach mit sich bringen würde. einer thematischen Einführung am Donnerstag Am Dienstag, den 18. 9. 2012 reiste bereits das führte Freitag ein umfangreiches und sehr infor- Präsidium in Trier an, um mit tatkräftiger Unter- matives Referat von Prof. Gerhard Robbers, einem stützung der Orts-ESG und des Bundesrates den Kirchenjuristen aus Trier der zugleich Präsident Caspar-Olevian-Saal neben der Konstantin-Basili- des kommenden 34. Kirchentages 2013 in Ham- ka in einen Tagungsraum zu verwandeln und für burg ist, juristisch in das Thema ein. Schon in den die Versorgung der 114 Teilnehmenden während Begrüßungsworten durch die Stadt Trier und die der Sitzung zu sorgen. Der Kühlschrank aus dem Rheinische Landeskirche wurde deutlich, dass Trier Café Basilika musste dann allerdings doch nicht mit seiner Geschichte für dieses Thema der opti- durch die Basilika in den Saal gekarrt werden, da male Ort war. Außerdem stand das Rednerpult an er glücklicherweise über den Vorplatz gefahren der Stelle, wo schon Caspar Olevian gepredigt und werden konnte. damit die Reformation nach Trier gebracht hatte, was die Debatte vielleicht noch zusätzlich belebte.

Seite 30 ansätze 4 + 5 / 2012 Der Verband

probeweise arbeite- te, soll bestehen blei- ben und wurde als Lenkungsrat in die Grundordnung auf- genommen. Eine wei- tere grundlegende Änderung, die nach kontroversen Diskus- sionen eine deutliche Mehrheit fand, ist die Fusion von Bundesrat und BV-Präsidium. Konstantinsbasilika als Bastelbogen Foto: Bundes-ESG Der ESG-Bundesrat wird mit der neuen Die Konstantin-Basilika, – gebaut als kaiserlicher Grundordnung um Prunksaal und inzwischen als Kirche genutzt und zwei Personen erwei- vom Staat finanziert – versinnbildlichte das The- tert und übernimmt ma der BV besonders anschaulich. Sie war der Ort die Vorbereitung der für einen allabendlichen, sehr stimmungsvollen nächsten Bundesver- Tagesausklang, konnte im Rahmen des umfang- sammlung vom letz- reichen Rahmenprogramms sogar von oben und ten Präsidium (das unten erkundet werden und bot insgesamt eine schon einiges an Vor- besondere Kulisse. arbeit geleistet hat). An das Referat schlossen sich verschiedene Die erfolgreiche Debatte zur Grundordnungsän- Vitamine zum Durch- Workshops an, in denen sich die Teilnehmenden derung hat uns alle sehr gefreut, da wir damit ab halten Foto: Bundes-ESG eingehender mit dem Verhältnis zwischen Staat sofort eine solide Arbeitsbasis haben, auf der wir und Kirche in Luxemburg, Schweden und dem aufbauen können. Vatikan befassten. Da mehrere ReferentInnen Stu- Sie nahm inklusive der zwei einführenden dierende waren, spielte natürlich auch der Erfah- Lesungen des Vorschlags erwartungsgemäß den rungsaustausch über das Studium und Leben im Großteil der Plenumssitzungen ein, trotzdem gab Ausland eine Rolle. es auch einige andere Anträge zu bearbeiten. Diverse Zeitungsartikel, die als Wandzeitung Dabei ging es (oft) um inhaltliche Aufgaben vom BV-Präsidium im Vorfeld gesammelt und auf- für Geschäftsstelle oder Bundesrat. Beispielswei- gehängt worden waren, luden zur weiteren Vertie- se beauftragte die BV die Geschäftsstelle, sich als fung des Themas im Verlauf der Tagung ein. Reaktion auf die Kooperationsergebnisse und ab- Mit Spannung erwartet und bereits im Vorfeld nehmende Teilnehmendenzahlen bei mehrtägi- für diese BV vorbereitet, wurde weiterhin die fälli- gen Veranstaltungen empirisch über die Folgen ge Grundordnungsdebatte, in die die seit 2008 be- des Bologna-Prozesses für einzelne Studierende stehende Kooperation mit der aej einfließen soll- und den Umgang anderer Organisationen mit die- te. Wichtiges Anliegen war hier auch, geeignete sem Problem zu informieren. Die Evaluation der Formen für die Vertretung und Beteiligung der Kooperation soll weiterhin und umfassender als Studierenden zu diskutieren und sicherzustellen. bisher fortgesetzt werden.  Für die Änderung der Grundordnung war schon auf der BV 2011 in Hannover ein Vorbereitungsaus- schuss aus Vertretern von BV, Orts-Gemeinden, Bun- desrat und Geschäftsstelle eingesetzt worden, der den Delegierten einen ausgearbeiteten Vorschlag unterbreiten sollte. Nachdem das Ergebnis der Evaluation der bis- herigen Kooperation vorgestellt und diskutiert worden war, bekräftigte die BV die weitere Koope- ration und machte sich an die Arbeit, das auch in der neuen Grundordnung umzusetzen. Der Änderungsvorschlag wurde im Plenum und in den Arbeitsgruppen gründlich durchgearbeitet und nach einigen Änderungen von der BV ange- Wahlen konnten on- nommen. Der erweiterte Verwaltungsrat, der mit line verfolgt werden der Zusatzvereinbarung zur Kooperation seit 2010 Foto: Bundes-ESG

ansätze 4 + 5 / 2012 Seite 31 Der Verband

Blick über den Zum Schluss wurden alle herzlich und mit „süßer Tellerrand (Caspar-Olevian-Saal) Bestechung“ zur BV 2013 in Würzburg eingeladen, Foto: Bundes-ESG bei der es wieder spannende Debatten beispielswei- se zur Präambel der Grundordnung, geben wird. Außerdem steht die Wahl eines Generalsekretärs/ einer Generalsekretärin an. Die BV endete mit einer „Tschüss-Kette“ und einem gemeinsamen Abschlussfoto. Wir freuen uns schon auf das nächste Jahr!

Mathilde Fuß für den ESG-Bundesrat

Außerdem wurde die Mitgliedschaft bei der Bun- desarbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“ be- schlossen. Die BV in diesem Jahr zeichnete sich durch historisch lange Debatten aus (am Samstag etwa bis 3.00 Uhr!), doch insgesamt war die Stimmung sehr positiv unter den Teilnehmenden. Abgerun- det wurde sie am Sonntag durch einen vom Präsi- Mathilde Fuß vor den Resten einer Kolossalstatue dium vorbereiteten Gottesdienst, der mit Abend- Kaiser Konstantins Foto: Bundes-ESG mahl gefeiert wurde, der leider aber doch nicht – wie geplant – in der Basilika stattfinden konnte.

Gruppenfoto der ESG-Bundesversammlung Foto: Jörg Zisterer

Seite 32 ansätze 4 + 5 / 2012 Der Verband

Vorstellung des Evaluations- berichtes Foto: Bundes-ESG

Jörn Möller BV 2012 in Trier – Ergebnisse und Beschlüsse

Vom 20. bis 23. September fand in Trier die diesjäh- Als stellvertretende Bundesratsmitglieder wur- rige Bundesversammlung (BV) der ESG statt. Im den gewählt: Folgenden sollen in Kürze die Ergebnisse von Wah- • Stefan von Deylen len und Beschlüssen zusammengefasst werden. • Malte Heuermann

TeilnehmerInnen Als Delegierte bei Partnerorganisationen und Mit 67 Mandaten aus 34 Orts-ESGn war die Bun- in Gremien wurden gewählt: desversammlung beschlussfähig. Mit Gästen nah- • Clemens David Brilla – WSCF-Delegierter men rund 100 Personen an der BV teil. • Josefine Neuhaus – WSCF-Delegierte • Lenard Geffert – BSPK Wahlen • Miriam Keller – BSPK In den Bundesrat, der vergrößert wurde, da er auch • Michael Philippi – Vertrauensausschuss (VAU) die Aufgaben des BV-Präsidiums übernimmt, wur- • Jörg Zisterer – VAU den gewählt: • Stefan von Deylen – Arbeitsgemeinschaft • Maike Axenkopf (Vorsitzende) Katholischer Hochschulgemeinden (AKH) • Florian Emanuel (Stellv. Vorsitzender) • Rolf Blase – Initiative Kirche von unten (IKvu) • Jan-Hinrich Busch • Hanna Müller – Evangelische Akademikerschaft • Jan Schulte in Deutschland (EA) • Hans Heinrich Kottemann – EA Weiterhin im Bundesrat sind: • Leila Soltani – Aktionsbündnis • Mathilde Fuß gegen Studiengebühren (ABS) • Jasper Kschamer • Lenard Geffert – Stellenausschreibung • Christian Ritter Generalsekretärin • Martin Schurig • Marei-Liselotte Radke – Stellenausschreibung • Leonie Zeißler Generalsekretärin 

ansätze 4 + 5 / 2012 Seite 33 Der Verband

Welche Veranstaltungsformen sind geeignet, auf die knapper werdende Freizeit von Studierenden zu reagieren, was kann weiterentwickelt werden? Zur Bundesversammlung 2013 soll ein Bericht vor- gelegt werden.

3. Der ESG-Bundesrat wird beauftragt, mit Unter- stützung der ESG/aej-GS den Evaluationsprozess über die Kooperation mit dem aej e.V. fortzusetzen. Dieser Prozess soll kontinuierlich verfolgt werden. Alle drei Jahre ist der BV ein Bericht vorzulegen.

4. Dem ESG-Bundesrat wird in Zusammenarbeit mit der Geschäftsstelle die Aufgabe erteilt, sich um eine Neu-Ausschreibung der Stelle für die Ge- neralsekretärin zu kümmern und entsprechende Verfahren einzuleiten. Zusätzlich wählt die ESG- Bundesversammlung zwei Vertreterinnen, die an Vorstellung Weiterhin werden folgende Delegationen wahr- dem Verfahren der Ausschreibung mit Stimmrecht der KandidatInnen beteiligt sind. Foto: Bundes-ESG genommen: • Maike Axenkopf – EKD-Jugenddelegierte [Dieser Beschluss ist derzeit in einem Klärungspro- • Elisabeth Neuhaus – EKD-Jugenddelegierte zess, da er im Widerspruch zum Kooperationsvertrag • Malte Heuermann – Evangelisches Studien- aej/ESG steht.] werk Villigst 5. Folgende AGn wurden verlängert: Für die kommenden Bundesversammlungen wird • Adivasi-Tee-Projekt (ATP) den zuständigen ehrenamtlichen Gremien sowie • AG „Mitkrähen aus christlicher Überzeugung“ der Geschäftsstelle der folgende Auftrag gegeben: (Vernetzung der ESG mit der EA) Die Vereinbarkeit der Bundesversammlung mit Fa- milie soll – insbesondere durch Angebote auf dem Die Bundesversammlung hat folgende Beschlüsse Gebiet der Kinderbetreuung – gewährleistet werden. gefasst. Viele weitere Anträge wurden zwar zuge- lassen, konnten aber aus Zeitgründen nicht in der 6. BV diskutiert werden. Sie werden daher im ESG- Die ESG tritt der Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl Bundesrat weiter bearbeitet oder bei der nächsten in der Kirche bei. BV auf die Tagesordnung gesetzt.

1. Orientiert an Beschlüssen der Bundesversamm- Nach der Erprobungsphase der Kooperation mit der lung zur Nachhaltigkeit – und damit auch Papier- aej wurde eine tief greifende Änderung der Grund- vermeidung – sind hier nur die jeweils Gewählten ordnung notwendig. Diese neue Grundordnung und gefällte Beschlüsse dokumentiert. wurde beschlossen. Der Bundesrat wurde mit der Das ausführliche Protokoll, das Stimmenzahlen redaktionellen Feststellung des Textes beauftragt, und nicht Gewählte sowie auch zurückgezogene, die derzeit in Arbeit ist. Sobald er vorliegt, wird er abgelehnte und Anträge zur Geschäftsordnung unter www.bundes-esg.de veröffentlicht (Bereich enthält, wird nach Fertigstellung im Internet ver- Bundes-ESG, Struktur). öffentlicht (www.bundes-esg.de, Bereich Service, Protokolle). 2. Auf Anforderung verschickt die Geschäftsstelle Die Geschäftsstelle wird beauftragt, die Konse- ([email protected]) gerne ein ausgedrucktes Ex- quenzen der Bologna-Reform für die Bildungsar- emplar. beit der Bundes-ESG zu untersuchen. Fragen sind insbesondere: Inwieweit ist die Bil- Jörn Möller dungsarbeit anderer Verbände im studentischen Umfeld von der Bologna-Reform betroffen, wie reagieren sie?

Seite 34 ansätze 4 + 5 / 2012 Der Verband

Abschiebung eines Somalis aus Hamburg nach Malta Foto: Marily Stroux

Fanny Dethloff Die Bundesarbeitsgemeinschaft »Asyl in der Kirche«

Die ESG hat auf ihrer Bundesversammlung 2012 Gemeinden, die Flüchtlingen Zuflucht bieten, sehen in Trier den Antrag auf Mitgliedschaft in der sich durch ihren christlichen Glauben verpflich- Bundesarbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kir- tet, Menschen vor einer Abschiebung zu schützen, che“ beschlossen. wenn begründete Zweifel an einer gefahrlosen Hier stellt sie ihre Arbeit vor. Rückkehr bestehen. Sie stellen sich zwischen die bedrohten Flüchtlinge und die Behörden, um eine nochmalige Prüfung des Falls zu erreichen und Was wir sind: eine Abschiebung zu verhindern. Dies ist keine Form, demokratische Regeln außer Kraft zu set- Die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl zen, sondern der Eintritt für Menschenrechte und in der Kirche e.V. ist der organisatorische Zusam- das Grundgesetz. menschluss der Kirchenasylbewegung in Deutsch- land. In ihr hatten sich anfangs bundesweit die Die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl Ländernetzwerke der evangelischen, katholischen in der Kirche beruft sich auf die „Charta von Gro- und freikirchlichen Kirchengemeinden zusam- ningen“ (1987) (siehe http://www.kirchenasyl.de/ mengeschlossen, die bereit sind, Kirchenasyl zu 4_ueberuns/4_1_ziele/downloads/Charta%20 gewähren. Inzwischen sind es weiterhin Länder- von%20Groningen.pdf), die fortgeschrieben wur- netzwerke, aber auch Einzelorganisationen, da die de in der „Charta der neuen Sanctary-Bewegung in Zeiten von Basisbewegungen auslaufen. Europa“ (2010) (siehe http://www.kirchenasyl.de/4_ ueberuns/4_1_ziele/downloads/Charta-deutsch. pdf). Sie ist Mitglied im Forum Menschenrechte. 

ansätze 4 + 5 / 2012 Seite 35 Der Verband

Was wir tun: Die Bundesarbeitsgemeinschaft sieht sich im Dienst • Kontakte mit verantwortlichen Stellen in Po- der Flüchtlinge, die in den Gemeinden Zuflucht litik und Kirchen gefunden haben, sowie ihrer Unterstützerinnen und Unterstützer. Sie tritt für die Rechte und die Mehr Informationen unter: www.kirchenasyl.de. Menschenwürde von Flüchtlingen ein. Dies ge- schieht durch Fanny Dethloff • Information der Öffentlichkeit über Anliegen ist Pastorin und seit 2002 Flüchtlingsbeauftragte der Kirchenasylbewegung durch Stellungnah- der Nordelbischen Ev.-Luth. Kirche/ Nordkirche. men, Presseerklärungen und Publikationen Sie lebt in Hamburg. Zu den Themen ihrer Ver­ • Rechtliche, theologische und praktische Bera- öffentlichungen gehören Sterbe-, Trauerbegleitung tung von Gemeinden, die Kirchenasyl gewäh- und Hospizarbeit, Glaubensfragen und Erwachsenen- ren taufe. Drei Jahre war sie als Gefängnisseelsorgerin • Tagungen und Fortbildungsveranstaltungen in der Abschiebungshaft in Hamburg tätig • bundesweite Dokumentation und Auswertung und seit 2004 ist sie Vorsitzende von Kirchenasylen der BAG Asyl in der Kirche.

Wohncontainer in einem maltesischen Flüchtlingslager Foto: Marily Stroux

Seite 36 ansätze 4 + 5 / 2012 Der Verband

Lars Hoegen Bekenntnisse zu Mobiltelefonen Eine Satire

Vorbemerkung: Dieser Beitrag ist als Satire ge- dellreihe Galaxy und legte damit Geräte vor, die in dacht. Nichts liegt mir ferner, als die religiösen Optik, Haptik, Bedienkonzept und vor allen Dingen Gefühle der LeserInnen verletzen oder die Be- Gebrauchswert dem iPhone die Stirn bieten konn- kenntnisse diffamieren zu wollen. Ich pauscha- te. Bei den Vorstellungen der ersten Smartphones lisiere und simplifiziere in voller Absicht, wohl durch Samsung haben die Apple-Verantwortlichen wissend um die damit verbundenen Möglich- den Mitbewerber eher gering geschätzt. Tatsächlich keiten des Missverständnisses. hat Samsung auch erst einige Zeit des Experimen- tierens mit den Bedürfnissen der BenutzerInnen Während der ESG-Bundesversammlung 2012 in verbracht, die sich in kleinen Galaxy-Nebenserien Trier entwickelte sich am Mittagstisch – ange- niederschlugen, von denen einige bereits wieder in sichts der Tatsache, dass wir die Mahlzeit als mehr- der Bedeutungslosigkeit verschwunden sind. Mit heitlich protestantische Gruppe in einem Jugend- Einführung der Galaxy-S-Reihe musste aber auch haus des katholischen Kolpingwerks einnahmen, Apple eingestehen, ein ebenbürtiges Vergleichsmo- vielleicht nahe liegend – in meinem Umfeld eine dell zum iPhone zu haben. Diskussion über die Gemeinsamkeiten und Unter- Der Erfolg des iPhone und dessen anfänglich ex- schiede von katholischem und protestantischen ponentiell wachsender Marktanteil kann verschie- Bekenntnis(sen). Mein Gegenüber bemerkte, dass denen Ursachen zugeschrieben werden. Zuvorderst ihm diese Frage einmal von einem 13jährigen ist hier die Rolle des Vorstandsvorsitzenden (CEO) Hauptschüler gestellt worden wäre, in Erwartung der Apple Inc. Steve Jobs zu nennen. Er verstand es einer knappen, plakativen Antwort, was ihm gar wie kein Zweiter, die Innovationen aus seinem Hau- nicht so leicht fiel. Spontan kam mir der nachfol- se der Weltöffentlichkeit jedes Mal wie den ganz gende Vergleich in den Sinn, und je länger ich da- großen Wurf zu präsentieren, auch wenn dabei rüber nachdenke, desto mehr fällt mir dazu ein: vorher nicht selten alter Wein in neue Schläuche Der Unterschied zwischen Katholizismus und Pro- gefüllt wurde. Die Szenen auf entsprechenden Pres- testantismus ist vergleichbar mit dem Unterschied sekonferenzen gleichen einer Heiligenanbetung zwischen einem Apple iPhone und einem Samsung im Rahmen einer Wallfahrt. Natürlich darf man Galaxy. Beide dienen auf den ersten Blick dem glei- nicht vergessen, dass alleine die große Show den chen Zweck, dem Austausch von Nachrichten über Erfolg des iPhone wohl kaum erklärt. Neben dem ein unsichtbares Netz. Bei genauerer Betrachtung Charisma der Person Steve Jobs dürfte auch dessen tun sich jedoch interessante Unterschiede auf. Gespür für die Bedürfnisse von Mobilfunknutzern Beide Hersteller teilen sich gegenwärtig den eu- maßgeblich beigetragen haben. Wobei faszinieren- ropäischen Markt zu etwa gleichen Anteilen. Da- derweise nicht nur offensichtliche Bedürfnisse ge- neben gibt es auch andere Hersteller, die ebenfalls meint sind. Bei der Vorstellung des ersten iPhone- vergleichbare Produkte anbieten, aber in Europa Modells äußerten sich viele PressevertreterInnen eher eine untergeordnete Rolle spielen. In anderen skeptisch darüber, ob ein Mobiltelefon mit berüh- Teilen der Welt ist der Markt anders aufgeteilt, was rungsempfindlichen Display und Nutzungsmög- für diesen Vergleich aber keine Rolle spielt. Eine lichkeiten eines Kleincomputers vom Markt ge- Verschiebung der europäischen Marktanteile ist wollt sei. Die Zeit ließ die Skeptiker verstummen. in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Der Markt Apple pflegt allerdings auch ein Markenimage, darf als gesättigt angesehen werden, was einen das von Zentralismus, wenig Transparenz und mo- Rückgang der Nutzerzahlen von Smartphones er- nopolisierenden Tendenzen gekennzeichnet ist. So warten lässt. ist das Betriebssystem des iPhone ein geschlossenes Apple hat mit dem iPhone historisch gesehen System. Entwickler von Anwendungen für das iPho- den Begriff Smartphone zwar nicht erstmalig, noch ne müssen Apple zum Einen Lizenzgebühren für die nicht einmal frühzeitig definiert, dennoch so maß- Offenlegung der Softwareparameter zahlen, zum geblich geprägt, dass sich andere Anbieter nahezu Anderen werden sie neben der obligatorischen Ge- ausschließlich an den Bedienkonzepten und Funk- heimhaltung im gleichen Atemzug dazu verpflich- tionen des iPhones orientieren. Erst mit einiger Ver- tet, die Anwendungen ausschließlich über die On- zögerung – in Dimensionen der modernen Unter- lineplattform von Apple anzubieten und für jeden haltungselektronik durchaus einige Generationen dort getätigten Verkauf Provisionen zu entrichten. lang – reagierte der Anbieter Samsung mit der Mo- Wenn man sich also entscheidet, Programmierer 

