Hermann Beck Vom Pfaffenwald zur

Die Glems und ihr Tal .,

1. Name und Quelle Die Quelle liegt439 m ü. NN im Stubensandstelll des Keupers. Das Was er der feuchten Glem~wie ­ Die Entstehung des Namens der Glcms liegt im se am Rotwildgehege tritt am Glemsbrunnen 7Uta­ dunkeln der Geschichte. Er ist nach dem Histori­ ge und fließt durch einen lichten Buchenwald, in schenAUas von Badcn-WUrttembcrg indogerma­ einem kurzen Lauf von nur I km, in den Pfaffen­ nisch und stammt aus einer Zeit, ehe sich in Mi r­ see. Dieser wurde 1566 unter Herzog Christoph teleuropa Einzelsprac hen wie dns Kelt isc he oder angelegt. um den Nesenbach in Trockenzeit en mit German ische gebi ldet haben. Diese alteuropäi­ Wasser zu versorgen. Die st.llndi gen Klage n der schen Gcwlissernumen bezeichnen oft Eigenschaf­ Stuttgnrter Müller, Gerber und Färber über den ten des Wassers (Murr= .,Die Peuchte, die Modri· Wassermangel wurden vom Herzog erhör! und ge"; =,.der heftig Bewegte"). Dem Na men Abhilfe geschaffen. Durch den 850 Meter langen Glems li egt .,Gium isa" zugrunde, was sich von Cbristophsstollen wird auch heute noc h Glcms­ "glem" ="Schleim" ableitet. "Die Schleimige, die wasser nach geleitet. Doch des einen Schlammige" wtirc demnach die ursprüngliche Freud ist des anderen Leid. Durch diese Verle­ Bedeutung. gung der Wasser chcidc zwischen Glems und Zum ersten Mal taucht der Name im Codex Nesenbach kamen jetzt die Müller an derGiem 10 Laureshamensis (772 880) und dann in Urkunden Wassernot und arge Bedrängnis. die sich out der des 12. und 13. Jh. auf als .,Giemisgoue·' oder späteren Anlage des Bären~ees und des Neuen .•Giemsgeu .'' ln einem Urbar von 1350 liest man Sees im Glemswald noch steigerte.ln einem Brief dann die Bezeichnungen ..... and der Glemse, ... bi von 1835 beklagen sich der Obennüller. Brud.­ der Glemsc .... gender Glem e" (0rt.'>namenbuch müller und Untennüller au Markgröningen bei Stuttgnrt/ S. 57). der Königlichen Finanzverwaltung. daß .. unser Die Glcms entspnngttm Pfaffenwald, im Natur­ Gewerbe den empfllldlichsten Schaden crhtten·• schutzgebiet Rot- und Schwarzwildpark, 2 km habe, und sie verweigerten sich e1ner Steuerum­ südöstlich von Schloß Solitude. und damit auf stellung bis zur ,.voll ständigen E n t~chlidig ung" Stuttgarter Markung. (Staatsarchiv Ludwigsburg. F 66 BU 172).

Durch die Stadtbrille ... Band 5, 1995 9 Das Qmdlxtbttt dtr Gltms. Orohydrographische Karte 1:5{)()()() ( /..cmde.wermtssungJamr Bad.·Wünt. )

