Ber. Naturf. Ges. Freiburg i. Br., 108: 77-209, Freiburg 2018 77
Oberflächennahe und tiefliegende Lagerstätten mineralischer Rohstoffe im Markgräflerland und im Dinkelberg-Gebiet
Wolfgang Werner
Kurzfassung Die Vorbergzone am Ostrand des südlichen Oberrheingrabens und am Hochrhein – Markgräfler Hügelland und Dinkelberg – ist ungewöhnlich reich an verschiedenartigen Vorkommen mineralischer Rohstoffe. Die aufgrund der tektonischen Entwicklung dieses Gebietes oberflächennah anstehende Schichtenfolge reicht vom Rotliegend bis in das Jungtertiär. In nahezu allen Formationen sind Lagerstätten zu finden, die seit Beginn der Besiedlung von wirtschaftlichem Interesse waren, noch sind und wohl künftig auch sein werden. Angereichert wird das bunte Spektrum an Rohstoffen sedimentärer Entstehung noch durch die hydrothermalen Mineralisationen an der Schwarzwald-Randverwerfung bei Badenweiler und Lipburg. Der vorliegende Beitrag gibt eine Übersicht über diese Vor- kommen sowie die aktuellen Kenntnisse über ihre Verbreitung, Zusammensetzung und frühere oder derzeitige Nutzung.
Anlass zur Bearbeitung waren einerseits aktuelle Untersuchungen des Landesamts für Geologie, Rohstoffe und Bergbau zu Lage und Ausdehnung wirtschaftlich interessanter Vorkommen von oberflächennahen Steine-Erden- und Industriemineral-Vorkommen im Zusammenhang mit der regionalen Rohstoffsicherung. Andererseits sind die Jahrtau- sende alte Nutzungsgeschichte und die dabei gewonnenen Erkenntnisse über die Lager- stätten und ihre Entstehung so aufschlussreich, dass sich eine lagerstättengeologische Betrachtung dieses Gebietes auch unter rein geowissenschaftlichen Aspekten lohnt.
Der Beitrag befasst sich zunächst mit oberflächennahen keramischen Rohstoffen quartä- ren bis permischen Alters, dann mit Trias- und Jura-zeitlichen Karbonatgesteinen für Bau und Industrie, Naturwerksteinen aus Buntsandstein und Tertiär und ferner mit den bislang wenig untersuchten Bohnerz- und Jaspis-Vorkommen im sog. Siderolithikum. Anschlie- ßend geht er auf die tiefliegenden Lagerstätten von Gipsstein sowie Kali- und Steinsalz und die Erzvorkommen ein; letztere gliedern sich in sedimentäre Eisenoolithe des Mit- teljuras und in tertiärzeitliche Blei- und Zinkerze in Quarz- und Schwerspat-Flussspat- Gängen an der Schwarzwald-Randverwerfung bei Badenweiler.
Eine Zusammenstellung interessanter Ausstellungen, Museen und Wanderwege mit Rohstoffbezug soll zu einer praktischen Vertiefung der Erkenntnisse im Rahmen von Ex- 78 Wolfgang Werner
kursionen ermuntern. Abschließend wird auf das Lagerstättenpotenzial der erläuterten Vorkommen mineralischer Rohstoffe aus heutiger Sicht eingegangen.
Stichwörter Oberrheingraben, Markgräflerland, Dinkelberg, Rohstoffe, Entstehung, Nutzung, Berg- baugeschichte, Geotourismus
Anschrift des Verfassers: Dipl.-Geol. Dr. Wolfgang Werner Leitender Regierungsdirektor i. R. Ehem. Referatsleiter Landesrohstoffgeologie am Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (LGRB, Regierungspräsidium Freiburg) Privatadresse: Im Rebstall 8, D-79285 Ebringen [email protected] Oberflächennahe und tiefliegende Lagerstätten mineralischer Rohstoffe 79
On the near-surface and deep-seated mineral deposits in the sedimentary sequence of the Markgräflerland and Dinkelberg (SW Germany)
Abstract The foothills at the eastern rim of the southern Upper Rhine Graben, i.e., the Markgräfler hill land and the Dinkelberg, are exceptionally rich in different types of often economically important mineral resources. The outcropping sedimentary sequence reaches from the Lower Permian to the Upper Tertiary, due to the tectonic evolution of this region. Nearly all stratigraphic units contain mineral deposits of sedimentary origin which have been of economic interest since the beginning of the settlement of the area several thousand ye- ars ago, and will most likely continue to be of economic interest. Ceramic raw materials (Quaternary – Permian), carbonate deposits (Jurassic and Middle Triassic), dimension stones (Lower Triassic and Tertiary), and occurrences of pisolitic iron ores and jasper (lo- wermost Tertiary) are found near surface. Sulfate (gypsum, anhydrite), potash und halite deposits occur in deep-seated deposits of Tertiary and Triassic age, oolithic iron ores are interbedded in Middle Jurassic strata.