ansätze 4 + 5 / 2012 Seite 37 Der Verband

für Apple-Produkte zu werden, erklärt man sich be- abgrenzbare Gruppen von BenutzerInnen, die ihr reit, sich langfristig den engen Regelungen zu un- Galaxy- Smartphone mit bestimmten zusätzlichen terwerfen und vielleicht auch die ein oder andere Anwendungen erweitert haben. Die Gruppen un- Entbehrung in Kauf zu nehmen, wird im Gegen- terscheiden sich durch den Kanon der jeweils hin- zug allerdings vom Apple-Konzern wirtschaftlich zugefügten Anwendungen. Äußerlich betrachtet abgesichert. erscheinen die Grenzen fließend, werden jedoch Die sich aus dieser strengen Bindung an nahezu von den Gruppenmitgliedern als sehr viel deutli- unabänderliche Prinzipien ergebende wachsende cher wahrgenommen. Unzufriedenheit der BenutzerInnen von Smartpho- Konsequenz der von Samsung getroffenen Ent- nes mag die Geschäftsführung des Samsung-Kon- scheidung für ein freies Betriebssystem ist, dass es zerns dazu bewogen haben, die Galaxy-Modellreihe keinen Zentralismus mehr gibt. Man findet An- mit dem quelloffenen, kostenlos verfügbaren Be- wendungen für Galaxy-Smartphones zwar viel- triebssystem Android auszustatten. Mit diesem bei fach auf den Onlineplattformen von Samsung, aber seiner Ankündigung als sehr radikal rezipierten eben nicht ausschließlich. Die daraus resultierende Schritt hat nun jedeR BenutzerIn die prinzipielle Kultur der vielfältigen Gemeinsamkeit wird von Möglichkeit, den Quellcode zu lesen und zu ver- den BenutzerInnen mehrheitlich als sehr positiv stehen, sich das eigene Smartphone den eigenen beschrieben, wirkt sie doch der Gefahr entgegen, Bedürfnissen anzupassen und mit Anwendungen mit den eigenen Sorgen, Nöten und Ängsten vom zu erweitern. Natürlich macht nicht jedeR davon Hersteller des eigenen Smartphones nicht (mehr) Gebrauch, und so hat sich bereits nach kurzer Zeit ernst genommen zu werden. Diese Freiheit kann eine Art gemeinsame Schnittmenge von Anwen- allerdings andererseits auch stark verunsichern, dungen gebildet, die allen Android-NutzerInnen wenden Kritiker zu Recht ein. Sie bietet nämlich als Basis dient, quasi eine Art Thesensammlung nur wenig Gewissheit, dass die von Drittanbietern darüber, was ein Smartphone kennzeichnet. Darü- und/oder Gruppen versprochenen Eigenschaf- ber hinaus gibt es aber auch deutlich voneinander ten einer Anwendung auch tatsächlich zutref- fen. Man kann sich nur am Ruf orientieren, der einer Anwendung vor- auseilt, und dieser kann sehr trügerisch sein. So ist es denkbar, dass eine Anwendung im Hinter- grund missbräuchliche Prozesse in Gang setzt, die Schaden für die/den BenutzerIn zur Folge hat. Neben der eigent- lichen Anwenderori- entierung unterschei- den sich Apples iPhone und Samsungs Galaxy auch auf anderem Feld. Möchte man das eigene Telefon mit dem Rech- ner synchronisieren und verbindet es durch eine Einsetzungshandlung ei- nes Datenkabels, so erlebt man bei beiden Telefonen im Prinzip das Gleiche: Nach kurzer Zeit ist eine Möglichkeit zum Daten- austausch etabliert, und man kann, wenn man möchte, über das Inter- net eine Verbindung zu anderen BenutzerInnen von Smartphones herstel- Steve Jobs stellt das iphone vor Foto: Matthew Yohe (wikipedia) len. Sehr fein abgestufte

Seite 38 ansätze 4 + 5 / 2012 Der Verband

Wie weiter oben bereits bemerkt, machte sich das Markenimage der Firma Apple an Steve Jobs fest. Nach dessen bedauerlichen Tod im Oktober 2011 hätte man nun eine Sedisvakanz im Konzern er- warten dürfen; tatsächlich wurde der Posten des CEO schnell wieder besetzt durch Tim Cook, einen- Weggefährten von Steve Jobs. Man versucht, das Charisma der Person Jobs auf Cook zu übertra- gen, bisher jedoch mit mäßigem Erfolg. Entgegen landläufiger Meinungen ist Apple Inc. keine echte Aktiengesellschaft, sondern ein weitgehend in Privathand befindlicher Konzern. Die Anteile lie- gen mehrheitlich in den Händen weniger Eigner; über die frei verkäuflichen Anteile kann kaum nennenswerter Einfluss auf die Firmengeschicke genommen werden. Samsung Electronics stellt sich nach außen als echter Aktienkonzern dar. Die frei zu erwerben- den Aktien bilden gemessen an der Gesamtzahl der Aktien zwar einen größeren Anteil als bei App- le Inc. Wer jetzt allerdings unterstellt, dass Aktio- näre hier größere Einflussmöglichkeiten auf die Firmengeschicke hätten, der irrt. Tatsächlich tei- len sich nur wenige Personen die Aktienmehrheit, denn Samsung ist ein altes Familienunternehmen. Ohne dass dies öffentlich deutlich in Erscheinung tritt, herrscht im Samsung-Konzern eine strikte, befehlsartige Hierarchie vor. Die zentrale Person ist bei der Samsung Electronics Division gegenwärtig der CEO Gee-Sung Choi. Dass dieser seine Fäden im Hintergrund zieht, hat bei Samsung Tradition und mag auch zum Erfolg der Firma beigetragen haben. Kritiker bescheinigen Samsung, gegenwär- Samsung Galaxy Foto: Netweb01 (wikipedia) tig der einzig wirkliche Apple-Konkurrent zu sein. Wir werden sehen, wie sich das Verhältnis in Zu- Unterschiede zwischen den beiden Herstellern kunft entwickelt. ergeben sich allerdings aus deren Philosophie des Ich stelle diesen Text offenen bzw. geschlossenen Betriebssystems. Beim unter die Creative Samsung Galaxy kann der Benutzer, wenn er möch- Commons-Lizenz 3.0 te, die mit dem Smartphone ausgelieferte Software mit den Attributen auf den heimischen Rechner installieren und zur BY und NC, Synchronisation nutzen. Eine Pflicht dazu besteht d.h. eine Weiter- allerdings nicht, und so entwickelten sich zahl- verbreitung setzt die reiche freie Programme zum gleichem Zweck. Bei Lars Hoegen Nennung meines Apples iPhone ist hingegen die Nutzung der Apple- war einige Jahre lang ehrenamtlich Namens voraus und darf eigenen Software iTunes unerlässlich, anders kann in der ESG Oldenburg (landeskirchlich) ausschließlich nicht- kein Datenaustausch stattfinden. Folgerichtig star- engagiert und hat diese auf der letzten Bundes- kommerziellen Zwecken tet iTunes schon sofort, wenn man das Datenkabel versammlung als Delegierter vertreten. dienen. in das iPhone einsetzt. Beim Samsung Galaxy muss gez. Lars Hoegen man das Programm von Hand starten. Sicherlich kann man noch mehr der eingangs umrissenen Parallelen anführen. Je weiter man sich allerdings mit der Materie beschäftigt, des- to tiefer muss man in Details der Informatik bzw. Theologie eindringen. Um hier nicht den Rahmen zu sprengen, sei am Ende dieser Satire noch auf ei- nige wenig bekannte Fakten eingegangen, die mit der Leitungsstruktur zu tun haben.

ansätze 4 + 5 / 2012 Seite 39 Der Verband

Benedikt XVI. im Reichstag Foto: Uwe-Karsten Plisch

Uwe-Karsten Plisch Mythen des Konzils – 50 Jahre Vaticanum II

Am 11. Oktober 2012 jährte sich die Eröffnung des „Im Vergleich zu den 95 Thesen Vatikanischen Konzils durch Papst Johannes XXIII. Martin Luthers (445 Jahre zum 50. Mal. In Frankfurt am Main gedachte der deutsche Reformkatholizismus, oder das, was von früher!) war das Zweite Vati- ihm übrig ist, dieses durchaus welthistorischen Er- kanische Konzil, das den Pauls- eignisses vom 18. bis 21. Oktober in einer Konzili- aren Versammlung. Das Medienecho war überra- kirchenbesuchern des 18. Okto- schend gering; selbst der durchaus anregende und ber 2012 bei ihrer Konziliaren Ver- programmatische Eröffnungsvortrag von Hans Küng in der Frankfurter Paulskirche wurde von sammlung ein solches Leuchten epd zu der Meldung eingedampft, dass sich Hans in die Augen zaubert, Küng von der großen Bühne zurückziehe. Die ESG war von den Veranstaltern zur Mitar- doch eine mehr als halbgare beit eingeladen worden, denn die Konziliare Ver- Veranstaltung.“ sammlung war ausdrücklich als „ökumenisch“ Anne Lemhöfer auf http:// apostrophiert und beworben worden. In der Pro- www.publik-forum.de/Religion-Kirchen/vati-freaks grammatik der Veranstaltung, sofern man von

Seite 40 ansätze 4 + 5 / 2012 Der Verband

einer solchen überhaupt reden konnte, war davon ner Kirche, deren Umbau zu einer fundamentalisti- allerdings wenig zu merken. „Ökumenisch“ ist der schen Sekte unter Ratzinger ja rasant voranschrei- Reformflügel des römischen Katholizismus allen- tet, zum anderen, dass selbst derart an der Kirche falls insoweit, als sich das II. Vaticanum schon leidenden KatholikInnen offenbar nicht bewusst selbst als „ökumenisch“ verstanden hatte. Schon ist, dass man gar nicht austreten muss, wenn man die Bezeichnung der Veranstaltung als „Konziliare es nicht mehr aushält, sondern auch übertreten Versammlung“ musste für Protestanten befremd- kann, etwa zur altkatholischen Kirche oder eben lich wirken, assoziiert der Protestant damit doch zu einer reformatorischen. nicht zuerst das Vaticanum II, sondern die erste Ökumenische Versammlung 1983 in Vancouver, Im Folgenden dokumentieren wir leicht gekürzt die den Startschuss gab für den Konziliaren Pro- den mittleren Teil, meine Betrachtung der „My- zess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der then des Konzils“: Schöpfung. Dieser ökumenische Horizont war den Veranstaltern aber offenbar gar nicht bewusst. Nach längerem Zögern habe ich mich dennoch Mythos Konzil und entschlossen, gemeinsam mit Bernd Hans Göhrig, Geschäftsführer der IKvu, und dem Küng-Schüler die Realität damals Prof. Hermann Häring, einen sechsstündigen work- shop über die „Mythen des Konzils“ anzubieten, und heute der mit ca. 70 TeilnehmerInnen sehr gut besucht war und mich auch im Nachhinein noch lange be- schäftigt hat. 1. Sexualmoral, Frauenordination und Der erste Teil des workshops war dreigeteilt. das sakramentale Priestertum Bernd Göhrig ließ zunächst launig Revue passie- ren, was zur Zeit des Zweiten Vaticanums sonst Am Jubiläumstag des Konzils wiederholte der WDR noch so los war in der Welt: Kubakrise, Juri Ga- einen alten Münsteraner Tatort, in dem gleich zu garin als erster Mensch im Weltall und nicht zu- Anfang der Leiter eines Priesterseminars überfah- letzt: Kiffen und freie Liebe. Der römische Katho- ren wird. Gegen Ende des Films, als alle Lebenslü- lizismus war seinerzeit (und ist bis heute) ja eher gen seziert sind, sagt die heimliche Frau eines als Weihrauch und Zölibat. Im zweiten Teil unterzog sympathisch, aber schwach gezeichneten Priesters: ich die Mythen des Konzils einer kritischen Prü- „Wir hatten doch so auf die Aufhebung des Zöli- fung aus protestantischer Sicht und im dritten bats gehofft“. Die Aufhebung des Zölibats gehört zeigte Hermann Häring an ausgewählten Kon- in der Tat zu den uneingelösten Versprechen des zilstexten, wie Reformer und kuriale Bewahrer Konzils – das dieses aber gar nicht gegeben hatte. bis in die kleinsten Formulierungen miteinander Allerdings kann man den Zölibat nicht losgelöst rangen, was höchst inkonsistente Texte zur Folge von der Frage der Frauenordination und der sak- hatte. Besonders eindrücklich: Die Liturgiereform ramentalen Auffassung des Priestertums trennen, legte fest, dass die Gemeinde die Eucharistie inner- sondern muss alles im Zusammenhang betrachten. halb der Messe unmittelbar nach dem Priester zu Ein Priesterkind kann man verstecken, ein Pries- empfangen habe und nicht mehr, wie bis dahin terinnenkind nicht. Würde die Frauenordination üblich, nach der Messe, losgelöst von der priester- unter Beibehaltung des Zölibats zugelassen, käme lichen Kommunion. Daraus hat sich im Laufe der es unweigerlich zu einer sprunghaften Zunahme Jahre und ganz im Geiste des Konzils, die Praxis von Jungfrauengeburten. Die Existenz von Pries- entwickelt, dass Priester und Gemeinde gemein- terinnen änderte auch nichts am sakramentalen sam kommunizieren, der Priester zum Abschluss Amtsverständnis. Es gäbe dann nur noch mehr der Eucharistie. Diese Praxis wurde erst kürzlich Klerus gegenüber den Laien, der fundamentale durch den „Konzilstheologen“ Ratzinger – in Aus- Unterschied zwischen beiden bliebe bestehen. Für legung der Konzilsdokumente – dahin korrigiert, eine fundamentale Kritik an der römischen Sexu- dass der Priester zuerst zu kommunizieren habe, almoral braucht man nicht einmal auf so schwer- weil sonst das Priesteramt ausgehöhlt werde. Bes- wiegende Problemfelder wie Verhütung, AIDS, ser kann man den Unterschied zwischen Geist sexuelle Gewalt und die Diskriminierung von und Buchstaben kaum illustrieren. Eingebrannt Frauen und homosexuell liebenden Menschen zu hat sich mir in der anschließenden lebhaften Dis- verweisen. Schon so harmlose Freizeitvergnügen kussion das Statement einer katholischen Religi- wie Masturbation werden im Weltkatechismus onslehrerin, dass sie aus beruflichen Gründen in (der unter der Leitung des „Konzilstheologen“ Rat- der Kirche bleibe, aber dankbar sei für jeden, der zinger abgefasst wurde) als „in sich schwere ord- austritt. Hierin offenbart sich das ganze Elend des nungswidrige Handlung“ gebrandmarkt (§2352). gegenwärtigen römischen Katholizismus, und zwar Die Begründungen sind zwar erheiternd, lassen in doppelter Hinsicht: einmal als das Leiden an ei- sich aber nicht einfach als höherer Blödsinn abtun. 

ansätze 4 + 5 / 2012 Seite 41 Der Verband

Zusammensetzung des Konzils. Der legendäre Ka- takombenpakt* ist weniger Frucht des Konzils als vielmehr Reaktion auf diese Leerstelle.

