Dokumentation des Fachgesprächs vom 17.01.2020 in Berlin

WENN DIE MUTTER LESBISCH LEBT(E)

Fälle von Sorgerechtsentzug bei Müttern, die in Beziehungen mit Frauen lebten

UNS GEHT‘S UMS GANZE IMPRESSUM

Herausgeberin Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion Platz der Republik 1 11011 Berlin www.gruene-bundestag.de

Verantwortlich MdB Sprecherin für Frauen- und Queerpolitik Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion Platz der Republik 1 11011 Berlin E-Mail: [email protected]

Redaktion Franziska Krause, Amelie Schillinger und Jerzy Szczesny

Bezug Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion Info-Dienst Platz der Republik 1 11011 Berlin Fax: 030 / 227 56566 E-Mail: [email protected]

Redaktionsschluss April 2021

| Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | 04/2021 INHALT |

Vorwort ...... 5

Wenn die Mutter Lesbisch lebt(e) - Fälle von Sorgerechtsentzug bei Müttern, die in Beziehungen mit Frauen lebten ...... 5 Fachgespräch vom 17.01.2020 ...... 5

Anträge ...... 38

Bundesweite Studie – Sorgerechtsentzug bei und Diskriminierung von Mütternmit lesbischen Beziehungen und ihren Kindern

04/2021 | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion |

4 | Sorgerechtsentzug | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | VORWORT

Liebe Leser*innen, die Trennung von der Mutter verursacht, wird dies verstehen. Darum gilt mein Dank allen, die an als wir Grünen im Januar 2020 zum Fachgespräch diesem Fachgespräch mitgewirkt und vor Ort „Wenn die Mutter lesbisch lebt(e) - Fälle von gesprochen haben. Sorgerechtsentzug bei Müttern, die in Beziehungen mit Frauen lebten“ in die grüne Bemerkenswert waren der wertschätzende Bundestagsfraktion in den Deutschen Bundestag Umgang aller Anwesenden miteinander und die eingeladen hatten, um über das bis dahin enorme Resonanz auf dieses dreistündige, tabuisiertes Unrecht auszutauschen, war noch informative und auch berührende Fachgespräch. nicht absehbar, wie und worauf sich die Corona Es hat auch verdeutlicht, dass dieses Thema, die Pandemie auswirken würde – besonders Angst vor einem Sorgerechtsentzug, für alle geschlechterpolitisch. Auch deshalb kommt dieser nachvollziehbar ist unabhängig von ihrem Reader später als geplant. Lebenskontext.

Aber selbst wenn uns die Pandemie die Über die Berichte der Fälle von Konsequenzen von fehlender geschlechtersensibler Sorgerechtsentzügen bei Lesben wurde deutlich, Politik in neuer Dimension vor Augen führt, ist dass die Ungleichbehandlung von Frauenpaaren dennoch klar, dass dies kein neues Phänomen ist. heute noch aktuell ist, wenn auch verlagert in Nicht nur in der Krise werden Frauen nicht oder anderer Form. Dass (Co-)Mütter immer noch ihre wenig berücksichtigt. Ihre Selbstbestimmung wird eigenen Kinder über den langen, leidvollen und an vielen Stellen eingeschränkt. Ein bislang rechtsunsicheren Weg der Stiefkindadoption unbekannter Teil dessen ist, dass Frauen über adoptieren müssen, fußt auf derselben Jahrzehnte aufgrund ihrer sexuellen Identität das lesbenfeindlichen Argumentation, die auch damals Sorgerecht für ihre Kinder entzogen bekommen schon Frauen liebende Frauen als weniger haben oder berechtigte Angst davor hatten, dass geeignete Mütter bezeichnete: Frauen oder queere ihnen das passiert. Die Auseinandersetzung mit Menschen, die sich der Heteronormativität dem Sorgerechtsentzug lesbischer Mütter bis in die entziehen, müssen „in ihre Schranken gewiesen“ 1980er Jahre einschließlich Kontinuitäten bis in werden. die Gegenwart ist mit vielen Schwierigkeiten Für mich persönlich war es keine leichte verbunden. Abwägung, Menschen öffentlich zu fragen, ob sie In dieser ersten öffentlichen Veranstaltung zum ihr Schweigen brechen wollen. Umso dankbarer Thema im Deutschen Bundestag wurde sehr bin ich für die bereichernden Beiträge der schnell klar, wie groß die Leerstelle im Expert*innen auf dem Podium und die mutigen gesellschaftlichen Diskurs ist. Das Thema ist nicht Wortmeldungen aus dem Publikum. Wir sind uns nur für die betroffenen Frauen und ihre Kinder ein sicher, dass wir mit diesem Fachgespräch einen Tabu. Auch die Menschen, die für dieses Unrecht Anfang setzen konnten, der nachhaltig wirkt. und Leid verantwortlich sind, wollen nicht darüber Dieser Reader soll die Möglichkeit geben, den sprechen. Die Suche nach Zeug*innen und Quellen wertvollen Austausch nachzuvollziehen, breiter ist mühsam und das Gefühl, zum Teil vor zugänglich zu machen und somit einen Stein ins verschlossenen Türen zu stehen, gehört zur Rollen zu bringen. Auch die Studie von Dr. Kirsten Aufarbeitung dazu. Es ist mehr als verständlich, Plötz, die vom Ministerium für Familie, Frauen, dass unmittelbar Betroffenen und Geschädigte Jugend, Integration und Verbraucherschutz in (noch) nicht die richtigen Worte finden konnten Rheinland-Pfalz in Auftrag gegeben wurde, ist und die Verletzung über das geschehene Unrecht mittlerweile im Januar 2021 mit dem Titel „… IN sehr tief sitzt. Jeder Mensch, der emotional erfasst, STÄNDIGER ANGST … - Eine historische Studie über was ein Sorgerechtsentzug der eigenen Kinder oder rechtliche Folgen einer Scheidung für Mütter mit

04/2021 | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | Sorgerechtsentzug | 3 lesbischen Beziehungen und ihre Kinder in Westdeutschland unter besonderer

Berücksichtigung von Rheinland-Pfalz (1946 bis 2000)“ veröffentlich worden.

Ich hoffe, dass beides dazu beiträgt, das Tabu und Schweigen weiter zu brechen, sodass eine Aufarbeitung und vor allem die so wichtige wissenschaftliche Arbeit weitergehen können. Der politische Prozess wird folgen – und damit hoffentlich die Aussicht auf eine Entschuldigung bei den Betroffenen und auf ihre Rehabilitation. Die grüne Bundestagsfraktion hat dazu jedenfalls einen Antrag [Anmerkung: Drucksache 19/27878] im Bundestag gestellt.

Herzliche Grüße Ulle Schauws

4 | Sorgerechtsentzug | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | WENN DIE MUTTER LESBISCH LEBT(E) - FÄLLE VON SORGERECHTSENTZUG BEI MÜTTERN, DIE IN BEZIEHUNGEN MIT FRAUEN LEBTEN

FACHGESPRÄCH VOM 17.1.2020

Ulle Schauws: Guten Tag zusammen. Ich freue besonders, dass heute dieses Fachgespräch jetzt mich sehr, dass dieser Raum zu diesem Thema so erstmals so stattfindet. Eine meiner vollbesetzt ist. Wir haben uns heute „Wenn die Schwiegermütter hat sich Ende der 1980er Jahre Mutter lesbisch lebt(e) - Fälle von mit drei damals noch relativ kleinen Kindern im Sorgerechtsentzug bei Müttern, die in Beziehungen Sauerland von ihrem Ehemann getrennt, um mit mit Frauen lebten“ zum Thema genommen. Ich ihrer Lebensgefährtin zusammenzuleben. Darüber möchte als Erstes unsere stellvertretende habe ich noch nie in einem größeren Kreis Fraktionsvorsitzende und Leiterin des gesprochen, aber sehr wohl innerhalb unserer Arbeitskreises Gesellschaftspolitik der grünen Familie. Und da sind dann natürlich auch Themen Bundestagsfraktion, Katja Dörner begrüßen, die zutage getreten. Die Ängste, die sie damals hatte. heute die Begrüßung übernimmt, und zwar die Die Frage: Kann ich das überhaupt machen? Kann offizielle Begrüßung. Meine ist jetzt nur so ein ich so leben, wie ich leben möchte? Was bedeutet bisschen informell. Aber erst mal hat Katja das das für die Kinder? Und was bedeutet das dann Wort. Und dann machen wir weiter. Liebe Katja, auch eben ganz konkret für das Zusammenleben ich übergebe an dich. mit meinen Kindern? Wird mir das noch möglich sein? Werde ich Probleme haben? Ganz konkret Katja Dörner: Vielen Dank, liebe Ulle. Ich darf Sie auch Stichwort Sorgerecht. Wie reagiert ein ganz herzlich begrüßen zu dem Fachgespräch Jugendamt oder ein Familiengericht, gerade eben, heute. Und ich muss sagen, ich bin regelrecht vor rund 30 Jahren im Sauerland? Und ich denke, überwältigt und freue mich sehr, dass wir mit dem viele hier im Saal können nachvollziehen, wie eine Thema offensichtlich einen ganz zentralen Nerv solche Entscheidungsfindung dann auch durch getroffen haben und dass es so ein großes solche Fragen mit belastet wird oder jedenfalls mit Interesse an dieser Thematik gibt. Ein Thema, das beeinflusst wird. sehr lange tabuisiert worden ist, zu dem es noch überhaupt keine öffentliche Veranstaltung Und deshalb ist es sehr gut, dass es jetzt einen gegeben hat. Und insofern bin ich sehr froh, dass öffentlichen Raum gibt, über diese Themen zu Ulle Schauws hier die Initiative ergriffen hat und sprechen. Und ich will auch noch einen weiteren so ein hochrangiges Podium für uns eingeladen Punkt ansprechen, den ich sehr wichtig finde. hat, mit dem wir dann gleich über die Thematik Unsere Veranstaltung heute ist eben nicht nur sprechen können. retrospektiv, wir gucken nicht nur zurück. Es ist wichtig, zurück zu schauen, was und warum das Es ist in diesem Kontext - ich glaube, das ist uns passiert ist. Noch heute bestimmen allen klar - Unrecht geschehen: gegenüber gesellschaftliche Haltungen, die Haltungen Müttern aber auch gegenüber Kindern. Und Einzelner, auch Entscheidungen bei Jugendämtern Unrecht muss immer ans Licht. Unrecht muss oder bei Familiengerichten. Ich glaube, da kann enttabuisiert werden. Und wir müssen Foren sich auch kein Mensch so ganz von freimachen. schaffen, in denen wir über diese Themen Wenn ich beispielsweise an die Frage denke, sprechen können. warum kann eine Stiefkindadoption bei Ich habe einen sehr persönlichen Zugang zu Frauenpaaren in einem bestimmten Landkreis diesem Thema. Auch deshalb freue ich mich eineinhalb Jahren dauern? Und warum kann in

04/2021 | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | Sorgerechtsentzug | 5 einer bestimmten Stadt oder in einem anderen Menschen als wir denken - und das betrifft Landkreis eine Stiefkindadoption nach einem Frauen, Lesben, bisexuelle Frauen und trans- und halben Jahr erfolgen? Das hat auch nicht immer intergeschlechtliche Menschen, die ich damit auch nur mit objektiven, juristischen Fragen zu tun, immer mitdenken will. Sobald man mit Menschen sondern auch mit Einstellungen, die eben bei spricht, kommt man oft an Erinnerungen oder Jugendämtern und bei Familiengerichten immer auch an Lebensrealitäten ran, die bislang Tabu noch vorherrschend sind. Ganz kleiner Exkurs. Wir blieben. Und das ist es, was wir hier tun. Es ist werden ja hoffentlich in diesem Jahr auch auch ein kleines Wagnis, ein Thema zu diskutieren, weiterhin die Chance haben, in diesem Parlament was tatsächlich im öffentlichen Raum so in dieser über die Frage Abschaffung der Stiefkindadoption Form bei einer Veranstaltung noch nicht diskutiert bei gleichgeschlechtlichen Paaren zu sprechen. Sie worden ist. wissen alle, dass wir Grüne uns schon lange, auch Wir haben auch gesagt, dass diese Veranstaltung aus Kindeswohlgesichtspunkten, genau für diese zum Ziel hat, Schweigen zu beenden. Und mit Abschaffung einsetzen. Ich hoffe sehr, dass wir das denjenigen, die das Schweigen schon beendet in dieser Legislaturperiode noch umsetzen können, haben, wollte ich gerne starten, nämlich mit zwei damit diese Frage, wie abhängig ist man eigentlich Inputs von zwei Personen, die hier schon rechts von persönlichen Haltungen, die bei von mir sitzen. Einmal Dr. Christiane Rohleder, die Jugendämtern oder Familiengerichten Staatssekretärin im Ministerium für Familie, vorherrschen, einfach so nicht mehr stellt. Jugend, Integration und Verbraucher*innenschutz Wir haben zum Beispiel ganz aktuell in der aus Rheinland-Pfalz, das ist das grüne Ministerium Familienpolitik eine große Diskussion über die in Rheinland-Pfalz von Ministerin Anne Spiegel. Frage Sorgerechtsentzug bei alleinerziehenden Und sehr herzlich auch Jutta Brambach, Vorstand Müttern im Zusammenhang mit Armutsfragen. des Dachverbands Lesben und Alter e.V. Sie beide Auch da gibt es offensichtlich sehr bedenkliche werden uns jetzt nacheinander kurze Inputs Korrelationen. Und auch das ist aber auch eine geben. Vor allen Dingen wird es hier um die Studie Frage von Gerechtigkeit gegenüber Frauen und gehen, die von Dr. Kirsten Plötz aktuell für das gegenüber Kindern. Deshalb ist unsere Land Rheinland-Pfalz erstellt wird. Über die Studie Veranstaltung heute auch eine, die aus meiner wollen wir gleich auch sprechen. Allerdings vor Sicht sehr zukunftsgewandt ist. Ich hoffe auf gute allem über den Forschungsgegenstand. Dazu Ergebnisse und einen sehr guten Austausch, damit werden jetzt Christiane Rohleder und Jutta wir für die Zukunft im Sinne der Kinder und im Brambach einen Input geben. Wie ist eigentlich Sinne der Frauen hier in diesem Haus gute dieses Thema in Rheinland-Pfalz entstanden? Wie Entscheidungen treffen können. Ich freue mich auf ist es auch vom Dachverband Lesben und Alter die Diskussion. Ich muss mich leider etwas früher begleitet? Sie haben das Wort, Frau Dr. Rohleder. verabschieden, weil ich noch eine weitere Bitteschön. Veranstaltung heute Abend habe. Das ist leider Dr. Christiane Rohleder: Ganz, ganz herzlichen manchmal so. Deshalb mache ich jetzt auch einen Dank, liebe Ulle Schauws, liebe Katja Dörner. Ich schnellen Punkt, damit ich noch möglichst viel von freue mich sehr, dass die grüne den Inputs mitbekomme. Ich bedanke mich sehr Bundestagsfraktion dieses wichtige Thema hier herzlich, dass Sie mir so lange zugehört haben. aufgegriffen hat, was wir in Rheinland-Pfalz eben Und ich freue mich auf die Diskussion. Vielen auch mit der Beauftragung dieser Studie an Dr. Dank. Kirstin Plötz aufgegriffen haben. Wir haben uns Ulle Schauws: Vielen Dank liebe Katja. Und das gerade eben auch schon ein bisschen vor der Interessante ist, als wir darüber gesprochen Veranstaltung ausgetauscht. Und da kam auch haben, diese Veranstaltung zu machen, da war noch mal ganz viel an Informationen. Ich bin sehr sofort klar, es gibt sehr viel häufiger gespannt auf die gleich folgende Berührungspunkte im persönlichen Leben von Podiumsdiskussion.

