Schriftenreihe des Amtes für Umweltschutz - Heft 2/2004

Landeshauptstadt Amt für Umweltschutz

Gewässerbericht 2003

Gewässerbericht 2003

Schriftenreihe des Amtes für Umweltschutz - Heft 2/2004

Vorwort

Bäche, Flüsse und ihre Auen gehören zu den artenreichsten Lebensräumen. Der Mensch hat in diese Lebensräume vielfach eingegriffen. Er hat Gewässer für seine Zwecke ausgebaut und verdolt oder gar als Abwasserkanäle genutzt. Ein Umdenken hat längst stattgefunden. Die Bemühungen zur Wiederherstellung natürlicher Gewässer dauern bis heute an.

Hohe Investitionen in die Reinigung von gewerblichem und kommunalem Abwasser haben unbe- streitbar große Erfolge bei der Verminderung der Gewässerbelastungen erbracht. Auf diesen Erfolgen dürfen wir uns aber nicht ausruhen. Selbst bei dem erreichten hohen Ausbau- und Leistungsstand der Stuttgarter Kläranlagen, der städtischen Regenwasserbehandlungsanlagen und der gewerblichen Vorbehandlungsanlagen wird deutlich, dass es mit der Reduzierung der Abwasserbelastung allein nicht getan ist. Das Ziel eines guten ökologischen Gewässerzustands erfordert weitergehende Anstrengungen.

Der Gewässerausbau vergangener Jahrzehnte hat gravierende Veränderungen in den Stuttgarter Bächen hinterlassen. Obwohl seit 1978 zahlreiche Renaturierungsmaßnahmen durchgeführt worden sind, müssen immer noch mehr als ein Drittel der Bachabschnitte in Stuttgart als naturfern eingestuft werden. Viele Veränderungen sind heute kaum mehr zu korrigieren.

Von der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie gehen europaweit neue Impulse für einen stärker öko- logisch ausgerichteten, ganzheitlichen Gewässerschutz aus. Die Richtlinie wird auch Auswirkungen auf die Unterhaltungsmaßnahmen an den Stuttgarter Bächen haben. Landesweit wurde mit einer Bestandsaufnahme der Gewässer begonnen. Dies war auch Anlass für das Amt für Umweltschutz, vorhandene Informationen zum Zustand der Stuttgarter Gewässer in einem Bericht zusammen zu fassen. Der vorliegende Gewässerbericht will aber mehr als eine bloße Bestandaufnahme sein. Er versteht sich auch als Werbung für einen ökologisch orientierten Gewässerschutz in der Landeshauptstadt.

Der Bericht will bereits Erreichtes und Ziele, aber auch Defizite aufzeigen und soll Ansporn sein, den eingeschlagenen Weg im Stuttgarter Gewässerschutz weiter zu gehen und in den Anstrengungen nicht nachzulassen. Der Erfolg wird nicht nur zahlreichen Gewässern, Tier- und Pflanzenarten, sondern auch direkt der Stuttgarter Bevölkerung zugute kommen.

Jürgen Beck von Zimmermann Bürgermeister Stadtdirektor Inhaltsverzeichnis

Seite 1. Einleitung 5

2. Zielvorgaben und Organisation 2.1 Die Europäische Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) und ihre Anforderung „Guter Gewässerzustand“ 6 2.2 Gewässerunterhaltung 7 2.3 Gewässeraufsicht 8

3. Die Stuttgarter Gewässer und die Einflussgrößen für ihren guten Zustand 3.1 Biologische Gewässergütebestimmung der Fließgewässer 9 3.2 Gewässergütebestimmung bei Seen 10 3.3 Die Gewässergüte der Stuttgarter Fließgewässer 11 3.4 Die Gewässergüte der Stuttgarter Seen 13 3.4.1 Bärensee, Neuer See und Pfaffensee 13 3.4.2 Max-Eyth-See 13 3.5 Abwasserbelastungen 13 3.6 Gewässerrandstreifen 15 3.7 Ufergehölze 18 3.8 Biologische Durchgängigkeit 21 3.9 Die Ausbauzustände der Stuttgarter Bäche 22 3.9.1 Die Gewässerstrukturgüte – Ein Bewertungsinstrument 23 3.9.2 Der Gewässerausbaugrad der Stuttgarter Fließgewässer 23 3.10 Hochwasserschutz - Überschwemmungsgebiete in Stuttgart 25

4. Eine Beschreibung der größten Stuttgarter Gewässer 4.1 Von der Wasserrahmenrichtlinie erfasste Stuttgarter Gewässer 27 4.2 Die Fließgewässer 4.2.1 Der 28 4.2.2 Die Körsch 29 4.2.3 Der Ramsbach 30 4.2.4 Der Dürrbach 32 4.2.5 Der Feuerbach 34 4.2.6 Der Mussenbach (Holzbach) 38 4.2.7 Die Glems 41 4.2.8 Der Lindenbach 43 4.3 Die Seen 4.3.1 Der Max-Eyth-See 45 4.3.2 Die Parkseen Bärensee, Neuer See, Pfaffensee 46

5. Bildnachweise 48

6. Literatur 49 1. Einleitung 1

Bäche, Flüsse und Seen zählen sowohl landschafts- Mitte der siebziger Jahre im Bereich Stuttgarts am ästhetisch als auch ökologisch zu den wertvollsten Ende der Beurteilungsskala in Gewässergüteklasse IV Bereichen unserer Stadtlandschaft. Sie stellen wichti- - übermäßig verschmutzt. Eine geringere Abwasser- ge Erholungsbereiche dar. Rund 170 km Fluss- und belastung der Gewässer stellte folgerichtig landes- Bachläufe und über 63 Hektar Seenfläche liegen auf weit das vorrangige Ziel im Gewässerschutz dar. Stuttgarter Gemarkung. Neckar, Max-Eyth-See und Kontinuierliche technische Verbesserung und die Parkseen Neuer See, Bärensee und Pfaffensee Ausbau der Stuttgarter Klärwerke Mühlhausen, sind sicherlich die bekanntesten Gewässer. , Möhringen und Plieningen sowie der Darüber hinaus durchzieht Stuttgart ein wahres Regenwasserbehandlungsanlagen der Mischwasser- Aderwerk an kleinen Bächen und es beherbergt kanalisation führten zu deutlich sicht- und messbaren eine Vielzahl kleinerer Seen und Erfolgen für die Stuttgarter Gewässer. Wasserflächen. Nicht alle Bäche Überlebten Ende der siebziger Jahre führen dauerhaft Wasser. nur noch 23 Fischarten im Neckar, so Manche fallen zeitweise trocken, hat die Anzahl der Fischarten bis andere führen nur bei Regenwetter heute wieder auf 41 zugenommen. Wasser. Aber auch diese Gewässer sind ein wichtiger Teil des Wasser- Viele über die Abwasserbelastungen haushalts und brauchen daher in hinausgehenden Beeinträchtigungen gleichem Umfang Schutz und Pflege. der Gewässer wurden durch das Abwasserproblem zunächst überla- Menschliche Einflüsse und Ansprüche gert. Mit Verbesserung der wie Abwassereinleitungen, expansive Reinigungsleistung kommunaler und Siedlungsentwicklung in den Auen industrieller Anlagen treten nun und die Intensivierung der Landwirt- zusätzliche Aufgabenstellungen in schaft führten in der Vergangenheit oft zu einer den Vordergrund, um einen guten Zustand der starken Belastung der Gewässer, einer monotonen Gewässer zu erreichen. Ihre Funktionen als Gewässerlandschaft oder gar zur Nutzung der Bäche Lebensraum, als ökologische Nischen für Pflanzen als Abwasserkanal (z.B. Nesenbach). Durch massiven und Tiere und als Erholungsraum für den Menschen technischen Ausbau wurden zahlreiche Fließ- fordern ein ganzheitliches Denken bei Schutz und gewässer zu bloßen Abflusskanälen oder wurden Pflege unserer Bäche, Flüsse und Seen. verdolt, um Bauland zu gewinnen. Mit dem indu- striellen Aufschwung der Nachkriegsjahre waren Zahlreiche Renaturierungsmaßnahmen in Stuttgart Abwasserbelastungen der Gewässer verbunden, die zeugen bereits von diesem neuen Bewusstsein im Anfang der siebziger Jahre einen Höhepunkt erreich- Gewässerschutz. ten. Schaumbildung und Fischsterben waren die sichtbaren Zeichen und Begleiterscheinungen der Mit Inkrafttreten der europäischen Wasserrahmen- über ihre Selbstreinigungskraft belasteten Bäche richtlinie ist nun auch ein rechtliches Instrument und Flüsse. Der Neckar hatte überdurchschnittlich geschaffen worden, das eine ganzheitliche Betrach- große Abwassermengen bei vergleichsweise gerin- tung von Natur- und Gewässerschutz, Ökonomie gen Abflussmengen zu verkraften und rangierte und sozialen Aspekten einfordert.

5 2. Zielvorgaben und Organisation

2.1 Die Europäische Wasserrahmenrichtlinie und ihre Anforderung „Guter Gewässerzustand“

Die im Dezember 2000 in Kraft getretene euro- Der „gute Zustand“ wird erreicht durch einen min- päische Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) geht sowohl destens guten ökologischen Zustand und einen in den Zielen als auch in den fachlichen Ansätzen mindestens guten chemischen Zustand (siehe Abb.1). neue Wege im Gewässerschutz. Neu ist sowohl die Ist eines der Kriterien nicht eingehalten, sind Maß- konsequente gesamtschauliche Betrachtung aller nahmen zu ergreifen, den guten Zustand wieder Gewässereinflüsse als auch genauere, fachlich herzustellen. spezifischere Ansätze bei der Beurteilung der Gewässerqualität.

Guter Zustand Oberflächengewässer

Mindestens guter Mindestens guter ökologischer Zustand chemischer Zustand

Sehr Gut Gut Gut Nicht Gut Mäßig Unbefriedigend Schlecht

Handlungsbedarf Abbildung 1

Neue Ansätze der WRRL bestehen vor allem darin, dass

in die Oberflächengewässer die Unterschiede Begrenzung von Einzelstoffen. Die jeweils der verschiedenen Gewässertypen (20 Fließ- anspruchsvollere Anforderung wird im gewässertypen, 10 Seentypen) einfließen konkreten Einzelfall maßgebend sein, und sich die Referenzbedingungen für den konsequent flächenhaft, einzugsgebietsbe- gleichen Gütezustand unterscheiden, zogene Ansätze bei den Zielsetzungen ver breitere ökologische Bewertungsansätze für folgt werden. Sämtliche Belastungsfaktoren den Gewässerzustand herangezogen werden. der Gewässer wie z.B. punktuelle oder So werden statt bisher einer nun vier diffuse Stoffeinträge, Wasserentnahmen, Organismengruppen (Fische, Gewässertiere, Abflussregulierungen, morphologische Wasserpflanzen und Algen) in die Zustands- Veränderungen werden nicht mehr punktbe- bewertung einfließen, zogen und isoliert, sondern über das jeweilige sowohl Emissionsbegrenzungen als auch Gewässer-Einzugsgebiet betrachtet, einzelstoffbezogene Immissionsgrenzwerte als verbindliches Planungsinstrument für die bei der Betrachtung von Schadstoffen jeweiligen Einzugsgebiete ein Bewirtschaf- kombiniert in Ansatz zu bringen sind. tungsplan mit Maßnahmenprogrammen Dies bedeutet Emissionsbegrenzungen für erstellt wird und vorgegebene Fristen für das Abwasseranlagen über die Definition der Erreichen der Maßnahmenziele definiert „best verfügbaren Technik“ und gleichzeitig werden. die gewässerbezogene immissionsseitige

6 Um die Zielsetzungen der WRRL zu erreichen, werden Übersicht über wichtige Aufgabenstellungen, deren in den nächsten Jahren bei der Bewirtschaftung der Umsetzung für das Erreichen und die Erhaltung Stuttgarter Fließgewässer noch eine Vielzahl von eines guten ökologischen und eines guten chemi- Aufgaben umzusetzen sein. Abbildung 2 gibt eine schen Zustands notwendig sind.

Aufgabenstellungen für einen guten Gewässer-Zustand

Begrenzungen von Begrenzung von Beseitigung von 2 Wasser-Entnahmen Abwasserbelastungen Wanderhindernissen für Gewässerlebewesen

Erhalt eines Mindestabflusses Schaffung von Entwicklungsräumen für Gewässer und Aue Erhalt/Schaffung und Pflege einer standortge- rechten Ufer-Vegetation Ausweisung und Schutz von Überschwemmungs- gebieten Begrenzung hydrauli- scher Belastungen

Naturnahe Bewahrung natürlicher Förderung der Wiederherstellung tech- Fließstrecken Gewässerdynamik nisch verbauter Bäche

Abbildung 2

2.2 Gewässerunterhaltung

Die Bäche Stuttgarts sind wasserrechtlich als soweit dies für eine naturnahe Entwicklung und Gewässer II. Ordnung eingestuft. Sie müssen von einen ökologisch verträglichen Hochwasserschutz der Landeshauptstadt unterhalten werden. notwendig ist, die von ihm zu unterhaltenden Der Neckar ist im Bereich Stuttgarts Bundeswasser- Gewässer und ihre Ufer auszubauen (Ausbaulast). straße. Die Unterhaltung erfolgt durch die Bundes- Abbildung 3 liefert eine Übersicht über die Auf- schifffahrtsverwaltung. gabenverteilung in der Landeshauptstadt.