Large mines were established especially in potash and iron-ore deposits, many smaller mines in gypsum-bearing beds of Middle and Upper Triassic age. Besides these sedi- mentary deposits, fault-controlled hydrothermal mineralizations occur along the eastern boundary fault of the Rhine-Graben rift at Badenweiler and Lipburg, where lead and silver mining has been carried out since Roman times to at least 100 m depth. Many of the mi- neral occurrences mentioned above are still of economic interest. It is most probable that particularly the limestone and sulfate deposits will be of importance in the future because of composition and size.
Research in the area described was initiated by request of the regional/spatial planning authorities in the regional associations of Südlicher Oberrhein (southern Upper Rhine val- ley) and Hochrhein-Bodensee (High-Rhine and Lake Constance). The Geological Survey of Baden-Wuerttemberg was commissioned to define areas with a high potential of raw- material deposits occurring near the surface in order to define localities for future mining activity. Furthermore, the long-lasting history of exploration and mining, and the many fin- dings obtained in this context justify a fundamental consideration under the scope of eco- nomic geology and geoscience. A brief description of relevant geotouristic destinations is added to this paper in order to support practical studies in this impressive landscape in the southwestern part of the state of Baden-Wuerttemberg. 80 Wolfgang Werner
Key words Baden-Wuerttemberg, Upper Rhine Graben, Markgräflerland, Dinkelberg, mineral re- sources, formation, economic use, economic potential, mining history, geotourism Oberflächennahe und tiefliegende Lagerstätten mineralischer Rohstoffe 81
Inhalt
1 Einleitung 83
2 Übersicht über die Rohstoffvorkommen und ihre Nutzung 84
3 Geologischer Bau 88 3.1 Geologisch-tektonische Entwicklung 88 3.2 Geologisch-tektonische Großeinheiten 92
4 Oberflächennahe Rohstofflagerstätten: Aufbau, Entstehung, Nutzung 98 4.1 Keramische Rohstoffe 98 4.2 Kalksteine für den Verkehrswegebau, für Weiß- und Branntkalk sowie die Zementherstellung 107 4.2.1 Übersicht 107 4.2.2 Hauptrogenstein (Mitteljura) 108 4.2.3 Nutzung der Kalksteine aus Mittel- und Oberjura 112 4.2.4 Oberer Muschelkalk des Dinkelbergs 117 4.2.5 Zementrohstoffe, frühere Erzeugung von Portlandzement 120 4.3 Naturwerksteine 123 4.3.1 Übersicht 123 4.3.2 Wiesentäler und Degerfelder Buntsandstein 125 4.3.3 Tertiärer Kalksandstein – Pfaffenweiler Sandstein 131 4.3.4 Tüllinger Süßwasserkalkstein 133 4.3.5 Nutzung 134 4.4 Markgräfler Bohnerz und Bohnerz-Jaspis 138 4.4.1 Übersicht 138 4.4.2 Erdgeschichtliche Einstufung 141 4.4.3 Bohnerz-Jaspis 144 4.4.4 Beschaffenheit und Zusammensetzung der Erze 148 4.4.5 Nutzung der Bohnerze 148
5 Tiefliegende Rohstofflagerstätten: Aufbau, Entstehung, Nutzung 151 5.1 Gips 151 5.1.1 Übersicht 151 5.1.2 Gipsvorkommen bei Sehringen (Gipskeuper) 152 5.1.3 Gipsvorkommen bei Maulburg und Wehr (Mittlerer Muschelkalk) 153 5.2 Kalisalz (Buggingen–Heitersheim) 157 5.3 Steinsalz (Rheinfelden–Riburg) 162 5.4 Oolithische Dogger-Eisenerze 164 5.4.1 Übersicht 164 5.4.2 Eisenerzlager am Schönberg bei Freiburg 167 5.4.3 Eisenerzlager am Steinberg bei Bollschweil 171 82 Wolfgang Werner
5.4.4 Eisenerzlager bei Lipburg 171 5.5 Erz- und Mineralgänge bei Badenweiler 172 5.5.1 Übersicht 172 5.5.2 Entstehung 177 5.5.3 Nutzung, Bergbaugeschichte 178
6 Mineralische Rohstoffe und Geotourismus 180 6.1 Schönberg-Gebiet 180 6.2 Pfaffenweiler – Dorfmuseum und historische Steinbrüche 181 6.3 Sulzburg – Landesbergbaumuseum 181 6.4 Buggingen – Kalimuseum mit Besucherstollen 183 6.5 Pulversheim (Elsass) – Carreau Rodolphe 183 6.6 Badenweiler – Thermalquelle, römisches Bad, Lehrpfad zu Geologie und Bergbau am Badenweiler Quarzriff, Kurparkmuseum 184 6.7 Müllheim – Markgräfler Museum 190 6.8 Auggen-Hach – Mineralienkabinett 190 6.9 Schopfheim-Gersbach – Wald- und Glaszentrum 191 6.10 Rheinfelden-Karsau (Ortsteil Riedmatt) – Geo-Museum Dinkelberg 192