6 | Sorgerechtsentzug | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | 04/2021 Liebe Teilnehmende des Fachgesprächs, liebe, Lucy strafrechtlich verfolgt wurden. Sondern wir hatten Chebout, liebe Ina Rosenthal, liebe Jutta Brambach wahrgenommen, dass auch lesbische Frauen und alle anderen. Ich freue mich sehr, dass ich diskriminiert, ausgegrenzt, an den Rand der heute hier sein kann zu dieser Diskussion, die, es Gesellschaft gedrängt und als „Asoziale“ wurde eben schon gesagt, die erste öffentliche wahrgenommen und diskriminiert wurden. Und Diskussion zu diesem Thema ist. Ich bin nicht nur deshalb war es uns wichtig, hier auch eine Staatssekretärin. Ich bin auch Landesbeauftragte weibliche Perspektive in die Studie reinzubringen für gleichgeschlechtliche Lebensweisen und und beide Perspektiven zu beleuchten. Und das Geschlechtsidentität, Lesben, Schwule, bisexuelle, war ein absolutes Novum. Diese Studie hat zum transidente und intergeschlechtliche Menschen in ersten Mal ins öffentliche Bewusstsein geholt, dass Rheinland-Pfalz. Und deshalb liegt mir natürlich eben auch lesbische Frauen diskriminiert waren dieses Thema auch ganz besonders am Herzen. und hat auch gezeigt, wie unsichtbar und tabuisiert lesbische Liebe in den ersten zwei bis Die Studie, die wir beauftragt haben, hat den drei Nachkriegsjahrzehnten war. Und die Arbeitstitel ‚Juristische Diskriminierung lesbischer Forschungsarbeiten haben damals schon gezeigt Frauen, Entzug des Sorgerechts beziehungsweise bei dieser ersten Studie, die wir zur Aufarbeitung der elterlichen Gewalt in Rheinland-Pfalz‘. Diese der Verfolgung in den Nachkriegsjahrzehnten Studie ist ja noch in der Entstehungsphase. Daher gemacht haben, dass die Diskriminierung können wir jetzt hier auch noch nicht komplette homosexueller Menschen sich nicht auf das Ergebnisse präsentieren. Aber es gibt jedenfalls Strafrecht beschränkte, sondern viel umfassender schon sehr interessante Zwischenergebnisse war. Lesben wurden zwar nicht strafrechtlich beziehungsweise auch Erlebnisse beim Verfassen verfolgt, aber sie wurden ebenfalls diskriminiert. dieser Studie. Da wird sicher Frau Dr. Kirsten Plötz Nur erfolgte das sehr viel weniger sichtbar. Es war nachher noch was dazu sagen. Ich freue mich auch viel subtiler. Und damit ist auch diese sehr, dass Sie heute hier sein können, um uns Vorgängerstudie, für die ich mich an der Stelle persönlich noch mal einen Einblick zu geben. noch mal ganz herzlich bedanken möchte, auch Was ich gerne sagen möchte, ist, wie es zu dieser schon ein Vorreiter in der Erforschung der Studie kam. Der Landtag Rheinland-Pfalz hat im Diskriminierung lesbischer Frauen. Dezember 2012 einen einstimmigen Beschluss Im Januar 2017 wurde dann dieser gefasst, mit dem er die Landesregierung Forschungsbericht vorgelegt. Und seit Anfang 2018 aufgefordert hat, die Verfolgung von gibt es die mobile Ausstellung ‚Verschweigen, Homosexualität in Rheinland-Pfalz von 1946 bis verurteilen‘, in der die wesentlichen Ergebnisse 1973 aufzuarbeiten und das Gedenken an das auch noch mal visualisiert dargestellt werden. Und Unrecht wachzuhalten. Dieser Beschluss erging jetzt am 27. Januar wird diese Ausstellung auch in damals einstimmig von SPD, CDU, Bündnis 90 / Die der Gedenkstätte Osthofen gezeigt. Denn in Grünen. Und das Familienministerium, in dem ich Rheinland-Pfalz haben wir immer zum Holocaust- Staatssekretärin bin, hat dazu dann dem Institut Gedenktag am 27. Januar besondere für Zeitgeschichte München-Berlin einen Auftrag Veranstaltungen. Und da steht dieses Jahr auch die erteilt, diese Studie gemeinsam mit der Magnus- Verfolgung der Homosexuellen in der Nazizeit im Hirschfeld-Stiftung zu übernehmen. Und Herr Dr. Fokus. Und da wird dann auch unsere Ausstellung, Günter Grau und Frau Dr. Kirsten Plötz haben diese die auf dieser Studie basiert, vorgestellt. Studien ausgeführt. Und in dieser Studie haben wir von Anfang an zwei Forschungsschwerpunkte In dieser Studie kam zum Vorschein, dass es ins Auge gefasst, und zwar die Verfolgung schwuler anscheinend Urteile gab, in denen Frauen das Männer und auch die Diskriminierung lesbischer Sorgerecht für ihre Kinder entzogen wurde, weil Frauen. Das war uns sehr, sehr wichtig, dass wir ein solches Urteil dort gefunden wurde. Und das hier nicht nur schauen, wie war die Verfolgung zeigte, dass lesbische geschiedene Mütter die schwuler Männer, die ja durch Paragraph 175 Gefahr hatten, dass ihnen Unterhaltsansprüche

04/2021 | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | Sorgerechtsentzug | 7 verloren gingen, aber vor allem auch, dass sie das lesbischer Frauen erfahren und diese heute auch Sorgerecht für die Kinder einbüßen könnten, wenn sichtbarer wird. Und ich denke, diese Studie hat sie sich von ihrem Mann trennen, um in einer auch bundesweite Strahlkraft auf andere Projekte. Liebesbeziehung mit einer Frau zu leben. Und Es gibt immer wieder Anfragen zu der Studie und diese Hinweise, muss ich sagen, die haben mich andere Bundesländer, die überlegen hier auch zu wirklich sehr erschüttert. Und die haben auch forschen. Und ich denke, dann wird man Ministerin Anne Spiegel erschüttert. Und kurz nach insgesamt, wenn es mehrere solche dem Erscheinen der Studie haben Frau Dr. Kirsten Forschungsarbeiten gibt, auch ein Bild erhalten, Plötz und ich uns irgendwo getroffen bei einer an dem man dann weiter diskutieren kann, Veranstaltung. Und da fragte sie mich, ob wir nicht welche Folgen daraus zu ziehen wären. an der Stelle vielleicht mal weiterforschen wollten. Die Studienergebnisse wollen wir im Herbst in Und da war ich gleich Feuer und Flamme dafür präsentieren [Anmerkung: Die und habe mich sehr über diesen Vorschlag gefreut. Veröffentlichung der Studie wurde verschoben. Sie Und das haben wir dann eben auch so gemacht wurde am 14. Januar 2021 veröffentlicht]. Dazu und das Institut für Zeitgeschichte mit einer kann ich alle hier nur ganz herzlich einladen. Da weiteren Studie beauftragt, die jetzt von Dr. werden wir dann jedenfalls über diese Studie noch Kirsten Plötz erstellt wird. Und ich muss sagen, ich mehr erfahren. Und jetzt bin ich aber vor allem bin wirklich sehr gespannt auf die Ergebnisse. Ich sehr gespannt auf die Diskussion und auch auf die bin auch gespannt auf das, was jetzt noch an Beiträge hier. Vielen Dank. Erlebnissen aus dem ganzen Podium, aus dem Podium hier und aus dem Kreis der Jutta Brambach: Vielen Dank für die Einladung. Teilnehmenden insgesamt berichtet wird. Und es Ich freue mich, dass ich hier heute dabei sein darf. interessiert mich nicht nur als Landesbeauftragte Liebe Katja Dörner, liebe Ulle Schauws. Ich zähle und auch als Juristin, sondern auch persönlich. jetzt nicht alle einzeln auf, sondern fange einfach Weil für mich die Grundwerte Selbstbestimmung an. Ich bin Gründungsmitglied im Dachverband und Gerechtigkeit - das sind wirklich die Themen, Lesben und Alter und bin in dieser Funktion auch die mich antreiben. Ich habe in sehr, sehr heute hier, war aber auch viele Jahre im RuT verschiedenen Feldern gearbeitet bis jetzt. Und beschäftigt, Rad und Tat e. V., offene Initiative das ist sozusagen das Grundmotiv, was mich lesbischer Frauen, eine Einrichtung, die es seit 30 antreibt. Und Recht ist für mich das Mittel für die Jahren in Berlin gibt, und hatte dort die Leitung. Absicherung von Freiheit. Und wenn das Recht Habe damals den Besuchsdienst ‚Zeit für dich‘ mit dazu missbraucht wird, das Gegenteil zu tun, aufgebaut und bin maßgeblich mit dem nämlich Selbstbestimmung einzuschränken oder Lesbenwohnprojekt hier in Berlin beschäftigt. die Freiheit einzuschränken, dann finde ich das wirklich schlimm. Und insofern bin ich sehr auf die Warum ich das erzähle, wird euch sicherlich im Ergebnisse gespannt. Laufe des Vortrags noch deutlich. Der Dachverband Lesben und Alter ist gefragt worden, was haben Im September werden wir dann voraussichtlich die wir mit dem Thema zu tun? Der Dachverband Ergebnisse vorliegen haben [Anmerkung: Die besteht seit 2004 als Netzwerk und verbindet Veröffentlichung der Studie wurde verschoben. Sie Projekte und Organisationen im Bundesgebiet, die wurde am 14. Januar 2021 veröffentlicht]. Eine zu dem Thema Lesben und Alter arbeiten, mit dem Sache möchte ich aber jetzt schon erwähnen zu Ziel, auch älteren lesbischen Frauen eine Stimme der Studie. Es scheint ungeheuer schwer zu sein, zu geben, ihre Interessen in die öffentliche Personen zu finden, die bereit sind, Auskunft zu Wahrnehmung zu bringen und eine geben. Und dieses Schweigen ist aus meiner Sicht Seniorenpolitik einzufordern, die lesbische exemplarisch dafür, wie stark lesbische Liebe Lebensweise und letztlich tabuisiert und unsichtbar ist. Und insofern ist es Geschlechtergerechtigkeit nicht ausblendet, mir sehr wichtig, dass hier weiter geforscht wird, sondern wahrnimmt und einbezieht. Sobald wir damit wir mehr auch über die Geschichte uns nun mit Biographien und dem Erleben und

8 | Sorgerechtsentzug | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | 04/2021 Erfahrungen älterer lesbischer Frauen befassen, ist Berichte von erlittener Repression gehört, von das Thema Repression gegenüber lesbischen Frauen, die hochaltrig zum ersten Mal in ihrem Frauen sofort präsent. Das ist auch für uns im Leben von ihrer Liebe zu einer Frau von vor über Dachverband so, für die Mitgliedsorganisation und 70 Jahren berichteten. Zum Beispiel von zwei für mich nicht anders. Ich berichte hier jetzt auch Frauen, die beide in den 1950er Jahren in einem aus meinen eigenen persönlichen Erfahrungen Krankenhaus gearbeitet hatten. Aber niemand und von Erfahrungen aus meiner Tätigkeit im RuT. durfte von dieser Liebe erfahren. Angst um ihren RuT ist eine der Organisationen, die den Arbeitsplatz, Angst vor gesellschaftlicher Ächtung Dachverband mitgegründet hat und insofern hatten beide dazu gebracht, ihre wahren Gefühle berichte ich darüber jetzt auch exemplarisch für nie zu leben. Jede ist eine Ehe mit einem Mann andere Mitgliedsorganisationen, also für all die eingegangen. Sie hatten Kinder und haben ihr Kolleginnen, die dort eben arbeiten. Und das stellt Leben in völliger Selbstverleugnung gelebt. Erst, für mich hier den Bezugspunkt dar. als der Mann dann im Alter gestorben war, hat die Frau, die uns ihre Geschichte erzählt hat, es Das Thema Sorgerechtsentzug bei lesbischen gewagt, ins RuT zu kommen und sich anderen Müttern oder besser: die Angst lesbischer Mütter, Lesben anzuvertrauen. Viele ähnliche bei der Scheidung ihre Kinder zu verlieren, ist mir Lebensgeschichten könnte ich aus den Coming- aber schon sehr viel früher aus eigener out-Gruppen für Frauen im späten Coming-out Lebenserfahrung begegnet. Ohne jedoch, dass wir erzählen, die wir viele Jahre im RuT durchgeführt damals tatsächlich diese im Raum stehende haben. In diesen Gruppen waren erlebte Bedrohung explizit so benannt hätten. War gar Repression, Berichte von Leben, die die Frauen als kein Thema. Vor vielen Jahren, war ich selbst in an sich vorbeigelebt dargestellt haben, von zwei lesbischen Müttergruppen aktiv. Mehrere Ängsten auch zu diesem Zeitpunkt, das war in den Jahre in einer bundesweiten und später in einer 80er, in den 90er Jahren, sich offen zu ihrer regionalen Gruppe. Das war Ende der 1970er und Lebensweise zu bekennen aus Angst um die in den 1980er Jahren. Ich kann mich noch sehr Kinder, Angst vor Ablehnung der Familie, der gut daran erinnern, wie eine Mutter aus dem Nachbar*innen, Arbeitskolleg*innen. Berechtigte Münchner Raum um ihr Kind gekämpft hat. Sie Ängste, wie wir damals erleben mussten, denn hatte sich nach langem Zögern und nach einer Bedrohung von Arbeitsplatz, Angriffe durch langen Zeit des Versteckens und der Nachbar*innen, Kinder, die sich abgewendet Selbstverleugnung dafür entschieden, sich zu ihrer haben, waren aktuelle Themen. Das Ausmaß an Freundin, sprich zu sich selbst zu bekennen, und Repressionen, an Selbstverleugnung aus großer musste nun erleben, wie sie an den Pranger Angst heraus ist bedrückend und ist in meinen gestellt wurde und letztlich auf verlorenem Posten Augen eine Art der Gewalt gegen Frauen liebende war. Über uns allen schwebte diese Frauen, die bisher in keiner Weise thematisiert, unausgesprochene, unbenannte Bedrohung. Die geschweige denn öffentlich diskutiert wird. meisten Mütter hatten mehr oder weniger Probleme bei der Auseinandersetzung um das Auch auf unseren Fachveranstaltungen, die wir im Sorgerecht, also die lesbischen Mütter aus diesen Dachverband seit 2004 durchführen, treten immer Gruppen. Und sei es, weil die Männer sich lediglich wieder Frauen an uns heran. Repressionen nicht finanzielle Vorteile bei der Scheidung auf der nur im Faschismus, auch über die 50er, 60er und Grundlage der Angst der Mütter erstritten. weitere Jahre hinaus. Das sind weitgehend blinde Flecken. Auch innerhalb der Community, muss Die Angst um das Sorgerecht sieht der man dazu sagen. Psychiatrisierung, das haben wir Dachverband aber auch nicht nur als einzige Form eben schon gehört, als asozial oder psychisch der Repression, der lesbische Frauen ausgesetzt krank abgestempelt, weggesperrt. Aber eben sind. In den Jahren, in denen ich den selten juristisch verfolgt, wie mit dem Paragraph Besuchsdienst im RuT mitaufgebaut und geleitet 175. Lesbisches Leben wurde oft fast auf eine Stufe habe, habe ich immer wieder bedrückende gestellt mit Prostitution, Drogen,

04/2021 | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | Sorgerechtsentzug | 9 Alkoholabhängigkeit, unfähig, ein geordnetes draus. Da gab es einfach überhaupt keine Leben zu führen, als Mutter dem Kindeswohl Resonanz. Was lässt sich sagen? Die Biographien abträglich. Frauen sind Ehen eingegangen, haben und die besondere Situation von Frauen liebenden Kinder bekommen, haben sich dem immensen Frauen, von Frauen, die ihr Leben unabhängig von gesellschaftlichen Druck beugen müssen, um einem Mann gestalten, gibt es vor allem weiße gesellschaftlicher Ächtung zu entgehen. Sie haben und viele blinde Flecken in diesem Land, und zwar ihre wahren Bedürfnisse, ihr wahres Ich auf allen Ebenen. Da stellen ein großes Problem, unterdrückt. Oftmals nicht zuletzt auf Kosten der das muss ich jetzt sagen in meiner Rolle auch für physischen und seelischen Gesundheit und vor das RuT, diskriminierende Strukturen dar. Wie die allem auf Kosten eines selbstbestimmten, erfüllten funktionieren, konnten wir im Kampf um die Lebens. Schöneberger Linse für das Lesbenwohnprojekt gerade miterleben. Der Dachverband als Sprachrohr älterer und alter lesbischer Frauen nimmt sich dieser Themen Ich meine damit aber auch Strukturen, die zwangsläufig an. Dafür wurde er ins Leben verhindern, dass all das Unrecht, das lesbischen gerufen. Insofern liegt es nah, dass wir alles dafür Frauen, lesbischen Müttern widerfahren ist, als tun, die öffentliche Diskussion dieser Themen zu Unrecht, das es aufzuklären und zukünftig zu befördern, damit überhaupt erst mal ein verhindern gilt, überhaupt benannt wird. Warum Bewusstsein dafür hergestellt wird. Bisher wird wird es von Jurist*innen, von Verantwortlichen in lesbischen Frauen oft genug noch abgesprochen, der Verwaltung, in der Politik nicht aktiv überhaupt von Repression betroffen zu sein. Und angegangen? Außer heute jetzt hier natürlich. in Bezug auf lesbisch lebende Frauen verstärkt sich Geschlechtergerechtigkeit anzupacken wäre auch, der Nicht-Wahrnehmungseffekt noch mal durch was Forschung anbetrifft, an der Zeit. Da muss ich die gesellschaftliche Ungleichbewertung von gar nicht den Mainstream oder die lesbische Männlichkeit und Weiblichkeit. Kristen Plötz war Sichtbarkeit bemühen. Ich denke, es ist überfällig, an der Gründung des Dachverbands beteiligt. endlich auch Forschung explizit auf lesbische Insofern sind wir natürlich im Kontakt. Sie war Frauen auf die Agenda zu setzen. Es ist überfällig, selbst im Vorstand. Und wir sind im Austausch die Androhung von Sorgerechtsentzug über ihre Forschung und natürlich auch darüber, unmissverständlich als Repression gegenüber wie der Dachverband das unterstützen kann, sie lesbischen Frauen einzuordnen. Der Dachverband unterstützen kann oder auch, wie wir gemeinsam wünscht sich und fordert bundesweite Erforschung Themen angehen können. dieses Kapitels deutscher Geschichte und die politische Aufarbeitung ein. Generell von Dem Dachverband ist massiv daran gelegen, lesbischer Repression und insbesondere auch Repressionen lesbischen Lebens auch generell zu Sorgerechtsentzug. Optimalerweise mit dem Ziel thematisieren und in das öffentliche Bewusstsein der Rehabilitierung oder eben zumindest einer und die Diskussion zu bringen. Dazu ist unserer öffentlichen Entschuldigung. Hier könnte jetzt ein Meinung nach intensive Forschung auf guter Anfang gemacht werden oder wird gemacht. Bundesebene notwendig. Das Thema des Dankeschön. Sorgerechtsentzugs kann dafür ein guter Einstieg sein. Es sollte aber nicht die einzige Blickrichtung Ulle Schauws: Herzlichen Dank, liebe Christiane sein. Der Dachverband stellt sich gerne als Rohleder, liebe Jutta Brambach. Das war sehr Organisation für Forschungsprojekte oder als eindrücklich, zu hören, wie die Studie, zumindest Kooperationspartnerin zur Verfügung. in Rheinland-Pfalz, initiiert worden ist. Was aber auch noch mal deutlich geworden ist, ist der Wir hatten vor Jahren schon mal darum gekämpft, Kontext. Und da danke ich noch mal ganz herzlich. ist jetzt schon viele Jahre her, Forschung zu Denn die Einsortierung, was heißt eigentlich lesbischen Themen, das hatte auch Kirsten damals lesbisches Leben, ist nicht nur für das Thema in die Hand genommen und angeschoben, auf den Sorgerechtsentzug wichtig, sondern für den Weg zu bringen. Da wurde bisher leider nichts