10 Durch dlo Stadtbrille ... Band 5, 1995 2. Die Obere Glems ninger Narurtheater herkommt, endet hi er der Ober­ lauf der Glems. Die eigentlichen Qucllb:ichc der Glcms sind heute der Katzenbach und der Stein buch. die in der Nähe 3. Der Mittellauf durch das Strohgäu de~ Stuugartcr Autobah nl..rcuzes entspringen und sich bei Bü~nau vereinigen. Am Diebsbrunnen. Abruptändert sich der Lauf derGlem~ bi!t Eltingen. beim Forsthaus 1m Schanengrund. erreichen sie Sie verläßt die Westrichtung und btegt. der Wasser­ den alten Glemslnuf und treffen auf ein Rinnr.al. bachverwerfung folgend. 10 '>PII7em Winkel nach das vom Neuen See herkommt und dem Bach Nordosten in ein enges Muc;chelkalktal. Von Leon seinen 1 amen gibt. Entlang der ehemaligen Soli­ berg über Höfingen bts zur ZechlesmiJhle bei tude-Rennstrecke Oteßt die G l em~ durch das Mah­ hat sie sich tief 10 da~ Dolomitgestein dental nach Westen in Richtung Leonbcrg. des Hauptmuschelkalk~ eingeschnitlen. Da Tal Nach der Ga~t ~täne Glemscck wird das Tal macht die Schlingen der Glems mit. Talmlinnder immer breiter und offener. Lang~am und mi t vie­ nennen das die Geologen. Ein \Ieiter Prallhang len Bachschlingen nießt dte Glems. jetzt im Gips­ und ein gegenüberliegender nacher Gleithang keuper, gegen das Schichtfallen. Das Gefälle be­ wechseln sich in jedem Talbogen ab. Die S tral~e trügt nur noch 1, 1 %·o, d. h. 1,10 m auf I km. Der von Ditzingen nach Höfingen und weiter nach Talboden ist naß und moorig. Die Flurnamen .,Sec­ Leonberg muß das Glemstal verlassen, weil fUr wiesen" und .,Riedwicscn" zwi~chc n dem Auto­ sie, im Gegensalz zu r S-Bnhntrassc, kein Plntz bahndreieck Lconberg und der Anschlußstelle mehr ist. Leonberg sind bezeichnend. Vor Ditzingen taucht dann der MuschelkalJ.. Wenn Markgrö ningcrdurch den Engelbergtunnel unter die Erdobedläche ab und der Lcll cnkeuper nach Süden fahren und sie von ihren heimischen blldet flache Talbänge. Sie ermöglichen einen Wanderungen her nur das enge. steilhangigc Tal bequemen Übergang iiber das breite Tal fllr die der Unteren Glems l.ennen. dann werden sie kaum Bundesstraße 296 und für dieS B;thn 6 von Stutl­ vermuten. daß duo; breite, weite Tal, das vor ihnen gart. Liegl. das Glem\tal ist. Ditzingen liegt in einer nachen weiten Letten­ Ehe die Glems unter der Autobahn durchgeleitet keupermulde, die die Glems mit etnem Gefalle wird, macht sie dte Bcl.anmschaft mit einer Klär• von jetzt 3.7 %c von We ten nach Q,ten durch­ anlage, deren noch 5 weitere (in'>gesamt liegen an fließt. Im Zentrum der Stadt hat man die Glems in der Glems 6) folgen werden, i~t die er Bach doch den Untergnmd verbannt. und nur dte Glemsstra­ derVornuter für dte Abwlis er von et\\a 220.000 ße zeugt von ihrem einsugen Verlauf. Zwet Uber Menschen. 500 Jahre alte Kirchen. tu beiden Seucn der Glem~ ln einem kanalnrtigcn Bett. ohne jede Windung. gelegen, zeigen an. daß diese die Gren1e 7wischcn wird sie dann durch das lndu\tnegebiet Hertig im den beiden Bistümern Konstant und Speyer war. Süden vom Leonbcrg nach Ehingcn gefl.ihrt. Mit Mit dem Wasser vom Beutenbach. Rappbach der Einmündung de~ Wasserbnch~. der vom Ren- und Lindenbacb. die von der Schtllcrhöhc bei

Durch die Stadtbrille ... Band 5, 1995 11 kalk ein und nießt auf wasserundurchlässigen. leicht geneigten Schtchten in der Tiefe unter dem Glemswald hindurch zum Neckar. Bei Bad Cann­ :.tatt dringt das unter Druck stehende Wasser wie in artesischen Brunnen wieder an die OberflUche. Auf teigende Kohlensliure verstärkt den hydro­ statischen Auftrieb des mit Minerahen angerei­ cherten Wasser.. insgesamt chütten Mineralquel­ len aus 23 Fassungen etwa 200 I/sec m11 einer Temperatur lWtschen 14 und 21 °C. Sie machten Bad Cannstan ctnst 7U einem Kurort und speisen heute die Mineralbilder Leuze und Berg. Nach Oit.Zingcn wendet sich die Glems mit ei­ nem scharfen Knick nach Norden und schneidet '>ich erneut in den am Muldenrand wieder auftau­ chenden Muschelkalk em. Nun hat sie den be­ schwerlichsten Teil ihres Laufes vor sich. Der Scbwäbisch-Frtinkische Sauet, eine geologisch