Die Gewässerunterhaltung der Bäche umfasst die Reinigung und Unterhaltung des Gewässerbetts, die Sicherung der Ufer, die Beseitigung von Abfluss- hindernissen sowie die naturnahe Gestaltung und Bewirtschaftung des Betts und der Ufer. Der Träger der Unterhaltungslast hat zudem die Aufgabe,

7 Aufgabenverteilung in der Gewässerunterhaltung

Gewässerunterhaltung

Zulassungspflichtige Vorhaben

Amt für Umweltschutz, Amt für Umweltschutz, Garten- und Naturschutzbehörde, Tiefbauamt Untere Wasserbehörde Friedhofsamt Stadtplanungsamt, Grünordnungsplanung

Vertragliche Vereinbarungen

Unterhaltung und Unterhaltung und Natur- und Gewässeraufsicht Pflege Gewässerbett, Pflege der Ufer- Biotopschutz Ausbaulast Vegetation

beratend

Reinigung und Unter- Erteilung wasserrecht- haltung des Gewässer- Gehölzpflege der Ufer, licher Zulassungen betts, Ufersicherung, Aufbau und Beseitigung von Entwicklung standort- Abflussstörungen, gerechter Renaturierungs- und Uferbepflanzungen Ausbaumaßnahmen

Abbildung 3

Das Tiefbauamt ist für die Unterhaltung der Ge- Die Wasserbehörde des Amts für Umweltschutz wässer einschließlich der Uferböschungen sowie für erteilt notwendige wasserrechtliche Entscheidungen Renaturierungs- und Ausbaumaßnahmen verant- bei Ausbaumaßnahmen. Die Belange des Natur- und wortlich. Eine vertragliche Vereinbarung zwischen Biotopschutzes werden in regelmäßigen Gesprächen Tiefbauamt und Garten- und Friedhofsamt regelt die zwischen den betroffenen Ämtern abgestimmt. Übernahme von Arbeiten der Ufer- und Gehölz- pflege durch das Garten- und Friedhofsamt.

2.3 Gewässeraufsicht

Aufgaben der Gewässeraufsicht werden in der die erforderlichen Genehmigungen und Erlaubnisse. Landeshauptstadt von der Unteren Wasserbehörde Im Rahmen der Gefahrenabwehr überprüft sie, ob des Amts für Umweltschutz erledigt. Die Wasser- den Anforderungen an den Hochwasserschutz an behörde hat darauf zu achten, dass alle wasser- und Gewässern und ihren Überschwemmungsgebieten sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften bei der nachgekommen wird, unterstützt Polizei und Benutzung der Gewässer eingehalten werden und Feuerwehr bei Unfällen mit wassergefährdenden auferlegte Verpflichtungen erfüllt werden. Stoffen und bei der Ermittlung von Gewässerver- Hierzu überwacht sie Anlagen, Einleitungen und schmutzern. Als „Träger öffentlicher Belange“ berät Wasserentnahmen, führt Messungen und Probe- und vertritt sie Belange des Gewässerschutzes in nahmen an Gewässern und Abwasseranlagen Fragen der städtischen Bauleitplanung und privaten durch, regelt das Bauen am Gewässer, berät und öffentlichen Beteiligungsverfahren. Antragsteller über technische und wasserrechtliche Anforderungen in Zulassungsverfahren und erteilt

8 3. Die Stuttgarter Gewässer und die Einflussgrößen für ihren guten Zustand

3.1 Biologische Gewässergütebestimmung der Fließgewässer

Für die Beschreibung der Gewässerqualität gibt es Es gibt Tierarten, die nur in klaren, sauerstoffreichen verschiedene Ansätze. Beurteilungen sind anhand Gewässern leben, Organismen die in verschmutzten der biologischen Gewässergüte, der chemischen Gewässern vorkommen und solche, die vorzugs- Gewässergüte und der Gewässerstrukturgüte mög- weise in mäßig belasteten Gewässern zurechtkom- lich. Aufgrund der starken Abwasserbelastungen men. Reinwasserarten erhalten einen Wert ab 1, der Bäche und Flüsse in der Vergangenheit hat die Schmutzwasserarten einen Wert bis 4 zugeordnet. biologische Bestimmung nach dem sogenannten Anhand der gefundenen Arten und ihrer gewichte- Saprobien-System breite Anwendung gefunden. ten Zusammensetzung wird der Saprobienindex Diese genormte Methode bietet eine von kurzfristi- bestimmt und einer Gewässergüteklasse zugeord- gen Einflüssen unabhängige Gütebestimmung. net. Eine Auswahl von Saprobien passend zu den in Sie ist vor allem geeignet, organische Belastungen Stuttgart vorkommenden Gewässergüteklassen zeigt und unter Sauerstoffzehrung biologisch abbaubare Abbildung 4. Substanzen zu erfassen. Dabei werden Kleintierarten des jeweiligen Fließgewässers gefangen und bestimmt.

Beispiele für Zeigerorganismen bestimmter Gewässergüten 3

In Stuttgart zugeordnete Gewässergüteklassen

Güteklasse I - II Güteklasse II Güteklasse II-III Güteklasse III gering belastet mäßig belastet kritisch belastet stark verschmutzt

Eintagsfliegenlarve Köcherfliegenlarve Quellblasenschnecke Hundeegel Epeorus Sylvicola Limnephilidae Physa fontinalis Erpobdella octoculata

Klauenkäfer Bachflohkrebs Wasserassel Zuckmückenlarve Beispiele für vorkommende Saprobienarten Elmidae Gammarus fossarum Asellus aquaticus Chironomus thummi

Abbildung 4

Das bundesweit verwendete Gewässergütesystem Güteklasse I, Unbelastet bis gering belastet, der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) weist Kartierungsfarbe blau. 7 Güteklassen von Güteklasse I, „unbelastet bis sehr Das Wasser ist klar und nährstoffarm, der Unter- gering belastet“ bis hin zu Gewässergüteklasse IV, grund meist steinig, kiesig oder sandig. In ihm fin- „übermäßig verschmutzt“ auf. det man viele Arten von Strudelwürmern, Eintags-

9 und Steinfliegenlarven. Die Temperatur liegt meist Güteklasse III, stark verschmutzt, unter 10°C und es gibt kaum Wasserpflanzen. Kartierungsfarbe gelb. Zu dieser Güteklasse gehören im allgemeinen Quell- Geringer aber stets vorhandener Sauerstoffgehalt, gebiete und nur sehr gering belastete Oberläufe von der zeitweise auf Werte um 2 mg/l absinken kann. sommerkalten Fließgewässern. In Stuttgart gibt es Auf der Sole Faulschlammbildung. Wenig Fische und kein Gewässer mit dieser Güteklasse. geringe Fischereierträge, mit periodischen Fischsterben muss gerechnet werden. Viele Egel, Abwasser- Güteklasse I-II, gering belastet, bakterien, Zuckmückenlarven. Keine Eintagsfliegen- Kartierungsfarbe hellblau. larven und Köcherfliegenlarven. Gering belastete Fließgewässer, meist Oberläufe. Das Wasser ist klar, der Nährstoffgehalt gering. Güteklasse III-IV, sehr stark verschmutzt, Hohe Sauerstoffsättigung und Vorkommen vieler Kartierungsfarbe orange. Insektenlarven, Kleinkrebse, Wasserschnecken und Ablagerung von schwarzem Faulschlamm, auf dem Fische aber nur relativ wenige Wasserpflanzen. Grund kein Sauerstoff, massenhafte Entwicklung von Abwasserbakterien und Schlammröhren- Güteklasse II, mäßig belastet, würmern. Fische kommen nur noch sporadisch vor. Kartierungsfarbe grün. In Stuttgart gibt es kein Gewässer mit dieser Mäßig belastete Gewässer, zu Zeiten stärkerer Güteklasse. Algenentwicklung ist eine deutliche Trübung vor- handen. Ertragreiche Fischgewässer und Vorkommen Güteklasse IV, übermäßig verschmutzt, relativ vieler Wasserpflanzenarten. Der Sauerstoff- Kartierungsfarbe rot. gehalt zeigt infolge von Abwasserbelastungen und Sauerstoff nur noch an der Oberfläche, Bildung von Algenentwicklung stärkere Schwankungen (Defizite stinkendem Faulschlamm und von Schwefelwasser- und Übersättigung) liegt jedoch durchweg über stoff. Keine Fische sowie Eintags- und Köcher- 6 mg/l, so dass keine Fischsterben auftreten. fliegenlarven. Vorkommen von Schlammröhren- Die Güteklasse II ist eine landesweite Zielvorgabe würmern, Zuckmücken, Rattenschwanzlarven und bei der Abwassersanierung von Gewässern. Abwasserbakterien in Massen. In Stuttgart gibt es kein Gewässer mit dieser Güteklasse. Güteklasse II-III, kritisch belastet, Kartierungsfarbe hellgrün. Durch stärkere Belastung mit organischen Stoffen ist das Wasser leicht getrübt, örtlich kann Faulschlamm auftreten. Sauerstoffgehalt sinkt häufig auf die Hälfte des Sättigungswertes ab, kann aber auch eine starke Übersättigung erreichen. Fischsterben sind möglich. Vorkommen weniger Arten von Eintagsfliegen- und Köcherfliegenlarven, keine Steinfliegenlarven.

3.2 Gewässergütebestimmung bei Seen

Die Gewässergüte kann nicht mit den Bioindika- geschlossen werden. Zur Festlegung des Trophie- toren für Fließgewässer bestimmt werden, da es in grades werden das Ausmaß der Produktion (Plankton- Seen zur Ausbildung unterschiedlicher Wasser- entwicklung), die Sauerstoffverteilung, die Sichttiefe schichten kommen kann. Die einzelnen Schichten und der Gewässergrund untersucht. Es erfolgt eine unterscheiden sich hinsichtlich chemischer (z.B. Einteilung in 4 Trophiestufen. Sauerstoff) und physikalischer (z.B. Temperatur) Faktoren. Je nach Probenahmestelle hätte man im Trophiestufe I, Oligotroph-Nährstoffarm. selben Gewässer zur selben Zeit unterschiedliche Durch die geringe Planktonproduktion weisen diese Ergebnisse. Stehende Gewässer werden deshalb ganzjährig klaren Gewässer Sichttiefen von über 4 nicht nach der Intensität der Abbauprozesse Metern auf. Die Ufer sind überwiegend kiesig und (Saprobie) sondern nach der Intensität der Produk- weisen keinen oder nur spärlichen Pflanzenbewuchs tion (Trophie) beurteilt. Da diese von der Konzentra- auf. Die Sauerstoffsättigung am Ende der tion der Nährstoffe abhängt, kann von der Sommerstagnationsphase liegt bei über 70 %. Produktion auf die Belastung des Gewässers

10 Trophiestufe II, Mesotroph-Mäßiges Trophiestufe IV, Polytroph-Übermäßiges Nährstoffangebot. Nährstoffangebot. Die geringe Planktonproduktion gewährt noch Ein übermäßiges Nährstoffangebot lässt nur noch Sichttiefen von über 2 Metern. Die Ufer sind mit Sichttiefen von weniger als 1 Meter zu. Während Schilf und Wasserpflanzen bewachsen und weisen der Sommerzeit finden sich in der oberen Wasser- eine hohe Artenvielfalt an Wasserinsekten, schicht oft Sauerstoffübersättigungen durch Photo- Schnecken, Muscheln und Kleinkrebsen auf. synthesevorgänge. Der mit schwarzem Faulschlamm Die Sauerstoffsättigung am Ende der Sommers- bedeckte Gewässergrund ist dagegen sauerstofffrei. tagnationsphase liegt bei 30 bis 70 %. In diesen Gewässern treten Fischsterben meist in der Nacht sowie den frühen Morgenstunden auf. Trophiestufe III, Eutroph-Nährstoffreich. Die Sauerstoffsättigung am Ende der Sommerstag- Durch eine starke Planktonproduktion ist die Sicht- nationsphase liegt bei 0 %. tiefe meist auf weniger als 2 Meter beschränkt. Die Ufer sind von Schlamm und Wasserpflanzen geprägt. Eine massenhafte Ansammlung von Schlammrohrwürmern und Zuckmückenlarven im schlammigen Grund zeigen die Belastung des Gewässers an. Die Sauerstoffsättigung am Ende der Sommerstagnationsphase liegt bei 0 - 30%.

3.3 Die Gewässergüte der Stuttgarter Fließgewässer 3

Ein Gesamtüberblick über die Fließgewässergüte Gütekartierung aufgenommen. Erfreulich ist, dass wurde erstmals 1997 im Rahmen des kommunalen bei neu untersuchten Abschnitten durchweg Ver- Umweltberichts des Amts für Umweltschutz veröf- besserungen der Gütesituation zu verzeichnen sind. fentlicht. Die Güteeinstufungen basierten auf Die von der Landesanstalt für Umweltschutz 2002 Untersuchungen durch das damalige Amt für veröffentlichten Daten weisen für den Neckar zwi- Wasserwirtschaft und Bodenschutz Besigheim aus schen den Schleusen Ober- und Untertürkheim, die den Jahren 1989 bis 1994. Körsch und den Mussenbach Verbesserungen von einer Gütestufe gegenüber der Kartierung von 1994 Gewässergütebestimmungen können nicht für alle auf, bei der Glems konnte sogar eine Verbesserung Fließgewässerabschnitte vorgenommen werden. um zwei Gütestufen festgestellt werden. So ist über die Saprobienbestimmung keine Güte- Die Gewässer haben offensichtlich von den An- zuordnungen in verdolten oder technisch verbauten strengungen und Investitionen in der Abwasser- Abschnitten möglich. Auch in nur zeitweise wasser- reinigung profitiert. Mit einer Verbesserung der führenden Abschnitten ist eine Bestimmung nicht Wasserqualität des Feuerbachs im Verlauf zwischen immer möglich. Hilfsweise kann in solchen Fällen Zuffenhausen bis zur Mündung in den Neckar ist über die Bestimmung von chemischen Untersuchungs- erst nach Fertigstellung weiterer Regenüberlauf- parametern wie z.B. Ammonium-Stickstoff, Bio- becken im Einzugsgebiet des Feuerbachs zu rechnen. chemischer Sauerstoffbedarf und Sauerstoff- konzentration eine Aussage über die Wasserqualität Eine Übersicht über die Gewässergüte der getroffen werden. Die Gewässergütekartierung von Stuttgarter Fließgewässer liefern die Abbildungen 1994 wies im Stuttgarter Stadtgebiet Gewässer- 5 und 5b. güten zwischen gering belastet (Güteklasse I bis II) und sehr stark verschmutzt (Güteklasse III-IV) auf. Heute liegen die Einstufungen zwischen Güteklasse I bis II und Güteklasse III. Die Güteklasse III-IV, sehr stark verschmutzt musste also nicht mehr zugeord- net werden.

