Cosack U3:01 Text Mit Anm GANZ
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ERHARD COSACK LATÈNEZEITLICHE FUNDHORIZONTE AUF DEN HÖHEN DER »NIEDERSÄCHSISCHEN MITTELGEBIRGE« UND DEREN INTERPRETATION VOR DEM HISTORISCHEN HINTERGRUND IHRER ZEIT UNTER MITARBEIT VON HARALD NAGEL, CLAUS-GÜNTHER KULLIG UND VERONICA KÖNIG Zur topografischen Lage und Entdeckung der Fundhorizonte 298 Der Fundhorizont unterhalb der Barenburg und seine Der Fundhorizont im Deister bei Springe, Befundsituation . 316 Region Hannover . 298 Kriegerische Ereignisse in der nördlichen Mittelgebirgszone . 324 Der Fundhorizont am Negenborner Burgwall Zum Fluchtverhalten der Bevölkerung . 324 bei Einbeck, Lkr. Northeim . 299 Zur Auswirkung der kriegerischen Ereignisse Der Fundhorizont unterhalb der Barenburg bei Eldagsen, auf die Bevölkerung . 329 Springe, Region Hannover . 301 Hinweise zu den Angreifern . 333 Die Interpretation der Fundhorizonte . 302 Abschließende Bemerkungen . 339 Überlegungen zur Deutung der Fundhorizonte . 302 Der Fundhorizont im Deister und seine Befundsituation . 305 Katalog . 341 Der Fundhorizont am Negenborner Burgwall und seine Literatur . 392 Befundsituation . 314 Zusammenfassung / Summary / Résumé . 393 Die in der Mittelgebirgszone gelegenen Befestigungen werden in der archäologischen Fachliteratur häufig als befestigte Höhensiedlungen angesprochen. Dies ist in besonderem Maße bei den Anlagen der Latène- zeit der Fall, wobei in dieser Aussage eine Orientierung an die historisch überlieferten und gelegentlich auch archäologisch erschlossenen keltischen Oppida unverkennbar ist. Das dabei gewonnene Bild von »stadt artigen« Ansiedlungen, die von umfangreichen und teilweise recht aufwändigen Befestigungswer- ken umgeben sind, wird nun vielfach auf gleichartig erscheinende Anlagen übertragen, obwohl diese nicht unbedingt im keltischen Siedlungsgebiet sondern deutlich davon abgesetzt liegen. Die Vorstellung von befe- stigten Höhensiedlungen ist nun zumindest teilweise auch für die »Niedersächsische Mittelgebirgszone« mit ihren mutmaßlich in die Latènezeit zu datierenden Wallanlagen in Anspruch genommen worden (z.B. Tode 1958, 200), ohne dass dazu die erforderliche Beweisführung auch tatsächlich erbracht worden wäre. Nun sind in diesem Gebiet an drei von Raubgräbern mit Detektoren entdeckten und teilweise begangenen Plätzen auch latènezeitliche Fundhorizonte in offener Höhenlage zutage gekommen. Bei diesen handelt es sich um die erst kürzlich im Deister sowie unterhalb der Barenburg entdeckten und prospektierten Fund- plätze. Hinzu kommt noch der Altfund im Einbecker Stadtforst, den der Verfasser in einem unmittelbaren Bezug zum Negenborner Burgwall gesehen und ihn 1988 auch so publiziert hat. Diese Interpretation konnte dann allerdings insofern nicht mehr vertreten werden, als eine inzwischen neu erschlossene Befund- situation darauf schließen ließ, dass es sich hierbei vielmehr um die archäologische Spur einer Flucht - bewegung handeln müsse (Cosack 2008, 108). Mit dem nicht sehr umfangreichen, aus einer Raubgrabung stammenden Fundmaterial und ohne entsprechende Parallelfunde konnte diese These allerdings nicht in dem erforderlichen Maße abgesichert werden. Die jetzt im Deister sowie