• Outfl•" llf'l4lf Q ''"•hrtt WOu•r ,..:, loitfMt"' Ckho11tn •" t.ackltn Stoßet~~' junge Aufwölbung der Gesteinsschichten, die von mall ff>QII • • 0 t000 • Q lS00. 4QOO der Hornisgrindc im Schwarzwald bis wr Back­ • e IOOO ·ISOO • g Q!,w 4oOOO nanger Gegend von Westen nach Osten verläuft --...... _. w-...... , __ und die als das geologische Rückgrat von Würt­ ..-.,...-.l y.,...... temberg bezeichnet wird. muß überwunden wer­ den. Der Scheitel dieses Sattels liegt bei der Nippen­ llukunft du Gerlingen und von der Solilude herkommen. er­ burg, und hter hat !>ich die Glems 40 m in den Mineralwässer höh die Glems Oberden Lachengraben in Dil2ingen harten Mu chelkalk eingelieft. Das Tal ist so eng, I'(J/1 Stuugart-Batl ihren letzten regelmäßigen Zunuß. Alle Neben­ daß für einen durchgehenden Weg kein Platz ist. Connsta/1. bliche nördlich davon. wie der Räuschelbach bei Jetzt muß selbst der Wanderer das Glemstal ver­ Aus: Erfiiutenm· gen .;ttr geologi· MUnchtngcn, versickern im klüftigen Untergrund lassen und einen Umweg Ober das neu angelegte sdrttr Kam~ ron dc~ Muschelkalks und erreichen die Glerns nur Golfplatzgeltinde und das Hofgut Nippenburg S/llttgart und Um­ nach starken Regenfällen oder bei der Schnee­ machen. gebrmg S. J6() !>Chmclle. Bei Schwteberdingen kreuzt die nördliche Rand­ Bei threm Lauf durch das westliche Strohgäu verwerfung des Fitdergrabens (Bad Cann~tatter durchmeßt die Glems das etwa 150 k.m1 große Brüche ) das Glem~tal und bewirkt eine Stauung. Einzugsgebiet der Mineralwässer von Stultgart­ Dadurch mäandriert der Bach in einem breiteren ßad Cannstatt. Auch sie verliert viel Wasser. Es Tal. Am Ortsrand von Schwicbcrdingen endet das vcr,icken im Bachbett. dringt tief in den Muschel- Landschaftsschuugebiet .,Mittleres Glemstat··.

12 Durch die Stadtbrille ... Band 5, 1995 Vereinfachrer geo­ WNW OSOISW NO logischer Seimirr durch das Eil1· Strohgau Glemswold :ug.rgebiet der M inualwiirst'r 1'011 Stuugart-Bad c011/l.fl(lf( Aus: Erläutuun• gm :;Jr gt'ologi­ sc:hm Karte \'On Stufigart und Um­ gt'bung S. /6/

Ut~terirdisches Wondergeb1et

rT""l'"'1 Oborer r-1 Unterer c:Javnttond•loln UKeuper ~Musd>tl~al1t L___j Musd>el1tol1t fö":'7':"1 Wonderweg - Stoln•olz -Gip• ~Kohl••uöure --.....Jdes Wanen ------Karstwot"rspfegol

4. Unteres Glemstal Das Bachbett wird durch Auskolkung (Strudel­ löcher), die Ufer durch UntcrspUiung stark bean­ Zwei wichtige Verkehrslinien Oberqueren zwi­ sprucht und bedürfen ständiger Ausbesserung und schen und Markgröningen das Pflege. Tal der Unteren Glems. I loch Oberspannen die Das letzte Hindernis fUr die Glems ist der Leu­ Viadukte der Bundesstraße I 0 und der Sehneli­ delsbachsattel. den der Bach bei der PapiennUhle bahntrasse Stuugart-Mannheun den Bach. Ein durchschneidet. Die Engstelle dort zeigt an, wo großer Steinbruch bei der ehemaligen Oberen diese Aufwölbung von etwa 10m, die sieh vom Mllhle gibt einen Hinweis auf dte gute Qualität Aichholzholf zum Rotenacker Wald hinzieht, das des Muschelkalks als Schouermatenal. Olemslal quen. Zwischen Markgrönmgen und Unterrie:Ungen Bei Talhausen erreicht die Glems das 1979 in ist das Glemstal scharf in dte wellige Gäun1!che Betrieb genommene Gruppenkliirwerk. das von eingekerbt. Ote Strömung der Glems ist hier mil den Gemeinden MUnchingen. Hemmingcn, Eber­ 6 %csehrstark. Aufnur 5 km werden30m Höhen• dingen-Hochdorf.Schwiebcrdingcn und Markgrö­ unterschied llberwunden. Vier Mühlen, eine Pa­ ningen gemeinsam betrieben wird. Der reben­ piennUhle und eine Hammer.chmiede nutzten einst rragende Steilhang der Talhtiuser Berge Ube r dem auf Markgröninger Markung diese Wasserkraft. Betriebsgelände wirkt wie da!> I laibrund eines

