politicum 107 Sie waren die Ersten: Steirische Politikerinnen

Anita Prettenthaler-Ziegerhofer (Hg.)

Editorial ...... 3

Anita Prettenthaler-Ziegerhofer Gedanken über Frauen, Gleichberechtigung und Politik ...... 5

Michaela Sohn-Kronthaler Die erste Generation steirischer Politikerinnen ...... 13

Karin Maria Schmidlechner Frauen und Politik in der Steiermark von 1945 bis 1995 ...... 33

Elisabeth Holzer Politikerin? Und was machen Sie dann mit Ihren Kindern? ...... 53

Trautl Brandstaller Amputierte Demokratie ...... 75

Heidrun Silhavy Wir Frauen müssen Chancen nützen ...... 81

Beatrix Karl Erfahrungen als „Frau in der Politik“ ...... 85

Maria Mosbacher Viele engagierte Frauen für die Politik ...... 87

Kristina Edlinger-Ploder Ansichten und Einsichten...... 89

Bettina Vollath Warum Politiker nicht zuhören und Politikerinnen (sich) schlecht einparken ...... 93

Walburga Beutl Mein Leben in der Politik ...... 97

Edith Zitz Mit „Brot und Rosen“ hin zum Gender Budgeting ...... 99 Lisa Rücker Machen wir Frauen es anders? ...... 101

Elke Kahr Als Frau für eine solidarische Politik eintreten ...... 105

Junge Steirerinnen: Was erwarte ich mir von Frauen in der Politik? ...... 107

Ex libris ...... 110

Autorinnenverzeichnis ...... 111

Wissenschaftlicher Beirat ...... 112 Editorial Steirische Politikerinnen

Sie waren die Ersten... Auf Anregung von Hauptautorinnen, Univ.-Prof. Dr. Micha- Landeshauptmann-Stv. Hermann Schüt- ela Sohn-Kronthaler, Univ.-Prof. Dr. Karin zenhöfer geht das vorliegende politicum Schmidlechner und Dr. Elisabeth Holzer, den steirischen Politikerinnen der ersten die die Rolle der steirischen Politikerin- Stunde und den Entwicklungslinien der nen in jeweils drei Zeitperioden (Erste Beteiligung der Frauen in der steirischen Republik, 1945 bis 1995 und seit 1995) Politik von Beginn der Republik bis in un- eingehend analysieren und dabei auch zu sere Tage nach. Dieses Bemühen um eine einem Gutteil wissenschaftliches Neuland erste umfassende Aufarbeitung der Rolle betreten haben. Es folgen ein grundsätz- der steirischen Politikerinnen fällt mit dem licher Beitrag von Dr. Trautl Brandstaller 90-Jahr-Jubiläum der Parlamentswahlen über die Rolle der Frau in der Politik sowie vom Februar 1919 zusammen, bei denen authentische Beiträge von aktiven Politi- Frauen in Österreich erstmals aufgrund des kerinnen in Bund, Land und Gemeinde. nun tatsächlich allgemeinen Wahlrechts Zu danken ist ebenso allen Mithelfern bei wahlberechtigt waren. Wenn damit Öster- der Redaktionsarbeit, namentlich Kathari- reich eher zu den Vorreitern gehörte (man na Konschegg, Doris Hammertinger, Mag. denke etwa daran, dass in der Schweiz auf Veronika Krysl, Nora Lackner, Manuel P. Bundesebene erst 1971, in manchen Kanto- Neubauer und Johann Trummer sowie nen erst in den 1990er Jahren das Frauen- der MedienAgentur 2412. wahlrecht verwirklicht wurde), zeigt doch Wir freuen uns, mit politicum 107 ein ers- der nach wie vor bescheidene Frauenan- tes umfassendes Dokument über die Rolle teil in den Regierungen und Parlamenten steirischer Politikerinnen vom Beginn der auf Bundes- und Landesebene, dass ein Republik bis heute vorlegen zu können. ausgewogenes Geschlechterverhältnis in Dieses Heft gibt einerseits einen guten der Politik leider noch nicht erreicht ist. Einblick und bietet eine facettenreiche Es gilt der inhaltlichen Herausgeberin die- Übersicht, andererseits werden aber auch ses politicum, Univ.-Prof. Dr. Anita Pret- noch offene Fragen und Aspekte aufge- tenthaler-Ziegerhofer, ein großer Dank, zeigt und damit die Basis für eine weitere ein konsistentes, interessantes und span- wissenschaftliche Analyse geschaffen. Wir nendes Heft gestaltet und hervorragende sind daher überzeugt, mit diesem Heft Autorinnen gewonnen zu haben. Allen einen wichtigen Beitrag zu einem sehr Autorinnen ist für ihre wertvollen Beiträge wesentlichen Thema unserer Gesellschaft zu danken, ein besonderer Dank gilt den beisteuern zu können. (KP) 

3 Gedruckt mit freundlicher Unterstützung von

Impressum:

politicum 107 30. Jahrgang; März 2009

Medieninhaber und Herausgeber: Verein für Politik und Zeitgeschichte in der Steiermark , 8010 Graz, Karmeliterplatz 6; ZVR-Zahl: 017681930 für den Inhalt verantwortlich: Klaus Poier Redaktion (Red.): Klaus Poier (KP) Herausgeberin dieser Nummer: Anita Prettenthaler-Ziegerhofer Rezensionen: Doris Hammertinger (DH), Nora Lackner (NL) Satz und Layout: MedienAgentur 2412 Druck: Medienfabrik Graz Erscheinungsort: Graz

Für den Inhalt der Beiträge sind die jeweiligen Autorinnen verantwortlich.

Nachdruck ausschließlich mit schriftlicher Genehmigung. Preis pro Ausgabe: € 10,- Abopreis (4 Hefte): € 25,-

Fotonachweis: Aus: Brigitte Dorfer, Die Lebensreise der Martha Tausk, 2008 (S.14) Aus: Gabriella Hauch, Vom Frauenstandpunkt aus, 1995 (S.22) Aus: Michaela Kronthaler, Christentum und Kirche in der Steiermark, 2000 (S.18, S.21) Aus: Michaela Sohn-Kronthaler/Heimo Kaindl, frau.macht.kirche, 2006 (S.17) Direktion Landtag (S.36); Furgler (S.61, S.81, S.105); Krug (S.65, S.89); Land Steiermark (S.67, S.93); Österreichi- sches Parlament, Archiv (S.45); Podesser (S.69, S.101); Privatarchiv Heinz Veitschegger (S.37); SPÖ-Frauen Steiermark (S.38, S.87); Wind (S.99)

ISSN 1681-7273 politicum (Graz)

4 Anita Prettenthaler-Ziegerhofer

Gedanken über Frauen, Gleichberechtigung und Politik

Dieses politicum widmet sich aus Anlass um Nachsicht. Ein all- des 90-jährigen Bestehens des Frauen- umfassendes Werk, wahlrechtes in Österreich einem spezi- das die steirischen Politikerinnen als Per- ellen Teil der Geschlechtergleichberech- son und deren Schaffen und Tun in ihrer tigung: der politischen Partizipation von politischen Funktion würdigt, ist in Pla- Frauen in der Steiermark. Es wird nicht nung und wird diese große Lücke in der darum gehen, den Soll-Zustand aufzuzei- Geschichte unseres Landes füllen. gen oder gar den Typus der steirischen Das vorliegende Heft besteht aus vier Politikerin zu entwerfen. Intention dieser grundlegenden wissenschaftlichen Bei- Ausgabe ist es, jene weiblichen Politike- trägen. Vor allem die ersten drei Beiträge rinnen der Steiermark sichtbar zu ma- sind als eine Bestandsaufnahme jener chen, die seit 1919 nicht nur die Politik steirischen Politikerinnen zu verstehen, der Steiermark, sondern auch jene von die in der Politik präsent waren und sind. Österreich aktiv beeinflusst haben. Diese Politikerinnen werden in erster Li- nie biografisch erfasst und dargestellt, Dabei handelt es sich um ein großes Un- auf Grund des beschränkten Seitenum- terfangen, da bis dato keine allumfassen- fanges konnte nur peripher auf deren de Monografie steirischer Politikerinnen inhaltliche Arbeiten eingegangen wer- vorliegt; dies gilt in ganz besonderem den! Die Kirchenhistorikerin Michaela Maße für den Bereich der Kommunalpo- Sohn-Kronthaler zeichnet ein Bild von litik. Durch den vorgegebenen Seitenum- den ersten Frauen im Steiermärkischen fang ist man darüber hinaus gezwungen, Landtag bzw. von den ersten steirischen zeitliche und vor allem auch biografische weiblichen Abgeordneten im National- Einschränkungen vorzunehmen. Daher bzw. Bundesrat und widmet sich darüber beginnt die Darstellung mit der Ersten hinaus dem Grazer Gemeinderat. Damit Republik, wissend, dass die Versuche, die betritt Sohn-Kronthaler wissenschaftli- Reduktion von Frauen allein auf deren ches Neuland, denn die Tätigkeiten der Funktion als Ehefrau, Hausfrau und Mut- Grazer Gemeinderätinnen ab 1919 sind ter aufzuheben, weit in der Geschichte bis dato noch nicht eingehend erforscht, zurück liegen. Alle jene Politikerinnen, die dies gilt übrigens auch für alle steirischen sich in dieser Ausgabe des politicums zu Gemeinden! Die große Zäsur des öster- wenig gewürdigt fühlen, bitte ich eben- reichischen Parlamentarismus erfolgte falls aus den eben genannten Gründen in der Zwischenkriegszeit mit dem Jahr

5 Gedanken über Frauen, Gleichberechtigung und Politik - A. Prettenthaler-Ziegerhofer

1933, in dem das österreichische Parla- Frauenanteiles besser? Diese Fragen be- ment aufgelöst worden ist. Mit der Ein- antwortet die renommierte Journalistin führung der Ständischen Verfassung im Trautl Brandstaller in ihrem Artikel über Jahr 1934 hörte nicht nur der Rechtsstaat die „amputierte Demokratie“.1 Österreich zu existieren auf, sondern en- Den Beiträgen folgen Erfahrungsberichte dete auch die politische Partizipation der aktiver steirischer Politikerinnen, die auf Frauen. Erst mit der Gründung der Zwei- Bundes- bzw. Landes- und Kommunal- ten Republik im Jahr 1945 konnte man ebene tätig sind. Ganz bewusst wurden an die Zeit vor 1934 anknüpfen: Die Frau- aktive Politikerinnen2 aller parteipoliti- en der ersten Stunde wirkten nicht nur schen Lager ausgewählt, ihr Statement als Trümmerfrauen am wirtschaftlichen darüber abzugeben, wie sie ihre Rolle als Aufbau Österreichs mit, sondern waren Frau in der Politik wahrnehmen, welchen wieder aktiv im Parlament bzw. Landtag Herausforderungen, Hürden und auch vertreten, um auch politisch am Wieder- Problemen sie begegnen und wie man aufbau der Heimat mitwirken zu können. Politik aus weiblicher Sicht gemeinsam In welcher Weise dies geschehen ist und mit den männlichen Kollegen gestalten welchen Anteil steirische Frauen an der kann. Abschließend wurden junge Steire- Bundes-, Landes- und Kommunalpoli- rinnen über das Thema Frauen und Politik tik hatten, analysiert die Zeithistorikerin befragt. Karin Schmidlechner. Die Zäsur dieses Rechte der Frau und Bürgerin Beitrages erfolgt mit dem Jahr 1995, als nach den Landtagswahlen im Dezember Das Streben von Frauen nach politischer Josef Krainer jun. zurückgetreten ist und Gleichberechtigung beginnt nicht erst mit Waltraud Klasnic als seine Nachfolgerin der Einführung des Frauenwahlrechts im präsentierte. Mit ihr wurde erstmals in Jahr 1919. Spätestens seit der Aufklärung der Geschichte der Steiermark und über- versuchten Frauen darauf hinzuweisen, haupt in der Geschichte Österreichs eine dass auch sie Trägerinnen von Rechten Frau „Landeshauptmann“. Die Journalis- und Pflichten sind, die weit über das Mut- tin und Historikerin Elisabeth Holzer geht ter- und Frau-Sein hinausgehen. So etwa in ihrem Beitrag der Frage nach, welche verkündete Olympe de Gouges während Auswirkungen dieser „Quantensprung“ der Französischen Revolution in Anleh- auf die Partizipation steirischer Frauen an nung an die Erklärung der Menschenrech- der Macht hatte und welche Veränderun- te im Jahr 1792 die Erklärung der Rechte gen sich seither im Land vollzogen haben. der Frau und Bürgerin. Zuvor hatten Frau- Kann eine volle Teilnahme der Frauen en in erster Linie das Bildungspostulat an der politischen Macht etwas ändern in den Vordergrund ihrer Bestrebungen und wird Politik durch die Erhöhung des gestellt, mit Olympe erfolgte geradezu

6 Gedanken über Frauen, Gleichberechtigung und Politik - A. Prettenthaler-Ziegerhofer eine Zäsur, jetzt wurden die Forderungen Ende der Habsburgermonarchie und die um den Bereich der aktiven Ausübung Gründung der Ersten Republik brachten politischer Rechte, wie etwa das Vereins- bedeutende Erfolge für die Frauenbewe- und Versammlungsrecht, Zugang zu den gung. Obwohl die österreichische Frau- öffentlichen Ämtern oder Mitwirkung an enbewegung in sich heterogen gewesen der Gesetzgebung erweitert. Darüber hi- war (bürgerlich-liberale, proletarische, ka- naus ging es Olympe de Gouges darum, tholische Frauenbewegung), überzeugte die Ungleichheit zwischen Mann und Frau deren Engagement die Provisorische Na- auch im Privatleben aufzuzeigen und für tionalversammlung Deutschösterreichs: eine Besserstellung zu kämpfen. Dieser Bereits im Dezember 1918 proklamierte politische Frauenfrühling (Ursula Floß- diese als einen der ersten Beschlüsse das mann3) währte nicht lange, sodass man Vereins- und Versammlungsrecht für bei- erst mit dem annus mirabile 1848 grosso de Geschlechter. Gleichzeitig mit dem modo den Beginn der „alten“ Frauenbe- Vereins- und Versammlungsgesetz wurde wegung für Europa ansetzen kann. Und das allgemeine, gleiche, direkte und ge- in Österreich erhielt Frau Biedermeier heime Wahlrecht per Gesetz beschlossen. (Gabriella Hauch4) erstmals ein Gesicht Am 16. Februar 1919 schritten 82,7 % der in Gestalt der Gründerin des ersten Frau- Frauen Österreichs erstmals zur Wahlur- envereines, Karoline von Perin. Nach der ne. Und zum ersten Mal in der Geschichte Niederschlagung der Revolution und ver- Österreichs wurden Frauen in das öster- meintlichen Erfüllung aller Forderungen reichische Parlament gewählt. So ziehen, der Revolutionäre wurde es um die „Bar- um nur einige zu nennen, Adelheid Popp, rikadenweiber“ bzw. Frauen und deren Therese Schlesinger, Emmy Freundlich, Anliegen (z.B. Wahlrecht und Bildung) Gabriele Proft, Maria Tusch, Amalie Seidel, wieder still. Im Jahr 1867, in dem das Anna Boschek oder Hildegard Burjan als Kaisertum Österreich endlich eine Ver- aktive Parlamentarierinnen in das Hohe fassung erhielt, begann die effektive Um- Haus ein. In den Steiermärkischen Land- setzung der Frauenpostulate: Diese Zeit tag werden Marianne Kaufmann, Olga Ru- ist untrennbar mit den Namen etwa von del-Zeynek sowie Martha Tausk und Cä- Marianne Hainisch, Adelheid Popp, Au- cilia Nemec gewählt! Nicht nur die „alte“ guste Fickert oder Rosa Mayreder verbun- Frauenbewegung wurde gewürdigt, den. Ihre wichtigsten Forderungen waren sondern auch das Wirken der österreichi- die Einführung des aktiven und passiven schen Frauen während der Kriegsjahre, Wahlrechtes und der Zugang der Frauen was schlussendlich dazu führte, dass die zu allen Bildungseinrichtungen. Beide Väter der österreichischen Verfassung den Forderungen wurden als Mittel für die Gleichheitsgrundsatz der Geschlechter in Emanzipation der Frauen gesehen! Das Art. 7 der Bundesverfassung aufnahmen.

7 Gedanken über Frauen, Gleichberechtigung und Politik - A. Prettenthaler-Ziegerhofer

Demzufolge sind alle Bürger gleich vor der Menschenrechte. Menschenrechte dem Gesetz. Vorrechte der Geburt, des beginnen nun auch Frauenrechte zu wer- Geschlechtes, des Standes, der Klasse und den. Seit der Verkündigung der UN-De- des Bekenntnisses sind ausgeschlossen. klaration der Menschenrechte aus 1948 kommt kein Menschenrechtsdokument Menschenrechte sind Frauenrechte mehr umhin, gleiche Rechte für Männer In ihrer Arbeit als aktive Parlamentari- und Frauen festzuschreiben. Zum an- erinnen konzentrierten sie sich in erster deren löste die 1968-er Revolution die Linie auf Frauen- und soziale Probleme „neue“ Frauenbewegung aus: Jetzt stand und forderten neben politischen Rechten nicht mehr die Forderung des bereits in wie etwa den gleichen Zugang zu den fast allen Teilen der westlichen Welt ein- öffentlichen Ämtern auch die Reform des geführten Wahlrechtes für Frauen oder Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches das Bildungspostulat im Vordergrund, (ABGB) etwa im Bereich des Ehe- und Fa- sondern die Forderung nach einem milienrechtes oder die Novellierung des selbst bestimmten Leben: Die Parolen § 144 StGB aus 1852 betreffend Schwan- „der Bauch gehört mir“ und „das Private gerschaftsabbruch. Sie wirkten aktiv an ist öffentlich“ bezeugen diesen Paradig- Gesetzen mit, die eine Besserstellung für menwechsel in der Frauenbewegung. In Frauen im Berufsleben bewirkten wie diesem Soge wurde in Österreich im Jahr etwa das Hausgehilfen- und Hausange- 1974 das längst veraltete Strafgesetzbuch stelltengesetz aus 1920, das Heimarbeits- aus 1852 novelliert und Frauen der straf- gesetz aus 1918 oder die Novellierung freie Schwangerschaftsabbruch mittels des Gewerberechtes den Mutterschutz so genannter Fristenlösung zugestanden. betreffend. Die steirischen weiblichen Ab- 1975 erfolgte schlussendlich die Reform geordneten betätigten sich ebenfalls im des ABGB aus 1811 dahingehend, dass Sozial-, Fürsorge- und Bildungsbereich! etwa im Eherecht das partnerschaftliche Allerdings blieb der Großteil der Forde- Prinzip eingeführt wurde und dadurch rungen der ersten österreichischen Poli- der Mann als Oberhaupt der Familie zu- tikerinnen, vor allem im privatrechtlichen mindest rechtlich aufhörte zu existieren! Bereich ungehört ‒ Frauen hatten sich Diese rechtlichen Änderungen beendeten den Strukturen und Normen anzupassen, schlussendlich einen Prozess, der bereits die von den Männern erstellt worden sind! von den Frauen der „alten“ Frauenbewe- Der Beginn eines Erfolges setzte erst nach gung am Übergang vom 19. in das 20. dem Zweiten Weltkrieg ein. Dies hängt Jahrhundert eingeleitet worden ist! 1979 zum einen mit dem Demokratisierungs- hatte man übrigens auch das Gleichbe- und Modernisierungsprozess zusammen handlungsgesetz für die Privatwirtschaft und zum anderen mit der Globalisierung erlassen.

8 Gedanken über Frauen, Gleichberechtigung und Politik - A. Prettenthaler-Ziegerhofer

Sensibilisierung betreffend die re Maßnahmen, nicht nur auf EU-Ebene, Geschlechtergleichbehandlung zur Förderung des Frauenanteils gesetzt. Eine tiefer gehende Globalisierung der Damit sind heute teilweise die Visionen Frauenrechte brachte das Jahr 1979, jener Frauenrechtlerinnen erfüllt, die sie als die UNO die CEDAW, das ist die Kon- seinerzeit am Ende des 19. Jahrhunderts vention zur Beseitigung jeder Form von mit der Einführung des Frauenwahlrech- Diskriminierung der Frau verkündete.5 tes verbunden hatten: nämlich die Schaf- Viele Mitgliedstaaten haben diese in in- fung einer gerechten, einer gleichberech- nerstaatliches Recht transformiert, so tigten Welt. auch Österreich im Jahr 1982! Ab diesem Wie aus dieser konzisen historischen tour Zeitpunkt erfolgte eine zunehmende Sen- d’horizont ersichtlich geworden ist, bildet sibilisierung in Fragen der Geschlechter- die Einführung des Frauenwahlrechts den gleichbehandlung, die in diversen Geset- Ausgangspunkt für die Gleichberechti- zen ihren Ausdruck fand. So etwa wurde gung des weiblichen Geschlechts und so- 1993 das Bundesgleichbehandlungsge- mit auch für deren aktiven Mitwirkung an setz mit der Quotenregelung erlassen! der Politik. Es ist auch aufgezeigt worden, In diese zeitliche Spanne fällt übrigens warum Frauen damals die Politik ihres auch die Erhöhung der Anzahl weiblicher Landes mitgestalten wollten. Es stellt sich Abgeordneter sowohl im Parlament als nun die Frage, was Frauen heute dazu be- auch in den Landtagen. Auf europäischer wegt, in die Politik zu gehen. Die Wiener Ebene war der Art. 119 „Gleiches Entgelt Politologin Sieglinde Rosenberger ist die- bei gleicher Arbeit“ bereits in den Rö- ser Frage nachgegangen und kam zu dem mer Verträgen, die die Europäische Wirt- Ergebnis, dass diese Entscheidung vor al- schaftsgemeinschaft begründeten, 1957 lem von der politischen Sozialisation ab- festgeschrieben worden. Die Umsetzung hängt, die bereits in der Familie, Schule, dieses Artikels erfolgte durch die so ge- in peer-groups, Freizeitstätten etc. statt- nannte Entgeltrichtlinie allerdings erst findet, aber auch davon, welches Bild von im Jahr 1975! Weiters verpflichtete sich Politik vermittelt wird, ob Frauen aktiv die die EU zur Einhaltung des Prinzipes gen- Politik mit gestalten können und ob sie der mainstreaming. Damit ist die Berück- Vorbilder vorfinden.6 Politik besteht aus sichtigung und Einbeziehung der Frauen Netzwerken und Rekrutierung, weshalb in alle Bereiche der Politik gemeint; es ist networking einen wesentlichen Faktor in seit 1999 primärrechtlich im Vertrag von der Planung der politischen Karriere aus- Amsterdam verankert und verpflichtet macht: wie und wo werden Netzwerke alle Mitgliedstaaten der EU zu dessen gebildet und wie hilfreich sind diese. Mei- Einhaltung. Neben den normativen Be- ner Meinung nach sollen Frauen nicht nur stimmungen wurden und werden weite- Netzwerke aufbauen, sondern in erster

9 Gedanken über Frauen, Gleichberechtigung und Politik - A. Prettenthaler-Ziegerhofer

Linie Seilschaften bilden, die nach oben ment wird als ein weiteres angeführt und führen. Diese Ansicht bestätigt Rosen- besagt, dass die Hälfte der Bevölkerung berger mit der Feststellung, dass Männer Frauen sind, weshalb diese auch adäquat Männer und Frauen eher auf dem Weg vertreten sein müssen. Schlussendlich nach oben unterstützen als Frauen Frau- nennt Rosenberger das Differenzargu- en bzw. Männer. Dies ist Ausdruck dessen, ment, Frauen machen eine andere Politik dass es Frauen an der Erfahrung des Mit- und forcieren andere Inhalte als Männer. und Hochgezogenwerdens mangelt. Sie machen aber nicht nur etwas anderes, sondern sie machen es anders in Form, Die Geschichte der Ton, Stil und Methode.9 Ich bin überzeugt, Menschheit ist männlich! dass viele der steirischen Politikerinnen Ein nicht unwesentlicher Parameter in das eine oder andere hier genannte Ar- der Entscheidungsfindung für Frauen ist gument in ihrer persönlichen politischen schlussendlich die Tatsache der domi- Karrierelaufbahn wieder erkennen! nanten patriarchalen Struktur: Die Ge- Beinahe vor einem Vierteljahrhundert ist schichte der Menschheit ist männlich! im Oktober 1985 die 25. Ausgabe des poli- Frauen akzeptier(t)en und pass(t)en sich ticum erschienen und es stand unter dem dieser Struktur an, was in weiterer Folge Motto „Frauen und Politik“. Insgesamt 27 zur Marginalisierung der fachlichen Kom- Frauen aus Politik, Wirtschaft, Kunst und petenz der Frauen geführt hat.7 Sämtliche Kultur, Journalismus und Wissenschaft Kompetenzen in der (internationalen) Po- haben ihre Expertisen zu diesem Thema litik werden mit Männlichkeit assoziiert, abgegeben, umrahmt von Bildern von was zu massiven geschlechtsspezifischen Carmen Hoffmann! Damals ‒ 1985 ‒ gab Hürden beim Zugang von Frauen in ge- es noch kein eigenes Frauenministerium, hobene politische Positionen führt. Daher Frauen waren, wenn überhaupt, „Quo- verwundert es nicht, dass die Schaltzen- ten“, es gab noch keinen weiblichen „Lan- tren der (internationalen) Politik nach deshauptmann“ und im Steiermärkischen wie vor von Männern besetzt sind.8 Auch Landtag waren wenige Frauen vertreten. die Gründe, Frauen den Zugang zur Po- Doch bereits ein Jahr später kam es an- litik zu gewähren, beeinflussen Frauen lässlich der National- und Landtagswah- in ihrer Entscheidung für eine politische len zu einem großen Anstieg weiblicher Laufbahn. In Anlehnung an Rosenberger Abgeordneter: Erstmals waren über 10 % ist zum einen das Nutzenargument zu Frauen im Nationalrat und 1990 sogar nennen ‒ etwa der Rückgriff auf Frauen, ca. 22 % präsent. Im Steiermärkischen wenn es innerpolitische oder innerpartei- Landtag schnellte im gleichen Zeitraum liche Krisen bzw. Unstimmigkeiten gibt. der Anteil weiblicher Abgeordneter von Das Demokratie- und Gerechtigkeitsargu- ausgehend 8 % auf 14 % bzw. 16 %. Ab

10 Gedanken über Frauen, Gleichberechtigung und Politik - A. Prettenthaler-Ziegerhofer

Beginn der neunziger Jahre erfolgte al- Land noch viele Pionierleistungen weib- lerdings eine Trendumkehr und seither licher Politikerinnen hervorbringen wird. ist der Frauenanteil im (leichten) Sinken Wenngleich die „neue“ Frauenbewegung begriffen! eine weitere Dimension in der Geschich- Den Beiträgen dieses politicum kann man te der Geschlechtergleichberechtigung entnehmen, dass die steirischen Politike- eingeleitet hat, so stehen noch wichtige rinnen nicht nur in ihrem eigenen Land dringliche Forderungen an, die geradezu Pionierinnen waren: entweder als erste zu Pioniersleistungen herausfordern ‒ Landtagsabgeordnete wie etwa Martha etwa die faktische Umsetzung vieler Nor- Tausk oder Olga Rudel-Zeynek, die sogar men, die Lösung der Frage nach der Ver- erste Vorsitzende des Bundesrates ge- einbarkeit von Beruf und Familie und die wesen war und somit weltweit die ers- Umsetzung einer gleichberechtigten Par- te Parlamentspräsidentin, oder als erste tizipation der Frauen an den Schaltzentren Landesrätin überhaupt in Österreich wie der Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Maria Matzner oder als erster weiblicher Kultur. Ich denke, wir können zuversicht- Landeshauptmann in Österreich in Person lich in eine Zukunft blicken, in der man von Waltraud Klasnic. Ruth Feldgrill-Zan- bald nicht mehr explizit auf die Leistungen kel wurde die erste steirische Ministerin von Politikerinnen hinweisen wird müssen, in der Bundesregierung und erste Bürger- sondern in der es selbstverständlich sein meister-Stellvertreterin von Graz. Und im wird, dass Frauen und Männer quantitativ Jänner 2008 wählte man Lisa Rücker zur und inhaltlich eine volle gleichberechtigte ersten „grünen“ Vizebürgermeisterin der Politik machen! Ich bin überzeugt, dass die steirischen Landeshauptstadt. Dies lässt Erreichung dieses Zustandes keine 25 Jah- die Hoffnung wach bleiben, dass unser re mehr benötigen wird... 

1 Vgl. das letzte Buch von Trautl Brandstaller, Die neue Macht der Frauen. Sieg der Emanzipation oder Krise der männlichen Eliten?, Wien 2007. 2 Zum Zeitpunkt der Anfrage war die Nationalratsabgeordnete Heidrun Silhavy Frauenministerin! 3 Ursula Flossmann, Frauenrechtsgeschichte. Ein Leitfaden für den Rechtsunterricht, Linz 2006, 2. Auflage (Linzer Schriften zur Frauenforschung 26), 79. 4 Gabrielle Hauch, Frau Biedermeier auf den Barrikaden. Frauenleben in der Wiener Revolution 1848, Wien 1990 (Österreichische Texte zur Gesellschaftskritik 49). 5 Vgl. allgemein Brita Neuhold, Renate Pirstner, Silvia Ulrich, Menschenrechte ‒ Frauenrechte. Internationale, eu- roparechtliche und innerstaatliche Dimensionen, Innsbruck 2003. 6 Sieglinde Rosenberger, Frauen in der österreichischen Politik. Gleichheit und Differenz, in: Frauen hoch im Kurs. Vernetzen ‒ Verbinden ‒ Verbünden, Graz 2004, 14-15. 7 Doris Lemmermöhle, Ich fühl mich halt im Frauenpelz wohler, in: Feministische Studien 15 /1997 zitiert bei Gab- riele Metz, Frauen in der Politik. Eine empirische Analyse der Motive und Intentionen von Frauen in Österreichs Spitzenpolitik, phil.Diss. Graz 2001, 33. 8 Sieglinde Rosenberger, Das Geschlecht der Internationalen Beziehungen. Feministische Kritik politikwissen- schaftlichen Denkens, in: Eva Kreisky, Birgit Sauer Hrsg., Geschlecht und Eigensinn. Feministische Recherchen in der Politikwissenschaft, Wien 1998, 170ff. 9 Sieglinde Rosenberger, Frauen in der österreichischen Politik. Gleichheit und Differenz, in: Frauen hoch im Kurs. Vernetzen ‒ Verbinden ‒ Verbünden, Graz 2004, 13.

11 www.entscheide.at Michaela Sohn-Kronthaler

Die erste Generation steirischer Politikerinnen

1. Die Politikerin-Pionierin wohl aufgrund der un- Martha Tausk (1881-1957) gewohnten Situation, Mit der Einführung der Ersten Republik dass eine weibliche Vertreterin erstmals wurden in Österreich das allgemeine, zugegen war, ignoriert; alle Ansprachen gleiche, direkte und geheime Wahlrecht wurden an die „Hochverehrten Herren und somit die politische Gleichstellung Repräsentanten der neuen Landesregie- der Geschlechter möglich. Dass mit der rung“ gerichtet.3 Sozialistin Martha Tausk1 im Spätherbst Martha Tausk, die übrigens mit dem be- 1918, noch vor Erlangung des Frauen- kannten jüdischen Religionsphilosophen wahlrechtes und der Ausrufung der Re- Martin Buber (1878-1965) verwandt war, publik, die erste Frau Österreichs in den stammte aus der sozialistischen Wiener Landtag ‒ damals Provisorische Landes- Familie Moriz und Anna Frisch, in deren versammlung ‒ der Steiermark einzog, Druckerei u.a. die ersten Nummern der zeichnet diese besonders aus. Die Lan- damals Aufsehen erregenden „Fackel“ desversammlung trat nämlich am 6. No- von Karl Kraus wie auch der „Arbeiter-Zei- vember 1918, eine Woche nach Einigung tung“ hergestellt wurden. Über ihre Eltern der Provisorischen Nationalversammlung knüpfte Martha Tausk recht früh Kontak- auf die grundlegende Staatsform am te zu bedeutenden VertreterInnen der 30. Oktober, und nach dem Urgieren der österreichischen Sozialdemokratie und deutschsprachigen steirischen Reichs- Frauenbewegung, so auch zu Auguste ratsabgeordneten im Grazer Landhaus Fickert, die 1893 den „Allgemeinen Öster- zusammen. Bei dieser historischen kon- reichischen Frauenverein“ mitbegründe- stituierenden Sitzung, in welcher der te. Der sozialistische Politiker Hans Resel Beitritt des gesamten deutschsprachigen (1861-1928) holte die rhetorisch begabte Siedlungsgebietes des ehemaligen „Her- Martha Tausk Anfang des Jahres 1918 in zogtums Steiermark“ unter dem Namen die Steiermark. Sie ließ sich mit ihren bei- „Land Steiermark“ zum Staat Deutschös- den Söhnen in Graz nieder, nachdem sie terreich beschlossen wurde, was somit in den beiden vorangegangen Jahrzehn- die Geburtsstunde des heutigen Bundes- ten mehrere Wohnaufenthalte im Gebiet landes bedeutete, war Martha Tausk die der ehemaligen Monarchie und mühevol- einzige Frau unter den Vertretern der po- le, letztlich gescheiterte Ehejahre mit dem litischen Parteien.2 In dieser Versammlung späteren Psychoanalytiker Victor Tausk wurde die Anwesenheit der Politikerin (1879-1919) hinter sich hatte.

13 Die erste Generation steirischer Politikerinnen - Michaela Sohn-Kronthaler

Als tief überzeugte Sozialdemokratin engagierte sich Martha Tausk auf der steirischen politischen Ebene fast zehn Jahre lang. Am 11. Mai 1919 wurde sie in den Grazer Gemeinderat (bis 1927) und zeitgleich in den Steiermärkischen Landtag (bis 1928) gewählt. Im Sommer 1927 entsandte sie der Landtag in den Bundesrat (bis 1928). Ihr ganzer politi- scher Einsatz galt der Verbesserung der Lebenssituation von Frauen, insbesonde- re der Arbeiterinnen, Heimarbeiterinnen, Hausgehilfinnen (Dienstboten), indem sie für deren sozialrechtliche Besserstellung Martha Tausk kämpfte, so für die bis heute politisch (Sozialdemokratische nicht realisierte Anrechnung von Ehe- Arbeiterpartei) jahren wie Arbeitsjahre in Bezug auf die geb. 15. Jänner 1881 in Wien, gest. 20. Oktober 1957 in Nij- Versicherungszeiten von Frauen, oder für megen (NL) die Aufhebung des Eheverbotes für Leh- 1918/1919 erste Frau in der rerinnen.4 Unverhallt blieb damals ihre Provisorischen Landesver- sammlung der Steiermark Forderung nach Straffreiheit des Schwan- 1919-1928 Abgeordnete zum gerschaftsabbruches (Abschaffung des Steiermärkischen Landtag § 144) ‒ die „Fristenregelung“ wurde in 1919-1927 Mitglied des Grazer Österreich beinahe ein halbes Jahrhun- Gemeinderates 1927/1928 Mitglied des Bun- dert später unter der SPÖ-Alleinregierung desrates von Bruno Kreisky mit Jahresanfang 1975 Beruflich tätig im Vorstand der durchgesetzt.5 Kontakte zu internationa- Allgemeinen Arbeiter-Kranken- kasse (heute Gebietskranken- len sozialistischen Vereinigungen waren kasse) bereits in den Jahren zuvor vorausge- gangen, als Friedrich Adler (1879-1960) Martha Tausk im Sommer 1928 als Se- kretärin in die Sozialistische Arbeiter In- ternationale (SAI) nach Zürich berief, was zugleich ihren endgültigen Weggang aus der Steiermark bedeutete. 1929 gründete sie dort das „Frauenrecht“, eine Zeitschrift für Schweizer Arbeiterinnen, die sie fünf

14 Die erste Generation steirischer Politikerinnen - Michaela Sohn-Kronthaler

Jahre hindurch leitete. Meinungsver- die ersten weiblichen Vertreterinnen in schiedenheiten mit ihren Schweizer Ge- der Politik hervor. Dass Frauen erstmals nossinnen veranlassten Martha Tausk, im in den Landtag bzw. den Grazer Gemein- Frühjahr 1935 nach Wien zurückzukeh- derat gewählt wurden, würdigte von den ren. Über die damalige allgemeine politi- Tageszeitungen der Steiermark nur die sche Entwicklung, den rasanten Aufstieg „Kleine Zeitung“ auf ihrem Titelblatt.7 der Nationalsozialisten und Faschismen 2.1. Der Frauenanteil in den Landtags- verschiedenster Provenienz war sie sehr perioden von 1919 bis 1934 betroffen, ebenso über den österreichi- schen Bürgerkrieg und das Vorgehen der Die weiblichen Abgeordneten kamen, damaligen Regierung gegenüber den So- wie es sich auch bei den übrigen Wahlen zialisten. Aufgrund ihrer politischen Ver- in der Zwischenkriegszeit zeigen wird, gangenheit und der jüdischen Herkunft fast ausschließlich aus den Großparteien ihres Vaters emigrierte diese Pionierin un- der Christlichsozialen bzw. der Sozialde- ter den Politikerinnen im Sommer 1939 mokraten. Neben der schon zuvor aus- zu ihrem Sohn nach Nijmegen (Nieder- führlich vorgestellten Sozialdemokratin lande), wo sie ‒ weiterhin politisch inte- Martha Tausk zogen im Frühjahr 1919 ressiert und engagiert ‒ bis zu ihrem Tod weiters ihre Genossin, die Obersteirerin im Jahr 1957 verblieb. Cäcilie (Cilli) Nemec8, die im Vergleich mit den anderen weiblichen Abgeordneten 2. Die ersten weiblichen Landtags- nur für kurze Zeit (1919/20) diesem Parla- abgeordneten in der Steiermark ment angehörte, sowie die beiden christ- Die ersten Wahlen, bei welchen alle Frau- lichsozialen Mandatarinnen aus dem en in der Steiermark nach Erlangung des Wahlkreis Graz und Umgebung, Marian- allgemeinen, gleichen, direkten und ge- ne Kaufmann9 und Olga Rudel-Zeynek10, heimen Wahlrechtes aktiv wählen und als in den steirischen Landtag ein. Die bei- Mandatarinnen gewählt werden konnten, den letzteren prägten engagiert das po- waren jene für die Konstituierende Nati- litische Geschehen in den zwanziger und onalversammlung am 16. Februar 1919. Anfang der dreißiger Jahre mit ‒ nicht nur Keine der Kandidatinnen, gleich welcher auf kommunalpolitischer Ebene. Von ih- parteilicher Herkunft, war auf den steiri- nen wird später noch die Rede sein. Ende schen Wählerlisten so herausragend plat- September 1919 rückte als fünfte weibli- ziert, dass sie Chancen auf ein realistisches che Abgeordnete jener Periode die Für- Mandat als Nationalrätinnen hatten.6 Erst stenfelderin Maria Rieger11 als Ersatzfrau die am 11. Mai 1919 zeitgleich für die für Josef Gutmann (1889-1943) im Land- Steiermark abgehaltenen Landtags- und tag nach, welcher in die Konstituierende Gemeinderatswahlen in Graz brachten Nationalversammlung wechselte, so dass

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der Frauenanteil unter den Abgeordne- Adele Wigan übernahm anstelle des aus- ten nun sieben Prozent betrug. Rieger, scheidenden Anton Spak mit Ende Jänner die von 1910 bis 1920 die Ortsgruppe der 1927 für einige Monate ein Mandat, so christlichsozialen Tabakarbeitergesell- dass sich der Frauenanteil unter den Ab- schaft leitete, war wie Martha Tausk und geordneten auf 10,7 % erhöhte.17 Cäcilie Nemec im Frühjahr 1919 in den Neben Maria Köstler, Frieda Mikola, Mari- Gemeinderat ihres jeweiligen Herkunfts- anne Kaufmann, die in jenen Jahren Franz ortes gewählt worden. Allen weiblichen Millwisch heiratete, und Martha Tausk Abgeordneten gemeinsam war, dass sie zog nach den Wahlen im Frühjahr 1927 sich besonders in den Jahren zuvor für die Johanna Auer18, eine Tierarztwitwe und Bildung und die Teilnahme von Frauen Hausbesitzerin in Graz, für die Einheits- am politischen Leben eingesetzt hatten. liste neu in den Landtag ein. Als Martha Der weibliche Anteil unter den Abgeord- Tausk am 20. September 1928 ihr Mandat neten erhöhte sich in der Landtagsperio- wegen ihres Wegganges in die Schweiz de von 1920 bis 1923 kurzfristig auf 10 % zurücklegte, trat die sozialistische Grazer bzw. sieben Mandatarinnen. Während Gemeinderätin Friederike (Frieda) Roßba- Cäcilie Nemec nach der ersten Landtags- cher an ihre Stelle.19 Entsprechend der po- periode als einzige weibliche Abgeordne- litischen Entwicklung jener Zeit nahm die te ausschied, stießen zu den schon vier Anzahl von weiblichen Vertreterinnen in erwähnten Politikerinnen (Tausk, Kauf- den politischen Gremien am Beginn der mann, Rudel-Zeynek, Rieger) drei neue dreißiger Jahre tendenziell ab. hinzu: Frieda Mikola12 von den Christlich- Nur vier weibliche Abgeordnete finden sozialen, Maria Köstler13 von den Sozialde- wir in der Landtagsperiode von 1930 bis mokraten sowie Stephi Walter14 von der 1934: Marianne Millwisch-Kaufmann, Großdeutschen Volkspartei. Die ersten Frieda Mikola und Friederike Roßbacher beiden waren, wie noch aufgezeigt wird, sowie als neue sozialistische Landtags- für die Steiermark und Österreich prägen- abgeordnete die „Arbeitergattin“ Aloisia de Politikerinnen. Rudel-Zeynek verließ (Luise) Bachner aus Diemlach. jedoch nach der ersten Sitzung den Land- In beruflicher Hinsicht handelt es sich bei tag und bekam als erste Steirerin ein Nati- den Politikerinnen im Landtag um Leh- onalratsmandat zugewiesen.15 rerinnen (Marianne Millwisch-Kaufmann, Neu im Landtag von 1923 bis 1927 war Frieda Mikola, Friederike Roßbacher), Ar- neben den Abgeordneten Marianne beiterinnen (Cäcilie Nemec, Maria Rieger, Kaufmann, Frieda Mikola, Maria Köst- Aloisia Bachner), Beamtinnen und Sekre- ler und Martha Tausk die Obersteirerin tärinnen (Martha Tausk, Maria Köstler, Maria (Marie) Lang16. Die Sekretärin des Adele Wigan) sowie Journalistinnen (Olga christlichsozialen Kleinrentnerverbandes Rudel-Zeynek).