Eine flächendeckende Untersuchung der Stuttgarter Bäche hat zwischenzeitlich nicht mehr stattgefun- den. Lagen neue Ergebnisse aus Untersuchungen einzelner Gewässer vor, so wurden diese in die

11 Gewässergüte der Fließgewässer in der Landeshauptstadt Stuttgart - Untersuchte Gewässerabschnitte -

6% 15% I - II, gering belastet

II, mäßig belastet 39%

II - III, kritisch belastet

40% III, stark verschmutzt

Abbildung 5

Abbildung 5b: Gewässergütekartierung der Stuttgarter Fließgewässer

12 3.4 Die Gewässergüte der Stuttgarter Seen

Zu den Stuttgarter Seen gibt es nur wenige Infor- Bärensee, Neuer See und Pfaffensee sowie für den mationen zur Gewässergüte. Daten und Unter- Max-Eyth-See vor. suchungsergebnisse liegen zu den Parkseen

3.4.1 Bärensee, Neuer See und Pfaffensee

Die vorderen Wildparkseen werden aufgrund neue- eine Einstufung in den oberen mesotrophen Bereich rer Untersuchungen als mäßig eutroph (Trophiestufe (Trophiestufe II) zugelassen. III) eingestuft. Daten aus dem Jahr 1955 haben noch

3.4.2 Max-Eyth-See

Der Max-Eyth-See muss aufgrund seiner Nährstoff- Die Belastungen werden überwiegend durch den belastungen in die Trophiestufe IV, polytroph einge- Zufluss von Neckarwasser in den See verursacht. stuft werden.

3 3.5 Abwasserbelastungen

Intakte Gewässer können in gewissem Umfang dennoch können bei Regenwetter industrielle Ab- Abwasserbelastungen verkraften, ohne einen wässer über Entlastungen der Kanalisation verdünnt Schaden davonzutragen. Dies gilt besonders für in die Gewässer gelangen. Aus diesem Grund beste- häusliches Abwasser, das durch Bakterien in der hen wasserrechtlich Anforderungen an industrielle Regel gut abgebaut wird. Die als biologische Abwasserbehandlungsanlagen bei Einleitung ins Selbstreinigungskraft der Gewässer bezeichneten öffentliche Kanalnetz in gleichem Umfang wie bei Abbauvorgänge sind allerdings begrenzt. Direkteinleitung in ein Gewässer. Der limitierende Faktor für die Intensität des Abbaus ist der dazu benötigte Sauerstoff. Fließgewässer mit Auch die Wärmebelastung durch Kühlwasserein- turbulenten Abflussverhältnissen, also mit hohem leitungen darf als Belastungsfaktor nicht außer Acht Sauerstoffeintrag an der Oberfläche haben ein gelassen werden. Die damit verbundene Erwärmung größeres Selbstreinigungsvermögen als träge des Wassers führt zu einer Beschleunigung von fließende. Werden übermäßig viel organisch abbau- Abbauvorgängen mit entsprechendem Sauerstoff- bare Abwasserinhaltsstoffe in ein Gewässer eingelei- bedarf. tet, so vermehren sich die Bakterien stark und der Sauerstoffverbrauch zum Abbau der organischen Da zudem der Sauerstoffgehalt im Wasser mit Verschmutzung wird größer als die Sauerstoffauf- zunehmender Temperatur sinkt, muss die Wärme- nahme des Gewässers aus der Luft. Dies führt letzt- belastung von Gewässern generell begrenzt werden, lich zum Ersticken der auf Sauerstoff angewiesenen um Sauerstoffmangel zu vermeiden. Darüber hinaus Organismen und das Gewässer „kippt um“. sind zahlreiche Gewässerlebewesen unterschiedlich An Stelle der aeroben Abbauvorgänge treten nun temperaturempfindlich. Mit der kontinuierlichen übelriechende Fäulnisvorgänge. Temperaturverschiebung eines Gewässers können Auswirkungen auf die Artenzahl und Artenzusammen- Neben häuslichen Abwässer können aber auch setzung verbunden sein. schwer abbaubare und toxische Abwasserinhalt- stoffe aus industriellen Prozessen in die Gewässer Wärmebelastungen durch Kühlwassereinleitungen gelangen. Bei übermäßigen Konzentrationen führen spielen in Stuttgart nur für den Neckar eine Rolle. diese Stoffe zu Abbauhemmungen und toxischen Pro Jahr werden aus dem Fluss zu Kühlzwecken Wirkungen bis hin zum Absterben der Wasserlebe- allein in Stuttgart rund 22 Millionen Kubikmeter wesen. Direkteinleitungen gewerblichen Abwassers Wasser entnommen. in Stuttgarter Gewässer finden praktisch nicht statt,

13 Abbildung 6: Bildung eines Abwasserpilzes im gesamten Gewässerbett durch Fehlanschluss einer Abwasserleitung

Die Abwasserbelastung der Gewässer hat seit Mitte Anstrengungen hingenommen werden müssen. der siebziger Jahre durch den Ausbau der kommu- Zahlreiche kleine Fließgewässer in Stuttgart mit ihrer nalen Kläranlagen, der Regenwasserbehandlungs- meist geringen Wasserführung werden durch zeit- anlagen der öffentlichen Kanalnetze und der weise stattfindende Entlastungen der Mischwasser- Vorbehandlung von industriellen Abwässern stetig kanalisation, vor allem hydraulisch aber auch stoff- abgenommen. Belastungen werden für die lich weiter Belastungen ausgesetzt sein. Gewässer aber auch in Zukunft bei allen

Abbildung 7: Gewässerverschmutzung durch Abwasser Abbildung 8: Einleitung von Straßenoberflächenwasser einer Baustelle

14 Mit der zunehmenden Verbesserung der Abwasser- landwirtschaftlich genutzten Flächen, Fehlanschlüsse situation bei kommunalen und industriellen und auch unerlaubte Abwassereinleitungen die Einleitern treten nun die Auswirkungen „diffuser“ Gewässerqualität zunehmend beeinflussen Abwasserbelastungen deutlicher zutage. (Abbildungen 6,7,8). Da die Einleitungen selten Erfahrungen aus der Gewässeraufsichtstätigkeit der offen sichtbar und oft zeitlich begrenzt erfolgen, unteren Wasserbehörde zeigen, dass einzelne sind sie oft schwer zu erkennen und einzustufen. Einleitungen von Straßenoberflächenwasser, Nur regelmäßige Gewässerkontrollen helfen, diese Nährstoffbelastungen aus Abschwemmungen von Belastungen aufzuspüren und abzustellen.

3.6 Gewässerrandstreifen

Unter Gewässerrandstreifen versteht man gewässer- Außerhalb der besiedelten Bereiche werden ufer- begleitende Landflächen zum Schutz und zur nahe Flächen vielfach intensiv landwirtschaftlich Entwicklung der ökologischen Funktionen der genutzt. Der Anbau reicht häufig bis an die Fließgewässer. Böschungsoberkante heran und ist mit Stoffeinträgen wie Pflanzenschutzmitteln, Nährstoffen und abge- In Stuttgart werden ufernahe Flächen intensiv schwemmtem Boden verbunden. Eine naturnahe genutzt. Gebäude, Verkehrsflächen, Lagerplätze und Bewirtschaftung und Entwicklung der Gewässer ist Einfriedungen werden direkt am Gewässer errichtet. unter diesen Bedingungen ausgeschlossen Teilweise werden sogar die Gewässer durch Ufer- (Abbildungen 9,10,12,13) 3 befestigungen regelrecht ausgebaut und entlang privater Grundstücke, Kleingärten etc. immer noch durch Auffüllungen, Ablagerungen und durch die Beseitigung von Ufergehölzen beeinträchtigt.

Abbildung 9: Ausgebauter Bachlauf mit beidseitiger Abbildung 10: Privat durchgeführter Verbau zum Schutz landwirtschaftlicher Nutzung der bis auf die Böschungskante reichenden Bebauung

15 Zudem nimmt der Siedlungsdruck auf die Gewässer Neben der Minderung von Stoffeinträgen schaffen aufgrund knapper Flächen stetig weiter zu. Nicht Gewässerrandstreifen die Voraussetzungen für die oder nur extensiv genutzte Gewässerrandstreifen Entwicklung standortgerechter Gehölze und tragen stellen deshalb eine Voraussetzung für den Schutz damit in hohem Maße zur Entwicklung von Rück- und die naturnahe Entwicklung der Gewässer dar. zugsräumen für Flora und Fauna sowie zur Biotop- Sie weisen dabei eine Vielzahl positiver Wirkungen vernetzung bei. Erst der nicht bzw. extensiv genutzte und Effekte auf. Der Eintrag von Nährstoffen „Raum Gewässerrandstreifen“ ermöglicht die natur- (Phosphat, Stickstoff) und Pflanzenschutzmitteln nahe Gestaltung von Ufer und Aue und die wird wirksam abgemindert. Allein für die alten Sicherung des Fließgewässerverlaufs mittels stand- Bundesländer werden die landwirtschaftlich ortgerechter Ufergehölze. Letzteres spart Unter- bedingten diffusen Nährstoffeinträge in die Ge- haltungskosten und hat zahlreiche weitere Vorteile wässer mit jährlich 415.000 Tonnen Stickstoff und (siehe Kapitel 3.7 „Ufergehölze“). mit 29.000 Tonnen Phosphor abgeschätzt. Dies stellt zwischen 40 und 50 % des Gesamt- eintrags in unsere Gewässer dar. Diese Menge wäre um die Hälfte zu verringern, wenn Gewässerrand- streifen von 10 Meter Breite flächendeckend umge- setzt werden könnten.

Abbildung 11: Naturnaher Bach vor ...

16 3

Abbildung 12: ... und im Bereich von privaten Gärten. Durch Ausbau und Hinterfüllung der Böschungen hat sich das Bett stark eingetieft. Der „Flächengewinn“ wurde zur Bebauung bis auf die neue Böschungsoberkante des Gewässers genutzt. Ufergehölze sind bis auf Restbestände entfernt.

Darüber hinaus können die Randstreifen größere Diese müssen links- wie rechtsufrig eine Breite von Freiräume bei der Gewässergestaltung sichern. mindestens 5 Metern umfassen, soll ein Mindest- Dies ist besonders wichtig, wenn gestreckte maß ihrer Funktionen zum Tragen kommen. Linienführungen ausgebauter Gewässer wieder in Neben der Ausweisung entsprechender Flächen im natürliche Formen überführt werden sollen. Rahmen der Bauleitplanung kann langfristig jedoch Einförmig ausgebaute Gewässer neigen dazu, ihren nur die Festsetzung von Randstreifen per Rechts- natürlichen Zustand wieder einzunehmen. verordnungen nach § 68 b WG eine weitere Uferabbrüche und Laufveränderungen können Inanspruchnahme von Gewässerentwicklungsflächen hingenommen werden, wenn durch einen vorhan- durch Baumaßnahmen im Innenbereich vermindern. denen, nicht genutzten Gewässerrandstreifen größere Schäden an Privateigentum oder öffent- Darüber hinaus sollten bei jeder sich bietenden lichen Einrichtungen vermieden werden können. Gelegenheit Grundstücksflächen an den Bächen im Sonst muss mit technischen Unterhaltungsmaß- Rahmen der verfügbaren Mittel erworben werden. nahmen und hohen Aufwendungen ein uner- Dies gilt besonders für Flächen, für die Gewässer- wünschter Zustand aufrecht erhalten werden. entwicklungskonzepte oder sonstige Entwicklungs- planungen vorliegen. Langfristig gerechnet ist Grund- Die Festsetzung von Gewässerrandstreifen ist aus erwerb finanziell günstiger, als die kostenintensive den genannten Gründen vor allem in den Innen- Aufrechterhaltung naturferner Ausbauzustände. bereichen Stuttgarts erforderlich.