unterhalb der Barenburg erschlos- Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 54 · 2007 297 senen Fundplätze werfen die Frage nach der Interpretation solcher Fundhorizonte in offener Höhenlage erneut auf. Dabei ist die Quellenbasis jetzt insofern ungleich günstiger, als nun ein umfangreiches und viel- schichtiges Material zur Verfügung steht. In diesem Zusammenhang wird allerdings auch eine erneute Vor- lage des latènezeitlichen Fundmaterials vom Negenborner Burgwall unverzichtbar, zumal dazu nicht nur einige Ergänzungen zu machen sind, sondern bei dem hier zu behandelnden Thema eine konzentrierte Materialvorlage gleichermaßen von Vorteil erscheint. ZUR TOPOGRAFISCHEN LAGE UND ENTDECKUNG DER FUNDHORIZONTE Der Fundhorizont im Deister bei Springe, Region Hannover Nur wenige Kilometer südwestlich von Hannover entfernt befindet sich der Deister, der zum Rand der hier auslaufenden Mittelgebirgszone gehört. Er erstreckt sich annähernd in westöstlicher Ausrichtung und erreicht eine durchschnittliche Höhe von etwa 250m ü. NN. Der Deister ist bereits in den 1970er Jahren systematisch nach Hügelgräbern abgesucht worden (Temps 1974). Dabei hat sich gezeigt, dass diese sich in einer lockeren Streuung auf dem Südhang des Deister verteilen, während seine Nordseite fundleer geblieben ist (Cosack 2003, Abb. 1). Dieser Teil scheint also zur Bronzezeit und wohl auch zur Eisenzeit eher gemieden worden zu sein, was für seine allgemeine Ungunst spricht. In dieses Fundbild fügt sich die hier zu behandelnde latènezeitliche Fundstelle von ihrer Lage problemlos ein. Sie liegt etwa 3km oberhalb der Stadt Springe und ist von dem hier steil ansteigenden Fuß des Deister durch einen tiefen Taleinschnitt, den Sachsgrund, zu erreichen. Dieser läuft dann weiter oberhalb in zwei Erosionsrinnen aus zwischen denen sich ein abschüssiger Rücken gebildet hat, der wie auch die umgebenden Bereiche in höherer Lage in einen ebenen Geländeteil übergeht. Innerhalb dieses Abschnittes befindet sich auch die Fundstelle (Abb. 1; 8, 2). Ihr ist nach Süden der Bielstein – ein etwa 320m hoher Bergzug – vorgelagert, der sie mit seinen Steilhän- gen und Klippen riegelartig zum Tal abschirmt. Die Fundstelle wurde 2005 zufällig von zwei mit Detektoren ausgestatteten Raubgräbern bei einem Streif- zug durch den Deister entdeckt; sie stießen dort auf mehrere weitflächig verteilte Metallobjekte, die sie als mittelalterlich deuten. Von diesen Funden erfuhr die Bezirksarchäologie Hannover 2007 und nahm umge- hend Kontakt zu den Detektorgängern auf. Bei einer Sichtung des bei ihnen angetroffenen Materials zeigte sich dann jedoch, dass die Fundobjekte nahezu ausschließlich der Latènezeit zuzuweisen sind. Nun hatten die Detektorgänger zwar alle von ihnen georteten Eisenobjekte geborgen, jedoch nur einen Teil davon mit- genommen und den Rest vor Ort liegen lassen, wo sie dann von den Mitarbeitern der Bezirksarchäologie aufgefunden wurden. Leider ist bei dieser Entsorgungsaktion eine Reihe weiterer Fundobjekte verloren gegangen, da die Raubgräber sich nicht mehr konkret an die Ablagestellen erinnern konnten. Möglicher- weise haben sich darunter auch latènezeitliche Objekte befunden. Nach den Erkenntnissen, die die Bezirks- archäologie