10 | Sorgerechtsentzug | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | 04/2021 gesamten Kontext, den man hier mitbetrachten das aber nicht in der Tiefe beleuchten. Wie gesagt, muss. Es zeigt sich deutlich, wie wenig das Thema wir wagen uns heute erstmalig an dieses Tabu. besprechbar ist, wenn die Situation für Frauen Und deswegen möchten wir Grüne im Bundestag liebende Frauen so war wie Jutta sie beschrieben heute gerne in einem zweiten Schritt, nach dem hat. Dass das Wort lesbisch in den letzten 20 Gespräch über die Studie, über das Thema Jahren überhaupt erst benutzt wurde und dass es Kontinuitäten sprechen. Gibt es heute noch darum auch weiterhin Tabus gibt, müssen wir Kontinuitäten? Ein Beispiel ist die Art und Weise mitbedenken. wie die Diskussion zur „Ehe für alle“ im deutschen Ich finde das richtig, dass auch der Blick erweitert Bundestag in der letzten Wahlperiode gelaufen ist. wird. Aber was wir heute natürlich tun, ist ein Oder die Stiefkindadoption für Frauenpaare und hochemotionales Thema anzugehen. Es ist so wie das Thema Abstammungsrecht für lesbische wichtig, aber eben nicht ganz so leicht. Weil wir und bisexuelle Frauen gelöst werden kann. Dazu nicht über Ergebnisse sprechen, sondern genau haben wir ihn dieser Wahlperiode einen über das, was gerade schon gesagt wurde: Wo Gesetzentwurf vorgelegt [Anmerkung: Drucksache kommen die ganzen Tabus her? Und wo sind sie? 19/2665]. Ich erinnere mich an die Diskussionen, Und findet man eigentlich die Punkte, bei denen wie sie hier in diesem Haus zu diesem es weitergehen kann? Uns ist heute wichtig, so Gesetzentwurf gelaufen sind. Und an die ganz am Anfang stehend, erstmals öffentlich Argumente, die hier auch immer noch genannt miteinander über ein Thema zu sprechen, bei dem wurden: ob es denn wirklich, wirklich gut sein wir nur ahnen können, was der Entzug von kann, dass Kinder in rein homosexuellen Kindern bei Menschen auslöst, was das auch für Beziehungen aufwachsen. Ob da nicht Dinge Kinder ausmacht im Laufe ihres Lebens. fehlen. Da haben wir eine Fortsetzung dieser Denkstruktur. Auch der Blick darauf, was hat dies zur Folge. Was ist vielleicht auch in Bezug auf weitere Das Thema macht einen fassungslos, mich auch. Forschungen dazu bundesweit notwendig? Was Ich würde deswegen auch noch einmal sagen, soll dem irgendwann folgen? Das werden wir dass, egal was wir nach der Öffnung des Themas in sicherlich auch heute tun. Genauso wichtig ist es die Diskussion tun - das Wichtigste ist eine ebenso, über die Angst zu sprechen, über die verantwortungsvolle, eine achtsame Art und Weise Atmosphäre, in der Frauen über Jahrzehnte mit des miteinander Sprechens. Und auch des dem Thema und mit der Sorge und Angst vor übereinander Sprechens. Über diese Situation, die einem Entzug der Kinder oder andere Repressalien viele Menschen sehr verletzt hat: die Mütter und gelebt haben. die Kinder. Und zu bedenken, dass es vielleicht auch nach wie vor so ist, und es vielleicht auch Ich habe einen Artikel aus der TAZ von 1988 dazu hier im Raum Menschen gibt, die betroffen sind. gefunden, der auch die Überschrift hatte: „Kein Auch das müssen wir auf dem Schirm haben. Und Sorgerecht für Lesben.“ Es war also mal in den ich sage auch noch mal explizit, wir haben heute 1980er Jahren Thema. Kurz. Und dann war es das Thema queere, bisexuelle und lesbische wieder weg. Bei der TAZ, glücklicherweise immer Frauen. Ich weiß, dass es auch weitere Betroffene sehr progressiv, war das schon auf den Punkt gibt. Ich weiß, dass es Sexarbeiterinnen gibt. Ich gebracht. In der zweiten Überschrift hieß es weiß, dass die Situation für trans- und nämlich: „Weil Mama Frauen liebt, ist der Sohn in intergeschlechtliche Eltern noch um einige Gefahr. Das Dortmunder Familiengericht Facetten erweitert, bzw. erschwert sein kann. Es entscheidet patriarchal.“ Das Wort ist jetzt heute gibt andere Kontexte, in denen Sorgerechtsentzug noch nicht gefallen. Aber darum geht es auch hier. stattfindet. Heute haben wir entschieden, über Es geht um patriarchale Systeme. Lesbische, lesbische, bisexuelle und queere Frauen zu reden. bisexuelle und queere Frauen entziehen sich oft Keine Ausgrenzung, aber es ist der Fokus heute. diesem System. Und das ist gefahrvoll. Wir werden

04/2021 | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | Sorgerechtsentzug | 11 Deswegen würde ich jetzt direkt einsteigen mit Dr. mich, dass sie kommen konnten und heute unsere Kirsten Plötz. Kirsten Plötz ist Historikerin, Diskussion bereichern. erforscht lesbisches Leben während des 20. Die erste Frage, die ich an Sie habe, Frau Dr. Plötz, Jahrhunderts in Deutschland. Aktuell ist sie ist: Der Moment, in dem Sie in Ihrer Arbeit in der diejenige, die als Historikerin die Studie aus Studie durch das Ministerium in Rheinland-Pfalz Rheinland-Pfalz bearbeitet und, wie wir gehört auf die ersten „Fälle” gestoßen sind, können Sie haben, sollen im September die Ergebnisse sich daran erinnern, was Ihr erster Impuls war? vorliegen [Anmerkung: Die Veröffentlichung der Was haben Sie gemacht? Sie kannten das Thema Studie wurde verschoben. Sie wurde am 14. vorher schon. Aber als Ihnen das so wirklich Januar 2021 veröffentlicht]. Deswegen werden wir begegnet ist, was war das Ziel, was Sie in dem hier auch nicht über Ergebnisse und Moment vor Augen hatten? Zwischenergebnisse sprechen. Und in Anerkennung dieser schwierigen Rolle sage ich: Dr. Kirsten Plötz: Das ist gar nicht so leicht zu Vor vielen geschlossenen Türen zu stehen und beantworten. Erst einmal möchte ich für die diese Forschung auch, so schwierig, wie sie ist, so Einladung danken und dafür, dass das Thema so anzugehen, finde ich sehr gut. Schön, dass Sie aufgegriffen wird und auch für das Interesse. Das heute gekommen sind und trotzdem berichten, freut mich sehr. Tatsächlich kann ich leichter obwohl es noch nicht um Ergebnisse geht. Das ist beantworten, wie es mir ging, als die Zeitzeugin nicht so einfach, denn alle fragen immer nach sich an mich wandte. Ich hatte ja für die erste Daten und Zahlen. Wer ist betroffen? Wie viele sind Studie, von der Frau Dr. Rohleder schon betroffen? Aber - darüber reden wir heute nicht. gesprochen hat, verschiedene Veranstaltungen gemacht in Rheinland-Pfalz, weil ich Als nächstes stelle ich Ina Rosenthal vor. Sie leitet Zeitzeuginnen gesucht habe und gehofft habe, seit September 2019 das RuT. Jutta Brambach hat wenn ich kurze Vorträge halte über Aspekte der das ja eben dargestellt. RuT, das ist Rad und Tat lesbischen Geschichte, dass sich dann am ehesten für offene lesbische Initiative e. V. in Berlin. Ina welche zur Verfügung stellen würden, aus ihrer war aber auch Interimsmanagerin in Geschichte zu erzählen. verschiedenen NGOs, hatte 15 Jahre lang eine Praxis für psychologische und pädagogische Nach einer Veranstaltung hat sich dann eine Frau Beratung in Süddeutschland, hat demnach bei mir gemeldet, die sagte, dass ihr das Kind Beratungserfahrung und ist unter anderem auch genommen wurde. Und ich konnte das im ersten im Landesvorstand und frauen- und Moment gar nicht richtig glauben. Ich mache geschlechterpolitische Sprecherin der Grünen wirklich schon lange lesbische Geschichte. Aber Berlin. das war mir als größeres Thema gar nicht so präsent. Das war auch in die Überlieferung der Lucy Chebout, Rechtsanwältin für Familien- und Repressionsgeschichte nicht eingeschrieben. Ich Erbrecht in Berlin und Mitglied im Deutschen hatte das nur gelegentlich von einigen mal gehört. Juristinnenbund, war unter anderem Auch in der Bewegung, die ich teilweise ja wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für mitbekommen habe über Lesbenfrühlingstreffen öffentliches Recht und Geschlechterstudien der und so weiter, war das selten ein Thema. Mich hat Humboldt-Universität zu Berlin wie auch am es ehrlich schockiert, dass ein Gericht mit der Wissenschaftskolleg zu Berlin. Und ihr ausdrücklichen Begründung, dass eine Mutter, die Forschungsinteresse und ihre Publikationsthemen, jetzt nicht mehr heterosexuell lebt, also die nicht auch da haben wir schon eine Zusammenarbeit mehr dem „normalen“ Familienleben zur gehabt, sind das Abstammungsrecht, Sexismus Verfügung steht, sich so gewandelt habe, dass es und Homophobie sowie sexuelle und überhaupt nicht gut wäre für das Kindeswohl, geschlechtliche Identität im deutschen Recht. Ich wenn diese Mutter die Kinder hätte. Wobei alle begrüße sie alle drei sehr, sehr herzlich und freue sich darin einig waren, dass die Kinder sehr unter dem Verlust der Mutter gelitten haben. Dennoch

12 | Sorgerechtsentzug | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | 04/2021 blieb das Gericht bei dieser Meinung. Das hat mich Lucy Chebout: Ja, das mache ich sehr gerne. Auch schockiert. von mir vielen Dank für die Einladung. Vorweg geschickt: Was hier schon angesprochen wurde, Ich habe dann ohne Auftrag, einfach, weil ich spiegelt sich in der rechtlichen Literatur absolut gedacht habe, damit muss ich doch mehr machen, wider. Das Thema Sorgerechtsentzug bei lesbischen hier und da ein bisschen gesucht in verschiedenen Müttern ist weitgehend unsichtbar. Ich habe in Quellen. Vor allem erst mal in den etwas leichter Vorbereitung auf die heutige Veranstaltung alle zugänglichen. Wer schon mal lesbische Geschichte einschlägigen Datenbanken auf gerichtliche betrieben hat, weiß, die Quellensuche ist enorm Entscheidungen, juristische Kommentarliteratur aufwendig, weil das Lesbische sehr häufig in der und so weiter durchforstet. Die wenigen Großgruppe der Homosexuellen, die dann doch Entscheidungen, die jedenfalls zugänglich sind, überwiegend männlich gemeint sind, oder der und das große Schweigen im Übrigen, bilden die Frauen, die dann doch überwiegend heterosexuell geschilderten Erfahrungen überhaupt nicht ab. gemeint sind, verschwindet. Es ist wirklich eine Darin besteht meines Erachtens schon die erste ambitionierte Spurensuche, auf die man sich Problematik: Das erfahrene Unrecht wird durch die begeben muss. Sonst kann es nicht gelingen. dominante Perspektive im Recht – beispielsweise, Ich habe ein paar Quellen zusammengesucht und wie Rechtsgeschichte geschrieben wird – nicht habe das verschiedentlich bei Fachtagungen erfasst. vorgestellt. Dabei stieß ich darauf, dass anderen, Um auf die Frage zurück zu kommen, über was die in dem Bereich forschen, eigentlich auch reden wir eigentlich im rechtlichen Sinne? Es geht nichts darüber bekannt ist und dachte immer um folgende Problematik: Zwei Eltern sind mehr, das muss aufgearbeitet werden. Und miteinander verheiratet. Sie haben das glücklicherweise war ich gerade dabei, nach gemeinsame Sorgerecht. Dann trennen sie sich Rheinland-Pfalz zu ziehen. Also wegen der Liebe, und lassen sich scheiden. Bis in die 1990er Jahre nicht wegen des Auftrages (lacht). Und wir haben haben die Gerichte im Fall der Scheidung von Amts uns beim CSD in Koblenz getroffen. Und ich habe wegen – das heißt, ohne, dass die Beteiligten mir ein Herz gefasst und habe Sie, Dr. Rohleder, einen Antrag stellen mussten – über die Frage angesprochen und habe gefragt, wäre vielleicht entschieden, was mit dem Sorgerecht für ein irgendetwas zu machen, dass man das gemeinsames Kind passiert. Ganz lange war nach untersuchen könnte. Und glücklicherweise ist das dem Gesetz und in der Rechtsprechung die Land Rheinland-Pfalz tatsächlich, was das angeht, Tendenz, das Sorgerecht nach der Scheidung auf das aufgeschlossenste Bundesland von allen. nur einen Elternteil zu übertragen. Dass beide Bemerkenswert. Als Niedersächsin wusste ich das Eltern auch nach der Scheidung gemeinsam vorher gar nicht (lacht). Ja. Also, beantwortet das sorgeberechtigt bleiben, ist heute der Normalfall. so ein bisschen die Frage? Früher war das anders. Bis 1977 gab es die Ulle Schauws: Ja, das beantwortet im Prinzip die Ehescheidung nach dem so genannten Frage. Das heißt, dann ist wirklich auch der Schuldprinzip. Grob gesagt, wurde bei der Auftrag entstanden. Und vielleicht ist es an dieser Scheidung festgestellt, welche Person – manchmal Stelle auch sinnvoll, Lucy Chebout schon einmal zu waren es auch beide – die Schuld am Scheitern fragen: Wenn man jetzt auf diese Zeit der der Ehe trug. Das ist natürlich längst abgeschafft Betroffenen, ich nehme ich an, das war auch ein und die Schuldfrage schon lange keine Fall aus den 1980er Jahren, zurück guckt, wie ist Voraussetzung mehr, um geschieden werden zu das gewesen, Lucy Chebout? Also, können. Damit spielt – streng rechtlich gesehen – Sorgerechtsentzug, wie war das? Wie muss man die Schuldfrage auch beim Sorgerecht keine Rolle sich das vorstellen? Bis wann ging es um die mehr. Möglicherweise war es aber auch nach der Schuldfrage? Vielleicht ist an dieser Stelle eine Abschaffung nicht ganz irrelevant, warum die Ehe historische Einsortierung nötig. Können Sie das gescheitert war. versuchen?

04/2021 | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | Sorgerechtsentzug | 13 Das Gericht entschied also bei der Scheidung, auf heterosexuelles, heteronormatives Ehebild wen es das Sorgerecht übertragen soll. Wie aufrechtzuerhalten, ergo ist sie nicht beantwortet es diese Frage? Das große Schlagwort erziehungsgeeignet, ergo entspricht es nicht dem lautet „Kindeswohl“. Das Kindeswohl ist ein Kindeswohl, wenn sie das Sorgerecht bekommt. Es Begriff, der im Gesetz nicht definiert ist – bis bleibt freilich auf Grund der fehlenden heute nicht –, der aber durch Rechtsprechung, dokumentierten Rechtsfälle eine Spekulation, aber durch Rechtstraditionen, durch Lehrmeinungen es wäre der denkbare Hintergrund, wie es zu und Kommentarliteratur geprägt und ausgeformt solchen diskriminierenden Entscheidung kommen ist. Es gibt verschiedenen Kriterien, die für das konnte. Kindeswohl als relevant angesehen werden. Das ist Ulle Schauws: Wo sind diese Beispiele einmal das so genannte Förderprinzip oder auch niedergeschrieben? Wo sind die her? Wer orientiert die Erziehungsfähigkeit eines Elternteils – auch sich daran? das ein auslegungs- und interpretationsoffener Begriff. Ein weiterer Kindeswohlaspekt ist der so Lucy Chebout: Es sind Beispiele aus der genannten Kontinuitätsgrundsatz, also, wo hat das Rechtsprechung, im Grunde also alles einzelne Kind bisher gelebt? Außerdem wird der Kindeswille Entscheidungen, die aber Orientierungsfunktion berücksichtigt und die Bindungstoleranz der Eltern haben. Das Kindeswohl ist wie gesagt ein wird überprüft. unbestimmter Rechtsbegriff, den das Gesetz selbst nicht definiert. Wenn ein Gericht nicht weiß, wie Ich möchte mich hier konzentrieren auf die Frage es den Begriff also auslegen und anwenden soll, der Erziehungseignung oder Erziehungsfähigkeit dann schaut es sich an, wie andere Gerichte das als Kindeswohlkriterien. Wenn wir die Geschichte bisher entschieden haben und orientiert sich der Diskriminierung von lesbischen Frauen und vielleicht daran. So entsteht dann eine potentiellen Sorgerechtsentzug nachvollziehen herrschende Meinung, wie bestimmte Begriffe zu wollen, dann erscheint mir dieser Ansatz als interpretieren sind und so werden daraus rechtlich Einfallstor in der Rechtsprechung. Ein paar feststehende Kategorien. historische Beispiele, wann die Gerichte der Ansicht waren, dass eine Mutter nicht Die Beispiele, die ich genannt habe, sind aber erziehungsgeeignet sei (und das Sorgerecht daher wirklich im historischen Kontext zu sehen. Ich auf den Vater allein übertragen wurde): (1) wenn denke – und hoffe – heute ist jedenfalls klar, dass ein Kind in einer Kommune aufwächst, die die die sexuelle Orientierung, die private Lebensweise Institution der Ehe prinzipiell ablehnt; (2) wenn des Elternteils nicht kindeswohlrelevant ist. Aber ein Elternteil „eine fremde oder die eigene Ehe da kommen wir ja vielleicht noch hin. bedenkenlos zerstört“; oder (3) wenn ein Elternteil nach der Trennung mit einem verheirateten Ulle Schauws: Ich komme noch mal zurück zu Partner zusammenlebt, „so dass angenommen Kirsten Plötz. Jetzt haben wir gerade die werden kann, dass dieser das Wesen der Ehe nicht Einsortierung gehört. Bei Ihrer Forschung, wie sind vermitteln kann.“ Die Beispiele verdeutlichen, was Sie da vorgegangen? Sie haben gerade eben von für manche Gerichte so die Vorstellungen von einem Beispiel einer Frau gesprochen, die auf Sie erziehungsgeeigneten Eltern waren, welche zugekommen ist und Ihnen das erzählt hat. Was Rollenerwartungen so an Eltern gestellt wurden sind andere Beispiele? Welche Gründe sind Ihnen und was sie ihren Kindern vorleben sollten. Mir begegnet, für das, was diesen Personen scheint, dass dies der rechtliche Hebel war, um widerfahren ist? Wo ist die Schwierigkeit, vielleicht Frauen, die aus einer heterosexuellen Ehe auch dieser Personen, darüber zu sprechen? Wie ausgebrochen sind und fortan mit einer Frau haben Sie Ihre Forschung dann begonnen? zusammenlebten, das Sorgerecht für ihre Kinder zu Dr. Kirsten Plötz: Also, ich habe natürlich weitere entziehen. Eben mit dem Argument, die Mutter Zeitzeuginnen gesucht. Das schien mir sehr lebt lesbisch, ergo ist sie nicht in der Lage, ein – naheliegend. Und da war ich zunächst auch als einzig rechtmäßig empfundenes –