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2.2. Die langjährigen Landtagsabgeord- neten Marianne Millwisch-Kaufmann und Frieda Mikola Zu den engagiertesten weiblichen Land- tagsabgeordneten in der Zwischen- kriegszeit zählt Marianne Kaufmann (1884-1974), verehelichte Millwisch (auch Millwisch-Kaufmann). Als einzige Frau war die Lehrerin Mitglied des Steiermär- kischen Landtages in allen Perioden von 1919 bis 1934.20 Die aus Graz-Liebenau Vorstellung der ersten weiblichen Landtagsabgeord- gebürtige spätere Hauptschuldirekto- neten in der Kleinen Zeitung vom 5. Juni 1919: Mari- rin (1924) wandte sich nach Ausbruch anne Kaufmann (Millwisch) ganz links auf der Zeich- nung, mit Martha Tausk und Olga Rudel-Zeynek. des Ersten Weltkrieges sozialen Betäti- gungsfeldern zu. Mit ihren Anträgen im Marianne Kaufmann Landtag leistete Marianne Millwisch- (Millwisch, Millwisch-Kauf- Kaufmann vor allem auf sozial- und kul- mann) turpolitischem Gebiet Pionierarbeit. Sie (Christlichsoziale Partei) forderte beispielsweise die Einführung geb. 25. Mai 1884 in Graz–Lie- benau, gest. 10. Oktober 1973 von Fortbildungskursen für Gastwirts- in Graz töchter, woraus sich die Hotelfachschule 1919-1934 Abgeordnete zum entwickeln sollte, gemeinsam mit Frieda Steiermärkischen Landtag Lehrerin und Hauptschuldirek- Mikola die Bestimmung des Dachsteinlie- torin des zur Landeshymne, die Errichtung von Hauptschulen in Graz, Leibnitz, Deutsch- landsberg und Frohnleiten sowie einer Gartenbauschule in der Steiermark, die Subventionierung von Privatschulen, eine benützerfreundlichere Landesbibli- othek, eine Besserstellung von Lehrkräf- ten und ihrer sozialen Rechte.21 Ihr Antrag auf Aufnahme des hauswirtschaftlichen Unterrichtes in den Lehrplan der Pflicht- schulen gab den Anstoß dafür, diesen in ganz Österreich einzuführen. Neben dem Christlichsozialen Lehrerverband, als des- sen Mitbegründerin sie gilt, gründete sie

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eine Bibliothek für Junglehrer und trug als Vorstandsmitglied der Katholischen Frau- enorganisation (= KFO)22 wesentlich dazu bei, dass der damals noch junge Brauch des Muttertages volkstümlich wurde. Während der Zeit des autoritären „Christ- lichen Ständestaates“ bzw. Austrofaschis- mus war Millwisch-Kaufmann Leiterin des Österreichischen Instituts für Filmkultur sowie Filmreferentin der Katholischen Ak- tion und der Vaterländischen Front. Nach dem Zweiten Weltkrieg wandte sie sich der politischen Frauenbewegung zu und beteiligte sich zusammen mit Frieda Mi- Frieda Mikola kola an der Gründung der Landesgruppe (Christlichsoziale Partei) Steiermark der Österreichischen Frauen- geb. 6. Dezember 1881 in Graz, bewegung (ÖFB).23 gest. 19. Jänner 1958 in Graz 1918-1930 Führerin der Ju- Das öffentliche Wirken der zur Lehrerin gendgruppe der Katholischen ausgebildeten Grazer Offizierstochter Frauenorganisation Frieda Mikola (1881-1958), die zu den 1920-1934 Abgeordnete zum Steiermärkischen Landtag am besten erforschten Politikerinnen der 1945 Gründung des „Frauen- ersten Stunde zählt24, umfasst mehr als bunds“ im Rahmen der ÖVP vier Jahrzehnte. Ihr kirchliches und so- (später in Österreichische Frauenbewegung umbenannt) ziales Engagement begann 1913 in der 1945-1949 Abgeordnete zum KFO Steiermark. Schon 1918 hatte die Nationalrat, damals als eine tatkräftige Organisatorin Pfarrgruppen von zwei Frauen 1945 bis 1958 Landesleiterin von katholischen Frauen auf dem Land der ÖFB gegründet und ebenso den Verband der ausgebildete Lehrerin katholischen weiblichen Jugend, deren Leiterin sie noch in den letzten Monaten der Doppelmonarchie auf diözesaner und bald auf Bundesebene wurde. Von ihrer Umwelt wurde Mikola als edle, selbstlose Persönlichkeit beschrieben, unermüdlich und rastlos für andere tätig. Ihre Sorge galt den Bedürftigen und ärmeren Bevöl- kerungsschichten. Die zeit ihres Lebens

18 Die erste Generation steirischer Politikerinnen - Michaela Sohn-Kronthaler unverheiratete Frieda Mikola ist eine für Frauen vom 65. auf das 60. Lebens- typische Repräsentantin der „geistigen jahr. Bis zu ihrem Tod blieb Mikola die Mütterlichkeit“ und des parteipolitischen Landesleiterin an der Spitze der von ihr Katholizismus, worauf noch näher einge- mitbegründeten Österreichischen Frau- gangen wird. enbewegung (= ÖVP-Frauenbewegung) Nach Zuerkennung des Frauenwahl- und Stellvertretende Bundesleiterin. rechtes im November 1918 beteiligte sie 2.3. Anträge ‒ Arbeitsfelder ‒ Ausschüsse sich als eine der ersten Frauen rege am politischen Leben. So war sie als Funkti- Das Wirken der übrigen weiblichen Land- onärin der KFO auch parteipolitisch tätig tagsabgeordneten ist bisher kaum bzw. ‒ wie viele andere Mitglieder in der Stei- nicht ausreichend erforscht worden. Ihre ermark, in Österreich und in Deutsch- Anträge und Arbeitsfelder sollen nach- land.25 Von 1920 bis 1934 vertrat sie als folgend kurz skizziert werden. Olga Ru- christlichsoziale Landtagsabgeordnete del-Zeynek setzte sich für die Fürsorge (hier meist ausdrücklich als Mandatarin von Findelkindern, für eine bessere Aus- der KFO genannt) christliche Grundwer- gestaltung der Dienstbotenordnung wie te. Als Politikerin wandte sie sich primär auch für die Errichtung einer Gewerbe- einem typischen weiblichen Hauptaufga- und Haushaltungsschule für Frauen am bengebiet zu: der sozialen Fürsorge. Auf Entenplatz in Graz, für ein Ausfuhrverbot ihre Initiativen gehen u.a. das damalige von einheimischen Kunstgegenständen Landesfürsorgegesetz, die Errichtung der und für die Regelung des Goldaufkaufes, Landeskrankenpflegeschule oder auch für Subventionen zugunsten des Grazer die Regelung der Altersvorsorge für Heb- Hauses der Barmherzigkeit und für die Ab- ammen zurück. Sie machte sich um die haltung von Unterrichtskursen für Links- Bildungsarbeit der bäuerlichen Jugend händer ein.26 Ihr Antrag, Frauen in Form in Graz-St. Martin verdient und leitete im von Vorträgen durch Fachleute über das autoritären „Christlichen Ständestaat“ das Wirtschaftsleben, die Landesverwaltung Mutterschutzwerk der Vaterländischen und Landesregierung sowie über die Front. Das Jahr 1938 brachte ihr den er- Tätigkeit der Behörden zu informieren, zwungenen Rückzug aus dem öffentli- wurde ebenso angenommen.27 Maria Rie- chen Leben. Als Nationalratsabgeordnete ger beantragte die Aufhebung der Som- der ÖVP von 1945 bis 1949 wirkte Mikola merzeit und zusammen mit Mikola die wiederum bei jenen Anträgen mit, die Errichtung von Kleinkinderheimen sowie sozialpolitischen Charakter trugen, und eine Regelung der Besoldungsverhältnis- setzte sich für Kleinrentner, Kriegerwit- se für Fürsorgerinnen, Cäcilia Nemec die wen und Hausgehilfinnen ein. So forderte Errichtung einer gemischtklassigen Bür- sie die Herabsetzung des Pensionsalters gerschule in Kapfenberg sowie gemein-

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sam mit Martha Tausk eine Verbesserung lung ab, die auch für die weiteren Jahre des Dienstvertrages für Hausgehilfen prägend sein sollte. Nicht nur im Steier- in Orten mit weniger als 5.000 Einwoh- märkischen Landtag, sondern auch im nern, Stephi Walter eine Verbesserung Gemeinderat von Graz erreichte in jenen der Landesfürsorge- und Erziehungsan- Jahren der Zwischenkriegszeit keine ein- stalt „Lichtenhof“ in Hartberg sowie eine zige Frau ein politisches Spitzenamt, wie Ergänzung des Schulaufsichtsgesetzes.28 etwa Mitglied der Steiermärkischen Lan- Martha Tausk forderte u.a. neben der desregierung oder des Stadtrates. Eher schon erwähnten Verbesserung der so- wurden den weiblichen Abgeordneten zialrechtlichen Lage der Hausgehilfinnen die für Frauen stereotypen Ausschüsse die Aufhebung des Eheverbotes für Leh- und Einsatzfelder zugewiesen34: Im ers- rerinnen, einen erhöhten Armentarif im ten Jahrzehnt ihres politischen Wirkens Rahmen eines geburtshilflichen Beistan- sind Frauen nur als Mitglieder im Unter- des, die Herabsetzung der Schüleranzahl richtsausschuss, im Volkswirtschaftlichen und die Einführung von Parallelklassen, Ausschuss und im Fürsorgeausschuss zu eine Regelung der Dienst- und Arbeits- finden.35 Mit Martha Tausk wurde erst- verhältnisse der Hausbesorger und Por- mals in der dritten Landtagsperiode von tiere.29 Maria Köstler engagierte sich mit 1927 bis 1930 eine Frau zum Mitglied des ihren Anträgen besonders im Bereich des Finanzausschusses ernannt. Neben den Fürsorgewesens (Fürsorgebestimmun- schon genannten Ausschüssen finden wir gen, Fürsorgerinnenschule), für die Kran- nun weibliche Landtagsabgeordnete als kenpflegeschule, indem sie Zuschüsse Mitglieder auch im Fortbildungsschulrat für bedürftige Schülerinnen forderte, für (Mikola), in der Landeskommission für arbeitslose Jugendliche, für Hausgehil- Fremdenverkehr (Auer), im Gemeinde- finnen, für Pensionisten- und Kleinrent- und Verfassungsausschuss (Auer) und im nerunterstützungen sowie im Hebam- Volksbildungsausschuss (Millwisch-Kauf- menwesen.30 Johanna Auer befasste sich mann, Tausk).36 Von 1930 bis 1934 waren mit der Gemeindeordnung, der Grazer sogar zwei Mandatarinnen Mitglieder des Bauordnung, den Kanalbenützungsge- Finanzausschusses (Millwisch-Kaufmann bühren, dem Kirchenkonkurrenzgesetz und Roßbacher).37 und der Landesgebäudesteuer31, Frieda 3. Nationalrätinnen aus der Steiermark Roßbacher mit der Sicherung des Hebam- menbeistandes, dem Reichsvolksschulge- Nur zwei Steirerinnen waren zwischen setz und der Lehrerschaft32, Aloisia Bach- 1919 und 1934 im Nationalrat als Abgeord- ner mit den Gemeindebeihilfen.33 nete vertreten, wobei beide als profilierte Schon am Beginn der ersten Landtags- Politikerinnen in die Geschichte einge- periode zeichnete sich eine Entwick- gangen sind. Aufgrund einer schlechte-

20 Die erste Generation steirischer Politikerinnen - Michaela Sohn-Kronthaler ren Platzierung in der KandidatInnenliste der Christlichsozialen war die schon er- wähnte Olga Rudel-Zeynek (1871-1948) bei den Wahlen in den Nationalrat im Jahr 1919 nicht direkt in das Parlament ge- wählt worden.38 Das Nationalratsmandat, das sie im Jahr 1920 erhielt, verdankte sie dem Zufall, dass nach dem Wahlausgang ein männlicher Abgeordneter sein Man- dat bald daraufhin zurücklegte. So rückte die Steirerin, die 1920 direkt in den Land- tag gewählt worden war, in den Natio- nalrat auf und war damit überhaupt die erste weibliche Nationalratsabgeordnete aus der Steiermark, die wie ihre christlich- Olga Rudel-Zeynek soziale Vorgängerin Dr. Hildegard Burjan (Christlichsoziale Partei) geb. 28. Jänner 1871 in Ol- (1883-1933) aus dem katholisch-sozialen mütz, gest. 25. August 1948 in 39 Milieu kam. Die gebürtige Olmützerin Graz kam über ihr soziales Engagement in der 1919/1920 Abgeordnete zum KFO Steiermark zur Politik. Für die damali- Steiermärkischen Landtag 1920-1927 Abgeordnete zum ge Zeit sicherlich viel schwieriger und au- Nationalrat ßergewöhnlich war zudem die Tatsache, 1927-1934 Mitglied des Bun- dass Rudel-Zeynek sich als geschiedene desrates Journalistin Katholikin in Politik und Kirche engagierte und darin keine Barriere sah. Frauen bzw. Katholikinnen wie Rudel-Zey- nek, die sich politisch betätigten, hatten es nicht nur auf dem pluralen politischen Parkett schwer. Sie standen in einem be- sonderen Spannungsfeld: Für die kirchli- che Hierarchie und für manche Katholik/ inn/en waren sie wegen ihrer politischen Betätigung zu progressiv, zumal sie als Frauen in von Männern dominierte Berei- che eindrangen. Hingegen betrachteten sie die politischen Vertreter, darunter vor allem auch weibliche Abgeordnete aus

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dem nichtkatholischen bzw. nichtkirch- lichen Milieu, wegen ihrer wertkonser- vativen Haltung und ihres Engagements für die katholische Kirche als „rückstän- dig“. Und während politisch agierende Katholikinnen immer gut genug waren, als Wahlrednerinnen für die christlichen Parteien möglichst viele Frauenstimmen zu gewinnen, wurden sie dennoch bei den Wahlen auf wenig chancenreiche Listenplätze gesetzt. Dieses Schicksal war auch Olga Rudel-Zeynek anfänglich zuteil geworden, als sie 1919 für den National- rat kandidierte, zunächst aber ein Mandat Maria Köstler verfehlte. (Sozialdemokratische Einen besonderen Erfolg von Olga Rudel- Arbeiterpartei) Zeynek, die aus dem Wahlkreis Graz und geb. 1879 in Böhmen, gest. 1965 Umgebung kam und vom 3. Dezember 1920-1930 Abgeordnete zum 1920 bis zum 18. Mai 1927 Mitglied des Steiermärkischen Landtag Nationalrates war, stellt ihre Initiative zur 1930-1934 Abgeordnete zum Nationalrat „Lex Rudel-Zeynek“ aus dem Jahr 1925 dar: Heimarbeiterin, Sekretärin, Erstmals wurde der Anspruch von Frauen Beamtin auf Unterhalt gegenüber zahlungsunwil- ligen Vätern bzw. Ehemännern gesetzlich verankert. Nach Ablauf ihres Nationalrats- mandates wurde sie 1927 vom Landtag in den Bundesrat entsandt, worauf im nach- folgenden Kapitel näher eingegangen wird. In der Gesetzgebungsperiode von 1923 bis 1927 war Rudel-Zeynek Mitglied des Ausschusses für Erziehung und Un- terricht sowie für Justiz (dort auch Schrift- führerin), Ersatzmitglied im außerordent- lichen Kabinettsrat, im Sonderausschuss zur Beratung der Reform des Pressegeset- zes und im Ausschuss für soziale Verwal- tung. Ihre Anträge befassten sich weiters

22 Die erste Generation steirischer Politikerinnen - Michaela Sohn-Kronthaler mit der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit nungshof, für soziale Verwaltung, den weiblicher Kräfte, mit dem Ammenwe- Unvereinbarkeitsausschuss, den Son- sen, der Ausbildung für junge Frauen in derausschuss zur Vorberatung des Vieh- Hauswirtschaft und Kinderpflege sowie verkehrsgesetzes). In ihren Reden vor mit dem damaligen Kinogesetz.40 dem Nationalrat zeigte sie vor allem ihre Die zweite steirische Abgeordnete im Kompetenz in Budgetangelegenheiten Nationalrat kam aus der Sozialdemokra- und im Bundesfinanzgesetz.42 Zusam- tischen Arbeiterpartei und war bereits men mit anderen Sozialdemokratinnen von 1920 bis 1930 Abgeordnete im Stei- protestierte sie vehement gegen den ermärkischen Landtag, als sie 1930 als wachsenden antidemokratischen poli- eine der vier Sozialdemokratinnen in den tischen Kurs. Im Bürgerkriegsjahr 1934 Nationalrat (bis 1934) gewählt wurde. zählte sie zu den Opfern, die wochen- Maria (Marie) Köstler (1879-1965), ge- lang inhaftiert und danach des Landes borene Mattauch, stammte aus Böhmen verwiesen wurden. Die Emigration führ- und war in ihrer Jugendzeit als Heimar- te sie nach London, wo sie während des beiterin in Wien tätig, wo sie einen Ge- Zweiten Weltkrieges der „sozialdemokra- meindebediensteten ehelichte und eine tischen Exilorganisation“ angehörte und Familie gründete.41 Mit 35 Jahren ließ sie enge Kontakte zu Kommunisten hatte.43 sich in der Steiermark zur Krankenpfle- Einige Monate nach ihrer Rückkehr nach gerin ausbilden und organisierte als ent- Österreich schloss sie sich nach Differen- schiedene Kriegsgegnerin während des zen innerhalb der SPÖ im Februar 1946 Ersten Weltkrieges das Pflegepersonal den Kommunisten an, wo sie bis zu ih- für die Freien Gewerkschaften. Sie wur- rem Lebensende aktiv in der Partei mit- de Sekretärin sowie Vorsitzende des ge- arbeitete. werkschaftlichen Fachverbandes bis zu 4. Eine Steirerin als erste Frau an der dessen Verbot 1934. Als Beamtin stand Spitze des Bundesrates sie dem Landesvormundschaftsamt seit 1922 vor. Zudem wurde sie nach dem Insgesamt waren nur wenige Frauen im Weggang von Martha Tausk 1928 steiri- Bundesrat vertreten, der aufgrund der sche Landesfrauenvorsitzende der Sozi- Verfassung mit dem 1. Dezember 1920 aldemokratinnen und 1931 Mitglied des ins Leben gerufen wurde. So finden wir Frauenreichskomitees. Als Nationalrätin kaum Steirerinnen darunter. Die bedeu- war sie Mitglied des Justizausschusses tendste unter ihnen war Olga-Rudel Zey- sowie Ersatzmitglied mehrerer weiterer nek, die zusammen mit Martha Tausk Gremien (Ausschuss für Unterricht und vom Landtag am 21. Mai 1927 in den Erziehung, Immunitätsausschuss, für Bundesrat entsandt wurde.44 Während Land- und Forstwirtschaft, für den Rech- Martha Tausk bereits am 24. November

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1928 aus diesem ausschied, gehörte ihm jahr 1919 erstmals in den Gemeinderat Rudel-Zeynek bis 1934 an. Sie war über- gewählt wurden, nicht aber deren Na- haupt die erste Frau, die im Österreich der men.47 Der Anteil der weiblichen Abge- Zwischenkriegszeit als Vorsitzende des ordneten für den Gemeinderat der Stadt Bundesrates vom 1. Dezember 1927 bis Graz im Wahljahr 1919 betrug mit sechs 31. Mai 1928 die höchste politische Funk- Frauen unter den 48 GemeinderätInnen tion bekleidete und auch weltweit als ers- 12,5 %.48 Die Christlichsoziale Partei, die te Parlamentspräsidentin fungierte. Nach gemeinsam mit der Nationalmittelstän- Ablauf dieses Amtes meinte der Nachfol- dischen Partei kandidierte, konnte den ger von Olga Rudel-Zeynek, der Tiroler höchsten Frauenanteil mit vier von 24 Dr. Richard Steidle als Bundesratsvorsit- MandatarInnen aufweisen (= 16,7 % der zender, über die politische Kompetenz Abgeordneten), während jener unter von Frauen: „Wenn es eines Beweises für den sozialistischen GemeinderätInnen die Eignung der Frau zu solch öffentlicher 10 % betrug. In den Gemeinderat ent- Würde bedurft hätte, unsere Frau Kollegin sandt wurden von den Christlichsozialen Frau Rudel-Zeynek hat ihn erbracht.”45 Er- die Fachlehrerin Marie Handl, verehe- neut stand Rudel-Zeynek dem Bundesrat lichte Paller49, die Bahninspektorsgattin vom 1. Juni bis 20. November 1932 vor. Ludmilla (Frieda) Müller, die Fürsorgerin Die Sekretärin des Kleinrentnerverbandes Berta Schreiner, die „Private“ Sophie Tau- Adele Wigan, welche von 1929 bis 1933 ber sowie von den Sozialdemokraten die dem Grazer Gemeinderat als christlichso- Sekretärin Martha Tausk und die Beam- ziale Abgeordnete angehörte, war für die tin Marie (Mizzi) Dubina. Das historische Gesetzgebungsperiode von 1923 bis 1927 Ereignis, „weil es zum erstenmal der Fall steirische Ersatzfrau für den Bundesrat.46 ist, dass Damen als gewählte Vertretung der Stadt Graz hier erscheinen“50, wurde 5. Gemeinderätinnen der Stadt Graz auch bei der konstituierenden Gemein- Als Fallbeispiel für die ersten Frauen, die deratssitzung am 13. Juni 1919 von Ing. in der Zwischenkriegszeit in die Gemein- Hermann Jaußner, welcher als Alters- deräte gewählt wurden, soll die Stadt präsident zunächst die Sitzung leitete, Graz näher in den Blick genommen wer- gewürdigt. Er begrüßte besonders die den, wobei bislang kaum Forschungen „verschiedenen Vertreterinnen des weib- über diese Mandatarinnen, schon gar lichen Geschlechts“, mit denen er öko- nicht zu ihren politischen Anträgen und nomische Erwartungen verband, dass ihrem Wirken, vorliegen. Selbstredend ist „die Frauen, so wie sie im Kriege durch das Faktum, dass zwar in der jüngst her- ihre Mitwirkung im Hinterlande die bes- ausgegebenen Grazer Stadtgeschichte ten Dienste zum Wohle des Vaterlandes erwähnt wird, dass auch Frauen im Früh- geleistet haben, auch hier im Gemein-

24 Die erste Generation steirischer Politikerinnen - Michaela Sohn-Kronthaler dehaushalte, namentlich auf wirtschaft- und Müller54), ebenso zwei in den Ver- lichem Gebiete die ersprießlichsten Er- sorgungsausschuss, Jugendschutzamts- folge erzielen werden.“51 beirat und Wohnungsfürsorgeausschuss Als zur Vergabe von leitenden Ämtern (jeweils Tausk und Schreiner), in den In- oder Schlüsselpositionen geschritten dustriehalleausschuss (Dubina und Mül- wurde, wurde keine der Gemeinderätin- ler) und Deutschvölkischen Ausschuss nen in eine herausragende Funktion, sei (Dubina und Handl-Paller). es als Obfrau einer Sektion, einer ständi- Die Anzahl der weiblichen Abgeordne- gen Kommission oder eines Ausschusses, ten blieb auch nach den Gemeinderats- sei es sogar als Stadträtin, gewählt. Dieses wahlen am 25. Mai 1924 konstant. Mit ernüchternde Faktum ist ebenso für die der Einheitsliste der christlichsozialen nachfolgenden Gemeinderatsperioden und großdeutschen Volkspartei zogen bis 1934 zu beobachten. Die wichtigs- zunächst drei Mandatarinnen in das ten und kommunalpolitisch bestimmen- Grazer Rathaus ein55, von den Sozialde- den Ausschüsse wurden weitestgehend mokraten zwei. Während die Sozialde- oder zur Gänze mit Männern besetzt, in mokraten mit Martha Tausk und Maria einigen wenigen (und weniger bedeu- Dubina Kontinuität zeigten, änderte sich tenden) Ausschüssen waren vereinzelt die Zusammensetzung der Einheitsliste weibliche Abgeordnete vertreten. Ganz völlig. Neu waren die Kontrollorswitwe dem stereotypen Geschlechterbild ent- Josefine Puggl, die Sekretärin Adele Wi- sprechend fanden sich überwiegend die gan sowie Elisabeth Gaischeg.56 Anstelle meisten Gemeinderätinnen in den Berei- des zurückgetretenen Gemeinderates chen für Soziales und Fürsorge, Unterricht Dr. Hans Löschnigg rückte im Herbst bzw. Bildung, Ernährung, Jugend, Familie 1924 Maria Krevets, deren Beruf als „Pri- oder Wirtschaft. Beispielsweise stellten vate“ angegeben wurde, von der Ein- in der ersten Gemeinderatsperiode von heitsliste nach.57 Auch nach den Wahlen 1919 bis 1924 die Abgeordneten Dubi- von 1924 finden wir die weiblichen Ab- na, Handl-Paller, Tauber und Schreiner in geordneten vornehmlich in den schon der Sektion „Armenwesen“ fast die Hälf- vorher genannten Ausschüssen und te der neun Mitglieder.52 In der „Armen- Sektionen, hinzu kamen neu jene für das oberdirektion“ waren unter den sechs Schlachthaus (Puggl), die Straßenbahn Mitgliedern drei Frauen (Müller53, Schrei- (Puggl), für Gas und Elektrizität (Wigan) ner, Tauber), im Gemeindewirtschafts- sowie für den Wohnungsbau (Wigan). rat unter den 21 Mitgliedern vier Frauen Erstmals wurde jedoch mit Martha Tausk (Dubina, Handl-Paller, Müller und Tausk). eine Frau in den Ausschuss für Geldge- Zwei weibliche Abgeordnete wurden in barung, also für das Budget bzw. die Fi- den Stadtschulrat entsandt (Handl-Paller nanzen zuständig, berufen.58

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Ende des Jahres 1926 legte Elisabeth der Frauen die Christlichsoziale Partei, Gaischeg ihr Gemeinderatsmandat nie- 13,74 % den Nationalen Wirtschaftsblock, der, an ihrer Stelle rückte der Lehrer Josef 3,12 % den Wirtschaftsbund der Stände, Kriwetz nach.59 Die Lehrerin Fri(e)da Roß- 1,58 % die NSDAP sowie 0,6 % die kom- bacher kam anstelle des verstorbenen munistischen Parteien.64 sozialistischen Stadtrates Alois Aufobsky Trotz großer Stimmen- und Mandatsge- im Mai 1927 in den Grazer Gemeinderat.60 winne vergab die Sozialdemokratische Jedoch schied Martha Tausk wegen ihrer Partei nur drei von 24 Mandaten an Frau- Entsendung in den Bundesrat aus dem en: an Maria Dubina, die als einzige Frau in Gremium aus, ihr Mandat wurde mit ei- allen Gemeinderatsperioden von 1919 bis nem männlichen Kollegen, nämlich mit 1934 durchgehend vertreten war, sowie Oberrevident Franz Falk, nachbesetzt. neu an die Handelsangestellte Elisabeth Der sozialistische Bürgermeister der Stadt Peisser und die Fürsorgerin Maria Pon- Graz, Vinzenz Muchitsch (1873-1942), gratz. Die Christlichsoziale Partei besetzte dankte ihr offiziell für die achtjährige „ver- zunächst drei von 15 Mandaten mit weib- dienstvolle Tätigkeit“, „schätzenswerte lichen Abgeordneten, nämlich mit der Mitarbeit“, im Besonderen bei der Lösung Gemeinderätin Maria Krevets sowie neu sozialer Fragen, und für „außerordentli- mit Helene Kociancig und Adele Wigan.65 ches Interesse an den Angelegenheiten Anstelle von Maria Krevets kam im Herbst der Gemeinde“ in der Sitzung vom 23. 1930 die Hausbesitzerin Aloisia Ritter in Juni 1927.61 den Gemeinderat.66 Adele Wigan schied Die KandidatInnenlisten für die Gemein- 1933 aus.67 Am 17. März 1934 verfügte deratswahlen am 21. April 1929 zeigen die Steiermärkische Landesregierung die augenscheinlich, dass Frauen auf schlech- Auflösung des Grazer Gemeinderates. Der teren Listenplätzen zu finden waren und Obmann des christlichsozialen Lehrer- tatsächlich nur Chancen auf ein Mandat bundes Hans Schmid (1889-1979) war innerhalb der beiden Großparteien hat- von den Mitgliedern der Vaterländischen ten, welche auch eine größere Mandats- Front ‒ damals waren nur noch Helene zahl errangen: bei den Christlichsozialen Kociancig und Aloisia Ritter im Gemein- an 5., 9., 14. Stelle, bei den Sozialisten an derat vertreten ‒ bzw. vom Gemeinderat 6., 17. und 23. Stelle.62 Unter den 107.217 in seiner Sitzung vom 24. Februar 1934 wahlberechtigten Grazern fanden sich zum Bürgermeister der Landeshaupt- 59.847 Frauen und 47.370 Männer.63 Da- stadt Graz gewählt worden.68 Nachdem bei waren unter den gültig abgegebenen mit 24. März 1934 ein ausschließlich aus Stimmen 51.003 Frauen (55,7 %), davon Männern gebildeter Stadtrat nach stän- hatten die Sozialdemokratische Partei dischen Prinzipien errichtet worden war, 44,23 % der Frauen gewählt, 36,72 % fand auch das politische Wirken der weib-

26 Die erste Generation steirischer Politikerinnen - Michaela Sohn-Kronthaler lichen Abgeordneten im Grazer Gemein- Partei Mandate in den Gemeinderäten, im derat ein jähes Ende. Landtag, Bundesrat oder Nationalrat. Die Virulenz des (partei)politischen Ka- 6. (Partei)politischer Katholizismus tholizismus in der Zwischenkriegszeit und Mandatarinnen wird auch am Beispiel der weiblichen Während die sozialdemokratischen weib- christlichsozialen Abgeordneten im lichen Abgeordneten mit Ausnahme von Landtag und Grazer Gemeinderat deut- Martha Tausk und Maria Köstler bislang lich. Marianne Millwisch-Kaufmann un- kaum bzw. überhaupt nicht erforscht terstützte schon vor ihrer Wahl als Land- wurden, liegen zumindest zu einigen tagsabgeordnete die Hilfswerke der KFO. christlichsozialen Parteipolitikerinnen Innerhalb dieser war sie, wie auch ihre partiell Forschungsergebnisse vor. Zu Mitstreiterinnen Frieda Mikola und Olga den VertreterInnen der Frauenstimm- Rudel-Zeynek, in der Zwischenkriegszeit rechtsbewegung69 vor 1919 zählten nicht in mehreren Sektionen, teilweise leitend die Hierarchie der katholischen Kirche tätig, wirkte im Katholischen Volksbund und auch nicht die katholisch-kirchlichen und im kirchlichen Verein „Frohe Kind- Frauenvereine und Organisationen, wel- heit“.72 Frieda Mikola führte als Abgeord- che ‒ mit Ausnahme einiger Akademi- nete im Landtag und als Diözesanleiterin kerinnen ‒ dem Anliegen der politischen der weiblichen katholischen Jugend die Emanzipation der Frauen distanziert religiöse und politische Sektion innerhalb oder ablehnend bis abwartend gegen- der KFO Steiermark an. Anfang der 1950er überstanden. Der Meinungsumschwung Jahre fungierte sie neben ihrer parteipo- unter den Katholikinnen fand erst knapp litischen Tätigkeit in der Österreichischen vor Einführung des Frauenwahlrechtes Frauenbewegung als Vorsitzende der statt.70 Die Christlichsoziale Partei ver- staatsbürgerlichen Sektion der Internati- dankte ihre Wahlerfolge in der Ersten onalen Katholischen Frauenbewegung.73 Republik neben der Unterstützung durch Ebenso war Olga Rudel-Zeynek ein füh- die kirchliche Hierarchie und das katholi- rendes Mitglied der KFO. Die Landtagsab- sche Pressewesen besonders dem weib- geordnete Marie Lang war für den „Gau lichen konfessionellen Verbandswesen, Leoben“ der KFO Steiermark zuständig, dem größten katholischer Provenienz.71 die Fürstenfelder Abgeordnete Maria Rie- Katholische Frauenvereine bildeten nun ger für die Ortsgruppe der katholischen den organisatorischen Unterbau für den Frauen. (partei)politischen Katholizismus und Auch die christlichsozialen Grazer Ge- fungierten als Vorfeldorganisationen der meinderätinnen waren fast ausschließlich christlichsozialen Partei. Ihre Spitzenfunk- leitend in den katholischen Frauenver- tionärinnen übernahmen innerhalb der einen tätig: Helene Kociancig als Bun-

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despräsidentin des Katholischen Frau- Politikerin Johanna Weiß (1874-1932), die enbundes „Einigkeit“, welcher der KFO von 1919 bis 1921 dem Niederösterreichi- angeschlossen war, Josefine Puggl als schen Landtag angehörte.74 Was sich bis- Leiterin der Ortgruppe des katholischen lang an Beobachtungen und partiellen Frauenbundes „Einigkeit“ der KFO in der Untersuchungsergebnissen darstellen Pfarre Graz-St. Andrä. Aloisia Ritter war lässt, deutet auf ein bislang unbeachtetes, für die Pfarrgruppe der KFO in der Pfarre jedoch bemerkenswertes Mitgestalten Graz-Kalvarienberg zuständig. Elisabeth von Frauen im Nationalrat und Bundesrat, Gaischeg und Ludmilla Müller fungierten im Steiermärkischen Landtag und im Gra- als Schriftführerinnen des Katholischen zer Gemeinderat hin ‒ so zahlenmäßig Frauenbundes „Einigkeit“, erstere für die gering die Mandatarinnen auch waren. Pfarre Münzgraben, letztere für die Bun- Freilich kam es erst in der Zweiten Repu- desleitung. Maria Krevets leitete die wirt- blik zu einer weitaus größeren, allgemein schaftliche Sektion der KFO Steiermark. wachsenden weiblichen Präsenz in den Mitte der 1920er Jahre finden wir Sophie politischen Gremien, Parteien und Parla- Tauber, nach Ende ihres Gemeinderats- menten. Was aufs Ganze gesehen wegen mandates, als Obfrau für den Gau Leibnitz der allgemeinen Rahmenbedingungen der KFO. eher zaghaft von Repräsentantinnen auf kommunaler, Landes- und Bundesebene 7. Schlussbemerkungen der österreichischen Politik begonnen Die Erforschung der ersten Generation werden konnte, wies indes in die Zukunft steirischer Politikerinnen steht erst am ‒ nach dem autoritären „Christlichen Anfang. Nicht vergessen werden darf Ständestaat“ und der NS-Herrschaft in Ös- auch die aus Mureck stammende Wiener terreich. 

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Sie waren die Ersten

Frauen im Steiermärkischen Landtag 1919-1934 Johanna Auer (Einheitsliste bzw. CsP), 1927-1930 Aloisia Bachner (SP), 1930-1934 Marianne Kaufmann, verehelichte Millwisch (CsP), 1919-1934 Maria Köstler (SP), 1920-1930 Marie Lang (CsP), 1923-1927 Frieda Mikola (CsP), 1920-1934 Cäcilie Nemec (SP), 1919/20 Maria Rieger (CsP), 1919-1923 Friederike Roßbacher (SP), 1928-1934 Olga Rudel-Zeynek (CsP), 1919-1923 Martha Tausk (SP), 1919-1928 Steffi Walter (GDVP), 1920-1923 Adele Wigan (CsP), 1927

Frauen im Grazer Gemeinderat 1919-1934 Maria (Mizzi) Dubina (SP), 1919-1934 Elisabeth Gaischeg (CsP), 1924-1926 Marie (Maria) Handl, verehelichte Paller (CsP), 1919-1924 Helene Kociancig (CsP), 1929-1934 Maria Krevets (CsP), 1924-1930 Ludmilla (Frieda) Müller (CsP), 1919-1924 Elisabeth Peisser (SP), 1929-1934 Maria Pongratz (SP), 1929-1934 Josefine Puggl (CsP), 1924-1929 Aloisia Ritter (1930-1934) Fri(e)da Roßbacher (SP), 1927-1929 Berta Schreiner (CsP), 1919-1924 Sophie Tauber (CsP), 1919-1924 Martha Tausk (SP), 1919-1927 Adele Wigan (CsP), 1929-1933

Steirerinnen im Nationalrat 1919-1934 Olga Rudel-Zeynek (CsP), 1920-1927 Maria Köstler (SP), 1930-1934

Steirerinnen im Bundesrat 1919-1934 Olga Rudel-Zeynek (CsP), 1927-1934 Martha Tausk (SP), 1927/28

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1 Eine Tafel zum Hofeingang des Grazer Landhauses, die 2003 im Rahmen von WOMENT!, einem gemeinsamen feministischen Projekt mehrerer Fraueninitiativen anlässlich von „Graz - Kulturhauptstadt 2003“ angebracht wurde, würdigt dieses besondere historische Ereignis. Dazu: Bettina Behr, Ilse Wieser (Hg.), „WOMENT! ‒ Eine Würdigung der Grazer FrauenStadtGeschichte. Dokumentation und Lesebuch. Innsbruck-Wien-Bozen 2004. Im November 2003 wurde im Grazer Bezirk Geidorf ein Park nach Martha Tausk benannt. Seit kurzem liegt über Martha Tausk eine ausführlichere Biographie vor: Brigitte Dorfer, Die Lebensreise der Martha Tausk. Sozialde- mokratie und Frauenrechte im Brennpunkt. Innsbruck-Wien-Bozen 2008. 2 Seit Anfang November 2008 ist dazu im Steiermärkischen Landesarchiv in Graz eine Ausstellung mit dem Titel „November 1918. Die Steiermark zwischen Monarchie und Republik“ zu sehen. 3 Dorfer, Tausk, S. 58. 4 Dorfer, Tausk, S. 75; Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Steiermärkischen Landtages 1919/20, S. 119. 5 Maria Mesner, Die Auseinandersetzung um den Schwangerschaftsabbruch in Österreich. Zur politischen Kultur der Zweiten Republik. Phil. Diss. Wien 1993. 6 Insgesamt fanden sich unter den acht weiblichen Abgeordneten, die erstmals in das Parlament einzogen, sie- ben Sozialdemokratinnen (Adelheid Popp, Therese Schlesinger, Anna Boschek, Gabriele Proft, Emmy Freund- lich, Amalie Seidl und Marie Tusch) sowie als einzige christlichsoziale Abgeordnete Hildegard Burjan. Bis auf die Kärntnerin Marie Tusch kamen alle anderen Frauen aus den Wiener Wahlkreisen. Michaela Kronthaler, Die Frauenfrage als treibende Kraft. Hildegard Burjans innovative Rolle im Sozialkatholizismus und Politischen Ka- tholizismus vom Ende der Monarchie bis zur „Selbstausschaltung“ des Parlamentes (Grazer Beiträge zur Theolo- giegeschichte und kirchlichen Zeitgeschichte, 8. Bd.). Graz-Wien-Köln 1995, S. 163f. Siehe dazu Gabriella Hauch, Vom Frauenstandpunkt aus. Frauen im Parlament 1919-1933. Wien 1995. 7 Kleine Zeitung, Nr. 127, 5. Juni 1919, S. 1. 8 Cilli Nemec war zusammen mit drei anderen Frauen, nämlich Amalia Gruber, Amalia Huber und Josefa Gruber ‒ am 27. Juli 1919 in den 30-köpfigen Gemeinderat der Stadt Kapfenberg gewählt wurden. Reiner Puschnig, Kapfenberg. Alter Markt ‒ Junge Stadt. Kapfenberg 1974, S. 109. 9 Kronthaler, Frauenfrage, S. 145; Michaela Kronthaler, Prägende Frauen der steirischen Kirchengeschichte (Chris- tentum und Kirche in der Steiermark, Bd. 5). Kehl am Rhein 2000, S. 32. 10 Keine andere Frau hatte in diesen zwei Dezennien ein Ministerinnenamt oder ein höheres politisches Amt, wie das der Landeshauptfrau oder der Staatssekretärin, inne. Zu dieser Politikerin siehe die Broschüre: Olga Rudel- Zeynek, Pionierin im Parlament. Herausgegeben von der Parlamentsdirektion mit Unterstützung des Landes Steiermark, o. O., Juni 2003; Hauch, Frauenstandpunkt, S. 302-307; Michaela Sohn-Kronthaler, Frauen der steiri- schen Kirchengeschichte, in: Franz Lackner, Wolfgang Mantl (Hg.), Identität und offener Horizont. Festschrift für Egon Kapellari. Wien-Graz-Klagenfurt 2006, S. 441-455, hier S. 448f. 11 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Steiermärkischen Landtages 1919/20, 9. Sitzung am 29. September 1919, S. 126; Kronthaler, Frauenfrage, S. 145; Elisabeth Ernst, „Sie war der Lebensnerv der Stadt.“ Die Geschichte der Tabakverarbeitung in Fürstenfeld von den Anfängen bis zur Gegenwart. Phil. Diss. Graz 1991, S. 307. 12 Ausführlich zu Mikola, die von 1945 bis 1949 auch Nationalratsabgeordnete der Österreichischen Volkspartei war: Nina Kogler, Für Kirche, Partei und „Vaterland“. Zur politischen und kirchlichen Organisation katholischer Frauen Österreichs in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts am Beispiel von Frieda Mikola (1881-1958). The- ol. Diplomarbeit. Graz 2007. Die Arbeit erscheint im Februar 2009 als Publikation in der Reihe „Grazer Gender Studies, hg. von Karin M. Schmidlechner“. Nach Frieda Mikola wurde einer der drei „FrauenWEGE“ im Rahmen von Graz ‒ Kulturhauptstadt 2003 benannt: Michaela Kronthaler, FrauenWEGE 2003 ‒ Auf den Spuren religiös bewegter Frauen in Graz, in: Behr/Wieser, WOMENT!, S. 197-205. 13 Hauch, Frauenstandpunkt, S. 280-284. 14 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Steiermärkischen Landtages 1920-1923, S. 127. 15 Stenographischer Bericht, 2. Sitzung des Steiermärkischen Landtages am 21. Dezember 1920, S. 19f. Siehe dazu Kap. 3. 16 Kronthaler, Frauenfrage, S. 145. 17 Stenographischer Bericht, 71. Sitzung des Steiermärkischen Landtages, 31. Jänner 1927. 18 Kronthaler, Frauenfrage, S. 145. 19 Stenographischer Bericht, 23. Sitzung des Steiermärkischen Landtages, 26. September 1928. 20 Kronthaler, Prägende Frauen, S. 32. Siehe dazu ihre Erinnerungen „Aus der Ersten Republik“. o. J., o. O. 21 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Steiermärkischen Landtages 1919/20, S. 53f. 22 Zur KFO Steiermark siehe Kronthaler, Prägende Frauen, S. 29-34; Evelyn Seufzer, Die Entwicklung der Katho- lischen Frauenorganisation Steiermarks. Dargestellt anhand ihres Presseorgans „Der Frauenkalender“ (1923- 1938). Theol. Diplomarbeit. Graz 2005.