17 Abbildung 13: Querschnitt eines durch Bebauung und private Grundstücksabgrenzungen „zementierten“ Bachlaufs

3.7 Ufergehölze

Lange Zeit sah man an kleinen Wasserläufen die Gehölze an Gewässern schaffen vielfältige Lebens- wesentliche Aufgabe darin, die Vorflut zu regeln, räume für die Pflanzen- und Tierwelt. Unter ihrem stabile Abflussrinnen herzustellen und diese in ihrem Schatten kann sich eine artenreiche Vegetation aus- Ausbauzustand zu erhalten. bilden, für viele Vögel ergeben sich Nist- und Vorherrschende Elemente des früher üblichen Zufluchtsorte und zahlreiche Säugetiere nutzen die Ausbaus waren das breit und tief ins Gelände Gehölze als Aufenthaltsorte und für die Aufzucht eingeschnittene Trapezprofil und die Rasen- der Jungen (Abbildung15). Darüber hinaus lebt böschung. (Abbildung 14) hier auch eine artenreiche wirbellose Fauna, die einer Massenvermehrung bestimmter Schädlinge in Ufergehölze waren hier nicht vorgesehen. Wo sie der Feldflur entgegentreten kann. Gerade in der fehlen, fehlen aber auch die an den Schatten von ausgeräumten Stadt- und Agrarlandschaft werden Bäumen und Sträuchern gebundenen Wildpflanzen Gehölzsäume für viele Wildpflanzen und Tiere und die auf den Gehölzbestand angewiesene zum bevorzugten Lebensraum. Vogelwelt. Die fehlende Beschattung führt darüber hinaus zu höheren Wassertemperaturen, schlechte- ren Sauerstoffbedingungen und zu mehr Algen- und den Abfluss störendem Krautwachstum.

18 3 Abbildung 14: Tiefes Trapezprofil mit Rinne Abbildung 15: Fuchs im Schutz der Ufervegetation der Körsch

Die Ufergehölze der Bäche schaffen ein eigenes Klein- die Gewässer durch ihr Wurzelwerk dauerhaft vor klima. Sie gleichen Temperatur- und Feuchtigkeits- Erosionsschäden (Abbildung 16) und machen so schwankungen von Boden und Luft aus, schützen Gewässerunterhaltungsmaßnahmen überflüssig.

Abbildung 16: Tiefer Kolk an einem Filderbach durch stellenweise fehlende, stabilisierende Gehölze

19 Wasserläufe bereichern mit ihrem Bewuchs auch beeinflussen den Lebensraum Fließgewässer positiv das Landschaftsbild. Bei breiten Gewässern kommt und tragen zur Minimierung des Unterhaltungsauf- schon allein die Wasserfläche zur Geltung. Doch je wands bei. Ein wichtiger Grundsatz lautet deshalb, schmaler die Wasserläufe, umso größer wird die Gehölzarten nur dort anzusiedeln, wo sie auch eine Bedeutung der Ufergehölze. Sind Bäume und natürliche Verbreitung besitzen. Sträucher vorhanden, so markieren sie weithin sichtbar den Verlauf und zeichnen Schleifen und Vor dem Hintergrund der Zielsetzung der naturnahen Windungen nach (Abbildung 17). Fehlen sie aber, Entwicklung der Gewässer muss der Ufervegetation fallen die Gewässer leicht ganz aus dem Blickfeld mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. und büßen ihre Rolle als landschaftsgliederndes In den dicht besiedelten Innenbereichen Stuttgarts Element ein. ist an den Gewässern selbst für einen minimalen, auf den unmittelbaren Uferbereich beschränkten Fließgewässer und ihre ursprünglich begleitenden Gehölzsaum oft kein Raum vorhanden. Auwälder bildeten vor den tiefgreifenden Eingriffen Selbst die Durchsetzung eines für eine einreihige des Menschen äußerst artenreiche und regenera- Bepflanzung notwendigen Freiraums von rund tionsfähige Lebensräume aus. Heute müssen die 5 Metern entlang der Böschungsoberkante ist in verbliebenen naturnahen Gehölzsäume geschützt der Praxis mit Schwierigkeiten verbunden und stößt und fehlende Ufergehölze wieder verstärkt entwick- in der Umsetzung bei betroffenen Grundstücks- elt werden. Vor allem standortgerechte Gehölze besitzern vielfach auf Unverständnis.

Abbildung 17: Gehölzsaum an einem kleinen mäandrierendem Stuttgarter Bach

Außerhalb der Siedlungsbereiche werden auch ufer- führen. Für die Schaffung und Durchsetzung von nahe Bereiche oft intensiv landwirtschaftlich und Entwicklungsräumen im Innenbereich wird die gärtnerisch genutzt. Sowohl die Entwicklung eines Festsetzung von Gewässerrandstreifen per Rechts- Gehölzsaumes gegen Stoffeinträge als auch eine verordnung nach § 68b Wassergesetz einen ersten naturnahe Entwicklung solcher Gewässer ist hier notwendigen Schritt darstellen müssen, um über- ausgeschlossen (Abbildung 18). Sowohl im Innen- haupt nennenswerte Erfolge bei der Entwicklung als auch im Außenbereich kann nur eine langfristige von Gehölzstreifen an den Gewässern erzielen zu Planung und wo nötig, der Erwerb von Flächen können. durch die Stadt zu einer Verbesserung der Situation

20 3

Abbildung 18: Filderbach - links Wiese mit Gehölzpflanzung, rechts landwirtschaftliche Nutzung

3.8 Biologische Durchgängigkeit

Fließgewässer sind Lebens- und Entwicklungsräume und Schleusen aufweist. Das Übergewicht der für zahlreiche Tiere wie Fische, Krebse, Insekten und strömungsliebenden Fischarten (mit über 50 %) vor Amphibien. Sie brauchen Flüsse und Bäche, die frei dem Ausbau hat sich heute zu ihren Ungunsten von Wanderhindernissen sind, da sie verschiedene (28 %) verschoben. Die Artengemeinschaft von Lebensräume für Laichplätze, Brutstandorte, einst typisch strömungsliebenden Arten der Rückzugsmöglichkeiten oder zur Nahrungssuche Barbengemeinschaft hat sich zu einer ruhigeres benötigen. Dass Lachse zur Arterhaltung wandern Wasser bevorzugenden Artengemeinschaft der müssen, ist vielen Menschen bekannt. Weniger Brachsenregion gewandelt. Fischarten, die zur bekannt ist aber, dass auch eine Vielzahl unserer Laichablage auf einen sandig-kiesigen Untergrund heimischer Fischarten auf durchgängige Gewässer angewiesen sind, können sich im schlammigen angewiesen sind. Hindernisse wie z.B. Wehre, Grund des Neckars nicht mehr fortpflanzen. Abstürze und Verdolungen machen ihnen das Wandern stromauf- und abwärts unmöglich. Neben den Fischen sind auch sonstige Kleinlebe- Neben der Wirkung als Wanderhindernis haben wesen nicht in der Lage, die genannten Hindernisse Querverbauungen im Gewässer durch die Verlang- zu überwinden. Diese reagieren bei ihren Wander- samung der Fließgeschwindigkeiten einen großen bewegungen besonders empfindlich auf Unter- Einfluss auf die Zusammensetzung und Reproduk- brechungen oder unnatürliche Strukturen der tion der Arten. Der Gewässergrund neigt aufgrund Gewässersohle wie sie durch Absturzbauwerke, der erhöhten Sedimentation dazu, zu verschlam- Schwellen, Durchlässe oder technisch verbaute men, das Gewässer erwärmt sich mehr und weist Gewässerstrecken verursacht sind. Die in Abbil- dadurch geringere Sauerstoffgehalte auf. dung19 gezeigte Zusammenstellung an Bauwerken Als Beispiel hierfür mag der Neckar dienen, der gibt Beispiele für Wanderhindernisse in den nach dem Ausbau zur Schifffahrtsstraße zwischen Gewässern wieder. Plochingen bis zur Mündung in den Rhein 39 Wehre

21 In der Praxis können Querbauwerke nicht ohne bauwerken umgehen, stellen Lösungsmöglichkeiten weiteres beseitigt werden, ohne dass auch eine für die Wiederherstellung der Durchgängigkeit von Umgestaltung des betroffenen Gewässerabschnitts Gewässern dar. Ihre Realisierung ist aber meist teuer vorgenommen wird. Wasserbauliche Anlagen wie und die Lösungen benötigen genügend Platz für „Raue Rampen“, Fischaufstiege sowie Verbindungs- ihre Realisierung. gewässer, die den gesamten Staubereich von Quer-

Absturztreppe Neckar: Schleusen- und Wehranlage

Absturzbauwerk Verdolung

Abbildung 19: Beispiele für Wanderhindernisse

3.9 Die Ausbauzustände der Stuttgarter Bäche

Die Verringerung der Abwasserbelastung der Ge- ausbau durch Begradigungen, Stauanlagen, wässer stand lange im Mittelpunkt des Gewässer- befestigte Sohlen etc. hat mittlerweile oft einen schutzes. Strengere rechtliche Vorgaben und eine größeren Einfluss auf den Gewässerzustand als verbesserte Technik haben die Belastungen der Belastungen aus Industrie, Landwirtschaft und Gewässer deutlich verringert. Mit den erzielten kommunalen Abwasseranlagen. Der Schutz und die Fortschritten zeigte sich aber auch deutlich, dass Wiederherstellung naturnaher Gewässer tritt somit sauberes Wasser allein nicht ausreicht, um die Arten- zunehmend in den Vordergrund wasserwirtschaft- vielfalt und Selbstreinigungskraft der Gewässer zu licher Anstrengungen. erhalten bzw. wieder herzustellen. Der Gewässer-

22 3.9.1 Die Gewässerstrukturgüte – Ein Bewertungsinstrument

Die Strukturgütebestimmung stellt eine gängige vermögen, Auenutzung oder Ausprägung der Methode dar, den ökologischen Zustand von Bächen Uferstreifen. Die Spanne reicht von einem idealtypi- und Flüssen zu beschreiben. Ähnlich der biologi- schen Zustand ohne Einwirkung des Menschen schen Gewässergütebestimmung wird dabei eine (Klasse 1, unverändert) bis hin zum gänzlich kanali- Einstufung in sieben Klassen vorgenommen. sierten Gewässer (Klasse 7, vollständig verändert). Dabei wird das Gewässer in Abschnitte gleichen Eine Bestimmung der Gewässerstrukturgüte ist Zustands unterteilt. Bewertet wird dann abschnitts- relativ aufwändig, weshalb eine Gesamtübersicht für weise nach Parametern wie Linienführung, Uferverbau, die Stuttgarter Bäche bisher nicht vorliegt. Querbauwerken, Abflussregulierung, Gehölzsaum Ersatzweise stehen jedoch flächendeckende Informa- sowie Hochwasserschutzbauwerken, Ausuferungs- tionen zu ihrem Ausbaugrad zur Verfügung.

3.9.2 Der Gewässerausbaugrad der Stuttgarter Fließgewässer

Die Einstufung der Stuttgarter Bäche in ein System belassenen Gewässerstrecken auch renaturierte mit vier Gewässerausbaugraden zeichnet im Abschnitte. Unter „biologisch-technischem“ Ausbau Vergleich mit der Bewertung nach der Strukturgüte- werden Abschnitte verstanden, bei denen entweder bestimmung ein deutlich gröberes Bild des Gewässer- Sohle oder Böschung technisch verbaut wurden. zustands. Die Unterscheidung in die Ausbaugrade Als „technisch“ ausgebaut werden Bachabschnitte „naturbelassen oder naturnah“, „biologisch-tech- bezeichnet, wenn sowohl Sohle als auch Böschung nisch“, „technisch“ und „verdolt“ lässt jedoch befestigt wurden. In den „verdolten“ Abschnitten 3 zumindest grundsätzliche Einschätzungen über verlaufen die Bäche unterirdisch in Rohren oder den Zustand eines Gewässers zu. anderen Querschnittsformen. Die prozentuale Verteilung der jeweiligen Ausbauzustände am Die Abbildung 20 zeigt Beispiele von Ausbaugraden Gesamtbestand gibt Abbildung 21 wieder. Stuttgarter Bäche. In den Ausbaugrad „naturbelas- Die Ausbaugrade der Stuttgarter Fließgewässer sind sen oder naturnah“ fallen neben den unverändert in der Übersichtskarte (Abbildung 22) dargestellt.