14 | Sorgerechtsentzug | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | 04/2021 einigermaßen zuversichtlich, weil ich immer einigermaßen überrascht, dass das so wieder bei der Präsentation von durchgehend war. Forschungsergebnissen erlebt hatte, dass lesbische Wie gesagt, ich mache ja schon lange lesbische Frauen es zu schätzen wissen, wenn die Geschichtsschreibung. Dass das ein so schwieriges Geschichte aufgearbeitet wird, und dann auch was Thema werden würde, war mir zu Anfang nicht dazu sagen. Also, immer nur ein paar, aber das bewusst; dass es mit so viel Scham verbunden ist habe ich durchaus so erlebt. und es so wenige öffentliche Räume gibt, wo Bei diesem Sorgerechtsthema bin ich auf darüber gesprochen wird. Und wir kennen das unglaubliche Stille gestoßen. Das hatte ich nicht auch aus anderen Gruppen, die diskriminiert vermutet. Gerade, nachdem ich ja auf dieses wurden und die in der Öffentlichkeit nicht Thema stieß, weil eine Frau mir von sich aus vorkamen. Die ersten Versuche, dass das dann darüber berichtet hatte. Sie hatte glücklicherweise doch öffentlich wird, sind häufig zaghaft und nicht auch noch das Urteil. Das half mir über die gerade einfach. Zwischenzeit, wo ich irgendwann zweifelte, ob ich Ulle Schauws: Also, das ist genau das, dieses da überhaupt zusätzlich irgendwas Handfestes Schweigen oder auch dieses Nichtredenkönnen kriegen kann oder wenigstens mehrere Aussagen beschreibt es sehr gut, das wird deutlich. Die von Müttern. Also, glücklicherweise hatte ich mit Schwierigkeit, auf die Sie stoßen, ist dass die der ersten Zeitzeugin schon das große Los gezogen. Betroffenen, Frauen mit ihren Kindern, sagen: das Ich war danach überrascht, wie wenige darüber zu ist so verletzend oder so riskant, dass ich da nicht sprechen bereit waren. Auch von denen, die ich drüber reden kann. Deswegen die Frage an Ina kannte; auch flüchtig, aber die ich kannte. Da Rosenthal. Aus der Beratungserfahrung, aus dem, haben mehrere gesagt: „Damit möchte ich mich was vielleicht auch Menschen bei Trennung und nicht mehr beschäftigen. Das ist Vergangenheit. Scheidung berichten und was Frauen in den Das möchte ich hinter mir lassen.“ Einige haben Beratungen gesagt haben, wie können wir gesagt, sie haben damals mit sehr großer Mühe einsortieren, wenn Frauen sagen: Ich kann nicht und unter sehr hohen persönlichen Kosten, die darüber reden oder ich will das Kapitel hinter mir häufig finanzieller Natur waren, irgendeine lassen. Es ist zu verletzend. Wie ist das Vereinbarung mit dem Kindsvater hingekriegt. Und einzusortieren als Beraterin, als Fachfrau aus dem sie werden diese auf gar keinen Fall riskieren. Auf Kontext Pro Familia? Vielleicht kannst du mal keinen Fall! Also, sie haben sich – das ist sicher einfach versuchen, das einzusortieren strafrechtlich nicht relevant, sondern im Ina Rosenthal: Dankeschön. Genau, ich sitze hier Alltagsverständnis – erpressen lassen. Und wir im Namen von RuT heute, aber eben auch mit der kennen das von Menschen, die sich erpressen Berufserfahrung im Gepäck. Ich habe lange Zeit lassen: Die schämen sich häufig dafür. Das haben Trennungs- und Scheidungsberatung gemacht bei sie auch getan. Pro Familia in Baden-Württemberg, explizit in Also, etliche Väter haben, so wurde es mir Freiburg und in Lörrach und ein paar anderen jedenfalls erzählt, gedroht: „Wenn du das Kind Städtchen. Also, in einem Raum, der zwar nicht verlieren willst, dann musst du auf irgendwie ein bisschen großstädtisch ist, aber im finanzielle Ansprüche aus der Ehe verzichten.“ Großen und Ganzen viel Klientel aus dem Viele haben es getan, aber waren nicht bereit, ländlichen Raum angezogen hat. Also, nur mal, darüber zu reden. Ich bin darauf überwältigend um diesen Kontext zu beschreiben. oft gestoßen. Die allermeisten, die ich gefragt Als ich Ihnen und Euch eben zugehört habe, sind habe, haben gesagt, sie reden da nicht drüber. Sie mir ganz viele Sachen eingefallen und ich finde, werden mir kein Interview dazu geben. Das heißt, das ist wieder exemplarisch für das Thema. Wir ich habe immer wieder Aussagen gesammelt, die hatten es ganz kurz vorhin. Das Tabu ist so ich aber wissenschaftlich nicht verwerten darf. markant, dass ich selbst, obwohl ich mich als Und ich war und ich bin wirklich davon auch

04/2021 | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | Sorgerechtsentzug | 15 dahingehend reflektiert und feministisch und Und das Lustige ist – oder lustig ist es gar nicht. lesbisch aktiv arbeitende Person bezeichne, dass Das Traurige ist, dass ich ein ganz ähnliches Unrechtsempfinden teilweise so verdeckt habe, Gespräch mit einer Klientin vor einem Jahr hatte. dass wir erst in den Gesprächen merken, ja, Mit einer Frau, mit der ich eigentlich Moment, was ist uns denn da passiert? Und nebenberuflich eine Beratung gemacht habe, die deswegen ist das so unglaublich wichtig, dass wir sich in einer Krise, in einer Ehekrise befand und diese Veranstaltung heute haben. sich trennen wollte. Sie hatte einen Migrationshintergrund und in den Gesprächen Ich möchte einmal damit anfangen, was mir kam dann heraus, dass sie eigentlich in eine Frau gerade an Klientinnengesprächen durch den Kopf verliebt ist und dann irgendwann die Beratung ging, die ich natürlich alle sehr, sehr allgemein abbrach, weil sie gesagt hat: „Ich würde mich das halte. Im Speziellen habe ich zwei Briefe nie trauen, so zu leben, wie ihr lebt.“ Also, das rausgesucht habe, die ich leider auch nicht bezog sich dann auf meine Familie. „Ich könnte offenlegen kann. Mit den Menschen müsste man das nicht, obwohl ich das gerne tun würde.“ vielleicht noch mal reden. Das sind Briefe von zwei Frauen, die mir damals in meiner Arbeit als Ich glaube, dass diese Angst und diese Tabus noch Trennungs- und Scheidungsberaterin Briefe unglaublich tief verwurzelt sind. Vielleicht nicht geschrieben haben, nachdem sie die Beratungen juristisch, aber in diesem, ich nenne es einfach abgebrochen haben. mal, Allgemeinwissen. Das ist eher ein gefühltes Wissen von diesen Menschen. Und deswegen ist es Als dazu ganz kurz: Wer mich nicht so gut kennt; wichtig, dass wir anfangen, darüber zu sprechen, ich selber bin lesbische Mutter von zwei wie Frau Plötz gerade gesagt hat. Also immer Pflegesöhnen, die mittlerweile über 30 sind, einer wieder rauszugehen und zu sagen: Ja, das ist leiblichen Tochter, die 27 ist, und zwei Bonus- Unrecht. Also, niemand darf uns als lesbischen Kindern zwischen 18 und 15. Das heißt, ich habe Müttern drohen, die Kinder wegzunehmen aus der in unterschiedlichsten persönlichen Tatsache, weil wir lesbisch lieben oder eine Frau Erfahrungsbereichen Kontakt gehabt mit lieben. Meine Theorie, ich bin keine struktureller Diskriminierung, direkter Wissenschaftlerin, keine Juristin, ist, dass lesbische Diskriminierung, Drohungen und so weiter. Die Frauen deswegen juristisch nicht so auftauchen Frauen, also bei Pro Familia, haben das gewusst. oder in diesen Urteilen, weil sie auch da Ich habe immer offen gelebt. Ich habe immer unsichtbar gemacht werden, weil sie gar nicht als bewusst offen gelebt, auch mit meinen Kindern das benannt werden. und auch im Pflegebereich, weil ich gar nicht anders konnte. Ich glaube, ich bin einfach so. Ich habe mit meiner damaligen Partnerin zwei Jungs in Pflege gehabt, später auch noch eine Diese Frauen haben mir sehr rührende Briefe Tochter. Mir hat damals das Jugendamt gesagt: Wir geschrieben. Ich erinnere mich besonders an eine würden Ihnen ja gerne auch mehr Kinder Frau, die war im gleichen Alter und hatte eine schicken. Also, wir hatten ein großes Haus, Tochter im gleichen Alter wie meine Tochter wohnten am Waldrand. Wir waren beide damals, hat sich bedankt für das Gespräch und Therapeutin, also hatten beide das Resümee, was mir, ich weiß nicht, drei oder vier Seiten über ihre so ein Jugendamt gerne sieht. Uns war klar, wir Situation geschrieben als Frau, die lesbisch liebt, nehmen auch schwierige Kinder und natürlich aber nicht lesbisch leben kann und verheiratet ist. auch Kinder mit Behinderung. Und die wollten ein Der Brief hörte dann mit den Sätzen auf, dass sie Kleinstheim, so nennt man das in Baden- sich nie trauen würde, so zu leben wie ich, denn Württemberg, mit uns zusammen gestalten, also sie müsste dann in Angst um ihre Kinder leben. sieben Kinder. Alle in der Pubertät. Alle schwer Das war jetzt noch im Kontext von im weitesten erziehbar. Hätten sie gerne gehabt. Haben wir Sinne einer sehr religiösen Gemeinschaft, in der gesagt, machen wir. Wunderbar. Gar kein sie gelebt hat. Das hat mich sehr berührt.

16 | Sorgerechtsentzug | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | 04/2021 Problem. Das kriegen wir hin. Wir haben Platz. Wir Frau an ein Kind, noch nicht so. Das heißt, die haben Zeit. meisten sind eben tatsächlich aus heterosexuellen Beziehungen oder heterosexuellen Kontexten Die Frage war dann, wer von uns das denn entstanden. Da war diese Bedrohung Sorgerecht machen würde. Darauf haben wir dann gesagt: Ja, immer da. Und wenn wir jetzt zu offensiv werden, wir machen das zusammen. Wir wohnen hier. Die und wenn wir jetzt zu weit nach draußen gehen, Antwort darauf war dann, das ginge nur, wenn wir dann können die uns die Kinder wegnehmen. Das das als Alleinerziehende machen. Also jede von war und ist in meiner Erfahrung bis heute in den uns sieben. Dann würden auch 14 gehen. Was Köpfen der Männer und dann auch in denen der juristisch gar nicht geht, aber gut. Und ich weiß, Frauen. Manchmal ausgesprochen und manchmal dass hier Frauen sitzen, die auch die Erfahrung unausgesprochen. gemacht haben, gerade mit Jugendämtern, die dann sagen: Ja, wir tolerieren das mit dem Wir wurden zum Beispiel im Kontext unserer Lesbischsein. Wir nennen das aber nicht so. Muss Nachbarschaft - von wegen Sprache noch mal - man ja nicht. Es geht ja niemanden an, was Sie sind wir mal auf unseren unmoralischen privat machen. Sie sind alleinerziehend. Also ich Lebenswandel angesprochen worden. Also, das weiß das aus anderen Kontexten, auch in der wurde im Kontext nicht als: Ach, Sie sind ja ein Beratung. Diese Frauen sind immer als lesbisches Paar. Sondern: Also, die sind alleinerziehend, als schwierig, als psychisch irgendwelche Frauen mit Kindern. Und das ist angeschlagen, labil und so weiter betitelt worden ziemlich unmoralisch. Und da muss man mal und in dem Kontext auch in den Jugendämtern genau hingucken, was die machen. Aber alles das, aufgetaucht. was wir machen, ist, dem endlich Namen, Begrifflichkeiten, Stimme und Öffentlichkeit Deswegen möchte ich, dass wir darüber sprechen geben. und sagen: Nein, wir waren nicht psychisch labil. Wir waren verliebt. Da ist jeder in einem gewissen Ulle Schauws: Ich fand das jetzt wirklich noch mal Maße labil (Lachen aus dem Publikum). Aber eher wichtig. Nicht nur über die persönlichen Kontexte im positiven Sinne vielleicht. zu hören, die du aus deinem Erfahrungshintergrund auch mit den Behörden Noch eins ganz kurz, dann höre ich schon auf. Was gerade noch mal sehr deutlich gemacht hast, mir auch noch eingefallen ist. Ich habe sondern dass du die Situation vor allem auch tatsächlich, das hatte ich vergessen, vor 25 Jahren atmosphärisch dargestellt hast. Denn das mit meiner damaligen, mit der gleichen Partnerin, beantwortet ein Stückweit schon die Frage nach mit der ich diese Pflegekinder hatte, überlegt, es den Kontinuitäten. Ich glaube, dass auch die muss doch andere lesbische Mütter geben. Und rechtliche Ebene und die politische Diskussion, dann haben wir angefangen, die zu suchen und also wo sind wir, über was streiten wir, haben damals einen Verein gegründet, der hieß mittlerweile sehr konkret besprochen wird. Die “Furien und Compañeras” Das waren um die 50 Lebensrealität und der Alltag von Menschen und lesbische Mütter, die wir da versammelt haben. der gelebte Alltag von Lesben sehen in der Tat Wir haben Bundestreffen veranstaltet, weil wir noch sehr anders aus. Diese Bedrohung ist gesagt haben, wir wollen jetzt mal wissen, was vielleicht nicht mehr so im Alltag da. Ich habe sind denn das für andere Frauen? Und das war keine Kinder. Oder wir haben keine Kinder, meine hoch spannend, weil da wirklich aus der ganzen Frau und ich. Aber ich weiß, dass ich auch im Republik plötzlich ganz viele Frauen da waren und familiären Kontext Diskriminierung erlebt habe, wir dachten, wir sind gar nicht so komisch. Davon die vielleicht eher in die andere Richtung gingen. gibt es ganz viele. So nach dem Motto: Ihr seid lesbisch. Ihr könnt Und eines der wichtigsten Gesprächsthemen war, keine Kinder kriegen - also die klassische, wie gehen wir mit den Vätern um? Damals gab es biologistische Sichtweise auf die Dinge. Und der diese Alternativen, wie kommt man als lesbische Vorwurf, der daraus resultiert, lautet: „Eigentlich

04/2021 | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | Sorgerechtsentzug | 17 habt ihr keine Daseinsberechtigung.“ Ich habe das rechtlich zu rekonstruieren, ist schwierig und man so erlebt am Kaffeetisch mit 20 Verwandten. müsste wohl sehr genau nachgraben und schauen. Einfach so ein Satz, wo ich dachte: cool. So was zu Was ja auch deutlich wurde: viele Fälle sind sagen und keiner widerspricht hier. Das ist jetzt vielleicht gar nicht gerichtlich dokumentiert, überwunden. Aber es hat gedauert. sondern wurden außergerichtlich geklärt. Die Tatsache, dass sich die Frauen auf Kompromisse Lucy Chebout, ich würde Sie gerne bitten, uns einließen, macht das Unrecht nicht weniger. Auch rechtlich einzuordnen, was an Tabu da ist, was das müsste man sich genauer anschauen: Zu auch immer noch nicht ausgesprochen wird und welchem Preis gab es eine Einigung? War es die dadurch entstehende Schwierigkeit, an die bewusstes Vermeidungsverhalten oder war die Akten, an Dokumente, an irgendwas zu kommen, Drohkulisse einer gerichtlichen Entscheidung so in denen belegt ist, dass wir Sorgerechtsentzug groß, dass die Frauen lieber zurücksteckten? nachweisen können. Sie haben es eben schon gesagt. Dies ist im Zuge des Aufklärungsprozesses Ansonsten kann man sich fragen, ob vergleichbare extrem schwierig. Das ist eine große Hürde. Und es Entscheidungen auch heute noch möglich sind. stellt sich natürlich die Fragen: Ist Unrecht Dazu muss man sagen, die familienrechtlichen eigentlich nur dann Unrecht, wenn es sichtbar Fälle werden in erster Instanz vom Familiengericht wird? Was machen wir, wenn es nicht sichtbar entschieden, das heißt, von einem Einzelrichter wird? Vor dieser Hürde stehen wir. Was könnten oder einer Einzelrichterin. Da erscheint im Grunde Dinge sein, über die wir dann reden können? Wie alles möglich – gerade bei so können wir uns annähern? Gibt es Möglichkeiten, interpretationsoffenen Begriffen wie dem an Jugendamtsunterlagen zu kommen? Also, ich Kindeswohl. Wenn ich da beispielsweise einen gebe gleich dazu auch einen kleinen Input, aber Richter sitzen habe, der einer rechten Partei die Frage will ich noch mal vorweg stellen: Wo zugewandt ist, dann würde ich nicht ausschließen, sind noch Probleme, über die wir reden sollten? dass der auch heute noch (oder wieder) auf die Das könnte auch gleich von Ihrer Seite, von Seiten Idee kommt, zu sagen, eine lesbische Lebensweise der Teilnehmenden kommen. Aber ich will die finde ich nicht kindeswohldienlich. Es gibt dann Frage erst mal an Sie als Juristin stellen. natürlich den Instanzenzug und damit jedenfalls gewisse Sicherungsmechanismen um zu Lucy Chebout: Ich glaube, darauf kann ich keine verhindern, dass eine solche Fehlentscheidung juristische Antwort geben. Wenn man das Thema über die Instanzen hinweg auch rechtskräftig wird. rechtshistorisch aufdecken will, müsste man wohl Aber für die Betroffenen bedeutet das eine enorme sämtliche Gerichtsarchive durchforsten und nach Belastung und es ist auch nicht sicher, ob jede*r Akten suchen. Also alle Akten suchen, die die Kraft und die Ressourcen hat, sowas auch Sorgerechtsentscheidungen betreffen und sich durchzukämpfen. Also im Grunde, ja, besteht auch dann ganz genau anschauen, mit welchen heute noch die Gefahr, dass Einzelrichter so Argumenten wurde was entschieden. Interessant entscheiden und gibt es leider auch in der sind ja vor allen Dingen die nicht veröffentlichten jüngeren Geschichte durchaus Beispiele, die Entscheidungen. Die öffentlich zugänglichen zeigen, dass das Verständnis im Recht für Entscheidungen scheinen das Problem ja nur ganz gleichgeschlechtliche Lebensweise, für trans, inter, ausnahmsweise zu behandeln. nicht-binäre Geschlechtsidentitäten entweder Ich habe in Vorbereitung auf diese Veranstaltung nicht vorhanden ist, oder auf einem in diversen feministisch-juristischen Netzwerken Alltagsverständnis im Sinne von Halbwissen oder herumgefragt, ob Richterinnen oder Anwältinnen auch Vorurteilen basiert. Fälle aus ihrer eigenen Praxis kennen. Auch da Ulle Schauws: Ich habe das erwartet, dass wir waren die Antworten eindeutig. Mehrere heute häufiger vor gefühlt geschlossenen Türen Richterinnen, die zum Teil schon viele Jahrzehnte stehen. Die Überlegungen, wie gehen wir weiter, Familienrichterinnen sind, sagten mir, dass sie werden eine Schwierigkeit bleiben, auch bei sich an keinen Fall erinnern könnten. Also, das