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23 Kogler, Mikola, S. 120-132. 24 Dazu ausführlich: Ebd. 25 Vgl. dazu das Kapitel „Katholikinnen im öffentlichen und politischen Leben“ in: Michaela Sohn-Kronthaler/An- dreas Sohn, Frauen im kirchlichen Leben. Vom 19. Jahrhundert bis heute. Kevelaer 2008, S. 62-84. 26 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Steiermärkischen Landtages 1919/20, S. 101. 27 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Steiermärkischen Landtages 1919/20, 22. Sitzung, S. 413. 28 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Steiermärkischen Landtages 1919/20, S. 98; Stenogra- phische Berichte über die Verhandlungen des Steiermärkischen Landtages 1920-1923, S. 21. 29 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Steiermärkischen Landtages 1919/20, S. 119; Stenogra- phische Berichte über die Verhandlungen des Steiermärkischen Landtages 1920-1923, S. 21; Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Steiermärkischen Landtages 1920-1923, S. 17. 30 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Steiermärkischen Landtages 1920-1923, S. 16; Stenogra- phische Berichte über die Verhandlungen des Steiermärkischen Landtages 1923-1927, S. 14; Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Steiermärkischen Landtages 1927-1930, S. 18. 31 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Steiermärkischen Landtages 1927-1930, S. 15. 32 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Steiermärkischen Landtages 1930-1934, S. 16. 33 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Steiermärkischen Landtages 1930-1934, S. 20. 34 Zur sozialpolitischen Tätigkeit des Landes siehe Barbara Prattl, Die soziale Tätigkeit des Steiermärkischen Land- tages von 1919 bis 1938. Phil. Diss. Graz 1986. 35 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Steiermärkischen Landtages 1920-1923, S. 123-127; Ste- nographische Berichte über die Verhandlungen des Steiermärkischen Landtages 1920-1923, S. 136-141. 36 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Steiermärkischen Landtages 1920-1923, S. 120-123. 37 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Steiermärkischen Landtages 1920-1923, S. 10-104. 38 Eine ausführlichere biographische Würdigung zu Rudel-Zeynek bei: Andrea Ertl, Olga Rudel-Zeynek ‒ Die erste Frau an der Spitze des Bundesrates, in: Pionierin im Parlament, S. 5-19 39 Zu Burjan: Kronthaler, Frauenfrage. 40 Index zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates vom 20. November 1923 bis 18. Mai 1927. Wien 1934, S. 117f. 41 Hauch, Frauenstandpunkt, S. 280-284. 42 Index zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates vom 2. Dezember 1930 bis 2. Mai 1934. Wien 1934, S. 97. 43 Hauch, Frauenstandpunkt, S. 281. 44 Stenographisches Protokoll, 116. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich, 28. Juni 1927, S. 1320f. 45 Stenographisches Protokoll, 125. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich, 1. Juni 1928, S. 1401. 46 Stenographisches Protokoll, 66. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich, 14. Dezember 1923, S. 876. 47 Meinhard Brunner, Allgemeine politische und soziale Entwicklung von Graz 1850 bis 2003, in: Walter Brunner (Hg.), Geschichte der Stadt Graz, Bd. 1. Graz 2003, S. 215-230, hier bes. 251. 48 Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz. Im Selbstverlag der Stadtgemeinde Graz, XXIII. Jg. 1919, S. 323f. 49 Nach ihrer Verehelichung im Sommer 1919 hieß sie Maria Paller. 50 Amtsblatt Graz, Nr. 17/18, Stenographischer Bericht über die konstituierende Sitzung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz am Freitag, den 13. Juni 1919, XXIII. Jg. 1919, S. 332. 51 Amtsblatt Graz, Nr. 17/18, Stenographischer Bericht über die konstituierende Sitzung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz am Freitag, den 13. Juni 1919, XXIII. Jg. 1919, S. 332. 52 Insgesamt wurden sechs Sektionen gewählt, nämlich jene für Rechtsangelegenheiten, Unterricht, Bausektion, Geldgebarung, Handel und Gewerbe sowie Armenwesen. Je zwei weitere Frauen waren in der Sektion für Un- terricht (Handl und Tausk) sowie für Handel und Gewerbe (Dubina und Müller) tätig. 53 Sie legte jedoch dann ihre Funktion am 21. Juni 1919 zurück, weil ein Mitglied zuviel gewählt wurde. 54 Am 21. Juni 1919 kam anstellte von Adolf Fizia Ludmilla Müller in den Stadtschulrat. 55 Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz. Im Selbstverlag der Stadtgemeinde Graz, XXVIII. Jg. 1924, S. 99. 56 Zunächst galt auch Stephi Walter von den Großdeutschen als gewählt, aufgrund der Verteilung Reststimmen- mandate wurde der NSDAP jedoch ein weiteres Mandat zuerkannt, so dass die Einheitsliste der CS und GDVP nur mehr 22 Mandate hielt und Stephi Walter ausscheiden musste. Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz, Nr. 11, 15. Juni 1924, Kundmachung, S. 103. XXVIII. Jg. 1924, S. 114. Die Mitglieder der Gemeinderatsperiode von 1919 bis 1924, Ludmilla Müller, Maria Paller, Bertha Schreiner und Sophie Tauber, schieden mit der Sitzung am 12. Juni 1924 aus dem Gemeinderat aus. Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz. Stenographisches Protokoll, XXVIII. Jg. 1924, S. 114. 57 Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz. Stenographisches Protokoll, Gemeinderatssitzung von 20. November 1924, XXVIII. Jg. 1924, S. 198.

31 Die erste Generation steirischer Politikerinnen - Michaela Sohn-Kronthaler

58 Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz. Stenographisches Protokoll, Konstituierende Versammlung vom 26. Juni 1924, XXVIII. Jg. 1924, S. 124f. 59 Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz. Stenographisches Protokoll, Gemeinderatssitzung vom 22. Dezember 1926, XXX. Jg. 1927, S. 2. 60 Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz. Stenographisches Protokoll, Gemeinderatssitzung vom 19. Mai 1927, XXXI. Jg. 1927, S. 79. 61 Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz. Stenographisches Protokoll, Gemeinderatssitzung vom 23. Juni 1927, XXXI. Jg. 1927, S. 96. 62 Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz, 15. Mai 1929, XXXIII. Jg. 1929, S. 71-73. 63 Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz, 15. Mai 1929, XXXIII. Jg. 1929, S. 74. 64 Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz, 15. Mai 1929, Statistik der Gemeinderatswahlen vom 21. April 1929, XX- XIII. Jg. 1929, S. 80. 65 Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz, 15. Mai 1929, XXXIII. Jg. 1929, S. 76f. 66 Adele Wigan schied 1933 aus gesundheitlichen Gründen aus. Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz, Stenogra- phisches Protokoll, Gemeinderatssitzung vom 30. März 1933, XXXVII. Jg. 1933, S. 56f. 67 Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz, Stenographisches Protokoll, Gemeinderatssitzung vom 25. September 1930, XXXIV. Jg. 1930, S. 165f. 68 Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz, Außerordentliche Sitzung des Gemeinderates vom 24. Februar 1934, XXXVIII. Jg. 1929, S. 30. 69 Zur Positionierung der Frauenbewegungen und Frauenvereine zum Frauenwahlrecht in Österreich siehe Bri- gitta Bader-Zaar, Frauenbewegungen und Frauenwahlrecht, in: Helmut Rumpler, Peter Urbanitsch (Hg.), Die Habsburgermonarchie 1848-1918. Politische Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft. Vereine, Parteien und Interes- sensverbände als Träger der politischen Partizipation, Bd. VIII/1. Wien 2006, S. 1005-1027. 70 Christian Blinzer, Nina Kogler, Frauen in die Politik, Frauen in der Politik, in: Sohn-Kronthaler, Kaindl, frau.macht. kirche, S. 89-96, hier S. 93. 71 Vgl. Gabriella Hauch, Frauenbewegungen ‒ Frauen in der Politik, in: Emmerich Tálos u.a. (Hg.), Handbuch des politischen Systems Österreichs. Erste Republik 1918-1933. Wien 1995, S. 277-291, bes. S. 281-283. 72 Kronthaler, Prägende Frauen, S. 32. 73 Kogler, Mikola, S. 15-84. 74 Kronthaler, Frauen der steirischen Kirchengeschichte, S. 449f.; Biographisches Handbuch des NÖ Landtages 1981-1921. Hg. von der NÖ Landesdirektion. St. Pölten [o. J.], S. 335f.

32 Karin Maria Schmidlechner

Frauen und Politik in der Steiermark von 1945 bis 1995

Die folgenden Ausführungen beschäf- die Arbeiterinnen auf tigen sich mit den Rahmenbedingun- der einen Seite und gen von steirischen Politikerinnen, die die bürgerlichen Frauen auf der anderen, zwischen 1945 und 1995 als Abgeord- zumindest in einigen Bereichen durchaus nete im Landtag, Nationalrat oder/und ähnliche Interessen hatten, kam es nach Bundesrat tätig waren.1 Die zeitliche 1945 ‒ ein erster zaghafter Ansatz in Form Begrenzung nach oben ergibt sich aus der Gründung des Dachverbandes aller der Tatsache, dass 1995 in der Steier- Frauenorganisationen im Jahre 1949, der mark und österreichweit erstmals eine aus verschiedenen Gründen schon im An- Frau das Amt des „Landeshauptmanns“ satz stecken blieb, ausgenommen ‒ nicht erringen konnte. Ob damit eine Trend- zu einer kontinuierlichen Zusammenar- wende in Bezug auf die Möglichkeiten beit in Richtung einer gemeinsamen die von Frauen in der steirischen Politik herkömmlichen politischen Ideologien eingeläutet wurde, wird nicht Gegen- hintanstellenden Frauenpolitik. Daher stand der Erörterungen dieses Beitrags gab es auch ab 1945 nur vereinzelte über- sein, da diese Frage in einem anderen parteiliche Aktionen der Frauen, beispiels- Beitrag behandelt wird. weise die Zusammenarbeit von sozial- demokratischen und kommunistischen Frauen und Frauenorganisationen Frauen bei den Demonstrationen gegen in den Parteien die schlechte Ernährungslage in einigen Charakteristisch für die politisch organi- Teilen der Steiermark, die zumindest ei- sierten Frauen war auch nach 1945 die nen Ansatz in diese Richtung darstellten.2 Bindung der jeweiligen Frauenorganisa- Eine der wenigen gemeinsamen Aktio- tionen an die entsprechenden Parteien. nen von steirischen Frauen aller Parteien Diese Bindung hatte schon eine lange in den Jahren nach 1945 betraf ein The- Tradition. Sie war im 19. Jahrhundert ent- ma, das wirklich klassenübergreifend war, standen, als die entscheidenden Kriterien nämlich die Kriegsgefangenen.3 Diese Ak- für die politischen Interessensvertretun- tionen zeigen ebenso wie die Demonst- gen klassenspezifischer Art waren. Die rationen der Frauen zur Verbesserung der Kategorie Geschlecht spielte damals eine Ernährungssituation und ihr Engagement sehr untergeordnete Rolle. Obwohl die in der Abtreibungsproblematik, dass die Vertreterinnen der beiden ideologisch normalerweise an Politik ‒ hier im enge- unterschiedlichen Frauenbewegungen, ren Sinn des Wortes definiert ‒ nicht inte-

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ressierten Frauen durchaus aktiv wurden, In der Aufbauphase der neuen Frauen- wenn es um ihre vitalen Interessen ging. organisation wurden die Landesleitung Dass sie der traditionell von Männern do- sowie die Bezirks- und Ortsgruppen ge- minierten Politik, von deren Schalthebeln gründet. Ziele und Aufgaben des Frauen- sie ja sowieso mit allen Mitteln fernge- bundes waren die Vertiefung und Förde- halten wurden, wobei sie diese aufgrund rung des österreichischen Gedankens und ihrer Sozialisation im Allgemeinen gar der Heimatliebe, die Erziehung der Ju- nicht anstrebten und der sie nicht zuletzt gend in diesem Geiste, die Aktion „Mutter wegen ihres Anteils an den furchtbaren und Kind“, die Förderung hausfraulicher Ereignissen der jüngsten Vergangenheit Tätigkeiten durch Nähstuben und Kurse, ohnehin skeptisch gegenüberstanden, Bastelstunden, Hausfrauenberatung und den Rücken kehrten, erscheint eigentlich die Schulung der Frauen und Mädchen nur verständlich. für das öffentliche Leben auf der Grundla- ge christlicher Weltanschauung. Um nicht Österreichische Frauenbewegung mit Interessen der ÖVP-Bünde in Kollision Im September 1945 wurde von Frieda zu geraten, wurden die Frauen nicht als Mikola4 im Rahmen der ÖVP eine Frauen- Mitglieder, sondern als „Förderer“ in die organisation mit der Bezeichnung „Frau- Bewegung aufgenommen. Innerhalb die- enbund“ gegründet, die bald danach ser Organisation sollten ÖVP-Frauen und in „Österreichische Frauenbewegung“ solche, die dieser Partei nahe standen, umbenannt wurde. Mit damals 64 Jah- ein politisches Zuhause finden. Fünf Jah- ren gehörte Mikola zu jenen steirischen re später wurde vom Wirtschaftsrat des Nachkriegspolitikerinnen, die schon in ÖFB die Hausfrauenvereinigung gegrün- der Zwischenkriegszeit in verschiedenen det. Ziel dieser Vereinigung war es, die politischen Funktionen tätig waren. Von Interessen der Hausfrauen zu vertreten, 1918 bis 1930 bekleidete sie die Funkti- Anregungen auf allen Gebieten der Haus- on einer Führerin der Jugendgruppe der haltsführung weiterzugeben, für eine ge- Katholischen Frauenorganisation. Außer- eignete Ausbildung und Weiterbildung dem war sie von 1921 bis 1934 Abgeord- der Hausfrauen und Haushaltshilfen zu nete zum Steiermärkischen Landtag und sorgen, Rat und Auskunft zu erteilen dort in den Ausschüssen Finanz- und Kul- und ähnliche Aufgaben zu lösen. In der tur sowie im Fürsorgeausschuss, dessen Aufbauphase wurden die Landesleitung stellvertretende Obfrau sie war, vertreten. sowie die Bezirks- und Ortsgruppen ge- Frieda Mikola war auch Vertreterin der gründet. Von der ÖVP Steiermark wurden Jugendabteilung der Internationalen Ka- der neugegründeten Organisation zwei tholischen Frauenliga, später Vertreterin Räume zur Verfügung gestellt und die der Frauen in dieser Organisation. Bezahlung einer ÖFB-Landessekretärin,

34 Frauen und Politik in der Steiermark von 1945 bis 1995 - Karin M. Schmidlechner einer Schreibkraft, sowie der Post- und der Landesinteressen, die ja bekanntlich Telephongebühren übernommen.5 1951 nicht immer zusammenfielen, verpflich- wurde die Zahl der in der ÖVP erfassten tet. Ausschließlich als Frauenpolitikerin- und von der ÖFB betreuten Frauen mit nen, die primär an der Durchsetzung von 49.000 angegeben. sozialistischen Fraueninteressen inter- essiert waren, fungierten sie in den so- Landesfrauenorganisationen zialistischen Frauengremien. Zu den Tä- Als oberste Frauengremien der SPÖ wur- tigkeitsbereichen auf der zweiten Ebene den in den Herbsttagen 1945 in den Bun- gehörte auch die Fortbildung der lokalen desländern die Landesfrauenorganisati- Funktionärinnen. Mit der Auslegung eines onen gegründet. Die Funktionärinnen in dicht geknüpften Netzwerks sollte auch den Landesfrauenorganisationen waren jede Kleinstgemeinde ihre SPÖ-Organisa- sehr oft auch im Frauenzentralkomitee tion und zumindest eine Frauenreferen- vertreten und konnten so die Beschlüs- tin haben. Die Frauenreferate waren nicht se dieses Gremiums in den Ländern unabhängig, sondern integrativer Teil der weiterverbreiten. Im Unterschied zum Gesamtpartei und wurden benötigt, um Frauenbund kooperierten die SP-Frau- gezielt den weiblichen „Vertrauensmän- enorganisationen in den Ländern sowohl nerapparat“ aufzubauen.6 personell als auch inhaltlich sehr stark mit Auch in der Kommunistischen Partei und der Zentrale, d.h. dass immer wieder auch in der erst einige Jahre nach dem Kriegs- Wiener SP-Politikerinnen an diversen ende gegründeten FPÖ wurden eigene Frauenveranstaltungen in der Steiermark Frauenorganisationen (Freiheitliches teilnahmen bzw. dort aktiv waren. Inhalt- Frauenhilfswerk) gegründet. lich schloss das Frauenzentralkomitee in Daten zum Anteil der Frauen an der Ge- vielen Bereichen an die Zeit vor 1934 an, samtmitgliedschaft liegen nur für die SPÖ wie z.B. in der Frage der Entkriminalisie- im Zeitvergleich vor. So war der Anteil der rung des Schwangerschaftsabbruches, Frauen an der Gesamtmitgliedschaft bei der Revidierung der Kollektivverträge, um der SPÖ nach 1945 konstant und betrug gleichen Lohn für gleiche Arbeit zu ge- im Fünfjahresschnitt 28,72 %. Die Band- währleisten, der Gleichstellung des une- breite schwankte zwischen 30,55 % im helichen mit dem ehelichen Kind und der Jahre 1948 und 28,27 % für 1985. Daten Reform des Ehe- und Familienrechtes. über den Frauenanteil bei der ÖVP liegen Die Tätigkeitsbereiche der steirischen So- dagegen nur vereinzelt vor. So betrug zialistinnen bewegten sich auf verschie- der Frauenanteil an der Mitgliedschaft denen Ebenen. Zum einen waren sie im der drei großen Teilorganisationen 1953 National- und Bundesrat zur Durchset- 41,53 % und 1957 43,32 % und beim AAB zung der Partei-, der Frauen- und auch 38 % im Jahre 1986. Nach dem Organi-

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sationsbericht an den Landesparteitag der FPÖ 1972 betrug der Frauenanteil an der Gesamtmitgliedschaft 21,4 %, in Graz 34 %. Aber auch bei den alternativen Par- teien lag der Frauenanteil unter 50 %.

Die Katholische Frauenbewegung

Die weibliche Laienorganisation der Ka- tholischen Kirche ging aus der Katho- lischen Frauenorganisation und dem Hausmütterverein der Vorkriegszeit her- vor. Sie nahm ihre Tätigkeit in der Stei- ermark offiziell erst im Jahre 1953 auf, war allerdings schon einige Jahre zuvor Sophie Wolf ‒ unter verschiedenen Namen wie z.B. (ÖVP) rechts im Bild, hier mit Maria Matzner Katholisches Frauenwerk und Katholische geb. 12. Mai 1891, gest. 4. Juli Frauenarbeit ‒ in Erscheinung getreten. 1964 Als der eigentliche inoffizielle Gründungs- Schon vor dem Krieg als Politi- tag wird die erste Ländertagung in Maria kerin aktiv 1945-1957 Abgeordnete zum Plain im Frühjahr 1947 betrachtet. Auf Steiermärkischen Landtag, dieser Ländertagung wurden die Grund- als einzige der 8 von der ÖVP züge der Aktivitäten festgelegt. Diese aufgestellten Kandidatin- lagen im Bereich des Jugendschutzes, nen gewählt, Vorsitzende des Volksbildungsausschusses, stv. im Aufzeigen sozialer Missstände sowie Vorsitzende des Fürsorgeaus- in der Betreuung von Mädchen aus der schusses Katholischen Jugendorganisation auf ih- Obfrau des steirischen Lehrer- bundes rem Weg „in den Frauenstand“. Weiters Mitglied des Präsidiums des ging es um die „Erziehungsarbeit, die steirischen ÖAAB Frauen zur religiösen Betätigung hintan- Mitglied der Bundesleitung des ÖAAB zuführen“. Einige Jahre später wurde als Ziel formuliert, der Frau „im kirchlichen, kulturellen, wirtschaftlichen und öffent- lichen Leben zu dienen.“ Die Basis der Katholischen Frauenbewegung bildeten die Pfarren, wo sich die Frauen in der Re- gel einmal im Monat trafen und Vorträge über verschiedene Themen hörten. Daher

36 Frauen und Politik in der Steiermark von 1945 bis 1995 - Karin M. Schmidlechner war die Einstellung des jeweiligen Pfar- rers gegenüber der Bewegung von ent- scheidender Bedeutung, da die Initiative zur Gründung einer Ortsgruppe von ihm auszugehen hatte. Da die Pfarrer davon nicht immer angetan waren, wurden sie seit 1947 von der Ordinariatskanzlei des Fürstbischofs immer wieder aufgefordert, einer Frauenorganisation in ihrer Pfarre zumindest wohlwollend gegenüberzuste- hen. Die wichtigste Zielgruppe der ersten Jahre waren die Mütter, da die Mutter ein Ideal der Katholischen Kirche darstellte.7

Frauen im steirischen Landtag Hella Lendl (SPÖ) Für die ersten Landtagswahlen nach dem geb. 3. Jänner 1907 in Mürz- Zweiten Weltkrieg, die im November 1945 zuschlag, gest. 30. September stattfanden, waren von der ÖVP 8 Frauen 2004 (10 %) aufgestellt worden, von denen als Funktionärin der Partei des Arbeiterturnvereines und der einzige Sophie Wolf in den Landtag ge- Konsumgenossenschaft wählt wurde, wo sie die Funktion einer 1945-1970 Abgeordnete zum Vorsitzenden des Volksbildungsausschus- Steiermärkischen Landtag ses innehatte. Außerdem war Sophie Wolf 1945 Aufbau der sozialistischen Frauenbewegung in Mürzzu- stellvertretende Vorsitzende des Fürsor- schlag geausschusses, Obfrau des steirischen 1946-1970 Mitglied des Ge- Lehrerbundes, Mitglied des Präsidiums meinderats der Stadt Mürzzu- schlag des steirischen ÖAAB sowie Mitglied der 1. Frau Österreichs in einem Bundesleitung des ÖAAB. Gemeindevorstand Bei der SPÖ waren von 67 Kandidaten 1960 Goldenes Ehrenzeichen der Republik Österreich ebenfalls 8 weiblich, das entspricht einem Anteil von 11,5 %. Tatsächlich gewählt wurden Maria Matzner und Hella Lendl. Wie Sophie Wolf waren auch die beiden SP-Politikerinnen schon vor dem Krieg ak- tiv gewesen. Hella Lendl, Jahrgang 1907, begann mit 16 Jahren als Bürokraft in der Konsumge-

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nossenschaft zu arbeiten und wurde bald Funktionärin der Partei und des Arbei- terturnvereines, aber auch der Konsum- genossenschaft. Sie besuchte die genos- senschaftliche Frauenschule in Waldegg und war ab 1936 für die Hauptkasse der Genossenschaft verantwortlich. 1939 zog sie sich auf Grund ihrer Heirat aus dem Be- rufsleben zurück, war 1945 jedoch wieder politisch aktiv. Sie baute die sozialistische Frauenbewegung im Bezirk Mürzzuschlag auf und bekleidete zahlreiche Funktio- nen, wie etwa die einer Gemeinderätin in Mürzzuschlag, und war Mitglied des Lan- Maria Matzner desparteivorstandes. (SPÖ) Maria Matzner kam im Jahre 1902 in der geb. 5. Jänner 1902 bei Lem- Nähe von Lemberg zur Welt und ver- berg, gest. 13. Mai 1987 in Graz brachte einige Schuljahre in Graz. Nach Schon vor dem Ersten Welt- der Bürgerschule besuchte sie die Han- krieg als Politikerin aktiv delsschule und trat mit 16 Jahren als 1946-1962 Abgeordnete zum Steiermärkischen Landtag Büroangestellte in das Bezirkssekretariat 1950-1962 Mitglied der Stei- des Metallarbeiterverbandes in Wiener ermärkischen Landesregierung Neustadt ein, wo sie von 1918 bis 1928 an und 1. Landesrätin Österreichs 1962-1970 Mitglied des Bun- der Seite von Paul Johannes Schlesinger desrates arbeitete. 1927 wurde sie als Frauensek- Sekretärin retärin der Sozialdemokratischen Partei in das steirische Landessekretariat berufen. Schon im Oktober 1934 wurde sie wegen Verbreitung der illegalen „Arbeiter-Zei- tung“ verhaftet und zu zehn Wochen Ar- rest verurteilt. Ein zweites Mal wurde sie 1937 wegen Verdacht des Hochverrates verhaftet. Diesmal bekam sie Einzelhaft. Die Untersuchung musste aber nach einem Monat eingestellt werden. Vom Oktober 1944 bis zum Ende des Krieges wurde sie von der Gestapo in Wien fest-

38 Frauen und Politik in der Steiermark von 1945 bis 1995 - Karin M. Schmidlechner gehalten. Nach ihrer Entlassung kehrte offenen Fürsorge, also in einem Bereich, sie nach Graz zurück und wurde neuer- für den Frauen als besonders prädesti- lich Frauen-Landesparteisekretärin sowie niert angesehen wurden, zuständig. Ihre Landtagsabgeordnete und Mitglied des Nominierung9 wurde als großer Erfolg für Landesparteivorstandes.8 die Frauen gewertet. Die Politiker stellten Die steirischen Politikerinnen waren aber sie als Bereitschaft der Männer dar, die nicht nur im Landtag, sondern auch in Frauen an der Politik teilhaben zu lassen. dessen Ausschüssen in der Minderheit, Tatsächlich waren die allgemein gelten- wo sie demgemäß natürlich auch kei- den gesellschaftlichen Rollenzuordnun- ne wichtigen Funktionen bekleideten. gen und die traditionellen geschlechts- In der ersten Landtagsperiode (1945 bis spezifischen Grenzen auch in Bezug auf 1949) kam Matzner Maria (SPÖ) als „Er- die weibliche Funktionärs- und Manda- satzmann“ in den Finanz-Ausschuss. In tarstätigkeit aber kaum zu durchbrechen. den Volksbildungsausschuss sowie auch Nur so ist es verständlich, dass es als große in den Fürsorgeausschuss wurden die Erfolge für die Frauen betrachtet wurde, Abgeordneten Sophie Wolf (ÖVP), Maria als die Mürzzuschlagerin Hella Lendl als Matzner (SPÖ) und Hella Lendl (SPÖ) als erste Frau in der Geschichte Steiermarks Ersatz gewählt. In der zweiten Landtags- in den Gemeindevorstand eingezogen periode ‒ von der SPÖ waren wieder war und bei den Gemeinderatswahlen Hella Lendl und Maria Matzner, von der vom 23. April 1950 die Sozialistin Maria ÖVP Sophie Wolf vertreten ‒ war Maria Fintz als erste Frau in den Deutschlands- Matzner Mitglied im Volksbildungsaus- berger Gemeinderat gewählt wurde (von schuss, im Fürsorgeausschuss und Ersatz 25 Sitzen 14 SPÖ). Im ersten Grazer Ge- im Finanzausschuss, Hella Lendl Mitglied meinderat nach Kriegsende waren von 14 im Gemeinde-und Verfassungsausschuss ÖVP-Gemeinderäten zwei Frauen, (Maria und Ersatz im Volksbildungsausschuss Heyrowsky und Johanna Doppler), von und im Fürsorgeausschuss und Sophie den 18 SP-Gemeinderäten drei Frauen, Wolf Mitglied im Volksbildungsausschuss (Lina Deutschmann, Fanny Krejan und und im Fürsorgeausschuss. Hilde Tscherner) und von der kommu- Im Februar 1950 wurde Maria Matzner an nistischen Partei zwei Männer, aber kei- Stelle des aus der Regierung ausscheiden- ne Frau vertreten. Die im Jahre 1905 als den Landesrates Oberzaucher zur Lan- Tochter eines Briefträgers geborene Thil- desrätin ernannt und war damit die erste de Tscherner konnte sich trotz ihrer elf Frau in einer österreichischen Landesre- Geschwister ihren Berufswunsch erfüllen gierung, die ein solches Mandat innehat- und Lehrerin werden. Sie betätigte sich te. Matzner war in der Landesregierung in der Lehrergewerkschaft und bei den für das Referat der Anstaltsfürsorge und Kinderfreunden und wurde 1946 Grazer

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Gemeinderätin und 1948 Direktorin ei- ner Grazer Mädchenhauptschule. Mara Heyrowsky vertrat die ÖVP nach 1945 im Grazer Gemeinderat und setzte sich als Lehrerin besonders für diese Belange ein. Heyrowsky war Mitglied des Jugend- und Wohlfahrtsausschusses und hatte die Oberaufsicht über die Horte, Kinder- gärten und Kinderheime der Stadt Graz und Einfluss auf deren Einrichtung bzw. die Besetzung der Stellen. Außerdem war sie die einzige Frau der ÖVP-Fraktion im Stadtschulrat und im Landesschulrat, fer- ner Mitglied des Theaterausschusses und Edda Egger der Sport- und Turnunion. (ÖVP) Grazer Gemeinderätin nach 1945 war Emi- geb. 29. Juni 1910 in Bruck lie Pettinger, Jahrgang 1914. Sie wurde in an der Mur, gest. 15. Oktober 1993 in Leoben Bruck geboren und stammte aus einer so- ab 1948 ÖFB-Vorsitzende der zialdemokratischen Eisenbahnerfamilie. Hausfrauenvereinigung Im Jahre 1934 ging sie als Kindermädchen 1953-1958 Mitglied des Ge- meinderats in Graz für einige Jahre nach Ungarn und wurde 1957-1970 Abgeordnete zum nach ihrer Rückkehr Verkäuferin. Im Jahre Steiermärkischen Landtag 1939 heiratete sie. Während des Krieges 1964-1975 Landesleiterin der ÖFB Steiermark arbeitete sie als Wetterdiensthelferin bei 1970-1976 Bundesleiterin der der Luftwaffe. Nach 1945 wurde sie Gra- ÖFB zer Gemeinderätin. 1970-1977 Mitglied des Bun- desrates Im Landtag waren zwischen 1945 und Fachlehrerin für Hauswirt- 1965 jeweils drei Frauen vertreten. 1945, schaft, Fachschulinspektorin 1949, 1953 die beiden Sozialistinnen Ma- ria Matzner und Hella Lendl sowie die VP- Abgeordnete Sophie Wolf. 1957 wurde Sophie Wolf durch Edda Egger ersetzt. Edda Egger wurde am 29. Juni 1910 in Bruck an der Mur geboren, besuchte die Pflichtschule und die Höhere Lehran- stalt für wirtschaftliche Frauenberufe so- wie das Berufspädagogische Seminar in

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Wien. Ab 1948 arbeitete sie in der ÖFB mit und war Vorsitzende der Hausfrauen- vereinigung. Von 1953 bis 1958 war sie Grazer Gemeinderätin, von 1957 bis 1970 Landtagsabgeordnete, von 1964 bis 1975 Landesleiterin der ÖFB und von 1970 bis 1977 Mitglied des Bundesrates. Edda Eg- ger verstarb im Jahre 1993.10 Auch 1961 waren Egger, Lendl und Matz- ner Landtags-Mitglieder. 1965 kam für die VP Johanna Jamneg dazu. Anstelle von Maria Matzner, die in den Bundesrat wechselte, dem sie bis 1970 angehör- te, wurde Stefanie Psonder aufgestellt.11 1970 wurden neben Edda Egger die Sozi- Lindi Kálnoky, Dr. aldemokratin Julie Bischof in den Landtag (ÖVP) gewählt. 1974 war von der VP keine Frau geb. 2. November 1935 in Duivelskloof (Transvaal) in den Landtag gewählt worden, für die 1955–1961 Biologie- und Phar- SPÖ waren Julie Bischof und Traute Hart- makognosiestudium wig vertreten. 1978 kam Johanna Jamneg 1983–1991 Abgeordnete zum für die VP-Frauen, für die SPÖ waren wie- Steiermärkischen Landtag 1988-1991 Dritte Präsidentin der Julie Bischof und erstmals Annemarie des Steiermärkischen Land- Zdarsky gewählt worden.12 1981 erhielt tages Zdarsky die Position der Zweiten Land- 23.2.1982-9.5.1983 Mitglied tagspräsidentin, die Sozialdemokratin des Bundesrates Angestellte des Landeskran- Margit Meyer und die VP-Politikerin Wal- kenhauses Graz traud Klasnic13 wurden Landtagsabge- ordnete. Ab 1983 war Klasnic Dritte Prä- sidentin des steirischen Landtages, 1988 bis 1993 Landesrätin und 1993 bis 1996 Landeshauptmann-Stellvertreterin. 1986 schnellte der Anteil der Frauen im Landtag auf 8 von 56 hinauf.14 Für die SPÖ zogen Meyer, Minder, Pusswald und Zdarsky, für die ÖVP Klasnic, Kálnoky und Göber in den Landtag ein. Nach der Er- nennung von Klasnic zur Landesrätin,

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wurde Dr. Lindi Kálnoky zur Dritten Land- Jahre 1993 eine Kopf-Quotenregelung für tagspräsidentin ernannt. In diesem Jahr Frauen beschlossen, um die Repräsentanz gelang der grünalternativen Abgeordne- von Frauen in der Politik zu fördern.19 ten Gundi Kammlander der Einzug in den Da in der Steiermark nach 1945 von kei- Landtag, dem sie bis 1991 angehörte. Sie ner der aufgestellten Parteien ernsthaft war die erste grüne Abgeordnete in einem daran gedacht wurde, die Frauen an der österreichischen Landtag.15 1989 wurde Verteilung der NR-Mandate stärker zu die SP-Politikerin Barbara Gross Landtags- beteiligen, gelang es nur wenigen Politi- abgeordnete. 1991 war mit neun weibli- kerinnen aus der Steiermark, in der Bun- chen Abgeordneten (Bachmaier-Geltewa, despolitik Fuß zu fassen. Bei den NR-Wah- Kaufmann, Pußwald, Minder, Beutl, Ka- len 1945 gelang dies bei der ÖVP Frieda risch, Frieß, Grabensberger, Bleckmann) Mikola, die neben Nadine Paunovic als und einer Landesrätin (Klasnic) zumindest eine von zwei Frauen in den Nationalrat quantitativ der Höchststand der Periode gewählt wurde. Es waren zwar vier Frauen erreicht.16 (bei insgesamt 48 Nominierungen) aufge- Gegenwärtig sind 14 der 56 Landtagsab- stellt, jedoch an eher aussichtslose Stellen geordneten weiblich, das entspricht ei- gereiht worden, ein nicht nur für damals nem Anteil von 25 %. Davon sind sieben typisches Muster.20 (von 25) von der SPÖ, drei (von 24) von der Frieda Mikola, die langjährige Landes- ÖVP, zwei (von drei) von den Grünen und leiterin (1945 bis 1958) der ÖFB war von zwei (von vier) von der KPÖ. In den Bezir- 1945 bis 1949 Nationalrätin, wo sie das ken Deutschlandsberg und Leoben sind Hausgehilfinnengesetz und das Mutter- seit 1988 bzw. 1990 die ersten Bezirks- schutzgesetz in Form von Initiativanträ- hauptfrauen Österreichs tätig.17 gen einbrachte.21 Außerdem war sie Ob- mannstellvertreterin des Österreichischen Steirerinnen im Nationalrat Wohlfahrtsdienstes und Mitglied des Lan- Wie im steirischen Landtag erfolgte auch desparteipräsidiums der Österreichischen im Nationalrat in den ersten drei Jahr- Volkspartei. Sie starb am 19. Jänner 1958. zehnten der Zweiten Republik keine gra- Nach ihrem Ausscheiden aus dem Natio- vierende Änderung des Frauenanteils im nalrat kämpften die steirischen ÖVP-Poli- Vergleich zur Ersten Republik.18 tikerinnen bis zum Jahre 1958 vergeblich Erst von 1975 an ist ein zunächst langsa- um die Vergabe eines Mandats an eine mer, mit Beginn der XVIII. Gesetzgebungs- Frau.22 periode des Nationalrates im Jahre 1990 Dipl.-Ing. Dr. Johanna Bayer (ÖVP) ge- aber sprunghafter Anstieg des Frauenan- hörte dem Nationalrat von 1958 bis 1973 teils unter den Mitgliedern des National- an. Zuvor (vom 15.4.1953 bis 9.4.1957) rates feststellbar. Von der SPÖ wurde im war sie Mitglied des Bundesrates, in dem

42 Frauen und Politik in der Steiermark von 1945 bis 1995 - Karin M. Schmidlechner sie vom 1.7.1953 bis 31.12.1953 als erste Frau den Vorsitz inne hatte. Sie wurde am 23.1.1915 in Berlin geboren, besuchte die Hochschule für Bodenkultur von 1933 bis 1937 (Doktorat in Milchwirtschaft), war von 1938 bis 1942 Vorstand der Land- frauenabteilung der Landesbauernschaft Steiermark, 1948 Referentin der Landes- kammer für Land- und Forstwirtschaft Steiermark, 1960 Abteilungsleiterin für Land- und Forstwirtschaft Steiermark, stellvertretende Landesleiterin der Öster- reichischen Frauenbewegung Steiermark. Im Nationalrat war Bayer 1962, 1966 und 1970 Obmannstellvertreterin im Unter- Johanna Bayer, Dipl.-Ing. Dr. (ÖVP) richtsausschuss, 1960 setzte sie sich für geb. 23. Jänner 1915 in Berlin, ein Unterhaltsschutzgesetz ein, bei dem gest. 5. Februar 2000 in Graz Unterhaltsverweigerer auch dann straf- 1938-1942 Vorstand der Land- fällig werden, wenn die Kindesmutter er- frauenabteilung der Landes- bauernschaft Steiermark werbstätig ist. Bayer starb am 5.2.2000 in 1948 Referentin der Landes- 23 Graz. kammer für Land- und Forst- Weitere steirische ÖVP-Politikerinnen wirtschaft Steiermark im Nationalrat waren Wilhelmine Moser 1960 Abteilungsleiterin für Land- und Forstwirtschaft Stei- 24 (1973 bis 1979) , Maria Stangl (1979 bis ermark 1986)25, Mag. Cordula Frieser (1986 bis 1953-1957 Bundesratsmitglied, 1994 und von 1995 bis 2004)26 und Ridi Juli bis Dezember 1953 erste 27 weibliche Vorsitzende des Bun- Steibl (seit 1994) . desrats Auch die sechs steirischen SP-Frauen, die 1958-1973 Abgeordnete zum für den Nationalrat kandidierten, waren Nationalrat Kammerbeamtin mit Ausnahme der gewählten Paula Wal- lisch (4. Platz von 16 im Wahlkreis Ober- steiermark) an nicht gerade viel verspre- chenden Stellen plaziert. Paula Wallisch wurde am 7.6.1893 in Kärnten geboren und wuchs in Marburg/Drau als Tochter eines Bergwerkschlossers auf. In Szegedin in Ungarn, wo sie als Erzieherin arbeitete,

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lernte sie ihren Mann, Kolomann Wallisch kennen und arbeitete schon dort an sei- ner Seite in der Ungarischen Sozialdemo- kratischen Partei mit. Nach dem Sturz der Räteregierung flüchtete das Ehepaar über Marburg nach Graz und lebte von 1921 bis 1933 in Bruck/Mur, wo auch Paula Wal- lisch in politischen Funktionen tätig war. Als Kolomann Wallisch nach dem Februar- aufstand im Jahre 1934 wegen Hochver- rats hingerichtet wurde, wurde auch sie wegen Hochverrats zu einem Jahr schwe- ren Kerker verurteilt, musste aber wegen einer schweren Krankheit vorzeitig ent- Paula Wallisch lassen werden. Paula Wallisch flüchtete (SPÖ) dann in die Tschechoslowakei und arbei- geb. 7. Juni 1893 in St. Johann tete dort bis zum Einmarsch Hitlers in der am Pressen, gest. 19. Juli 1986 in Graz deutschen Sozialdemokratie mit. Danach wuchs in Marburg an der Drau lebte sie in Wien, wo sie von der Gesta- auf po monatelang festgehalten wurde. 1945 Mitarbeit in der Ungarischen Sozialdemokratischen Partei wurde sie in den Nationalrat gewählt, 1921-1933 in Bruck/Mur, politi- dem sie bis 1956 angehörte und war dort sche Funktionen Obmann-Stellvertreterin im Ausschuss Nach 1934 (Todesstrafe und Hinrichtung ihres Ehemannes für soziale Verwaltung. Paula Wallisch, die Koloman) Flucht in die Tsche- von den steirischen SozialdemokratIn- choslowakei, danach Mitarbeit nen besonders verehrt wurde, starb am in der deutschen Sozialdemo- 28 kratie 19.7.1986 in Graz. 1945-1956 Abgeordnete zum Von 1957 bis 1962 fungierte die Steirerin Nationalrat, Obmann-Stv. im Rosa Rück von der SPÖ als Nationalrätin. Ausschuss für soziale Verwal- tung Sie wurde im Jahre 1897 als Arbeiterkind Kindergärtnerin, Erzieherin mit sieben Geschwistern geboren, arbei- tete mit 14 Jahren bereits als Dienstmäd- chen, später dann als Kindermädchen und Fabriksarbeiterin. Erst nach ihrer Heirat konnte sie den Beruf einer Fürsorgerin er- lernen, den sie jahrelang ausübte. Sie war u.a. Vorsitzende des Grazer Frauenkomi-

44 Frauen und Politik in der Steiermark von 1945 bis 1995 - Karin M. Schmidlechner tees, Mitglied des Landesfrauenkomitees der SPÖ Steiermark. Rück war zunächst (1949 bis 1952) Bundesrätin, und wech- selte dann in den Nationalrat (bis 1962), wo sie Mitglied des Unterrichts- und Jus- tizausschusses und des Ausschusses für soziale Verwaltung war. Gestorben ist sie am 6.12.1969, ebenfalls in Graz.29 Weitere Nationalrätinnen der SPÖ waren Herta Winkler (1962 bis 1973)30, Dr. Jo- landa Offenbeck (1973 bis 1990)31, Anna Huber (1990 bis 2002)32, Mag. Hannelore Buder (5.11.1990 bis 6.11.1994 und vom 15.12.1994 bis 28.10.1999)33, Dr. Hel- ga Konrad (1990 bis 1993 sowie 1996 Rosa Rück (SPÖ) und 1997 bis 1999)34, Ludmilla Parfuss geb. 11. August 1897 in Graz, (ab 1990)35 und Sophie Bauer (1991 bis gest. 16. Dezember 1969 in 2002)36. Graz Von der FPÖ waren Ute Apfelbeck (von Mitglied des Landesfrauenko- mitees der SPÖ Steiermark und 1988 bis 1999)37 und Mares Rossmann Vorsitzende des Grazer Frau- 38 (1994 bis 1998), von den Grünen Mag. enkomitees Doris Pollet-Kammerlander (1994 bis 1949-1952 Mitglied des Bun- 1999)39 im Nationalrat vertreten. desrates 1957-1962 Abgeordnete zum Im behandelten Zeitraum wurde nur eine Nationalrat, Mitglied des Un- Steirerin, die Grazer Stadträtin Ruth Feld- terrichts- und Justizausschus- grill-Zankel, zur Ministerin (vom 5.3.1991 ses und des Ausschusses für soziale Verwaltung bis 25.11.1992) und zwar für Umwelt, Ju- Dienstmädchen, Kindermäd- gend und Familie. Ruth Feldgrill-Zankel chen und Fabriksarbeiterin wurde am 15.9.1942 in Kapfenberg gebo- ren, studierte an der Hochschule für Welt- handel in Wien, war danach Sachbearbei- terin am Institut für Standortberatung in Wien, Journalistin bei der „Südost-Tages- post“ in Graz, Pressereferentin der ÖVP- Landesparteileitung Steiermark, Leiterin der Magistratsabteilung für Öffentlich- keitsarbeit in Graz. Von 1987 bis 1990 war