Naturbelassen oder Naturnah Biologisch/Technisch Technisch

Abbildung 20: Beispiele für Gewässerausbaugrade der Stuttgarter Bäche

23 Ausbauzustand der Fließgewässer in Stuttgart (Anteil in %)

13%

natürlich/naturnah 7%

biologisch/technisch

15% technisch

65% verdolt

Abbildung 21

Abbildung 22: Übersichtskarte der Gewässerausbaugrade in Stuttgart

24 3.10 Hochwasserschutz – Überschwemmungsgebiete in Stuttgart

Hochwasser ist ein Naturereignis, das trotz aller Vor allem der Neckar, aber auch die Bäche der mathematisch-statistischer Risikobewertungen in Landeshauptstadt bringen Überschwemmungsge- unplanbaren Abständen und Höhen auftritt. fahren mit sich. Die geringe Wasserführung in den Die leidvollen Erfahrungen mit den Hochwässern in niederschlagsarmen Zeiten täuscht völlig darüber jüngerer Zeit machen deutlich, dass durch die hinweg, dass ein starkes Regenereignis aus einem zunehmende Ansiedlung des Menschen an Flüssen vermeintlichen Rinnsal ein reißendes Gewässer ent- und Bächen auch die Gefahr von Schäden an Bau- stehen lassen kann. Für den Neckar werden die werken, Einrichtungen, gelagerten Stoffen und Untersuchungen der Universität Karlsruhe im darüber hinaus auch an Ausfall- und Folgeschäden Rahmen des Landesprojekts IKoNE (Integrierende durch Produktionsausfälle zunimmt. Das Bauen in Konzeption Neckar-Einzugsgebiet) in Kürze hochwassergefährdeten Gebieten und Eingriffe in Informationen über alle Flächen im Stadtgebiet den natürlichen Wasserhaushalt lassen die Gefahr liefern, die bei einer Überflutung oder bei einem von Hochwasser und seiner Intensität steigen. Versagen der Neckar-Schutzdämme durch Hoch- Auch die sich weltweit abzeichnende Klimaerwär- wasser betroffen sein können. Die Ergebnisse wer- mung scheint den hydrologischen Wasserkreislauf den in Hochwassergefahrenkarten dargestellt, die zu verändern und trägt möglicherweise zur Ver- dann Aussagen über Gefährdung, Lage und Über- schärfung von Hochwassergefahren bei. Die Fehler flutungshöhen hochwassergefährdeter Flächen lie- der Vergangenheit lassen sich in vielen Fällen nicht fern können. Für die Stuttgarter Bäche sind bereits mehr korrigieren. Es wäre jedoch fatal, sie fortzusetzen. im Jahr 1982 fast alle überschwemmungsgefährde- ten Flächen fachtechnisch abgegrenzt und rechtlich 3 Technische Hochwasserschutzmaßnahmen wie z.B. als Überschwemmungsgebiete festgesetzt worden. Dämme, Deiche und Rückhaltebecken können nur einen begrenzten Schutz und Sicherheit bieten. Die ausgewiesenen dreizehn Überschwemmungs- Wenn diese versagen, wird oft verkannt, dass nicht gebiete erstrecken sich entlang der Bachläufe über technische Mängel und menschliche Planungsfehler eine Länge von 41 Kilometer, umfassen 293 Hektar und Verhaltensweisen zur Katastrophe geführt Fläche und weisen ein Retentionsvolumen von über haben, sondern dass die Natur sich durch menschli- 1 Million Kubikmeter Wasser auf. Als Nebeneffekt ches Handeln nicht vollständig beherrschen lässt. hat die Festsetzung der Überschwemmungsgebiete Neben technischen Hochwasserschutzmaßnahmen auch dazu beigetragen, dass gewisse Freiräume für und der Hochwasservorsorge muss den Flüssen und eine naturnahe Gewässerentwicklung bestehen blie- Bächen wieder mehr Raum zur Ausbreitung bei ben oder dass bauliche Eingriffe in Stuttgarter Bäche Hochwasser gegeben werden. Der Ermittlung über- in der Folge gar nicht erst stattgefunden haben. schwemmungsgefährdeter Flächen und der Aus- weisung ausreichend großer Überschwemmungs- Die Abbildungen 23 und 24 geben einen Über- gebiete muss deshalb eine hohe Priorität im blick über die Verteilung und Größe der einzelnen Hochwasserschutz eingeräumt werden. Überschwemmungsgebiete in Stuttgart. Auch die Städte und Gemeinden haben es planungs- rechtlich in der Hand, ob sie in überschwemmungs- Um den Anforderungen der Bauleitplanung und des gefährdeten Gebieten das Schadenspotenzial weiter Baurechts nach genauen Abgrenzungen der Über- anwachsen lassen, oder ob durch Bauverzicht und schwemmungsgebiete besser nachkommen zu kön- angepasste Nutzungen wirtschaftliche Schäden und nen, wurden diese mittlerweile digital erfasst und die Gefährdung von Menschenleben minimiert wer- stehen flurstücksscharf über die DV-Anwendung den. Für bereits bebaute Gebiete kann Aufklärung SIAS den städtischen Stellen zur Verfügung. und das Wissen um Überschwemmungsgefahren den Betroffenen helfen, Hochwasserschäden durch private Vorsorgemaßnahmen zu mindern. Zur Vorsorge gehört aber auch, dass den Anforder- ungen und Verboten der Rechtsverordnungen in den Überschwemmungsgebieten nachgekommen wird. Hierzu gehört eine regelmäßige Kontrolle der Gewässer, Aufklärungsarbeit an Ort und Stelle und in Einzelfällen auch die Durchsetzung von Belangen des Hochwasserschutzes durch Verwaltungszwang der Wasserbehörde.

25 Abbildung 23: Festgesetzte Überschwemmungsgebiete in Stuttgart – Nördlicher Teil

Abbildung 24: Festgesetzte Überschwemmungsgebiete in Stuttgart – Südlicher Teil

26 4. Eine Beschreibung der größten Stuttgarter Gewässer

4.1 Von der Wasserrahmenrichtlinie erfasste Stuttgarter Gewässer

Zur Umsetzung der Ziele der europäischen Wasser- Einzig der Nesenbach bildet mit seinem Einzugsgebiet rahmenrichtlinie müssen für die Gewässer von 37 km2 eine Ausnahme. Er wurde als Gewässer Bewirtschaftungspläne mit Maßnahmenpro- entwidmet. Seit langem besitzt er nur noch die grammen erstellt werden, die bis zum Jahr 2015 Funktion eines Abwasserkanals, da sein Einzugs- abgeschlossen sein müssen. Bei den Oberflächen- gebiet flächendeckend überbaut wurde und das gewässern werden alle Fließgewässer mit Einzugs- Niederschlagswasser der städtischen Mischwasser- gebieten größer als 10 km2 und alle Seen mit einer kanalisation zufließt. Die Stuttgarter Seen werden Wasserfläche größer als 0,5 km2 in die Bestandsauf- in der Bestandsaufnahme ebenfalls nicht erfasst, nahme und das Monitoring einbezogen. da sie alle Wasserflächen unter 50 Hektar aufweisen. Neben dem Neckar betrifft dies in Stuttgart die Die Lage und die Einzugs- bzw. Teileinzugsgebiete Körsch, den Ramsbach, den Dürrbach, den Feuer- der genannten Gewässer sind in Abbildung 25 bach, die Glems, den Lindenbach und den Mussen- dargestellt. bach (Holzbach).

4

Abbildung 25: Einzugsgebiete der größten Stuttgarter Gewässer

27 4.2 Die Fließgewässer

4.2.1. Der Neckar

Der Neckar ist als Bundeswasserstraße auf eine eingeschränkte Selbstreinigungskraft weitaus Stuttgarter Gemarkung im Uferbereich in seinem stärker aus als bei frei fließenden Gewässern. ganzen Verlauf technisch ausgebaut. Bedingt durch Durch Wärmebelastungen der Kraftwerke werden die zahlreichen Staustufen hat der Neckar die Sauerstoff zehrende Abbauvorgänge beschleunigt. Charakteristika eines Fließgewässers verloren und Bei niedrigen Wasserständen, hohen Wassertemp- stellenweise den Charakter eines Stillgewässers eraturen und Algenentwicklung im Neckar können angenommen. Eingeleitete Stoffe werden nur lang- die Sauerstoffgehalte für Fische immer noch auf sam verdünnt und Belastungen wirken sich durch gefährlich niedrige Konzentrationen absinken.

Abbildung 26: Neckar zwischen den Schleusen Ober- und Untertürkheim

Seinen Tiefpunkt in der Gewässergüte hat der Hiervon profitieren auch zahlreiche Fischarten, deren Neckar aufgrund hoher Investitionen bei der Anzahl von zwischenzeitlich 23 auf heute wieder Abwasserreinigung aber schon lange überwunden. 41 Arten zugenommen hat (Abbildung 27). Im Bereich der Landeshauptstadt hat sich die Die ursprüngliche strömungsliebende Artenzusam- Gewässergüte von der Güteklasse III-IV (sehr stark mensetzung hat sich allerdings zu einer ruhigeres verschmutzt) 1968, über die Güteklasse III (stark Wasser bevorzugenden Artengemeinschaft der verschmutzt) 1985 inzwischen auf die Güteklasse Brachsenregion verschoben und einige Arten II-III (kritisch belastet) seit etwa 1988 verbessert. überleben aufgrund fehlender Laich- und Wander- In jüngerer Zeit sind Tendenzen hin zur Güteklasse II möglichkeiten nur durch Besatzmaßnahmen. (mäßig belastet) festzustellen.

28 Die Wandermöglichkeiten für Fische ist durch Wehre und Schleusen weitgehend unterbunden. Geeignete Auf- und Abstiegshilfen bestehen praktisch nicht. Die Entwicklungsmöglichkeiten für die Ufer sind aufgrund der intensiven Besiedlung und der industriellen Nutzung, der Enge der Talaue und durch die Anforderungen der Schifffahrt stark eingeschränkt, so dass Renaturierungsmaßnahmen auf einzelne Abschnitte beschränkt bleiben werden. Die Gewässerstruktur des Neckars weist somit starke Abbildung 27: Schuppenkarpfen aus dem Neckar bei Untertürkheim Defizite auf, die aber nur langfristig und in kleinen Schritten zu verbessern sein wird.

4.2.2 Die Körsch

Die Körsch ist nach dem Neckar das zweitgrößte Bis zur Kläranlage Möhringen weist die Körsch Fließgewässer der Landeshauptstadt. Sie entspringt einen nur verhältnismäßig geringen Wasserabfluss im Stadtteil Möhringen und entsteht durch den auf (Abbildung 28), so dass während langan- Zusammenfluss von Sindel- und Aischbach. Bis zur haltender Trockenperioden das Gewässer austrock- Mündung in den Neckar weist sie eine Länge von net . Danach wird der Bach kontinuierlich durch das 29 km auf und entwässert dabei ein Gesamtein- Wasser der Kläranlage Möhringen gespeist zugsgebiet von 128 km2 im Filderraum. Ihren natür- (Abbildung 29). Der Anteil gereinigten Kläran- lichen Charakter hat sich die Körsch bis heute fast lagenabwassers nimmt regelmäßig Anteile von über durchgängig bewahren können und so fließt der 90% an der Wasserführung ein. Die Wasserqualität Bach mäandrierend zwischen Wiesen und Weiden auf Stuttgarter Markung ist also stark von der durch eine der reizvollsten Landschaften von Reinigungsleistung der Kläranlage Möhringen ab- Stuttgart. Ein durchgehend intakter Gehölzsaum hängig. Der Bau der städtischen Regenwasser- beschattet das Gewässer. Die Durchgängigkeit ist behandlungsanlagen ist im Einzugsgebiet der praktisch auf der gesamten Stuttgarter Markung Körsch mit einem Ausbaugrad von knapp 95% gegeben. weitgehend abgeschlossen.

4

Abbildung 28: Körschabschnitt oberhalb der Kläranlage Möhringen

29 Die Körsch profitierte in besonderem Maße von Der Bach weist nach den Gütekartierungen des Investitionen im kommunalen Abwassersektor. Landes mittlerweile die Gewässergüteklasse II Vor allem der Ausbau der Klärwerke Möhringen und (mäßig belastet) auf und hat sich damit seit 1991 Plieningen mit ihren Ausbaugrößen von 160.000 um zwei Güteklassen verbessern können. und 130.000 Einwohnerwerten hat spürbar zur Damit befindet sich die Körsch wieder in einem Verbesserung der Gewässergüte beigetragen. guten Gesamtzustand.

Abbildung 29: Die Körsch unterhalb der Kläranlage Möhringen

4.2.3 Der Ramsbach

Der Ramsbach entspringt am südöstlichen Ortsrand belastet einzustufen. Trotz des teilweise technischen von Degerloch, durchfließt zunächst das Ramsbach- Ausbaus wird der Ramsbach sowohl im Oberlauf als tal, folgt weiter dem südlichen Ortsrand von Schön- auch in seinem weiteren Verlauf in weiten Teilen buch und folgt dann dem Verlauf der Filderstraße durchgängig von einem Gehölzsaum begleitet und der Stuttgarter Gemarkungsgrenze bis zur (siehe auch Abbildung 31 und Abbildung 32). Mündung in die Körsch. Sein Einzugsgebiet umfasst 16 km2 bei einer Fließlänge von rund 6 Kilometern. Zur Verbesserung des Zustands des Gewässers sind Der Ramsbach ist im Oberlauf auf rund 1,2 Kilo- Renaturierungsmaßnahmen geplant, die bis zum meter technisch ausgebaut (Abbildung 30). Jahr 2006 abgeschlossen sein sollen. Diese Bachabschnitte fallen einerseits häufig Die Neugestaltung der technisch ausgebauten trocken, andererseits münden Entlastungen der Abschnitte im Ramsbachtal sieht zur Minderung Mischwasserkanalisation ein, so dass der Ramsbach der hydraulischen Belastung und der Abwasser- bei Regenwetter große Wassermengen verkraften belastungen Retentionsfilterbecken vor. Die den muss. Dies ändert sich auch in seinem weiteren Regenauslässen nachgeschalteten Becken sollen Verlauf nicht. Die Ortsteilkanalisationen von die Stoßbelastungen für das Gewässer senken, zu Sillenbuch, Birkach, Schönberg sowie Kemnat entla- einem kontinuierlichen Wasserabfluss führen und sten ebenfalls bei Regenwetter in den Ramsbach. durch ihre Filterwirkung zu einer Verbesserung der Laut Gewässergütekartierung von 1994 ist der Wasserqualität beitragen. Die voraussichtlichen Ramsbach in die Gewässergüteklasse II-III, kritisch Kosten für das Projekt werden in einer Größen-

30 ordnung von 2 Millionen Euro liegen und großteils über Ausgleichsgelder des Flughafenausbaus finanziert werden. Für eine Realisierung sind aller- dings noch Grundstücke am Ramsbach zu sichern, um durchgängig einen Streifen von mindestens 10 Metern beidseits der bestehenden Böschungs- oberkanten für den Gewässerausbau und die naturnahe Gestaltung zur Verfügung zu haben.