bereits bei der Prospektion der im ehemaligen Regierungsbezirk Hannover gelegenen latène- zeitlichen Befestigungsanlagen (Cosack 2008) gewonnen hatte, war der spezielle Charakter der Fundstelle im Deister bereits zu erahnen. Dies veranlasste die Bezirksarchäo logie Hannover 2008 zu einer systemati- schen und weitflächigen Prospektion im Fundgebiet sowie in dessen Umfeld. Dabei konnte der latènezeitli- che Fundhorizont noch weiter nach Südwesten verfolgt werden, wo er dann auf dem bereits oben ange- sprochenen Geländerücken auslief. Das Fundgebiet wurde 2009 und 2010 erneut von der Bezirksarchäolo- gie Hannover prospektiert. Dies hat das Fundbild nicht nur deutlich verdichtet, sondern im gleichen Maße auch weitere wichtige Hinweise auf dessen Interpretation erbracht. 298 E. Cosack · Latènezeitliche Fundhorizonte auf den Höhen der »Niedersächsischen Mittelgebirge« Abb. 1 Lage des latènezeitlichen Fundhorizentes im Deister bei Springe, Region Hannover. Der Fundhorizont am Negenborner Burgwall bei Einbeck, Lkr. Northeim Unmittelbar im Nordosten an die Stadt Einbeck angrenzend befindet sich der Einbecker Stadtforst. Er liegt auf einem Muschelkalkrücken, dessen mittlere Höhe etwa 290m ü. NN liegt. Ungefähr 800m nordwestlich der an seinem Fuß gelegenen Ortschaft Negenborn erhebt sich eine 325m hohe Bergkuppe, die die Bezeichnung Burgberg trägt. Dies ist insofern gerechtfertigt, als sich dort auch tatsächlich eine Wallanlage befindet. Das Befestigungswerk besteht aus einem etwa 140m langen und noch 1m hohen Erdwall, der die als Sporn ausgebildete Kuppe halbkreisförmig umschließt. Ihm ist ein Graben vorgelagert, dessen gegenwärtige Tiefe noch etwa 1m beträgt. Im Norden und Süden schwenkt der Wall ein und läuft an den Steilhängen aus, die den Bergsporn an den anderen Seiten begleiten. Ingesamt hat sich so eine durchaus wehrhafte Anlage ergeben (Abb. 2; 8, 8). In älterer Zeit galt diese als altsächsische Befestigung. Im Gegen- satz dazu hat v. Uslar (1967) in ihr aufgrund der Lage und Bauweise eine eisenzeitliche Wallanlage vermu- tet. Diese Datierung hat Plümer (1967, 142) insofern gestützt, als er im Profil eines durch den Wall geführ- ten Wirtschaftsweges nur eine einfache Aufschüttung aus Erde und Gestein feststellen konnte. Mit dieser entsprach die Befestigung ganz und gar dem Aufbau der »eisenzeitlichen« Wallanlagen, die Peters (1970, 138) inzwischen im Göttinger Gebiet untersucht hatte. Wegen des nur kleinen Aufschlusses konnte Plümer allerdings nicht klären, ob dem Negenborner Burgwall zur Stütze eine Holzkonstruktion vorgeblendet gewesen ist. Allerdings barg er aus dem Profil wie aus dem Innenraum einige Scherben (Abb. 25a. c), die einen eisenzeitlichen Zeitansatz zumindest sehr wahrscheinlich gemacht haben. Jahrbuch des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 54 · 2007 299 Abb. 2 Lage des latènezeitlichen Fundhorizontes am Negenborner Burgwall bei Einbeck, Lkr. Northeim. Weitere Hinweise zum Negenborner Burgwall sollten sich erst wieder 1984 ergeben, als die Bezirksarchäo - logie Hannover auf mehrere Raubgräber mit Detektoren aus dem Raum Einbeck aufmerksam wurde, die sich im Grenzgebiet zwischen den Regierungsbezirken Hannover und Braunschweig auf einigen Burganla-