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sie Grazer Stadträtin für Veterinär- und Marktangelegenheiten, Gewerbe- und Liegenschaftsverkehr sowie Fremdenver- kehr. Außerdem war sie Landesfrauenvor- sitzende im ÖAAB sowie stellvertretende Landesobfrau des steirischen Arbeiter- und Angestelltenbundes, Mitglied der Bundesparteileitung der ÖVP und Lan- deshauptmann-Stellvertreterin.40 Nach dem Ende ihrer Ministertätigkeit wurde sie wieder Grazer Stadträtin. Zu ihren politischen Forderungen zählte u.a. die Verschärfung des Pornographiegesetzes, welches 1994 tatsächlich in Kraft trat. Als Ruth Feldgrill-Zankel, Umweltministerin war sie maßgeblich für Dkfm. (ÖVP) die Gründung eines Ost-Ökofonds im Jah- geb. 15. September 1942 in re 1991 beteiligt, durch welchen die ost- Kapfenberg, Studium an der Hochschule für europäischen Staaten Unterstützung bei Welthandel, Wien der Umweltsanierung erhalten sollten.41 Journalistin, Pressereferentin der ÖVP Steiermark Steirische Bundesrätinnen 1987-1990 Grazer Stadträtin und Landesfrauenvorsitzende Neben der Ernennung von Maria Matz- im ÖAAB ner zur Landesrätin wurde 1949 auch die 5.3.1991 bis 25.11.1992 Minis- terin für Umwelt, Jugend und Entsendung von Rosa Rück (SPÖ) in den Familie (damit erste steirische Bundesrat als großer Erfolg für die sozia- Ministerin) listischen Frauen gewertet. 1992-1998 (erste weibliche) Vi- zebürgermeisterin in Graz Weitere SPÖ Politikerinnen, die in den Diplomkauffrau Bundesrat entsandt wurden, waren Stefa- nie Psonder (1956 bis 1962), Maria Matz- ner (1962 bis 1970), Jolanda Offenbeck (1970 bis 1973), Annemarie Zdarsky (1973 bis 1976), Margaretha Obenaus (1976 bis 1986), Eleonore Hödl (1986 bis 1991) und Johanna Schicker (1986 bis 2004). Von der ÖVP waren Johanna Bayer (1953 bis 1957), Edda Egger (1970 bis 1977), Waltraud Klasnic (1977 bis 1981), Grete

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Pirchegger (ab 1991) als Abgeordnete im Einfluss und die Gestaltungsmöglichkei- Bundesrat tätig. ten steirischer Politikerinnen und auch der Frauen generell auf Politik und Ge- Frauen in der Gemeindepolitik sellschaft in der Steiermark in den ersten Am wenigsten waren die Frauen auf der Jahrzehnten nach Kriegsende sehr gering untersten politischen Ebene, nämlich in waren, eine Tatsache, die den Frauen aller den Gemeinden vertreten. So waren 1984 politischen Parteien sehr wohl bewusst von den 2.813 SPÖ-Gemeinderäten in der war und von ihnen auch immer wieder Steiermark nur 172 Frauen. 1995 waren in thematisiert wurde. der Steiermark von 544 Bürgermeistern Ein Grund für den geringen Einfluss der acht weiblich (1,47 %), womit die Steier- Frauen, in der Politik gestaltend mitwir- mark aber noch immer das Bundesland mit ken zu können, könnte darin liegen, dass dem höchsten Anteil von Bürgermeisterin- die politische Rolle der Frau in dieser Zeit nen war. 2001 gab es in den 550 steirischen ganz wesentlich durch eine tendenzielle Gemeinden (ohne Graz) neun Bürgermeis- Rückwendung zum traditionellen Frau- terinnen (1,62 %) und 31 Vizebürgermeis- enbild, in welchem politische Tätigkeiten terinnen. In den Bezirken Bruck/Mur, Fürs- eigentlich überhaupt nicht vorgesehen tenfeld, Mürzzuschlag und Voitsberg gab waren, bestimmt wurde. Wenn Frauen es weder eine Bürgermeisterin noch eine sich aber politisch betätigten, sollte dies Vizebürgermeisterin. In den Bezirken Knit- im Einklang mit den mit dem traditio- telfeld und Radkersburg gab es ebenfalls nellen Frauenbild verbundenen Werten, keine Bürgermeisterin, aber je eine Vizebür- wie Ausgleichbereitschaft, menschliche germeisterin. Ebenfalls ohne Bürgermeis- Wärme und Gefühlssicherheit, Geduld, terin waren die Bezirke Hartberg, Leoben Selbstlosigkeit und vor allem Mütterlich- und Deutschlandsberg. In diesen Bezirken keit, erfolgen, wobei darauf hinzuweisen gab es jedoch zwei, drei und vier Vizebür- ist, dass ein Großteil der Politikerinnen, germeisterinnen. In den Bezirken Leibnitz v.a. jene der Nachkriegszeit, kinderlos wa- (0 VB), Graz-Umgebung (drei VB), Murau ren. Es waren diese Werte, die als originär (drei VB), Feldbach (vier VB) und Liezen weiblicher Beitrag für die Politik gesehen (sechs VB) gab es jeweils eine Bürgermeis- wurden und die auch besonders, aber terin. Die Bezirke Weiz und Judenburg nicht nur, dem Bild der frühen Politike- hatten zwei Bürgermeisterinnen und eine rinnen entsprachen, bei denen es sich zu- bzw. drei Vizebürgermeisterinnen. meist um Frauen handelte, die sich schon vor dem Krieg politisch engagiert hatten. Zusammenfassung Dies deutet einerseits darauf hin, dass die Insgesamt kann festgestellt werden, dass Frauen erst nachdem sie schon längere sowohl qualitativ als auch quantitativ der Zeit „gedient“ hatten, in diese „Höhen“

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aufsteigen durften und verweist ande- gen befassten Untergruppierungen der rerseits auf ein sehr typisches Phänomen Parteien zu arbeiten. Dort wurden sie im im weiblichen Lebenszyklus, nämlich die ganzen behandelten Zeitraum, besonders weibliche „Normalbiographie“, die ein aber nach 1945, notwendig gebraucht, um wesentliches Hindernis für die Partizipati- die Not zu lindern, weil die offiziellen Ver- on der jüngeren Frauengeneration in der waltungseinrichtungen und politischen Politik darstellte, indem gerade die Frau- Stellen dazu nicht in der Lage waren. Auf en zwischen 30 und 40 Jahren verstärkt diese Weise war es möglich, die Frauen, an Küche und Kinder gefesselt wurden, die zu einem solchen Engagement bereit wobei der weitgehende Verzicht auf poli- waren, mehr oder weniger nahtlos in die tische Betätigung noch durch strukturelle Gesellschaft zu integrieren.42 Hindernisse gefördert wurde. Somit stie- Diese Unterrepräsentanz änderte sich erst ßen die Möglichkeiten einer Verknüpfung in den 1980er Jahren, als es den Frauen von Frauenrolle und Politik also an jeweils zumindest gelang, quantitative Zuwächse spezifische Grenzen: Der geforderte „müt- in relevanteren Gremien zu erreichen, d.h. terliche Beitrag“ für die Politik mündete in dass sich ab 1986 die Anzahl von Frauen der ihm entsprechenden Beschränkung, im Landtag und Bundesrat und ab 1990 mit der wesentliche Bereiche des politi- im Nationalrat erhöht hat, wobei in allen schen Geschehens ausgeblendet wurden. drei Gremien die SPÖ-Frauen stärker ver- Wie sehr diese Zuordnung noch bis in treten waren, besonders deutlich im Nati- die jüngste Zeit Geltung hatte, ist in ver- onalrat ab 1990, wo von sechs weiblichen änderter Form, nämlich ohne den damit steirischen Abgeordneten fünf SP-Politi- verbundenen Ausschluss von relevanten kerinnen waren. Was die Rekrutierung der Bereichen der Politik, am Beispiel von Frauen für ein politisches Mandat, sei es Waltraud Klasnic zu sehen, deren Regie- nun für den Landtag, den Nationalrat oder rungsstil als Landeshauptfrau genau an den Bundesrat anlangte, ist fest zu stellen, die Tradition des vorhin erwähnten „Müt- dass sie fast immer nach einem bestimm- terlichkeitsideals“ in der Politik anschloss ten Schema erfolgte. In der ÖVP führte der und die damit großen Erfolg hatte. Weg zu einem politischen Mandat für die Für diejenigen Frauen, die sich in den Bah- Frauen meist über die Frauenbewegung, nen der traditionellen politischen Öffent- in der sie sich von unten hochdienten, in lichkeit bewegten und dort an deren en- der SPÖ über die Landesfrauenorganisati- gen Grenzen stießen, gab es den Ausweg, on oder die Gewerkschaft. Eine der weni- ehrenamtliche Tätigkeiten im Bereich der gen „Quereinsteigerinnen“ im behandel- Wohlfahrtsarbeit der konfessionellen und ten Zeitraum war die ÖVP-Politikerin Ruth überkonfessionellen Verbände zu über- Feldgrill-Zankel, die auch als einzige ein nehmen sowie in den mit sozialen Belan- Ministeramt innehatte.43

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Ein Regierungsmandat im Landtag er- der Anpassung und Einfügung zumin- langten zwei Politikerinnen, Maria Matz- dest einigen wenigen „auserwählten“ ner von der SPÖ und Waltraud Klasnic Frauen ein innerparteilicher Aufstieg of- von der ÖVP. Dazu kam noch die eher fen stand. als Symbol gedachte Zuerkennung der Trotz ihres so lange andauernden gerin- Funktion der 2. Landtagspräsidentin für gen Einflusses auf die Politik haben Frau- Annemarie Zdarsky im Jahre 1981 und en aber auch in dieser Zeit sehr massiv der 3. Landtagspräsidentin für Waltraud am Aufbau der Gesellschaft mitgewirkt, Klasnic im Jahre 1983. Ob dies generell einerseits durch die Akzeptanz der männ- als Zeichen einer größeren Bereitschaft lich dominierten Machtstrukturen, ande- gesehen werden kann, den Frauen mehr rerseits durch ihr Wahlverhalten, stellten Zugang zu männlich dominierten Politik- sie doch die Mehrheit der wählenden feldern zu gewähren, ist sehr zu hinter- Bevölkerung, und letztendlich durch die fragen. Es könnte nämlich auch lediglich Übernahme der ihnen übertragenen Auf- darauf hinweisen, dass bei entsprechen- gaben.44 

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1 Siehe: Maria Rösslhumer, Birgit Appelt, Hauptsache Frauen. Politikerinnen in der Zweiten Republik. (Graz 2001). 2 Siehe: Karin M. Schmidlechner, Frauenleben in Männerwelten (Graz 1997). 3 Nicht nur für die betroffenen Männer ‒ die in Kriegsgefangenschaft geraten waren ‒ in der Steiermark waren das mit dem Stichtag 1.3.1947 noch 32.178 Personen ‒ sondern auch für ihre Mütter, Frauen, Freundinnen usw. stellte die Zeit der Kriegsgefangenschaft eine große Belastung dar. Zu den Problemen der eigenen Existenzsi- cherung kam für sie noch die Sorge um die Männer, von denen völlig ungewiss war, ob und wenn, zu welchem Zeitpunkt, sie jemals wieder nach Hause zurückkehren würden, weil sie oft monatelang nichts von den Gefan- genen hörten. Siehe: Karin Maria Schmidlechner, Frauenleben in Männerwelten (Wien 1997). 4 Siehe: Nina Kogler, Für Kirche, Partei und „Vaterland“. Zur politischen und kirchlichen Organisation katholischer Frauen Österreichs in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts am Beispiel von Frieda Mikola (1881 bis 1958). (ungedr. Theol. Diplomarbeit an der Universität Graz), 2006. 5 45 Jahre ÖFB-Steiermark, hg. von der ÖFB, Landesleitung Steiermark, 16f. 6 Bereits 1946 wurde für die sozialistischen Funktionärinnen in der Steiermark unter großen Schwierigkeiten wie- der eine sozialistische Frauenschule abgehalten. 58 weibliche Frauen aus der ganzen Steiermark waren versam- melt. Schmidlechner, Frauenleben. 7 Florian Verena, Die Katholische Frauenbewegung in der Steiermark von 1945 bis 1955. (= Grazer Gender Stu- dies. Veröffentlichungen zur interdisziplinären historischen Frauen- und Geschlechterforschung, hg. v. Karin M. Schmidlechner, Graz 1996, Bd. 2). 8 Schmidlechner, Frauenleben. 9 Und ebenso die einiger Frauen bei den Gemeinderatswahlen von 1950. 10 Als Fachlehrerin für Hauswirtschaftsunterricht verfasste sie in der Nachkriegszeit, während sie offenbar Berufs- verbot hatte, das häufig verwendete Lehrbuch „Ernährungslehre und Lebensmittelkunde.“ 11 Psonder wurde am 28.02.1911 in Eisenerz geboren, war von Beruf Sekretärin, von 1945 bis 1950 Mitglied des Gemeinderates der Gemeinde Hieflau. Sie war von 1956 bis 1962 Mitglied des Bundesrates. Psonder starb im Jahre 1966. http://www.parlinkom.gv.at/WW/PARL1918/FRAU/show.psp?P_BUCH=Gesamt 12 Zdarsky wurde am 03.03.1928 in Ligist geboren, von Beruf Diplomkrankenschwester, Mitglied des Landesfrauen- komitees der SPÖ Steiermark. http://www.parlinkom.gv.at/WW/PARL1918/FRAU/show.psp?P_BUCH=Gesamt 13 Klasnic, geb. am 27.10.1945 in Graz, Verkäuferin und Unternehmerin, war zuvor (1977 bis 1981) Mitglied des Bundesrates, 1970 bis 1975 und 1980 bis 1984 Mitglied des Gemeinderates von Weinitzen bei Graz, 1970 Orts- leiterin der Österreichischen Frauenbewegung Weinitzen, 1972 bis 1977 Hauptbezirksleiterin der Österreichi- schen Frauenbewegung Graz-Umgebung, 1975 bis 1977 Landesleiterin-Stellvertreterin der Österreichischen Frauenbewegung Steiermark, 1977 bis 1990 Landesleiterin der Österreichischen Frauenbewegung Steiermark. Im Jahre 1996 wurde Waltraud Klasnic (ÖVP) zur ersten Landeshauptfrau Österreichs gewählt. 14 Nach ihr wurden die SP-Politikerinnen Anna Rieder, die von 1996 bis 2000 auch Landesrätin war, und Barba- ra Gross in dieses Amt berufen. Barbara Gross, geboren am 30. August 1953 in Graz. Ausbildung/beruflicher Werdegang: Volks- und Hauptschule, zwei Jahre Handelsakademie, durch den frühen Tod der Mutter (drei jün- gere Geschwister, ein Halbbruder) abgebrochen. Mitarbeiterin der Merkur-Versicherung AG in der Abteilung Finanzanlagen (seit 1970). Vorsitzende des Sozialausschusses im Steiermärkischen Landtag. Dritte Präsidentin Landtag Steiermark seit 25.10.2005. Landesfrauenvorsitzende der SPÖ Steiermark seit 2002. 15 Im Landtag übte sie die Funktion einer Obfrau des Kontroll-Ausschusses von 1986 bis 1991 aus. Ihr Wirken im Hohen Haus erstreckte sich überdies auf eine Reihe von Ausschüssen, denen sie als Mitglied oder Ersatzmitglied angehörte. 16 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Steiermärkischen Landtages, XII. Periode, 1991-1996. 17 Joseph Marko, Parteien und Wahlen in der Steiermark. In: Herbert Dachs (Hrsg.), Parteien und Wahlen in Öster- reichs Bundesländern 1945 -1991. (= Österreichisches Jahrbuch für Politik. Wien 1992), 345-437. 18 Die Repräsentanz der Frauen blieb zwischen 1945 und 1975 relativ konstant zwischen 4,8 % und 6,7 % (zwischen 11 und 8 weiblichen Abgeordneten). Unter der ÖVP-Alleinregierung wurde erstmals im Jahre 1966 eine Frau Mitglied der österreichischen Bundesregierung. Wirkliche Ansätze einer staatlichen Frauenpolitik zeigten sich in Österreich erst ab der Zeit der ab 1970. In dieser Zeit wurden für die Frauen besonders wichtige Reformen durch- geführt, wie etwa die Familienrechtsreform, mit der das patriarchalische Familienmodell in Österreich durch ein partnerschaftliches ersetzt wurde und die Reform des Paragraphen 144. 1979 wurden vom damaligen Bundes- kanzler Bruno Kreisky zwei Staatssekretärinnen für frauenpolitische Belange eingesetzt. Die Gleichbehandlungs- maßnahmen konzentrierten sich damals auf den Bereich der Partnerschaft in der Familie, auf die Gleichstellung im Beruf und auf die Individualisierung via Steuer- und Sozialpolitik. Im Nationalrat erhöhte sich die Anzahl von Frauen zwischen 1975 und 1984 auf 16 (12 %). 1989 waren 27 weibliche Abgeordnete (von 189) im Nationalrat. An der Bundesregierung betrug der Frauenanteil zwischen 1979 und 1983 27 %. Zu diesem Zeitpunkt waren fünf weibliche Staatssekretärinnen und ein weiblicher Minister in Amt. Zwischen 1983 und 1986 betrug der Anteil 13,6 %. 1990 waren 39 (21,31 %) Frauen im Parlament. 1995 lag der Frauenanteil bei 30.

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19 Beim SPÖ-Bundesparteitag im Jahre 1985 wird eine 25 % Frauenquote, bei dem von 1993 eine Frauenquote von 40 % festgelegt. Die ÖVP-Frauen präsentierten 1989 ein Reißverschlussprinzip, mit dem Ziel der Erhöhung der Frauenquote. Die GAL beschloss in ihren Leitlinien von 1990 die Frauenparität. Siehe: Rösslhumer, Appelt, Hauptsache Frauen, 57,113. Zu Beginn der XXII. Gesetzgebungsperiode des Nationalrates am 20. Dezember 2002 überstieg der Frauenanteil mit 33,9 % erstmals die markante Schwelle von einem Drittel der Abgeordne- ten. 20 Schmidlechner, Frauenleben. 21 Ihr Antrag zur Einbeziehung der kleinen Sparer in die gesetzliche Kleinrentnerfürsorge wurde aus Mangel an finanziellen Mitteln abgelehnt. Mikola setze sich auch für eine Erhöhung der Kleinrentnerunterstützungen und die Gnadenpension ein. Ihr Antrag betreffend des Krankenpflegegesetz und verschiedene Verordnungen über die Berufserziehung der Jugendlichen wurde günstig erledigt 22 Ihre vorgesehene Nachfolgerin Elvira Keifl konnte das Amt aus privaten Gründen (ihr Mann drohte, in diesem Fall die Scheidung einzureichen) nicht antreten. Keifl wurde am 30.Juni 1899 in Suczawa (Bukowina) geboren. Nach dem Besuch der Volks- und Realschule legte sie am Bundesrealgymnasium in Graz, in der Liechtenfelsgas- se die Ergänzungsmatura ab. Sie studierte Jus an der Universität Graz und promovierte im Jahr 1924. Danach arbeitete sie in einer Anwaltspraxis. Wegen ihrer politischen Gesinnung war es ihr in der NS-Zeit nicht erlaubt, eine eigene Kanzlei zu eröffnen. Sie trat im Jahre 1945 in die ÖVP ein und wurde ab 1947 zur stellvertretenden Landesleiterin der ÖFB. Dazu siehe: Nina Kogler, Für Kirche, Partei und „Vaterland“. Zur politischen und kirch- lichen Organisation katholischer Frauen Österreichs in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts am Beispiel von Frieda Mikola (1881 bis 1958). (ungedr. Theol. Diplomarbeit an der Universität Graz), 2006, 129ff. 23 http://www.parlinkom.gv.at/WW/PARL1918/FRAU/show.psp?P_BUCH=Gesamt 24 Geboren am 21. 2. 1930 in Graz, Stenotypistin.1970 Stadtkulturreferentin der Österreichischen Frauenbewe- gung, Stadtgruppe Graz, 1971 Landeskulturreferentin der Österreichischen Frauenbewegung in der Steiermark, 1975 Landesleiterin der Österreichischen Frauenbewegung in der Steiermark, 1973 bis 1979 Nationalrätin. Ge- hörte dem Justiz- und dem Unterrichtsausschuss an. http://www.parlinkom.gv.at/WW/PARL1918/FRAU/show. psp?P_BUCH=Gesamt 25 Geboren am 27.5.1928 in Roßhof (Steiermark), Bäuerin. Von 1950 bis 1957 erste Landesleiterin der Steirischen Landjugend, 1963 stellvertretende Leiterin der Österreichischen Frauenbewegung Steiermark,1964 Mitglied des Vorstandes des Steirischen Bauernbundes. 1967 bis 1980 Gemeinderätin von Preding,1974 bis 1980 Vize- bürgermeisterin. http://www.parlinkom.gv.at/WW/PARL1918/FRAU/show.psp?P_BUCH=Gesamt 26 Geboren am 8.1.1950 in Vordernberg (Kärnten), Wirtschaftstreuhänderin, Buchprüferin und Steuerberaterin. Studium der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften in Graz. Landesobfrau-Stellvertreterin des Österreichi- schen Wirtschaftsbundes, Landesgruppe Steiermark. http://www.parlinkom.gv.at/WW/PARL1918/FRAU/show. psp?P_BUCH=Gesamt 27 Geboren am 14. 11. 1951 in Vasoldsberg (Steiermark), Erwachsenenbildnerin. Seit 1989 Leiterin des Referates Frau-Familie-Gesellschaft des Landes Steiermark 1989 bis 1990 Gemeinderätin in Vasoldsberg, 1983 bis 1991 Ortsleiterin der Österreichischen Frauenbewegung Vasoldsberg, 1987 bis 1995 Bezirksleiterin der Österreichi- schen Frauenbewegung Graz-Umgebung, 1990 bis 1994 stellvertretende Landesvorsitzende der Frauen des ÖAAB Steiermark. Seit 1994 Landesvorsitzende der Frauen des ÖAAB. Seit 1994 Landesobmann-Stellvertreterin des ÖAAB Steiermark, seit 1999 Bundesobmann-Stellvertreterin des ÖAAB. http://www.parlinkom.gv.at/WW/ PARL1918/FRAU/show.psp?P_BUCH=Gesamt 28 http://www.parlinkom.gv.at/WW/PARL1918/FRAU/show.psp?P_BUCH=Gesamt 29 http://www.parlinkom.gv.at/WW/PARL1918/FRAU/show.psp?P_BUCH=Gesamt 30 Geboren am 17.5.1917 in Gams (Steiermark), Arztsekretärin. Mitglied des Gemeinderates der Stadt Graz 1958 bis 1964, Vorsitzende-Stellvertreterin im Frauenzentralkomitee der SPÖ Von 1932 bis 1935 Gemeindesekretärin, 1947 bis 1952 Buchhalterin der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten Stmks., 1952 bis 1975 Frauenlandes- sekretärin im ÖGB, 1954 bis 1964 Kammerrätin der Kammer für Arbeiter und Angestellte. Gest.: 11.09.2003, Graz. http://www.parlinkom.gv.at/WW/PARL1918/FRAU/show.psp?P_BUCH=Gesamt 31 Geboren am 1. 9.1930 in Graz, gestorben am 25.5.2000. Juristin, Obermagistratsrätin.1981 bis 1987 Parteivorsit- zender-Stellvertreterin der SPÖ Graz, Landesparteivorsitzender-Stellvertreterin der SPÖ Steiermark, Bundespar- teivorsitzender-Stellvertreterin der SPÖ.1981 bis 1987 war sie Vorsitzende der Frauen der SPÖ Graz, Vorsitzende der Frauen der SPÖ Steiermark, sowie Bundesvorsitzende der Sozialistischen Frauen Österreichs. 1979 bis 1990 Obmann-Stellvertreterin des Klubs der Sozialistischen Abgeordneten und Bundesräte. http://www.parlinkom. gv.at/WW/PARL1918/FRAU/show.psp?P_BUCH=Gesamt 32 Geboren am 10.10.1948 in Bruck/Mur (Steiermark), Sparkassenangestellte. Sie war von 1980 bis 1990 Mitglied des Gemeinderates, 1990 wurde sie Stadträtin. Mitglied des Landesparteivorstandes der SPÖ Steiermark, Mit- glied des Landesfrauenvorstandes der SPÖ Steiermark, Bezirksparteivorsitzende der SPÖ Bruck/Mur. Seit 5. 11. 1990 ist Huber Nationalrätin, wo sie die Funktion der Schriftführerin im Finanzausschuss innehat sowie Mit-

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glied der Ausschüsse für Gesundheit und Justiz ist. http://www.parlinkom.gv.at/WW/PARL1918/FRAU/show. psp?P_BUCH=Gesamt 33 Geboren am 10.7.1943 in Weißenbach an der Enns (Steiermark), Lohnbuchhalterin, seit 1981 Mitglied des Be- zirksfrauenausschusses der SPÖ Liezen, 1987 bis 1991 stellvertretende Bezirksfrauenvorsitzende der SPÖ Lie- zen. Vizebürgermeisterin von Altenmarkt bei St. Gallen. Seit 1987 Mitglied des Landesfrauenvorstandes der SPÖ Stmk, seit 1991 Bezirksfrauenvorsitzende der SPÖ Liezen, seit 1993 Mitglied des Landesfrauenpräsidiums und des Landesparteipräsidiums der SPÖ Steiermark. http://www.parlinkom.gv.at/WW/PARL1918/FRAU/show. psp?P_BUCH=Gesamt 34 Geboren am 10.1.1948 in Graz, Studium der Romanischen und Englischen Philologie an der Karl-Franzens-Uni- versität Graz, 1987 bis 1990 Mitglied des Grazer Gemeinderates, 1993 bis 1995 Stadträtin. Bis 1997 Landesfrau- envorsitzende der SPÖ Steiermark, 1995 bis 1997 Bundesfrauenvorsitzende der SPÖ, bis 1997 Landespartei- vorsitzender-Stellvertreterin. Seit 1997 Mitglied des Landesfrauenvorstandes der SPÖ Steiermark. Von 1995 bis 1997 war sie Bundesministerin für Frauenangelegenheiten. http://www.parlinkom.gv.at/WW/PARL1918/FRAU/ show.psp?P_BUCH=Gesamt 35 Geboren am 18.11.1942 in Bad Gams (Steiermark), Sozial- und Berufspädagogin. http://www.parlinkom.gv.at/ WW/PARL1918/FRAU/show.psp?P_BUCH=Gesamt Seit 1980 Bezirksfrauenvorsitzende der SPÖ Deutschlands- berg, seit 1990 Mitglied des Landesfrauenvorstandes der SPÖ Steiermark, stellvertretende Landesfrauenvorsit- zende der SPÖ Steiermark, Mitglied des Landesparteipräsidiums der SPÖ Steiermark, Nationalrätin. Seit 1995 Schriftführerin des Nationalrates. Obmann-Stellvertreterin im ständigen Unterausschuss für innere Angelegen- heiten, Schriftführerin und Mitglied im Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, sozialdemokratische Bereichs- sprecherin für Tier- und Artenschutz im Parlament. http://www.parlinkom.gv.at/WW/PARL1918/FRAU/show. psp?P_BUCH=Gesamt 36 Geboren am 9.6.1939 in Hemmerberg bei Kohlschwarz (Steiermark), Arbeiterin, seit 1984 freigestellte Betriebs- ratsvorsitzende. Mitglied des Landesfrauenvorstandes der SPÖ Steiermark,1982 Bezirksfrauenvorsitzende des ÖGB Voitsberg, 1988 Landesvorsitzende der Gewerkschaft Textil ‒ Bekleidung ‒ Leder Steiermark, Kammerrätin der AK Steiermark, 1996 Bundesfraktionsvorsitzende der Gewerkschaft Textil ‒ Bekleidung ‒ Leder. Seit 1.3.1991 Abgeordnete zum NR, in zahlreichen Ausschüssen vertreten. 37 Geboren am 25.1.1943 in Königsberg (Steiermark), med.-techn. Assistentin. 1980-1993 Mitglied des Stattegger Gemeinderates, 1985-1991 Bezirksobfrau der FPÖ Graz, 1991-1994 Landesparteisekretärin der FPÖ Steiermark. Abgeordnete zum Nationalrat. Mitglied im Ausschuss für Landesverteidigung und im Unterausschuss des Rech- nungshofes. Setzte sich für den Zugang von Frauen zum Bundesheer ein und lehnte die Forderungen des Frau- en-Volksbegehrens ab. http://www.parlinkom.gv.at/WW/PARL1918/FRAU/show.psp?P_BUCH=Gesamt 38 Geboren am 29.12.1953 in Villach (Kärnten), Gastronomin. 1993 bis 1994 Grazer Gemeinderätin, 1998 bis 2000 Grazer Stadträtin. Seit 1994 Bundesobmann-Stellvertreterin des Ringes Freiheitlicher Wirtschaftstreibende und Mitglied des Bundesfachverbandes Gastronomie der Wirtschaftskammer Österreich. Seit April 2000 Staats- sekretärin für Tourismus im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft. http://www.parlinkom.gv.at/WW/ PARL1918/FRAU/show.psp?P_BUCH=Gesamt 39 Geboren am 8.2.1949 in Wien, Soziologin. 1992 geschäftsführende Obfrau der Grünen Bildungswerkstatt. 1983 bis 1986 Grazer Gemeinderätin. 1986 bis 1992 Bundesausschusssprecherin der Grünen Alternative. Engagierte sich in der Friedens- und Antiatomkraftbewegung. Geboren am 8.2.1949 in Wien, Soziologin. 1992 geschäfts- führende Obfrau der Grünen Bildungswerkstatt. 1983 bis 1986 Grazer Gemeinderätin. 1986 bis 1992 Bundes- ausschusssprecherin der Grünen Alternative. Engagierte sich in der Friedens- und Antiatomkraftbewegung. http://www.parlinkom.gv.at/WW/PARL1918/FRAU/show.psp?P_BUCH=Gesamt 40 http://www.parlinkom.gv.at/WW/PARL1918/FRAU/show.psp?P_BUCH=Gesamt 41 Rösslhumer, Appelt, Hauptsache Frauen, 232. 42 Zur Gründerin Frieda Mikola siehe S. 18 im Beitrag Sohn-Kronthaler. 43 Die beiden anderen Ministerinnen aus der Steiermark, die SPÖ-Politikerinnen Helga Konrad und Heidrun Sil- havy, erlangten ihr Amt nach 1995. Konrad war von 1996 bis 1997, Silhavy 2008 Frauenministerin. Geboren am 20.5.1956 in Graz. Kammerangestellte. Seit 1981 Landesfrauensekretärin des ÖGB Steiermark. Von 1991 bis 1994 Mitglied des Landesparteivorstandes der SPÖ Steiermark, Mitglied des Landesfrauenvorstandes der SPÖ Steiermark, Kammerrätin der Arbeiterkammer, Mitglied des Kammervorstandes. Seit 1995 Mitglied des Bundes- parteivorstandes der SPÖ, Mitglied des Landesparteipräsidiums der SPÖ Steiermark, Landesparteivorsitzender- Stellvertreterin der SPÖ Steiermark. Seit 1994 Nationalrätin, im Jahre 2000 zur Sozialsprecherin der SPÖ ernannt. http://www.parlinkom.gv.at/WW/PARL1918/FRAU/show.psp?P_BUCH=Gesamt 44 So gab es im Jahre 1951 in der Steiermark 694.296 wahlberechtigte Personen, (gegenüber 1949 um 16.029 mehr), davon waren 378.218 Frauen. In allen steirischen Bezirken war die Zahl der wahlberechtigten Frauen größer als die Zahl der wahlberechtigten Männer. Besonders groß war der Frauenüberschuss in den Bezirken Deutschlandsberg, Feldbach, Graz-Umgebung, Hartberg, Leibnitz, Liezen und Weiz.

52 Elisabeth Holzer

Politikerin? Und was machen Sie dann mit Ihren Kindern?

Als bekannt wurde, dass Waltraud Frauenanteil in der Klasnic Nachfolgerin Josef Krainers Politik werden würde, stand die steirische So beträgt der Frauenanteil im Nationalrat Öffentlichkeit vor einem Problem: Wie in der laufenden Gesetzgebungsperiode anreden? Frau Landeshauptmann? 28,42 %. Im Steiermärkischen Landtag sind Oder gar Frau Landeshauptfrau? Die derzeit gerade einmal 25 % der Abgeord- Betroffene konterte entsprechenden neten weiblich. Und im Bundesrat steht Fragen lapidar: „Sagen Sie einfach der Frauenanteil derzeit bei 25,81 %. Frau Klasnic.“ Die Anzahl der Mandatarinnen ist also im- mer noch bescheiden, egal, ob in Bundes- Diese kleine Episode ist symptomatisch: oder Landespolitik. Obwohl 1996 erstmals Dringen Frauen in bisher ausschließlich eine Frau an die Spitze einer Landesregie- männliche Domänen ein, kann man(n) rung gelangte und so auch der hübsche sicher sein, dass Dinge in Frage gestellt Vergleich einer „weiblichen Steiermark“ werden, die eigentlich außer Frage ste- geprägt wurde, spiegelte sich das nicht in hen müssten. Denn wie sonst könnte die den realen politischen Verhältnissen wider. simple Tatsache, dass eine junge Frau So saßen in der ersten Regierungszeit Wal- schwanger ist, juristische Gutachten pro- traud Klasnics zwischen 1996 und 2000 vozieren, weil diese junge Frau zufällig bloß 13 bzw. 12 Frauen im Landtag.1 Das nicht nur werdende Mutter, sondern auch ergab einen Anteil von mageren 23,21 Regierungsmitglied ist? Und wie viele bzw. 21,42 %. Auf Parteien aufgeschlüsselt Politiker ‒ hier fehlt die geschlechtsneu- schnitt ausgerechnet die Landeshaupt- trale Formulierung PolitikerInnen ganz frau-Partei am schlechtesten ab: Die ÖVP bewusst ‒ mussten sich eigentlich schon hatte gerade einmal vier weibliche Abge- fragen lassen, wer denn auf ihre kleinen ordnete in ihren Reihen, bei insgesamt 21 Kinder aufpasst, während sie arbeiten? Mandaten für die Schwarzen also ein Frau- Es ist also augenscheinlich, dass Frauen in enanteil von 19,04 %. Die SPÖ lag übrigens der Politik auch im 21. Jahrhundert immer bei Mandatsstand und Frauenanteil genau noch anders beurteilt werden als Männer. gleich. FPÖ, Grüne und Liberales Forum Auch in der öffentlichen bzw. veröffent- hatten zwar weit weniger Landtagssitze, lichten Meinung. Das mag vielleicht daran aber prozentuell betrachtet lagen sie mit liegen, dass es immer noch mehr Politiker dem Frauenanteil besser: Bei der FPÖ wa- als Politikerinnen gibt. ren 30 bzw. 20 % der Abgeordneten weib-

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lich, bei den Grünen und den Liberalen die unter ferner liefen dahin (drei von 24 Ab- Hälfte.2 Im Präsidium des Landtages saßen geordneten sind weiblich, also 12,5 %), zudem nur Männer. die SPÖ liegt mit acht bzw. sieben Frauen Auch die zweite Amtszeit unter Waltraud (von 25 Abgeordneten) bei 32 bzw. 28 % Klasnic zwischen 2000 und 2005 fiel nicht Frauenanteil3. Das Landtagspräsidium ist gerade besser aus, was die Frauenquote immer noch zu zwei Dritteln weiblich, betrifft. 16 von 56 Abgeordneten waren allerdings: Auch in dieser Periode gehört Frauen, ein Anteil von 28,57 %. Die ÖVP der Chefsessel einem Mann. war selbst von diesem mageren Wert Im Nationalrat sind die Aussichten für meilenweit entfernt: Von 27 Sitzen im Frauen offensichtlich auch nicht besser. Landtag waren bloß drei von Frauen be- 52 Frauen sitzen in der aktuellen Legis- setzt, ein Anteil von 11,11 % also. Wesent- laturperiode im Parlament, das ist ein lich über dem Durchschnitt lag die SPÖ: Anteil von 28,42 %. Wobei wiederum die Sie hatte 19 Abgeordnete, darunter wa- Grünen durch ihr Reißverschlussprinzip ren acht Frauen, das ergab einen Anteil auf den Wahllisten mit einer Quote von von 42,10 %. Dafür war der Frauenanteil 50 % Spitzenreiter(Innen) sind, die SPÖ der Sozialdemokratie in der Landesregie- mit einem Anteil von 36,84 % immerhin rung gleich Null und die FPÖ besetzte ih- über dem Durchschnitt liegt und ÖVP, ren einzigen Regierungssitz ebenfalls mit FPÖ und BZÖ darunter.4 Seit 1996 kommt einem Mann, obwohl die Spitzenkandida- der Frauenanteil im Nationalrat nicht vom tin im Wahlkampf eine Frau war. Fleck: Der Höchststand wurde zwischen Bei Grünen und FPÖ/BZÖ lagen die 2002 und 2006 mit 33,88 % erreicht5, an- Quoten im Landtag zwischen 33,33 und sonsten hängt die Quote bei rund einem 66,66 %. Immerhin, im Landtagspräsidi- Viertel fest.6 um drehte sich das Kräfteverhältnis um: Betrachtet nach Bundesländern liegen die Es stand 2:1 für die Frauen. Wenn auch steirischen Abgeordneten übrigens nicht mit dem Nachsatz, dass das prestigeträch- im Bundestrend: So sind derzeit 50 % tigere Amt des Ersten Präsidenten einem der steirischen SPÖ-ParlamentarierInnen Mann gehörte. weiblich, bei der ÖVP immerhin 42,85 % Derzeit liegt der Frauenanteil im Landtag bzw. ebenfalls 50 %.7 Auch die FPÖ liegt bei 25 % und ist somit gegenüber der so gesehen besser als im allgemeinen vorangegangenen Periode sogar wieder Durchschnitt: Unter vier Mandataren ist leicht gesunken. Spitzenreiter sind erneut eine Frau, rein rechnerisch also ein Anteil die Grünen, die zwei ihrer drei Sitze weib- von 25 %. lich besetzt haben sowie die KPÖ mit zwei Politik wirkt ‒ und wenigstens in diesem Frauen und zwei Männern. Die ÖVP tüm- Punkt sind Frauen wie Männer absolut pelt bezüglich ihres Frauenanteils weiter gleichgestellt ‒ jedoch zu einem sehr

54 Politikerin? Und was machen Sie dann mit Ihren Kindern? - Elisabeth Holzer großen Teil durch ihre Spitzenrepräsen- tantInnen. Jene Frauen (und Männer) also, die Posten und Ämter einnehmen oder einnahmen, die allgemein mit ei- ner gewissen Machtfülle und Entschei- dungsbefugnissen gleichgesetzt werden. Dazu gehören Landeshauptleute, Minis- terInnen, LandesrätInnen, Bürgermeis- terInnen. Zu dieser Gruppe zählen bzw. zählten in den vergangenen zehn, zwölf Jahren aus steirischer Sicht mehrere Frau- en. Stellvertretend für diese Gruppe wer- den im Folgenden sieben Politikerinnen porträtiert: Die Auswahl bezieht sich auf jene Steirerinnen, die höchste politische Waltraud Klasnic (ÖVP) Ämter ausübten bzw. noch ausüben.8 geb. 27. Oktober 1945 in Eine herausragende Rolle nahm freilich Graz Waltraud Klasnic ein, die erste weibliche 1977-1990 Landesleiterin der Regierungschefin eines Bundeslandes. Mit Österreichischen Frauenbe- Helga Konrad und Heidrun Silhavy kamen wegung Steiermark 1977-1981 Mitglied des Bun- zwei Frauenministerinnen aus der Steier- desrates mark und seit 1995 saßen bzw. sitzen mit 1980-1984 Mitglied des Ge- Magda Bleckmann, Kristina Edlinger-Plo- meinderates in Weinitzen der und Bettina Vollath auch drei Frauen 1981-1988 Abgeordnete zum in der steirischen Landesregierung, deren Steiermärkischen Landtag, 1983-1988 dessen 3. Präsi- Karrieren vollkommen unterschiedlich dentin verlaufen sind, ehe sie Landesrätinnen 1988-1993 Landesrätin wurden. Lisa Rücker ist zwar nicht die ers- 1993-1996 Landeshauptmann- te Bürgermeister-Stellvertreterin in Graz, Stellvertreterin 1996-2005 erste Frau in der aber noch nie stieg eine Grüne so hoch in Funktion eines Landeshaupt- der Hierarchie der Landeshauptstadt. manns in Österreich Verkäuferin und Unterneh- Der erste weibliche merin Landeshauptmann Österreichs

Auf ihrem Briefpapier oder auf dem Schild vor ihren Amtsräumen stand: Landes- hauptmann. Dabei war Waltraud Klasnic

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Frauenstimmen über die erste „Frau Landeshauptmann“ Österreichs: (zusammengestellt von der Redaktion)