Abbildung 30: Technisch ausgebauter Abschnitt des Ramsbach im Oberlauf

Abbildung 31: Ramsbach im Oberlauf mit Gehölzsaum 4

Abbildung 32: Ramsbach mit Gehölzen und stabilisierendem Wurzelwerk

31 4.2.4 Der Dürrbach

Der Dürrbach entspringt im Wald auf Gemarkung Von seiner Fließlänge von 6,5 Kilometern sind damit Rohracker unweit des Frauenkopfes. In seinem rund 15 % vollständig unterirdisch geführt. ursprünglichen Zustand belassen, fließt er als kleiner Das Einzugsgebiet des Dürrbachs umfasst eine Waldbach (Abbildung 33) kaum beeinträchtigt bis Fläche von rund 12 km2, von der große Anteile aus zur östlichen Ortslage von Rohracker und folgt die- Wald bestehen. Bis an die Ortsgrenze von Rohracker ser bis in den Bereich der Sportanlagen. Dort ist er weist er die Gewässergüteklasse I-II (gering belastet) auf einer Länge von ca. 200 Metern vollständig ver- auf. In seinem weiteren Verlauf wird er ihn der dolt (Abbildung 34) und erhält dort Zufluss vom Gütekartierung als mäßig belastet, Güteklasse II einmündenden Bußbach. Wieder in seinem natür- ausgewiesen. Abwasserentlastungen aus der lichen Bett fließt er anschließend bis in die Ortslage Kanalisation finden erst ab Ortslage Rohracker statt. von Hedelfingen weiter, wo er kurz vor dem In seinem Oberlauf sind nennenswerte Populationen Zusammentreffen von Heumadener- und Rohracker- von Bachkrebsen nachgewiesen, die von der guten straße endgültig in einer Verdolung verschwindet Wasserqualität profitieren. und dort bis zur Mündung in den Neckar verbleibt.

Abbildung 33: Dürrbach im Oberlauf

Abbildung 34: Verdolung an den Sportanlagen

32 Gleich nach der Verdolung an den Sportanlagen von Rohracker wird er linksufrig durch hässliche, betonierte Uferbefestigungen privater Grundstücke begrenzt (Abbildung 35). Die Unterhaltung des Gewässers wird erschwert, da ein Zugang nur noch über das Bachbett selbst möglich ist.

Abbildung 35: Dürrbach direkt hinter dem Sportplatz Rohracker mit Betonbefestigungen.

In der Ortslage von Hedelfingen fließt der Dürrbach Während die Verdolung an den Sportanlagen in eingebettet zwischen privaten Grundstücken. Rohracker in absehbarer Zeit beseitigt werden kann, Seine natürlichen Strukturen konnte sich der Bach ist die Verrohrung des Bachs in seinem Unterlauf bis jedoch erstaunlicherweise weitgehend bewahren zur Mündung in den Neckar sicher nicht mehr und so passiert er diesen Abschnitt, bis auf wenige umkehrbar. Zur Sicherung seines derzeitigen natur- Ausnahmen, relativ unbeeinträchtigt bis zu seiner nahen Zustands in den Ortslagen von Rohracker endgültigen Verdolung. Dabei wird er nahezu und Hedelfingen sollte eine Ausweisung von durchgängig von einem Gehölzsaum begleitet Gewässerrandstreifen im Innenbereich per Satzungs- (Abbildung 36). beschluss erfolgen, der eine fachtechnische Abgren- zung vorauszugehen hat. Damit wäre eine wirksame Von seinen verdolten Abschnitten und einzelnen Rechtsgrundlage geschaffen, um mögliche bauliche massiven Beeinträchtigungen abgesehen, kann dem Eingriffe und Nutzungen am Dürrbach einzuschrän- Dürrbach ein guter Zustand bescheinigt werden. ken und seinen derzeitigen Zustand zu erhalten.

4

Abbildung 36: Dürrbach im Bereich der Rohrackerstraße

33 4.2.5 Der Feuerbach

Der Feuerbach entspringt nordöstlich von Botnang naturbelassen bis zur südlichen Ortslage von im Feuerbacher Tal aus dem Zusammenfluss von Feuerbach, wo ein Großteil seines Wassers in der Metzgerbach und Knaupenbach. Durch die Talaue Schmutzwasser-Kanalisation mündet. fließt der Bach (Abbildung 37) ca. 1,5 Kilometer

Abbildung 37: Feuerbach in seinem Oberlauf im Feuerbacher Tal

Ein verbleibender Rest von rund 8 l/s wird in einer Er verläuft dabei komplett innerhalb der Stuttgarter separaten Leitung innerhalb des Schmutzwasser- Stadtgrenzen und wird damit zum längsten Bach kanals zur Speisung des weiteren Verlaufs des Stuttgarts, wobei durch die zahlreichen unterirdisch Feuerbachs und des Ersatzgewässers im Gewann geführten Abschnitte nur rund 70% des Verlaufs Schwellwag bis zur Dornbirner Straße geführt. sichtbar sind. Zusätzlich wurde ein Drittel seiner Ab hier nehmen Schmutzwasserkanal und Fließlänge technisch ausgebaut, so dass der Feuer- Feuerbachverdolung wieder getrennte Wege und bach praktisch nur in seinem Oberlauf im Feuer- der Feuerbach verläuft durch die Stadtbezirke bacher Tal die Bezeichnung Bach wirklich verdient. Feuerbach und Zuffenhausen, abgesehen von einem Vom Rotweg in Zuffenhausen bis zur Neckar- kurzen offen geführten Abschnitt entlang der mündung fließt er meist in einem kanalisierten Bett Stimpfacherstraße in Zuffenhausen, in einer eigenen aus Stein und Beton. Verrohrung bis zum Stadtbad Zuffenhausen. Dort tritt er wieder auf 200 m an die Oberfläche Ab 1933 sollte das verschmutzte Wasser aus Wohn- und fließt dann, mit kurzer Unterbrechung durch und Gewerbegebieten möglichst schnell abgeleitet eine verdolte Strecke, offen durch die Stadtteile werden und so wurde der Feuerbach als tief einge- Rot und Zazenhausen bis an den Ortsrand von schnittenes, befestigtes Trapezprofil ausgebaut Mühlhausen. Am Bezirksrathaus Mühlhausen (Abbildung 38). verschwindet dann der Feuerbach nochmals bis zur Mündung in den Neckar in einem großen Recht- eckprofil unter der Erde. Bis zu seiner Mündung hat er nun eine Fließstrecke von knapp 15 Kilometern zurückgelegt und ein Gebiet von 45 km2 entwässert.

34 Abbildung 38: Ausgebauter Feuerbach in Stuttgart-Mühlhausen im Winter

Auch heute noch hat der Bach bei Starkregen extre- Die beiden Becken mit 3400 m3 und 1600 m3 4 me Entlastungsmengen aus der Mischkanalisation Behandlungsvolumen werden den Ausbaugrad zu verkraften, die aus den befestigten Flächen der Regenwasserbehandlung im Einzugsgebiet des seines dicht besiedelten Einzugsgebietes stammen Feuerbachs von derzeit 67 % auf knapp 90 % an- (Abbildung 39). Damit können Anstiege der heben. Wasserspiegellage um 3 Meter und mehr verbunden sein und aus dem sonst harmlos dahinfließenden Mit der Bewältigung des Abwasserproblems treten Gewässer einen reißenden Bach machen. nun mehr und mehr die Defizite in der Gewässer- struktur und im ökologischen Zustand des Darüber hinaus muss der Feuerbach bis zum voll- Gewässers im Mittel- und Unterlauf in den Vorder- ständigen Ausbau der Regenwasserbehandlung grund. Bereits Mitte der 80er Jahre wurde ein weiterhin Schmutzfrachten aus der städtischen erstes Renaturierungsprojekt um das Stadtbad Kanalisation verkraften. Die 1994 noch notwendige Zuffenhausen verwirklicht. Anfang der 90er Jahre Einstufung in die Güteklasse III, stark verschmutzt wurde ein „Ersatzgewässer“ in Mühlhausen, im weiteren Gewässerverlauf ab Zuffenhausen dürf- Gewann Bachhalde auf rund 700 Metern Länge te der Feuerbach nach Verdoppelung der Becken- hergestellt. Zwischen 1999 und 2003 wurden in volumina der Regenwasserbehandlungsanlagen zwei Schritten 480 Meter Feuerbach im Gewann nicht mehr aufweisen. Die weitere Verminderung Pliensäcker/Hohlgraben zwischen Reinhold-Brändle- der Abwasserbelastungen stellt aber immer noch ein Weg und neu errichteter Fußgängerbrücke vordringliches Problem dar. Mit weiteren deutlichen (Abbildungen 40 und 41) naturnah ausgebaut. Verbesserungen bei der Wasserqualität darf erst Weitere 500 Meter sollen im Anschluss in den nach Fertigstellung der Regenüberlaufbecken Jahren 2004 bis 2006 in weiteren zwei Bauab- Borsigstraße in Feuerbach und Bottwarstraße in schnitten verwirklicht werden. Zuffenhausen gerechnet werden.

35 Abbildung 39: Rohr einer Regenwasserentlastung in den Feuerbach in Stuttgart-Zuffenhausen

Abbildung 40: 2002/2003 renaturierter Abschnitt des Feuerbachs in Zuffenhausen-Rot

36 Die Renaturierungen dieser Abschnitte setzen Maß- Trotz aller Anstrengungen und Erfolge kann der stäbe für weitere Planungen am Feuerbach. technische Ausbau des Feuerbachs, insbesondere Durch Sicherung der Ufergrundstücke konnten seine verrohrten Strecken und seine geradlinige die vorhandenen steilen Böschungen deutlich abge- Linienführung in weiten Teilen seines Bettes nicht flacht und eine breite Flutmulde hergestellt werden, mehr rückgängig gemacht werden. die der Eigenentwicklung des Baches Raum gibt, ohne die Belange des Hochwasserschutzes zu Der für die Wiederherstellung naturnaher Gewässer- vernachlässigen. Die Bepflanzung der Böschungen abschnitte nötige Entwicklungsraum wird in vielen mit standortgerechten Gehölzen, der spärliche Fällen nur eingeschränkt oder gar nicht zur Ver- Einsatz von ortstypischen Muschelkalksteinen fügung stehen. So wird der Feuerbach in den Orts- zur Uferbefestigung sowie die weiten Profile der teilen Feuerbach, Zuffenhausen und Mühlhausen, neu gestalteten Abschnitte erzeugen wieder den von einzelnen Ausnahmen abgesehen, in seinem Eindruck einer natürlichen Bachaue, die mit Ent- jetzigen verrohrten Zustand verbleiben müssen. wicklung der aufkommenden Gehölze in den nächsten Jahren noch gewinnen wird.

4

Abbildung 41: 2002/2003 renaturierter Abschnitt in Zuffenhausen-Rot

37 4.2.6 Der Mussenbach (Holzbach)

Der Mussenbach entspringt südlich von Ludwigs- Aldingen. Die drei Schlammseen mit einem Gesamt- burg im Überlauf eines alten Wasserbehälters, der volumen von ca. 270.000 cbm wurden nach Auf- früher zur Wasserversorgung diente. Er folgt dem schüttung von Dämmen ab 1931 mit Schlamm aus östlichen Rand von Kornwestheim bis zur Klär- dem Klärwerk Mühlhausen befüllt. Der Mussenbach anlage, verläuft anschließend ca. 1,4 Kilometer auf verläuft als verdoltes Gewässer auf einer Länge von dem Gebiet der Landeshauptstadt, fließt dann auf rund 700 Metern unter dieser kommunalen Altab- Markung Aldingen weiter und mündet zwischen lagerung hindurch. Um einen wirksamen Schutz vor Mühlhausen und Aldingen in den Neckar. einer Überflutung gewährleisten zu können, muss Der Mussenbach weist eine Fließlänge von rund der entstandene Stauraum vor den Schlammseen 6 Kilometern auf und entwässert ein Gebiet von zu einem planmäßigen Hochwasserrückhaltebecken 14,5 Quadratkilometern. Neben Orts-, Kreis- bzw. ausgebaut und ein zusätzliches Umleitungsgerinne Stadtgrenzen wechselt der Bach auch seine zur Ableitung der Hochwasserabflüsse um die Namensgebungen. So wird er im Oberlauf als Schlammseen herum erstellt werden. Gänsbach, im Mittellauf als Mussenbach und auf Eine weitere Alternative wäre die vollständige Aldinger Markung als Holzbach bezeichnet. Sanierung der Altablagerung und Wiederherstellung Die Wasserführung des Bachs auf Stuttgarter Gebiet des ursprünglichen Gewässerverlaufs. hängt im Wesentlichen vom Abfluss der Kläranlage Unter wasserwirtschaftlichen Gesichtspunkten sicher Kornwestheim ab. Ähnlich wie die Körsch ist der eine zu bevorzugende Lösung. Mussenbach damit stark von der Reinigungsleistung eines Klärwerks abhängig. An den Stuttgarter Bachabschnitten geht die land- wirtschaftliche Nutzung in der Talaue rechtsufrig Die Gewässergüte wird inzwischen mit Güteklasse bis an das Gewässer heran. Von der Kläranlage II-III, kritisch belastet angegeben. Seit Anfang der Kornwestheim bis Höhe des Viesenhäuser Hofs auf 90er Jahre hat sich damit eine Verbesserung der Markung Stuttgart fehlt dem Gewässer zudem ein Gewässergüte um eine Güteklasse ergeben. durchgehender und schützender Gehölzsaum Weitere Verbesserungen für die Abwassersituation (Abbildung 42). und Hochwassersicherheit am Mussenbach stellen sich nun mit der Umsetzung wasserwirtschaftlicher Ab Höhe Viesenhäuser Hof bis zur Gemarkungs- Planungen der Stadt Kornwestheim ein. grenze kann der vorhandene Gehölzsaum das Dort wurden zwei Hochwasserrückhaltebecken mit Gewässer wirkungsvoll beschatten (Abbildung 43). insgesamt 42000 cbm Inhalt am Frauenriedbach im Jahr 2002 in Betrieb genommen. Der Bau für ein weiteres Rückhaltebecken mit ca. 8000 cbm ist noch für 2003 geplant. Mit Abschluss der Hoch- wasserschutzmaßnahmen soll ein 50-jährliches Ereignis beherrscht werden können. Die Maßnahmen umfassen u.a. die Renaturierung innerörtlicher Abschnitte des Mussenbachs und die Umsetzung einer Abwasserkonzeption für den Frauenriedbach, so dass sich sowohl die Überflu- tungsgefahr für die Kläranlage Kornwestheim, als auch die Abwasserbelastung für den Mussenbach verringern wird.