3. Das Verhältnis zu Demokratie und Faschismus

Auch in der römisch-katholischen Kirche hätte sich 17 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs eine Klärung des Verhältnisses zum Faschismus (und umgekehrt zur Demokratie) angeboten, was aber – bis heute – unterblieb. Das kirchliche Ver- hältnis zum Faschismus war ja keineswegs ein nur deutsches Problem (wie es im deutschen Pro- testantismus durch Stuttgarter Schulderklärung und Darmstädter Wort bearbeitet wurde), sondern vielmehr ein globales. Zu erinnern wäre etwa an die sogenannte Rattenlinie, auf der in den späten 1940er Jahren hunderte faschistische Kriegsver- brecher mit vatikanischen Pässen über Klöster in sichere (lateinamerikanische) Länder geschleust Workshop Vielmehr geht es um den Zugriff auf den ganzen wurden oder an das Verhältnis zu faschistischen Mythen des Konzils Menschen um höherer Ziele willen – wie es in to- Diktaturen vor und nach dem Zweiten Weltkrieg: Foto: Bundes-ESG talitären Systemen nun einmal Usus ist. Franco in Spanien, Salazar in Portugal, Pinochet in Chile usw. usw. usw. Stattdessen sprach der „Konzilstheologe“ Ratzinger 2007, kaum Papst 2. Die „Väter des Konzils“ geworden, 498 spanische Faschisten, vorwiegend Kleriker, die als Franco-Anhänger im spanischen Wenn vom Zweiten Vaticanum die Rede ist, ist Bürgerkrieg von Anhängern der Republik getötet auch oft, mit dem Hauch der Verklärung, von den worden waren, als Märtyrer selig. Es war die größ- „Vätern des Konzils“ die Rede. Diese Rede ist kor- te Seligsprechungsfeier der gesamten Kirchenge- rekt, denn Mütter waren nicht dabei. Genau ge- schichte. Das innige Werben Benedikts XVI. um nommen waren es nicht nur Väter (vermutlich die klerikal-faschistischen Piusbrüder erscheint in jeder Hinsicht), sondern etliche Hundert alte in diesem Licht nicht mehr nur als bloßes Kom- Männer, noch genauer: einige Hundert alte, vor- munikationsproblem. Ratzingers Verhältnis zur wiegend westlich-europäisch geprägte Männer Demokratie wäre allemal Grund genug gewesen, aus den wohlhabenden Gegenden der Welt, die ihn nicht vor einem Jahr im Reichstag reden zu * Am 16. November 1965 bei allem ererbten Antimodernismus gleichwohl lassen. Noch der leicht bizarre und theologisch – kurz vor Ende des 2. Vati- dem westlichen Fortschrittsglauben verhaftet wa- eher schwachbrüstige Aufruf „Ökumene jetzt!“, canum – trafen sich in den ren. Das Dokument „Über die Kirche in der Welt den Bundestagspräsident Norbert Lammert kürz- Domitilla-Katakomben au- von heute“ lobt noch ganz unbefangen die „Herr- lich initiiert hatte, lässt sich am besten als eine ßerhalb Roms 40 Bischöfe, schaft der Menschheit über die Schöpfung“. Für Retourkutsche Lammerts für Ratzingers faktische ein Bruchteil der Konzils- eine andere Sicht der Dinge war die Zeit Anfang Selbsteinladung in den Reichstag – im Gegenzug teilnehmer. der 1960er Jahre vielleicht noch nicht reif; heute zu Lammerts vorangegangener Papstaudienz in Sie verpflichteten sich, das ist diese Sicht der Dinge auch theologisch obsolet. Rom – interpretieren, eine Bredouille, aus der auch von Johannes XXIII. aus- Ein Verdienst des Konzils ist das nicht, die Zeiten der Ältestenrat des Bundestages Lammert letztlich gegebene Leitwort von haben sich schlicht geändert und die Kirche war nicht mehr hatte heraushelfen können. der „Kirche der Armen“ hier – wie so oft – nicht an der Spitze der Bewegung. wirklich ernst zu nehmen Krieg ist für das Konzil ein Übel, bleibt aber und in Taten umzusetzen: eine politische Option: „Wer als Soldat im Dienst 4. Die Freiheit der theologischen Verzicht auf Macht und des Vaterlandes steht, betrachte sich als Diener Wissenschaft Reichtum, Wahrnehmung der Sicherheit und Freiheit der Völker“. Hier hät- der Option für die Armen. te die Theologie der vorkonstantinischen Zeit rei- Eine Freiheit der theologischen Wissenschaft gibt Wortlaut des Katakomben- che Anknüpfungspunkte geboten – 17 Jahre nach es bis heute nicht. Selbst die – zunächst – philolo- paktes unter: http://www. Ende des Zweiten Weltkriegs! Die vielbeschwore- gische Exegese biblischer Schriften hat sich dem konzilsvaeter.de/ ne „Kirche der Armen“ spielte für das Konzil keine Lehramt unterzuordnen. Maßgeblich sind bis heute referenzen/deutsch/ große Rolle, so die Einschätzung von Konzilsbera- nicht die hebräischen und griechischen „Urtexte“, index.html. ter Edward Schillebeckx. Wie auch, angesichts der bzw. genauer die biblischen Texte in ihren Origi-

Seite 42 ansätze 4 + 5 / 2012 Der Verband

nalsprachen Hebräisch und Griechisch, sondern (1869 – 1870) „verdankt“ der heutige Katholizismus Hermann Häring die Vulgata, also der approbierte lateinische Text. ja so ziemlich alles, was ihn für Außenstehende Foto: Uwe-Karsten Plisch Das hat z.B. zur Folge, dass die Mk 6,3 erwähnten – und noch mehr für KatholikInnen selbst – so Geschwister Jesu (drei Brüder werden namentlich schwer erträglich macht: Das Unfehlbarkeitsdog- genannt, Schwestern summarisch) zu nahen Ver- ma nebst anderen irrwitzigen Lehrentscheidun- wandten Jesu umgelogen werden müssen, weil gen, Antimodernismus und Antiliberalismus. Geschwister dem Dogma der immerwährenden Der Prüfstein für das Zweite Vaticanum ist daher Jungfrauschaft der Gottesmutter widersprechen. die Frage, inwieweit es tatsächlich das Erste Vati- Die Existenz der – weiblichen – Apostelin Junia, canum überwunden hat. In sieben Jahren droht ja die erst im 11. Jh. und nur im lateinischen Westen das nächste Jubiläum: 150 Jahre Vaticanum I. Man durch einen klitzekleinen Eingriff in den Text aus darf gespannt sein, wie dieses Datum durch das of- der Bibel herausgefälscht wurde, wird beharrlich fizielle Rom begangen werden wird. geleugnet. Im Zusammenhang mit den Feierlichkeiten um Die Situation katholischer Theologinnen und das Zweite Vaticanum wird gelegentlich ein Drittes Theologen hat sich seit dem Zweiten Vaticanum Vaticanum ins Spiel gebracht. Ist ein solches Konzil nicht verbessert, im Gegenteil. Die Erteilung der gegenwärtig denkbar und wie müsste es aussehen? kirchlichen Lehrbefugnis wird oft quälend lange Es müsste ökumenisch sein (richtig ökumenisch hinausgezögert, bis auch die letzte Flamme selb- natürlich) und bräuchte Konzilsmütter und -väter, ständigen Denkens erloschen ist. Außerhalb der in leiblicher wie geistiger Hinsicht, damit sie wis- akademischen Welt ist der Terror, dem kirchliche sen, wovon sie reden. Alles andere kann man sich MitarbeiterInnen ausgesetzt sind, freilich noch sparen – die Wirkung auf die Welt wäre etwa so viel größer, siehe den Fall Patrick Dehm im Bis- euphorisierend wie die eines Kölner Eucharistie- tum Limburg (s. S. 17). kongresses. Gleichwohl müssten die inhaltlichen Erwartungen an ein solches Weltkonzil der Kirchen eher gering sein. Seine Hauptbedeutung bestünde 5. V1 – V2 – V3 – ein Blick zurück und vor allem darin, dass es überhaupt stattfindet. ein Blick nach vorn Dr. Uwe-Karsten Plisch Wer Vaticanum II sagt, muss auch das Vaticanum I Referent für Theologie, Hochschul- und Genderpolitik mitdenken – schon der Name legt ja einen Zusam- in der ESG/aej-Geschäftsstelle Hannover menhang nahe. Dem Ersten Vatikanischen Konzil

ansätze 4 + 5 / 2012 Seite 43 Der Verband

HuT-Workshop 2012 Foto: Bundes-ESG

Uwe-Karsten Plisch Unser letztes Mal Bericht über den 4. HuT-Workshop in Halle vom 23. – 26. August 2012

Bei den letzten drei Workshops zum ESG-Gesang- buch „Durch Hohes und Tiefes“ hatten wir bereits 386 Stücke eingespielt und konnten es also diesmal entspannter angehen. „Nur“ etwa 20 Stücke pro Tag standen noch auf der Liste … Dank der Som- merferien hatten wir das ganze Seelsorgeseminar für uns allein und trotz Nachbarschaft zum Kran- kenhaus und gelegentlichem Tatütata war der Ort für unsere Zwecke ganz wunderbar geeignet. Bis zum Mittag des ersten Tages reisten alle an: Lisa Und nun ist es und Friederike kamen, den Smart voller Instru- fertig – das ganze ESG-Gesangbuch gibt es jetzt mente, via Mühlhausen aus Kassel, Eugen kam als mp3: aus Frankfurt am Main, ich aus Berlin, Friedrich • auf CD, die man in der ESG-Geschäftsstelle be- und Andreas aus Halle kamen mit dem Fahrrad stellen kann [email protected] (darum gab es morgens auch immer frische Bröt- • zum Anklicken auf der Website chen). Das eingespielte Team kam flott voran, so www.hohesundtiefes.de sahen wir diesmal zwischendurch auch ein biss- • als Komplett-Download aus meiner dropbox chen von der Stadt. Am Ende wurde uns dann doch Zugang über [email protected] wehmütig ums Herz: Nach vier Sommern inten- siven gemeinsamen Musizierens wächst man ei- An den vier Workshops 2009, 2010, 2011 und 2012 nander doch ziemlich an dasselbe. Und so planten haben mitgewirkt: wir denn doch noch das eine oder andere Konzert Eugen Eckert (p), Maren Eckert-Boderke, Dorte für die Zukunft – unser Gesangbuch soll ja auch Eifler (fl), Lisa Faber (va), Hartwin Gárdonyi (g), unter die Leute! Lisa-Marie Karnagel, Brenda Kramer, Friedrich Uwe-Karsten Plisch Kramer (v, g), Elisabeth Moser, Uwe-Karsten Plisch, ESG-Referent fürTheologie, Hochschul- Sebastian Schilling (vc), Andreas Thulin (h), Friede- und Genderpolitik rike Ullmann (v), Karin Wischniewski

Seite 44 ansätze 4 + 5 / 2012 Der Verband

Kristin Kölbl Die europäische Ökumene am Scheideweg

Vom 12. bis 16. September 2012 fand die letzte ropäischen Kirchen Zentralausschusssitzung der Konferenz der Eu- anpassen, will sie ropäischen Kirchen (KEK) vor ihrer großen Voll- weiterhin eine star- versammlung 2013 statt, in der die ESG durch ke Stimme in Euro- die World Student Christian Federation-Europe pa besitzen. Kritisch (WSCF‑E) und die EKD ebenfalls vertreten war. bei diesem nötigen Die KEK ist eine ökumenische Vereinigung der Reformprozess ist Europäischen Kirchen, welche aus den Erfahrun- aber die neue Rol- gen des 2. Weltkrieges heraus gegründet wurde. le der europäischen Ihr Ziel ist war es, die Aussöhnung Europas auch christlichen Jugend auf kirchlicher Ebene zu unterstützen. Seit ihrer zu sehen. Anstatt wie Gründung hat sich die KEK immer wieder aktuel- bisher durchaus in Entscheidungsprozesse und Der Tagungsort len Gegebenheiten angepasst und engagiert sich zentrale Aufgaben der KEK integriert zu sein, sol- auf Kreta Foto: Kristin Kölbl heute vielfältig für Umweltschutz, Bildung, Migra- len die Studierenden und Jugendlichen lediglich tion, Europäische Integration, Bioethik, Menschen- zu Dienstleistern für „Jugend-Angelegenheiten“ rechte um hier nur ein paar Bereiche zu nennen. degradiert werden. Mitsprache oder gar Mitent- Die Kirchen in Europa haben durch die gemein- scheidung soll es für uns auf europäischer Ebene schaftliche Arbeit und Kooperation in der KEK nicht mehr länger geben. Dabei sind es doch wir, eine wichtige Stimme in Politik und Gesellschaft die in zentralen Arbeitsbereichen der KEK wie Bil- erhalten. dung, Umweltschutz, Sozial- und Arbeitsmarktpo- Das höchste Entscheidungsgremium ist die Voll- litik Experten und auch Betroffene zu gleich sind. versammlung welche alle 6 – 7 Jahre hochrangige So sind es doch die Jugendlichen und jungen Er- Kirchenvertreter von orthodoxer, anglikanischer wachsenen die von der Arbeitslosigkeit in Europa und protestantischer Seite, aber auch viele andere mit knapp 23% am härtesten betroffen sind. Eben- ökumenische Organisationen versammelt. Zwi- falls sind es wir, die unter schlechter Bildungspo- schen diesen Vollversammlungen trifft sich der litik nicht erst seit Bologna leiden und uns immer gewählte Zentralausschuss in regelmäßigen Ab- mehr Leistungsdruck ausgesetzt fühlen. Auch ständen, um über aktuelle Entscheidungen abzu- waren es mehrheitlich wir, die gegen Atom-Kraft stimmen und den lebendigen Austausch zwischen und für eine nachhaltigere Umweltpolitik auf die den Kirchen voranzutreiben. Auch wir Studieren- Straßen gegangen sind. Doch nun will die KEK im de der ESG sind in der KEK und ihrem Zentralaus- Rahmen ihrer Neustrukturierung gerade unsere schuss vertreten. Die ESG ist sogar in doppelter kritische Stimme zurückdrängen, wie das Treffen Weise vertreten. Einmal durch die EKD, welche des Zentralratsausschusses diesen Sommer in Kreta Mitglied der KEK ist, und zum anderen durch gezeigt hat. So sollen weder die Jugend- noch Stu- die World Student Christian Federation–Europe dierendenorganisationen in Zukunft im Zentral- (WSCF-E), in der die ESG Mitglied ist. Nun zeigt sich ausschuss, dem höchsten Entscheidungsgremium aber in diversen strittigen Punkten immer wieder, nach der Vollversammlung, vertreten sein. Durch dass es gut ist, dass wir Studierende nicht nur über weitere neue Stimmrechtsverteilungen, wie sie in die EKD, sondern auch über eine Studentenvereini- Planung sind, ist außerdem abzusehen, dass die gung vertreten sind. So sind es doch wir, die junge Mitgliedskirchen ebenfalls weniger junge Dele- Generation, die aktuelle Missstände anprangern gierte schicken werden. Die Konferenz der Euro- und stets für Fortschritt und Weiterentwicklung päischen Kirchen, welche doch einen Querschnitt plädieren – und zwar frei von kirchenpolitischen der christlichen Bevölkerung in Europa darstellen Interessen. sollte, wird somit zu einem High-Level-Gremium Genau dieses kritische Denken wird nun mehr verkommen, welches weder kritische noch pro- als je zuvor benötigt, wie die letzte Zentralaus- gressive Stimmen hören wird. schusssitzung gezeigt hat. Seit dem 2. Weltkrieg haben sich die politischen Strukturen und die Ge- Kristin Kölbl studiert in Regensburg sellschaft in Europa verändert. Diesen neuen Gege- und hat als WSCF-E-Delegierte an der benheiten muss sich nun auch die Konferenz der Eu- KEK-Zentralausschusssitzung teilgenommen

ansätze 4 + 5 / 2012 Seite 45 Der Verband

WSCF-Gruppenfoto Foto: WSCF-Europe

Martin Schurig Who is my neighbour? Konferenz der WSCF Europe in Velletri, Italien

Samstag, alle Sachen sind gepackt. Es ist Zeit sich gehen muss fehlt. Nach etwas rumfragen wird mir zum Flugzeug zu begeben. Und es schneit tatsäch- dann aber erklärt: das Gleis wird dort angezeigt, lich hier in Leipzig. Am Flughafen angekommen sobald der Zug auch im Bahnhof ist. verzögert sich leider alles ein bisschen. Das Wet- 22:10 Uhr noch immer keine Anzeige. ter will heute nicht so recht; beim Zwischenstopp 22:12 Uhr nun die Anzeige „Train is 5 minutes late“ in Frankfurt heißt es kurz: möglicherweise wird 22:17 Uhr das Gleis wird angezeigt. Es ist der Zug der Weiterflug gecancelt, aber nach einer Stunde vor dem ich seit 15 Minuten stehe. Warten, kommt dann doch dich freudige Botschaft Naja, hat dann doch alles geklappt. Ich habe des Piloten, es sei doch ein Weg nach Rom frei, also mich in der Zeit gut mit einem Philippiner unter- auf nach Italien. halten, der ebenfalls Richtung Velletri unterwegs Schon auf dem Flug beginnt die Reise internati- ist. Etwas verspätet kam ich dann 23:30 Uhr an und onal zu werden. Ich sitze neben zwei Schwedinnen, wurde herzlich empfangen. Es ging jedoch auch die nach Rom in den Urlaub fahren. Wir machen anderen so, ich war nicht der letzte. Die Kennen- uns gegenseitig Mut aufgrund einiger Turbulen- lernspiele zu Beginn der Konferenz verpasste ich zen und kommen ins Gespräch über Schweden, leider, aber es schlief auch noch niemand und so Deutschland und Italien. So vergeht die Zeit wie führte man schon am Abend die ersten von vielen im Flug. guten Gesprächen. Generell wurde auf der Konfe- In Rom angekommen muss ich nur noch mit renz aus Verständigungsgründen Englisch gespro- dem Zug nach Velletri. Hier stelle ich fest, dass chen, was mitunter zu lustigen Missverständnis- Zugfahren auch anders geht als mit der deutschen sen, aber auch interessanten Erkenntnissen über Bahn. Ich komme vom Gleis und stehe vor der gro- die Ähnlichkeit von Redewendungen führte. ßen Anzeigetafel in der Mitte des Bahnhofs. Dort Am nächsten Morgen begann die Konferenz wird in guter Manier Velletri: 22:00 Uhr angezeigt. dann auch mit dem ersten thematischen Teil, ei- Nur die Anzeige zu welchem der 29 Gleise ich nun nem sehr guten, anregenden und provozierenden

Seite 46 ansätze 4 + 5 / 2012 Der Verband

Vortrag von Martin Putna über die Entstehung einer europäischen Identität und die ersten An- sätzen von Fremdenfeindlichkeit. Jeden Tag wur- de uns ab 9:30 Uhr, nach dem Frühstück und der von Teilnehmern gestalteten Morgenandacht, In- halt geboten. So tauschten wir uns in einem der täglichen Workshops über mögliche Vorurteile über unser eigenes Land und besonders geschätz- te Werte in der Heimat aus und erschufen uns in kleinen internationalen Gruppen „Wunschländer“ mit möglichst vielen Gemeinsamkeiten. Wir hat- ten die Wahl zwischen einer bibliodramatischen, sehr eingängigen Betrachtung eines Bibeltextes oder einer intensiven, angeleiteten Meditation am nächsten Tag. Wir kamen ins Gespräch mit Vertre- tern der Muslime, Juden oder Roma und führten ein paar erste Übungen von Kak moga, einer isra- elischen Selbstverteidigungstechnik, die ein Teil- nehmer der Konferenz in Ungarn zur Integration Leider war das Wetter äußerst unitalienisch. Es Bei der Arbeit von Immigrantenkindern unterrichtet, durch. regnete und war neblig – außer an dem Tag, an Foto: WSCF-Europe Am Sonntag, dem ersten Abend, an dem auch dem es wirklich drauf ankam, am Tag der Exkursi- wirklich alle da waren, fand der traditionelle In- on nach Rom. Hier schien die Sonne und es wurde terkulturelle Abend statt. Hier gab es die Gelegen- sommerlich warm. In Rom hatten wir zwei Termi- heit für alle Teilnehmer, ihr eigenes Land vorzu- ne bei unterschiedlichen Immigrationshilfeein- stellen und Spezialitäten, Kuriositäten oder lustige richtungen und zwischendurch genügend Zeit, Geschichten aus der Heimat zu präsentieren. So um uns in kleineren Gruppen kurz die römische bekamen wir sehr bildlich die Unterschiede zwi- Innenstadt anzusehen und ein wenig zu essen. schen italienischer und europäischer / deutscher Nach dem letzten Termin begann dann der große Verhaltensweise im Straßenverkehr vorgeführt Pizzaabend, bei dem wir den wohl berühmtesten und tanzten den Hokey cokey mit Großbritanni- Teil der italienischen Küche in aller Ausführlich- en oder buken eine Sachertorte mit Österreich. keit genießen konnten. Wir hörten Vorträge über die Verknüpfung Nachdem wir am Mittwoch noch einen Akti- von Migration und Xenophobie sowie eine Podi- onsplan für die Bekämpfung von Xenophobie in umsdiskussion zum Thema „Erfahrungen von unserer eigenen Region entwerfen konnten, schloss Xenophobie in unterschiedlichen Gesellschaften“ am Mittwochabend die Konferenz mit einer langen aus jüdischer, muslimischer und roma Sicht. Auch Abschlussparty mit vielen schönen Überraschun- Shaykh Ibrahim Mogra aus Großbritannien sprach gen ab. Nach dem Frühstück am nächsten Morgen über die Rolle der Religion zur Überwindung von musste ich dann schweren Herzens fürs erste wie- Grenzen in der Gesellschaft und konnte uns viele der Abschied von vielen neuen Freunden nehmen. Einblicke in islamische Sichtweise geben. Aber ganz aus der Welt ist man ja dann doch nicht. Nach einer knappen Wo- che sehr interessanter und sehr intensiver Zeit benö- tigte ich dann doch noch ein paar Tage, um wieder in der Heimat anzukom- men, kann aber sagen, es hat sich definitiv gelohnt und nun kenne ich wieder ein Paar meiner Nachbarn deutlich besser.