„Das Regierungs- und Arbeitsprogramm von Waltraud Klasnic im Land und in der Steiri- schen Volkspartei hat Perspektive. Ihr zentrales Anliegen, ‚Arbeit schaffen‘, verfolgte sie schon als Wirtschaftslandesrätin seit 1988. (...) Vom letzten Platz bei der Beschäfti- gungsentwicklung verbesserte sich die Steiermark innerhalb von zehn Jahren auf Rang 1. (...) All dies getreu ihrem Motto: das Unternehmen Steiermark so zu führen, dass sich die Familie Steiermark immer wohl fühlt.“ (Maria Schaumayer, 2000) „Die Popularität und Volksverbundenheit Waltraud Klasnics wirkte sicher stärker als ihre selbst noch so erfolgreichen Versuche, sich in den letzten Wochen von den schlechten Botschaften der Bundesregierung an die Bevölkerung abzukoppeln. Skeptiker mögen nach Lassing blicken, wo die ÖVP ein Plus von mehr als 22 Prozent erreichte: Klasnic war nach der Bergbau-Katastrophe dort eben nicht nur mit dem Hubschrauber ein- und ausgeflogen.“ (Anneliese Rohrer, 2000) „Wo Klasnic ist, dort ist sie ganz. Sie wandert von Tisch zu Tisch, plaudert mit diesem und jenem und schreitet zur Polka aufs Tanzparkett. Klasnic war da, das ist die Bot- schaft des Abends und auf die kommt’s an. Klasnics Performance ist perfekt: Jeder weiß, dass sie’s tut, weil’s was bringt, und doch signalisiert sie: Es kommt von Herzen.“ (Claudia Gigler, 2002) „Das Leben packt sie an, wie es kommt. Waltraud Klasnic macht nicht nur als ungemein fleißige und zähe Frau von sich reden. Ihre politische Laufbahn beweist, dass frau keine G’studierte oder das Töchterl von einem Promi sein muss, um es an die Spitze zu schaffen. Soziales Gespür für die Anliegen der Menschen brachten die Steirerin weiter.“ (Ulrike Jantschner, 2004) „Eine bemerkenswerte Frau, und wieder eine Frau weniger in der österreichischen Politik“. (Elfriede Jelinek, 2005)

eine Frau. Doch im Gegensatz zu Salzburgs dies seit 1988, also lange bevor Klasnic die- Landeshauptfrau Gabi Burgstaller führte ses spezielle Regierungsamt übernahm: Klasnic die männliche Form des Amtstitels. 1988 wurde Artikel 7 des B-VG ein bedeu- Die erste weibliche Regierungschefin Ös- tender Absatz hinzugefügt, der besagt, terreichs hat sich bewusst für den „mann“ dass Amtsbezeichnungen und Titel in der in ihrem Titel entschieden. Denn hätte sie Geschlechtsform des Trägers oder der Trä- es gewollt, hätte sich Klasnic ohne weite- gerin verwendet werden können.9 res auch Landeshauptfrau nennen können. Doch es sollte eben die männliche Form Die österreichische Verfassung erlaubte sein, samt der skurrilen Situation, dass sich

56 Politikerin? Und was machen Sie dann mit Ihren Kindern? - Elisabeth Holzer der damalige Landesamtsdirektor Gerold Möglich wurde diese Premiere durch die Ortner bei der Staatsdruckerei beschwer- Wahlniederlage eines Mannes und die te, weil die Redaktion des Amtskalenders Absage eines zweiten. Landeshauptmann aus Landeshauptmann Klasnic eine Lan- Josef Krainer trat noch am Wahlabend des deshauptfrau Klasnic gemacht hatte.10 17. Dezember 1995 vor laufenden Fern- 2000 wurde gar die Kundmachung einer sehkameras zurück. Obwohl sie bereits Verordnung in der Wiener Zeitung korri- in Medien als Favoritin für eine mögliche giert: Die Bezeichnung „Landeshauptfrau“ Krainer-Nachfolge gehandelt wurde16, wurde als Druckfehler berichtigt und wie- schien Klasnic offenbar doch überrascht der zum Landeshauptmann... 11 worden zu sein. Da sein Wunschkandidat Klasnic, geboren 1945, hat Politik von Gerhard Hirschmann, damals auch ge- Grund auf gelernt und war immer wieder schäftsführender Landesparteiobmann, eine der ersten Frauen in einer bestimm- aus „vielen Gründen“ ablehnte, soll Krai- ten Position. Mit 25 Jahren wurde sie Ge- ner Klasnic erst kurz vor der entscheiden- meinderätin in Weinitzen und war damals den Sitzung im Landesparteivorstand ge- eine von nur zwölf Gemeinderätinnen der sagt haben: „Du musst es machen.“17 ÖVP in der gesamten Steiermark.12 Es folg- Wie auch immer: Klasnic wurde mit ten der Bundesrat und der Landtag, 1983 Stimmen von FPÖ und Liberalem Forum wurde Klasnic dessen Dritte Präsidentin, zum Landeshauptmann gewählt18, bald die erste ÖVP-Frau in dieser Position übri- darauf mit 99 % Zustimmung auch zur gens.13 Fünf Jahre später rückte Klasnic in ÖVP-Landesparteiobfrau.19 Ihre ersten die Landesregierung auf, erstmals bekam fünf Jahre als Landeshauptmann (oder eine Frau die Agenden für Wirtschaft und -frau, wie sie in den Medien hartnäckig Fremdenverkehr übertragen, 1993 kam genannt wurde) waren zunächst von der Titel des Landeshauptmannstellver- der Zusammenarbeit mit der SPÖ ge- treters dazu.14 prägt, die Klasnic allerdings nicht zur Eine politische Karriere also, die bereits ein Regierungschefin mitgewählt hatte. Das Vierteljahrhundert alt war, bevor Klasnic im wurde als „Miteinander“ propagiert, von Jänner 1996 zum Landeshauptmann ge- den Medien und der Opposition jedoch kürt wurde. Dass sie dennoch vielfach als bald als Kuschelkurs klassifiziert. Die- „unpolitisch“ eingestuft wurde, schien sie ses Miteinander brach im Wahlkampf nicht zu stören. „Man sagt mir nach, ich bin zusammen, bildlich war das am besten eine nicht politische Frau, dann sagt man festzumachen an einem Prestigeprojekt, wieder, ich bin so politisch (...) eine dritte der Rückkehr der Formel 1 in die Steier- Gruppe sagt, ich bin machtpolitisch, die mark nämlich. Der Umbau des Ö-Rings in vierte Gruppe sagt, ich bin politisch noch Spielberg kostete in heutiger Währung nie in Erscheinung getreten (...)“.15 gerechnet rund 33 Millionen Euro und

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wurde nur noch von ÖVP und FPÖ getra- In der Landesregierung sicherte sich die gen, die SPÖ vollzog eine Kehrtwende. Volkspartei sämtliche Schlüsselressorts24 Zur Höchstform lief Klasnic jedoch in ei- und damit die entsprechende (politische) ner Krise auf: Beim Grubenunglück im Macht, doch auch die Verantwortung. Der obersteirischen Lassing, das letztlich zehn Zwist mit dem Wahlverlierer SPÖ, die nur Männern das Leben kostete, reagierte sie noch einige wenige Agenden zu betreu- so unbürokratisch und menschlich, dass en hatte, war vorprogrammiert. Selbst die sie nicht nur den Medien, sondern in der Geschäftseinteilung in der Landesregie- Allgemeinheit Respekt abrang.20 rung wurde gegen die Stimmen der SPÖ Das Image der sorgenden und fürsorgli- beschlossen.25 chen Landesmutter entstand spätestens Das rächte sich in der Mitte der Amtszeit hier. Im Wahlkampf 2000 warf sich die Klasnic II. Ebenso wie bestimmte Per- ÖVP auf genau dieses Bild und transpor- sonalentscheidungen: 2003 verließ der tierte es gekonnt. Dazu kam, dass Klasnic scharfzüngige Gerhard Hirschmann die auch real ständig präsent zu sein schien. Landesregierung und wechselte in die Ihrem SPÖ-Herausforderer Peter Schach- Vorstandsetage des Energiekonzerns ner-Blazizek wird ein Bonmot nachgesagt, ESTAG, der zu drei Vierteln im Besitz des das ‒ falls es stimmte ‒ die Situation tref- Landes steht. Als Hirschmann nach nur fend beschrieb: „Überall, wo ich hinkom- wenigen Monaten begann, die Gepflo- me, war sie schon da“, soll der Vizelandes- genheiten in diesem landesnahen Mil- hauptmann einmal angemerkt haben.21 lionenbetrieb via Medien genüsslich zu Das positive Image als Landesmutter zerpflücken, wurde aus der eigentlichen verkaufte sich gut und strahlte bis nach Affäre ein ÖVP-Skandal, da die Partei fast Wien. Parteichef Wolfgang Schüssel bot alle Macht in Händen hielt, von den Be- Klasnic an, im Fall einer schwarz-blauen teiligungen über die Wirtschaft bis hin zu Koalition Bundeskanzlerin zu werden.22 den Finanzen. Gewürzt wurde das auch Bei den Landtagswahlen 2000 fuhr die noch vom „Bruderkrieg“ Hirschmann ver- ÖVP schließlich mit ihrer One-Woman- sus Landesrat Herbert Paierl, der schließ- Show einen fulminanten Wahlerfolg ein: lich in Hirschmanns Abgang aus der ES- Plus 11 % an Wählerstimmen bedeute- TAG und dem späteren Rücktritt Paierls ten 27 Mandate im Landtag (die absolute gipfelte.26 Kommentatoren sahen ab dem Mehrheit verpasste die ÖVP hauchdünn Moment Klasnic die Zügel aus der Hand um 309 Stimmen) sowie die absolute rutschen: „Anarchisch“ und „chaotisch“ sei Mehrheit in der Landesregierung.23 Die die Situation in der Steirer-VP, beurteilten Wahlsiegerin Klasnic stand spätestens Politologen: Die SPÖ brauche nur abwar- jetzt unangefochten und ohne jede in- ten und zuschauen.27 Als dann auch noch nerparteiliche Kritik an der Spitze der ÖVP. der erneute Umbau des A 1-Rings floppte

58 Politikerin? Und was machen Sie dann mit Ihren Kindern? - Elisabeth Holzer und das großzügige Förderungswesen in Landeshauptmann“, gar das Gespenst des Richtung des Tierparks Herberstein sowie Kommunismus wurde durch den voraus- ein vernichtender Rechnungshof-Rohbe- gesagten Einzug der KPÖ in den Landtag richt bekannt wurden, kam eine Lawine beschworen34 ‒ ohne jeden Erfolg. Das ins Rollen, die nicht mehr zu stoppen war. Wahlergebnis ist hinlänglich bekannt, Durch Klasnics Bekannt- oder Freund- SPÖ-Chef Franz Voves löste Klasnic als schaft mit Schlossherrin Andrea Herber- Landeshauptmann ab. stein erhielt letzteres auch noch eine per- Sie selbst beklagte immer wieder eine sönliche Schlagseite. Kampagne „alle gegen eine“ und rea- Sonderlandtagssitzungen, Anfragen und gierte auch gekränkt, als die ÖVP bei den Untersuchungsausschüsse hielten die Wahlen verlor. Selbst Journalisten schien brisanten Themen in den Medien und sie zumindest Mitschuld an dem schlech- dadurch in der Öffentlichkeit.28 Die SPÖ ten Abschneiden ihrer Partei zu geben.35 lag in Umfragen bereits vor der ÖVP29. Im Landtag erschien die scheidende Lan- Schließlich kandidierte auch noch Ex- deshauptfrau nicht mehr, im Gegensatz ÖVP-Landesrat Hirschmann bei den zu Krainer, der rund zehn Jahre zuvor im- Landtagswahlen mit einer eigenen Lis- merhin für ein paar Minuten und einige te30. Hausgemachte Schnitzer wie die An- Sätze anwesend war. Sie wolle in die Zu- leitung zu diskreditierenden Leserbriefen kunft schauen, wehrte Klasnic bereits am und Internet-Postings gegen den poli- Tag nach den Wahlen Deutungen des Er- tischen Kontrahenten aus der ÖVP-Zen- gebnisses ab.36 Etwas später ließ sie dann trale31 zwangen Klasnic sogar zu einer aber durchaus tiefer blicken: „Ich habe förmlichen Entschuldigung, obwohl sie mein Herz verbraucht.“37 Den Ehrenvor- nichts mit dem als „Wahlkampf-Knigge“ sitz in der Partei lehnte sie ab.38 beschriebenen Werk zu tun hatte.32 Die „Halbe-Halbe“-Ministerin Die Stimmung kippte augenscheinlich. Klasnic muss das spätestens nach den Ge- Die Nachfolgerin der bereits zu Amtszei- meinderatswahlen im Frühjahr 2005 ge- ten legendären Frauenministerin Johan- spürt oder gewusst haben. Denn sie frag- na Dohnal kam aus der Steiermark: Im te eine kleine Runde von Vertrauten, ob April 1995 wechselte Helga Konrad, bis- sie nicht für die Landtagswahlen besser her Stadträtin in Graz, nach Wien. einem anderen Spitzenkandidaten Platz Doch der Grazerin fehlte ‒ wie Medien des machen solle.33 Öfteren berichteten ‒ die „Fortune“.39 So Was 2000 funktioniert hatte, klappte 2005 stand sie der Öffnung des Bundesheeres nicht mehr. Erneut versuchte die ÖVP, die für Frauen als Soldatinnen mehr als skep- Marke Klasnic zu verkaufen. Die Wahlen tisch gegenüber40, der Idee einer eigenen seien eine „Volksabstimmung über den Frauenpartei konnte sie ebenfalls nichts

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abgewinnen41. Dafür sprach sie sich be- züglich der 2000-Schilling-Prämie für er- folgte Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen für Einkommensgrenzen aus.42 Doch mit dem Namen Helga Konrad ist wohl eine Aktion am meisten verbunden, die bereits an das Ende ihrer knapp zwei- jährigen Tätigkeit als Ministerin fiel: „Gan- ze Männer machen halbe-halbe.“ Ein Wer- bespot, der einen eher leicht bekleideten feschen jungen Mann zeigte, sollte eine ernstgemeinte Forderung transportieren: Konrad wollte gesetzlich verankern lassen, dass (Ehe-)Männer die Hälfte der anfallen- Helga Konrad den Hausarbeit verrichten (müssen).43 Die (SPÖ) Ministerin begründete den Vorstoß unter geb. 10. Jänner 1948 in Graz anderem mit einer Umfrage: Demnach 1990-1993 Abgeordnete zum Nationalrat glaubten 80 % der österreichischen Män- 1993-1995 Stadträtin ner immer noch, dass Hausarbeit Frauen- 1995-1997 Bundesministerin sache sei.44 für Frauen 1996-1999 Abgeordnete zum Mit der Aktion erreichte Konrad zwar vo- Nationalrat rübergehende Aufmerksamkeit, aber vor Philologin allem eines: Spott. Auch der eigene Koa- litionspartner ÖVP in Gestalt von General- sekretärin Maria Rauch-Kallat belächelte die Idee als „Abwascherlass“: Sie sei ge- gen eine „Abwaschpolizei zu Hause“, kommentierte Rauch-Kallat.45 Da war Konrads Rückhalt innerhalb der eigenen SPÖ ohnehin bereits im Sinken. Ihr wurden „fehlender Realitätssinn“ so- wie „schlechte Präsentation“ vorgewor- fen.46 Noch bevor Bundeskanzler Franz Vranitzky mitten in der laufenden Le- gislaturperiode zurück trat, wurde über eine Regierungsumbildung und den Aus- tausch einiger Minister spekuliert. Helga

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Konrad wurde als „Ablösekandidatin“ in einem Landesparteitag kandidierte Helga den Medien gehandelt.47 Mit dem Wech- Konrad erneut als stellvertretende Lan- sel zu Bundeskanzler Viktor Klima war desparteivorsitzende neben Schachner- auch Helga Konrads Abgang verbunden: Blazizek ‒ und nahm die Wahl trotz eines Der designierte Regierungschef besetzte vernichtenden Ergebnisses von nur 50,8 % das Amt neu, Nachfolgerin wurde Barbara Zustimmung an.52 Damit provozierte sie Prammer, bis dahin Landesrätin in Ober- eine Zerreißprobe innerhalb der SPÖ, die österreich.48 die Führungsetage zu öffentlichen Aus- Konrad nahm danach ihr Nationalrats- sagen gegen ein früheres Mitglied einer mandat an, brachte aber noch im selben Bundesregierung zwang. So bezeichnete Jahr die steirische Sozialdemokratie, de- Landesgeschäftsführer Siegfried Schritt- ren (karenzierte) Landesgeschäftsführerin wieser Konrad als „schwere Bürde“ für die sie zu dem Zeitpunkt noch war, in enorme Partei, auch im Hinblick auf die Grazer Ge- Turbulenzen. Auf Vorschlag des SPÖ-Lan- meinderatswahlen im Jänner 1998.53 desvorsitzenden und Vizelandeshaupt- Konrad zog die Konsequenzen zu spät mannes Peter Schachner-Blazizek sollte und beschädigte ihren Namen dadurch die Nationalratsabgeordnete einen Son- selbst, auch verursacht durch die Justa- dervertrag im Amt der Landesregierung ment-Haltung der SPÖ-Frauen: Erst nach bekommen. 58.000 Schilling sollte die Ex- tagelanger Diskussion trat sie von allen Ministerin für „besondere Vorhaben im Parteifunktionen zurück.54 Verbittert je- Forschungs- und Kulturbereich“ erhalten, doch wirkte sie auf der eilends dafür ein- als „Brotberuf“ neben dem Nationalrats- berufenen Pressekonferenz und nach wie mandat, wie begründet wurde.49 Zwi- vor verständnislos: Sie beklagte, dass an schen ÖVP und SPÖ paktiert, fiel dies just die Stelle der politischen Diskussion das in die Zeit des „Miteinander“ der beiden „Überreichen seidener Schnüre“ getreten Parteien und wurde ausgerechnet weni- wäre.55 Das Nationalratsmandat behielt ge Wochen nach einem Sonderlandtag Konrad bis zum Ende der Legislaturperi- bekannt, bei dem FPÖ und die Oppositi- ode 1999. on aus Liberalen und Grünen vermeintli- Kurze Karriere als Frauenministerin che Postenschacherei zwischen Schwarz und Rot anprangerten.50 Obwohl Heidrun Silhavy bereits seit mehr Aus dem Sondervertrag wurde dann doch als zehn Jahren im Nationalrat saß, wurde nichts, die ÖVP ruderte angesichts der ihr Name erst durch die öffentliche Ge- öffentlichen Kritik zurück und revidierte sprächsverweigerung eines Mannes wirk- ihre Zusage in einer Sondersitzung des lich bekannt: Als der damalige SPÖ-Vor- Landtages.51 Für die SPÖ war die Sache sitzende und designierte Bundeskanzler aber noch lange nicht ausgestanden. Auf mit seinem steirischen

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Parteifreund und Landeshauptmann Franz Voves telefonieren wollte, verwei- gerte dieser vor laufenden Kameras und Mikrofonen von Reportern das Gespräch. Mehrmals. Schließlich murmelte ihm ei- ner seiner Landesräte zwei Namen ins Ohr und Voves brummte: „Silhavy!“56 So wurde die Steirerin im Jänner 2007 für einen Regierungsposten ausgewählt, der wenig spannend klang: Staatssekretärin im Bundeskanzleramt. Als Silhavy einein- halb Jahre später, kurz vor den Neuwah- len, zur Frauenministerin aufstieg, fiel das Urteil der Medien nicht gerade über- Heidrun Silhavy schwänglich aus: „Ausgesprochen unauf- (SPÖ) fällig“57 habe Silhavy als Staatssekretärin geb. 20. Mai 1956 in Graz agiert, ihre Bestellung zur Ministerin ein 1991-1994 Mitglied des Vor- standes der Kammer für Arbei- „handwerklicher Fehler“58 gewesen. Sie ter und Angestellte für Steier- habe das Amt zudem nur bekommen, mark damit ein Mann als Staatssekretär nach- seit 1994 Abgeordnete zum Na- 59 tionalrat rücken könne . Als Silhavy dann im De- 2007/2008 Staatssekretärin im zember 2008 nach ein paar Monaten im Bundeskanzleramt Amt das Feld einer Kollegin aus Niederös- 2008 Bundesministerin für Frauen, Medien und Regional- terreich überlassen musste, wurde sie nur politik noch so nebenbei als „blasse Frauenmi- nisterin“60 erwähnt. Die Startschwierigkeiten und das Pro- blem, (medial) zu reüssieren, muten ge- rade im Fall Silhavy seltsam an. Denn sie war keine Quereinsteigerin, sondern kam treppchenweise die Parteihierarchie hoch, bis es endlich für ein Spitzenamt reichte. Sie hätte eigentlich wissen müssen, wor- auf es ankommt und medial geschickter agieren können: 1956 in Graz geboren, heuerte sie als 20-Jährige in der Arbeiter- kammer an und durchlief die klassische

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Parteischule. Landesfrauensekretärin des Was bleibt also von einer Staatssekretä- ÖGB, Mitglied im Landes- und Bundes- rin und Ministerin Heidrun Silhavy in Er- parteivorstand der SPÖ, Vorstandsmit- innerung? Abgesehen von der gestörten glied in der Arbeiterkammer61, steirische Leitung zwischen den Herren Voves und Spitzenkandidatin bei den Nationalrats- Gusenbauer wenig. Der Wunsch nach wahlen 200862... Im Mai 1994 kam sie zum Väterkarenz66 und Empörung über sexis- ersten Mal in den Nationalrat und kehrte tische Werbung67 mögen durchaus echt nach ihrem Intermezzo in einer Bundesre- gewesen sein, gingen aber im Endspurt gierung im Dezember 2008 auch wieder des Wahlkampfs unter. Dass Silhavy eine dorthin zurück63. der wenigen Spitzenkandidatinnen auf Laute, polternde Auftritte scheinen nicht den Landeslisten für die Nationalratswah- Silhavys Sache zu sein, sie polarisiert auch len war68, fiel ebenso wenig ins Gewicht. nicht. Wahrscheinlich ein Grund für das Ihre Kür so kurz vor dem Wahltermin war mangelnde mediale Interesse, ohne das freilich auch nicht gerade segensreich, da- SpitzenpolitikerInnen aber heute nicht mit bekam sie als Besetzung des früheren mehr auskommen. Gerade eine Frauen- Parteichefs automatisch ein Ablaufdatum ministerin, deren Kompetenzen und Fi- verpasst, auch wenn sie es ‒ offiziell ‒ na- nanzmittel im Grunde über alle anderen türlich nicht so sehen wollte. Sie werde ihr Ressorts verstreut sind, braucht diese Amt ausüben, als „würde ich es bis in alle Aufmerksamkeit. Das hat Silhavy ‒ zu- Ewigkeit machen“, wich sie Journalisten- dem auch Ministerin für Medienagenden fragen aus, die sie sofort nach ihrer Nomi- ‒ glatt übersehen oder nicht beachten nierung als Übergangslösung einstuften69. wollen. Denn wie könnte es sonst sein, So kurz kann die Ewigkeit also sein: Heid- dass ihre Nachfolgerin Gabriele Heinisch- run Silhavy Karriere als Frauenministerin Hosek, kaum ein paar Stunden im Amt, war fünf Monate nach ihrer Angelobung ganze Titelseiten von Zeitungen füllt für auch schon wieder vorbei. einen Vorschlag, den man in gewisser Schwangere Landesrätin Weise auch schon von Silhavy gehört hat? beschäftigte Juristen Nämlich Frauenquoten in Unternehmen einzuführen.64 Aber eben nur in gewisser Magda Bleckmann war mit ihren 31 Jah- Weise, Silhavy war zögerlicher, vorsich- ren die jüngste Landesrätin Österreichs, tiger und vermied die Forderung nach als sie am 9. Februar 2000 die Nachfol- einer Quote in Vorständen und Aufsichts- ge von Michel Schmid antrat, der in der räten65. Das mag realpolitisch korrekt und ersten schwarz-blauen Koalition im Bund umsichtig sein, den nötigen Schwung in zum Infrastrukturminister avancierte.70 die Debatte bringt so eine Vorgangsweise Sie, die damals den Namen Jost-Bleck- aber nicht. mann führte, war auch die erste amtie-

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rende steirische Landesrätin, die schwan- ger wurde71 und deren andere Umstände die JuristInnen in der Landesregierung beschäftigten: Da es bisher noch keine Schwangere in der Landesregierung ge- geben hatte, war nicht von vornherein klar, ob die Landesrätin unter die Regeln des Mutterschutzes fiel oder nicht.72 Doch es war nicht die erfreuliche Baby- Nachricht, die die junge Politikerin schlagartig österreichweit bekannt mach- te. Sondern ein Kriminalfall, der (Jost-) Bleckmann in ein privates Drama führte: Ihr Mann Alexander Jost, den sie erst im Magda Bleckmann Herbst 1999 geheiratet hatte73, wurde (FPÖ/BZÖ) Ende Mai 2000 in Linz von Polizisten er- geb. 5. Juni 1968 in Graz schossen. Als Bankräuber.74 1991-2002 Abgeordnete zum Steiermärkischen Landtag Die damals im fünften Monat schwange- 2000/2001 Mitglied der Steier- re Bleckmann wurde von dieser Nachricht märkischen Landesregierung in der Bundespolizeidirektion Graz über- 2002-2006 Abgeordnete zum Nationalrat rascht, als sie aufgefordert wurde, ihren Betriebswirtin Ehemann anhand eines gefaxten Fotos eines Toten zu identifizieren.75 Für Bleck- mann brach eine Welt zusammen: Jost sei „ihre große Liebe“ gewesen, von sei- nem Doppelleben als Bankräuber hatte sie nichts geahnt.76 Nach einigen Wochen auf Rückzug kehrte Bleckmann Mitte Juni wieder auf die Regierungsbank zurück.77 Bleckmann kam bereits als Jugendliche in die Politik und stieg sehr rasch sehr hoch: Der Landesobmann der steirischen FPÖ, Michael Schmid, holte sie quasi vom Hör- saal in den Landtag.78 1991 kam die damals 22-jährige Studentin der Betriebswirtschaft in den Landtag und wurde damit die jüngs- te steirische Abgeordnete. Zunächst Spre-

64 Politikerin? Und was machen Sie dann mit Ihren Kindern? - Elisabeth Holzer cherin des Landesrates trat sie bald selbst Nach den Wahlen, bei denen die FPÖ in das politische Rampenlicht: Nach den nebenbei bemerkt, gewaltig abstürzte, Landtagswahlen 1995 wurde sie geschäfts- stieg Bleckmann jedoch wieder auf: Die führende Klubobfrau, nach dem Wechsel überzeugte Anhängerin Jörg Haiders und Schmids nach Wien Landesrätin.79 Unterstützerin der so genannten „Knit- Doch das Jahr 2000 stand abseits der pri- telfeld-Rebellen“ der FPÖ bekam bei den vaten Tragödie auch politisch unter kei- Nationalratswahlen 2002 Platz drei auf der nem guten Stern. Minister Schmid, der Bundesliste und wurde eine der vier Stell- auch in Wien Landesparteichef der FPÖ in vertreterInnen des damaligen FPÖ-Chefs der Steiermark geblieben war, wandte sich Mathias Reichhold.85 Im Februar 2003 stieg von seiner politischen Ziehtochter ab. Mit- sie als Generalsekretärin in die Machtzen- ten im längst angelaufenen Wahlkampf trale der Partei auf.86 Den Job gab sie al- für die Landtagswahlen 2000 im Oktober lerdings wegen ihrer zweiten Schwanger- ließ er der amtierenden Landesrätin Bleck- schaft im Juni 2004 wieder auf.87 Ihr kleiner mann via Medien ausrichten, dass sie nach Sohn bekam von den Medien den Spitz- den Wahlen nicht mehr in der Regierung namen „Koalitionsbaby“ verpasst, ist doch vertreten sein werde. Einer jungen Mutter der Vater des Buben ÖVP-Bauernbundob- sei ein „Spitzenjob mit 14 Stunden am Tag mann Fritz Grillitsch.88 und 170.000 Schilling dafür“ nicht zumut- Danach wurde es politisch immer stiller bar, schließlich sei das „keine Karenzvertre- um die einst so aufstrebende junge Politi- tung“. Im Landtag könne sie aber bleiben, kerin, die im Landtag mit durchaus spitzer das werde ja auch gut bezahlt.80 Bleckmann Zunge unterwegs war, das Amt des Bun- konterte ebenso bestimmt: „Der Obmann despräsidenten abschaffen wollte89 und kann sagen, was er will. Und ich sage, was einem Frauenministerium wenig abge- mir zumutbar ist.“81 Sie würde ganz gerne winnen konnte90. Nach der Abspaltung des Landesrätin bleiben wollen.82 Doch da war BZÖ von der FPÖ wechselte Bleckmann zu bereits klar, dass Bleckmann ins zweite den Orangen91, politisches Mandat hat sie Glied weichen muss, zur Spitzenkandidatin jedoch heute keines mehr, sondern arbei- bei den Landtagswahlen wurde die ehe- tet als Unternehmensberaterin: „Ich habe malige ORF-Moderatorin Theresia Zierler abgeschlossen mit der Politik. Ich bin Trai- gekürt.83 Ihre Arbeit als Landesrätin setzte nerin und Coach, das ist mit einer Rückkehr Bleckmann jedoch kurz nach der Geburt in die Politik unvereinbar.“92 ihrer Tochter fort, nicht ohne Probleme: Klassischer Karrieresprung So „putschte“ ein Drittel ihrer Büromitar- beiterInnen und wollte die Arbeit nieder- Kristina Edlinger-Ploder kommt aus dem legen, ein noch nie erlebter Exodus aus Bereich, den man schon beinahe als Rek- einem Regierungsbüro.84 rutierungsanstalt der steirischen ÖVP be-

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zeichnen möchte, wenn es darum geht, neues Personal für Spitzenjobs zu finden: Sie war Büroleiterin bei Waltraud Klasnic und zuvor Referentin im Büro LH, also das, was im Politikjargon etwas verwechselbar SekretärIn genannt wird.93 Also wieder eine mehr aus der Riege der SekretärInnen, die den Aufstieg ins eige- ne Büro geschafft hatten: Edlinger-Ploder war 31 Jahre alt, als sie von Klasnic 2003 auf die Regierungsbank geholt wurde.94 Damit war sie die zu diesem Zeitpunkt jüngste Landesrätin Österreichs. Aber weil sie auch noch zweifache Mutter war, Kristina Edlinger-Ploder fielen auch JournalistInnen ins klassische (ÖVP) Rollenschema: Die Neo-Landesrätin muss- geb. 4. Juli 1971 in Linz te gleich nach der Kür im Parteivorstand 1996-1998 Mitarbeit im Aufbau eines Grazer Handelsunterneh- detailliert Auskunft geben, wie denn der mens damals dreijährige Sohn und die erst ein seit 2003 Mitglied der Steier- Jahr alte Tochter betreut werden, wenn märkischen Landesregierung 95 2004/2005 Leiterin des Finanz- die Mami doch jetzt Politikerin ist... ressorts des Landes Der Karrieresprung kam überraschend, Juristin doch auch die übrigen Landtagsparteien bedachten die junge Frau mit einem ge- hörigen Vorschuss: Von 52 gültigen Stim- men entfielen tatsächlich alle auf sie.96 Kokettierte Edlinger-Ploder zunächst mit dem Fakt, Frau und um ein gehöriges Stück jünger zu sein als ihre Regierungs- kollegen97, zeichnete sie jedoch in ersten Stellungnahmen ein eher konservatives Bild von sich und ihrer Vorstellung von Politik: So trat sie für den Parteienproporz im Schulsystem ein und für Aufnahme- prüfungen an den AHS.98 Die Medien beobachteten Edlinger-Plo- der zunächst abwartend bis skeptisch: Sie

66 Politikerin? Und was machen Sie dann mit Ihren Kindern? - Elisabeth Holzer habe den Rollenwechsel nicht geschafft, Quereinsteigerin und statt des „schillernden Gerhard Hirsch- „unbeschriebenes Blatt“ mann“ säße eine „fleißige Bürochefin“99 Bettina Vollath war die Erfindung von in der Regierung. Bei ihrer einzigen Bud- SPÖ-Landesparteiobmann Franz Voves. In getrede im Landtag nach ihrer Avancie- der SPÖ, die zwischen 2000 und 2005 kei- rung zur Finanzreferentin wurden mehr ne Frau in der Landesregierung vorweisen ihre bildhafte Sprache und ihr leuchten- konnte, aber auch in den Medien wurde des Outfit beschrieben, das sich zu allem längst heftig spekuliert, wer denn die Kan- Überfluss auch noch in den verwendeten didatin sein würde, die nach den Wah- Farben der gedruckten Version ihrer Bud- len 2005 ein Regierungsamt bekommen getrede widerspiegele.100 Die Ansprache sollte. Doch es gelang Voves tatsächlich, selbst sei ein „braves Referat“101 gewe- Vollaths Namen bis zur offiziellen Präsen- sen, bei dem Zahlen fast nicht vorkamen, tation beim Wahlkampfauftakt geheim obwohl es sich um ein Landesbudget zu halten107; wohl auch, weil die Juristin handelte. Schon zuvor bei den zähen Ver- bisher in keinerlei Parteifunktion tätig war handlungen über den neuen Landeshaus- und dadurch schon von vornherein nicht halt war Edlinger-Ploder Angriffspunkt der am Spekulationsradar der politischen SPÖ sowie der Oppositionsparteien gewe- BeobachterInnen aufscheinen konnte. sen. Ihr Vorschlag einer linearen Kürzung Doch Voves ging auf Nummer sicher, wie quer durch alle Ressorts etwa sei einfach es scheint: Selbst dem engsten Kreis der nur „dumm, absolut dumm“, kanzelte SPÖ war Vollath erst zwei Tage zuvor vor- der damalige SPÖ-Vizelandeshauptmann gestellt worden, die Vorsitzende der SPÖ- Franz Voves die Finanzreferentin ab.102 Frauen, Barbara Gross, lernte sie gar erst Die Landesrätin selbst trug ihr Scherflein am Präsentationstag selbst kennen.108 Eine bei, weil sie ebenfalls nicht so ernsthaft Geheimniskrämerei, die verwundert, wäre von der Idee überzeugt schien.103 Nach sie doch eher bei Personen mit bekanntem der Wahlniederlage der ÖVP im Oktober Namen üblich. So oder so, der Spannungs- 2005 blieb sie in der Landesregierung. bogen innerhalb der Partei, aber auch au- Mittlerweile hat sich auch das (mediale) ßerhalb, war aufgebaut worden. Bild von ihr gewandelt. Edlinger-Ploder, Vollath selbst ordnete sich gleich ihrer die einst als brave Sekretärin beschrieben Rede bei der Wahlveranstaltung einem wurde, ist durchaus zum Faktor gewor- bestimmten Eck zu: Sie sei das „unbe- den. Sie gilt als ministrabel104 und bricht schriebene Blatt“109, Voves beschrieb sie mit verzopften Traditionen der ÖVP: So dann auch noch als Freundin der (sprich tritt sie für die Homo-Ehe vor dem Stan- also seiner) Familie.110 desamt105 und für die Gesamt- und Ganz- Dass der Regierungssitz, der für Vollath tagesschule106 ein. vorgesehen war, erst noch gewonnen

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werden musste, wurde in der allgemei- nen Wahlkampfeuphorie kaum erwähnt. Vollath, die erst acht Tage nach den Landtagswahlen am 2. Oktober 2005 ihre Rechtsanwaltsprüfung absolvierte, erklär- te zudem, sie sei ohnehin abgesichert, sie habe ein Rückkehrrecht in die Kanzlei.111 Medial kam die Quereinsteigerin aller- dings nicht so gut an, sie ringe um ein eigenes Profil, hieß es112. Nach einem dreiviertel Jahr in der Landesregierung benotete die Kleine Zeitung Vollaths Arbeit gerade noch positiv: Vier minus. Angemerkt wurde, dass sie „ohne Haus- Bettina Vollath macht“ weiter durch die Landespolitik (SPÖ) „schleudert“.113 Vollath verteidigte ihren geb. 29. Oktober 1962 in Graz „eigenen Weg“ und ihre „leise Art“: „Das 1999-2005 Tätigkeit in zwei Grazer Rechtsanwaltskanzlei- kommt vielleicht nicht so gut an.“114 en Dabei hatte Vollath durchaus Ideen, die seit 2005 Rechtsanwältin sich medial geschickt vermarkten hätten seit 2005 Mitglied der Steier- märkischen Landesregierung lassen, da sie ein bestimmtes WählerIn- Juristin nenpotenzial direkt ansprachen. Abschaf- fung der Studienbeiträge an der steiri- schen FH Joanneum, die Forderung (und wesentlich spätere Umsetzung) des Gra- tis-Kindergartens, Senkung der Klassen- schülerhöchstzahlen, Gender-Beauftrag- te im Land ‒ all das hätte sich mit mehr positivem Schwung darstellen lassen. Als sich die Landesrätin längst nicht mehr als Quereinsteigerin betrachtete, nämlich nach fast zwei Jahren im Amt115, passierte ein massiver Schnitzer, der quer durch alle Parteien und auch ihre eigene zu einer Protestflut geführt hatte. Vollath kündigte an, erfolgreiche Stu- diengänge der FH Joanneum von Graz

68 Politikerin? Und was machen Sie dann mit Ihren Kindern? - Elisabeth Holzer nach Kapfenberg zu verlegen.116 Die Lan- desrätin musste sich dann nicht nur Be- schimpfungen diverser ÖVP-Funktionäre gefallen lassen („völlig inkompetent“117, „Schnapsidee“118), sondern auch die Tat- sache, Adressatin eines „Machtwortes“ ihres Parteichefs zu werden.119 „Graz wird nichts weggenommen. Die Absiedelung wäre der falsche Weg gewesen“, been- dete Voves die Debatte.120 2008 machte sich Vollath für kostenlose Kindergärten stark. Das Sperrfeuer der an- deren Parteien war zwar ob der vermeint- lich mangelnden, weil zu kurzen Vorberei- tungszeit heftig, konnte ihr jedoch schon Lisa Rücker (Die Grünen) wegen des publikumsträchtigen Themas geb. 10. Mai 1965 in Salzburg kaum politische Probleme machen.121 2005-2008 Vorsitzende des Kontrollausschusses der Stadt Erste grüne Vizebürgermeisterin in Graz Graz seit 2003 Gemeinderätin Das Privat- oder besser: Liebesleben von seit 2008 Bürgermeister-Stell- PolitikerInnen hat grundsätzlich nichts vertreterin in der Öffentlichkeit zu suchen. Das ist Sozialarbeiterin geübter Usus und er ist richtig. Bloß: Mit Lisa Rücker, der ersten Grünen, die es in Graz nicht nur in den Stadtsenat, sondern auch zur Vizebürgermeisterin geschafft hat, ist die Situation eine andere. Sie hat im Wahlkampf genau dieses Privatleben öffentlich gemacht, in dem sie ihre Part- nerschaft mit einer Frau in Interviews schilderte.122 In ihrer ersten Rede als eben gewählte Vizebürgermeisterin bedankte sich Rücker öffentlich auch bei ihrer Le- bensgefährtin. „Ich habe mich im Wahl- kampf sehr bewusst dafür entschieden, dazu zu stehen, dass ich eine Lesbe bin. Mir ist es wichtig, ein Symbol dafür zu set-

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zen, zu zeigen, dass es immer noch Men- Stadtsenat130. Von der Themenauswahl schen gibt, die im Verborgenen leben bewegte sie sich auf klassischem (und müssen.“123 damit sicheren) grünen Terrain: Verkehr, Damit setzte die Kommunalpolitikerin Menschenrechte, Umwelt.131 die Intention ihres Outings fort: Aus „po- Geworden ist es dann der Sessel neben litischen Gründen“ sei sie in die Öffent- dem Bürgermeister. Ein Wahlerfolg auf lichkeit gegangen. „Wären Homosexuelle jeden Fall: Noch nie lagen die Grünen bei schon gleichgestellt, wäre es meine Pri- Kommunalwahlen in der Landeshaupt- vatsache.“124 Sexualität sei so lange po- stadt so gut, noch nie zuvor hatten sie litisch, so lange sie diskriminiert werde, einen Sitz in der Regierung. Die gern als schrieb Rücker kurz nach den Gemein- Koalition beschriebene Arbeitsüberein- deratswahlen in ihrem Blog im Internet. kunft mit der ÖVP trägt ihre Handschrift „Ich wünsche mir, dass es bald möglich und ist der Grund, warum Rücker über- ist, so zu sein, so zu l(i)eben, wie frau/man haupt Bürgermeister-Stellvertreterin ist: will, ohne dazu öffentlich Stellung neh- Das Vorschlagsrecht für dieses doch pres- men zu müssen. Aber dazu ist es noch ein tigeträchtige Amt hat die zweitstärkste langer, breiter Weg.“125 Verbunden damit Fraktion und das führte zu einem Schar- war auch ein Seitenhieb auf die Bundes- mützel mit der SPÖ, die sich die Nomi- ÖVP126, mit dessen Grazer Stadtpartei nierung nicht nehmen ließ, aber mangels Rücker jedoch einen Pakt eingegangen PartnerInnen im Gemeinderat nicht ge- ist, ohne den sie den hübschen Titel der nügend Stimmen für ihren Kandidaten Vizebürgermeisterin nicht bekommen hatte. Rücker hatte sie jedoch durch die hätte können. Zusammenarbeit mit den Schwarzen si- 2003 zog Rücker erstmals in den Grazer cher in der Tasche.132 Gemeinderat ein und wurde unter ande- Mögliche Reibungsflächen und Konflikt- rem Vorsitzende des Kontrollausschusses. potenzial nahm Rücker bewusst in Kauf, Zur Spitzenkandidatin für die Wahlen be- gerade mit einer ÖVP, die Grüne gerne rief sie sich kurzerhand selbst und hätte bekrittelten und ideologisch weit entfernt es auch auf eine Kampfabstimmung mit ist.133 In ersten Resümees über die Zusam- der Klubobfrau der Grünen, Sigi Binder, menarbeit, die koalitionsfreie Räume nur kommen lassen127, doch die steckte vor bedingt vorsieht, gestand Rücker, dass sie der entscheidenden Mitgliederversamm- „energieraubend“ sei, aber durchaus po- lung zurück und kandierte nur um Platz sitiv.134 Der Rollenwechsel Regierung statt zwei128. Genauso keck rief Rücker danach Opposition sei kein einfacher. Auch nicht das „Projekt Bürgermeisterin“ ins Leben129, für die Partei. „Es heißt manchmal Dinge ihr Wahlziel waren 10 % der Stimmen mitzutragen, die man in der Opposition lo- als Minimum und damit ein fixer Sitz im cker abgelehnt hätte. Aber es zahlt sich aus.