18 | Sorgerechtsentzug | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | 04/2021 weiteren Gesprächen oder bei einer bundesweiten „Da die Einrichtung ursprünglich ihren Sitz in Erforschung. Die Forschung ist ja, wie gesagt, in Berlin hatte, zur Vergrößerung des Hauses dann in Rheinland-Pfalz erst mal nur exemplarisch. den Schwarzwald gewechselt ist, gab es anfänglich Problematisch wird es genauso bleiben. noch „Ur-Berliner-Mädchen“. Irritiert hat mich dann, als dann circa 1974/75 vereinzelt Mädchen Es gibt natürlich noch eine andere Ebene, über die im Alter von 9-14 Jahren aus Berlin aufgenommen ich hier kurz noch was sagen möchte. Denn ich wurden. Zu dieser Zeit gab es reichlich Anfragen glaube, das gehört zu der Bandbreite unseres aus dem nahen Umfeld. Die Mädchen aus Berlin Gespräches heute dazu. Es ist natürlich so, dass wurden von den „Ur-Berlinerinnen“ gut wir auf der einen Seite lesbische Mütter, bisexuelle aufgenommen. Es gab interne Gespräche Frauen haben, die das Sorgerecht entzogen untereinander, aber keinerlei Aussagen zu den bekommen haben. Und die Kinder verblieben Erzieherinnen - anfänglich auch nicht zu den beim Vater oder wurden ihm zugesprochen. Was es „Einheimischen Mädchen“. Wortfetzen, wie „die aber auch gegeben hat, sind Fälle, in denen das beste Freundin/ Geliebte meiner Mutter“, meine Sorgerecht entzogen worden ist, und die Kinder Mama 2, meine zweite Bezugsperson“ etc. haben sind in Heime gekommen. Darüber gibt es auch mich aufhören lassen. Durch viele Bekundungen, sehr wenige Informationen. Wir haben aber Verbindlichkeiten und Empathie hat es lange glücklicherweise im Vorfeld zu dieser Veranstaltung gedauert, bis vereinzelt einige Mädchen von eine Zeitzeugin gefunden, die heute aus Wegnahme von der Schule, Isolierung, Einsperrung familiären Gründen nicht hier sein kann. Ihr Name ansatzweise berichtet haben. ist Betty Thie. Wir haben sie getroffen und mit ihr sprechen können. Wir haben ihre Erfahrungen mit Auf mehrfach intensiver Nachfrage bei der ihr besprochen und noch mal ein bisschen Heimleitung wurde dann im Teamgespräch recherchiert. Ich habe die Erlaubnis auch, heute erläutert, dass diese Mädchen geschützt werden eine kurze Information, die sie uns verschriftlicht müssen, vor Missbrauch, vor Entwicklungsstörung hat, vorzulesen. durch das unsoziale Verhalten und das schlechte Vorbild der Mutter. Diese führe zu einer akuten Der Kontext ist ein Kinderheim in einer kleinen Kindeswohlgefährdung und berechtige den Entzug Stadt in Baden-Württemberg. Wir haben dazu des Sorgerechts. Diese Mädchen seien verlorene auch noch mal im Stadtarchiv Nachforschungen Seelen und müssten mit Gottes Hilfe in rechte angestellt. Betty Thie ist heute über 70 und hat als Bahnen geleitet werden. Das Personal wurde junge Frau als Erzieherin dort in Baden- angehalten, dies als vertraulich zu handhaben; Württemberg gearbeitet, also ist von Berlin aus eine Art Ansage: Sprechverbot zu Außenstehenden dort zum Arbeiten hingegangen. Es gab eine - dies galt auch unter den Kolleginnen. familienähnliche Beziehung zu der Leiterin dieses Kinderheims, Nenntante sagte sie, und so kam sie Die betroffenen Mädchen haben selbst sehr wenig aus Berlin zu der Arbeit in Baden-Württemberg. von den Vorkommnissen nach außen dringen Bei unseren Recherchen haben wir auch das lassen - aus Angst vor Sorge um die Mutter - vor Gründungsprotokoll von 1952 gefunden. Dort Ausgrenzung, Repressalien und Makel. Da bestand wurde das Vorhaben so beschrieben: Wir wollen ein permanentes Abhängigkeitsverhältnis. einen Verein gründen, der die Aufgabe hat, Mehrfach haben einige Mädchen versucht, praktisch an der Erziehung schwieriger und gemeinsam nach Berlin aufzubrechen, per gefährdeter junger Mädchen zu arbeiten. Es wurde Anhalter, mit dem Zug oder zu Fuß - mit dem dann ein heilpädagogisches Kinderheim für Ergebnis der Rückführung (meist durch Polizei oder schwierige und gefährdete junge Mädchen im persönlicher Abholung mit PKW) - oft folgte Schwarzwald gegründet. Und zu der Arbeit in danach Isolierung (Zeit zum Nachdenken und der diesem Kinderheim hat sie uns Folgendes Reue). geschrieben: Kontakte zu den Müttern oder Partnerinnen gab es über zensierte Briefkontakte, gelegentliche

04/2021 | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | Sorgerechtsentzug | 19 Telefonate. Besuche wurden unterbunden. Frauen ihre Kinder teilweise in den Familien der Vereinzelt gab es erlaubte Besuche über Vormund. Väter belassen haben. Das war ja sicherlich Ab 1976/77 endeten die Aufnahmen der Berliner gekoppelt an die Coming-out-Schwierigkeiten, die Mädchen. Durch die Hausordnung wurden eh jeder Mensch im Coming-out, in der persönliche Kontakte zu den Mädchen ungern Selbstoffenbarung hat, eine zusätzliche gesehen, reglementiert und auch getadelt.“ Erschwerung, eine zusätzliche Scham. Und uns heute hier hinzustellen und zu sagen: So Leute, Und Betty Thies persönliche Anmerkung war dann und jetzt erzählt doch mal. Wie war das denn? Das noch: „Trotz aller Umstände habe ich mich an die scheint mir fast logisch. Also, in den Seite der Mädchen gestellt, sie bestärkt und Beratungsarbeiten mit Frauen, die ich erlebt habe, ermutigt.“ die ein Kind zurückgelassen haben, warum auch Das hat uns Betty Thie geschrieben. Ich lasse das immer, weil es einem genommen wurde, weil man jetzt mal einen Moment sacken, denn es ist schon, selber nicht konnte, weswegen auch immer, dann glaube ich, sehr eindrücklich. Ich kann aber ist das mit einer solchen tiefen Scham besetzt, vielleicht auch noch mal einsortieren. Betty Thie dass die Frauen ganz selten überhaupt darüber hat uns das noch mal auch geschrieben. Ich bin reden können. Deswegen ist glaube ich das Erste, sehr dankbar, dass sie das gemacht hat. Aber auch was wir tatsächlich tun können, in die Welt zu sie hat gesagt, sie hat ganz lange darüber auch gehen und darüber zu reden, so wie wir das jetzt nicht reden können. Also auch sie als Zeitzeugin, tun. die als Erzieherin in diesem Heim war, erzählte, Das hat, wenn wir historisch ein bisschen zurück dass Informationen über tatsächliche gucken, beim Thema sexualisierte Gewalt, beim Sorgerechtsentzüge aufgrund der sexuellen Thema Missbrauch, hat das funktioniert. Wir Identität der Mutter dort für sie nicht sehr haben angefangen öffentlich darüber zu reden. offensichtlich waren, weil es auch kaum Zugang zu Und in dem Moment beginnen die Filme und die Akten gab. Deshalb hat sie selbst auch so lange Erinnerungen in den anderen Köpfen. Und gebraucht, bis sie über das Thema sprechen deswegen müssen wir immer viel, ganz viel - und konnte und hat wirklich auch noch mal in ihrer das wäre meine Aufforderung an alle, lasst uns Erinnerung kramen müssen, um uns nach unserem alle ganz viel darüber reden und es in die Welt Treffen noch mal eine Verschriftlichung ihrer verteilen. Lasst uns mehr solche Orte schaffen. Erlebnisse per Mail zu schreiben. Und die Frage ist Deswegen brauchen wir Forschung. Deswegen in der Tat, gibt es auch Recherchen in brauchen wir Veröffentlichung, die das anspricht, Unterbringung von so genannten damit Frauen, die so was erlebt haben, diese schwererziehbaren Heimen von Kindern, von Artikel lesen, diese Bücher lesen, diese Reden Mädchen, aber auch von Jungen? Vielleicht sind hören und sagen: Mensch, das ist mir auch das auch noch Zugänge. Ina Rosenthal, wie ist in passiert. Und jetzt ist der Raum so sicher, dass ich Deinem Beratungskontext auch die Unterbringung darüber reden kann oder mir zumindest Hilfe von Kindern in Heimen Thema gewesen? suchen kann, um darüber reden zu lernen. Das ist Ina Rosenthal: Dazu kann ich tatsächlich auf die Spätfolge. deutscher Seite wenig berichten, weil ich mit dem Das ist ja ganz oft so, wenn wir jetzt noch weiter Heimkontext eher auf der schweizer Seite zurückgehen in die 1940er, 1950er Jahre, je gearbeitet habe. Daher bin ich da nicht ganz so nachdem, in welchem Land wir uns jetzt gerade vertraut. Ich würde aber ganz gerne etwas gedanklich aufhalten, dass den Müttern die Kinder ergänzen, was ich eben vergessen habe zu sagen. entzogen wurden, weil die Mütter „hysterisch“ Ich glaube, wenn wir uns, gerade nach diesem waren, weil sie als psychisch krank, als labil Bericht, verinnerlichen, mit welcher Form von galten. Man hat Homosexualität eben gerne in den Traumatisierung wir es da auch zu tun haben von Schatten oder in der Regel mit Sexarbeit, den Müttern, denen die Kinder gewaltsam mehr Prostitution, in ein ausschweifendes Sexualleben, oder weniger entzogen wurde, mit wie viel Scham

20 | Sorgerechtsentzug | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | 04/2021 was die Kinder gefährden könnte, Pädophilie habe mit einer Mutter. Die hat, wie viele andere gepackt. Das wurde immer in eine etwas, ja, auch, als ganz junge Frau geheiratet, weil sie der verruchte Gegend gesteckt. Und dieser Kinder Meinung war, außer der Ehe gibt es keinen wurde man entzogen. Und dann gerade in diesem anderen Lebensentwurf. Das war in den späten christlichen Kontext. Also das, was sie da 1960er Jahren. Und da galt, haben wir auch schon beschreibt, kenne ich zumindest aus Baselland aus gehört, noch das Scheidungsrecht von 1961 bis einem Kinderheim ähnlich, auch wenn ich nicht 1977, das es Frauen, die entdeckt haben, dass die wortwörtlich belegen könnte, dass das Kinder aus Ehe nicht ihr richtiger Platz ist, außerordentlich homosexuellen Familien oder von homosexuellen erschwert hat, da wieder rauszukommen - Müttern waren. Aber dieses: Wir müssen Kinder außerordentlich erschwert bis unmöglich gemacht. davor bewahren. Die Frau war also in einer Ehe, hat sich in eine Diese Kinder, die dann in den Heimen sind, also, andere Frau verliebt, hat darüber in ihren die auch von ihren Eltern wegkommen, nehmen Kalender etwas geschrieben. Das hat ihr Mann eine tiefe Verunsicherung mit. Eventuell ist die entdeckt. Es kam dann zu Auseinandersetzungen Mutter gegangen, mehr freiwillig. Das weiß man darum, in welcher Form die Ehescheidung laufen als Kind ja nicht, warum. Warum ist das so? soll. Er wollte sie nicht gehen lassen. Sie war aus Warum ist die Mutter jetzt aus dieser Beziehung seiner Sicht sein Eigentum. Sie wollte aber gehen. gegangen? Und jetzt kann ich da nicht mehr Das müssen sehr schwierige Auseinandersetzungen leben. Jetzt muss ich plötzlich woanders hin. Was gewesen sein. Und sie war damit ganz alleine. Es habe ich falsch gemacht? Also, das haben wir auch gab ja überhaupt keine Beratungen, keine in anderen Kontexten von Kinderheimen, dass die Zeitschriften, gar nichts. Also, die Frau hat Kinder ja erst mal anfangen, an sich selbst zu jedenfalls ihr Kind zurückgelassen. Und dafür zweifeln oder an ihrem Verhalten und das für viele hatte sie schon viel verhandeln müssen. Das war nicht nachvollziehbar ist und natürlich nachrangig schon ein aus ihrer Sicht gutes da die Beziehung und Kontext zu eigenen Familien Verhandlungsergebnis. erDie Rechtslage hat ganz völlig verloren gehen. Auch zum eigenen Selbst, klar vorgeschrieben: wer schuldig geschieden wird, also zur Identitätsfindung. Da ist ein Haufen Arbeit verliert das Sorgerecht für die Kinder. Man ahnt, begraben, glaube ich. dass sich das strafend gegen die Frauen richtete, obwohl es neutral formuliert wurde. Das heißt, es Und deswegen, ja, ich kann einfach nur betonen, war klar, als schuldig Geschiedene - ihr Mann hat wie wichtig es ist, wirklich darüber zu reden. ja den Kalender gefunden - verlor sie das Einmal auch für die Kinder, hey, was deine Mutter Sorgerecht. Und er hatte nun gesagt, wenn sie sich da gemacht hat, das war kein Unrecht. Die konnte nicht fügt und vor allem finanziell sehr in dem Kontext nichts dafür. Die hat dich nicht ungünstigen Regeln nicht zustimmt, dann verliert zurückgelassen, weil du nicht liebenswert warst sie auch noch das Umgangsrecht. Dann sieht sie oder weil du zu schwierig warst oder wie auch ihr Kind nie wieder. Das heißt, sie hat also ihr immer. Ich glaube, dass Forschung und Kind verlassen und dem Kind nicht gesagt, was Öffentlichkeit die Wege sind, die eine Chance Sache war. Einfach, weil sie Kontakt zu ihrem Kind geben, dieses Unrecht zumindest, ja, in die haben wollte, weil sie es wenigstens, ich glaube, Öffentlichkeit, ins Licht zu bringen. zweimal im Monat für ein paar Stunden sehen Ulle Schauws: Kirsten Plötz, wie ist das? Wie wollte. Ich glaube, so war die Regelung. Das steht begegnet Ihnen das in der Forschung? Wie nicht in solchen Urteilen: Die Vereinbarungen, die begegnet Ihnen das auch im Zusammenspiel mit außergerichtlich getroffen werden und wo das denen, die berichten? Oder was ist Ihre Erfahrung möglicherweise nach ganz einvernehmlichen und in dieser Studie damit? friedlichen Regelungen aussieht, die können furchtbare Hintergründe haben. Diese Frau hat mir Dr. Kirsten Plötz: Ich habe eben, als ich das gehört übrigens auch erzählt, dass sie eine ganze Weile habe, an ein Interview gedacht, das ich geführt damit gerungen hat, ob sie überhaupt ein