Martin Schurig, ESG Leipzig, studiert Rehabilitations- und Integrationspädagogik in Leipzig.

WSCF-Abschlussparty Foto: WSCF-Europe

ansätze 4 + 5 / 2012 Seite 47 Der Verband

NYC Central Park West: Gedenkmosaik für John Lennon Foto: Christin Schreiber

Christin Schreiber Wenn einer eine Reise tut, … … dann kann er was erzählen. So schreibt es Mat- für mich neuen Kontinent setzte. Unendlich viele thias Claudius sehr wahrheitsgetreu in seinem Eindrücke nehme ich vom bunten und quirligen Gedicht „Urians Reise um die Welt“. Denn, obwohl Times Square mit, bewegende Momente erlebte ich es mich nun nicht gleich um die ganze Welt ver- am Ground Zero und Geschichte wurde spürbar an schlagen hat, so kann ich doch nach einem zehn- der Freiheitsstatue und auf Ellis Island. wöchigen Aufenthalt in den Vereinigten Staaten Eine Woche, die ich nicht missen möchte und von Amerika Einiges erzählen. deren Erfahrungen mich um einiges reicher ge- macht haben. Aber ehrlicherweise muss man hin- Durch mein Praktikum in der ESG-Geschäftsstel- zufügen: Wer das „richtige“ Amerika kennen ler- le im Herbst 2011 gelang es mir, über den WSCF nen will, der ist im europäischen New York falsch. Kontakt zu einem Mitglied des North American Regional Committee (NARC) aufzunehmen. Die- Top 2: How are you? ses Komitee ist nicht nur Mitglied im WSCF, son- „How are you?” gehört zu den Fragen, die ich wohl dern vereint unter seinem Dach auch die lutheri- am meisten den Sommer über gehört habe. Für sche Studierendenarbeit der USA. Kurzerhand, aber Amerikaner ist es sehr typisch, an eine Begrüßung nicht ohne Magengrummeln, begann also vor nun oder zur Eröffnung eines Gespräches ein „How are mehr als einem Jahr meine Planung, einen Blick in you?“ zu fügen. Nun könnte man meinen, dass die- die Lutheran Campus Ministry (LCM) zu wagen. se Frage auf Dauer anstrengend ist – und manch- mal will man auch nicht jedem Unbekannten sein Um nun interessierte LeserInnen nicht mit einem Herz ausschütten – aber sie schafft eine vertraute ausführlichen, chronologischen Reisebericht zu und freundschaftliche Atmosphäre, auch wenn langweilen, folgen 10 TOPs, die sowohl ich persön- der Fragende vielleicht gar keine ehrliche Antwort lich aus dem Sommer 2012 mitnehme, als auch ei- hören will. So fühlte ich mich zu Beginn meines nen Einblick in die Kultur und die Studierenden- Aufenthaltes in Clemson, South Carolina, immer arbeit der Lutherischen Kirche Amerikas geben. Willkommen und auch bei Reisen in andere Städ- te herzlich empfangen. Top 1: Eine Woche New York City! Wenn schon Amerika, dann wenigsten auch den Top 3: University Lutheran Church Clemson Big Apple erkunden, habe ich mir gedacht. Eine Obwohl ein Großteil meiner Semesterferien mit- wahnsinnig aufregende Stadt, die niemals schläft, ten in die Ferien der Amerikanischen Studieren- begrüßte mich, als ich den ersten Schritt auf den den fiel, habe ich doch recht schnell und gut Ein-

Seite 48 ansätze 4 + 5 / 2012 Der Verband

blicke in die Arbeit des Studierendenpastors Chris und Columbia zu reisen, um Interviews mit dor- Heavner und in das Gemeindeleben bekommen. tigen PastorInnen zu führen. Dort gehören Studierende wie selbstverständlich zum Gemeindebild. Obwohl es in der lutherischen Top 6: ELCA Youth Gathering in New Orleans Kirche in Clemson sonntags zwei Gottesdienste Kaum in Clemson bei meiner Gastmutter angekom- gibt, vermischen sich die Generationen gut. Nicht men, hieß es auch schon wieder Koffer umpacken, zuletzt dadurch, dass der Studierendenpastor ne- denn nicht mal drei Tage nachdem ich New York ben seiner Zielgruppenarbeit ebenfalls Aufgaben verlassen hatte, ging es mit einigen Gemeindemit- in der Gemeinde übernimmt. So stellt er zwischen gliedern und Studierenden der Lutheran Campus Studierenden und älteren Gemeindegliedern eine Ministry Clemson auf zum ELCA Youth Gathe- Brücke dar. Durch ihn wird es immer wieder mög- ring in New Orleans. Alle drei Jahre treffen sich lich, dass Studierende bei Ehepaaren zum Baden Jugendgruppen der Evangelical Lutheran Church oder zum BBQ eingeladen werden. Ein besonderes in America, um in verschiedenen Großstädten der Highlight ist das alljährliche Hayride auf dem Hof Vereinigten Staaten soziale Projekte zu initiieren der Familie Sanders, die alle Studierenden zum und sich für Gerechtigkeit einzusetzen. Das letz- Traktorfahren und Ernten aufs Land einlädt. te Jugendtreffen dieser Art fand 2009 ebenfalls in New Orleans statt. Die durch den Hurrikan Kat- Top 4: Die Liturgie der University Lutheran rina stark beschädigte Stadt hatte nicht nur 2009, Church Clemson sondern auch 2012, sieben Jahre nach dem zerstö- Vielleicht stimmt das, was man über Migranten renden Unwetter, Unterstützung und Wiederauf- sagt, auch für Lutheraner außerhalb Deutsch- bau nötig. So begleitete ich verschiedene Jugend- lands. Wissenschaftlich belegt ist, dass Migranten gruppen aus den ganzen USA zu Schulprojekten ihre Kultur und Religion in fremden Ländern viel oder Baueinsätzen. stärker ausleben, als sie das in ihrem Heimatland tun würden. Eine ähnliche Erfahrung habe ich im Hinblick auf die Liturgie in der lutherischen Kirche gemacht. Sie erschien mir zu Beginn au- ßerordentlich alt und strikt festgelegt. Trotzdem war es mir nach dem zweiten Gottesdienstbesuch möglich, einfach „mitzumachen“ und dem geord- neten Ablauf zu folgen. Eben der Vorteil, den eine Liturgie Außenstehenden ermöglicht! Mit jedem Sonntag, an dem ich die liturgischen Gesänge „einübte“, wurden sie mir vertrauter, sodass sie am Ende meiner Zeit in Clemson sogar zu dem wurden, worauf ich mich am meisten beim Got- tesdienstbesuch freute.

Top 5: The Wisdom of Pastor Chris Heavner Die Tage in Clemson verbrachte ich meistens in der Kirche zusammen mit Pastor Chris und schaute ihm in seiner Gemeinde- und Studierendenarbeit über die Schulter. Dabei lernte ich von einem weisen Mann eine Menge fürs Leben! Aber ein besonderes Erlebnis waren die täglichen 20 Minuten, die ich Am Vormittag hieß es arbeiten zur Verbesserung der Der Tiger mit ihm im Auto auf dem Weg von Clemson nach Lebenssituation der Einwohner von New Orleans, Foto: Christin Schreiber Hause zu meiner Gastmutter verbrachte. Meistens am Abend erlebte ich die christliche Jugendkultur verliefen diese Fahrten so, dass ich in Clemson be- der Amerikaner, die sich aufgrund von Bühnenpro- gann eine Frage zur Theologie oder zur Studieren- gramm, schriller Musik, Lichteffekten und durch denarbeit zu stellen und oftmals war Pastor Chris Videos unterstützte Predigten kaum von deutschen mit seinen umfassenden Ausführungen noch nicht christlichen Happenings unterscheidet. mal fertig, wenn wir das Haus meiner Gastmutter erreichten. Diese persönlichen Gespräche haben Top 7: Clemson – eine Studentenstadt mit ganz meinen Verstehenshorizont unglaublich erweitert. eigenem Charakter Neben guten Gesprächen habe ich es diesem Wenn man bedenkt, dass Clemson nur 15.000 engagierten Pastor zu verdanken, dass ich nicht permanente Einwohner hat, dann ist es schon er- nur die Studierendenarbeit in Clemson kennen- staunlich, welchen Einfluss Studierende auf die lernen konnte. Durch seine unzähligen Kontakte Stadt ausüben! Zu Beginn meines Aufenthaltes in ermöglichte er es mir, nach Atlanta, Charleston Clemson traf ich auf eine leere, mit Tigertatzen de- 

ansätze 4 + 5 / 2012 Seite 49 Der Verband

korierte Stadt. Nur der Campus und etliche Wohn- meine Holzhütte nach einer Woche wieder gegen heime ließen darauf schließen, dass bald wieder ein weiches Bett und eine saubere Dusche eintau- 17.000 Studierende das sonst so stille Städtchen schen zu können. Aber, miterlebet zu haben, wie bevölkern sollten. Zu Semesterbeginn erwachte amerikanische Freizeiten der lutherischen Kirche die Stadt aus ihrer Sommerpause und nun ließ sich organisatorisch und inhaltlich funktionieren, war durch die Zahl der Studierenden im wahrsten Sin- eine spannende Erfahrung! ne des Wortes von einer Studentenstadt sprechen! Top 10: Das Amerikanische Essen – entgegen Die Tigertatze jeglicher Vorurteile! Foto: Christin Schreiber Die Befürchtungen, nach zehn Wochen mit, durch amerikanisches Fastfood verursachtem, Überge- wicht zurück zu kehren, zerschlug sich im ersten Moment, als ich meine Gastmutter kennen lernte. Diese arbeitete bis vor wenigen Jahren als Profes- sorin an der Uni Clemson im Fachbereich der Er- nährungswissenschaften. Demzufolge kochte sie äußerst lecker und ausgewogen. Trotzdem lässt sich nicht verneinen, dass Übergewicht ein solch großes Problem der Amerikaner darstellt, dass es sogar in Kirchen thematisiert wird.

Fazit meiner Erfahrungen: Obwohl der christliche Glaube in den USA noch mehr in der Gesellschaft verwurzelt ist als in Deutschland, unterscheidet sich die Studierendenarbeit nur unwesentlich von Top 8: Die Tigertatze der Deutschen. Mehr als aus den Studierendenpro- Einher mit der Rückkehr der Studierenden gingen grammen nehme ich aus vielen einzelnen interkul- auch die Dekoration der Stadt und die „Verehrung“ turellen Überraschungen und Herausforderungen einer orangenen Tigertatze. Zwar fielen mir sofort mit. Und zu erzählen gibt es nach zehn sonnigen bei meiner Ankunft in Clemson die orangenen Ti- Wochen, die am Strand von Miami beendet wur- gertatzen überall in der Stadt auf (auf dem Asphalt, den, auf jeden Fall immer etwas! an Häuserwänden, in Souvenirläden …), doch die Studierenden toppten meine Begegnung mit der Christin Schreiber Tatze durch das permanente Tragen orangener studiert Religions- und Gemeindepädagogik T(iger)-Shirts. Aber was hat es mit der Farbe Oran- sowie soziale Arbeit in Kassel ge und der Tatze auf sich? Dahinter verbirgt sich das College-Footballteam, die Clemson Tigers, de- ren Maskottchen natürlich ein orangener Tiger ist. Und die Amerikaner pflegen eben nicht nur ihren Nationalstolz sondern auch ihre Heimatverbun- denheit. Damit lässt sich erklären, dass sowohl orangene T-Shirts als auch orangene Tigertatzen zum Stadtbild dazu gehören.

Top 9: Neun Wochen Lutherisches Sommercamp Natürlich nahm ich von den zehn kurzen Wochen, die ich in den USA verbrachte, nicht neun an einem Sommercamp teil – aber immerhin eine. Das Kon- zept dieses Sommercamps besteht darin, Jugend- liche und junge Erwachsene für neun Wochen lutherische Sommerfreizeit auszubilden und zu befähigen, verschiedene Programme, je nach Al- tersgruppe der Teilnehmenden, anzubieten. Man stelle sich vor, mit Sack und Pack in eine Holzhütte in die Pampa Amerikas zu ziehen. Dort heißt es für die Mitarbeitenden, sich jede Woche rund 200 neu- en Campern im Alter zwischen 6 und 17 Jahren zu stellen und sowohl Kinder- als auch Konfi-Program- Christin Schreiber in Clemson Foto: privat me parat zu haben. Ein Knochenjob! Ich war froh,

Seite 50 ansätze 4 + 5 / 2012 Der Verband

ESG Köln Bericht einer Studienreise der ESG Köln in die USA

Alle Fotos: Von Mitgliedern vom 15. September bis 1. Oktober 2012 der Reisegruppe

Der Bericht setzt sich aus unterschiedlichen Textbau- gestalteten Andachten mit auf dem Plan standen. steinen zusammen, den die mitgereisten Studierenden Dies hat bei mir dazu geführt, dass ich die neu ent- als Erfahrungsbericht geschrieben haben. Jeder und deckten Orte und aufregenden Sehenswürdigkeiten jede wurde gebeten, eine besondere Erfahrung, ein Er- nicht nur aus einem touristischen Blick gesehen, lebnis in Worte zu fassen und für sich zu reflektieren. sondern vor allem auch auf jeder Etappe der Rei- So hat jede/r einen anderen Blick oder ein bestimmtes se versucht habe, die Bild mitgebracht, welche hier nun als Ganzes zusam- Stimme Gottes zu hö- mengefügt sind. ren. Ganz besonders ist mir dabei in New York City aufgefallen, 1. wie schwer es ist, in Larissa Busch, all dem Trubel und Lehramtsstudentin Englisch und Spanisch: der Geschäftigkeit Am Samstag den 15. 9. 2012 sind wir mit einer die Augen für Gott Gruppe von 16 Leuten von Düsseldorf aus in die und sein Handeln zu USA aufgebrochen. Von Boston ging es nach New öffnen. Zwischen den York City, von dort aus weiter in die Hauptstadt blinkenden Lichtern des Times Square und den hek- Washington DC und anschließend über einen Auf- tisch vorbeilaufenden Geschäftsleuten in der Wall enthalt bei Gastfamilien in Elon (North Carolina) Street ist es schwer, nicht unterzugehen oder sich in die Blue Ridge Mountains. Dabei haben wir uns nicht willenlos vom Strom leiten zu lassen. Mir ist auf die Schwerpunkte Kirche, Religion und Politik sehr deutlich geworden, wie schnelllebig die Welt konzentriert, sodass der Besuch von Gottesdiens- geworden ist, da man dies in einer Metropole wie ten und die täglichen, von uns Studenten selbst New York extremer wahrnimmt als anderswo. 

ansätze 4 + 5 / 2012 Seite 51 Der Verband

lichend. Aber genauso offen, freundlich und hilfs- 2. bereit. Ich könnte seitenweise darüber schreiben. Kerstin Boltersdorf, Aber ich möchte mich einem ganz bestimmten Jurastudentin im Examen: Thema widmen, dass ich so als „normaler Tourist“ wohl nicht so wahrgenommen hätte. Alle Teilneh- Old South UCC Church – Boston mer waren Studenten und Studentinnen. Und was Am ersten Sonntag in Amerika besuchten wir einen mich natürlich sehr interessiert hat, war das Stu- Gottesdienst der Old South UCC Church in Boston. dentenleben. So haben wir insgesamt Einblicke in Schon vor Beginn erkannte man Unterschiede zu vier verschiedene Universitäten bekommen: die den Gottesdiensten in Deutschland. Viele Menschen Harvard University und das Massachusetts Insti- unterhielten sich angeregt. Die meisten von Ihnen tute of Technology (MIT) in Boston; die Duke Uni- kannten sich sehr gut. Unter ihnen herrschte eine versity und das Elon College in North Carolina. Ich familiäre Atmosphäre und wir fühlten uns sofort möchte im Besonderen von der Uni erzählen, auf willkommen und gut aufgehoben. die ich mich besonders gefreut habe, da sie welt- berühmt ist: Harvard. Die Führung startete im Visitor Center und schon da habe ich gestaunt. Zum einen, dass es an einer Universität so etwas wie ein Visitor Center überhaupt gibt und zum anderen wie riesig das Gelände von Harvard ist! Das ist schon eher eine Stadt in der Stadt mit sogar eigener Polizei. Eine Studentin führte uns über den alten Campus und hat uns viel über Geschichte und Geschichten er- zählt. In Harvard ist es Pflicht für die Studenten im 1. und 2. Jahr auf dem Campus zu leben. Dazu woh- nen sie in Häusern („dorms“), meist in Zweierzim- mern. Die Häuser haben alle Namen (benannt nach ehemaligen Präsidenten der Uni). Nach dem 2. Jahr können die Studierenden dann frei entscheiden, ob sie weiterhin auf dem Campus leben wollen oder Der Gottesdienst selbst war völlig anders, als wir nicht. 99% der Studenten bleiben dort. Dieses Kon- es gewohnt sind. Viele Ehrenamtliche übernah- zept fand ich einfach super. Man ist ständig von men selbstverständlich kleinere Aufgaben. Der Gleichgesinnten umgeben, hat nie lange Wege und sehr gut besuchte Gottesdienst wurde von mehre- kann sich ganz auf sein Studium konzentrieren. ren PfarrerInnen gestaltet und von einem großen Auch der Kontakt zu den Professoren scheint ein Chor musikalisch unterstützt. anderer zu sein als in Deutschland. Ich hatte den Predigt und Liturgie waren hoch emotional Eindruck, dass zwar viel gefordert wird, aber die und pathetisch und wirkten auf mich, da ich die- Studierenden auch sehr viel Unterstützung erfah- sen Beigeschmack von deutschen Gottesdiensten ren. Nebenher gibt es ein unglaublich vielseitiges her nicht gewohnt war, schon fast übertrieben. Freizeitangebot und es werden Kurse in fast allen Ich musste darüber auch ein wenig schmunzeln, Sportarten angeboten. Alles kann von den Studen- war aber trotzdem von der Glaubwürdigkeit beein- ten kostenlos und jederzeit genutzt werden. Auch druckt. Nach dem Gottesdienst gab es für jeden, der für das Essen muss man nicht selber sorgen. Dieses mochte, Eis und Getränke, da unser Besuch gera- Rundumpaket gibt es natürlich nicht umsonst. In de auf den ‚Ice Cream Sunday‘ fiel. Die Menschen Harvard beträgt die Gebühr für ein Jahr 55.000 $, im strömten auf den Platz vor der Kirche. Auch hier MIT ebenfalls. Bei dieser Summe kommt es mir ge- hatten wir wieder eine Menge Gelegenheit, Men- radezu lächerlich vor, dass wir uns über 1000 Euro schen kennenzulernen und uns mit ihnen auszu- Studiengebühren im Jahr aufgeregt haben. In je- tauschen. dem Fall können die „freshmen“ (Studienanfänger) auch finanzielle Unterstützung bekommen, ähn- lich unserem BAföG. Stipendien werden vergeben, 3. wenn man in einer Sache besonders gut oder en- Miriam Dolina, gagiert ist. Alles in allem beneide ich die Harvard- Masterstudentin in Biologie: Studenten um die unglaublichen Möglichkeiten, die sie geboten bekommen. Allerdings ist es auch Besuch der Harvard University in Boston nicht gerade einfach, unser und deren Unisystem Die USA ist einfach unglaublich. Unglaublich groß, zu vergleichen. Ein guter Mix wäre für mich das laut und manchmal auch ganz schön selbstverherr- Optimum.