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Du hast Möglichkeiten, zu gestalten und und Fokussierung auf Frauenpolitik eine nicht bloß einen Aufruf zu machen.“135 gewisse grundlegende Aufmerksamkeit mit sich bringt. Das ist ein zweiseitiges *** Schwert: Einerseits sind Frauen in Schlüs- Waltraud Klasnic, Helga Konrad, Heid- selpositionen dadurch unter größerer run Silhavy, Magda Bleckmann, Kristina kritischer (medialer) Begleitung als ihre Edlinger-Ploder, Bettina Vollath und Lisa männlichen Kollegen, das mag durchaus Rücker: Sieben Politikerinnen also, die lästig sein. Andererseits kann genau die- vollkommen unterschiedliche Karrieren se Aufmerksamkeit einen Zusatznutzen haben, vom Durchwandern der klassi- haben, um politische Anliegen zu trans- schen Parteihierarchie bis zur völligen portieren, wohl wissend, dass die Medien Quereinsteigerin. Frauen, die aus völlig hinschauen werden. konträren politischen Lagern kommen Doch je mehr Frauen hohe politische Pos- und unterschiedliche Zugänge zur Politik ten erringen, desto normaler wird die Si- haben. Gemeinsamkeiten haben diese tuation. Dass eine Frau den Posten X oder Frauen schon aufgrund ihrer Sozialisie- das Amt Y inne hat, wird umso unspekta- rung, ihrer Parteizugehörigkeit und ihrer kulärer, je öfter das passiert. Spätestens Lebenswege kaum. Die große Klammer ab da wiegen andere Kriterien schwerer, über sie alle ist jedoch die Außenwirkung, die Eignung, die Fähigkeiten, das Engage- die sie als Frauen in bestimmten Positi- ment. Waltraud Klasnic drückte das einst onen automatisch erlangten, durch ihr so aus: „Wenn man glaubt, nicht mit dem Aufbrechen einer Männerdomäne wie Argument punkten zu können, sondern etwa bei Klasnic oder die Bestellung in ein mit einem Augenaufschlag, dann ist die Amt, das schon durch seine Ausrichtung Sache nichts wert.“136 

1 Anmerkung: Magda Bleckmann, FPÖ, wechselte in der laufenden Gesetzgebungsperiode aus dem Landtag in die Landesregierung. Ihr frei gewordenes Mandat im Landtag bekam ein Mann, somit saßen bis 26. März 2000 13 Frauen im Landtag, danach nur noch 12. 2 Anmerkung: Hier stellt die Prozentrechnung allerdings eine gewisse Verzerrung dar, hatten doch sowohl Grüne als auch LIF jeweils bloß zwei Sitze im Landtag. 3 Anmerkung: Eine Abgeordnete wechselte in der laufenden Gesetzgebungsperiode in den Nationalrat, ein Mann rückte auf das frei werdende Mandat nach. 4 Die ÖVP im Nationalrat weist einen Frauenanteil von 25,49 % auf, die FPÖ 17,65 %, das BZÖ 9,52 %. 5 XXII. Gesetzgebungsperiode unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, ÖVP. 6 Vergleiche zu allen Statistiken über den Frauenanteil im Nationalrat die Homepage des Parlaments www.parla- ment.gv.at. 7 Anmerkung: Eine der steirischen ÖVP zuzuordnende Abgeordnete kam über die Bundesliste in den National- rat. 8 Anmerkung: Diese Grenzziehung ist notwendig, andernfalls würde es den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Deshalb kann auf die wichtige Arbeit von Klubobfrauen oder Stadträtinnen nicht detailliert eingegangen wer- den. 9 Art. 7 (3) B-VG, BGBl1988/341, „Amtsbezeichnungen können in der Form verwendet werden, die das Geschlecht des Amtsinhabers oder der Amtsinhaberin zum Ausdruck bringen. Gleiches gilt für Titel.“

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10 Vergleiche Kleine Zeitung, „Landeshauptfrau unerwünscht“, 31. Oktober 1996. 11 Vergleiche KURIER, „Die Sorgen der Frau LH“, 29. Juni 2000, Seite 7. 12 Vergleiche KURIER, „Die neue Landesmütterlichkeit“, 20. Dezember 1995, Seite 5. 13 Herwig Hösele, Landesfürst und Landesmutter. Zwei Charaktere ‒ ein Ziel (Wien-Graz-Klagenfurt, 2007), ver- kürzt zitiert als Hösele, Landesfürst, Seite 110. 14 Ebenda. 15 Gabriele Metz, Frauen in der Politik. Eine empirische Analyse der Motive und Intentionen von Frauen in Öster- reichs Spitzenpolitik (Dipl.; Graz, 2001), verkürzt zitiert als Metz, Frauen, Seite 125. 16 Vergleiche KURIER, „Im Windschatten des Bundes“, 17. Dezember 1995, Seite 5; KURIER. „Erfolg in einer ‚Männer- domäne’“, 18. Dezember 1995, Seite 7. 17 Hösele, Landesfürst, Seite 94. 18 Vergleiche KURIER, „Langer Weg, kleine Schritte“, 24. Jänner 1996, Seite 3. 19 Vergleiche KURIER, „Steirische VP versucht ‚durchzustarten’“, 10. März 1996, Seite 2. 20 Vergleiche KURIER, „Waltraud Klasnic: Mutter Courage“, 28. Juli 1998, Seite 3. 21 Hösele, Landesfürst, Seite 113. 22 Vergleiche Presse Agentur, „Regierung: Hirschmann bestätigt Kanzlerangebot Schüssels an Klasnic“, 16. Jänner 2000. 23 Vergleiche Austria Presse Agentur, „Steirische Wähler bereiten Klasnic persönlichen Triumph“, 15. Oktober 2000. 24 Vergleiche Austria Presse Agentur, „Steirische VP sichert sich alle Schlüsselressorts“, 6. November 2000. 25 Vergleiche Austria Presse Agentur, „Steirische Landesregierung beschließt Geschäftseinteilung“, 13. November 2000. 26 Vergleiche Austria Presse Agentur, „Paierl-Abgang: Für VP-Klasnic ein Opfer für die Partei“, 4. April 2004. 27 Vergleiche Austria Presse Agentur, „Steirer-VP kämpft mit ‚chaotischer bis anarchistischer Situation’“, 6. April 2004. 28 Vergleiche KURIER, „Angekratztes Lebend-Denkmal“, 28. Jänner 2004, Seite 3. 29 Vergleiche Austria Presse Agentur, „Steirische SPÖ bei Umfrage knapp vor ÖVP ‒ laut ‚Krone’“. 30 Vergleiche Austria Presse Agentur, „Hirschmann-Kandidatur sorgte für mittleres Polit-Erdbeben“, 1. Juni 2005. 31 Vergleiche Austria Presse Agentur, „Aufregung um ‚Medienmodul’ der steirischen ÖVP“, 11. Juli 2005. 32 Vergleiche Austria Presse Agentur, „Wahlkampf-Knigge: Klasnic entschuldigt sich ‒ SPÖ klagt“, 12. Juli 2005. 33 Hösele, Landesfürst, Seite 165. 34 Vergleiche „Austria Presse Agentur“, Steiermark-Wahl: Laut ÖVP ‚Volksabstimmung über Landeshauptmann’“, 21. Juli 2005. 35 Vergleiche Austria Presse Agentur, „Waltraud Klasnic ‒ 60. Geburtstag ist letzter Tag als Landeschefin“, 24. Ok- tober 2005. 36 Vergleiche KURIER, „Klasnic will bis 2008 Obfrau sein, Schützenhöfer wird Landes-Vize“, 4. Oktober 2005, Seite 6. 37 Vergleiche Austria Presse Agentur“, Klasnic hat ‚ihr Herz verbraucht’“, 17. Dezember 2005. 38 Vergleiche Austria Presse Agentur, „Waltraud Klasnic lehnt Ehrenvorsitz in steirischer VP ab“, 17. März 2006. 39 Vergleiche Austria Presse Agentur, „Helga Konrad ‒ Frauenministerin ohne Fortune“, 21. Jänner 1997. 40 Vergleiche KURIER, „Karriere mit dem Gewehre: Frauenministerium bremst“, 15. Juli 1996, Seite 2. 41 Vergleiche KURIER, „Helga Konrad will keine Frauenpartei“, 11. März 1996, Seite 2. 42 Vergleiche KURIER, „Einkommensgrenze für Bonus bei Mutter-Kind-Pass“, 21. November 1996, Seite 2. 43 Vergleiche DPA, „Österreichs Frauenministerin will Männer zur Hausarbeit zwingen“, 16. Jänner 1997. 44 Vergleiche KURIER, „Männer für die Hausarbeit“, 19. Dezember 1996, Seite 3. 45 Vergleiche Austria Presse Agentur, „ÖVP startet Frauenoffensive 1997, 21. Jänner 1997. 46 Vergleiche Austria Presse Agentur, „Helga Konrad ‒ Frauenministerin ohne Fortune“, 21. Jänner 1997. 47 Vergleiche KURIER, „Vranitzkys einsamer Führungsstil lässt Personalspekulationen sprießen“, 7. Jänner 1997, Seite 2. 48 Vergleiche Austria Presse Agentur, „Regierungsumbildung: Angebot an oö. Landesrätin Prammer“, 21. Jänner 1997. 49 Vergleiche Austria Presse Agentur, „Ex-Frauenministerin Konrad wird steirische Kultur-Sonderbeauftragte“, 27. Oktober 1997. 50 Vergleiche KURIER, „Ex-Ministerin Konrad muss auf Job verzichten“, 4. November 1997, Seite 2. 51 Vergleiche Kleine Zeitung, „VP-Notbremse: Kein Vertrag für Konrad“, 4. November 1997. 52 Vergleiche KURIER, „Trotz Streichorgie will Konrad steirische SP-Vize bleiben“, 23. November 1997, Seite 2. 53 Vergleiche Austria Presse Agentur, „Fall Konrad: Jetzt Belastungsprobe für die steirische SPÖ geworden“, 28. November 1997.

72 Politikerin? Und was machen Sie dann mit Ihren Kindern? - Elisabeth Holzer

54 Vergleiche Austria Presse Agentur, „Helga Konrad zieht Konsequenzen aus ‚Postenschacher’-Affäre“, 1. Dezem- ber 1997. 55 Ebenda. 56 Vergleiche KURIER, „Gusenbauer kam nicht bei Voves durch“, 11. Jänner 2007, Seite 2; Kleine Zeitung, „Kabarett- reife Telefonstunde mit Gusenbauer“, 11. Jänner 2007, Seite 3. 57 Vergleiche Austria Presse Agentur, „Heidrun Silhavy ‒ Neue Aufgabe für unauffällige Staatssekretärin“, 23. Juni 2008. 58 Vergleiche Kleine Zeitung, „Die SPÖ pfeift auf Umfragen“, 20. Juni 2008, Seite 6. 59 Vergleiche KURIER, „Wie man Minister wird“, 25. Juni 2008, Seite 2. 60 Vergleiche Kleine Zeitung, „Neue Köpfe braucht das Land“, 20. November 2008, Seite 4. 61 Vergleiche Homepage des Parlaments, www.parlament.gv.at/WW/De/PAD_02763/pad_02763.shtm, 31. Okto- ber 2008. 62 Vergleiche KURIER, „SPÖ-Liste mit Frauenpower“, 3. August 2008, Seite 13. 63 Vergleiche Kleine Zeitung, „Nur Kdolsky und Kranzl ohne Job“, 27. November 2008, Seite 4. 64 Vergleiche Austria Presse Agentur, „Silhavy will Lohnsysteme unter die Lupe nehmen“, 23. Juni 2008. 65 Ebenda. 66 Vergleiche Austria Presse Agentur, „SPÖ will Papa-Monat und Kindergeld im Gesamtpaket“. 16. September 2008. 67 Vergleiche Austria Presse Agentur, „WIFI-Anzeige mit nackter Haut lässt WKO schwitzen“, 6. September 2008. 68 Vergleiche Austria Presse Agentur, „NR-Wahl: Kaum weibliche Spitzenkandidatinnen“, 11. September 2008. 69 Vergleiche Austria Presse Agentur, „Silhavy will Lohnsysteme unter die Lupe nehmen“, 23. Juni 2008. 70 Vergleiche Austria Presse Agentur, „Zwei Frauen in steirischen FPÖ-Spitzenpositionen“, 8. Februar 2000; KURIER, „Magda und Margit ‒ zwei neue FP-Regierer“, 9. Februar 2000, Seite 8. 71 Vergleiche Kleine Zeitung, „Spitzenkandidatin der FPÖ erwartet zur Wahl ein Baby“, 6. Mai 2000; KURIER, „Lan- desrätin mit einem Baby? Kein Problem für Magda Jost“, 6. Mai 2000, Seite 10. 72 Die Verfassungsabteilung stellte fest, dass ein Regierungsmitglied wie ein selbständiger Unternehmer einzu- stufen ist. Für die schwangere Landesrätin galten demnach die Bestimmungen des Mutterschutzes nicht. Ver- gleiche KURIER, „Schwangere Politikerin darf weiter arbeiten“, 13. Mai 2000, Seite 10. 73 Vergleiche KURIER, „Schwangere Landesrätin unter Schock“, 31. Mai 2000, Seite 11. 74 Vergleiche Austria Presse Agentur, „Erschossener Bankräuber 2“, 30. Mai 2000. 75 Vergleiche KURIER, „Schwangere Landesrätin unter Schock“, 31. Mai 2000, Seite 11. 76 Vergleiche KURIER, „Er war meine große Liebe“, 7. Juni 2000, Seite 7. 77 Vergleiche Austria Presse Agentur, „Magda Jost-Bleckmann wieder öffentlich am Rednerpult“, 20. Juni 2000. 78 Vergleiche Kleine Zeitung, „Magda Bleckmann ‒ eine Karriere“, 31. Mai 2000. 79 Ebenda. 80 Vergleiche Kleine Zeitung, „Schmid: Jost-Bleckmann nur bis zur Wahl Landesrätin“, 25. Juli 2000. 81 Vergleiche KURIER, „Der Obmann kann sagen, was er will“, 28. Juli 2000, Seite 10. 82 Vergleiche KURIER, „Verschärfte Rivalität zwischen zwei FP-Frauen“, 4. August 2000, Seite 8. 83 Vergleiche Austria Presse Agentur, „Klasnic-Wiederwahl für FP-Zierler eine Frage des Vertrauens“, 10. August 2000. 84 Vergleiche KURIER, „Mitarbeiter verlassen Büro der FP-Landesrätin“, 20. September 2000, Seite 10. 85 Vergleiche KURIER, „Reichhold holt sich vier Stellvertreter“, 21. September 2002, Seite 3. 86 Vergleiche Austria Presse Agentur. „Magda Bleckmann: Knittelfelderin wird Generalsekretärin“, 28. Februar 2003. 87 Vergleiche Austria Presse Agentur, „FPÖ/BZÖ: Bleckmann tritt dem orangen Bündnis bei“, 23. April 2005. 88 Vergleiche Kleine Zeitung, „Koalitions-Baby heißt Fritz Michael“, 28. Oktober 2004, Seite 22.. 89 Vergleiche Austria Presse Agentur, „Präsidenten-Wahl ‒ Bleckmann für Abschaffung des Bundespräsidenten“, 2. Jänner 2004. 90 Vergleiche Austria Presse Agentur, „Wahl: FP-Bleckmann hält Frauenministerium für ‚nicht notwendig’“, 6. No- vember 2002. 91 Vergleiche Austria Presse Agentur, „FPÖ/BZÖ: Bleckmann tritt dem orangen Bündnis bei“, 23. April 2005. 92 Vergleiche Kleine Zeitung, „Magda Bleckmann“, 19. August 2007, Seite 22. 93 Vergleiche Austria Presse Agentur. „30-jährige Juristin wurde LH-Büroleiterin in der Grazer Burg“, 4. Jänner 2002. 94 Vergleiche KURIER, „Klasnics Büroleiterin wird Landesrätin“, 31. März 2003, Seite 10. 95 Vergleiche Kleine Zeitung, „Entscheidung in einem Tag“, 31. März 2993, Seite 13; Austria Presse Agentur, „Kris- tina Edlinger-Ploder: Juristin und 2-fache Mutter als Landesrätin“, 30. März 2003; Kleine Zeitung, „Eigener Weg nicht ideal für alle“, 2. April 2003, Seite 21. 96 Vergleiche Stenographischer Bericht, 41. Sitzung des Steiermärkischen Landtages, XIV. Gesetzgebungsperiode, 8. April 2003, Seite 13.

73 Politikerin? Und was machen Sie dann mit Ihren Kindern? - Elisabeth Holzer

97 Vergleiche Stenographischer Bericht, 41. Sitzung des Steiermärkischen Landtages, XIV. Gesetzgebungsperiode, 8. April 2003, Seite 14. 98 Vergleiche Kleine Zeitung, „Bin für Aufnahmeprüfungen“, 11. April 2003, Seite 18. 99 Vergleiche Die Presse, „Bürgerliche Selbstvernichtung“, 3. Oktober 2005. 100 Vergleiche Kleine Zeitung, „Ein farbiger Auftritt ohne bunten Akzent“, 17. November 2004, Seite 16. 101 Ebenda. 102 Vergleiche KURIER, „VP-Edlinger unter Beschuss“, 6. Juli 2004, Seite 8. 103 Ebenda. 104 Vergleiche Kleine Zeitung, „ÖVP kommt beim Personal unter Druck“, 16. Dezember 2006, Seite 7. 105 Vergleiche Kleine Zeitung, „Homo-Ehe: Steirische VP für Standesamt“, 10. April 2008, Seite 26. 106 Vergleiche KURIER, „Vor der Gesamtschule muss man keine Angst haben“, 10. Mai 2007, Seite 3. 107 Vergleiche Kleine Zeitung, „Unbekannte Juristin startet in SPÖ durch“, 29. August 2005, Seite 14. 108 Vergleiche Kleine Zeitung, „Eine Quereinsteigerin bei der SP“, 29. August 2005, Seite 14. 109 Vergleiche KURIER, „Ich bin das unbeschriebene Blatt“, 29. August 2008, Seite 10. 110 Vergleiche Kleine Zeitung, „Eine Quereinsteigerin bei der SP“, 29. August 2008, Seite 14. 111 Vergleiche KURIER, „Ich bin das unbeschriebene Blatt“, 29. August 2005, Seite 10. 112 Vergleiche Austria Presse Agentur, „100 Tage SPÖ-Regierung in der Steiermark“, 1. Februar 2006. 113 Vergleiche Kleine Zeitung, „Trotz Bemühens viele Hoppalas“, 7. Juli 2006, Seite 15. 114 Vergleiche KURIER, „Landesrätin versucht sich ‚auf die leise Art’ an der Politik“, 9. März 2006, Seite 11. 115 Vergleiche Franz Voves/Wolfgang Messner (Hg.), „Gestatten: PolitikerIn“. Persönliches, Programmatisches, Visi- onäres, Graz, 2007, Seite 152, 116 Vergleiche Austria Presse Agentur, „In steirischer FH Joanneum steht gröberer Umbau bevor“, 12. September 2007. 117 Vergleiche KURIER, „Finsteres Mittelalter“, 15. September 2007, Seite 14. 118 Vergleiche ORF-Online, steiermark.orf.at, „Grüne werfen Vollath Dilettantismus vor“, 18. September 2007. 119 Vergleiche KURIER, „FH Joanneum: Machtwort von Voves“, 18. September 2007, Seite 11. 120 Vergleiche Austria Presse Agentur, „Design- und Journalismus-Studiengänge bleiben in Graz“, 17. September 2007. 121 Vergleiche Kleine Zeitung, „Alles andere als ein Schnellschuss“, 2. September 2008, Seite 16. 122 Vergleiche DieStandard.at, „Mama, weißt eh: Küssen dürft ihr nicht“, 2. September 2007, http://diestandard. at/druck/id=3011905, Version vom 2. November 2008. 123 Vergleiche KURIER, „Grüne Vizebürgermeisterin erst im vierten Anlauf gewählt“, 15. März 2008, Seite 16. 124 Vergleiche DieStandard.at, „Mama, weißt eh: Küssen dürft ihr nicht“, 2. September 2007, http://diestandard. at/druck/id=3011905, Version vom 2. November 2008. 125 Vergleiche www.lisaruecker.at/blog_lisa/offentliches-leben-privat-und-politisch, 1. Februar 2008. 126 Ebenda. 127 Vergleiche Kleine Zeitung, „Nicht im grünen Bereich“, 6. März 2007, Seite 25. 128 Vergleiche Austria Presse Agentur, „Grüne küren Kandidaten für Graz-Wahl 08“, 24. März 2007. 129 Vergleiche Kleine Zeitung, „Grüne Rücker startet das Projekt Bürgermeisterin“, 11. November 2007, Seite 43. 130 Vergleiche KURIER, „Wird nicht als Erfolg gesehen“, 19. Dezember 2007, Seite 12. 131 Vergleiche Austria Presse Agentur, „Graz-Wahl: Grünen gelang mit neuer Frontfrau Sprung in die Stadtregie- rung“, 20. Jänner 2008. 132 Vergleiche KURIER, „Das Projekt macht Schule“, 4. März 2008, Seite 2. 133 Vergleiche Austria Presse Agentur, „Schwarz-grüne Koalition in Graz unterschrieben“, 3. März 2008. 134 Vergleiche Austria Presse Agentur, „Erste schwarz-grüne Bilanz in Graz“, 13. Juni 2008. 135 Vergleiche KURIER, „Wir sind kein absoluter Zwilling“, 29. August 2008, Seite 12. 136 Hans Rauscher, Waltraud Klasnic: Eine Frau neuen Stils an der Spitze der Steiermark (Wien, 2000), verkürzt zitiert als Rauscher, Waltraud Klasnic, Seite 182 f.

74 Trautl Brandstaller

Amputierte Demokratie Jede Krise trifft die Frauen stärker als die Männer

Die Gesundheit am Arbeitsplatz ‒ eine formalen Quotenrege- „alte Dame“ im Wandel? Tatsächlich: lungen, auf der Stre- Bis vor kurzer Zeit noch galten Blut- cke. Zusätzlich führt auch das Erstarken druckmessen, Cholesterinbestimmung rechter Parteien mit ihrem antiquierten und das Untersuchen der Wirbelsäule Frauenbild und ihren männerbündischen als Fundamente einer konsequenten Strukturen zum Rückgang der Zahl weib- Vorsorge für die Mitarbeiter. Doch die licher Abgeordneter. Dass bei der Zusam- raschlebige Zeit, das Immerweiter, Im- mensetzung der Regierung inzwischen merschneller, Immerhöher fordert Tri- auf ein zahlenmäßiges Gleichgewicht ge- but. Jetzt gilt es, vor allem der Psyche achtet wird, dient eher der Optik als der re- zu helfen. alen Machtverteilung. Im Zweifel bleiben die Frauen noch immer in den offiziellen Die derzeitige Wirtschaftskrise schafft „Frauennischen“ ‒ Bildung und Gesund- mehr Frauenarbeitsplätze als Männerar- heit ‒, Männer behalten sich die „großen beitsplätze ab ‒ die Frauen saßen schon Themen“ ‒ Wirtschaft und Finanzen ‒ vor. vor der Krise auf den weniger stabilen, 90 Jahre nach der Einführung des Wahl- schlechter bezahlten Arbeitsplätzen. rechts für Frauen bleibt das Thema der Im letzten Gender-Bericht der EU wur- Frauen in der Politik unvermindert aktu- de Österreich massiv kritisiert ‒ die Ein- ell. Fast hundert Jahre lang wurde diese kommensschere zwischen Männern und Frage unter rein quantitativen Aspekten Frauen sei weiter auseinandergegangen, gestellt und darüber die qualitative Fra- die Zahl der Frauen in Spitzenpositionen ge vernachlässigt. Ändert die Beteiligung habe abgenommen. Der Vorstoß der neu- von Frauen die Politik? Gibt es Inhalte, en Frauenministerin, nach dem Beispiel die nur Frauen in die Politik einbringen? Norwegens eine gesetzliche Frauenquote Ändert eine höhere Anzahl von politisch für die Aufsichtsräte großer Unternehmen engagierten Frauen die Methoden, den einzuführen, wurde vom Wirtschaftsmi- Stil der Politik? nister postwendend abgeschmettert. Fragen, die an den Kern der Geschlech- Auch in der Politik verlieren die Frauen terproblematik gehen, Fragen, die tief in am schnellsten ihre Arbeitsplätze. Wenn die Debatte von Emanzipation und Dif- die Mandate knapper werden, wenn der ferenz, von biologischen und kulturell Kampf um jedes einzelne Mandat hefti- geprägten Unterschieden, von revoluti- ger wird, bleiben die Frauen, trotz aller onärer und evolutionärer Veränderung

75 Amputierte Demokratie - Trautl Brandstaller

in der Beziehung zwischen Frauen und weitgehend verloren gegangen: Ohne die- Männern hineinreichen. Der Feminismus sen utopischen Überschuss aber sind poli- hat auf diese schwerwiegenden Fragen tische Veränderungen schwer möglich. nicht immer eindeutige Antworten gelie- Von der utopischen Energie der frauenbe- fert, je nach der allgemeinen politischen wegten siebziger Jahre zehren noch heu- Stimmungslage, aber auch der jeweiligen te jene Frauen, die ihren Weg in die Politik gesellschaftlichen Orientierung der Frau- genommen haben ‒ wie Hillary Clinton, enbewegung gingen die Antworten in die zwar nicht erste US-Präsidentin ge- verschiedene Richtungen. worden ist, aber als Außenministerin die wohl mächtigste Frau der Welt sein wird. Austausch der Werte Ihre Rede auf der Weltfrauenkonferenz in Als ich 1979 die französische Philosophin Peking 1995 trug wesentlich dazu bei, die Simone de Beauvoir, die mit ihrem Buch Frauenbewegung zu globalisieren. „Ich „Das andere Geschlecht“ die Bibel der glaube, dass mit dem Beginn des neuen neueren Frauenbewegung geschrieben Jahrtausends der Zeitpunkt gekommen hat, zum Thema „männliche“ und „weib- ist, unser Schweigen zu brechen. Es ist an liche“ Werte befragte, plädierte sie für der Zeit, dass wir hier in Peking für alle Welt einen „Austausch der Werte“: „Es muss hörbar sagen, dass es nicht länger akzep- einen Austausch der Werte geben, der tabel ist, die Frauenrechte von den Men- Werte, die durch und in der Unterdrü- schenrechten zu trennen. Die Geschichte ckung erworben werden ‒ denn es gibt der Frau ist zu lange eine Geschichte des ohne Zweifel Werte, die ein menschliches Schweigens gewesen. Und selbst heu- Wesen durch Unterdrückung erwirbt te gibt es noch Personen, die uns zum ‒, und den Werten der Unterdrücker. Z.B. Schweigen bringen wollen... Die Botschaft müssen die weibliche Geduld und der der Teilnehmerinnen dieser Konferenz weibliche Sinn für Humor erhalten blei- muss laut und deutlich vernehmbar sein: ben. Aber gleichzeitig müssen die Frauen Ein Baby verhungern zu lassen, es zu er- von den Männern deren Möglichkeit zu tränken oder seine Knochen zu brechen, Aggression und Initiative übernehmen. nur weil es als Mädchen zur Welt gekom- Erst diese Einheit, dieses Ensemble männ- men ist, bedeutet, ein Menschenrecht zu licher und weiblicher Werte wird die neue verletzen. Eine Frau oder ein Mädchen als Menschheit ausmachen, wenn es je eine Sklavin zu verkaufen oder zur Prostituti- neue Menschheit geben sollte.“ on zu zwingen, bedeutet, ein Menschen- Der Schuss Utopie, den Simone de Beau- recht zu verletzen. Eine Frau mit Benzin zu voir der Frauenbewegung damals attes- übergießen oder zu verbrennen, weil ihre tierte, ist in den letzten dreißig Jahren, Mitgift als unzureichend betrachtet wird, wie auch in anderen Bereichen der Politik, bedeutet, ein Menschenrecht zu verlet-

76 Amputierte Demokratie - Trautl Brandstaller zen. Eine Frau innerhalb der Gemeinde wirkliche Demokratie ohne volle Gleich- der Vergewaltigung preiszugeben, die berechtigung der Frauen gibt, diese Er- Vergewaltigung tausender Frauen als kenntnis hat sich inzwischen weltweit Kriegstaktik einzusetzen oder Soldaten durchgesetzt. Und jede politische Bewe- wehrlose Frauen als Trophäe zu über- gung, die sich gegen die Gleichberech- lassen, bedeutet, ein Menschenrecht zu tigung der Frauen wendet, wird heute verletzen. Wenn zu den häufigsten To- auch offiziell als rückschrittlich und gegen desursachen bei Frauen zwischen 14 und die Menschenrechte gerichtet eingestuft. 44 Jahren die Gewalt zählt, die ihnen in Wenn der Islamismus heute den Frauen ihrem Heim von ihren eigenen Verwand- das Recht auf Bildung und Zugang zu öf- ten angetan wird, bedeutet dies, dass ein fentlichen Ämtern verwehren will, erweist Menschenrecht verletzt wird. Ein junges er sich als reaktionäre Kraft. Welches Ar- Mädchen der schmerzhaften und ernied- mutszeugnis für das Taliban-Regime in rigenden Verstümmelung der Genitalien Afghanistan, wenn es den Mädchen, wie auszusetzen, bedeutet, ein Menschen- im Dezember 2008 verlautete, den Zu- recht zu verletzen. Einer Frau das Recht gang zur Schule verbietet. auf Familienplanung vorzuenthalten, be- In allen Entwicklungsländern erweisen deutet, ein Menschenrecht zu verletzen. sich heute die Frauen als die wichtigsten Und dies schließt erzwungene Abtreibun- Trägerinnen der Zivilgesellschaft. Aktiv gen und Zwangssterilisationen ein. Wenn in sozialen Vereinen, in Menschenrechts- diese Konferenz eine Botschaft aussendet, organisationen, in Bürgerinitiativen aller so sollte es die sein, dass Menschenrechte Art, sind sie für die Zivilgesellschaft un- Frauenrechte sind und dass Frauenrechte verzichtbar. In Krisen- und Kriegsgebie- Menschenrechte sind.“ ten kann die Gesellschaft nur durch das Hillary Clintons Rede wurde zu einer Art Engagement der Frauen in Bildung und Verständigungstext für die Frauen in aller Gesundheitsdienst überleben. Verhand- Welt; vor allem für die Frauen in Afrika, lungen und Friedensgespräche sind heu- China und Indien eröffnete sie die Chance te ohne die Einbindung von Frauen und einer Solidarisierung zwischen den Frau- Frauenorganisationen kaum denkbar. en in den hochentwickelten Industriege- Und ohne den Aufbau und die Infrastruk- sellschaften, den Schwellenländern und tur einer zivilen Gesellschaft wird jeder den armen Ländern des Südens. Versuch, Demokratie aufzubauen, schei- tern ‒ was übrigens nicht nur für Entwick- Die Globalisierung der Frauenbewegung lungsländer, sondern auch für unsere ent- ist ein Phänomen des 21. Jahrhunderts wickelten Gesellschaften gilt. Dass es keinen gesellschaftlichen Fort- Manche Frauenforscherinnen propagie- schritt, keine Menschenrechte und keine ren die Idee, es liege an den Frauen, „die

77 Amputierte Demokratie - Trautl Brandstaller

Welt zu erlösen“, manche erhoffen sich der Menschenrechte formuliert wurde. von einem „neuen Matriarchat“ die Lö- Die Teilhabe von fachlich qualifizierten sung aller Weltprobleme ‒ ein Rückfall in und kompetenten Frauen wohlgemerkt, ideologisches Denken, der ebenso zu kri- die es seit etwa dreißig Jahren in allen tisieren ist wie das Festhalten am Patriar- Fächern und Disziplinen gibt. Fehlende chat und an patriarchalischen Strukturen. Kompetenz kann daher heute nicht mehr Weder das alte Patriarchat, so hartnäckig als Ausrede herhalten. es sich auch noch in vielen Strukturen von Erst die volle Teilhabe der Frauen an der Politik und Wirtschaft hält, noch ein neu- Macht auf allen Ebenen ‒ von der Gemein- es Matriarchat führen die Menschheit an de über das Land bis zu den überregiona- neue Ufer. Nur eine gelebte Partnerschaft len und internationalen Organisationen kann Lösungen liefern, Partnerschaft auf macht die Demokratie aus einer halben allen Ebenen. Bislang wird die Partner- zu einer vollen Demokratie. Solange die schaft nur für den privaten Bereich pro- Macht nur von Männern ausgeübt wird, pagiert. Im öffentlichen Leben überneh- solange die Hälfte der Bevölkerung von men die Frauen immer noch die Rolle der der Macht ausgeschlossen wird, bleibt Bittstellerinnen, die Jahr für Jahr gleiche die Demokratie eine Karikatur ihrer selbst, Rechte, gleichen Anteil an der Macht ein- amputiert, unvollendet, eine halbe Sache. fordern. In der Politik ist man von Partner- Die Demokratie muss auf zwei Beinen schaft noch weit entfernt. stehen ‒ Männer und Frauen in gelebter Festzuhalten bleibt: Frauen sind weder Partnerschaft. Wichtigster und zukunfts- die besseren Menschen noch die besse- trächtigster Aspekt der vollen Teilhabe ren Politiker. Die Beteiligung von Frauen der Frauen an der Macht ist „der andere ist daher auch noch keine Garantie für Blick“ der Frauen auf gesellschaftliche Re- bessere Politik. Solange Frauen als Einzel- alitäten. kämpferinnen oder Teil einer kleinen Min- Der andere Blick derheit agieren, geraten sie immer wieder in Gefahr, männliche Verhaltensmuster zu „Es ist kein Zufall“, schrieb ich in mei- imitieren, sozusagen „die besseren Män- nem Buch „Die neue Macht der Frauen“, ner“ in der Politik (z.B. Margaret Thatcher!) „dass im klassischen griechischen Drama zu werden. die Frauen nicht nur Opfer und Objekte Was also kann die volle Teilhabe der männlicher Macht sind; immer wieder Frauen an der Macht, der gesellschaft- übernehmen sie die Rolle der Kriegsgeg- lichen, wirtschaftlichen und politischen nerinnen und Hüterinnen der Menschen- Macht ändern? Zunächst ist die Teilhabe rechte. Frauen wollen mit ihren ‚Waffen’, von Frauen ein elementares Erfordernis wie Lysistrata mit sexueller Verweigerung, der Gleichheit, wie sie in der Erklärung den Frieden erzwingen. Frauen kämpfen

78 Amputierte Demokratie - Trautl Brandstaller wie Antigone, die gegen königliche Wei- schiede geht es ihr, sondern um kulturell sung ihren Bruder begräbt, für elementare erworbene Fähigkeiten, die durch die tra- Menschenrechte. Frieden und Menschen- ditionelle patriarchalische Arbeitsteilung rechte bestimmen den anderen Blick. In zwischen Mann und Frau über Jahrhun- der Populärwissenschaft heißt das dann derte hinweg ausgeprägt wurden, die ‚Männer sind vom Mars, Frauen von der aber durch Aufhebung der strengen Ar- Venus‘. Aber wie in jedem Klischee steckt beitsteilung auf beide Geschlechter über- auch im Klischee der ‚friedfertigen Frau‘ tragen werden können. ein Körnchen Wahrheit.“ Biologisch angelegt bleibt der Bezug der Ganz ähnlich argumentierte die deutsche Frauen zu neuem Leben. Schonender, Psychoanalytikerin Margarete Mitscher- fürsorglicher Umgang mit Kindern bleibt lich in ihrem Buch „Die friedfertige Frau“ eine „natürliche“ Qualität von Frauen. (1985): „Den Frauen fällt eine besonders Dass aber auch Männer mit der neuen wichtige Aufgabe zu: Sie, die immer Un- Anforderung, sich an der Erziehung der terdrückten, scheinen zunehmend ein Kinder zu beteiligen, solche Qualitäten Gespür für alte und neue Formen der erwerben können, haben unzählige Stu- Unterdrückung zu haben, für die Unter- dien und vor allem die neue gesellschaft- drückung durch Technokraten und Spe- liche Praxis erwiesen. Hier ist ‒ zumindest zialisten, für die Unterdrückung durch in Europa ‒ eine „soziokulturelle Revoluti- Hochtheoretiker und Wissenszauber- on“ in Gang gekommen, wie es die fran- künstler, für all diese modernen verbalen zösische Philosophin Elisabeth Badinter Verschleierungsmanöver, hinter denen genannt hat. die Realität verschwindet.“ Und in einem Beziehung zu neuem Leben inkludiert „Spiegel“-Interview aus dem Jahr 2007 auch Beziehung zu Natur und Ökologie. präzisierte Mitscherlich die Notwendig- Die ökologische Verantwortung der Frau- keit dieses „anderen Blicks“: „Jede Gesell- en ist in der Regel stärker ausgeprägt als schaft braucht in ihren Spitzenpositionen die der Männer, die in ihren jahrhunderte Qualitäten, die Frauen über Jahrhunder- langen Domänen der Technik und Indus- te eingeübt haben: zuhören, mitfühlen, trialisierung der Welt gefangen sind. Der mütterlich beschützen“. von Beauvoir geforderte Austausch der Wer hier meint, die Psychoanalytikerin Werte ist hier besonders notwendig. Im rekurriere damit einfach auf klassisch-bi- Übrigen scheint es auch kein Zufall, dass ologistische Geschlechtsunterschiede, in den grünen Parteien die Frauen von verkennt Margarete Mitscherlich, eine Anfang an gleich stark vertreten waren der engagiertesten Vorkämpferinnen der wie die Männer. Emanzipation im deutschen Sprachraum. Frauen sind dank ihrer langen Verdrän- Nicht um angeborene, genetische Unter- gung aus dem öffentlichen Raum sen-

79 Amputierte Demokratie - Trautl Brandstaller

sibilisiert für soziale Beziehungen. Ohne Raum eröffnet Möglichkeiten, neue The- Macht gestaltet sich der Umgang mit Mit- men auf die politische Agenda zu setzen menschen reibungsfreier, Organisations- und die Demokratie insgesamt zu er- und Managementtalent im Umgang mit neuern. Die wirtschaftliche Krise, die die Familie und Nachbarn sind besser ausge- Grundlagen der westlichen Demokratie bildet. Soziale Empathie ist eine positive zu zerstören droht, die Kriegsgefahren im Folge des Ausschlusses von der Macht. Mittleren und Nahen Osten, auf die weder Wer nicht im Netzwerk der Macht verfan- die USA noch Europa derzeit eine über- gen ist, reagiert insgesamt hellhöriger auf zeugende Antwort anzubieten haben, Krisensymptome und beginnende Fehl- und der drohende Klimakollaps fordern entwicklungen. Während in den Entwick- von allen mehr politische Kreativität und lungsländern die Frauen als aktive Mitglie- mehr soziale Phantasie, als sie die derzei- der der Zivilgesellschaft die notwendigen tigen Machthaber aufbringen. Voraussetzungen für den Aufbau der Chancen nutzen Demokratie schaffen, sind sie in den ent- wickelten Gesellschaften des Westens, in „Die volle Teilhabe der Frauen an der den USA und Europa, wacher und emp- politischen Macht“, so die Schlussworte findlicher für die Krisenerscheinungen meines schon zitierten Buches, „ist auch der westlichen Demokratie. Die wach- eine Chance, neue Prioritäten und neue sende Entfremdung zwischen Regierung Werte in den entwickelten Staaten sowie und Regierten, zwischen der politischen den Schwellen- und Entwicklungsländern Klasse und den Bürgern, wird von jenen, durchzusetzen. Eine Chance für die ‚Neu- die im öffentlichen Raum unzureichend erfindung der Weltgesellschaft’, d.h. für vertreten sind, früher und stärker wahr- die Revolutionierung unseres Konsum- genommen. Die Teilhabe der Frauen auf und Energieverhaltens, unserer Ernäh- allen Ebenen der Politik, das Einbringen rungs- und Wohngewohnheiten, unserer des „anderen Blicks“, eines anderen Zu- Arbeits- und Verkehrsverhältnisse, wie sie gangs zur gesellschaftlichen Realität ist, die meisten Wissenschaftler angesichts wie gesagt, noch keine Garantie für eine der Lage des Planeten für notwendig hal- bessere Politik. Aber das Ende der männ- ten. Die volle Teilhabe der Frauen an der lichen Vorherrschaft, das Ende der Politik politischen Macht könnte einen Beitrag als männliche Domäne ist eine Chance für dazu leisten. Sie ist eine Chance für die eine solche bessere Politik. Änderung der politischen Agenda. Und Eine neue Partnerschaft von Frauen und jede Chance in diesen unruhigen Zeiten Männern im privaten wie im öffentlichen ist es wert, genutzt zu werden.“ 

80 Heidrun Silhavy

Wir Frauen müssen Chancen nützen

Einleitend möchte ich meine persönli- Es geht aber gerade che Motivation, politisch aktiv zu sein, darum, Machtpositi- kurz darstellen. Einerseits sind da die onen für strukturelle Veränderungen zu Grundwerte eines solidarischen Ge- nutzen. Gioconda Belli schreibt in dem sellschaftsmodells, die mich ‒ bereits Buch „Bewohnte Frau“: „Ich hatte einen in jungen Jahren ‒ von der SPÖ über- Körper der fähig war, Leben zu schen- zeugt haben. Andererseits geht es mir ken und den Schmerz der Geburt zu er- darum, den Gleichheitsaspekt unter tragen. Ich verstand es, zu kämpfen, war dem erlebten Frauendasein immer ihnen ebenbürtig mit Pfeil und Bogen wieder einer Überprüfung zu unterzie- und konnte außerdem kochen und ih- hen ‒ und damit auch politische Forde- nen in den Nächten der Feste vortanzen. rungen zu erheben, um gesellschaftli- Doch sie schienen diese Dinge nicht sehr che Veränderungen zu erreichen. zu schätzen. Sie ließen mich außer acht, wenn es um die Zukunft ging oder dar- Für mich zählt Frau in der Politik nicht als um, Entscheidungen über Leben und Tod biologisches Faktum, sondern als gesell- zu fällen. Und alles wegen dieser kleinen schaftlicher Wert. Darum halte ich auch Mulde, dieser klopfenden Blume von der Statistiken für nur bedingt aussagekräftig, Farbe einer Nispero-Frucht, die ich zwi- da sie üblicherweise nur über die Vertei- schen den Beinen trug.“ Bis zu einem ge- lung der Geschlechter im biologischen wissen Grad ist dieses Zitat noch immer Sinn Auskunft geben. Ich wurde schon aktuell. oft gefragt, ob es mir nicht zu denken Heute gibt es viele Frauen, die auf Grund gäbe, dass Frauen aus konservativen Par- ihrer Ausbildung durchaus entsprechen- teien häufig schon früher hohe Funkti- de Berufskarrieren und Aufstiegschancen onen einnehmen, als Frauen in der SPÖ, vorfinden, aber dennoch nicht in jene Po- z.B. Landeshauptfrau. Ich bin ob dieser sitionen vordringen, wo sie tatsächliche Fragestellung immer wieder überrascht: Entscheidungsgewalt für Veränderungen Selbstverständlich ist es leichter in einem haben. Ein Beispiel dafür ist die Verteilung System eine höhere Funktion inne zu von GeschäftsführerInnenpositionen, 29 haben, wenn damit das System gestützt Frauen von gesamt 626 bzw. Aufsichts- wird und keine strukturellen Veränderun- ratsfunktionen in Unternehmungen, wo gen den geltenden Machtverhältnissen der Frauenanteil unter 9 % liegt (AK Stu- bedrohlich werden. die 2008). Selbst wenn all diesen Frauen