7 Zusammenfassung und Ausblick 193
Schriftenverzeichnis 196 Oberflächennahe und tiefliegende Lagerstätten mineralischer Rohstoffe 83
1 Einleitung
Die Vorbergzone im südlichen Oberrheingraben und am Hochrhein ist aufgrund der besonderen geologisch-tektonischen Entwicklung, der vielen Zeugnisse einer langen Kulturgeschichte und ihrer landschaftlichen Schönheit ein abwechslungsreiches, stets lohnendes Exkursionsgebiet. In zahlreichen geschichtlich orientierten Museen – von „normalen“ Museen bis zu römischen Villen – und entlang von Wanderwegen bzw. Lehr- pfaden werden auch die heimischen Rohstoffe thematisiert. Doch welche ungewöhnliche Vielfalt an Bodenschätzen Markgräflerland und Dinkelberg zu bieten haben, erschließt sich aus den punktuellen Informationen und aufgrund der Aufschlussverhältnisse im in- tensiv land- und forstwirtschaftlich genutzten Gebiet kaum. Andererseits existiert eine sehr umfangreiche wissenschaftliche Spezialliteratur zu geowissenschaftlichen, archäo- logischen und bergbaugeschichtlichen Themen – so umfangreich und verstreut, dass sich „das ganze Bild“ auch für den Rohstofffachmann nur mit Mühe überblicken lässt.
Eine weitere Motivation für die nähere Beschäftigung mit den Lagerstätten dieses Ge- bietes waren die positiven Reaktionen von Exkursionsteilnehmern der Naturforschen- den Gesellschaft Freiburg, von Studierenden und vielen Freunden, die bei lagerstät- tenkundlich-landschaftsgeschichtlichen Vorträgen und Exkursionen im Gebiet südlich von Freiburg über die Vielfalt der Bodenschätze und ihre sehr unterschiedliche Entste- hungsgeschichte fasziniert waren und sind. Deshalb ist der folgenden Beschreibung der wichtigsten Lagerstättentypen im Markgräflerland und im Dinkelberg-Gebiet ein Ab- schnitt mit Kurzdarstellung gut erreichbarer geotouristischer Ziele mit Lagerstättenbezug angefügt (Kap. 6).
Die intensive Beschäftigung mit dem Gebiet zwischen Freiburg und dem Hochrhein hat neben den geowissenschaftlichen auch ganz praktische Gründe. Zu den Kernaufgaben des geologischen Landesdiensts seit seiner Gründung im Jahr 1888 im badischen bzw. 1903 im württembergischen Landesteil (siehe www-lgrb-bw.de/aufgaben…) gehört die Aufnahme von Daten über die Rohstoffvorkommen des Landes durch Kartierung, Erkun- dungsarbeiten, petrographisch-geochemische Analytik und durch Erhebung wirtschafts- geologischer Informationen. Diese Ergebnisse sind nachvollziehbar zu bewerten sowie in Archiven, Datenbanken, Fachpublikationen und Kartenwerken mit Erläuterungen und Gutachten zu dokumentieren. Neben der Beratung von Behörden und Instanzen der Raumplanung u. v. m. im Zusammenhang mit der Rohstoffsicherung ist es eine weitere Aufgabe, die Erkenntnisse über die Rohstoffvorkommen des Landes möglichst allgemein verständlich darzustellen und zu veröffentlichen.
Anlass für rohstoffgeologische Aufnahmen und Erkundungsarbeiten im hier dargestellten Gebiet seitens des LGRB waren vor allem die Beratungen für die regionale Raumpla- nung in den Regionen Südlicher Oberrhein und Hochrhein-Bodensee. Ein umfangreiches Bohrprogramm zur Erkundung der ausgedehnten Kiesvorkommen führte das damalige Geologische Landesamt schon in den Jahren 1993–1995 durch. Für das Gutachten „Roh- 84 Wolfgang Werner
stoffgeologische Beurteilung von Gebieten zur Sicherung oberflächennaher Rohstoffe in der Region Südlicher Oberrhein“ von 2010 wurden 2009 und 2010 wichtige Kalksteinvor- kommen im Markgräflerland durch LGRB-Bohrungen erkundet, weitere Kernbohrungen folgten 2014 in den Hauptrogenstein-Vorkommen, in der Küstenkonglomerat-Formation bei Britzingen und im Buntsandstein bei Steinen und Maulburg. Alle Bohrkerne wurden umfangreichen petrographischen, geochemischen und stratigraphischen Untersuchun- gen unterzogen.