04/2021 | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | Sorgerechtsentzug | 21 Interview geben möchte. War auch sehr aufgeregt. mir einfielen. Alle möglichen Verbände, z. B. Aber nachdem sie das alles erzählt hatte, hat sie Juristinnenbund. Auch die Landesregierung hat gesagt, es hat ihr sehr gut getan, das mal zu natürlich unterstützt und Familienverbände teilen, mal loszuwerden und auch zu wissen, dass angefragt und so weiter. Und ich habe immer das in die lesbische Geschichte eingeordnet wird. wieder Vorträge gehalten. Ich bin sogar wieder bei Das war ihr sehr wichtig. Facebook gelandet (lacht). Also, ja, ich habe einfach sehr verschiedene Wege gesucht und war Ulle Schauws: Ihnen sind also in der Forschung auch in vielen Bereichen. Bis hin zu Gesprächen sowohl gerichtliche Verfahren als auch mit dem Landfrauenverein. Habe gedacht, wir außergerichtliche Verfahren in den Geschichten probieren das jetzt alles. Und im Prinzip habe ich der Gesprächspartnerinnen begegnet. Und die häufig eine Aufgeschlossenheit gegenüber dem Frage von guter Mutterschaft oder Schuldfrage, ist Thema erlebt. Ich habe häufig erlebt, dass welche das dabei ein Thema gewesen? Also die Frage gesagt haben: Das wusste ich gar nicht. Klar, da auch, was Ina Rosenthal gerade so beleuchtet hat. helfen wir. Aber in der Regel kamen nicht so viele Immer, wenn ich ein Kind zurücklasse, ist das harte Fakten dabei raus. Eindrücke kamen, ein…, ja, wie hast du es gerade genannt? teilweise auch persönliche Erfahrungen. Aber Ina Rosenthal: Scham. wenige Gutachten, Urteile und andere harte Fakten. Ich habe ja nicht nur Mütter gesucht, die Ulle Schauws: Genau. Scham. Ist das was, was die das erlebt haben, denen entweder das Kind Frauen sagen? Ist das was, was sie zum Thema wirklich genommen wurde oder die mit dieser machen? Oder ist es auch etwas, was sie gar nicht Bedrohung fertigwerden mussten. Sondern ich äußern? habe ja auch andere Akteurinnen und Akteure gesucht. Dr. Kirsten Plötz: Das kann ich, glaube ich, im Moment schlecht beantworten. Also, Scham spielt Ulle Schauws: Welche? eine Rolle. Aber so grundlegend – ich habe ja jetzt lange Material gesammelt. Und ich bin noch am Dr. Kirsten Plötz: Zum Beispiel Juristinnen, Systematisieren. Also, diesen Aspekt, den habe ich Juristen, Leute, die beim Jugendamt gearbeitet noch nicht durchgehend beleuchtet, ob das haben und so weiter. Und ich habe mit einer gelegentlich gesagt wird oder nicht. Im Person ein Interview dann tatsächlich auch Wesentlichen wird es nicht gesagt, ist mein geführt, die beim Jugendamt gearbeitet hat in den Eindruck. 80er und 90er Jahren. Nicht in einer Großstadt. In Rheinland-Pfalz. Ich hatte sie ein paar Mal in Ulle Schauws: Wenn ich mir das vorstelle, dass Sie anderen Zusammenhängen getroffen. Und wirklich auch auf der Suche sind. Und das haben deswegen hat sie sich die Mühe gemacht, ein wir ja von Jutta Brambach vorhin gehört. Also bisschen gründlicher über mein Anliegen Lesben und Alter e. V. begleitet ja auch die nachzudenken. Weil ihr erster Impuls nämlich war: Forschung. Ich frage mich: Erfahren Lesben davon, Nein, dazu habe ich nichts zu berichten. Weil kein dass es diese Forschung gibt? Wie funktioniert es, Fall über ihren Tisch gewandert ist, wo tatsächlich dass Sie Gesprächspartnerinnen finden, die dann „lesbisch“ oder „homosexuell“ gestanden hat. doch sprechen? Also, wie sind die Wege bisher? Wir Dann hat sie aber freundlicherweise noch mal ein haben ja gehört, wie schwierig es ist. Mögen Sie bisschen länger drüber nachgedacht. Und dann vielleicht einfach noch mal auch die Wege, wie Sie fiel ihr ein, da waren mindestens zwei Paare, die wirklich die Gesprächspartnerinnen gefunden ziemlich sicher eine gleichgeschlechtliche haben, kurz beschreiben? Wie müssen wir uns das Beziehung geführt haben. Also, zweimal lesbische vorstellen? Elternpaare, die jeweils nach Ehescheidungen zusammenlebten. Im Prinzip war die freundlichste Dr. Kirsten Plötz: Dazu kann ich jetzt auch noch Haltung des Jugendamtes, nicht wissen zu wollen, nichts Systematisches sagen. Also, ich habe welche Art von Beziehung die Frauen hatten, weil zunächst einfach in alle Richtungen gefragt, die

22 | Sorgerechtsentzug | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | 04/2021 das Jugendamt selber sehr konservativ eingestellt lange die lesbische Liebe vollkommen ignoriert war. Also, mehr als zehn Jahre, nachdem das haben, ist es auch so, dass es insgesamt eher das spielte, was sie mir erzählt hat, gab es dann ein Bild gibt von einer lesbischen Frau, dass sie bisschen Aufregung, weil im Jugendamt eine unverheiratet durch das Leben geht. Aber verheiratete Mutter tatsächlich in Vollzeit arbeiten tatsächlich haben viele Frauen, zumindest die, die wollte. Die Geschlechterbilder im Jugendamt ungefähr so um 1930 geboren waren und dann in waren teilweise auch wirklich unglaublich den späten 50ern, frühen 60ern ganz junge konservativ. Das kann man durchaus auch als Frauen waren, von denen haben sehr viele wohlgemeinte Geste verstehen, wenn geschwiegen geheiratet, weil sie eben überhaupt keine wurde. In diesem Fall war es so. Das macht aber Alternative kannten. Auch sonst haben aber durch das Auffinden jetzt unglaublich schwierig. Also, die die Jahrzehnte eine ganze Reihe von Frauen erst Schwierigkeiten liegen eigentlich in jedem Bereich mal geheiratet, weil das von ihnen erwartet irgendwie ein bisschen anders. Und deswegen wurde, und haben vielleicht dann irgendwann kann ich jetzt, im Moment zumindest, noch keine festgestellt, dass sie Frauen lieben und begehren generelle Antwort auf die Frage geben, wie lassen und im Grunde gerne mit Frauen leben würden. sich denn Quellen und Aussagen von Dieses Bild, dass lesbische Frauen im Wesentlichen Zeitzeuginnen finden. Das ist schwierig zu sagen. unverheiratet sind und keine Mütter, das hilft auch nicht bei der Aufarbeitung. Also, es wäre mir Ulle Schauws: Das ist auch gar nicht die auch eine Freude, wenn das Bild vom lesbischen Erwartung, will ich direkt sagen. Nicht irgendwas Leben ein bisschen breiter angelegt werden Systematisches. Aber können Sie uns eine würde, ein bisschen bunter wäre. Es ist ja Vorstellung davon geben, wie die Quellen sind, die hinzugekommen, dass es auch eine ganze Menge Sie zur Verfügung haben? Wie sind Sie an die lesbische Paare inzwischen gibt, die innerhalb gekommen? Und danach machen wir eine kurze ihrer Beziehung Eltern werden. Aber soweit ich Pause machen und dann gucken wir auf die weiß, ist der Großteil der lesbischen Frauen, die Kontinuitäten. Aber vorab diese zwei Fragen. mit Kindern leben, nach wie vor diejenigen, die Einmal auf der einen Seite: Wie ist der Kontakt mit mit Kindern aus heterosexuellen Beziehungen betroffenen Kindern, die wahrscheinlich heute zusammenleben. Es ist wichtig, das im Kopf zu Erwachsene sind. Und die zweite Frage stelle ich behalten. direkt hinterher. Sie haben es eben schon gesagt, dass man über das Thema redet, ist gut. Gibt es Ulle Schauws: Was ist mit Kontakt mit Kindern? auch von Betroffenen, die mit Ihnen reden, die Dr. Kirsten Plötz: Ich habe mit zweien gesprochen. Aussage, dass, wenn es im öffentlichen Raum Das war eine tolle Erfahrung, weil ich die ja direkt mehr Gespräche oder mehr Thema wäre, dass das fragen konnte, wie sie das mit dem zeitlichen für die Betroffenen leichter wäre? Wird das gesagt? Abstand sehen, ob dem Kindeswohl gedient Gibt es solche Aussagen? Wir haben das ja eben gewesen wäre aus ihrer Sicht. Also ob ihrem Wohl gerade schon mal angeschnitten. gedient gewesen wäre, wenn sie von ihrer Mutter Dr. Kirsten Plötz: Ja. Also, die zweite Frage kann getrennt worden wären. Und sie haben das glatt ich ganz klar mit einem Ja beantworten. Soll man und ausdrücklich verneint, was aus meiner Sicht vielleicht nicht machen, mache ich jetzt aber: eine wichtige Antwort ist. Lange Frage, kurze Antwort. Also, mehrere Frauen, PAUSE die betroffen waren, gehen davon aus, dass es ihnen selbst und auch anderen viel leichter fallen Ulle Schauws: Nun machen wir weiter. Wir haben wird, über die Erfahrungen zu sprechen, wenn sie jetzt frische Luft hier reingelassen. Wir haben alle davon ausgehen können, dass sie auf viele Gedanken, die auch nach gut anderthalb wertschätzendes Publikum hoffen können. Stunden intensiver Auseinandersetzung und viel Abgesehen davon, dass Justiz und auch viele Input, sacken müssen. andere Bereiche des Staates und der Medien etc.

04/2021 | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | Sorgerechtsentzug | 23 Ich steige ein mit dem Blick auf die Gegenwart und Bundesverfassungsgericht aufgehoben und das auf die Kontinuitäten, die wir in den letzten zeigt vielleicht ganz gut die Diskontinuitäten. Also, anderthalb Stunden ja schon sehr von ich würde sagen, heute ist die Gefahr, dass wir verschiedenen Seiten beleuchtet haben. Ich würde wirklich eine durchgängig homo- oder gerne noch mal mit Lucy Chebout weitermachen. transfeindliche Rechtsprechung zum Sorgerecht in Wo ist bei diesem Thema das Tabu von lesbischem allen Instanzen haben, doch relativ gering. Und Lieben, Lebensweisen, auch im Kontext von gerade die Gefahr, dass ein Gericht in Deutschland Familienleben? Wo setzen sich diese Strukturen das Sorgerecht entzieht mit der Begründung, das heute fort? Also in welchem Umfang finden wir Kindeswohl sei dadurch gefährdet, dass die Mutter auch heute diese Strukturen? Und wo finden wir lesbisch lebt, die halte ich heute wirklich für sehr sie? Sie können, glaube ich, einiges dazu sagen. gering. Wie gesagt, wir haben den Instanzenzug, in dem die untergerichtlichen Entscheidungen in Lucy Chebout: Die gestiegene gesellschaftliche einem gewissen Rahmen kontrolliert werden. Und Akzeptanz für gleichgeschlechtliche oder queere würde hoffen, dass spätestens beim Familien ist sicherlich auch im Recht und in der Bundesverfassungsgericht eine so gravierend Justiz spürbar. Es gibt aber nach wie vor vereinzelt rechtswidrige Entscheidung gekippt werden problematische bzw. falsche Annahmen bei würde. Natürlich ist das ein langer Weg. Und man Gerichten oder bei Jurist*innen. Ein recht aktueller darf auch nicht unterschätzen, dass vielleicht Fall von 2017 macht das ganz eindrücklich Leute auch diesen Weg nicht gehen wollen, weil deutlich. Da ging es um die Übertragung des sie die monetären Ressourcen nicht haben, weil Sorgerechts allein auf den Vater. Allerdings nicht, sie die emotionalen Ressourcen nicht haben, weil weil die Mutter lesbisch war. Die Eltern lebten sie keine gute Unterstützung haben usw. Aber getrennt und kümmerten sich beide um das Kind. auch da ist mein Eindruck, dass wir heute eine Das Kind hatte schon im Alter von fünf oder sechs andere öffentliche Wahrnehmung haben als in den Jahren immer wieder gesagt, dass es sich dem 1970er oder 1980er Jahren. Wir haben eine weiblichen Geschlecht zugehörig fühle und nicht Struktur von Communities, mit denen solche Fälle als Junge aufwachsen wolle. Die Mutter hat das öffentlich skandalisiert werden würden und wo es ernst genommen und unterstützt. Sie hat das Kind Ansprechpersonen gibt, so dass sich Familien nicht so angenommen und es auch fördern wollen, in allein gelassen fühlen. dem empfundenen Geschlecht zu leben, also auch Kleider zu tragen und so weiter. Der Vater hat das Wo es aber meines Erachtens eine gravierende genaue Gegenteil gemacht. Er war der Meinung, Kontinuität gibt, ist, dass der Staat nach wie vor das Kind brauche eine klare Leitlinie und müsse lesbische Frauen als weniger elterngeeignet sieht als Junge erzogen werden; alle Ansätze, die als den Ehemann der Mutter. Das betrifft das Geschlechtsidentität des Kindes ernst zu nehmen, Abstammungsrecht, also die Frage, wer bei der wollte er verbieten. Man mag es fast nicht Geburt eines Kindes eigentlich rechtlicher Elternteil glauben, aber das Amtsgericht Halle an der Saale wird. Die rechtliche Elternstellung ist hat in dem Fall entschieden, dass der Vater wohl Voraussetzung dafür, dass ich überhaupt das besser erziehungsgeeignet sei und hat ihm das Sorgerecht haben kann. Wenn ich also keine Sorgerecht übertragen. In der Vorstellung des rechtliche Elternstelle habe, dann habe ich auch Gerichts war die unterstützende Haltung der kein Sorgerecht inne und kann das auch nicht Mutter schädlich – nach dem Motto: Damit fördert übertragen oder entzogen bekommen. Und da ist sie eine geschlechtliche Entwicklung, die „wir“ gar es ja nach wie vor so, das ist bekannt, dass eben nicht wollen. Der Fall kam daraufhin zum in einer heterosexuellen Ehe, in der eine Frau mit Oberlandesgericht Naumburg. Der Tragödie zweiter einem Mann verheiratet ist und ein Kind zur Welt Akt: Auch das Oberlandesgericht Naumburg hat bringt, dann ist der Ehemann der Mutter dem Vater das alleinige Sorgerecht zugesprochen, automatisch der zweite Elternteil, eben der Vater. den Sorgerechtsentzug bei der Mutter also Eine Frau, die mit einer Frau verheiratet ist und bestätigt. Die Entscheidung wurde später vom ein Kind zur Welt bringt, ist alleinerziehende

24 | Sorgerechtsentzug | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | 04/2021 Mutter, weil ihre Frau nicht automatisch der Kontinuität. Das erlebe ich auch in den zweite Elternteil des Kindes wird. Ich sehe hier Diskussionen hier im Bundestag. Und ich kann schon eine gewisse Kontinuität dahingehend, dass noch mal sagen, die Argumente, die ins Feld der Ehefrau der Mutter eben auch die geführt werden, warum die automatische Co- Sorgerechtseignung oder die Eignung, als Elternteil Mutterschaft nicht sofort eintritt, wenn ein Kind in zu fungieren, abgesprochen wird. Lesbische Frauen eine lesbische, bisexuelle oder queere Beziehung müssen sich behaupten, müssen bis heute ein hinein geboren wird, sind auch eine Kontinuität Adoptionsverfahren durchlaufen, in dem sie noch der Argumente, die wir heute auch schon gehört mal genau geprüft werden, ob sie auch gute Eltern haben. Ich kann bestätigen, dass die Frage, sind sind (finanziell gut aufgestellt, gesund, keine zwei Frauen geeignet, Kinder großzuziehen, in der Einträge im polizeilichen Führungszeugnis) – all Tat eine Frage ist, die die Argumentation der das, was Ehemänner überhaupt nicht nachweisen Gegner*innen bestimmt hat. Das war eine müssen, weil sie einfach qua Gesetz der Vater Diskussion, die wir wirklich erleben konnten. sind, auch wenn das Kind nicht von ihnen Wenn es automatisch von vornherein zwei abstammt. Diese Adoptionsverfahren sind wirklich rechtliche Mütter gäbe, dann brächten wir die keine Freude und können je eigene biologistischen Fragen durcheinander. Aber durch Diskriminierungserfahrungen für die Familien mit die Infragestellung fällt das patriarchale Konstrukt sich bringen. Je nachdem, wo ich in Deutschland in sich zusammen. Das heißt, die Idee, dass ein bin und das Adoptionsverfahren durchlaufe, kann Mann insofern beteiligt ist, dass er ein es zum Teil mehrere Jahre dauern, bis das Samenspender ist, über diese Hürde sind ganz Verfahren durch ist. Mir ist zwar kein Fall bekannt, viele nicht rübergekommen. Das war eine in dem die Adoption abschließend verweigert Kontinuität in der Debatte hier im deutschen wurde, aber es gibt viele unnötige Steine, die den Bundestag. Ich würde die Frage aber noch mal an Paaren und Eltern da in den Weg gelegt werden. Ina Rosenthal richten wollen. Auch vielleicht jetzt Und das ist auf jeden Fall nicht in der Rolle RuT und in der Erinnerung aus der kindeswohldienlich, weil ein Kind, das erst mal Beratungsarbeit bei Pro Familia. Wo gibt es die nur ein Elternteil hat und nicht von Anfang an heute noch aus deiner Sicht? zwei, ist rechtlich viel weniger abgesichert, als Ina Rosenthal: Ich finde, es gibt eine sehr klare Kinder, die in heterosexuelle Beziehungen Kontinuität. Also, bei der Trennungs- und hineingeboren werden. Die Kontinuität sehe ich Scheidungsberatung, das ist jetzt so 15 Jahre her, hier darin, dass der Staat nach wie vor in dass ich da ganz mit aufgehört habe. Und ich habe bestimmten Konstellationen die Elternrolle in ganz vielen Gesprächen, auch in vorbehält. Er nimmt vielleicht das Sorgerecht nicht heterosexuellen Kontexten, die Aussage gehört: mehr aktiv weg in bestimmten Fällen. Das hat sich “Dann nehme ich dir die Kinder weg.” Das ist die verändert. Aber die Gewährung von Elternrechten, ultimative Reaktion von ich schätze 99 Prozent das ist nach wie vor problematisch. aller Männer, die damit konfrontiert werden, dass Ulle Schauws: Jetzt hatten wir darüber auch schon die Frauen sich scheiden lassen will. Also, das ist vor ungefähr anderthalb Jahren, zwei Jahren das Allererste. intensive Gespräche, weil es diesen Gesetzentwurf In der Logik des Ehepartners macht die Frau etwas zur Reform des Abstammungsrechts von der Unanständiges, wenn sie ihn verlässt und Männer grünen Bundestagsfraktion gibt. Draußen, wer das sozusagen nicht mehr begehrt. Viele Männer noch nicht gesehen hat, liegt der Gesetzentwurf, erleben das als eine sehr massive Kränkung, zu den wir direkt zum Anfang der Wahlperiode erfahren, dass das Begehren, was ihre Frau, die sie vorgelegt haben. Nachdem wir zum Ende der ja lieben - das unterstelle ich jetzt erst mal - oder letzten Wahlperiode die „Ehe für alle“ geliebt haben, ihnen entgegengebracht hat, für verabschieden konnten, wurde leider für sie jetzt als falsch gilt und sich auf das gleiche Frauenpaare mit Kindern die Stiefkindadoption Geschlecht richtet, also auf eine andere Frau. Das nicht abgeschafft. Das ist tatsächlich eine