81 Wir Frauen müssen Chancen nützen - Heidrun Silhavy

ein frauenpolitisches Bewusstsein unter- frauenpolitisch unterschiedlichen Wer- stellt wird, zeigen die Zahlen deutlich, wie tehaltungen der Parteien, so wundert gering tatsächliche strukturelle Verände- es wenig, warum wir uns noch immer in rungen bei diesen Machtverhältnissen einer gesellschaftspolitischen Schieflage möglich sind. Auch wenn es zunehmend befinden. mehr selbstbewusste, emanzipierte Män- Frauenpolitische Blickwinkel ner gibt, die frauenpolitische Anliegen ganz oder oftmals zumindest partiell un- Als Vorteile von Frauen in der Politik terstützen, wird niemand uns frauenpoli- möchte ich meine Erfahrungen mit den tischen Frauen diese Aufgabe abnehmen, Bundesministerinnen und die Aufgabe, aufzuzeigen und Verände- einbringen. Beide hat- rungen zu wollen. ten in der vergangenen Legislaturperiode Insofern ist es eine bedeutsame Frage, zwei gesellschaftspolitisch wichtige Res- wie stark Frauen in den politischen Ent- sorts inne. Für beide war der frauenpoliti- scheidungsgremien präsent sind, auch sche Blickwinkel im Rahmen des politisch wenn nicht allen Frauen eine tatsächlich Umsetzbaren eine Selbstverständlichkeit. frauenemanzipatorische Haltung unter- Ob es um gendersensible Pädagogik, um stellt werden kann. Die Zahlen zeigen von Betreuungsformen oder auch um Mo- einem zähen und langwierigen Prozess, bilitätsfragen ging, in Claudia Schmied der immer wieder von Rückschlägen be- fand Frau eine Verbündete. Gleiches galt gleitet ist. für Maria Berger beispielsweise in allen So ist der Anteil von Bürgermeisterinnen Fragen zum Thema Gewaltschutz, Anti- bei 542 steirischen Gemeinden mit 22 diskriminierung, aber auch in Familien- unter 5 %. In der Steiermärkischen Lan- rechtsfragen. Ich möchte aber auch die desregierung sind 22 % und im Landtag Staatssekretärinnen Christine Marek, die 25 % Frauen. Im Nationalrat sind in der den Arbeitsbereich übertragen bekom- gegenwärtigen Gesetzgebungsperiode men hatte und Christa Kranzl, die im For- gerade 52 von 183 Abgeordneten Frauen. schungsbereich frauenpolitische Akzente Hier wurde überhaupt erst 1986 der 10 % setzte, hier durchaus als Bündnispartne- Anteil überschritten. Der bislang höchs- rinnen für Frauenanliegen hervorheben. te Frauenanteil wurde 2002 mit 33,9 % Mit der Verankerung eines nationalen Ak- erreicht, seither ist die Tendenz sinkend. tionsplans für Gleichstellung im aktuellen Im Bundesrat hingegen wurde schon frü- Regierungsprogramm und der Koordi- her ein 10 %-iger Vertretungsanteil durch nationsfunktion im Frauenministerium Frauen erreicht, jedoch konnte hier die sollte es erstmals gelingen, wirklich mess- 30 %-Hürde noch gar nicht überschrit- bare Standards zu erzielen und zugleich ten werden. Bedenkt man dazu noch die auch öffentlich auf Defizite und den dar-

82 Wir Frauen müssen Chancen nützen - Heidrun Silhavy aus resultierenden Handlungsbedarf hin- ge der Bewertungsqualität von den Beur- zuweisen. teilungsstandards ab, die zum Teil noch Besondere Herausforderungen im frau- erarbeitet werden und auch öffentlich enpolitischen Sinn gibt es zahlreiche. Bei- und transparent für die Bevölkerung sein spielsweise ist die Frage zu lösen, wie es müssen. Bis zu welchem Grad soll die Ver- nachhaltig gelingt, eine ‒ demokratiepo- festigung von Geschlechterstereotypen litisch unumstrittene ‒ Geschlechterpari- hingenommen werden, weil sie z.B. der tät in allen politisch relevanten Bereichen Armutsvermeidung dienen (z.B. Anrech- zu verankern. In der SPÖ gibt es eine „ver- nung von Kindererziehungszeiten in der bindliche Quote von 40 % des jeweilig Pensionsversicherung), also Reparatur- unterrepräsentierten Geschlechts“, deren maßnahmen für die Vergangenheit sind? Nichteinhaltung keinerlei Folgewirkung Wie können diese dennoch so gestaltet zeigt und damit de facto an Verbindlich- werden, dass Rollenzuschreibungen nicht keit verliert. Der Appell an vorhandenes in alle Ewigkeit fortgesetzt werden? Mit Unrechtbewusstsein ist jedenfalls kein diesen Fragen werden wir uns wohl noch probates Mittel zur Erreichung des vorge- eine Zeit lang auseinandersetzen müssen. gebenen Zieles. Gender-Budgeting kann, richtig definiert, wohl ein neues Hilfsmittel zur Beantwor- Strukturveränderung durch tung dieser Fragen sein. Gender-Mainstreaming? Zugleich gilt es auch, Widersprüche in Es fehlen noch die Erfahrungswerte, ob sich aufzulösen. Das Bekenntnis zu soli- es durch Gender-Mainstreaming gelingt, darischen Systemen ‒ beispielsweise in Strukturen tatsächlich so zu verändern, der Sozialgesetzgebung ‒ steht in der dass sie ein mehr an Geschlechtergerech- derzeitigen Gestaltung teilweise im Wi- tigkeit bedeuten. Besondere Bedeutung derspruch mit dem Wunsch nach indivi- kommt dabei meines Erachtens dem duellen Ansprüchen, die aus emanzipa- Gender-Budgeting zu. torischer Sicht wiederum erstrebenswert Die Beantwortung der Frage, wem kom- sind (z.B. Ausgleichzulagenrichtsatz in men welche Budgetausgaben zugute der Pensionsversicherung). Letztlich geht und wie wirkt sich dies auf Lebensum- es immer um Verteilungsfragen. Um die stände aus, scheint mir eine gute neue Verteilung von Macht, Geld, Sicherheit, Methode der Politikbewertung zu sein. Chancen usw. Wird mehr in strukturkonservative und Es geht daher auch um Fragen, wie ein damit in die Erhaltung geschlechtsstere- Sozialsystem finanziert wird und welche otyper Rollen investiert, oder werden die Ansprüche sich daraus für wen ergeben. Mittel für ein mehr an Chancengleichheit Primär geht es für Frauen aber um Ei- verwendet? Doch auch hier hängt die Fra- genständigkeit und ein selbstbestimm-

83 Wir Frauen müssen Chancen nützen - Heidrun Silhavy

tes Leben und damit unmittelbar um gesellschaftlich neue Chancen. Diversity die Erwerbsmöglichkeiten und Einkom- Managing und Social Response gelten als menschancen von Frauen. Es ist nahezu moderne Unternehmenskulturen, im All- unfassbar, dass wir uns nach wie vor mit tag von Frauen oftmals Selbstverständ- Themen wie Einkommensdiskriminierung lichkeiten. und Arbeitsmarktsegregation befassen Die Carnegie Mellon University berich- müssen. Dazu kommen neue Benachtei- tet über die positive Veränderung in der ligungen auch im Zusammenhang mit Studienkultur Informatik nachdem, als Migration, mangelnder Technikaffinität Ergebnis eines Frauenförderungspro- und neuem Analphabetismus. Dennoch gramms, der Frauenanteil auf 40 % ge- wirken immer ähnliche Mechanismen, hoben wurde. Ich bin überzeugt davon, die Frauen in Rollenstereotypen zwingen dass bei den immer komplexeren The- und damit Grundsteine der Diskriminie- men und Problemen unserer Gesellschaft rung legen. Es sind immer gesellschaft- die Fähigkeiten von Frauen in Politik und liche und auch strukturelle Bereiche, die der gesamten Gesellschaft immer stärker Frauen mehr gleiche Chancen einräumen gefragt sind. Meine Erfahrungen in Poli- oder eben benachteiligen. Darum ist es tik und Gesellschaft zeugen von einem so wichtig, dass Frauen sich in allen Berei- offenbar Parteigrenzen und Sozialstatus chen des Lebens und damit auch in der übergreifenden männlichen Grundkon- Politik aktiv einbringen und gestalten. sens hinsichtlich der Gestaltung unserer Wichtig sind auch Vorbilder und vor al- Gesellschaft, und dieser ist ein struktur- lem ist es unsere Aufgabe, Frauen dazu zu konservativer. Wir Frauen müssen aber befähigen, sich ihres Wertes bewusst zu die Chancen nutzen, um die Gesellschaft werden und zu sein. Immer dann, wenn auch im frauenpolitischen Sinn gerechter es an einigermaßen befähigten Männern zu gestalten. Das vor 90 Jahren durchge- mangelt, erlangen Frauen Positionen, die setzte Frauenwahlrecht gibt uns dafür ein ihnen sonst vorenthalten bleiben, auch demokratisch legitimiertes Machtinstru- wenn sie die besseren Fähigkeiten dafür ment! Wir Frauen müssen uns dieses In- haben. strumentes stärker bewusst sein, sowohl Zugleich bietet der ganzheitliche Zugang, als Wählerinnen als auch als Aufforderung den Frauen häufig haben, auch insgesamt selbst politisch aktiv zu werden. 

84 Beatrix Karl

Erfahrungen als „Frau in der Politik“

Meine Erfahrungen in der Politik dau- missverständlich wa- ern zwar noch nicht lange, sie sind aber ren etwa die Fragen, sehr positiv und ich möchte sie nicht ob wir jemals an einer Landtagssitzung missen. Den Weg in die Politik habe teilgenommen haben und was wir von ich nicht bewusst geplant, obwohl ich Quotenregelungen halten. Ich musste so- schon vor meinem aktiven (politischen) fort an eine Veranstaltung im Rahmen der Engagement an politischen Themen letzten Wahl für die Funktion des öster- sehr interessiert war. Wenn man Teil reichischen Bundespräsidenten im April der Zivilgesellschaft ist, kann man an 2004 denken, als die damalige Kandidatin solchen Themen eigentlich nicht unbe- Frau Dr. Benita Ferrero-Waldner vom Mo- rührt vorbeigehen. derator gleich zu Beginn gefragt wurde, nach welchen Kriterien sie in der Früh Ich wurde im Jahr 2005 vom steirischen ihre Kleidung auswählt. Dr. Ferrero-Wald- Landeshauptmann Waltraud Klasnic „in ner hat geantwortet: „Einem Mann hätten die Politik geholt.“ Sie hat mir angeboten, Sie diese Frage nicht gestellt.“ Wenn Frau für die damalige Landtagswahl zu kandi- Landeshauptmann Waltraud Klasnic Ende dieren und ich habe dieses Angebot sehr August 2005 fünf neue Männer als Kandi- gerne angenommen. Damit war ich eine daten für die Landtagswahl präsentiert der fünf neuen Kandidatinnen der Steiri- hätte, hätten die dort gestellten Fragen schen Volkspartei für die Landtagswahl wohl auch anders gelautet. 2005. Ende August 2005 hat Waltraud Wie auch immer, die Landtagswahl 2005 Klasnic Relly Niederl, Lisl Leitner, Barbara war für uns fünf „Neue“ leider nur mäßig Wolfgang-Krenn, Elisabeth Meixner und erfolgreich ‒ nur eine von uns hat den mich in einer Pressekonferenz präsentiert. Einzug in den Steiermärkischen Landtag Die Fragen, die wir dort von den Journa- geschafft. listen und der interessierten Öffentlich- Nachdem mich eingangs eine Frau in die keit gestellt bekamen, gingen vor allem in Politik geholt hat, war es in weiterer Folge zwei Richtungen: Zum einen, ob wir denn ein Mann, der mich unterstützt und ge- überhaupt wissen, was es bedeutet, die fördert hat. Herr Landeshauptmann-Stell- Funktion einer Landtagsabgeordneten vertreter Hermann Schützenhöfer hat mir auszuüben, und zum anderen, ob uns klar im Jahr 2006 die Möglichkeit geboten, für sei, dass wir wohl nur deshalb aufgestellt den Nationalrat zu kandidieren. Mit Ridi worden wären, weil wir Frauen sind. Un- Steibl, Barbara Riener, Adelheid Fürntrath

85 Erfahrungen als „Frau in der Politik“ - Beatrix Karl

und mir hat Hermann Schützenhöfer auf auf die geringe Zahl von Frauen in der der Landesliste der Steirischen Volkspar- Politik mit einer verpflichtenden Quote tei für die Nationratswahl 2006 insgesamt zu reagieren. Viel wichtiger ist es, Frauen, vier Frauen auf den ersten zehn Listen- die die nötige Eignung und Leistungsbe- plätzen positioniert. Das war damals ein reitschaft aufweisen, dazu zu ermutigen, Novum, das mit Erfolg belohnt wurde, in die Politik zu gehen und sie bei diesem denn wir vier haben alle den Einzug in den Schritt zu fördern und zu unterstützen, Österreichischen Nationalrat geschafft. wie es etwa Landeshauptmann-Stellver- Seit damals darf ich eine von vielen weib- treter Hermann Schützenhöfer und die lichen Interessenvertreterinnen „im Haus Frauenbewegung tun. Dies ist mutig und am Ring“ sein. verlässlich, und wird ‒ wie die Erfahrung zeigt ‒ von der Bevölkerung positiv auf- Ausgewogenes Geschlechterverhältnis genommen. Auch bei der letzten Nationalratswahl Die Vertretung der Interessen von Frau- 2008 hat Hermann Schützenhöfer bei en in der Politik ist nicht zuletzt deshalb der Listenerstellung auf ein ausgewo- wichtig, weil Männer und Frauen einen genes Geschlechterverhältnis geachtet. anderen Erfahrungshintergrund haben. Nur dadurch war es möglich, dass vier Diese unterschiedlichen Hintergründe der insgesamt neun steirischen Natio- sollen in den politischen Diskurs einge- nalratsabgeordneten Frauen sind. Damit bracht werden. Das bedeutet aber weder, hat Hermann Schützenhöfer sein bei der dass man sich als Frau zwangsläufig und Wahl zum Landesparteiobmann der Stei- ausschließlich frauenpolitischen Themen rischen Volkspartei gegebenes Verspre- widmen muss, noch, dass Frausein allein chen, sich für die Frauen einzusetzen, bis- genügt. her bei jeder Gelegenheit gehalten. Dies Frauenpolitik ist nicht Familienpolitik zeugt von Verlässlichkeit und Pakttreue, zwei für eine erfolgreiche Politik essenti- Ein nach wie vor bestehendes Defizit sehe elle Eigenschaften. ich darin, dass Frauenpolitik sehr häufig Dass die Unterstützung und Förderung mit Familienpolitik gleichgesetzt wird. von Frauen keineswegs selbstverständ- Dabei ist Frauenpolitik eine „Querschnitts- lich ist, zeigt ein kurzer Blick auf die Na- materie“, die in allen Lebensbereichen in tionalratsabgeordneten einiger anderer unterschiedlicher Ausprägung von Rele- Bundesländer. So sind etwa die Oberös- vanz ist. In diesem Sinne lässt sich ‒ dem terreichische und die Salzburger Volks- irischen Schriftsteller Oscar Wilde folgend partei im Österreichischen Nationalrat ‒ festhalten, dass „der wachsende Einfluss ausschließlich durch Männer vertreten. der Frauen das einzig Beruhigende an un- Verfehlt wäre es aber meines Erachtens, serem politischen Leben ist.“ 

86 Maria Mosbacher

Viele engagierte Frauen für die Politik

Ehrlich gesagt, wenn mich vor knapp Netzwerke knüpfen, 20 Jahren jemand gefragt hätte, ob ich kann zu Problemlö- in die Politik einsteigen will, ich hätte sungen beitragen und ich habe auch keine Antwort gewusst. Erstens, weil Gestaltungsmöglichkeiten. Menschen ich mit Politik an und für sich nichts zu zu motivieren, sie für eine Sache zu be- tun hatte ‒ ich ging wählen, ich kannte geistern, das empfinde ich immer wieder Kreisky und ich wusste, dass mein Va- als eine Herausforderung, die ich liebe. ter einmal Gemeinderat und Pensio- Wenn mich Leute fragen, wie ich alle nistenobmann war ‒ und zweitens, ich meine politischen Funktionen schaffe, hätte es mir nicht zugetraut. Begonnen dann antworte ich ihnen ganz einfach hat dann alles 1991, als ich zur Betriebs- „Ich mag die Menschen“. rätin gewählt wurde. Von da an wusste Es gibt auch Nachteile ich, du kannst gestalten, du kannst was bewegen. Selbstverständlich gibt es auch genug Nachteile, wenn man politisch tätig ist. So hat es sich dann ergeben, dass ich Ich habe ständig das Gefühl, dass ich der 1995 Gemeinderätin wurde. Von Anbe- Zeit hinterher renne, die Familie muss ginn habe ich mich in dieser Funktion des Öfteren auf mich verzichten, die wohl gefühlt, weil ich mit jungen und mit Freundschaftspflege wird schwierig und älteren Menschen zu tun habe. Ich be- für sich selbst hat man am wenigsten trachte es als Privileg, sich für Menschen Zeit. Oft macht sich auch Schlafmangel zu engagieren, sich mit Menschen in ih- bemerkbar, da einem ständig Gedanken ren unterschiedlichsten Prägungen, An- durch den Kopf schwirren, man fühlt sich sichten, Bedürfnissen etc. zu unterhalten, manchmal ausgelaugt und stressig (man zu diskutieren und ihnen bei Bedarf in ir- will ja alles perfekt machen ‒ Haushalt, gendeiner Form helfen zu können. Familie und Politik ‒ gelingt eh nicht) und man ist viel mit dem Auto unterwegs zu Rahmenbedingungen schaffen Sitzungen, Veranstaltungen. Als Kommunalpolitikerin kann ich ge- Man muss auch nein sagen können wiss keine Berge versetzen, aber ich kann Rahmenbedingungen schaffen. Aber mit der Zeit lernt man damit umzu- Ich bekomme Informationen, die ich an- gehen, und es gelingt mir schon des Öfte- sonsten nicht erhalten würde, ich kann ren auch „NEIN“ zu sagen.

87 Viele engagierte Frauen für die Politik - Maria Mosbacher

Neben den täglichen Herausforderungen Für die Zukunft wünsche ich mir, dass im politischen Alltag wird es immer mein Frauen selbstbewusster werden, um ihre Bestreben bleiben, mich für die Menschen Positionen, die ihnen zustehen, in der Ge- einzusetzen, die, wie auch immer, den sellschaft wahrzunehmen. Anforderungen unserer „jetzigen Gesell- Ich bin mir sicher, würden die Frauen schaft“ nicht mehr Folge leisten können mehr Selbstbewusstsein haben, würden und somit als nicht „gesellschaftsfähig“ sie mehr fordern und damit auch die gelten. Hier werde ich weiterhin versu- eigenen Wünsche mehr durchsetzen. chen, den Betroffenen konkret zu helfen. Daher ist es mein größter Wunsch, vie- Für mich ist es Verpflichtung, jedem Men- le engagierte Frauen für die Politik zu schen die nötige Wertschätzung entge- gewinnen. Vielleicht kann ich ein wenig gen zu bringen. Vorbild sein. 

88 Kristina Edlinger-Ploder

Ansichten und Einsichten... Nachdenken über Politik

Wir glauben zwar, Erfahrungen zu ma- möglichen gegriffen chen, aber die Erfahrungen machen worden wäre. Aber uns ‒ ein sehr schöner Satz, copyright der, der das tun kann, muss ein Führer bei Eugène Ionesco. Die wenigsten und nicht nur das, sondern auch - in ei- Akteure innerhalb der Staatsführung nem sehr schlichten Wortsinn - ein Held hatten schon als kleines Kind den über- sein. Und auch die, welche beides nicht zeugten Berufswunsch oder Willen in sind, müssen sich wappnen mit jener die Politik zu gehen. So war es auch Festigkeit des Herzens, die auch dem bei mir. Mein Ziel als Studentin war Scheitern aller Hoffnungen gewachsen Staatsanwältin zu werden, das zeigt: ist, jetzt schon, sonst werden sie nicht im- Ich wusste zwar was ich wollte, habe es stande sein, auch nur durchzusetzen, was aber schließlich nicht umgesetzt, denn heute möglich ist. Nur wer sicher ist, dass das Leben sendet oft Wege und Signa- er daran nicht zerbricht, wenn die Welt, le, die eine präzise Planung außen vor von seinem Standpunkt aus gesehen, zu lassen, und dabei kündigen sie natür- dumm oder zu gemein ist für das, was er lich auch nicht an, ob sie sich als Erfül- ihr bieten will, das er all dem gegenüber: lung oder als Albtraum zu entwickeln ‚dennoch‘ zu sagen vermag, nur der hat beabsichtigen. Vor solchen Weggabe- den ‚Beruf’ zur Politik.“ lungen stehen wir schließlich alle und Starke Frauen, starke Entscheidungen... alle immer öfter in einer schnelllebigen Zeit. Der erste Schritt auf dem Weg in die Poli- tik war eigentlich vielmehr ein Schubser. Zu meinem Zugang möchte ich an dieser Einer kurzen, zufälligen Begegnung mit Stelle aber noch Max Weber ins Treffen der damaligen Landeschefin Waltraud führen, der 1919 in seinem Essay „Politik Klasnic folgte bald ein längeres Einstel- als Beruf“ folgendes so treffend formulier- lungsgespräch und ich wurde in das Bü- te: „Die Politik bedeutet ein starkes lang- roteam der Grazer Burg aufgenommen. sames Bohren von harten Brettern mit Als Referentin für mehrere Bereiche u.a. Leidenschaft und Augenmaß zugleich. Es Europa, konnte ich erste Gehversuche ist ja durchaus richtig, und alle geschicht- im Rahmen von Verwalten und ja auch liche Erfahrung bestätigt es, dass man Gestalten unternehmen. Ich möchte gar das Mögliche nicht erreichte, wenn nicht nichts weich zeichnen, die An- und Her- immer wieder in der Welt nach dem Un- ausforderungen waren anfangs groß und

89 Ansichten und Einsichten... - Kristina Edlinger-Ploder

daher die Nächte vor dem Computer ent- einzige Möglichkeit ist, nicht dem Druck sprechend lang, jedoch daran wächst und des Perfektionismus zu unterliegen. Im lernt man, eben mit den Aufgaben. Die Laufe meines Lebens ist so viel Unvor- dabei antreibende Motivation und breite hergesehenes passiert, im Guten wie im Zuversicht war im Rückblick ganz sicher- Schlechten. Man lernt mit der Zeit Prio- lich das spürbare Vertrauen, einer starken ritäten zu treffen, und siehe da, die Welt Frau, die in mir schon viel mehr gesehen läuft weiter. Heute mache ich mir erst hat, als ich es mir selber zugetraut hätte. Sorgen, wenn die Situation es erfordert, Diese Lehrjahre waren intensiv und un- habe aber aufgehört, alle Unwägbarkei- vergesslich und heute sehe ich darin auch ten schon im Vorfeld beseitigen zu müs- ein Stück meiner Verantwortung: Vertrau- sen, oft treten diese nämlich gar nicht en einzusetzen damit Potential frei wer- ein. Abgesagte oder verschobene Termi- den kann. ne, die z.B. aufgrund der Krankheit eines Kindes entstanden sind, konnten immer Sturm und Drang... noch gelöst werden. Und es gibt immer Bekanntlich ist das Feld der Politik immer noch jemanden, der dir Hilfe anbietet, noch ein martialisches, wenig gegender- man muss sie nur annehmen. „Solvitur tes Gebiet. So habe ich selbstverständ- ambulando“ hat sich bei mir zu einem lich auch Erfahrungen gemacht, die eine Leitspruch entwickelt ‒ man könnte es junge Mutter von zwei Kindern schon in aber auch in einen Kalenderspruch ver- schlimme Momente bringen. Zurufe von wandeln ‒ es gibt immer ein Weiter ‒ ‚Kinder und Karriere, wie soll das gehen’ und morgen auch noch einen Tag. Wenn blieben demgemäß nicht aus. Aber in wir Frauen uns gegenseitig besserwis- welchem Beruf auch immer, habe ich für serisch beäugen im Hinblick darauf, wie mich die Lebensform sowohl-als-auch gut jede (andere) in ihrer, wie ich meine, und nicht entweder-oder gewählt. Das individuellen Rolle als Mutter zu sein hat, gesamte Geschlechterverhalten ist im vermögen wir die Gräben und gesell- Umbruch - muss neu definiert, aber vor schaftlichen Urteile nicht zu verändern. allem von der Gesellschaft auch akzep- Generalisierungen wie: ‚Eine Frau, die tiert und gelebt werden. Veränderun- Karriere macht, kann keine gute Mutter gen bringen Erwartungen mit sich ‒ die sein’ oder ‚Die Frau, die zu Hause bleibt, lassen sich nicht verordnen, reglemen- ist zu faul, sich in einem anderen Beruf tieren. Wir sollten daher die Wege für zu beweisen’ sind zu einfach, als dass es individuelle Lebenskonzepte unterstütz- sich Frau gefallen lassen muss. Kann Frau ten ‒ denn eine glückliche Ehe, Partner- nicht akzeptieren, dass beides gut sein schaft, Beziehung hat eben viele Gesich- kann und darf? Fest steht, die Mutter als ter und hoffentlich auch viele Kinder. Die Beziehungsanker und Auffangnetz ist

90 Ansichten und Einsichten... - Kristina Edlinger-Ploder nicht austauschbar, das Knüpfen dieser geführt, die anfangs zu vielen Zweifeln Knoten zu meinem Kind ist aber nicht Anlass gaben. Gegenstand von politischer oder finan- Rückblickend gesehen, waren gerade Her- zieller Verordnung, das gehört mir und ausforderungen gepaart mit durchaus po- meinen Kindern ganz alleine. sitiven Entwicklungen in diesen männlich dominierten Fachbereichen besonderes It‘s a man’s world...? angetan, Mut und Selbstvertrauen in der Begonnen hat meine politische Lauf- eigenen Arbeit zu finden. Es ist durchaus bahn mit einem Wunschressort ‒ Bil- auch eine persönliche Bereicherung, in dung, Familie, Frauen & Jugend. Aber Felder vorzudringen, die einem anfangs auch wenn die Arbeit und mancher nicht vertraut sind und gemeinsam mit Erfolg besonders waren, sind es doch dem Team der Verwaltung zu neuen Lö- immer wieder sehr emotionale Diskus- sungen zu kommen. sionen, die in Wahrheit an persönliche In meiner bisherigen Laufbahn habe ich Grenzen stößt, gerade wenn man diesen viel an Vertrauen und Chancen am Mit- Themen so verbunden ist. Die politische gestalten erfahren, die ich hoffentlich oft Realität hat mich in den weiteren Jahren zurückgeben kann, und es ist eine erfül- mit dem Finanzressort (2004) und seit lende Aufgabe, in der Landesregierung Ende 2005 mit Verkehr & Technik, Wis- des schönsten Landes der Welt arbeiten senschaft & Forschung in neue Gebiete zu dürfen. 

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Bettina Vollath

Warum Politiker nicht zuhören und Politikerinnen (sich) schlecht einparken Mitten aus dem Leben mitten in die Politik.

Bedenkzeit habe ich mir erbeten. Da- ses: der Wahlkampf. mals, im Sommer 2005, als mir der stei- Ein Wahlkampf für rische SPÖ-Vorsitzende Franz Voves eine neue Steiermark. Mit mir als der Frau das Angebot gemacht hat, in sein im SPÖ-Team. Aber auch ein Wahlkampf Team für die bevorstehende Landtags- gegen eine Frau, gegen Waltraud Klasnic, wahl zu wechseln. Das Angebot kam die erste weibliche Chefin eines Bundes- für mich völlig überraschend. Ich hatte landes unserer Republik. Eigentlich ja ein Franz Voves Jahre zuvor zuletzt getrof- Meilenstein, aber: Frau sein alleine ist be- fen und keinerlei Kontakt mehr zu ihm kanntlich noch kein Programm. Und Frau gehabt. Klasnic ließ sich ja ganz bewusst immer als „Landeshauptmann“ bezeichnen. Noch Ich bekam eine Woche Entscheidungsfrist heute sind weibliche Formen und Ämt- Ein positives Bauchgefühl war sofort da. erbezeichnungen in vielen Köpfen weiße Eine politisch denkende Frau war ich Flecken. Muss ich wirklich immer danken, schon lange. Aber ich war auch Rechts- wenn ich mit „Grüß Gott, Frau Landes- anwältin, seit meiner Scheidung vor rat“ begrüßt werde? Das war doch früher nunmehr acht Jahren alleinerziehende einmal die „Frau vom Landesrat“. Oder Mutter von drei Burschen, und Langewei- nimmt man(n) Frauen auch heute noch le war schon vor der politischen Karriere nicht ganz ernst in der Politik? Ist es nicht ein Fremdwort. Und dann ist es für eine komisch, wenn die Frau Redakteurin der Frau am Weg in die Politik eben absolut neben mir sitzenden „Frau Minister“ eine notwendig, einige wichtige Rahmenbe- Frage stellt? Ich warte noch darauf, dass dingungen zu klären. Vor allem als Mutter es irgendjemand einmal schafft, mich als von drei Kindern. Hätten mir meine Eltern „Frau Frauenlandesrat“ anzusprechen. nicht versprochen, mich bei diesem Schritt Tja, vielleicht doch ein zweifelhaftes Erbe zu unterstützen, wäre die Verantwortung der „Frau Landeshauptmann“... als Landesrätin bis heute unmöglich ver- „Gut, dass ich auf der anderen, der pro- einbar mit jener als Mutter. Eine Hürde, gressiven Seite der Gesellschaft stehe“, die manche männliche Kollegen leichter denkt sich die frisch gebackene Kandida- überwinden. tin, die designierte Landesrätin. Die So- Die erste Herausforderung in meinem zialdemokratie war Vorkämpferin für das neuen politischen Leben war gleich der Frauenwahlrecht, für Gleichberechtigung, Höhepunkt jedes demokratischen Prozes- für Emanzipation. Aber auch sozialdemo-

93 Warum Politiker nicht zuhören... - Bettina Vollath

kratische Köpfe können alte Denkmuster ser zuhören können als Männer ist ja auch in sich tragen. Genauso wie weibliche nicht mehr als ein Vorurteil. Köpfe. Da kann es mir schon einmal den Warum (sich) Politikerinnen schlecht Magen umdrehen, wenn die Moderatorin einparken! einer Wahlkampfveranstaltung die Basis mit dem Appell nach Hause schickt, die Dass mit dem Einparken und den Frauen Frauen mögen noch ordentlich bei den hingegen trifft in der Politik auf jeden Fall Lunchpaketen zugreifen, dann bräuchten zu. Zumindest, wenn man Einparken im sie daheim nichts kochen. Oder kennen Sinne von „sich seinen Platz sichern“ und sie den? „Wir“, sagt der aufgeschlosse- sich zu positionieren sieht. Frauen trauen ne Steirer, „haben daheim Halbe/Halbe: sich auch heute noch zu wenig zu. Vor al- Ich habe die Küche gekauft, meine Frau lem dort, wo es um die Spitzenpositionen kocht!“ Ja, ich bin gerne Frauenlandesrä- geht. In der Politik, in der Wissenschaft, in tin. Da gibt es noch genug zu tun in der der Wirtschaft. Oft ist es mir in den ver- Steiermark! gangenen Jahren so erschienen, als wür- den es geeignete Frauen gar nicht wagen, Warum Politiker nicht zuhören sich für Jobs zu bewerben, für die Männer In die Politik gehen Menschen, die etwas wie selbstverständlich vorstellig werden. zu sagen haben. Männer, die unsere Ge- Der Lichtblick der jüngeren Vergangen- sellschaft beeinflussen wollen. Zuhören heit: Endlich hat sich eine Frau als KAGES- gehört da nicht unbedingt zu den gro- Vorständin beworben ‒ und den Job dann ßen Stärken vieler „gelernter“ Politiker. auch prompt gekriegt! Ein Hoffnungs- Das fällt auf. Mir als Frau und als Quer- schimmer und ein positives Vorbild. Ge- einsteigerin. Als einer Politikerin, deren nauso wie ich mich für die vielen gut aus- Selbstverständnis es ist, ohne Vorurteile gebildeten und top-qualifizierten Frauen an Herausforderungen heranzugehen in unserem Land als Vorbild sehe, offensiv und anhand von sachlichen Argumenten in Männerdomänen vorzudringen. Denn die richtigen Lösungen zu entwickeln. Ir- meistens gibt es einfach schon bei den gendwo verliert man(n) im Durchlaufen weiblichen Bewerberinnen ein krasses der Stationen und Gremien, dem ständi- Missverhältnis zur Anzahl der Männer, die gen Wiederholen und Schärfen eigener ohne viel zu Zweifeln ihre Bewerbungs- Standpunkte diesen vorurteilsfreien Zu- unterlagen abschicken. Nach dem Motto: gang. Wohl auch die Lockerheit. Erleb- Was kann schon passieren? te Beispiele verkneife ich mir, es ist dies Wenn es für Frauen in der Politik Vorteile auch alles andere als ein Pauschalurteil. gibt, dann wahrscheinlich die Beißhem- Und beileibe keine Sache der männlichen mung, die bei vielen Männern gegenüber Politiker allein. Dass Frauen generell bes- einer Frau doch größer ist als gegenüber

94 Warum Politiker nicht zuhören... - Bettina Vollath einem Geschlechtsgenossen. Und ja, um- diskutiert. Gut, wenn wir keine anderen gekehrt kann frau, wenn sie denn will, Probleme hätten, dann wäre alles gut in mit einer kleinen Charmeoffensive doch unserem Land... Ich plädiere da ganz nüch- den einen oder anderen männlichen Kol- tern für mehr Lockerheit. Die gibt es in der legen um den Finger wickeln. Zur Politik Gesellschaft, von PolitikerInnen erwarten gehören eben auch Tricks, aber da ha- sich Menschen dann aber doch noch sehr ben Männer in all den Jahrhunderten ih- oft Konventionen, die viele selbst schon rer Dominanz doch noch ein, zwei mehr längst über Bord geworfen haben. entwickelt... Ohne Zweifel nützt Frauen Generell steht eine Frau in der Politik vor natürlich auch die weiterhin sehr ausge- den gleichen Herausforderungen wie prägte Höflichkeitsetikette in unserer Ge- jede berufstätige Frau. Doppel-, manch- sellschaft. „Darf ich Ihnen in den Mantel mal Dreifachbelastung ist gerade in einer helfen, Frau Landesrätin?...“ sehr fordernden Spitzenposition ein gro- Die Grenze da ist allerdings fließend, ßer Hemmschuh. Das Bild in vielen Köp- denn auch in der Position als Landesrätin fen ist da ein sehr einfaches: „Die verdient ist frau von Sexismus beileibe nicht ver- eh so viel, die zahlt sich halt einfach eine schont. Erlebnisse dieser Art werde ich Haushaltshilfe und ein Kindermädchen, aber frühestens nach meiner politischen und alles ist geritzt…“ Vielleicht ein logi- Karriere in schriftlicher Form preisgeben. sches Bild, wenn der Einblick fehlt. Aber Männer dürfen halt mehr, weil unsere Ge- in der Praxis schaut das dann doch etwas sellschaft eben noch immer eine ausge- anders aus. Da haben viele Männer Vor- prägte Autoritätsgläubigkeit gegenüber teile. Denn: „Hinter jedem starken Mann Männern hat ‒ eine Frau darf unglaublich steht eine starke Frau“, heißt es. Zumin- viel mehr beweisen, bevor sie als Autori- dest eine, die ihm, dem Politiker, den Rü- tät anerkannt wird. cken freihält, die Familie „schupft“ und Und männliche Politiker dürfen sich auf den Politiker Politiker sein lässt. Auf Frau- jeden Fall auch weniger beobachtet füh- en in der Politik trifft das weniger zu. Nach len als wir Frauen. Unsere Gesellschaft dem Job bin ich selbstverständlich auch legt sehr viel Wert auf Äußerlichkeiten. weiterhin für das Familienmanagement, Bei Frauen in viel höherem Maße als bei die Kinder und das Haus zuständig. Wenn Männern. Wann werden schon Kleidung, der Berufstag vorbei ist, ist zuhause noch Frisur oder Styling bei einem Mann kom- lange nicht Entspannung angesagt. mentiert? Ein kleines bisschen „Gerech- Was bringt die Zukunft? tigkeit“ scheint in diesem Bereich aber im Kommen zu sein: Im Sommer 2008 Auf jeden Fall noch viel mehr Frauen in wurde in den Medien immerhin über den der Politik. Wir sind schließlich über die Dreitagesbart des Landeshauptmannes Hälfte der Bevölkerung! Und dann brau-

95 Warum Politiker nicht zuhören... - Bettina Vollath

chen wir ein besseres Zusammenleben weil sie sich das Nachholen von formalen von allen Menschen in der Steiermark. Bildungsabschlüssen einfach nicht leisten Ganz geschlechterneutral. können. Sie müssen dazu ja zwei/drei Jah- Als Frauenlandesrätin gestalte ich diesen re finanziell „durchtauchen“ können ‒ was Weg entscheidend mit. Gender-Budge- oft unmöglich ist, wenn Kinder da sind. ting klingt sperrig, ist aber viel mehr als Was ich von unseren Männern in Zukunft ein Feigenblatt, das für frauenpolitisch einfordere, ist ehrliches Engagement bei engagierte Menschen gut klingt. In den der Kindererziehung. Wir brauchen neue kommenden Jahren werden wir eine ehr- Arbeitszeitmodelle, die Familien die Zeit liche Durchforstung des Budgets auf allen geben, die sie benötigen. Denn Familien Ebenen vorantreiben und damit sicher- brauchen vor allem Zeit! stellen, dass öffentliche Gelder wirklich Zu tun gibt es so viel in diesem Land, dass in gleichem Maße für die Interessen von ich auf jeden Fall sehr gerne eine „Frau in Frauen und Männern eingesetzt werden. der Politik“ bin. Ich möchte in einer Stei- Denn Budgets sind eben die in Zahlen ge- ermark leben, in der die gegenseitige gossenen Inhalte! Achtung, egal ob zwischen Männern und „Null Toleranz für Gewalt gegen Frauen“ Frauen, gegenüber Behinderten, gegen- ist mir ein zentrales Anliegen. Das ist auch über und unter MigrantInnen, zwischen in der Integration ein wichtiges Thema. Ost-, West- und ObersteirerInnen oder Religion oder kulturelle Sitten und Ge- GrazerInnen völlig selbstverständlich ist. bräuche dürfen nie Gewalt gegen Frauen Und ich baue an einer politisch offenen legitimieren. Das muss von allen respek- Steiermark mit: Wählen nicht nach Her- tiert werden, die in unserer Gesellschaft kunft, Familientradition oder beruflicher leben. Zugehörigkeit, sondern nach bewusstem Vor Jahren hat ein mittlerweile abgewähl- Auseinandersetzen mit den Lösungsan- ter Bundeskanzler einmal „Sparen, Sparen, sätzen der unterschiedlichen Parteien. Sparen“ zu seiner Maxime erklärt. Heute Und so, wie ich für die uns Frauen zuste- wissen wir es besser: „Bildung, Bildung, hende Anerkennung streite, würde ich Bildung“! Gerade für Frauen. Ich glaube, mir auch wieder mehr Anerkennung für bei den jungen Frauen schaut es ganz gut die Politik an sich wünschen. Dass politi- aus ‒ hier sind Frauen eher auf der Über- scher Streit nicht immer im negativen Sinn holspur. Aber Frauen, die schon aus dem gesehen wird, sondern dass in der Politik Grundbildungssystem heraußen sind, notwendigerweise Diskussionen geführt brauchen Chancen zum Nachholen von werden, dass um politische Standpunkte Basisbildung und leistbare Fortbildungs- gerungen wird. Denn das ist essentiell für möglichkeiten. Viele Frauen bleiben wei- jede Demokratie. Und für alle Frauen und ter schlechtbezahlte HilfsarbeiterInnen, Männer, die in ihr leben! 