Seite 52 ansätze 4 + 5 / 2012 Der Verband

So finden sich an der Divi- nity School Studenten mit einem Abschluss z.B. in Medizin, Jura oder Wirt- schaft. Die Idee ist, dass Studierende die Möglich- keit haben sollen, nach Bachelor oder auch Be- rufserfahrung ein Studi- um in einem völlig neu- en Bereich durchführen zu können. Gleichzeitig zeigt diese Idee auch eine ganz andere Sicht auf die Bedeutung und Veranke- rung von Religion und Theologie für die Gesell- schaft. Es gibt eine sehr breite Auswahl an Mög- lichkeiten, die man mit einem Abschluss an der Divinity School ausüben, bzw. vertiefen kann. Das Studium findet im Dia- log zwischen kleinen, ge- mischten Studierenden- gruppen (bis zu 5) und den Professoren statt. Bei der Bewerbung wird zugleich berücksichtigt, ob und wie die einzelnen Bewerber gut zueinander 4. passen. Unser Besuch in der Divinity School wur- Nora Mertens, de durch ein leckeres Essen in der Cafeteria ab- Human Resource Management – Personalpolitik: gerundet, zu dem wir selbstverständlich von der Universität eingeladen wurden. Harvard Divinity School An den Campusrundgang in Harvard schloss sich der Besuch der theologischen Fakultät an, welche „Divinity School“ genannt wird. Beim Anblick der Räumlichkeiten der Fakultät fühlte ich mich an manchen Stellen tatsächlich wie im Film. Flure mit Holz- oder Teppichböden, Gemälde früherer Direk- toren, alte Fenster mit schmiedeeisernen Gittern. Die Lehrräume erschienen mir altertümlich und gleichzeitig modern: Holz- und Steinwän- de, angenehmes Licht, Teppiche auf dem Boden. Gleichzeitig aber auch W-Lan, Beamer und Lein- 5. wand, moderne Schreibtische. Hier und da gab es Linda Nießen, gemütliche Sitzecken. Studentin für Sonderpädagogik Wir hatten das Glück, dass sich ein freund- und Max Radetzky, licher junger Herr, der selber einmal an der Di- Student der Logistik und Produktion, FH Köln vinity School studiert hatte und heute mit dem Bewerbungsmanagement beschäftigt ist, Zeit für Hilfsbereitschaft im Alltag uns nahm. Er erzählte uns von der Idee, die sich In den USA wurden wir oft von Passanten auf unser hinter einem Studium an der Divinity School ver- Herkunftsland angesprochen und in einen Small- birgt. Was ich besonders interessant fand war, dass talk verwickelt. Sobald wir auf der Straße einen man an dieser Fakultät ausschließlich ein Master- Stadtplan rausholten – und sei es nur, um uns zu studium machen kann. Es ist also nicht notwendig, vergewissern, dass wir noch richtig sind, – kam vorher einen auf ihr Fach vorbereitenden Bachelor ein freundlicher Amerikaner und fragte uns, ob er absolviert zu haben. uns helfen könne. Gerade in New York nahmen wir 

ansätze 4 + 5 / 2012 Seite 53 Der Verband

die Hilfe gerne an, erfuhren nebenbei etwas über ben uns sehr beeindruckt. Wir denken, dass wir das erstaunlich positive Bild, das die Amerikaner diese tollen Erfahrungen nicht so schnell vergessen von Deutschland haben und bekamen obendrauf werden und versuchen uns auf der Basis dieser Er- meist noch ein paar Insidertipps. fahrungen ein Beispiel an dieser amerikanischen Mentalität zu nehmen. Die Gastfamilie Die grundsätzliche Offenheit gegenüber anderen wurde aber vor allem in den Gastfamilien der UCC 6. Community Church in Elon deutlich. Wir wur- Johannes Fabrega, den sehr freundlich empfangen und fühlten uns ehemaliger Student der Mathematik: sofort wohl. Am Abend saßen wir noch lange mit unseren beiden Gastmüttern zusammen und er- Ich mochte Washington nicht besonders. Und da- zählten von unserem Leben in Deutschland. Am mit meine ich nicht Stadtteile wie etwa George- nächsten Abend waren Bernhard und Miriam, zwei town, wo ich mich durchaus hatte wohlfühlen weitere Mitreisende zum Dinner eingeladen und können, sondern das Zentrum der amerikani- wir wurden mit einem leckeren Essen regelrecht schen Macht Washington; das imposant klassizis- verwöhnt. Wir lachten sehr viel miteinander, spra- tische Washington, das einem – so mein Eindruck chen über gemeinsame Interessen, das Leben und – mit jedem Stein vermitteln möchte: „Amerika die Traditionen in den USA und in Deutschland ist groß, Du bist klein!“ Unwillkürlich verbindet und über Reisen in andere Länder. Obwohl wir man seine Eindrücke von dieser Architektur mit nur zwei Nächte dort waren, kam es mir vor, als der Weltpolitik der Vereinigten Staaten der letzten würden wir uns schon ewig kennen. Die Familie Jahre und Jahrzehnte. Das verbindende Element war so nett, dass wir wieder richtig Lust bekamen, scheint eine grandiose Überheblichkeit zu sein. eine Weile im Ausland zu leben und neue Freund- Verstärkt wurde dieses Gefühl bei mir während schaften zu schließen. eines Besuches im Museum der amerikanischen Geschichte, wo schon die sprichwörtliche Lupe Ein Gottesdienstbesuch bemüht werden muss, um den einen oder anderen in der Old South UCC Church in Boston Kratzer an der Hochglanzversion amerikanischer Die große Offenheit gegenüber anderen Menschen Geschichtsschreibung zu entdecken. Der Titel der wurde auch beim Besuch eines Gottesdienstes in Ausstellung über Amerikas Kriege: „The Price of Boston deutlich. Jeder Besucher wurde persönlich Freedom – Americans at War“ sagt diesbezüglich begrüßt und bekam das Liederheft überreicht. Da wohl schon viel aus. bekannt war, dass wir aus Deutschland zu Gast wa- Ich muss zugeben, dass ich in Washington froh ren, wurden wir besonders freundlich empfangen. war, Deutscher zu sein. Doch was ich im Regierungs- Während des Gottesdienstes sollten wir sogar auf- viertel in Washington vergessen hatte, wurde mir stehen und alle applaudierten für uns. Für die Mit- auf der anderen Seite des Potomac River schlagar- glieder der Gemeinde lagen Namensschilder bereit, tig bewusst: Wie eng der Gedanke, froh sein zu so dass man vor und nach dem Gottesdienst (fast) können, ein Deutscher zu sein, wiederum mit der jeden mit Namen ansprechen konnte. amerikanischen Geschichte verknüpft ist: Auf der Wir fanden es überraschend, wie viele Ameri- anderen Seite des Potomac River liegt der Arling- kaner sofort das Gespräch mit uns suchten. Wir ton-Friedhof mit seinen Gräbern von in den Welt- erfuhren, dass ein bekannter Mathematikprofes- kriegen gefallenen amerikanischen Soldaten. Man sor des MIT ebenfalls Mitglied in dieser Gemeinde vergisst als Deutscher meiner Generation doch zu war. Da wir am nächsten Tag dorthin wollten, wa- leicht, was wir den Amerikanern zu verdanken ha- ren wir natürlich daran interessiert ihn kennen zu ben. Und womöglich sind diese beiden Sichtweisen lernen. Typisch amerikanisch war dies überhaupt auf die amerikanische Rolle in der Welt doch nur kein Problem und wir bekamen gute Tipps. Be- zwei Seiten derselben Medaille – getrennt durch sonders erfreulich fanden wir auch, wie offen die Ge- meinden gegenüber homo- sexuellen Menschen sind. Auf einer Postkarte konnte man sehen, dass am Kirch- turm eine Regenbogenfah- ne hing. Diese Offenheit und Unvoreingenommen- heit der Amerikaner sowie die große Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft ha-

Seite 54 ansätze 4 + 5 / 2012 Der Verband

den Potomac River. Es ist leicht, Amerika zu kri- gerollt wurde. Ein Handabdruck am Tatort konnte tisieren, wenn man nur auf die eine Seite blickt, schließlich durch einen Datenbankabgleich einer doch muss man sich dann, gerade als Deutscher, anderen Person zugeordnet werden. Der wirkliche womöglich fragen lassen, ob man selbst sich hier Täter hatte bereits 1989 seinen eigenen Vater er- nicht einer grandiosen Überheblichkeit schuldig mordet und starb selbst bei einem Verkehrsunfall macht. im Jahr 2010. Mich hat dieser Fall sehr mitgenom- men. Ich saß direkt neben LaMonte Armstrong und konnte seine Mimik und Gestik klar erkennen. Er 7. hat nie seine Hoffnung aufgegeben. Ich kann mir Bernhard Nießen, nicht vorstellen, wie schlimm das für einen sein Student, MA, Computer und IT muss, so lange im Gefängnis zu sitzen – und das unschuldig! Was muss der Mann durchgemacht Der Fall LaMonte Armstrong haben? (Freitag, 28. September 2012) Wie begegnet ihm seine neue Welt? Eigentlich ein ganz normaler Tag. Ein strammes Wie kann er mit der Freiheit umgehen? Programm lag vor uns. Nach einer Führung über Er berichtete uns, dass er seit seiner Entlassung den Campus der bekannten Duke University in Dur- nachts nicht mehr schlafen kann. Im Gefängnis ham, NC trafen wir uns an der Duke Law School. hat er ohne Probleme jede Nacht gut geschlafen. Dort begrüßte uns Professor Theresa Newman Ehemalige Häftlinge müssen sich erst an die Frei- (Mitglied der Pilgrim UCC) und präsentierte uns heit gewöhnen. Im Gefängnis gibt es einen klaren einen von ihr und ihren Studenten erfolgreich abge- Tagesablauf. Alles wird vorgegeben und ein Tag schlossenen Fall. LaMonte Armstrong saß 17 Jahre gleicht dem anderen. Jetzt muss LaMonte Arm- unschuldig im Gefängnis. Er wurde beschuldigt, strong seinen Tag selbst organisieren. Ebenfalls 1988 Ernestine Compton ermordet zu haben. Die muss er lernen, mit allen Veränderungen der letz- Ermittlungen zu dem Fall dauerten damals sehr ten Jahre klarzukommen. So hat er lange und es gab keinerlei Beweise gegen ihn. In z.B. vorher noch nie ein Mobiltele- den USA erhält man aber eine Belohnung, wenn fon gesehen. man eine Zeugenaussage macht, die wertvolle Hin- Dennoch, was geht in einem weise zur Ergreifung der Täter geben kann. Dies Menschen vor, der so viel Schlim- machten sich einige Personen zu Nutze, die wuss- mes erlebt hat? Der jahrelang mit ten, dass der Beschuldigte das Opfer kannte, da Mördern und Vergewaltigern zu- beide in derselben Straße in Greensboro gewohnt sammen leben musste? Wie kann haben. Sie erfanden irgendwelche Aussagen und er das alles verarbeiten? Wir waren gaben der Polizei den Hinweis, LaMonte Armst- sehr froh, dass er uns einen so tie- rong könne der gesuchte Mörder sein. Mehrfach fen Einblick in sein Leben gegeben wurde er verhört, wurden ihm Details zu dem Fall hat. Er hat sich die Zeit genommen dargelegt und suchte das Haus des Opfers auf. Auch mit uns zu diskutieren. Doch was wünscht man seltsame Anrufe von Unbekannten wurden bei der einem solchen Mann zum Abschied? Was sagt Überwachung von Herrn Armstrong mitgeschnit- man dann? Uns fehlten einfach die Worte und wir ten. Sieben Jahre später, im Jahr 1995, war der Fall bedankten uns herzlich für seine wertvolle freie immer noch nicht gelöst. Zeit, die er mit uns geteilt hat. Auch nach einigen Die Polizei schaute sich noch einmal die Akten Stunden und Tagen fehlten vielen von uns immer an und merkte, dass Mr. Armstrong sehr viele De- noch die Worte und wir mussten das ganze erst tails über die Tat und den Tatort wusste. Zusätzlich mal verarbeiten. wurden die mitgeschnittenen Telefonate aus dem Zusammenhang gerissen und belasteten ihn. Die Details kannte Armstrong natürlich nur durch die 8. zurückliegenden Verhöre und die gemeinsamen Dennis Bohn, Besuche des Tatorts im Jahr 1988. Die Polizei von Lehramtsstudent Ev. Theologie und Philosophie Greensboro wollte den Fall unbedingt schließen und verhaftete Armstrong, obwohl keine Beweise Vortrag von Charles Irons über Religion gegen ihn vorlagen. in Amerika Prof. Newman und ihre fünf Studenten be- Der folgende Abschnitt reflektiert meine Erfah- schäftigten sich mehrere tausend Stunden mit rungen bei der „Presentation on Religion in the dem Fall. Sie sammelten Beweise, lasen Protokol- American South“ von Professor Charles Irons, As- le, befragten unzählige Personen. Einige Studen- sociate Professor of History, am 28. 9. 2012 in der ten arbeiteten nach Abschluss unbezahlt weiter. Elon University (NC). Dieser lieferte uns einen in- Im Juni 2012 wurde Herr Armstrong schließlich teressanten Einblick in die (Kirchen-) Geschichte entlassen, nachdem der Fall noch einmal neu auf- der USA. Beginnen möchte ich allerdings etwas 

ansätze 4 + 5 / 2012 Seite 55 Der Verband

früher an jenem Tage, als wir zunächst einen Vor- len. Wir waren in Bungalows untergebracht, die trag hörten von Professor Theresa Newman über zum Conference Center Blowing Rock gehörten. das Schicksal des LaMonte Armstrong, der 17 Jahre Dieses Konferenzzentrum der United Church of seines Lebens unschuldig im Gefängnis verbrachte. Christ liegt sehr idyllisch auf einer Anhöhe um- Der Vortrag über sein Schicksal und seine Schil- geben von viel Natur und Ruhe in North Carolina. derungen waren so bewegend, dass viele von uns Nach all den Eindrücken der großen Städte New nur mühsam das weitere Programm des Tages auf- York, Washington D.C. und Boston sowie unserem merksam verfolgen konnten, da wir mit unseren wunderbaren und bereichernden Aufenthalt in den Gedanken immer noch bei ihm waren. Professor Gastfamilien in Elon, NC, war die Ruhe und Weite Charles Irons gelang es jedoch durch seine an- der Berge ein sehr gelungener Abschluss. schauliche, humorvolle und lockere Art, unsere Wir konnten auch als Gruppe noch mal zur volle Aufmerksamkeit auf ihn und seine Präsen- Ruhe und zur Reflexion über den bisherigen Rei- tation zu lenken. Er lieferte uns einen groben Ab- severlauf kommen. Bei unseren abendlichen An- riss der Christentumsgeschichte in den USA, ins- dachten hatten wir die Möglichkeit, vor dem bren- besondere über die Entstehung und Entwicklung nenden Kamin oder in der Freilichtkapelle inne zu der verschiedenen christlichen Strömungen, wie halten. z.B. die der Methodisten oder der Southern Baptist Diese Momente und Gespräche sind mir als Convention, vor allem zu Zeiten der Sklaverei und besonders dicht und wertvoll in Erinnerung. Mit deren Abschaffung unter Abraham Lincoln. Da ich einigen aus der Gruppe unternahm ich an unse- selbst im letzten Semester an der Universität zu rem freien Tag eine Wanderung in die beeindru- Köln ein Seminar genau zu diesem Thema belegt ckende Natur. Wir erhofften uns, den berühmten hatte, mit dem Titel „A History of Christianity in Indian Summer, also die bunte Laubfärbung des the United States“, war das Thema kein Neuland nordamerikanischen Herbstes genießen zu kön- für mich, und dennoch lernte ich viel Neues. Be- nen und wurden nicht enttäuscht. sonders bemerkenswert war jedoch, wie es Profes- Es ist toll, dass unsere Studienreise so facet- sor Irons gelang, dieses so weitreichende Thema tenreich von unserer Pfarrerin und Reiseleitung auf nicht einmal eine Stunde zu komprimieren, Christiane Neufang gestaltet wurde. also einen Gesamtüberblick zu schaffen, und es Wir konnten sehr viel von ihrem Wissen und auch für Laien verständlich und für Desinteres- ihren Kontakten profitieren. Angefangen mit den sierte interessant zu gestalten. Als in den letzten ersten Tagen in Boston und den Besuchen in Har- zehn Minuten noch die Frage aufkam, ob und in vard, der hiesigen Divinity School und dem MIT. wie weit sich die Sklaverei mit der Bibel rechtfer- Dann die beeindruckenden Tage in der Stadt die tigen lassen kann, fühlte ich mich wieder wie im niemals schläft, New York. Mit dem Besuch im Theologie-Seminar. Dass ja mit der Bibel zwar ge- Weißen Haus und der Tatsache, dass wir Präsident gen, aber durchaus auch für die Sklaverei argumen- Obama live gesehen haben, bekamen wir auch in tiert werden kann, war dann für viele aus unserer Washington ein weiteres Puzzlestück der ameri- Gruppe eine enttäuschende, aber wohl zutreffende kanischen Identität zu fühlen und zu erleben. Ein Antwort. Vor allem die Tatsache, dass nirgendwo weiteres Highlight war das Gespräch mit einem in der Bibel die Sklaverei explizit verworfen oder Vertreter des Internationalen Währungfonds IWF, verboten wird, konnten viele nicht glauben. der sich eigens für uns Zeit nahm und uns einiges Ich für meinen Teil kam dennoch zu einem aus seinem Tätigkeitsbereich berichtete. Interessan- theologisch zufriedenstellenden Ergebnis: Die Bi- terweise fand das Gespräch im Gemeindehaus der bel sieht den Zustand der Sklaverei zwar als gege- Vereinigten Kirche – gemeinsam mit dem neuge- ben und rechtmäßig an bzw. wurde in einer Zeit wählten Pfarrer der Deutschen Gemeinde in Wa- geschrieben, als Sklaverei üblich war, fordert aber shington statt. Als Fazit möchte ich betonen, dass stets zu milder und fairer Behandlung der Sklaven diese Reise mir und sicherlich auch den anderen auf (vgl. 2. Mose 21, 1 – 11). Die Forderung nach der Studierenden eine tolle Möglichkeit bot, sich ein Abschaffung der Sklaverei wäre im ersten Jahr- eigenes Bild der Vereinigten Staaten zu machen. tausend v. Chr. sehr unverhältnismäßig, zumal Für diese Horizonterweiterung bin ich sehr dank- die Bibel nicht von Gott, sondern von Menschen bar! geschrieben wurde. 10. 9. Julia Baltus, Sarah Keller, Studentin der Ev. Theologie im 1. Semester Studentin der Medizin im 8. Semester Besonders zwei Erfahrungen habe ich aus den USA Von unserer 16tägigen Studienreise hat mir beson- mitgebracht: Sehr bereichert und erfreut hat mich ders gut die letzte Etappe in die Appalachen gefal- die Offenheit und Freundlichkeit der Leute, die wir