Durch die Stadtbrille ... Band 5, 1995 13 römischen Amphitheaters und versöhnt das Auge tern durch Keuper und Muschclkall mUndet die !"Ur den weniger schönen Anblick der Kläranla­ Glems 188 m U. NN in die En1. gen. die 7.. Zt. erweitert werden. Mit KlärWasser angereichen fließt die Glems auf ihren letzten Ureratur Kilometern weiter nach Norden. Auf stillen Wie­ Histarisclttr ;\t//1\ l'tl/1 Btttltn· Wl/rtttmbtrg: Erläwe• sen und Waldwegen geht es durch das Gou sei nmgtll. StillfROrt 1979 Dank verkehrsfemdliche Tal. Erlauttrmtgtll :ur Rtologi!dttn Kont I'OII Snmgan wttl Umgtbun.!f I 5()()()(). f'reiburg /959. Lmkcr I land <.tößt d1e Rernser Klinge. auf einer Rticlmrdt. 1..111:. Ortlllllllltnbudt dt\ Stadtheists Snm­ Kane \Oll 1751 lnssenllinggenanm. vom Frauen­ gan und drs LcmtlkrtiSI'! l..l1d11 iX!bur~. Sumgan 1981. weg (östlich vom Muggen!>chupt) ins Glernstal Strobtl. 1\ mfritd: l:.rtl und Utlldsrhaftsgesclticlue. hmab. Khngen sind kleine, meist steile Seiten­ Dit:.mger 1/tunatburlt 1966 ttller. die nur selten Wasser führen. Sie beginnen Hulltlllut:lttr. Fnl'tlndt. Kltilll' !(tliRrnfiscllt Lltndes­ 11111 emer flachen Mulde, auf der mit Lößlehm lwmle Badtn·\Vilrttembr1g. Karl.mtltt /960. bedeckten GtiuOiiche und versteilen sich stark. Wandtm in ßmltn·IVflmembrrg. Tour Nr. 6: Im Gltii/S· nachdem sie die Talkante erreicht haben. Der tal \ 't/11 Dlt~lngtll lrt/111 Marl.flrliningen. Umweltmini· KUh le Brunnen zwischen liart und St. Johännser .llerium Stuugart. und die llimcre Steige sind weitere Beispiele. An den Schottenhängen des Un teren Glemstals fi ndet man den rcuchtigkeitsliebenden, strauch­ reichen ,. Kiechwald", bei un s "Hälden" genannt. ln der Krautschicht sind Aronstab. Lungenkraut und Maiglöckchen typische Pflanzen. Die son­ nen~eitigen Htinge tragen mageren Trockenrasen mit den POnnlen der "Steppenheide". wie Siiber­ di~tel. Küchenschelle. Enzian und verschiedene Orchideen. Da heute eine Beweidung fehlt. dro­ hen diese I llinge lUluwachsen, und sie müssen in Handarbeit durch den Menschen offengehalten werden Aufgelassene Weinberge sind trotz Ver­ buschung und Baumbewuchs durch ihre teilweise erhaltenen rrockenmauern und Terrassen noch zu erkennen und bezeugen einen früher sehr viel ausgedehntercn Weinbau im Glemstal. Begleitet von zwei Bergrücken. den Hummel­ berg 1.ur Linken und den Hohberg zur Rechten. läuft das Glemstal in Umerriexingen aus. Nach einem Lauf von48 abwechslungsreichen Kilome-

14 Durch die Stadtbrille •.• Band 5, 1995