Die Durchführung der Maßnahmen ist wegen wiederholter Überschwemmungen im Verlauf des Gänsbachtals mit Schäden im Gewerbegebiet von Kornwestheim, der Überflutung der Kläranlage, Sperrung von Straßen und nicht zuletzt wegen Schäden und Erosion am Gewässerbett zwischen Kläranlage und Neckarmündung durch die im Hochwasserfall auftretenden Abflüsse notwendig geworden. In diesem Zusammenhang stellt sich auch das Problem des Hochwasserschutzes für die Schlammseen der Stadt Stuttgart auf Gemarkung

38 Abbildung 42: Mussenbach zwischen Klärwerk Kornwestheim und Viesenhäuser Hof

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Abbildung 43: Mussenbach mit Gehölzsaum

39 Die Durchgängigkeit des Gewässers wird teilweise Damit könnten auch an den bis jetzt noch gehölz- durch Abstürze und Schwellen unterbrochen. Diese freien Abschnitten standortgerechte Bepflanzungen müssen entfernt werden und durch sogenannte vorgenommen werden. Bei Realisierung des Projekts Rauhe Rampen ersetzt werden (Abbildung 44). Stuttgart 21 sind Ausgleichsgelder aus den Planfest- stellungsabschnitten 1.1 und 1.5 für landschafts- Zur Verminderung von Einträgen von Dünge- und pflegerische Maßnahmen am Mussenbach Pflanzenschutzmitteln aus den angrenzend bewirt- vorgesehen. Damit wäre eine Finanzierung der schafteten landwirtschaftlichen Flächen sollten aus- genannten Maßnahmen möglich. reichend breite Gewässerrandstreifen ausgewiesen werden. Es empfiehlt sich, die notwendigen Flächen in einer Breite von mindestens 10 Metern für den Gewässerschutz zu erwerben.

Abbildung 44: Absturzbauwerk am Mussenbach, Höhe Viesenhäuser Hof

40 4.2.7 Die Glems

Die Glems entspringt im Stadtgebiet von Stuttgart im Naturschutzgebiet Rotwildpark (Abbildung 45). Als kleiner Waldbach schlängelt sich das Gewässer unbeeinträchtigt und unbelastet bis zur Mündung ins Hochwasserrückhaltebecken Glemsbrunnen.

Hier wird der Bachlauf durch das Becken und den Glemsweiherweg kurz unterbrochen, bevor er nach Ende der Verrohrung des Weges weiter seinem Bett (Abbildung 46) bis zur Mündung in den Pfaffensee folgt.

Abbildung 45: Glemsursprung, der Glemsbrunnen im Naturschutzgebiet Rotwildpark

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Abbildung 46: Die Glems als kleiner Waldbach noch vor der Mündung in den Pfaffensee

41 Der weitere Verlauf der Glems wird zunächst vom Bis zu ihrer Mündung in die bei Neuen See gespeist, der über einen Grundablass im Landkreis beträgt ihre Fließlänge kontinuierlich Wasser abgibt. Füllt sich bei andau- 45 Kilometer und das Einzugsgebiet 195 Quadrat- ernden Niederschlägen der See wird zusätzlich über kilometer. Abwasserbelastungen ist die Glems wäh- einen Überlauf Wasser an den Bach abgegeben, rend ihres Verlaufs im Rotwildpark nicht ausgesetzt. der in einer befestigten Rinne bis zur Verdolung an Ihre Güteklasse ist folgerichtig auch in die Güteklasse der Magstatter Straße verläuft. Nach Unterquerung I-II, gering belastet eingestuft. Dies ändert sich erst der Straße tritt die Glems direkt an den Eisseen wie- mit dem Zufluss des Bandtälesbach, durch dessen der zu Tage. Hier mündet auch der Bandtälesbach, Restabwasserbelastung die Güteeinstufung der der spürbar zur Wasserführung der Glems beiträgt, Glems um eine Klasse schlechter ausfällt und der aber auch geklärtes Abwasser des Forschungs- ab hier die Güteklasse II, mäßig belastet zugeordnet klärwerks Büsnau zuführt. Parallel zur Mahdental- werden muss. Die Gewässergüte war in diesem straße verläuft der Bach noch ca. 500 Meter auf Abschnitt in den 80er Jahren nach Daten der dem Stadtgebiet Stuttgart (Abbildung 47) und Landesanstalt für Umweltschutz mit Güteklasse II-III, wechselt dann, dem Mahdental folgend, auf Leon- kritisch belastet aber auch schon schlechter aus- berger Gemarkung über. Die Fließlänge der Glems gefallen. Durch Verbesserungen in der Abwasser- auf dem Gebiet der Landeshauptstadt beträgt nur behandlung hat sich der Zustand gegenüber der rund 3 Kilometer. Dabei entwässert sie jedoch ein Gütekartierung des Amts für Umweltschutz von Gebiet von ca. 25 Quadratkilometern. 1994 um eine Gütestufe verbessert.

Abbildung 47: Glems nahe dem Bruderhaus

Die Glems profitiert auf dem Gebiet der Landes- werke oder Grundstücksnutzungen finden so gut hauptstadt von ihrer Lage im Naturschutzgebiet. wie nicht statt. Anders als Bäche in besiedelten Bereichen ist der Für die Glems wurde 1996 ein sogenanntes Zustand der Glems bis auf wenige kleine Unter- Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben ins Leben brechungen als naturbelassen einzustufen. gerufen, um kleinräumige, punktuelle Betrach- Das Bachbett liegt praktisch durchgängig beschattet tungsweisen bei der Durchführung von Naturschutz- im Wald. Beeinträchtigungen durch Straßen, Bau- maßnahmen abzulösen und durch ein einheitliches

42 Vorgehen in Abstimmung mit den Unter- und Ober- Das Projekt umfasst das gesamte Einzugsgebiet der liegern zu ersetzen. Das Projekt „Neue Methoden Glems mit dem Stadtkreis Stuttgart und den Land- für das Flussgebietsmanagement am Beispiel des kreisen Böblingen und Ludwigsburg und soll Ende Glemsgewässersystems“ soll für die Glems die 2004 abgeschlossen sein. Das Finanzvolumen von Strukturvielfalt des Gewässers und der Ufer verbes- 620.000 Euro wird vom Bundesamt für Naturschutz, sern, die Durchgängigkeit des Gewässers erhöhen, dem Land Baden-Württemberg und der Stadt Retentionsräume und Aueentwicklung fördern und Leonberg getragen, die auch Projektträger des die Abwasserbelastung durch den Zufluss von Vorhabens ist. Frischwasser puffern.

4.2.8 Der Lindenbach

Der Lindenbach entspringt im Wald nahe dem Am Zusammenfluss mit dem Lachengraben ändert Schloss Solitude. Als kleiner Waldbach verlässt er der Bach nochmals seinen Verlauf Richtung Westen, am südöstlichen Rand von Wolfbusch den Wald, um im Gewann Blauäcker kurz vor Ditzingen die durchfließt das Lindental, wird am südöstlichen Stuttgarter Markung zu verlassen. In Ditzingen selbst Ortsrand von Weilimdorf von der Bundesstraße 295 mündet er schließlich in die Glems. Dabei legt der gequert und folgt dann entlang des Waldsaumes Lindenbach auf Stuttgarter Gebiet 10 Kilometer Fließ- dem östlichen Verlauf von Weilimdorf bis zum weg zurück und entwässert ein Gebiet von rund Eintritt in das offene Hochwasserrückhaltebecken 29 Quadratkilometern. Lindenbachstraße. Im Anschluss quert er die Orts- lage von Weilimdorf, bis er an der Turn- und Ver- Im Oberlauf, in den im Wald gelegenen Fließ- sammlungshalle in nordwestlicher Richtung abzweigt. strecken, weist er noch die Gewässergüteklasse I-II, In der Lotterbergstraße kurz vor Querung der Bahn- gering belastet auf. Im Lindental bereits verschlech- strecke Zuffenhausen-Calw verschwindet der Linden- tert sich der Gütezustand um eine Klasse auf Güte- bach auf einer Länge von gut 400 Metern in einer klasse II, mäßig belastet. Diese Einstufung behält er Verdolung und tritt erst wieder in Höhe der Holder- bis zum Hochwasserrückhaltebecken Lindenbach- äckerstraße/Motorstraße an die Oberfläche zurück. straße bei.

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Abbildung 48: Der Lindenbach im Lindental –Bauten und Ablagerungen beeinträchtigen den Bach

43 Abwasserbelastungen aus Regenwasserentlastungen Dies ändert sich auch im weiteren Verlauf nicht mehr. der Kanalisation belasten bis dahin den Lindenbach Ab dem Turn- und Versammlungshaus in Weilimdorf nicht. Beeinträchtigungen erfährt der Bach aller- ist der Lindenbach überwiegend technisch ausge- dings immer wieder durch Nutzungen angrenzender baut, so dass insgesamt nur rund 60% des Bachs Grundstücke (Abbildung 48). als naturnah eingestuft werden können. Gebäude, Hütten, Zäune, Beetpflanzungen oder Die räumlichen Verhältnisse lassen jedoch noch befestigte Lagerplätze, die teilweise bis in die naturnahe Entwicklungen des Bachs zu, wenn auch Böschungen reichen und den Gehölzsaum unter- nicht für alle Gewässerabschnitte. Für ca. 2 Kilo- brechen, beeinträchtigen den Bach. Gelagerte Stoffe meter Bachlauf könnten Renaturierungsmaßnahmen oder Abfälle im Bett und an den Ufern des in Frage kommen. Im Lindental muss geprüft werden, Gewässers drohen zu Abflusshindernissen im ob hier Gewässerabschnitte in den Innenbereich Hochwasserfall zu werden. von Weilimdorf fallen. Für diese Abschnitte muss die Ausweisung von Gewässerrandstreifen nach § 68 b Nach dem Hochwasserrückhaltebecken Lindenbach- Wassergesetz die notwendigen Pufferzonen gegen straße muss der Lindenbach im weiteren Verlauf angrenzende Nutzungen schaffen, um den Erhalt Abwasserbelastungen aus Entlastungen der Misch- der ökologischen Funktionen des Lindenbachs zu wasserkanalisation verkraften. In diesem Bereich ist sichern. In Außenbereichen gelten durch die Rege- er zwar nicht befestigt ausgebaut, aber sein Bett lungen des baden-württembergischen Wasserge- verläuft tief eingeschnitten und gestreckt (Abbil- setzes die Anforderungen an Gewässerrandstreifen dung 49). Aufgrund der Abwasserbelastungen und in einer Breite von 10 Metern links und rechts der durch Temperatur- und Nährstoffbelastungen aus Böschungsoberkanten auch ohne formelle Aus- dem offenen Rückhaltebecken verschlechtert er sich weisung, so dass hier Anforderungen an den ökolo- hier um eine weitere Güteklasse und ist damit in die gischen Gewässerschutz im Rahmen der Gewässer- Güteklasse II-III, kritisch belastet, einzustufen. aufsicht direkt umgesetzt werden können.

Abbildung 49: Lindenbach im Bereich Stedingerstraße/Lindenbachstraße

44 4.3 Die Seen

4.3.1 Der Max-Eyth-See

Der Max-Eyth-See liegt im Nordosten von Stuttgart Nach und nach entstand daraus ein Lebensraum für im Stadtteil Hofen. Mit über 17 Hektar Wasserfläche seltene Tier- und Pflanzenarten. 1961 stellte die ist er der größte See in der Region. Er entstand in Landeshauptstadt das Gelände um den Max-Eyth- den zwanziger Jahren als Speicherbecken im See unter Landschaftsschutz. Nach Einstellung des Rahmen des Neckarausbaus. 1935 wurde der See Kiesbetriebs bekam der See 1971 eine neue Gestalt. der Bevölkerung als Wassersportanlage mit Bade- Ufer und Teile des Gewässergrunds wurden befe- und Bootsbetrieb übergeben. stigt und eine direkte Schleusenverbindung zum Eine etwa 1,8 Hektar große Badebucht war durch Neckar durch eine Filterstrecke ersetzt, die den eine hölzerne Spundwand vom restlichen See, der Ausgleich zwischen See- und Neckarwasserstand zum Neckar hin offen war, abgetrennt. sicherstellte. Der Badesee wurde von Grundwasser gespeist. Heute ist das Gebiet um den Max-Eyth-See immer Bei ihrer Einweihung wurde die Anlage von der noch ein vielfrequentierter Anziehungspunkt für Presse als Süddeutschlands großartigste Bade- und Erholungssuchende, Wassersportler und Angler. Wassersportanlage gewürdigt. Darüber hinaus weist der See im gesamten mittleren Der 2. Weltkrieg führte dann zu ihrer nahezu voll- Neckarraum den einzig nennenswerten Röhricht- ständigen Zerstörung. In der Nachkriegszeit wurde bestand auf und ist als Lebensraum seltener Arten der See wieder für Wassersportaktivitäten und zum von großer Bedeutung. Kiesabbau genutzt.