Die rohstoffgeologischen Geländearbeiten zur Karte der mineralischen Rohstoffe 1 : 50.000 (KMR 50), Blätter Freiburg-Süd und Schopfheim, wurden von September 2013 bis Dezember 2015 durchgeführt. Im Vordergrund stand die Material- und Vorratsbe- wertung der Fest- und Lockergesteinsvorkommen unter Berücksichtigung aller technisch möglichen Hauptverwendungen in Bau, Industrie und Handwerk und andererseits die Ab- grenzung von Bereichen, welche sich aufgrund von Tektonik, Verwitterung, Verkarstung, Erosion oder/und ungünstigen Gesteinseigenschaften aus heutiger Sicht nicht für eine langfristige, wirtschaftliche Rohstoffgewinnung eignen. Mitte 2017 wurde die KMR 50 ver- öffentlicht (LGRB 2017).
Im Sommer 2017 schließlich konnte ein Forschungsbohrprogramm bei Schliengen auf die durch keinen Oberflächenaufschluss zugänglichen Bohnerzformation durchgeführt werden. Eine mineralogisch-geochemische Analytik der Sedimente und Eisenerze in der Schliengen- bzw. Bohnerz-Formation schloss sich an. Hinzu kam eine eingehendere Bestandausnahme der Buntsandsteinvorkommen im Gebiet des Wiesentals1 im Zusam- menhang mit der Baudenkmalpflege generell und der Provenienzforschung der Basler Münsterbauhütte im Speziellen. Gemäß der Zielsetzung, einen Überblick über die Vielfalt der Bodenschätze in Markgräflerland und Dinkelberg zu geben, wird auch über die bishe- rigen Ergebnisse dieser Arbeiten kurz berichtet.
2 Übersicht über die Rohstoffvorkommen und ihre Nutzung
Aufgrund der geologischen Entwicklungsgeschichte ist Baden-Württemberg reich an viel- fältigen mineralischen Rohstoffen besonders aus den großen Gruppen der Steine und Erden sowie der Industrieminerale; auch zahlreiche Erzvorkommen treten auf (Werner 2012, 2015, Werner et al. 2013 a). Jedoch enthält kein Gebiet in Baden-Württemberg in solcher Dichte eine derart große Vielfalt an verschiedenartigen, wirtschaftlich und kul- turgeschichtlich bedeutenden mineralischen Rohstoffen wie die Vorbergzone zwischen Freiburg und Rheinfelden mit Markgräfler Hügelland und Dinkelberg. Das sedimentä-
1 Obwohl es sich um das Tal des Flusses Wiese handelt, wird es schon spätestens seit Beginn des 20. Jh. in der Literatur überwiegend als Wiesental bezeichnet. Dieser Begriff wird sowohl in der geolo- gischen Übersichtsliteratur für Baden-Württemberg (z. B. Geyer et al. 2011), als auch in einschlägigen Internet-Nachschlagewerken (z. B. Wikipedia) verwendet. Oberflächennahe und tiefliegende Lagerstätten mineralischer Rohstoffe 85
re Deckgebirge des genannten Gebiets wird im Osten bzw. Nordosten begrenzt durch eine ebenfalls rohstoffreiche Region, den Südschwarzwald, die Badenweiler–Lenzkirch- Zone und den südlichen Zentralschwarzwald (im Sinne der geologisch-tektonischen Gliederung; in der geographischen Gliederung beginnt der Südschwarzwald südlich des Dreisamtals).
Die Rohstoffe dieses Gebietes lassen sich in die großen Gruppen Massenrohstoffe für den Bau, Werksteine, Industrieminerale und Metallerze gliedern; weil aber im Folgenden auch auf die Nutzungsgeschichte eingegangen wird, ist es übersichtlicher, nach oberflächen- nahen und tiefliegenden Lagerstätten zu unterscheiden.Die wichtigsten Rohstoffgruppen im Gebiet von Markgräfler Hügelland und Dinkelberg sowie in deren unmittelbaren Nach- barschaft sind (kursiv: Auftreten im benachbarten Schwarzwälder Grundgebirge):