04/2021 | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | Sorgerechtsentzug | 25 erleben viele als sehr große Kränkung, gegen die Was eine weitere Schlaufe ist, ist neben diesem sie sich erst mal massiv wehren. Und das muss erst Sorgerecht, das, was Sie eben angesprochen mal massiv abgewertet werden. Das ist alles haben: wie gehen wir mit einer Zwei-Mutterschaft menschlich, behaupte ich erst mal. Interessant ist, um, mit der Selbstverständlichkeit? Wie gehen wir dass da, wo ich bei Pro Familia gearbeitet habe, aber auch mit Pflegeeltern um? Wie gehen wir mit vorwiegend ländlicher Raum, wahrscheinlich aus Pflegschaften um? Wie behandeln wir diese einer ähnlichen Gegend wie dieses Kinderheim, Mütter, die Kinder aufnehmen in der Pflegschaft dass das Klientel natürlich ganz schnell drauf im Jugendamt? reagiert, auch sehr sensibel, und das überrascht Und worüber wir noch nicht gesprochen haben: mich nicht. Schule. Schule ist ein ganz großes Thema. Also ich Also, eine Frau aus diesem ländlichen Raum hat in weiß nicht, wie oft ich persönlich von der Regel keine gute Anbindung an Großstädte, an Lehrer*innen gehört habe: Ja, aber den Kindern Beratung, an Selbsthilfegruppen, an Community - fehlt ja doch so eine männliche Bezugsperson. in Lörrach wohnen, glaube ich, 10 bis 20 Lesben Und: Haben Sie nicht einen Bruder oder so? Oder und die kennen sich dann auch. Aber wenn man wenn man dann eben Jungs hat, heißt es immer, dann bisschen weiter auf das Dorf geht, dann die brauchen doch ein männliches Vorbild. Da gibt kann man das schon mal mit der S-Bahn gar nicht es so unterschwellige Diskriminierung, die ihren erreichen. Und wenn man keinen Führerschein Boden, glaube ich, in dieser ganzen Geschichte hat, dann sind sie sehr abgeschnitten; auch von hat. Solidarität und Empowerment. Und die lassen sich Wir haben ja jetzt ein neues Gesetz hier in Berlin, dann sehr schnell einschüchtern und bleiben. ein Landesantidiskriminierungsgesetz. Es gibt Also, das ist meine Erfahrung, dass Frauen in immer wieder die Forderung, wie können wir die diesem Kontext dann auch aus den Ehen nicht weiterbilden, sensibilisieren? Das ist unglaublich rausgehen. Und ich habe einmal eine Frau schwer. Das haben Sie eben auch schon mal beraten, wo der Mann ihr dann erlaubt hat, die angesprochen, dass natürlich das sehr von der Beziehung zu öffnen. Und sie durfte diese Frau eigenen persönlichen Grundhaltung und auch dem treffen. Also, es wurde nicht benannt, was die da eigenen Lernwillen abhängt, wie man so was machen. Das wollte der auch nicht wissen. Aber auslegt. Man kann Richter*innen leider nicht dazu sie durfte diese Frau treffen. Das war das verpflichten. Wäre aber schön, wenn die auch sich Maximum, was sie rausgeholt hat. Dafür ist sie sensibilisieren müssten und öffnen müssten. geblieben. Deswegen sind, glaube ich, Veröffentlichungen Ich glaube, dass in den Köpfen, also weniger in wieder wichtig. Aber ich glaube, in Schulen und der Juristik, in der eigenen Moralvorstellung der Kindergärten habe ich zunehmend bessere Gesellschaft die lesbische Mutter als ein gutes Erfahrungen gehabt und auch gemacht. Ich Vorbild, als eine pädagogisch befähigte Person, glaube, es sind vorwiegend diese drei Bereiche. nicht verankert ist. Und deswegen glaube ich, ist Ulle Schauws: Kontinuitäten ist jetzt nicht das es auch für die Forschung so wichtig, die Thema der Studie. Deswegen frage ich Sie jetzt Beratungsstellen anzugehen. Das war ja meine auch nicht danach. Aber beim Thema erste Reaktion, als wir mal über das Thema geredet Kontinuitäten würde ich vielleicht wirklich gerne haben. Denn dort haben wir wirklich sehr anknüpfen und sagen: Es gibt von Ihrer Seite, von niederschwellig Kontakt und mit ganz Eurer Seite sicherlich viele Fragen, aber sicher auch unterschiedlichen Paarkonstellationen zu tun. Weil Fachleute, Fachfrauen, Fachmänner zum Thema. dort viele Frauen und damit auch implizit viel Und ich öffne die Runde und würde mal schauen, mehr Frauen liebende Frauen hinkommen, wären welche Fragen, welche Anmerkungen es von Ihrer die Beratungsstellen wichtiger Anknüpfungspunkt Seite gibt. Ich fange mit der ersten Meldung an, für die weitere Forschung. die ich gesehen habe. Sabine Arnolds, auch vom Dachverband Lesben und Alter.

26 | Sorgerechtsentzug | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | 04/2021 Sabine Arnolds: Hallo. Du hast mich ja schon dieser Sache. Und bevor die vorschnell gezogen vorgestellt. Deshalb nichts weiter zu mir. Erst mal werden, ist ja zum Beispiel eben auch die Frage. ein Dankeschön an das Podium für diese sehr Also, bei Trennung oder bei Scheidung war es ja bewegenden aber auch faktenreichen bis 1998 so, dass das Sorgerecht dann eben an Einlassungen. Mir sind zwei Sachen aufgefallen. einen gehen musste. Das haben wir ja auch schon Das eine hat nichts direkt mit lesbischen Müttern gehabt. Und das sind zu 90, über 90 Prozent oder überhaupt mit Lesben zu tun, außer, dass ich Mütter gewesen. Insofern kann ich auch die eine bin. Es geht sozusagen um den patriarchalen Schlussfolgerung nicht ganz verstehen, dass es Grundsatz, der hinter dem Kinderthema steht. Und eine Folge des Patriarchats ist, sondern das hat auch etwas mit mir persönlich zu tun. Ich möglicherweise eher eine Folge eines Matriarchats bin Anfang der 60er Jahre geboren, ein so im Familienrecht. Das wäre meine Frage. Danke. genanntes Bastardkind, das seinen „Erzeuger“ nie Ulle Schauws: Ich interveniere einmal ganz kurz. gesehen hat. Bis heute ist es aber so, dass alle Ich weiß nicht, ob Sie zu Anfang schon da waren. möglichen Leute – inklusive Anwälte übrigens Wir haben das heute sehr klar einsortiert, dass der (Thema Erbrecht) – darauf bestehen, er sei mein Fokus dieses Gespräches trotz der Tatsache, dass Vater. Ich habe einen Vater. Das ist aber nicht der Sorgerechtsentzug auch andere betrifft, heute mein „Erzeuger“. Und ich bestehe auch darauf, auf bisexuelle, queere und lesbische Mütter dass es ein „Erzeuger“ ist und nichts weiter. fokussiert wird. Das ist der Rahmen, den wir hier Dahinter steht ganz klar, ein Mann, der ein Kind gesteckt haben. Wir können das einfach auch noch zeugt, ist automatisch ein Vater. Das ist aber mal gedanklich mitnehmen. Aber das ist weder falsch. Das nur als kurze persönliche Einlassung. der Schwerpunkt der Forschung, noch ist das der Zweitens haben wir uns bisher bei diesem Schwerpunkt dieses Gespräches heute. Dazu wichtigen Thema sehr auf westdeutsche müssen wir ein anderes Fachgespräch machen. Geschichte fokussiert. Und ich finde ganz wichtig, Denn die Frage ist ja berechtigt, aber heute nicht anzuregen und möchte auch, dass der das Thema dieses Fachgespräches. Deswegen Dachverband das verfolgt: Wir leben in einem würde ich sagen, wir machen dort weiter, bei vereinten Deutschland. Und es gibt auch eine Ihnen. ostdeutsche Geschichte, die dringend aufgearbeitet werden muss. Ich plädiere dafür, Gast: Ich würde das mit der DDR auf alle Fälle den Fokus zu erweitern. unterstützen, weil diese Verfahren gab es da. Es gab Parteiausschlussverfahren et cetera, die sind Gast: Auch von meiner Seite vielen Dank für diese deutlicher noch auf sexuelle Orientierung spannenden Forschungsarbeiten, die dort laufen. ausgerichtet gewesen. Vielleicht ist auch dort mehr Finde ich sehr wichtig. Ich freue mich auch, dass Gesprächsbereitschaft, weil ja die Sanktionen zum das Land Rheinland-Pfalz so einen übergreifenden Teil härter waren. Und der zweite Punkt ist der: Ich Aspekt da einschlägt in Bezug auf sexuelle habe auch vier Jahre am Verfassungsgericht Orientierung, einerseits im Strafrecht, andererseits gearbeitet in Karlsruhe im Familienrechtsdezernat. im Sorgerechtsentzug. Deswegen wundert mich Und ich kann nur sagen, es gibt diese Fälle. Ich jetzt allerdings eben schon, dass ich nichts höre habe sie natürlich nicht alle mitgeschrieben. Aber zum Sorgerechtsentzug bei schwulen Vätern. Ist das ist natürlich immer sozusagen ein bisschen das untersucht worden in dem Projekt? Oder geschwurbelt. Also, es wird nicht ganz offen kennen Sie vielleicht solche Studien, die gemacht angesprochen. Aber trotzdem gibt es eben auch worden sind, Frau Plötz? Das erschiene mir ja auch krasse Fälle, gerade im Adoptionsrecht. Also wichtig. Einfach blanke Vermutung. Es war Trennung vom Kind und dann quasi in eine neue wahrscheinlich deutlich häufiger, weil das ja Familie einsortieren. verbunden war mit einer strafrechtlichen Verfolgung. Ich frage es auch deswegen, weil ich Man sagt ja, Trennung vom Kind ist der schwerste es ja wichtig finde, weil ja auch politische Grundrechtseingriff. Und da wäre noch eine Idee Schlussfolgerungen raus gezogen werden aus vielleicht, über das Opferentschädigungsgesetz zu

04/2021 | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | Sorgerechtsentzug | 27 gehen, wenn man harte Fälle hat, die deutlich dass unsere Vorforschungen gerade ergeben genug sind. Weil erstens ist ja die Reform vom haben. Im Zuge der Entschädigung von Opferentschädigungsgesetz über die physische Heimkindern in der DDR zum Beispiel im Gewalt in die psychische Gewalt geplant. Und das Bundesland Sachsen haben uns Forscher*innen Zweite ist die Gesellschaft für Freiheitsrecht hat berichtet, die dort die Auswertung gemacht haben, zum Beispiel jetzt auch einen Fall der dass erstaunlich viele dieser Heimkinder lesbisch, Partnerschaftsgewalt, wo die Opferentschädigung schwul, trans oder inter waren oder aus zurückgewiesen worden ist. Also, Gesellschaft für Regenbogenfamilien stammen. Und jetzt erst noch Freiheitsrecht ist eine Art Prozessfinanzierer für vor wenigen Jahren hat der Freistaat Sachsen dem verfassungsgerichtliche Klagen. Und wenn man da Vorstand untersagt, dies in der Forschung zu einen harten Fall hätte, könnte man vielleicht erfassen. Es wurde ausdrücklich verboten, diese auch über das Opferentschädigungsgesetz einen Merkmale in der Forschung zu erfassen. Daran Fall in die Welt bringen und natürlich auch mehr, sieht man ja schon mal, dass noch wenig gelernt wie sie gesagt haben, zum Reden bringen oder so worden ist, in einzelnen Landesregierungen. Wir einen Fall zum Anlass nehmen, da eine öffentliche müssen das unbedingt auch skandalisieren, dass Diskussion mit in Gang zu bringen. Danke. da zum Teil exemplarisch auch neu nachgeforscht werden muss. Vielleicht dies nur ganz kurz dazu. Jörg Litwinschuh-Barthel: Mein Name ist Jörg Dankeschön. Litwinschuh-Barthel von der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld. Ich will mich ganz herzlich Gast: Meine Frau und ich sitzen hier quasi als eine bedanken, dass die Fraktion dieses Thema über der Kontinuitäten, die jetzt ja schon ganz oft das Parlament jetzt in eine breite Öffentlichkeit angesprochen werden. Wir sind unter anderem bringen möchte. Ich will noch mal daran erinnern, Pflegeeltern und sind quasi der besonders dass ohne das Land Rheinland-Pfalz, die problematischen Situation von Pflegefamilien Landesregierung, das Parlament dies vielleicht gar ausgesetzt, also der juristisch extrem komplizierten nicht so wirkmächtig geworden wäre. Denn Situation von Pflegefamilien. Und darauf kommt erstmalig für ein Bundesland wird in einer Studie aber die ganze Homophobie. Und bei uns geht es Lesbengeschichte und Schwulengeschichte nicht um Sorgerecht, weil wir haben das erst gar gleichwertig behandelt. Da möchte ich mich ganz, nicht. Das Sorgerecht liegt bei den leiblichen ganz herzlich bedanken. Das war jetzt auch eine Eltern. Wir haben gar keine Rechte. Wir stecken Blaupause übrigens für Baden-Württemberg, wo aber seit vielen Jahren in Umgangsverfahren, also es ja eine Folgestudie gibt. Das finde ich sehr juristische Verfahren um Umgänge. Und da geht es wichtig. Und ich glaube auch, wenn dies jetzt bei den Umgängen ganz oft um diese ganze stärker in die Öffentlichkeit kommt und damit defizitäre Sichtweise: Da fehlt doch ein Mann. Da auch Wertschätzung gegenüber diesem erfahrenen fehlt doch was. Es ist doch super, wenn der Leid den Menschen zugetragen wird, dass wir auch leibliche Vater da jetzt mit dazukommt und ganz weitere Menschen, also weitere Frauen gewinnen, viel Umgang hat und ganz viel mit dazukommt. die für die Forschung zur Verfügung stehen. Wir Und das Problem ist nicht, also in dieser haben ja ein Zeitzeug*innen-Archiv, wo wir Auseinandersetzung, ist in unserem Fall nicht die LSBTTIQ-Personen befragen zu ihren Person, die zum Beispiel von der AfD kommt, Lebensgeschichten und wir haben inzwischen sondern, das sind die ganzen Richter*innen, mehr Videos oder Zeitzeugenvideos geführt mit Verfahrensbeistände, Gutachter*innen, die Frauen, mit lesbischen Frauen als mit schwulen Menschen, die familienpsychologische Gutachten Männern. erstellen, die sich alle ganz furchtbar liberal fühlen und denken, sie haben überhaupt keine Und weil ja jetzt mehrfach gesagt wurde, auch Vorurteile, die uns aber homophob befragen, die darauf zu achten, dass wir nicht nur auf die das Kind homophob befragen und es nicht Bundesrepublik schauen, sondern auch auf DDR- merken. Und sie drohen uns auch in dem Geschichte, will ich ein kurzes Beispiel nennen, Verfahren. Das Problem ist aber, uns würdet ihr

28 | Sorgerechtsentzug | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | 04/2021 auch nicht in den Akten finden. Denn nichts davon wir einfach in ganz vielen Bereichen nach wie vor steht nämlich im familienpsychologischen mit Bildern arbeiten, die weit von dem entfernt Gutachten von den konkreten Sachen. Nichts sind, wie es heute betrachtet wird. Die davon steht im Protokoll von der gerichtlichen Psychoanalyse hat bei der Homosexualität eine Anhörung. Also, die Sachen kommen in den frühgenitale Fixierung als zentrale Geschichte. Und offiziellen Akten so auch nicht vor. Weil die da muss man sich einfach mal alle Therapieformen rechtliche Situation von Pflegeeltern aber so eine nebeneinander genau anschauen. Aber das ist die Katastrophe ist, könnten wir nicht mal in die Ausbildung, die damals in jeder Hinsicht galt. zweite Instanz gehen. Also, wenn bei uns ein Nötig ist auch zu betrachten, was an Beratung und Beschluss gefasst wird, ein gerichtlicher Beschluss, an Struktur dranhängt. Und das ist, glaube ich, wir als Pflegeeltern nur mittelbar betroffen sind, noch mal wichtig, sich dem von der Seite zu können wir nicht mal klagen gegen irgendetwas. nähern, dass unter Psycholog*innen nicht nur Also, wir haben sozusagen einerseits eh das Täter*innen da sitzen, sondern dass das der Problem, was Pflegeeltern in ganz Deutschland Standard unserer Ausbildung der 60er, 70er, 80er haben, aber dann noch mit dieser ganzen Jahre war. Und das muss man sich noch mal Homophobie zu tun, die extrem krass ist. Und das, präzise anschauen, was es heißt, ein Diplom in wie gesagt, passiert gerade. Psychologie in Deutschland bis zu dem und dem Zeitpunkt gemacht zu haben. Deshalb kann man Ulle Schauws: Ja, vielen Dank noch mal. Das war nicht immer nur der Justiz, Verwaltung und Polizei auch noch mal ein wichtiger Beitrag, der so eine Vorwürfe machen. Psycholog*innen und ganz große Komplexität dieses Themas, noch mal Psychotherapeut*innen entziehen sich oft der auch durch Pflegeeltern, Pflegemütter ergänzt. Die Verantwortung, auch wenn Therapieansätze, die Kontinuität ist deutlich geworden. Hier vorne habe damals einzig anerkannt waren, heute fragwürdig ich eine Meldung noch gesehen. sind. Hans Hengelein: Erst einmal danke ich für die Ute Hiller: Auch erst mal ganz vielen Dank für beginnende Studie. Das freut mich natürlich sehr, diese Vielfalt von Beiträgen. Da waren, fand ich, dass es in dem Bereich weitergeht. Ich würde aber ganz, ganz spannende Aspekte drin, über die es gerne aus einem ganz anderen Bereich den letzten sich lohnt, weiter nachzudenken. Ich habe mich Beitrag noch einmal aufgreifen. Ich habe 1976 gefragt: Wie kommen wir jetzt eigentlich Abitur gemacht und bin Diplom-Psychologe. Es ist forschungsmäßig weiter? Und es sind viele deshalb wichtig, dass nicht vergessen wird, dass Gruppen benannt worden, wo man vielleicht unsere gesamte Ausbildung, die wir hatten, sich in ansetzen kann. Ich glaube, eine Gruppe, gerade in vielen Bereichen nicht verändert hat. Zum dieser Frage von Oral History, jenseits der Beispiel, was die Humangenetik anbetrifft. Wir lesbischen Mütter, die das erlebt haben, sind haben eine klassische Ausbildung nach Klinefelter vielleicht auch tatsächlich die Kinder. Denn die und was die ganzen Fragen des trans Bereiches sind ja jetzt eigentlich in einem Alter, wo sie anbelangt, da haben wir eine rein vielleicht anders als die eine oder andere Mutter pathologisierende Ausbildung. Das heißt, selbst, darüber auch noch berichten können. Und das wenn wir uns jetzt heute hinstellen und sagen, es wäre jetzt der Zeitpunkt zu gucken, ob man die in gibt Therapieformen, dann sind sie aber oft nicht irgendeiner Weise erreichen kann. Danke. diejenigen gewesen, die krankenkassenrelevant anerkannt waren. Sondern das waren einfach die Marion Lüttig: Dankeschön und guten Tag auch anderen Verfahren, die dann daneben waren. von mir. Ich bin Marion Lüttig und hier für den Also, die Auseinandersetzung beispielsweise mit LesbenRing und das Regenbogenfamilienzentrum der Konversionstherapie ist wichtig. Aber das lenkt München. Also, wir waren und ich war auch viel völlig davon ab, um was es eigentlich insgesamt damit beschäftigt, das Thema innerhalb der bei der Aus- und Fortbildung der Psychologie geht, eigenen Community zu streuen. Und natürlich, was da noch alles geändert werden müsste, weil daher kennen wir uns auch, und das ganze Thema