96 Walburga Beutl

Mein Leben in der Politik

Nie hätte ich es mir träumen lassen, litisch aktive Frauen, dass mich mein erstes politisches Enga- aber das sind wir leider gement vor über 30 Jahren schlussend- auch heute noch nicht. lich an die Spitze des Landtags Steier- Nach über zehn Jahren Mitarbeit in der mark führen würde. Wenn ich darüber Bezirkspartei, in der Personalvertretung nachdenke, was mich damals bewogen und in der Landesleitung des Lehrerbun- hat, politisch aktiv zu werden, dann ist des zuletzt als Landesobfrau war ich dann die Motivation damals wie heute die- doch überrascht, als mich unsere spätere selbe: Ich kann nur dann etwas verän- Landeshauptfrau Waltraud Klasnic in die dern und verbessern, wenn ich aktiv Frauenbewegung holte. Damit hat für mitgestalte. Am Rande zu stehen und mich ein neuer politischer Abschnitt be- von außen zu kritisieren, reicht nicht. gonnen. Sozusagen über Nacht verant- wortlich für 18.000 Mitarbeiterinnen in Zu verbessern gab es damals einiges ‒ am 260 Ortsgruppen zu sein war schon eine Arbeitsplatz ebenso wie für Frauen und gewaltige Aufgabe. Auch hier galt, dass Familien. Also bin ich bereit gewesen, in das Hineinwachsen in so eine Funktion verschiedenen Funktionen und Aufgaben nur mit Hilfe und Unterstützung enga- mitzuarbeiten. Zuerst über den Lehrer- gierter Mitarbeiterinnen gelingen kann. bund in der beruflichen Interessensvertre- Als Landesleiterin einer Teilorganisation tung im Bezirk, später auf Landesebene. erhielt ich auch die Chance auf ein Man- Das war nicht immer einfach, neben Be- dat und durfte 1990 meinem Kollegen ruf und Familie die Zeit für Sitzungen, Ta- Harmtodt in den Landtag nachfolgen. gungen und Schulungen freizuschaufeln. Die große Herausforderung war in den Ohne die Unterstützung, das Verständnis folgenden Jahren zunächst eine organi- und den Rückhalt in der Familie wäre das satorische, denn es galt, sehr vieles unter nicht möglich gewesen. Aber man/frau einen Hut zu bringen: Im ganzen Land braucht auch Mentorinnen und Verbün- die 260 Ortsgruppen zu betreuen, eben- dete in der Kollegenschaft und in den di- falls landesweit für die Katastrophenhilfe versen Gremien. Diese Unterstützung hat- Österreichischer Frauen unterwegs zu te ich glücklicherweise, und es hat mich sein, in einem großen politischen Bezirk sehr motiviert, dass ich den Eindruck hatte, mit 55 Gemeinden präsent zu sein und die mein Engagement war willkommen. Auch Anliegen der Bürgermeister bzw. der Be- waren wir zu der Zeit nicht allzu viele po- völkerung der Region zu vertreten, nach

97 Mein Leben in der Politik - Walburga Beutl

wie vor beruflich 20 Wochenstunden ab- und spannend ist, die jeden Tag etwas zuleisten, ein Alten- und Pflegeheim der Neues bringt , den persönlichen Hori- Frauenbewegung in Graz zu leiten, im zont erweitert, eine Bereicherung mei- Landesschulrat vertreten zu sein und im nes Lebens, für die ich dankbar bin. Ganz Landtag in diversen Ausschüssen tätig besonders für die vielen Begegnungen zu sein. Dazu kamen Frauen-Initiativen, mit unterschiedlichen Menschen, denn eigene Veranstaltungen, Auslandskon- im Grunde sind sie es, die dem Leben takte, Wahlkämpfe, Sprechstunden. Der seinen Wert geben. Ich denke, das ist politische Alltag eben, der sehr fordernd für uns PolitikerInnen das wichtigste, ist und vor allem für Familie, Freunde und Menschen auf gleicher Augenhöhe zu Freizeit wenig Zeit übrig lässt. Dass eine begegnen, für ihre Anliegen und Sor- Frau immer auch extra auf dem Präsen- gen sensibel zu bleiben, aber auch für tierteller steht, kommt schon dazu. Einem Ihre Ideen und Vorschläge offen zu sein Mann wird ein zerknitterter Anzug und und immer wieder zu versuchen zu hel- eine schiefe Krawatte eher verziehen als fen. Vieles gelingt, nicht immer ist man einer Frau eine Laufmasche. Was ich auch erfolgreich, können Hoffnungen und An- lernen musste, war eine gewisse psychi- sprüche nicht erfüllt werden. sche Robustheit ‒ denn natürlich geht Vieles geht auch unendlich langsam und nicht immer alles glatt, passieren Fehler, nur in kleinen Schritten. Gerade bei Ver- hat man Schwächen, muss man lernen, besserungen für Frauen und Familien mit Kritik umzugehen. Was schwer fällt, wünschte ich mir mehr Tempo. Aber mei- auch heute noch, ist, mit persönlichen ne Zuversicht ist die, dass die nächste gut Angriffen oder versteckten Angriffen um- ausgebildete Frauengeneration sehr viel zugehen. Aber man lernt, angemessen selbstbewusster in einer partnerschaftlich zu reagieren, sich nicht unterkriegen zu organisierten Gesellschaft leben wird und lassen, immer wieder neu zu starten und viele Forderungen von heute obsolet sein „Nein“ zu sagen. Bedeutende Persönlich- werden, wie z.B. die Forderung nach glei- keiten, starke Frauen als Vorbilder wie un- chem Lohn für gleichwertige Arbeit. sere ehemaligen Landesleiterinnen Edda Die Gesellschaft hat sich in Beruf und Egger oder Waltraud Klasnic waren große Familie massiv verändert, bessere Aus- Hilfen. Aber auch die vielen engagierten bildung, mehr Entscheidungsfreiheit, Frauen in den Ortsgruppen, die mit ihrem mehr Möglichkeiten individuell zu leben ehrenamtlichen Einsatz die so unverzicht- ist selbstverständlich geworden. Wichtig bare Solidarität mit Schwächeren leben, wird sein, Rahmenbedingungen so zu geben Kraft und Ansporn. gestalten, dass Wahlfreiheit kein Schlag- Mein Leben in der Politik war und ist eine wort bleibt, sondern von jedem und je- intensive Zeit, die überaus interessant der gelebt werden kann. 

98 Edith Zitz

Mit „Brot und Rosen“ hin zum Gender Budgeting

„Brot und Rosen“: Das ist ein alter Slo- Geschlechter in die gan von US-amerikanischen Fabriksar- Konzept-/Strategie- beiterinnen, die 1912 in Lawrence für gestaltung einzubeziehen. Gender Main- frauen- und männerwürdige Löhne und streaming ist eine bewusste „top down“- gegen Kinderarbeit kämpften. Obwohl Strategie und ist komplementär ‒ niemals ich durch umfassende Arbeit im regio- als Ersatz ‒ zur Frauenförderung zu sehen. nalen Klimaschutz, im Sozialwesen und Ein Gender Mainstreaming-Projekt des bei der Grünen Bewegung viele Slogans Landes Steiermark beinhaltet übrigens kennengelernt habe, berühren und mo- eine Ausbildung für Abgeordnete aller tivieren mich diese drei Worte nach wie vier Landtagsklubs, KlubmitarbeiterInnen vor am meisten: Stehen sie doch für ein und MitarbeiterInnen einiger Regierungs- gutes sozialökonomisches Auskommen büros als „gender agents“. Diese Qualifi- und für Verteilungsgerechtigkeit ge- zierung stellt ein Novum dar. nauso wie für glückliche, gelungene Be- Doch zurück zum Geld: Gender Budge- ziehungen sowie für Ästhetik. Das Brot ting bedeutet, dass man den öffentli- allein macht zwar satt, die Rosen allein chen Haushalt auf die Auswirkungen auf machen zwar Freude ‒ es braucht aber Männer und Frauen hin anschaut und beides für ein abgerundetes Leben und ihn notfalls umbaut. Ab 1. Jänner 2009 erst recht für eine nachhaltige Politik. legt Artikel 13(3) im Bundes-Verfassungs- gesetz fest, Gender Budgeting sei in der Meinen Zugang als Politikerin ‒ mein Haushaltsführung „anzustreben“. „Motto“ siehe oben ‒ möchte ich anhand Die Regelung des Finanzausgleiches für des Landeshaushaltes darlegen. Die Stei- die Jahre 2008 bis 2013 ‒ der sog. „Stabi- ermark bewirtschaftet derzeit ein Volumen litätspakt 2008“ ‒ hält fest, dass ab 2009 von € 4,85 Milliarden. Und dieses Steuer- die Verteilung der Ertragsanteile nach der geld hat massive Effekte auf Frauen und jeweils aktuellen Bevölkerungsstatistik Männer, Mädchen und Burschen. Gender (statt wie bisher nach der letzten Volks- Mainstreaming (=GeM) als „durchgängige zählung) stattzufinden hat. Dass es dazu Gleichstellungsorientierung“ wurde1995 ‒ wenngleich diffuse und angesichts der erstmals auf der 4. UN-Frauenkonferenz aktuellen Finanzkrise möglicherweise in Peking vorgestellt und ist seit 1997 wieder aufzudröselnde ‒ Vereinbarungen als EU-Ziel im Amsterdamer Vertrag ver- über die finanziellen Rahmen für die Be- ankert. GeM bedeutet, dezidiert beide reiche 24-Stunden-Betreuung, Mindest-

99 Mit „Brot und Rosen“ hin zum Gender Budgeting - Edith Zitz

sicherung sowie Frühkindpädagogik und 3. Altbausanierung: Dies scheint in erster Ausbau des Kinderbetreuungsangebotes Linie ein „Öko“- und „Bau“-Thema zu sein. gibt, hat massive Auswirkungen auf Frau- Doch weit gefehlt: Wärmedämmmaßnah- en und Männer. Frauen sind nun einmal men, gekoppelt mit Umbauten zur Barrie- aufgrund der geschlechtsspezifischen refreiheit, treffen ‒ das heißt begünstigen Arbeitssegregation diejenigen, die mehr ‒ überproportional oft ältere Frauen, die Pflegearbeit leisten, die viel eher verar- eigenständig die hohen Investitionen men und die leider immer noch als die nicht aufbringen könnten. hauptsächlichen „Familienarbeiterinnen“ 4. Gleichstellung in der Erwerbsarbeit: angesehen werden. Der Wiener Haus- Neben der Entgeltgerechtigkeit bildet haltsvoranschlag 2008 bietet übrigens sich Geschlechterdemokratie auch ne- einen eigenen Anhang zu Gender Bud- ben Indikatoren ab, inwieweit Frauen geting. Auch das Land Oberösterreich hat Führungspositionen innehaben, wie die bereits früh dazu Expertise entwickelt. Aufteilung der Weiterbildungsangebote Einige Beispiele sollen die Bedeutung ei- aussieht und wer die kostenintensiveren ner geschlechtersensiblen Budgetpolitik konsumieren darf oder wie mit Teilzeitan- illustrieren: suchen umgegangen wird. Die automati- 1. Grünraum/Stadtplanung: Hier geht es sche Vorrückung nach einer bestimmten darum, sich das Nutzungsverhalten von Dienstzeit (Senioritätsprinzip) diskrimi- Frauen und Männern verschiedenen Al- niert beispielsweise WiedereinsteigerIn- ters anzuschauen. Gerade der öffentliche nen, da Kindererziehungszeiten oder Pfle- Raum ist zunehmend von Nutzungskon- gezeiten nicht erfasst werden. flikten bestimmt: Wie geht es einer äl- 5. Gesundheitsförderung: Nachweislich teren Frau, die demütigend hastig über werden diverse Früherkennungsprogram- eine Ampel mit zu kurzer Grünphase ei- me eher von Frauen als von Männern an- len muss? Wie geht es jungen Burschen, genommen. Dies gilt auch für psychische die im Park immerzu als laut und lästig Erkrankungen wie Depressionen, die bei wahrgenommen werden? Warum fallen Männern später diagnostiziert werden, sich MigrantInnen im öffentlichen Raum so teils auch anders äußern als bei Frauen. Hier massiv „ins Auge“? muss ein geschlechtersensibler Blick anset- 2. Wohnungslose: Die allermeisten der zen, um Männern zur Seite zu stehen. Wohnungslosenangebote richten sich an Die steirische Politik kann nur dann „Brot Männer. Doch Frauen erleben genauso und Rosen“ gewährleisten, wenn der be- Wohnungslosigkeit, nur haben sie andere wusste Umgang auf Ungleichheit zwi- Strategien, damit umzugehen bzw. diese schen den Geschlechtern und engagier- Not nach außen hin zu verbergen: Diese ten Gegenstrategien dazu durchgehend Unsichtbarkeit gilt es zu thematisieren. gewährleistet sind. 

100 Lisa Rücker

Machen wir Frauen es anders?

Diese Frage ist wohl die meistgestellte, weile auch empirisch wenn es um Frauen und Macht, Frauen nachgewiesene Unter- in der Politik oder Frauen im Geschlech- schied im alltäglichen Diskurs beweist. terkontext geht. Und es ist schon sehr Ich wundere mich auch, wie selbstver- viel dazu geschrieben worden. Als Fe- ständlich Frauen sich heute noch darauf ministin habe ich mich theoretisch und einlassen, über ihren Körper und ihr Äuße- in langen Diskussionen ausführlich mit res bewertet zu werden und es auch selbst möglichen Antworten beschäftigt. Nun gegenseitig tun! Da geht es nicht darum, habe ich das Privileg, selbst zu erleben, ob wir schön sein dürfen, es geht darum, selbst zu handeln und mich selbst da- dass auch wir Frauen bei anderen Frauen bei beobachten zu können. Mache ich zuerst die äußere Erscheinung beurteilen es anders? Weil ich als Sozialarbeite- ‒ oder eben verurteilen. Oder wer kennt rin Verkehrspolitik in der zweitgröß- nicht die Aussage, Frauen seien koopera- ten Stadt Österreichs mache? Weil ich tiver. Ja, es stimmt, in vielen Fällen erlebe eine Grüne bin? Weil ich eine Frau bin? ich das so. Aber vielleicht ‒ so auch die Tja, wenn das zu beantworten so ein- Einschätzung eines männlichen Kollegen, fach wäre. Ein Ja oder Nein gibt es hier mit dem ich darüber rede ‒ ist das auch nicht. Aber es gibt Erkenntnisse und ein Grund, warum Frauen nur langsam zu Einblicke, die ich nach sechs Jahren Po- den Spitzen vordringen. Weil wir sehr auf litik und einem Jahr in einer mächtigen andere Bedürfnisse achten ‒ was wir früh politischen Position zu diesem Thema gelernt haben und was von uns erwartet weitergeben kann. Subjektiv, aber wird ‒, schauen wir nicht so sehr auf uns. durchaus übertragbar. Kooperative und einbindende Herange- hensweisen sind dann zwar sinnvoller Wie wenn es anderes nicht sein könnte, im Sinne nachhaltiger Problemlösungen, begegnen mir theoretisch schon vielfach aber sie gehören in einem traditionellen beschriebene Muster in der politischen Umfeld nicht zu den anerkannten For- Realität immer wieder: Zum Beispiel das men der Zielerreichung. Viel öfter sind wir Phänomen, dass Männer offensichtlich in der Realität mit der Durchsetzung von viel mehr Zeit und Raum in Anspruch Interessen konfrontiert, als mit tatsächlich nehmen, um am Ende dasselbe zu sagen nachhaltigen, inhaltlichen Entscheidun- wie Frauen. Manchmal muss ich darüber gen. Das ist in der Politik nicht anders als schmunzeln, wie sehr sich dieser mittler- in den oberen Etagen der Wirtschaft oder

101 Machen wir Frauen es anders? - Lisa Rücker

überall dort, wo die Luft für Frauen noch eine hatte eine offiziell nicht existierende dünner ist. Partnerin. Eine Karriere machte eine Frau Natürlich gibt es nicht DIE Frauen und DIE damals alleine, auf sich gestellt oder gar Männer. Aber es gibt Erfahrungen in der nicht. Und ich frage mich, ob das heute Kindheit wie im Erwachsenenleben, die anders ist? Zwar ist es in unserer Zeit für einen Unterschied machen. Und die uns mehr Frauen „möglicher“ geworden mit ziemlich beharrlich auf sehr traditionel- Kind und Kegel Karriere zu machen, die le Art und Weise noch immer in unseren Kosten und die Rahmenbedingungen da- Geschlechterrollen prägen. Dank einer für bleiben aber Frauensache. Da heißt es starken und radikalen Frauenbewegung selbst ist die Frau ‒ mit Glück gibt es noch hat sich aber auch vieles verändert. Schon eine unterstützende Großmutter oder ein mein Vater war Politiker. Damals, in den Kindermädchen. Bespiele der „neuen Män- Siebzigern, war das vorherrschende Bild ner“ fallen mir an dieser Stelle wenige ein. jenes des männlichen Politikers. Die „Gat- Weitreichende Entscheidungen treffen tin“ hatte eine eindeutige Rolle und diese und die Konsequenzen tragen, im öf- war darauf beschränkt, im Hintergrund fentlichen Leben stehen und möglichst und in aller Bescheidenheit, die Karriere immer verfügbar sein ‒ das sind nur ei- des Mannes aktiv zu unterstützen und nige der Zutaten zu mächtigen Positio- „hübsch“ zu untermalen. Heute ist das nen, egal ob in der Politik oder anderen schon anders ‒ auch wenn ich behaup- Leitungsfunktionen. Die Verfügbarkeit ten würde, dass viele Männer ihre Karriere über die eigene Zeit bleibt dabei eine der auch heute ohne Frau im Hintergrund, sei größten Herausforderungen. Gerade von es die Partnerin oder die Mutter, nicht so politischen VerantwortungsträgerInnen reibungslos absolvieren könnten. Eine Frau ‒ von Frauen wie Männern ‒ wird beina- wird heute glücklicherweise kaum mehr he selbstverständlich verlangt, dass der ausschließlich über ihren Partner definiert. Einsatz rund um die Uhr lebbar ist. Viele Das bedeutet aber andererseits auch, dass PolitikerInnen versuchen diesen Anforde- es im beschriebenen „Hintergrund“ eher rungen gerecht zu werden, um dann mit bescheiden aussieht. Denn wer kümmert hängender Zunge festzustellen, dass es sich eigentlich um die „Karrierefrauen“ nie genug Zeit gibt, um auf allen Hochzei- von heute? Und da meine ich im wahrsten ten zu tanzen. Ich selbst nehme mich da Sinne des Wortes „kümmern“. nicht aus. Ich erinnere mich daran, dass ich in den ersten Monaten als Vizebürger- Selbst ist die Frau meisterin an einem Sonntag, den ich mit Ich habe in meiner Jugend einige Politi- meiner Familie verbracht habe, nicht bei kerinnen persönlich kennengelernt ‒ die einer Jubiläumsveranstaltung anwesend meisten davon hatten keinen Partner, war. Das war am nächsten Tag Thema in

102 Machen wir Frauen es anders? - Lisa Rücker den Medien. Damals habe ich noch ge- um die Liebe, um Freundschaften und glaubt, mich dafür rechtfertigen zu müs- um Platz zum Auftanken ‒ irgendetwas sen. Aber auch ich lerne. bleibt womöglich auf der Strecke. Das er- Auch wenn es also „möglicher“ wurde, fordert eigene Vorsicht und ein Umfeld, als Frau ‒ auch mit Familie ‒ mächtigere das streng ist ‒ so ist zumindest meine Er- Positionen zu übernehmen, so ist es noch fahrung. Ich bin froh um die wiederholten lange nicht selbstverständlich, die ent- Hinweise durch meine jüngere Tochter sprechenden Rahmenbedingungen im oder die liebevoll-konsequente Erinne- Privaten dafür zu schaffen oder auch nur rung durch meine Partnerin, dass es auch mitzudenken. Von der Vereinbarkeit mit wichtige Dinge außerhalb des Rathauses dem täglichen Terminmarathon bis zur gibt. Und die gibt es! simplen Frage: Was tun, wenn die Kinder Solange Frauen sich auch in der Politik krank sind?! auf ihre „angestammte Position“ zurück- Diese Herausforderungen sind sicher ein stufen lassen, so lange werden sich die Grund, warum sich immer noch so weni- klassischen Rollenkonflikte wiederholen. ge Frauen dazu entscheiden, eine höhere Wenn Frauen mächtig sein wollen, dann Position mit den damit verbundenen Be- müssen sie die Macht auch ergreifen ‒ lastungen zu übernehmen. Das hat zum und können es trotzdem anders machen! einen mit dem Verantwortungsgefühl Ich verweigere an dieser Stelle die „positi- gegenüber den eigenen Lieben und der ve“ Definition von Macht, die jetzt sicher Verantwortung einer Aufgabe gegenü- erwartet wird. Macht kommt von machen ber zu tun, zum anderen aber auch mit und wer etwas tun will, braucht dazu die der Tatsache, dass es für Frauen (und Möglichkeiten. Die Grünen sind in Graz übrigens auch zunehmend für Männer) mit dem Anspruch angetreten, einen wichtig ist, in Beziehung zu bleiben und Kurswechsel zu vollziehen ‒ aus einer Po- privat wichtige Bindungen nicht zu verlie- sition der kleinen Partei mit einem bedeu- ren. Dass das schneller geht, als einer lieb tungslosen Regierungssitz unter der Dul- ist, ist ja kein Geheimnis. Ich selber habe dung der „Großen“ in bewährter Tradition das Glück, schon relativ große Töchter zu wäre das nicht möglich gewesen. Wir ha- haben, die früh selbstständig wurden. Mit ben uns also für eine Koalition mit einem kleinen Kindern ist das noch einmal eine nicht ganz einfachen Partner entschieden ganz andere Sache. und ich habe das Amt der Bürgermeister- Stellvertreterin mit einer umfassenden Es gibt auch wichtige Dinge außerhalb Ressortverantwortung in den Bereichen des Rathauses Umwelt, Verkehr und Wirtschaftsbetriebe Aber es geht ja nicht immer um Frauen übernommen. Eine kommunalpolitisch und Kinder, es geht ganz einfach auch durchaus mächtige Funktion. Ich habe es

103 Machen wir Frauen es anders? - Lisa Rücker

nicht bereut und sehe täglich, wie wichtig Rahmenbedingungen, unter denen wir es ist, dass Frauen in „untypischen“ Berei- agieren müssen ‒ und die gilt es zu än- chen wie Mobilitätsmanagement oder dern. Auch deshalb ist es wichtig, sich als Energiepolitik endlich mitreden. Frau Macht zu nehmen. Politik wird von Wir Frauen machen sicher nicht alles an- Menschen gemacht ‒ und die haben ver- ders als Männer, jedoch sehen wir viele schiedene Geschlechter. In diesem Sinne Dinge anders und treffen vielleicht auch bin ich froh um jede Quote, weil ohne sie deshalb Entscheidungen anders. Was alles viel zu langsam ginge. Und Geduld für uns Frauen aber anders ist, sind die war noch nie meine Stärke. 

104 Elke Kahr

Als Frau für eine solidarische Politik eintreten

Aus einer Arbeiterfamilie kommend, gen noch heute weiter, sah ich in meinem sozialen Umfeld sehr dass es ohne Demokra- früh, was in der Gesellschaft oben und tie und Frieden für die Frauen keine Rech- unten bedeuten kann. Das Interesse für te gibt und ein ständiges Eintreten gegen Menschen und deren Lebensumstän- Faschismus und Rassismus notwendig ist. de, Antworten und Erklärungen über Agnes Primocic, Anna Cadia, Irma Schwa- die Zusammenhänge in der Politik und ger, Margarethe Schütte-Lihotzky oder im Leben zu finden und vor allem die Maria Cäsar sind nur einige dieser großarti- Sehnsucht nach einer gerechteren Ge- gen Frauen, die ich hier stellvertretend für sellschaft, führten mich sehr früh auf viele andere nennen darf. die Suche nach Gleichgesinnten. Das Eintreten für die soziale und politi- sche Gleichstellung von Frauen und Män- Für viele Freunde und Bekannte damals nern ist Teil unserer Weltanschauung. unverständlich, für mich der einzig logi- Dieser Anspruch hat es Frauen in unse- sche Schritt, den ich bis heute nicht be- rer Bewegung leichter gemacht, sich für reue, war der Beitritt zur KPÖ 1984. frauenpolitische Ziele einzusetzen. Trotz- Gerade die Rolle der Frauen in der KPÖ hat dem braucht es besondere Strukturen für mich fasziniert. Viele von ihnen waren aktiv Frauen innerhalb einer Partei. Seit 1990 im Widerstand gegen das Naziregime. Die- haben wir eine 50 %-ige Quotierung auf ser Einsatz unter ganz anderen Bedingun- Leitungsebenen und Wahllisten. Deshalb gen als heute, der den ganzen Menschen ist der Anteil der Frauen auf Gemeinde- braucht, Verstand und Gefühle, hat mich und Landesebene auch sehr hoch. Eben- und viele jüngere Mitstreiterinnen in mei- so notwendig ist das Angebot einer Kin- ner Partei immer gestärkt und ermutigt. derbetreuung bei Versammlungen oder Frauen in Armut und Töchter aus „gutem Rücksichtnahmen bei der Festsetzung Haus“, Arbeiterinnen und Intellektuelle, von Terminen. Sonst wird durch die fa- gemeinsam war ihnen der Wille, für ein miliäre Situation vieler Frauen eine politi- demokratisches und unabhängiges Ös- sche Teilhabe verunmöglicht. terreich einzutreten. Sie achteten darauf, Im Interesse von Frauen ‒ dass der Einsatz der Frauen für ein unab- öffentliches Eigentum stärken hängiges Österreich und die Verbrechen an Frauen nicht in Vergessenheit gerieten. Wie es um die Demokratie in einer Ge- Als Zeitzeuginnen geben sie ihre Erfahrun- sellschaft steht, ist verlässlich der Stel-

105 Als Frau für eine solidarische Politik eintreten - Elke Kahr

lung der Frau abzulesen. Derzeit sehen und Beratung gemeinsam mit meinen wir im Ergebnis neoliberaler Politik, wie MitarbeiterInnen anzubieten. Und zwar Kapitalismus, Imperialismus und Krieg rasch und unbürokratisch, ohne dass sich sowie Umweltzerstörung entfesselt wur- jemand als BittstellerIn sehen muss. den. Die sozialen Grundrechte wurden Das gilt besonders für das Wohnen. Im- abgebaut, so dass die Lebensbedingun- mer mehr Menschen können sich die ho- gen, insbesondere für Frauen und Fami- hen Mieten am privaten Wohnungsmarkt lien, wie nie zuvor seit 1945 von der Klas- nicht leisten. Das Geld für Kautionen und senlage abhängen. Noch nie wurde so Provisionen kann mit den niedrigen Ein- viel Reichtum produziert, und trotzdem kommen und Bezügen von immer mehr leben immer mehr Menschen in prekä- Leuten nicht aufgebracht werden. Die ren Verhältnissen. Schuld daran ist eine Anzahl der Personen, die wohnungslos Finanz- und Wirtschaftspolitik, die große sind bzw. in katastrophalen Wohnungen Geldvermögen schont und sogar fördert, mit ihren Kindern leben müssen, ist wie- den Einfluss der öffentlichen Hand dage- der im Ansteigen. gen zurückdrängt. Deshalb ist eine der Deshalb braucht es eine öffentliche wesentlichsten Fragen jene nach dem Wohnbauoffensive. Mit der Schaffung Eigentum. Es muss sozialen Verpflich- von genügend leistbarem kommunalen tungen unterworfen werden, und es Wohnraum kann der ansteigenden Woh- muss das öffentliche Eigentum als Basis nungsnot begegnet werden. Geld ist ge- gestärkt werden. nug da, nur in den falschen Händen. Alle Als Wohnungsstadträtin in Graz bin ich reden von Sparpolitik, machen aber reine mit den Sorgen und Problemen der Leute Umverteilungspolitik: Und zwar von un- täglich konfrontiert. Darunter sind viele ten nach oben. Frauen. Ich sehe ihre geringen Gehälter, Ein Vermächtnis von Rosa Luxemburg Löhne und ihre Pensionen. Ich sehe, wie hat für mich nichts an Aktualität verloren: das Geld für die Wohnungskosten, Strom „Gleichheit ohne Freiheit ist Unterdrü- und Heizung, für den Einkauf von Beklei- ckung und Freiheit ohne Gleichheit ist dung, Schulkosten und immer mehr auch Ausbeutung“. Die Wurzel von beidem ist für die Lebensmittel nicht ausreicht. Und die Solidarität, ist der tägliche Einsatz für es ist unerträglich zu sehen, dass Kinder die gleiche Freiheit anderer, für eine Ge- und Jugendliche aufgrund ihrer sozialen sellschaft, in der Frauen wie Männer die Stellung von vorne herein nicht dieselben gleichen sozialen und politischen Rechte Entwicklungschancen vorfinden. vorfinden und in der das Geschlecht kei- Um in Not geratene Menschen nicht auf ne Rolle mehr spielt, weil wir alle ‒ Frau- eine bessere Welt zu vertrösten, ist es mir en, Männer und Kinder ‒ als Menschen ein Anliegen, ganz konkrete Hilfestellung behandelt werden. 

106 Junge Steirerinnen: Was erwarte ich mir von Frauen in der Politik?

Magdalena Pongratz Elena Teibenbacher Keine Frage Klischees und des Geschlechts Vorurteile

Von Frauen in der Politik halte ich genau Die Emanzipation ist erst dann vollendet, soviel wie von Männern in der Politik. Ich wenn gelegentlich auch eine total unfä- schätze Menschen, die sich in den ver- hige Frau in eine verantwortliche Position schiedensten politischen Bereichen en- aufgerückt ist. (Heidi Kabel, dt. Schauspie- gagieren und etwas bewegen, um einen lerin und Schriftstellerin) Fortschritt zu erzielen. Doch meinen al- Immer wieder stößt man lerhöchsten Respekt erhalten diejenigen, auf derartige Klischees die dabei wissen, was sie über Männer und Frauen tun. in verantwortungsvollen Für mich gibt es keine Positionen. Ich persön- Trennung zwischen Poli- lich beurteile einen Poli- tiker und Politikerin, son- tiker nicht nach seinem dern lediglich eine zwi- Geschlecht, sondern nach seinen Leistun- schen qualifizierter und gen. Ich wünsche mir von einem Men- unqualifizierter Person. schen vertreten zu werden, der sich seiner Als Bürgerin dieses Staates möchte ich großen Verantwortung gegenüber dem von denjenigen Personen repräsentiert Land und seinen BürgerInnen bewusst ist werden, die menschlich wie fachlich am und dieser auch nachkommt. Als solcher besten geeignet erscheinen, und das ist verdient er ungeachtet seines Geschlechts doch keine Frage des Geschlechts. meinen größten Respekt. Auf der anderen Ich bin der Meinung, dass eine Frau, die Seite beunruhigen mich eine Politikerin ihre Arbeit in der Politik deshalb macht, sowie ein Politiker, die ihre Aufgaben nicht weil sie aufgrund ihrer Qualifikationen kompetent erfüllen gleichermaßen. Ich und ihres Engagements dafür ausgewählt würde bei der Vergabe eines Postens nicht wurde, viel mehr zu einem allgemeinen aufgrund meines Geschlechts, sondern Gleichwertigkeitsbewusstsein der Ge- alleine aufgrund meiner Qualifikationen schlechter beiträgt, als jede Quotenrege- ausgewählt werden wollen. Allerdings lung es jemals wird. finde ich es schade, dass wir in Österreich An Beweisen dafür mangelt es zum Glück wenige Frauen in der Politik haben, ob- nicht. wohl es viele fähige Anwärterinnen gäbe.

Magdalena Pongratz, geb. 1986, Elena Teibenbacher, geb. 1984, Studentin der Rechtswissenschaften Studentin der Geschichte an der Uni- und Geschichte. versität Graz.

107 Junge Steirerinnen: Was erwarte ich mir von Frauen in der Politik?

Christine Thanner Stefanie Wieser „Sag mir, wo die Weniger Frauen Frauen sind“ in der Regierung

...so lautete kürzlich eine Schlagzeile Seit dem 2. Dezember 2008 gehören im Kurier. Diese Frage stellt sich auch in dem 18-köpfigen Regierungskabinett nur Hinblick auf die Anzahl der steirischen sechs Frauen an. Kann man diese Frau- Politikerinnen ‒ zweifelsohne sind diese enquote als gerecht bezeichnen? Gibt zu wenig. Da die Gesellschaft aus zwei es nicht mehr Frauen, die für politische Geschlechtern besteht, sollte sie von bei- Spitzenpositionen qualifiziert sind? Nicht den Geschlechtern ausgewogen regiert umsonst fordert die neue Ministerin für werden. Aufgrund der anderen Denk- Frauen und Öffentlichen Dienst, Gabriele weise und unterschiedlichen Blickwinkel Heinisch-Hosek, mehr Frauen in der Poli- könnten politische Themen effizienter tik. Obwohl es heißt, dass Frauen gleich- verstanden und diskutiert werden. Es behandelt werden sol- führt ad absurdum, dass Aspekte, die len wie Männer, ist eine hauptsächlich Frauen betreffen, vorwie- soziale Gerechtigkeit gend von Männern be- auf diesem Gebiet noch handelt werden. Es stellt immer nicht gegeben. sich auch die Frage: Kön- Denn es ist notwendig, nen Männer in die Seele dass Frauen von Män- der Frauen blicken? Die nern in solchen Funktio- steirische Politik ist ‒ un- nen akzeptiert werden. bestritten ‒ noch immer Ein erstes Umdenken diesbezüglich ist eine Männerdomäne, durch die Schaffung eines eigenen Frau- obwohl bereits im Februar 1919 die ers- enministeriums erfolgt, welches sich ten Politikerinnen ‒ Martha Tausk, Mari- gegen die Diskriminierung der Frauen anne Kaufmann und Olga Rudel-Zeynek bei gleicher beruflicher Qualifikation ein- ‒ in den Landtag einzogen. Die Arbeit setzt. und Errungenschaften der Politikerinnen Wir können nur hoffen, dass dieser An- zeigen, dass Kompetenz weit vor den As- satz, den es augenblicklich gibt, weiter pekt „Geschlecht“ gestellt und somit der ausgebaut wird und sich immer mehr Weg für zahlreiche fähige Frauen in die Frauen „auf das heiße Pflaster der Politik“ Politik erst geebnet werden muss. vorwagen.

Mag. Christine Thanner, geb. 1983, Mag. Stefanie Wieser, geb. 1982, Mittelschullehrerin und Doktoratsstu- Doktoratsstudentin der Rechtswissen- dentin Geschichte in Graz. schaften an der Universität Graz.

108 Junge Steirerinnen: Was erwarte ich mir von Frauen in der Politik?

Veronika Krysl Eva Tscherner Politikerinnen Intelligenz als Vorbilder in der Politik

Was haben Herta Firnberg, Johanna Von Frauen in der Politik erwarte ich Dohnal und Maria Rauch-Kallat gemein- nicht mehr und nicht weniger als von sam? Alle drei haben sich in einer stark Männern in der Politik. Intelligenz in al- männerdominierten Berufssparte einen len ihren Facetten, von Empathie bis hin Namen gemacht und ihre Frau gestellt: zu Fachwissen. In der Politik. Diese und andere Frauen Wieso sollten aufgrund müssen beweisen, eine besonders multi- des zufälligen, nicht zu taskingfähige Spezies zu beeinflussenden Fak- sein: Als Politikerinnen tors „Geschlecht“ ande- gilt es neben der obliga- re Parameter über das torischen 60-Stunden- Fortkommen innerhalb Woche auch die mediale einer Gesellschaft ent- Öffentlichkeit in den Le- scheiden? Frauen in der Politik können bensalltag zu integrie- ihre Aufgabe mit genau derselben Selbst- ren; Haushalt und Kinder verständlichkeit erfüllen, mit der sie an- müssen „nebenbei“ betreut werden. Und dere Berufe ausüben. Ihnen sind all jene der Spagat zwischen privatem Glück und grundsätzlichen Voraussetzungen mitge- beruflichem Erfolg erweist sich dabei als geben, über die ihre männlichen Kollegen schwierig. verfügen. Ganz abseits der privaten Seite wird von Was ich mir von jedem einzelnen Volks- politisch engagierten Frauen auch inhalt- vertreter erwarte ist, dass er oder sie ihre lich ein starkes Statement erwartet. Für Fähigkeiten für ihre Berufung pflegt und andere Frauen sind es die frauenspezifi- veredelt. schen Inhalte, denen besonderes Inter- Die Gesellschaft wiederum ist dazu auf- esse zukommt: Familie und Beruf, Kinder gerufen, all ihren Mitgliedern dieselben und Jugendliche sowie Ehe und Partner- Möglichkeiten einzuräumen, denn Füh- schaft. Insgesamt sind Frauen in der Po- rungsstärke, Verhandlungsgeschick oder litik für andere Frauen vor allem eines: der Umgang mit Konflikten etwa können Vorbilder - menschlich, beruflich und je- nur im Umgang mit einem Gegenüber er- denfalls feministisch. lernt und geübt werden.

Mag. Veronika Krysl, geb. 1984, Mag. Eva Tscherner, geb. 1984, wiss. Mitarbeiterin an der Rechtswis- wiss. Mitarbeiterin am Institut für senschaftlichen Fakultät. Zivilrecht der Universität Graz.

109 Ex libris

Trautl Brandstaller Norbert Leser Die neue Macht Der Sturz der Frauen des Adlers

An die Erlösung der Welt durch die Frauen In seinem neuesten und in Bezug auf die glaubt Trautl Brandstaller nicht. Aber daran scharfe Analyse der Gegenwart wahr- dass Frauen in der Politik einen wertvollen scheinlich auch radikalsten Buch blickt Beitrag leisten können. So wie es erfolgrei- Norbert Leser in kritischer Weise auf 120 che Politikerinnen wie Angela Merkel, Sé- Jahre österreichische Sozialdemokratie golène Royal oder Hillary Clinton tun. Hat zurück und gewährt dabei tiefe Einblicke die Frauenbewegung damit gesiegt oder in deren Seele. Packend schildert er die handelt es sich nur um eine kurzzeitige Entwicklung einer Partei, die bis zur Ära Krise der männlichen Eliten? Dieser Frage Kreisky von hohen Idealen geprägt war, geht Brandstaller in ihrem Buch „Die neue zu einem reinen Zweckverband, dem die- Macht der Frauen“ nach. Sie analysiert se im Laufe der weibliche Strategien, die Rolle der Män- Zeit abhanden ner im Verlauf einer Politikerinnenkarriere gekommen sind. sowie den Einfluss In seiner teils sehr der Medien und persönlichen Aus- zeichnet in drei einandersetzung spannenden Por- mit der ihm sein traits ein Bild von Leben lang be- erfolgreichen Po- gleitenden Partei litikerinnen. Den beleuchtet Leser ersten Schritt hin unter anderem zu einer Neuver- deren Skandale und politische Intrigen, teilung der Macht charakterisiert die meinungsbildenden sieht sie mit der Akteure und nimmt sich dabei kein Blatt Gleichziehung der Frauen mit den Män- vor den Mund. nern in punkto Bildung verwirklicht. Von Auch der Titel des Werkes ist natürlich mit einem wirklichen Durchbruch für die Frau- Bedacht gewählt; der Adler kann in meh- en will sie aber erst sprechen, wenn eine rerlei Hinsicht gedeutet werden, durch Frau danach beurteilt wird, welche Fähig- seinen Sturz kommt man jedenfalls im- keiten sie hat und nicht ob sie einen Ho- mer zum selben Ergebnis: Die SPÖ steckt senanzug oder einen Rock trägt. (NL) in einer Krise. (DH)

ISBN: 978-3-222-13223-0 - € 24,90 ISBN: 978-3-218-00785-6 - € 22,90 :STYRIA Verlag, Graz 2007 Verlag Kremayr & Scheriau, Wien 2008

110 Autorinnenverzeichnis

Walburga Beutl, geboren 1946, Zweite Präsidentin des Steiermärkischen Landtages.

Dr. Trautl Brandstaller, geboren 1939, Juristin und Politologin, Journalistin.

Mag. Kristina Edlinger-Ploder, geboren 1971, Landesrätin für Wissenschaft und Forschung, Verkehr und Technik.

Dr. Elisabeth Holzer, geboren 1974, Journalistin der Steiermark-Redaktion der Tageszei- tung „Kurier“.

Elke Kahr, geboren 1961, Stadträtin der Stadt Graz und Klubobfrau der KPÖ.

Dr. Beatrix Karl, geboren 1967, Nationalratsabgeordnete und a.o.Univ.-Prof. am Institut für Arbeits- und Sozialrecht der Universität Graz.

Maria Mosbacher, geboren 1953, Mitglied des Bundesrates und SPÖ-Bezirksfrauenvorsit- zende von Mürzzuschlag.

Dr. Anita Prettenthaler-Ziegerhofer, geboren 1965, a.o.Univ.-Prof. am Institut für Öster- reichische Rechtsgeschichte und Europäische Rechtsentwicklung der Universität Graz.

Lisa Rücker, geboren 1965, Bürgermeister-Stellvertreterin und Vorsitzende des Kontroll- ausschusses der Stadt Graz.

Dr. Karin Maria Schmidlechner, geboren 1954, a.o. Univ.-Prof. für Allgemeine Zeitgeschich- te am Institut für Geschichte der Universität Graz.

Heidrun Silhavy, geboren 1956, Bundesministerin a.D., Abgeordnete zum Nationalrat und Stellvertretende Bundesparteivorsitzende der SPÖ.

Dr. Michaela Sohn-Kronthaler, geboren 1969, a.o.Univ.-Prof. und Leiterin des Instituts für Kirchengeschichte und Kirchliche Zeitgeschichte der Universität Graz.

Dr. Bettina Vollath, geboren 1962, Landesrätin für Bildung, Jugend, Frauen und Familie.

Mag. Edith Zitz, geboren 1965, Landtagsabgeordnete, Klub der Grünen.

111 Wissenschaftlicher Beirat

Univ.-Prof. Dr. Manfred Prisching Univ.-Prof. Dr.Dr.h.c. Wolfgang Mantl (Vorsitzender) Univ.-Prof. Dr. Franz Marhold Univ.-Prof. Dr. Bernd Schilcher Univ.-Prof. Dr. Joseph Marko (stv. Vorsitzender) Dr. Nora Melzer-Azodanloo Univ.-Prof. Dr. Kurt Salamun Hon.-Prof. Dr. Bernhard Pelzl (stv. Vorsitzender) Univ.-Prof. DI Dr. Ulrich Pferschy Univ.-Prof. Dr. Alfred Ableitinger Univ.-Prof. Dr. Walter Pieringer Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Benedek Ass.-Prof. Dr. Klaus Poier Univ.-Prof. Dr. Tina Ehrke-Rabl Univ.-Prof. Dr. Martin Polaschek Univ.-Prof. Dr. Edith Gößnitzer Univ.-Prof. Dr. Anita Prettenthaler-Zieger- Univ.-Prof. Dr. Johannes Heinrich hofer Univ.-Prof. Dr. Marianne Hilf Univ.-Prof. Dr. Reinhard Rack Univ.-Prof. Dr. Hubert Isak Univ.-Prof. Dr. Wolf Rauch Univ.-Prof. Dr. Franz Jeglitsch Univ.-Prof. DDr. Willibald Riedler Univ.-Prof. Dr. Beatrix Karl Mag. Dr. Wolfgang Schinagl Univ.-Prof. Dr. Stefan Karner Univ.-Prof. DDr. Gerald Schöpfer Ass.-Prof. DDr. Renate Kicker Univ.-Prof. Dr. Michaela Sohn-Kronthaler Univ.-Prof. Dr. Igor Knez Dr. Barbara Stelzl-Marx Prof. Dr. Karl A. Kubinzky Univ.-Prof. Dr. Kurt Weinke Univ.-Prof. Dr. Yvonne Luisi-Weichsel

Nachruf Am 30. Jänner dieses Jahres verstarb nach langer schwerer Krankheit em.o. Universitätsprofessor DDr. Dr. h.c. mult. Ota Weinberger, langjähriges Mitglied unseres Wissenschaftlichen Beirates. Die wissenschaftliche Gemeinschaft hat mit ihm, der von 1972 bis 1989 das Institut für Rechtsphilosophie an der Grazer Karl-Franzens-Universität leitete, einen der ganz großen Logiker und Rechtstheoretiker verloren. In der Öffentlichkeit hingegen war er vielen hauptsächlich als mahnende Stimme gegen Dogmatismus und politischen Irrationalismus bekannt. Seine Autorität verdankte sich freilich nicht allein den Argumenten, sondern auch einer Le- bensgeschichte, die ihresgleichen sucht: Der 1919 in Brünn (Brno) geborene Weinberger wur- de zuerst als Jude von den Nazis ins KZ verbracht, um danach als Demokrat von den Kom- munisten drangsaliert zu werden. 1968, während der Niederschlagung des Prager Frühlings, nutzte er die Gelegenheit, die ihm eine Teilnahme am Weltkongress für Philosophie in Wien bot, und kehrte nicht mehr in seine Heimat zurück. Immerhin konnte er noch seine Rehabili- tierung erleben und 2004 die Ehrendoktorwürde der Brünner Masaryk-Universität entgegen- nehmen. Was bleibt, sind ein umfangreiches Werk und die Erinnerung an eine Persönlichkeit, welche die schlimmsten Totalitarismen des 20. Jahrhunderts buchstäblich hautnah erleben musste und sich dennoch ihren Humanismus bewahrte. (Christian Hiebaum)

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