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Abbildung 50: Max-Eyth-See mit Neckar im Vordergrund

Die Wasserqualität des Sees ist schlecht. Neckar und aufgrund der bei jüngsten Untersuch- Nährstoffeinträge aus dem Neckar führen zu über- ungen festgestellten Massenentwicklungen toxischer mäßigem Algenwachstum, geringer Sichttiefe, Cyanobakterien muss das 1978 durch die Stadt Sauerstoffmangel und partiellen Fischsterben. Stuttgart vorsorglich ausgesprochene Badeverbot für In den Sommermonaten finden deshalb Belüftungs- den See auch weiterhin aufrecht erhalten bleiben. maßnahmen statt. Durch Keimbelastungen aus dem

45 Eine Verbesserung der Wasserqualität kann langfri- In Zusammenarbeit mit den Angelvereinen würde stig nur durch eine Sanierung des Max-Exth-Sees ein Bewirtschaftungskonzept mit regelmäßigem erreicht werden. Das Ziel muss sein, die Nährstoff- Abfischen des Fischertrags zu einer Nährstoff- belastungen soweit zu senken, dass der heute in der reduzierung im See beitragen. Trophiestufe IV, polytroph eingestufte See zumindest wieder der Trophiestufe III, eutroph, zugeordnet Die gleichförmige Linienführung und Steilheit der werden kann. Hierzu muss zunächst die Verbindung Ufer in der Wasserwechselzone muss in eine „biolo- zum Neckar und damit die konstante Nährstoff- gisch funktionierende“ Flachwasserzone umgewan- zufuhr unterbunden werden, da sie die ökologische delt werden. Dazu müssen die bestehenden Stabilität des Sees durch Defizite in der Sauerstoff- Befestigungen entfernt und die Ufer abgeflacht versorgung gefährdet. Unterstützend müssen werden. Gleichzeitig müssen die neu entstandenen weitere Maßnahmen zur Nährstoffentfernung und erweiterten Zonen gegenüber den für die ergriffen werden. Hierfür kommen sowohl techni- Freizeitaktivitäten genutzten Flächen abgegrenzt sche Ansätze als auch „naturnahe“ Verfahren in und geschützt werden. Frage. So können Eingriffe über die Nahrungskette helfen, die Überdüngung zu reduzieren.

4.3.2 Die Parkseen Bärensee, Neuer See und Pfaffensee

Neben dem Max-Eyth-See handelt es sich bei den Flächen von jeweils 5 Hektar auf, der Bärensee vorderen Wildparkseen Bärensee, Neuer See und bedeckt über 4 Hektar Fläche. Die Seen liegen im Pfaffensee um die größten Seen auf Stuttgarter beliebtesten Naherholungsgebiet von Stuttgart, dem Gemarkung. Pfaffensee und Neuer See weisen Naturschutzgebiet Rot- und Schwarzwildpark.

Abbildung 51: Blick auf den Neuen See

46 Im Jahr 1566 ließ Herzog Christoph die Glems zur Da bislang die vorderen Wildparkseen kaum unter- Sicherung der Trinkwasserversorgung und des sucht waren, ging es zunächst darum, abgesicherte Betriebs der Mühlen im Nesenbachtal zum Pfaffen- Grundlagendaten zu erheben. Die Ergebnisse des see aufstauen. 1618 wurde dann der Bernhards- Gutachtens stützen sich auf Untersuchungen über oder Bärenbach unter Herzog Johann Friedrich zum einen Zeitraum zwischen 1998 und 2001 und Bärensee aufgestaut und durch einen Graben mit umfassen u.a. chemisch-physikalische Parameter dem Pfaffensee verbunden. wie Sichttiefe, Temperatur- und Sauerstoffbilanz, biologische Untersuchungen zu Wasserpflanzen Der Neue See entstand in den Jahren 1826-33 und Planktonvorkommen sowie die Erfassung zwischen Pfaffensee und Bärensee und war als von Nährstoffen. reiner Speichersee konzipiert. Die Nutzung der Seen als Trinkwasserspeicher wird erst 1998 mit Einstel- Alle drei Seen sind heute als mäßig eutroph einzu- lung des Betriebs des Wasserwerks Gallenklinge stufen. Langfristig zeichnet sich ein Trend zu einer aufgegeben. weiteren Eutrophierung der Seen ab. Dies gilt erwartungsgemäß besonders für den Mit Einstellung der früheren Nutzung stellte sich die Neuen See, der bisher durch große Trinkwasser- Frage nach einem neuen Konzept für die Unter- mengen aus der Bodenseewasserversorgung in haltung und Bewirtschaftung der Seen. Um heraus- einem künstlichen Gleichgewicht gehalten wurde. zufinden, in welchem Zustand sich die vorderen Vorschläge zur Sicherung des Zustands der Seen Wildparkseen nach der Nutzungsänderung befinden sowie zu ihrer nachhaltigen Entwicklung setzen und wie sie sich augenblicklich weiterentwickeln, deshalb auch an der Vermeidung weiterer Nährstoff- hat das Amt für Umweltschutz gemeinsam mit dem belastungen und an einer naturnahen Entwicklung Staatlichen Forstamt des Landes eine Studie beim der Ufer an. Institut für Landschafts- und Pflanzenökologie der Universität Hohenheim in Auftrag gegeben.

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47 5. Bildnachweise

Landesanstalt für Umweltschutz

Zeigerorganismen der Abbildung 4 mit freundlicher Genehmigung und Unterstützung der Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg

Landeshauptstadt Stuttgart, Stadtplanungsamt

Abbildung 50 – U. Schmidt-Contag

Landeshauptstadt Stuttgart, Amt für Umweltschutz

Abbildungen 2,11,14-15, 27,38 – M. Seethaler

Abbildungen 6-10,12,16-20, 26, 28-37, 39-49, 51 – M. Fritz media_projekt, www.projekt-media.de

Titelbild, Abbildung 13 – B. Mutz

48 6. Literatur

Rott, U, Schlichtig, B (2003): Untersuchung der Wasserqualität des Max-Eyth-Sees in Stuttgart sowie Empfehlungen zu deren Verbesserung - nicht veröffentlicht, Universität Stuttgart, Institut für Siedlungswasserbau, Wassergüte- und Abfallwirtschaft

Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg (2002): Beschaffenheit der Fließgewässer, Jahresdatenkatalog 1972-2000, CD-ROM, Karlsruhe

Tremp, H (2001): Die vorderen Stuttgarter Wildparkseen -Pfaffensee, Neuer See, Bärensee- Eine limnologisch-ökologische Beurteilungsgrundlage für ihre nachhaltige Entwicklung – nicht veröffentlicht, Institut für Landschafts- und Pflanzenökologie, Universität Hohenheim

Fink, C (1997): Kommunaler Umweltbericht – Naturschutz und Landschaftspflege, Landeshauptstadt Stuttgart, Amt für Umweltschutz

Peissner, Thomas, Kappus, Berthold M. (1998): Stuttgarter Flußkrebse – Verbreitung, Gefährdung und Schutz, Schriftenreihe des Amtes für Umweltschutz Heft 4/1998, Landeshauptstadt Stuttgart

Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg, Band 67 (2001): Gewässerstrukturgütekartierung in Baden-Württemberg, Karlsruhe

Nestmann, Franz, Lehmann, Boris (2000): Anlagen zur Herstellung der Durchgängigkeit von Fließgewässern, Heft 63, Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg, Karlsruhe

Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg (1994): Gewässerrandstreifen – Voraussetzung für die naturnahe Entwicklung der Gewässer – Leitfaden Handbuch Wasser 2, Karlsruhe

Wochner, Irmgard, Bauer, Manfred, Alt, Reinhold: Handbuch Wasserbau – Gehölze an Fließgewässern - Gehölzverwendung für die Entwicklung naturnaher Ufergehölzsäume, Heft 6, Umweltministerium Baden-Württemberg, Stuttgart

Kern, K., Bostelmann, R., Hinsenkamp, G. (1992): Handbuch Wasserbau – Naturnahe Umgestaltung von Fließgewässern, Heft 2, Ministerium für Umwelt Baden-Württemberg, Stuttgart

Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg (1994): Handbuch der stehenden Gewässer in Baden-Württemberg, Handbuch Wasser 2, Regierungsbezirke Stuttgart, Karlsruhe und Freiburg 5

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49 In der Schriftenreihe des Amtes für Umweltschutz sind bisher erschienen:

Jahresbericht 1992, Chemisches Institut (Heft 1/1993) - vergriffen - Energiesparendes Bauen (Heft 2/1993) Stadtklimatologische Stadtrundfahrt in Stuttgart (Heft 3/1993) Luftschadstoffbelastung an ausgewählten Straßen in Stuttgart (Heft 4/1993) Energiebericht, Fortschreibung für das Jahr 1992 (Heft 5/1993) - vergriffen - Jahresbericht 1993, Chemisches Institut (Heft 1/1994) Das Mineral- und Heilwasser von Stuttgart (Heft 2/1994) - vergriffen - Energiebericht, Fortschreibung für das Jahr 1993 (Heft 3/1994) Unser Beitrag zur V. Internationalen Gartenbaustellung IGA ’93 in Stuttgart (Heft 4/1994) Jahresbericht 1994, Chemisches Institut (Heft 1/1995) Energiebericht, Fortschreibung für das Jahr 1994 (Heft 2/1995) Die Böden Stuttgarts - Erläuterung zur Bodenkarte (Heft 3/1995) Energiekonzept Viesenhäuser Hof (Heft 4/1995) Der Steinkrebs im Elsenbach (Heft 5/1995) Jahresbericht 1995, Chemisches Institut (Heft 1/1996) Energiebericht, Fortschreibung für das Jahr 1995 (Heft 2/1996) Altlastenverdachtsflächen in Stuttgart (Heft 3/1996) - vergriffen - Altlastenverdachtsflächen in Stuttgart - Kurzfassung - (Heft 3/1996) - vergriffen - Stuttgarter Biotopatlas - Methodik, Beispiele und Anwendung (Heft 4/1996) - vergriffen - Jahresbericht 1996, Chemisches Institut (Heft 1/1997) Energiebericht, Fortschreibung für das Jahr 1996 (Heft 2/1997) Klimaschutzkonzept Stuttgart (KLIKS) (Heft 3/1997) Das Stuttgarter Mineralwasser - Herkunft und Genese (Heft 1/1998) Jahresbericht 1997, Chemisches Institut (Heft 2/1998) Schallimmissionsplan Stuttgart - Vaihingen (Heft 3/1998) Stuttgarter Flusskrebse - vereinfachter Nachdruck - (Heft 4/1998) Energiebericht, Fortschreibung für das Jahr 1997 (Heft 5/1998) Verkehrslärmkartierung Stuttgart 1998 (Heft 6/1998) Sprengbomben und andere Kampfmittelaltlasten 1945 - 1998 (Heft 7/1998) Pflege- und Entwicklungsplan Vördere (Heft 8/1998) Kalibrierung regionaler Grundwasserströmungsmodelle (Heft 1/1999) Jahresbericht 1998, Chemisches Institut (Heft 2/1999) Lärmminderungsplan Stuttgart-Vaihingen, Runder Tisch (Heft 3/1999) Altlastenerkundung Neckartalaue, Abschlussbericht (Heft 4/1999) Die Wildbienen Stuttgarts (Heft 5/1999) Energiebericht, Fortschreibung für das Jahr 1998 (Heft 6/1999) - vergriffen - Pilotprojekt Lärmminderungsplan Stuttgart-Vaihingen (Heft 1/2000) - vergriffen - Stuttgarter Biotopatlas - Methodik, Beispiele und Anwendung (Heft 2/2000) - vergriffen - - überarbeitete Neuauflage - Kombinierte Markierungsversuche im Mineralwasseraquifer Oberer Muschelkalk, Stadtgebiet Stuttgart (Heft 1/2001) Energiebericht, Fortschreibung für das Jahr 1999/2000 (Heft 2/2001) ISAS - Informationssystem Altlasten Stuttgart (Heft 3/2001) Die Amphibien und Reptilien in Stuttgart (Heft 1/2002) Energiebericht, Fortschreibung für das Jahr 2001 (Heft 2/2002) Das Grundwasser in Stuttgart (Heft 1/2003) Energiebericht, Fortschreibung für das Jahr 2002 (Heft 2/2003) Lärmminderungsplan Stuttgart-Zuffenhausen (Heft 1/2004)

Die Ausgaben der Schriftenreihe erscheinen in begrenzter Auflage. Sie sind gegen eine Schutzgebühr, zuzüglich 3,00 € für den Postversand erhältlich bei: Landeshauptstadt Stuttgart, Amt für Umweltschutz, Gaisburgstraße 4, 70182 Stuttgart.

50 Impressum

Herausgeberin: Landeshauptstadt Stuttgart, Amt für Umweltschutz Abteilung Immissionsschutz-, Abfallrechts-, Wasser- und Bodenschutzbehörde Kommunale Altlasten in Verbindung mit der Stabsabteilung Kommunikation (Team Öffentlichkeitsarbeit)

Texte: M. Fritz

Fotos, Bilder und Grafiken: M. Fritz M. Seethaler U. Schmidt-Contag media_projekt

Kartengrundlagen: Stadtmessungsamt Stuttgart

Gestaltung und Produktion: media_projekt, www.projekt-media.de

Schutzgebühr: 5,- € Stuttgart, Juni 2004

ISSN 1438-3918