Seite 56 ansätze 4 + 5 / 2012 Der Verband

getroffen haben. In vielen Situationen stießen wir Andererseits kann das Äußern von Pathos – oder stets auf Hilfsbereitschaft. Das hat mich sehr beein- zu mindestens tiefer Bewegung – auf persönlicher druckt. Die oft von europäischer Seite kritisierte Ebene auch sehr positive Effekte haben, solange es Oberflächlichkeit konnte ich nicht feststellen. Es eben um eine ehrliche Mitteilung persönlicher Er- ist eine sehr schöne Seite eines starken (nationa- lebnisse oder Gemütszustände geht, die man an- len) Selbstbewusstseins, das man Freundlichkeit deren verständlich machen will. Sehr bewegend nicht scheut und keine Angst vor Zurückweisung fand ich in diesem Zusammenhang unseren Besuch hat – und auch gerne dort hilft, wo man offenbar in der UCC Kirche in Boston. Die freien und freu- gebraucht wird. dig-bewegten Äußerungen der Mitwirkenden des Das Zerrbild dieser sehr vorbildhaften Eigen- Gottesdienstes waren gleichzeitig von großer Ein- schaften zeigt sich dagegen bei dem erschreckend fachheit und Tiefe sowie persönlicher Bewegtheit unreflektierten Militarismus, dem wir in Ame- getragen. Vielleicht können wir von den Amerika- rika begegnet sind. Besonders erschreckend war nern lernen, in mancher Hinsicht auch mehr Pathos für uns dabei die Darstellung in den Museen Wa- zuzulassen. Nämlich dort, wo er zur Beschreibung shingtons. Ob Space Museum, American Indian eigener Empfindungen dient, ohne damit die Ge- oder American History Museum – militärische fühle oder Ansichten anderer herabzusetzen oder Selbstdarstellung nimmt einen großen Teil des zu bekämpfen. Andererseits ist mir dadurch auch nationalen Bewusstseins ein. bewusst geworden, wie wichtig mir eine tiefe und Neben ausgestellten Orden, Gewehren, Medail- vielseitige Interpretation ist, die Wissenschaft und len und Uniformen nimmt die kritische Kriegsre- Emotion gleichermaßen versucht einzuschließen. flexion nur einen minimalen Teil der Ausstellung Konflikte und wissenschaftliche Textkritik nicht ein. Der hauptsächliche Blick ist auf den Krieg als scheuen, aber trotzdem freundlich und offen mit notwendige Handlung zur „Befreiung der Welt“ den eigenen Emotionen und miteinander umzu- und die pathetische Heroisierung von Kriegshand- gehen– das ist vielleicht das Beste, was ich aus den lungen und -helden gerichtet. Der Trauer um Opfer USA und aus den Reflexionen mit den anderen mit des Krieges auf eigener Seite werden dabei kaum in mein beginnendes Theologiestudium nehmen bis keine Reflexionen der menschlichen Verluste kann. der Kriegsgegner an die Seite gestellt – geschweige denn eigene Fehler eingestanden. zusammengestellt von Bild- und Fotomaterial Ich hatte den Eindruck, dass Krieg vielmehr als Christiane Neufang, stammt ausschließlich von Mitgliedern der Reise- eine Art pathetisches, von amerikanischer Seite Studierendenpfarrerin der ESG Köln, gruppe aufopferungsvolles „Ereignis“ gesehen wird, dessen im November 2012 Berechtigung nicht anzweifelbar ist. Diese Darstel- lung von Geschichte als „sich ereignendem“ und deshalb nicht beein- flussbarem Gesche- hen fand ich sehr beunruhigend. Die Pathetisierung von Geschichte als eine Folge einander aus- lösender Ereignisse (Dominoeffekt), wie man sie in diesen Museen betrachten kann, birgt die gro- ße Gefahr, dass eine sorgfältige Reflexion gegenwärtiger Ereig- nisse von verschie- denen Standpunk- ten und Erwägung anderer Handlungs- muster nicht erfolgt und somit ein gefähr- licher militärischer Automatismus aus- gelöst wird.

ansätze 4 + 5 / 2012 Seite 57 Von Menschen

Die »Neuen« im ESG-Bundesrat Florian Emanuel Jan Hallo! Schulte Ich bin Florian Emanuel, seit der BV 2012 Bundesrat und in der (aktuellen) Mein Name ist Jan Ratsperiode 2012/13 stellvertretender Schulte aus der ESG Vorsitzender des ESG-Bundesrates. am Campus Essen Geboren wurde ich 1989 „tief im Wes- der Uni Duisburg- ten“, seit 2009 studiere ich Wirtschafts- Essen. Im Septem- recht im nordhessischen Kassel. ber 2012 wurde ich Vor meinem Engagement in der ESG von der Bundesver- Kassel und auf Bundesebene war ich sammlung in Trier Presbyter der Evangelischen Kirchenge- in den ESG-Bundes- meinde Wattenscheid-Günnigfeld und rat gewählt. Kreissynodaler im Kirchenkreis Gelsen- Da die Wahl kirchen und Wattenscheid (EKvW). spät in der Nacht In der Ratsperiode 2011/12 war ich als stellver- stattfand und einige vielleicht schon müde oder tretendes Mitglied des ESG-Bundesrates an vielen nicht auf der BV waren, möchte ich mich hier noch Aktivitäten und Entscheidungen des ESG-Bundes- einmal vorstellen: rates beteiligt und in die inhaltliche Arbeit mit Nach dem Zivildienst wollte ich schnell durchs eingebunden. Ich freue mich auf die kommenden Studium und schnell in den Beruf. Den Abschluss zwei Jahre, mit guter Zusammenarbeit und kons- vor Augen erkannte ich, dass mein Platz die Schule truktiven Diskussionen. ist und wurde wieder Erstsemester. Seit 2011 stu- Wenn euch etwas unter den Nägeln brennt, diere ich in Essen Chemie und katholische Theolo- dann zögert nicht, uns zu schreiben. gie auf Lehramt. Auch für meinen Weg in die ESG brauchte ich einen Bioapfel, einen Gottesdienst und ein Semester, aber Umwege erhöhen ja bekanntlich die Ortskenntnis. Jan-Hinrich Auf den Bundestreffen 2011 in Kassel und 2012 in Oldenburg lernte ich viele neue, interessan- Busch te Menschen und eine neue Dimension von ESG kennen, die ich nicht mehr missen mag. ESG ist (ESG Tübingen) für mich ein Umfeld in dem Begegnung über die den Tellerrand des eigenen Studiengangs und den Ein herzliches Moin Moin an alle Horizont der eigenen Universität möglich ist. Leser! Ursprünglich aus dem Nor- den stammend, studiere ich seit dem WS2010/11 Humanmedizin an der Universität Tübingen und wohne und wirke seitdem mit gro- ßer Freude in der dortigen ESG. 2011 war ich erstmals Delegier- ter auf der BV in Hannover, auf der BV 2012 in Trier wurde ich in den Bundesrat gewählt. Ich freue mich darauf, die ESG-Arbeit auf Bundesebene mit zu gestalten und schrecke auch vor strukturellen Schwierigkeiten nicht zurück. Dabei halte ich mich für einen eher ruhigen und ausgleichenden Typ, vertrete aber auch gerne mal kontroverse Positionen. Wichtig ist mir, den Stu- dierenden zu zeigen, was die (Bundes-)ESG ihnen bieten kann – ob sie nun aus den Orts-ESGn kom- men oder aus einem völlig anderen Kontext.

Seite 58 ansätze 4 + 5 / 2012 Von Menschen

Die »Neuen« im ESG-Bundesrat Stefan von Deylen

Studium in Heidelberg und Bonn, seit 2010 Mathe- matik-Promotion an der FU Berlin. Seitdem aktiv in der ESG Berlin, irgendwo zwischen Luther nec plus ultra, Kulturprotestantismus und einer Öku- mene, die alles anfassen darf außer den Responso- rien. 2011 und 2012 Delegierter der Bundes-ESG auf der Versammlung der AKH (Arbeitsgemein- schaft kath. Hochschulgemeinden), seit der Bun- desversammlung 2012 stellvertretendes Mitglied im ESG-Bundesrat. Ich komme aus einer ESG, die sich sehr nah an der Landeskirche hält und von „Campus für Chris- tus“, der SMD etc. recht weit entfernt ist. Mit die- ser Ausrichtung fühle ich mich persönlich sehr Maike Axenkopf wohl – aber die Zeit arbeitet gegen uns. Es sieht so aus, als liege die Zukunft der Kirche bei den cha- Hallo, mein Name ist Maike Axenkopf, ich bin 25 rismatischen Gruppen, und die traditionelle wis- und komme aus dem Großraum Trier. Dort studie- senschaftliche Theologie bringt in immer weni- re ich an der Uni Trier Englisch und Geschichte ger Menschen eine Saite zum Klingen. Ist „unser“ auf Magister und Staatsexamen. Da das mir aber Christentum schlichtweg überholt? noch nicht reicht, beginne ich Anfang 2013 eine Zusatzausbildung zur Spiele- und Theaterpädago- gin. Seit der BV in Trier bin ich im ESG-Bundesrat, der mich in seiner konstituierenden Sitzung zur Vorsitzenden gewählt hat. Ich nehme dieses Amt gerne wahr und freue mich auf spannende und he- rausfordernde Aufgaben in einem – in meinen Au- gen – großartigen Team. Ich erhoffe mir von meiner Amtszeit einen Fortschritt Richtung inhaltlichem Arbeiten der Bundes-ESG, weg von allzu großen Strukturdebatten. Vor dem Einstieg in den Bun- desrat habe ich bereits ein Jahr im BV-Präsidium mitgewirkt, in dem ich meinen Spaß am Organi- sieren ausleben konnte. Nun freue ich mich aber auch mal auf inhaltliche Diskussionen zu aktuel- len, uns betreffenden Themen und methodischen Fragen der Öffentlichkeitswirksamkeit der ESG. Wenn ihr Anliegen an den Rat habt, dann schreibt uns doch eine Mail an esg-bundesrat@ gmx.de, ihr könnt mir aber auch gern direkt sch- reiben: [email protected]. Wir sehen uns spätestens auf der Sommerzeit in Prora!

ansätze 4 + 5 / 2012 Seite 59 Von Menschen

Neuer Pfarrer in Magdeburg Hans-Martin Krusche-Ortmann

Seit dem 1. Juli bin ich als Hochschul- an zwei Hochschulen ohne theologische Fakultät und Studierendenpfarrer in Magdeburg zu den Arbeitsschwerpunkten. Wie macht man der Nachfolger von Familie Kaffka. Ich das: die Kirche/den Glauben auf dem Campus er- übernehme eine sehr strukturierte und fahrbar und erlebbar zu machen? gut aufgestellte ESG mit vielen verschie- Und wie geht das in einer weitgehend entkirch- denen Ämtern und Verantwortlichkei- lichten Stadt? Aber diese Herausforderung habe ich ten. Der Empfang hier war überwältigend! Neben ja ganz bewusst gesucht … klassischer ESG-Arbeit und internationaler Arbeit inklusive Notfondsverwaltung gehört die Arbeit Hans-Martin Krusche-Ortmann

Neue STUBE-Referentin Sabine Ayeni

Kamerun, Nigeria, Kolumbien, Georgien, Irland und zweieinhalb Jahre in Südafrika haben Iran, Ghana, Ecuador … wer kann sich schon mich geprägt, herausgefordert und in vieler Hin- so glücklich schätzen all diese fernen Länder sicht bereichert. kennenlernen zu dürfen? Bereist habe ich Ich freue mich an der bunten Vielfalt der Teil- diese Länder längst nicht alle, aber ein biss- nehmerInnen und auch an dem aktiven Netzwerk chen kennenlernen darf ich, Sabine Ayeni, von STUBE-ReferentInnen und ESG-Pfarrern und sie seit 1. Juni 2012. Ich bin als STUBE-Refe- -Pfarrerinnen, die mir den Einstieg in meine Arbeit rentin bei der Diakonie Mitteldeutschland leicht gemacht haben. An diese Stelle ein „Danke- angestellt und für STUBE in Sachsen-Anhalt und schön“ an alle, die mich so herzlich willkommen Thüringen zuständig. geheißen haben. Studierende aus Afrika, Asien und Lateiname- Gebürtig aus Franken lerne ich, zusammen mit rika nehmen regelmäßig an den STUBE-Semina- meiner Familie (wir haben zwei Töchter) Sachsen- ren in Mitteldeutschland teil und ermöglichen es Anhalt und Thüringen kennen, nachdem wir vor- mir so ein wenig, die weite Welt noch besser ken- her viereinhalb Jahre in Franken gewohnt haben. nenzulernen. In der Arbeit mit den Studierenden hilft es, dass auch ich viele Jahre im Ausland ge- Sabine Ayeni, lebt und gearbeitet habe und somit die Erfahrung, STUBE-Referentin für Mitteldeutschland fremd und neu zu sein, selber kenne. Elf Jahre in

Neuigkeiten Mentorat für Studierende der Religionspädagogik

Bei Studierenden der Religionspädagogik kann Am 16. Oktober 2012 wurde Pastor Bernd Vogel eine „klassische“ kirchliche Sozialisation heute in Lüneburg im Ökumenischen Semestereröff- nicht mehr als selbstverständlich vorausgesetzt nungsgottesdienst in sein Amt eingeführt, am werden. Die Hannoversche Landeskirche hat dar- 4. November 2012 seine Kollegin Hochschulpas- auf mit der Einrichtung von Mentoratsstellen für torin Ulrike Wackerbarth in Osnabrück. Die Studierende der Religionspädagogik reagiert, die Betreuung der Studierenden erfolgt als Angebot, jeweils an die lokale ESG angedockt sind. sie ist freiwillig und vertraulich.

Seite 60 ansätze 4 + 5 / 2012 Von Menschen

»Ich nehme meinen Hut und geh’« Zur Verabschiedung von Doris Schuhmann

Ein Freitagnachmittag in der ESG Konstanz. Der wärmende Spätsommer in dieser Septembermit- te 2012 passt zum Anlass der langen Reise in den Süden Badens. Und es reist so manche Kollegin und mancher Kollege an, die Konstanzerinnen und Konstanzer sind ohnehin da – alle nehmen sie teil an der Verabschiedungsfeier, lauschen den Worten, freuen sich über den Gesang, unterhalten sich am Buffet. Nach 22 Jahren geht sie, wird von dem Leiter des ESG-Zentrums, Studierendenpfarrer Karl Menger, anerkennend verabschiedet: Doris Schuhmann. „Ich nehme meinen Hut und geh’“ – unter Leitung von Karl Menger bilden die Gäste ein spontanes Rezitativ, wiederholen diesen Satz der Einladung. Und natürlich wird der Hut überreicht … Doris Schuhmann war seit mehr als zwei Jahr- zehnten fest mit der ESG Konstanz verbunden, stets war sie erste Anlaufstelle für unzählige Stu- dierende, für angehende Akademikerinnen und Akademiker, für Deutsche und Ausländerinnen und Ausländer. In ihren Händen lagen die Verwal- tungsarbeit, die Ausländerberatung und die Bean- tragung für den Ökumenischen Notfonds (ÖNF). hat beide Konferenzen inhaltlich stark mitgeprägt Doris Schuhmann mit Jürgen Gfrörer, Landesstelle des Diakonischen und sich für deren Erhalt eingesetzt. Sie hinterlässt Karl Menger Foto: Eckart Stief Werkes Württemberg, dankte denn auch für eine eine nicht leicht zu füllende Lücke. überaus gute Zusammenarbeit – und erinnerte bei Liebe Doris, danke, dass du dabei warst, danke für der Gelegenheit an die 2009 verstorbene Karlsru- dein Engagement, dein leidenschaftliches Eintreten für her Kollegin Hanne Göddemeier, mit der Doris die Belange ausländischer Studierender, danke für dein eine besondere Freundschaft verband. Lächeln – für die Schweizer Schokolade. Uns wird man- Auf ESG-Bundesebene ist Doris Schuhmann seit ches fehlen. Dir einen glücklichen und ausgefüllten Ru- Jahren in der AUSKO, der Konferenz für Auslän- hestand – deine Familie kann sich freuen. derarbeit der ESGn, und der SEKO, der Konferenz der VerwaltungsmitarbeiterInnen, aktiv gewesen, Eckart Stief / AUSKO

Neuigkeiten Konvent sächsischer ESGn

Die ESGn in der Ev.-luth. Landeskirche Sachsen synode und das Landesjugendkonvent sachsenweit planen die Einrichtung eines gemeinsamen Kon- zu legitimieren und zum anderen, konkreten in- ventes. Bisher wurde eine Gründungsvereinbarung haltlichen Austausch und Projekte wie Werbung erarbeitet, die nun in den ESGn diskutiert und im in den Jungen Gemeinden zu fördern. April 2013 auf einem Treffen beschlossen werden soll. Der Konvent verfolgt zum einen die Absicht, die Wahl der Delegierten der ESGn für die Landes-

ansätze 4 + 5 / 2012 Seite 61 Über Bücher

Uwe-Karsten Plisch War Jesus verheiratet? Ein kurzer Wirbel um einen kurzen Papyrus

Auf dem 10. Internationalen Kongress für Koptische Gegen die Echtheit der Handschrift sprechen aller- Studien, der Mitte September 2012 in Rom stattfand, dings zahlreiche schwerwiegende innere wie äu- präsentierte die renommierte Harvard-Professorin ßere Gründe. Die Harvard Theological Review hat Karen King ein Papyrus-Fragment von ca. 4 × 8 cm, Kings Aufsatz inzwischen abgelehnt. auf dem Jesus angeblich von seiner Frau spreche. Der Papyrus selbst dürfte alt sein, er zeigt je- Für kurze Zeit geisterte die Entdeckung als Sensati- denfalls deutliche Spuren von Alterung, Verwitte- on durch die Weltpresse und Karen King hatte ihre rung etc. Die Beschriftung müsste daher Beschädi- sprichwörtlichen „15 Minuten Ruhm“. gungen analog zu den Verwitterungen zeigen, sie Das Fragment ist auf der Vorderseite (recto) mit ist aber auf den (gealterten) Papyrus, d.h. über die acht gut lesbaren Zeilen eng beschrieben und ent- Verwitterungen herüber, geschrieben. Eine krimi- hält Spuren einer neunten Zeile. Die Rückseite ist naltechnische Untersuchung könnte hier (noch) zu großen Teilen leer und enthält nur wenige, kaum mehr Klarheit bringen. lesbare Buchstaben und Buchstabenreste. Die Handschrift ist schwerlich die eines kop- King interpretiert die Handschrift in ihrem vor- tischen Schreibers des 4. Jahrhunderts, sondern ent- ab zur Verfügung gestellten Aufsatz für die Har- spricht eher einer modernen Hand, die, entsprechend vard Theological Review als einen koptischen Text ihrer erlernten Schreibtechnik, versucht, eine kop- des 4. Jahrhunderts n. Chr., der möglicherweise tische Buchschrift des 4. Jahrhunderts zu imitieren. auf eine griechische Vorlage des 2. Jh. n. Chr. zu- Etliche, im Koptischen sehr häufige Buchstaben wie rückgehe. Auf Grundlage dieser Prämisse folgert My oder Epsilon zeigen auffallend ungewöhnliche sie zutreffend, dass der Text allenfalls etwas darü- Formen. Das Schlüsselwort tahime („meine Frau“) ber aussage, was eine christliche Gruppierung des ist besonders dunkel, ganz so, als habe der Schreiber 2. Jahrhunderts über Jesu Familienverhältnisse ge- in Vorfreude auf den zu erwartenden Knalleffekt, dacht habe. Die Idee, dass der Text historische Rück- zu stark aufgedrückt. schlüsse auf Jesu tatsächliche Familienverhältnis- Der Papyrus enthält außer der Schlüsselstelle se erlaube, weist sie gleich zu Anfang entschieden („meine Frau“) nur sehr wenig Text, vor allem ganz und mit Recht zurück. geläufige koptische Phrasen. Andererseits ist die Phrase „meine Frau“ als Rede eines Mannes über Der Text lautet: seine Ehefrau gegenüber Dritten für einen antiken Text eher ungewöhnlich. Sie entspricht modernem recto Denken und lässt sich in Nag Hammadi-Texten gar nicht, im sahidischen Neuen Testament nur in mir] nicht. Meine Mutter gab mir Lk 1,18 nachweisen (dort ta-shime, allerdings nicht das [Leben | …] Die Jünger sprachen am Satzanfang). zu Jesus: [ … | …] vernein[te]. Der erste Satz („Meine Mutter gab mir das Le- ben“) findet sich beinahe wörtlich auch im Thomas­ Maria ist es [nicht (?)] wert. [ … | … ] evangelium (EvThom 101,3); das Anschwellen bö- Jesus sprach zu ihnen: Meine Frau ser Menschen in Zeile 6 entspricht der Darstellung und (?) [ … | … ] sie wird mir des Judas bei Papias im 2. Jahrhundert n.Chr. Dass die Rückseite nahezu unbeschrieben ist, ist Jüngerin sein können. Und [ … | … ] für antike Buchmanuskripte ziemlich ungewöhn- Üble Menschen sollen an- lich, es müsste sich schon „zufällig“ um Reste des schwellen [ … | … ] Ich, ich bin letzten (oder – noch unwahrscheinlicher – ersten) Blattes eines Codex handeln. Wahrscheinlicher ist mit ihr wegen [ … | … … ] die Annahme, dass der Fälscher (oder die Fälsche- ein Abbild [ … | … rin) sich im Antiquitätenhandel ein leeres antikes Papyrusfragment besorgt und auf dem recto bereits verso alles ihm (oder ihr) Wichtige untergebracht hatte … ] meine Mutter [ … | … ] drei [ … | … (nämlich Jesu Ehefrau) und es auf dem verso tun- lichst vermeiden wollte, unnötige Spuren (etwa … | … ] durch die [ … | … Grammatikfehler) zu hinterlassen. Auch die obe- re Kante des Fragments, die eine Schnittkante und

Seite 62 ansätze 4 + 5 / 2012 Über Bücher

keine Bruchkante ist, bedarf einer plausiblen Erklä- möglich, dass er, wie die Essener, ein Vertreter der Uwe-Karsten Plisch rung. Einzigehe war und sein öffentliches Wirken erst studiert den Papyrus War Jesus verheiratet? Die Frage ist mäßig nach dem Tod seiner Frau begann. Wir wissen es Foto: privat interessant und lässt sich unabhängig von der nicht. Echtheitsfrage des hier vorgestellten Papyrus nur schwer beantworten. Aber viel hängt auch nicht Dr. Uwe-Karsten Plisch, Hannover daran, außer vielleicht für einige vatikanische Ide- ESG-Referent ologen. Unsere ältesten Quellen, die Paulusbriefe für Theologie, Hochschul- und Genderpolitik des Neuen Testaments und die ältesten Evangelien sowie Mitglied des Berliner Arbeitskreises einschließlich des Thomasevangeliums, schweigen für Koptisch-Gnostische Schriften darüber, und zwar in beide Richtungen. Weder er- und der International Association for Coptic Studies wähnen sie eine Ehefrau Jesu, noch betonen sie eine etwaige zölibatäre Lebensweise. Paulus verteidigt seine Ehelosigkeit als besondere Gabe – etwa im Unterschied zu verheirateten Aposteln wie Petrus (1. Kor 9,5) –, beruft sich dabei aber nicht auf das Beispiel Jesu, was sich immerhin angeboten hätte. Jüdische Rabbis waren in der Regel verheiratet, die Ehe also der Normalfall. Paulus muss seine besonde- re Lebensweise verteidigen, ebenso wie im Talmud Asais Sohn (bJevamot 63b). Jesus wird dagegen in Streitgesprächen mit Pharisäern und Sadduzäern nie auf seine Eheverhältnisse angesprochen. Gut

ansätze 4 + 5 / 2012 Seite 63 Über Bücher

Halt uns bei festem Fortlaufende Bibellese Glauben. Wie jedes Jahr bietet auch dem Neuen Testament das Tägliche Andachten die neue Ausgabe des tra- lukanische Doppelwerk aus für das Lukasjahr ditionsreichen Leipziger Lukasevangelium und Apo- 2013. Andachtsbuches eine ge- stelgeschichte, der Hebräer- Hg. v. Torsten u. lungene Sammlung theo- und der Kolosserbrief sowie Barbara Hilse, logisch fundierter und le- die Thessalonicherbriefe, in Leipzig, EVA, 2012, bensnaher Auslegungen die am Anfang des Buches 496 S., biblischer Texte, kombiniert kurz und kompetent einge- ISBN 978-3-374- mit Gebeten und Liedvor- führt wird. Mitgewirkt ha- 03007-1. schlägen. Wer also mal eben ben wie immer auch zahl- 9,80 Euro. Abends noch eine Andacht reiche aktive oder ehemalige halten muss (und wieder ESGler wie Wiebke Ahlfs, keine Zeit hatte sich vorzu- Christoph Eichert, Domi- bereiten) wird hier ebenso nique Ehrmanntraut, Kon- fündig wie der- oder dieje- rad Glöckner, Hans-Michael nige, welche den Tag mit Hanert, Friedrich Hohenber- Bibellektüre beginnen oder ger, Klaus-Dieter Kaiser, Sabi- abschließen und mit Denk- ne und Friedrich Kramer, Ge- anstößen verbinden will. Das org Kuhaupt, Manfred Lösch, Buch beginnt außerdem mit Peter Martins, Uwe-Karsten einer Auslegung der Jahres- Plisch, Martin Prang, Aribert losung (Hebr 13,14) sowie Rothe, Tim Schmidt, Curt einem Ordnungsvorschlag Stauss, Max Strecker, Heiner für die tägliche Andacht ein- Wajemann und Christoph schließlich Fürbitten für je- Weber, was ja allein schon den Tag. Ausgelegt werden die Texte der fortlau- für einen gewissen theologischen Standard bürgt. fenden Bibellese, das sind im nächsten Jahr aus dem Und natürlich kann man das Buch nicht nur lesen, Alten Testament die Königsbücher, die „kleinen“ sondern auch prima verschenken, schließlich ist Propheten Haggai, Sacharja und Maleachi und das bald Weihnachten. chronistische Doppelwerk Esra/Nehemia sowie aus Uwe-Karsten Plisch

Zu beziehen Bibel AnDenken 2013 ist der Band über die Betrachtungen zu Jahreslosung aej-Geschäftsstelle, und Monatssprüchen Otto-Brenner-Straße 9, 30159 Hannover, In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft E-Mail: bestellung@ der Landesjugendpfarrerinnen und Landesjugend- aej-online.de, pfarrer gibt die Arbeitsgemeinschaft der Evange- zu einem Stückpreis lischen Jugend in Deutschland (aej) den Band BI- von EUR 10,– BEL ANDENKEN 2013 heraus. zuzüglich Versand- Mit Andachtsentwürfen, theologischen Hinter- kosten. grundinformationen und Praxismaterialien wie Lie- dern, Gedichten, Geschichten zu den Monatssprü- chen und der Jahreslosung gibt BIBEL ANDENKEN 2013 vielfältige Anregungen zur Gestaltung von Gruppenstunden in der Jugend- und Studierenden- arbeit, für Abendandachten oder Gemeindefreizei- ten. BIBEL ANDENKEN 2013 will besonders jun- gen Menschen den Zugang zu biblischen Texten erleichtern und dabei vermitteln, dass die Aussa- gen der Bibel heute noch relevant für unser Leben sind. Uwe-Karsten Plisch

Seite 64 ansätze 4 + 5 / 2012 Über Bücher

Gott denkend entdecken „Gott denkend entdecken“ breitet vor uns einen Ab- hin nicht erreichbar. riss der Theologiegeschichte in Gestalt von „Meilen- Problematisch ist den- steinen der Theologie“ aus, angefangen bei Paulus noch die Auswahl, die von Tarsus in der Spätantike bis zum Zeitgenossen zeigt, dass sich in dieser Edward Schillebeeckx. In kurzen Abschnitten von Zusammenstellung vor jeweils ca. fünf Seiten wird in der Regel ein theo- allem ein gemäßigter, logischer Autor anhand eines Hauptwerkes vor- eher selbstgenügsamer gestellt, ein Originalzitat beschließt den Beitrag, Reformkatholizismus sodass man auch unmittelbar Einblick in die Den- artikuliert. Das Buch kungsart des jeweils Porträtierten erhält. Das ist heißt aber eben nicht leserfreundlich und modern und ermöglicht, sich „Meilensteine katho- auf bequeme Weise einen Überblick über die Wand- lischer Theologie“! Da- lungen christlicher Theologie in den letzten zwei her gibt es zwar gele- Jahrtausenden zu verschaffen. Zu den Vorzügen gentliche Seitenblicke des Buches gehört auch, dass nicht nur eine Viel- auf die Ökumene, die zahl von Schreibtischtheologen vorgestellt wird, aber nicht genügen, sondern auch Seitenblicke auf Volksfrömmigkeit um das Versprechen, (Legenden über den hl. Martin von Tour, Armenbi- „Meilensteine der The- bel), Literatur (Dante, John Milton) und die bilden- ologie“ zu präsentieren, de Kunst (Wandmalereien in St. Georg in Oberzell) einzulösen. gewagt werden. Zudem bemüht sich das Buch, nicht Der Blick auf die frü- nur kluge Männer der Theologiegeschichte zu por- he Zeit bietet einerseits trätieren, sondern auch herausragende Frauen (ob höchst sachkundige die nervige Elisabeth Schüssler Fiorenza allerdings Porträts von Origenes repräsentativer ist als die nicht berücksichtigte Do- oder Augustinus (und rothee Sölle, kann man fragen). Zur besseren Ori- ein sehr apologetisches entierung sind die Texte nach Epochen gegliedert: über Ambrosius), lässt andererseits neben Irenäus Thomas Moritz Mül- I. Die frühe Zeit (bis etwa 500 n.Chr.), II. Das frühe und Tertullian vor allem die Theologen des Ostens, ler / Reiner Schlott- Mittelalter (bis Ende des 13. Jahrhunderts), III. Das etwa die großen Kappadozier, links liegen. Meist hauer (Hg.), späte Mittelalter (bis zum 15. Jahrhundert), IV. Der werden die ausgelassenen großen Theologen aber Gott denkend entde- Übergang zur Neuzeit (16. und frühes 17. Jahrhun- in der Einleitung zur Epoche erwähnt (wie z.B. Bo- cken. Meilensteine dert), V. Aufklärung (bis 1848); VI. Anbruch der Mo- ethius, der als Scharnier zwischen Spätantike und der Theologie. derne und VII. Neue Spuren, neue Wege. In einem Frühmittelalter irgendwie nicht ins Konzept gepasst topos taschen- abschließenden VIII. Kapitel gibt Johanna Rahner hat). Die Einleitungen haben gewissermaßen die bücher 801, einen Ausblick unter der Frage: Wohin führt uns Funktion, solche Defizite auszugleichen. Wirklich Kevelaer 2012, 376 die Theologie? grotesk ist die Zusammenstellung in Kapitel IV, in S., 14,90 Euro Den Hauptkapiteln vorangestellt ist immer eine das auch die Reformationszeit gehört. Martin Luther ISBN 978-3-8367- kurze Einleitung, die sachkundig in die theologische wird hier als einziger reformatorischer Theologe 0801-2 Problematik der jeweiligen Epoche einführt. vorgestellt – neben sieben dezidiert katholischen. Eine etwas sonderbare Zeittafel rundet das Buch Der Text über Luther und seine Schrift „Von der ab (sonderbar ist hier die Auswahl erwähnens- Freiheit eines Christenmenschen“ gehört zudem werter Daten und die Weglassung vermeintlich zu den schwächsten des ganzen Buches. Der „An- unwichtiger sowie die Tatsache, dass einige Anga- bruch der Moderne“ ignoriert nicht nur Kierkegaard, ben schlicht falsch sind). Die Qualität der Einzel- den Vater von Existenzialismus und dialektischer beiträge ist natürlich abhängig von Kenntnisstand, Theologie, sondern auch Dietrich Bonhoeffer, den Darstellungskunst und theologischem Standort der weltweit am meisten rezipierten deutschsprachigen AutorInnen. Theologen des 20. Jahrhunderts. Das letzte Kapitel „Neue Spuren neue Wege“ bietet dann außer Eber- Entstanden ist das Buch aus Einzelbeiträgen für das hard Jüngel nur noch katholische Autoren, darunter katholische Sonntagsblatt der Diözese Rottenburg- aber immerhin so prägende wie Hans Küng, Eugen Stuttgart. Was als lose Folge von Artikeln über einen Drewermann und Gustavo Gutiérrez, den Begrün- langen Zeitraum sicher problemlos funktioniert, of- der der „Theologie der Befreiung“. Wenn man die fenbart zwischen zwei Buchdeckel gepresst jedoch Defizite im Blick behält und die Lücken denkend konzeptionelle Schwächen. Die Herausgeber sind füllt, wird man mit diesem Buch jedoch gut unter- sich dessen auch bewusst und gestehen im Vorwort halten und auf hohem Niveau informiert. zu, dass vielleicht nicht alle Meilensteine gleich groß sind. Irgendeine Art von Vollständigkeit ist ohne- Uwe-Karsten Plisch

ansätze 4 + 5 / 2012 Seite 65 Über Bücher

»Eine Liebe, ein Gott, ein Christentum!« Heiko Erhardt / Als Margot Käßmann am 29. August in der Astor Friedmann Eißler Film Lounge am Berliner Kurfürstendamm ihren (Hg.) Lieblingsfilm „Der Schatz im Silbersee“ vorstellte, „Winnetou hatte sie den vorliegenden Band der Evangelischen ist ein Christ“. Zentralstelle für Weltanschauungsfragen bereits Karl May angekündigt, zu haben war er aber damals noch und die Religion nicht. Nun ist er kurz vor Ende des Karl-May-Jah- Evangelische res doch erschienen. Das ist umso erfreulicher, als Zentralstelle ein vergleichbarer – und ebenfalls sehr empfeh- für Welt- lenswerter – Band des Karl-May-Verlages (Dieter anschauungsfragen Sudhoff [Hg.], Zwischen Himmel und Hölle. Karl EZW-Texte 220, May und die Religion, Bamberg 2003) seit Jahren 192 S. vergriffen ist. Im Anschluss an ein Geleitwort, das Margot Das Heft kann bei Käßmann beigesteuert hat („Mein Lieblingsfilm“), der Evangelischen versammelt der Band neun Fachbeiträge von nam- Zentralstelle für Welt- haften AutorInnen zum Thema Karl May und die anschauungsfragen Religion. Den Anfang macht Ralf Harder mit einem bestellt werden unter kurzen biografischen Abriss zu Karl Friedrich May, http://www.ekd.de/ Mitherausgeber Heiko Ehrhardt stellt Überlegungen ezw/bestellen.php an zum Christlichen bei Karl May („Winnetou ist oder per Post: ein Christ“), Peter Th. und Bernhard Lang lesen „Old EZW, Surehand“ sowie „Und Friede auf Erden“ und zeich- Auguststraße 80, nen Mays Entwicklung „Vom Laienmissionar zum 10117 Berlin. Eine Spende einer der Altmeister der Karl May-Forschung, wid- von 5 Euro met sich einerseits der „Lebens- und Sterbensphilo- wird erbeten. sophie“ Karl Mays, andererseits einer zeittypischen Modeerscheinung, der vor allem Mays Frauen verfal- len waren: dem „Unsinn des Spiritismus“. Diethhard Sawicki erkundet Mays „spiritistisches Jenseits“. Die letzten beiden Beiträge sind dem überaus ergiebigen Themenkreis „Karl May und der Islam“ gewidmet. Svenja Bach zeichnet in einem kundigen Beitrag die Hintergründe der Mayschen Darstel- lung von Islam und Muslimen im Orientzyklus nach und Johannes Zeilinger liefert abschließend den Gegenwartsbezug und zeigt die Aktualität Karl Mays, indem er die Islamrezeption bei Karl May in Beziehung setzt zum Islam- und Orientalismusdis- kurs in Deutschland. Ein lesens- und empfehlenswerter Band, mit dem sich gut arbeiten lässt. Erhältlich ist das als Arbeitsmaterial gedachte Heft direkt bei der EZW, und zwar praktisch für umsonst. Es gehört wenig Karl May mit Ehe- Kühnheit dazu, zu prognostizieren, dass dies der frau Klara, 1904 erfolgreichste EZW-Band des Jahres werden wird. Foto: gemeinfrei

christlichen Philosophen“ nach. Uwe-Karsten Plisch „Karl Mays menschliche und mystische Seite“ be- leuchtet Werner Thiede und Andreas Ohle und Markus Schmidt befassen sich mit „Gericht und Er- lösung“ in Mays Schriften. Hermann Wohlgschaft,

Seite 66 ansätze 4 + 5 / 2012 Weihnachtspreisrätsel

T A G H A I R A M H E G R E B R E H C F E J E S H C O A A N E A E A A R N H R R L K U L F E C E H J O S E F T S T I E M D G E E E S R S E A N L B S T T V T V E D N E S E P P I R K A L Z N O U D N N

Die Begriffe: sind in den Buchstaben zu finden, sowohl waagerecht als auch senkrecht und di- • Haus David • Sterne agonal, in allen Varianten können die Buchstaben auch rückwärts sowie von • Bethlehem • Komet unten nach oben verwendet werden. Einzelne Buchstaben können auch zu • Tag • Schafe zwei Begriffen gehören. Die 16 nicht- verwendeten Buchstaben bilden in der • Herberge • Esel richtigen Reihenfolge die Lösung. • Nacht • Ochse Unter den richtigen Einsendungen verlosen wir drei Geschenkpakete. • Feld • Krippe Einsendeschluss: Mariä Lichtmess. Lösungsvorschläge bitte per Post an die • Hirten • Anbeten ESG/aej-Geschäftsstelle (siehe Impres- sum) oder per e-mail an ukp@bundes- • Maria • Engel esg.de Betreff: Preisrätsel.

• Josef • Froh Annette Klinke

ansätze 4 + 5 / 2012 Seite 67 Presseerklärung

Amt für evang. GEMEINSAME PRESSEERKLÄRUNG – Evangel i sche und Katholische Jugend in Bayern Jugendarbeit Hummelsteiner Weg 100, 90459 Nürnberg, Weg zur Bildung wieder frei! Tel. 0911 4304-284, [email protected], Evangelische und Katholische Jugend in Bayern www.ejb.de begrüßen das Volksbegehren BDKJ Landesstelle Bayern, über die unbeliebten Studiengebühren. Landwehrstr. 68, 80336 München, Tel. Der Verfassungsgerichtshof hat das Volksbegeh- Unverständlich für die Vertreter der Jugendarbeit ist 089 532931-19, pres- ren gegen die Studiengebühren an Bayerns Hoch- die Haltung des Wissenschaftsministers Heubisch sestelle@ schulen zugelassen. Nur noch in Bayern und Nie- (FDP), der auf jeden Fall an den Einnahmen festhal- bdkj-bayern.de, dersachsen müssen Studierende diese Hürde zur ten will. Zweifellos braucht dieser Bildungsbereich www.bdkj-bayern.de Hochschulausbildung überspringen. Alle anderen gerade bei den hohen Zahlen der neuen Studieren- Kultusminister haben bereits erkannt, dass Hoch- den auch viele Haushaltsmittel. schulbildung nicht über private Geldbeutel finan- Doch Lippenbekenntnissen wie „Deutschlands ziert werden darf. Rohstoff sei die Bildung“ oder „Wir brauchen drin- Mit dem Beschluss des bayerischen Verfassungs- gend hochqualifizierte Nachwuchskräfte“, müssen gerichtshofs am 22. Oktober darf es nun doch eine auch politische Taten folgen, fordert Landesjugend- Volksabstimmung über die unbeliebten Studien- pfarrer Gerd Bauer. Noch immer leidet die bayerische gebühren geben. Zwar hatte Innenminister Herr- Politik finanziell an dem Desaster der bayerischen mann (CSU) versucht, eine Abstimmung des Volkes Landesbank. Dies darf aber nicht privatisiert werden zu verhindern, doch der Gerichtsbescheid ist ein- und damit zu Lasten der zukünftigen Hochschulab- deutig. Die finanzpolitischen Winkelzüge halten solventen oder der Hochschulen gehen, sind sich der Rechtsprechung nicht stand. Damit könnte es die Katholische und Evangelische Jugend in Bayern nach Jahren kostenpflichtigen Studierens wieder einig. Die Staatsregierung darf sich hier nicht aus eine Umkehr geben. ihrer Bildungsverantwortung stehlen, sondern hat Die beiden konfessionellen Jugendverbände be- für eine bedarfsgerechte finanzielle Ausstattung der grüßen diesen Entscheid. Schon seit der Einführung bayerischen Hochschulen Sorge zu tragen! dieser Gebühren fordern sie, diese wieder aufzuhe- „Mit dem Gerichtsentscheid ist der Weg endlich ben. frei, damit die Studiengebühren auch in Bayern ab- „Die Studiengebühren verhindern gleiche Zu- geschafft werden und Studentinnen und Studenten gangs- und Teilhabemöglichkeiten für bayerische ohne zusätzliche finanzielle Belastungen studieren Studierende und sind dringend abzuschaffen“, sagt können“ freut sich Simon Müller-Pein, Landesvor- Patrick Wolf, Vorsitzender der Evangelischen Ju- sitzender des BDKJ. gend in Bayern. Unbegreiflich bei der Diskussion ist für ihn, dass der Freistaat Bayern eines von zwei Christina Frey-Scholz (EJB) und Bundesländern in Deutschland ist, das die Studien- Christoph Schreiber (BDKJ) gebühren noch erhebt, obwohl sich viele Hochschu- Öffentlichkeitsarbeit len mit der Verwendung der Gelder schwer tun. 22. Oktober 2012

Seite 68 ansätze 4 + 5 / 2012 Ankündigungen Ökumenischer Bibeltag 2013 Wie alles begann – das Evangelium nach Markus Sonntag, 27. Januar 2013, Beginn: 11 Uhr, Ort: ESG Halle, z.Zt. im Marthahaus, Adam-Kuckhoff-Str. 5

Keine Geburt, kein Weihnachten, keine Kindheitsgeschichten – Jesus ist da, wird getauft und legt los. Das Evangelium nach Markus ist das älteste, kürzeste und – vielleicht – theologisch gewichtigste Evangelium im Neuen Testament. In diesem Jahr ist es Thema der Ökumenischen Bibelwoche. ESG und KSG Halle führen wie jedes Jahr zusammen mit der ESG-Bun- desgeschäftsstelle einen ökumenischen Bibeltag durch. Gemeinsam wer- den wir uns Schlüsseltexte des Markusevangeliums erarbeiten und es und uns besser verstehen lernen.

Leitung: Pfarrer Johann-Hinrich Witzel, ESG Halle, Dr. Uwe-Karsten Plisch, ESG-Geschäftsstelle Hannover; Der Bibeltag endet mit einem Abendgottesdienst in der Laurentiuskirche. Predigt: Dr. Uwe-Karsten Plisch Anmeldung: [email protected] Fahrtkosten für Auswärtige werden zu 50% er- stattet. Gefördert aus Mitteln des Kinder- und Jugendplan des Bundes.

24 + 24h-Akademie: Die Glaubens- wächter – Christlicher Fundamentalismus in Deutschland

Diskussionen über Fundamentalismus kreisen meist um den Islam. Auch der christliche Fundamentalismus US-amerikanischer Prägung gerät dabei bisweilen ins Visier. Doch wie ist der christliche Fundamentalismus in Deutschland einzu- schätzen? Welche Spielarten gibt es und welchen Einfluss haben sie auf unsere Gesellschaft und die Politik? Darüber kommen wir mit Insidern, Expertinnen und Politikern ins Gespräch. Freitag, 22. bis Sonntag, 24. März 2013 Lutherstadt Wittenberg, Evangelische Akademie Leitung: Friedrich Kramer mit Dr. Uwe Karsten Plisch (Evangelische StudentInnengemeinde in der Bundesrepublik Deutschland) und Bernd Hans Göhrig (Initiative Kirche von unten) Anmeldung über http://www.ev-akademie-wittenberg.de/index2.html

ansätze 4 + 5 / 2012 Seite 69 Ankündigungen

Bundesweites ESG-Chortreffen im Herbst 2013 in Bonn

Singen tut gut! Über diese Erkenntnis gibt es brei- te wissenschaftliche Untersuchungen. Wer selber Es findet statt von singt, weiß es aber auch so: Singen lässt den Uni- Stress vergessen und baut Spannungen ab. Singen Freitagnachmittag, erfrischt und macht euphorisch. Und übrigens auch die Reformation im Gefolge Martin Luthers ist eine 1. November (Aller- musikalische und singende Reformation gewesen. In vielen ESGn singen Studierende in Chören heiligen) bis Sonntag- miteinander. Klassisches, Jazziges, Gospeliges, Pop- piges … Häufig ist der ESG-Chor ein fester und le- mittag, 3. November bendiger Bestandteil der Arbeit.

Jetzt kommt es noch besser: Im Herbst 2013 sind 2013 in Bonn. Sängerinnen und Sänger aus allen ESGn zu einem Nähere Infos und Möglichkeit zur Anmeldung folgen bundesweiten Chortreffen nach Bonn eingeladen. Anfang des nächsten Jahres. Die Idee dabei: für ein Wochenende miteinander Wir freuen uns aber jetzt bereits über eine erste singen, sich an Bewährtem freuen und Neues aus- Rückmeldung. Interesse am Chortreffen signalisie- probieren, Studis aus allen Ecken Deutschlands ken- ren oder Anregungen für die Gestaltung geben – das nenlernen, miteinander essen, trinken und feiern. könnt ihr unter: [email protected]. Wir werden in Workshops singen und arbeiten. Am Sonntagmorgen tritt dann der vielleicht größ- Nach Bonn laden euch im Namen des te ESG-Chor aller Zeiten in einem Gottesdienst auf. Organisationsteams herzlich ein: Die ESG Bonn führt in Kooperation mit der ESG Hendrik Lapp (Chorleiter ESG Bonn) und Köln das Chortreffen durch. Michael Pues (Pfarrer ESG Bonn)

Seite 70 ansätze 4 + 5 / 2012 Ankündigungen

3. Meike-Schneider-Literaturpreis – Literaturpreis der Evan- gelischen Studierendengemeinden im Rheinland (EkiR)

Zum dritten Mal schreiben die Evangelischen Studierenden Ihre Manuskripte anonym an die Jurymitglieder weiterge- Gemeinden (ESG) im Rheinland einen bundesweiten Literatur- leitet werden. wettbewerb aus. Es sollen Studierende, die sich im oder außer- • Alle Manuskriptseiten müssen mit dem selbst gewählten halb des Rahmens ihres Studiums literarisch betätigen, ermu- Kennwort (siehe Formblatt 1+2) versehen werden. tigt werden, ihre Arbeiten in der Öffentlichkeit vorzustellen. • Es werden nur deutschsprachige und unveröffentlichte Ein- Mit dem Preis verfolgt die ESG zum einen die Absicht, eines der sendungen berücksichtigt. vielen verborgenen Talente, für die im Hochschulalltag oft kein • Manuskripte werden nicht zurückgesandt. Bitte reichen Sie Raum ist, öffentlich zu würdigen. Zum anderen will die ESG mit daher keine Originale ein. dem Preis deutlich machen, dass sie für die kreative Auseinan- • Mehrfachbewerbungen oder Texte, die nicht den Vorgaben dersetzung von Menschen mit ihrer Wirklichkeit im Rahmen entsprechen, können leider nicht berücksichtigt werden. des Auftrages, den Kirche an den Hochschulen hat, Räume und • Ihre Texte werden gegebenenfalls im Internet sowie in ei- Aufmerksamkeit schaffen will. ner Anthologie veröffentlicht. • Für die Ausschreibung und die Preisverleihung ist der Rechts- Ausschreibungsthema: weg ausgeschlossen. Das Thema der Ausschreibung lautet: Lebens(t)räume. Dieses • Mit der Einsendung der Bewerbung erklärt sich jedeR Teil- Thema ist bewusst weit gefasst. Wir sind gespannt auf die vie- nehmerIn mit den vorstehenden Bedingungen einverstan- len Facetten der literarischen Umsetzung. den. Ausschreibungsbedingungen: Die Preise: Einsendeschluss ist der 31. Januar 2013. 1. Preis: 600 Euro* Mitmachen können alle StudentInnen bis zur Vollendung ihres verliehen von der gesamten Jury 35. Lebensjahres, die an einer Hochschule immatrikuliert sind. 2. Preis: 200 Euro Kategorie Lyrik, verliehen von Familie Schneider Eingesendet werden kann Lyrik und Prosa: 3. Preis: 200 Euro Für Lyrik gilt: Es können drei Gedichte im Umfang von insge- Kategorie Prosa, verliehen von der ESG Aachen samt bis zu 5 DinA4 Seiten eingereicht werden. * Sollte es einen ersten Preis im Bereich Lyrik UND Prosa geben, so behält sich Für Prosa gilt: Es kann ein Prosatext im Umfang von bis zu die Hauptjury vor, den Preis in zwei Mal 300 Euro aufzuteilen. 5 DinA4 Seiten eingereicht werden. Die 10 – 15 besten Einsendungen werden in einer Anthologie • Alle Einsendungen bitte maschinengeschrieben einreichen. veröffentlicht. Die Preisträger werden zudem auf unserer Inter- • Der Zeilenabstand beträgt 1.5, Schriftgröße 12 pt., vorzugs- netpräsenz präsentiert. weise Schriftart Times New Roman. Alle weiteren Informationen sowie Formblätter • Formblatt 1 und Formblatt 2 bitte der Internetseite (s.u.) zum Ausdrucken finden Sie unter:

entnehmen, ausdrucken und dem Manuskript beifügen, da www.meike-schneider-literaturpreis.de

ansätze 4 + 5 / 2012 Seite 71 Abkürzungen Impressum des Heftes: im ESG-Kontext 4 + 5 / 2012 [13. 12. 2012]

AKH Arbeitsgemeinschaft Katholischer Redaktion: Jörn Möller (verantw.), Hochschulgemeinden Uwe-Karsten Plisch, Annette Klinke AG Arbeitsgruppe Layout: Gerhard Löhr ATP AG Adivasi-Tee-Projekt [email protected] AUSKO AusländerInnen-BeraterInnen/-ReferentInnen- Konferenz Namentlich gekennzeichnete Artikel geben BV Bundesversammlung nicht in jedem Fall die Meinung der Redaktion wieder. BMBF Bundesministerium für Bildung, Forschung, Wissenschaft und Technologie Die „ansätze“ erscheinen fünfmal jährlich. (Zuschussgeber) Abo: 13 Euro/Jahr (Kündigung ist bis sechs Wochen BMFSFJ Bundesministerium für Familie, Senioren, vor Jahresende möglich) Frauen und Jugend (Zuschussgeber) BSPK Bundesstudierendenpfarrkonferenz Herausgeberin: DW Diakonisches Werk Evangelische StudentInnengemeinde in der Bun- EAiD Evangelische Akademikerschaft desrepublik Deutschland – Mitglied im WSCF in Deutschland (World Student Christian Federation) EKD Evangelische Kirche in Deutschland Geschäftsstelle ESG/aej ERA European Regional Assembly (des WSCF) Otto-Brenner-Str. 9 | D-30159 Hannover ERC European Regional Committee (des WSCF) Telefon: 0511/1215–0 | Mail: [email protected] EWDE Evangelisches Werk für Diakonie und Ent- http://www.bundes-esg.de wicklung – Brot für die Welt (Zuschussgeber) Konto: Evangelische Kreditgenossenschaft eG EYCE Ecumenical Youth Council of Europe Hannover | KontoNr.: 264 | BLZ 52060410 GO Geschäftsordnung GS Geschäftsstelle Druck: Senser Druck GmbH HAU Haushaltsausschuss Bergstraße 3 | 86199 Augsburg IKvu Ökumenisches Netzwerk Initiative Kirche von unten IRO Interregional Office (des WSCF) Die „ansätze“ werden gefördert aus Mitteln des Bundesministeriums für Familie, Senioren, KED Kirchlicher Entwicklungsdienst Frauen und Jugend und der EKD KEK Konferenz Europäischer Kirchen (Sitz Genf) KJP Kinder und Jugendplan des Bundes ISSN 0721-2291 MATA MitarbeiterInnentagung der ESG-Verwaltung in Deutschland (früher SEKO) ÖRK Ökumenischer Rat der Kirchen Das nächste Heft: SEKO SekretärInnen-Konferenz (jetzt MATA) 1 /2013

SP Studierendenpfarrer/in steht unter dem Thema: Gärten SPK Studierendenpfarrkonferenz STUBE Studienbegleitprogramm Die Ausgabe erscheint Mitte April 2013 Beiträge, die zur Veröffentlichung bestimmt VAU Vertrauensausschuss sind, bitte an Jörn Möller in der Geschäftsstelle WSCF World Student Christian Federation senden: [email protected]

Redaktionsschluss: 15. 3. 2013

Seite 72 ansätze 4 + 5 / 2012 Bestellung des ESG-Gesangbuches

»Durch Hohes und Tiefes« Der Flyer Das Gesangbuch der Evangelischen Studierendengemeinde zum Gesangbuch Hardcover, ca. 700 Seiten. – Wenn Sie noch Fragen ha- Nähere Angaben zum Inhalt unter www.bundes-esg.de ben, warum das Gesangbuch zum Klassiker gereicht – fin- Zum Preis von: 12,00 Euro pro Stück für 1 – 19 Ex. den sie hier die Antwort. bzw. 10,00 Euro pro Stück ab 20 Ex. Der Flyer eignet sich hervor- ragend zur Bewerbung und

Bestellungen bitte an den STRUBE VERLAG eigenen Öffentlichkeitsarbeit. (per Fax, email oder Post) unter Nutzung dieses Formulars: KOSTENLOS zu bestellen bei STRUBE VERLAG GMBH der Bundes-ESG in Hannover Pettenkoferstr. 24 / 80336 München Fax: 089.54 42 66 33 E-mail: [email protected]

Bestellformular

Wir bestellen:

… Exemplare »Durch Hohes und Tiefes«

Datum:

Unterschrift:

Lieferadresse:

A

Für Bestellungen des Image-Flyers siehe die vordere Umschlagseite! termine 2012

13. Dezember 2012 in Kassel / Studientag „Chinesische Studierende“ 5

14. – 16. Dezember 2012 in Tübingen + Bundesratssitzung

27. Januar 2013 in Halle Ökumenischer Bibeltag: Das Markusevangelium

31. Januar 2013 Einsendeschluss Meike-Schneider-Literaturpreis

22. – 24. Februar 2013 in Witzenhausen Bundesratssitzung

4. – 7. März 2013 in Villigst BSPK/AUSKO

22. – 24. März 2013 in Wittenberg 24+24h-Akademie „Die Glaubenswächter – Christlicher Fundamentalismus in Deutschland“ Musik ansätze 4 31. März / 1. April 2013 Ostern

30. April – 1. Mai 2013 in Hamburg Internationaler Jugendkongress zum Kirchentag

1. – 5. Mai 2013 in Hamburg 34. Deutscher Evangelischer Kirchentag

28. / 29. Mai 2013 in Hannover Einführungstagung für neue StudierendenpfarrerInnen

18. – 21. Juni 2013 in Freiburg MATA

29. Juli – 2. August 2013 in Prora ESG-Sommerzeit

Seite 74 ansätze 4 + 5 / 2012