04/2021 | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | Sorgerechtsentzug | 29 ist auch in unsere Mitgliedsorganisation anderthalb Stunden, in denen ich jetzt zugehört hineingegangen. Man kann sagen, es geht uns habe, so ein Bauchgrummeln bekommen, so, wie derzeit ähnlich wie vielen anderen Frauen oder sich ein Kind erwischt fühlt sozusagen, so ein klassischen Frauenverbänden, die noch aus einer leichtes Stechen und ich dachte, Mist, erwischt, analogen Struktur kommen mit einer ganz Mist erwischt. Und zwar in dem Sinne, dass ich anderen Organisation. Also, wenn wir gemerkt habe, in meiner eigenen Biographie zurückdenken, vor 30 Jahren traf man sich an steckt so viel drin, was ich bisher immer irgendwo Stammtischen regional. Das war dann halt so der hingeschoben habe und es nicht wahrhaben Weg, wie lesbische Frauen einander fanden, wollte. Vor über 20 Jahren war ich auch in so vielleicht über die eine oder andere verdeckt einem Sorgerechtsstreit und, wenn ich in meine angelegte Kontaktanzeige. Das ist heute natürlich alte Scheidungsakte gucken würde - damals wurde anders. Aber uns geht es insofern ähnlich wie den mir meine Elternfähigkeit infrage gestellt. anderen Frauenverbänden, weil wir einen relativ Irgendwo in einem Gesprächsprotokoll der hohen Altersdurchschnitt haben. Da bin ich eher gegnerischen Rechtsanwältin wäre das auch noch am unteren Ende mit meinen zu finden. Und das heißt, ich habe mir jetzt Vorstandskolleginnen, die neu sind. vorgenommen, diesen alten Ordner aus meinem Schrank rauszuholen und zu suchen und zu Aber was mir auffiel, ist, ich habe just vor zwei gucken, ob das da wirklich irgendwo drinsteht. Tagen begonnen, auch, das klingt jetzt ein Weil ich weiß, das hat mich getragen und hat mich bisschen schräg, mit heterosexuellen Menschen aber dann trotzdem auch beflügelt, jetzt die über dieses Thema zu sprechen und das tatsächlich letzten 20 Jahre Beratungsarbeit für auch öffentlicher zu machen. Du hast gesagt, Regenbogenfamilien zu machen. Daraus ist meine Kirsten, du benutzt auch notgedrungen wieder Kraft für diesen Job gekommen. Und gleichzeitig Facebook. Ich nicht ganz notgedrungen, sondern sehe ich, darauf habe ich aber nie geachtet, das, ganz freudig eigentlich, um das Thema da zu was eigentlich bei mir war, aber auch, was bei all bespielen. Und plötzlich kriege ich eine Nachricht den anderen Frauen, die zu mir in die Beratung von einer Bekannten, die sagt: Weißt du, vor 15 gekommen sind, vielleicht für Geschichten Jahren, die Ex-Frau meines Vaters hat sich in eine dahinterstecken. Und dieses Ganze ist mir passiert Frau verliebt. Und es gab eine unschöne Trennung. Ende der 1990er Jahre in einem Mit drei Kindern. Und die drei Kinder sind beim brandenburgischen Ort. Das heißt also, ich bin Vater geblieben. Wenn ich wieder da bin, werde auch total interessiert daran, wie die ganze ich sie befragen, wie sich das genau verhielt. Wo Geschichte in der DDR gelaufen ist und wie sich ich dachte, ja, vielleicht ist das auch ein das auch weiterträgt. Und, was ich noch sagen strategischer Weg, auch noch mal in ganz andere würde, wenn wir jetzt anfangen, darüber zu Ecken heterosexueller Art zu gucken. Die sprechen und ich, in diesen Gesellschaft hat sich gewandelt., Auch wenn, da Lesbenzusammenhängen und diesen stimme ich dir zu, es in der Ausbildung bei den Beratungszusammenhängen und diesen Psycholog*innen, bei den Pädagog*innen und so Familienzusammenhängen auch, in denen ich weiter traditionelle Werte gibt und wir ein sehr nach wie vor viel unterwegs bin, diese patriarchalisches Gesetz haben, was alles Effekte Sensibilisierung, die möchte ich gerne mitnehmen indirekter Art hat. Die Menschen können noch mal auch im Austausch mit all den Organisationen. auch selbst in ihrer eigenen, vielleicht nicht Also, dass wir uns auch selber befähigen, vielmehr lesbisch oder schwulen Biographie, plötzlich jetzt danach zu forschen, zu fragen, zu gucken und Spuren sehen, über die die eigenen Eltern nicht zu schauen, wie wir das Thema vorantreiben haben sprechen können oder wollen und die aber können. heute entdeckt werden können. Ulle Schauws: Ja. Vielen Dank bis hier hin auch Constanze Körner: Constanze Körner von Lesben schon mal für die vielen wirklich wichtigen Leben Familie e. V. Ich habe, also, in den ersten Hinweise. Und ich würde bei Christiane Rohleder

30 | Sorgerechtsentzug | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | 04/2021 noch mal weitermachen. Hier kommt noch mal Ulle Schauws: Ich habe jetzt noch eine Frage von vom Podium ein Input. Mari Günther. Und dann würde ich eine kleine Runde hier auf dem Podium machen zu den Dr. Christiane Rohleder: Input ist vielleicht ein Fragen, die gekommen sind. Bitte. bisschen viel gesagt. Aber es kam jetzt öfters der Hinweis, man könnte noch mal die Kinder fragen. Mari Günther: Danke. Mari Günther mein Name. Das ist ja auch schon versucht worden, an die Ich bin hier für den Bundesverband Trans, habe Aussagen von betroffenen Kindern ranzukommen. ich für heute Abend mal beschlossen. Und ich Also, ganz besonders interessant wären natürlich muss mich zuerst mal sehr bedanken. Denn ich tatsächlich Kinder aus Familien, die dadurch von möchte erst mal aus therapeutischer oder ihrer Mutter getrennt wurden. Und ich glaube, das familientherapeutischer Perspektive sprechen. ist ganz besonders schwierig, da welche ausfindig Denn ich glaube, es ist sehr wichtig, dass dieses zu machen. Denn denen wurde ja irgendeine Wissen entsteht und dass es vor allen Dingen auch Geschichte erzählt über die Mutter. Und die war in die therapeutische Praxis kommt. Also einerseits wahrscheinlich nicht einfach nur, dass die mit der für Familientherapeut*innen, aber auch in falschen Person zusammenlebt oder so. Und wenn Ausbildung. Weil dieses Schweigen, was darüber es um Kinder geht, die in Heimen waren, das finde liegt, diese Schamgefühle, auch diese Kinder in ich jetzt auch noch mal total interessant. Wenn sich tragen. Sie hatten häufig das Gefühl, mit mir man da bestimmte Leute hat, die man noch mal war irgendwas nicht in Ordnung, wenn ich also fragen könnte, das wäre sicher sehr, sehr raus muss aus der Familie, das sind die interessant. Aber wir hatten in Rheinland-Pfalz Generationen, die häufig heute in einem Alter auch eine Forschung gemacht zu ehemaligen sind, wo sie sagen, ich muss mich damit Heimkindern. Da haben wir die Geschichte in auseinandersetzen. Und ich brauche da eine gute Rheinland-Pfalz auch aufgearbeitet. Und da war Begleitung. Und ich brauche Leute, die da die es auch extrem schwierig, Leute zu finden, die richtigen Fragen stellen. Und ich glaube, dass bereit waren, Auskunft zu geben. Wir haben für dieses Wissen hilft, da besser ins Geschäft zu diese Forschung, ich weiß es nicht mehr, waren es kommen. Von daher finde ich das sehr kostbar, vier oder waren es sechs, also, es waren wirklich dass das hier und heute auch passiert. wenige Leute, die dann aber qualitativ Meine andere Anmerkung wäre die der tiefgehende Einblicke in diese Zeit geliefert haben. Kontinuität. Da würde ich jetzt einfach so ein Und es wurde sehr viel anhand dieser Akten bisschen den cis lesbischen Rahmen sprengen. Ich ausgewertet und so. Denn da sind absolut weiß nicht, ob das okay ist. Also, ich hatte m schlimme Traumatisierungen, die da Dezember so ein Trennungsgeschehen in meiner dahinterstehen. Das heißt, das ist nicht so ein Praxis, cis Frau, trans Frau, gemeinsame Kinder. Thema, wo man sagt, ja, man setzt sich mal Die cis Frau sagt, die trans Frau würde irgendwie zusammen und erzählt, wie das halt eigentlich so pädosexuell sein. Ohne, dass es geprüft wurde, war damals. Sondern da hängt unheimlich viel dass man genauer hingeschaut hat, hat man sofort dran, was dann noch mal darüber hinausgeht. den Umgang unterbrochen und wieder die Hier haben wir es jetzt eventuell teilweise auch Sorgerechtsfrage, die im Moment beide haben, mit Kindern zu tun, die dann nicht in den 60er, gestellt. Am Montag hatte ich eine Anfrage von 70er Jahren im Heim waren, sondern vielleicht einem Kollegen aus einem anderen Bundesland. auch später, wo dann vielleicht die Da haben eine cis Frau und eine trans Frau vor Traumatisierung durch die Unterbringung im Heim dem Familiengericht vereinbart, vereinbaren selbst nicht noch so schlimm oben draufkommt, müssen, dass die trans Frau nur in aber dass man aus der Familie rauskommt aus Männerkleidung die Kinder sehen darf. Und das einem völlig undurchsichtigen Grund. Aber ich bin hat das Gericht abgehakt. Also, das sind sehr gespannt, ob diese Ansätze auch noch mal heutzutage, also ganz aktuelle Kontinuitäten. Und was hergeben. Aber ich befürchte, dass es auch da ich versuche gerade zu verstehen, was die sehr, sehr schwierig sein wird.

04/2021 | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | Sorgerechtsentzug | 31 Klammer dieser Dinge ist, und habe so den Distanz zum eigenen, zu dem erlebten Trauma Eindruck, dass Behörden und Staat immer noch habt, dass ihr euch sicher fühlen könnt. Und prüfen wollen, wer die Macht hat, mit Kindern deswegen ist mein Appell immer das: Lasst uns umgehen zu dürfen, vor allen Dingen, wenn man diese sicheren Räume schaffen, damit Menschen nicht männlich ist. Also, dass diese Idee, Kinder anfangen können, darüber zu reden. Das ist jetzt müssen geschützt werden vor irgendwas und so unsere Aufgabe gegenüber der zweiten Generation weiter, immer noch massiv unterwegs ist. oder teilweise noch der ersten Generation. Und deswegen, glaube ich, ist es noch viel schwerer, Und dann muss ich an die sehr geehrte Johanna an die Kinder zu kommen, weil die unmittelbar Haarer denken, die das Buch „Die deutsche Mutter betroffen sind, aber noch in ihrem und ihr erstes Kind“ geschrieben hat, wo es ja Erwachsenwerden waren. Also, sie sind jetzt auch darum ging, den Soldaten und die vielleicht so zwischen 25 und 35 oder 40. Weiß ich gebärfähige und die heteronormative Frau zu nicht, ob die schon genug Distanz haben. Manche erzeugen. Also, und ich glaube, dass diese Dinge vielleicht, manche nicht. Aber ich glaube, die da schon noch mitschwingen, dass das immer große Welle kommt. Und was wir jetzt machen, noch so Reflexe sind, die in Jugendämtern, und deswegen halte ich das für unglaublich Familiengerichten, aber eben auch wichtig, dass wir forschen und weiter Erziehungsberatungsstellen immer wieder solche Öffentlichkeit machen, ist, diesen angstfreien Haltungen erzeugen. Da müssen wir das Kind Raum zu eröffnen, zu sagen: Ja, man darf das schützen. Und diese Person, die da irgendwie aussprechen. Man darf darüber reden. Da ist nicht richtig ist, die muss weg davon. Und ich bin Unrecht geschehen. Da ist etwas passiert. Und das wirklich im Grunde schwer entsetzt, wie viele, ist im Prinzip eine Hilfestellung zur gerade Familienrichterinnen ich erlebe, die Traumabewältigung, die wir gerade geben. wahrhaft schlichte Gemüter sind. Und ich frage mich, wie es sein kann, dass es keine Pflicht zur Dr. Kirsten Plötz: Ich würde gerne auf einen Fortbildung gibt und zur Selbstreflektion. Das ist Aspekt kurz eingehen. Dass es ganz überraschend mir schwer verständlich. Und vielleicht persönlich im „Abseits“ interessante Entdeckungen geben zum Abschluss: Ich habe vor zwei Jahren meine kann und dass es sich lohnt, überall zu gucken Tochter kennengelernt. Da war sie 16. Also auch nach welchen, die möglicherweise mit dieser da gibt es eine Geschichte, dass ein Umgang mit Geschichte zu tun haben. Wie gesagt, ich habe ja komischen Elternteilen nicht gefördert wurde. den Landfrauenverband angeschrieben und mit Vielen Dank. denen auch direkt gesprochen. Ich habe die Stadtbibliothek in Koblenz mit den Postkarten, die Ulle Schauws: Vielen Dank, Mari. Das war, glaube Zeitzeug*innen ansprechen sollen, beglückt. Also, ich, noch mal ein ganz, ganz wichtiger Hinweis. So ich habe das ganz bewusst breit angelegt. Ich ein bisschen bleibt einem manchmal die Spucke habe in der Regel auch Fernseh- oder weg. Die Antwortrunde fange ich mal mit Ina Radioanfragen bedient, auch deswegen, damit die Rosenthal an. Da gab es ein paar Fragen. Suche möglichst viele Leute erreicht, die nicht Ina Rosenthal: Ich wollte noch mal auf den weiter gefiltert sind. Das halte ich auch für psychologischen Aspekt eingehen und fand die wichtig. Und ich schließe, das wird Sie jetzt nicht Wendung der Beiträge jetzt ganz gut. Ich glaube, überraschen, den Appell an: Wenn in diesem ein Grund, weswegen das so schwer ist, könnte Raum noch eine Person ist, die etwas erzählen auch der sein - es gibt so einen Spruch - dass möchte, ich nehme immer noch gerne Erfahrungen Traumatisierung von Personen eigentlich drei mit auf. Da aber der Forschungsbericht jetzt Generationen braucht, bis man darüber spricht. demnächst abgeschlossen werden muss, wäre ich Wir haben noch keine drei Generationen. Was wir Ihnen sehr dankbar zum Beispiel für eine E-Mail, hier gerade wagen und machen ist ein Novum, wo Sie schon mal etwas verschriftlichen. Es sei sozusagen ein Psycho-Novum: Wir wollen mit euch denn, Sie haben Erfahrungen direkt in Rheinland- sprechen, obwohl ihr eigentlich noch nicht so viel Pfalz gemacht. Das ist ja mein eigentlicher Auftrag.

32 | Sorgerechtsentzug | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | 04/2021 Dann, glaube ich, schaffe ich noch ein Interview. sehr viel Übersetzungsleistung notwendig, um ein Eigentlich sollte ich das längst nicht mehr machen, Verständnis für die Subtilität von aber ich würde es noch tun. Ich habe hier Diskriminierungsdimensionen zu schaffen. Damit Postkarten und wäre Ihnen sehr dankbar, wenn verbunden: Fortbildung für Richter*innen, Sie davon welche mitnehmen. unbedingt. Das Problem ist aber die richterliche Unabhängigkeit, man kann die Richter*innen nicht Lucy Chebout: Ich habe noch verschiedene verpflichten, sich fortzubilden und zu Gedanken aus einer juristischen Perspektive und sensibilisieren. Aber ich wäre dafür. ich hoffe, dass ich die sortiert bekomme. Erstmal ist mir im Laufe des Gespräches – und dafür bin Und dann zum Thema trans Personen. Mir scheint, ich sehr, sehr dankbar – noch einmal dass es da juristisch eine spezifische Problematik klargeworden, welche Übersetzungsleistung es gibt, die vielleicht auch weiterreicht als in Bezug zwischen diesen einzelnen Diskursen braucht und auf gleichgeschlechtliche Lebensweisen. Es finden wie sehr man mit der juristischen Perspektive auch sich in der juristischen Literatur zum Teil in so einem machtvollen Diskurs verfangen ist. Auffassungen über trans Personen, die man über Zum Beispiel die Person, die darauf hinwies, dass homosexuelle Personen heute wohl so nicht mehr bei einer mündlichen Verhandlung gar nicht ins lesen würde. Da wird beispielsweise die Protokoll aufgenommen wird, was da im Detail Erziehungseignung von trans Eltern insgesamt in gesagt wird – und damit eben auch offene oder Zweifel gezogen und mir scheint, hier bräuchte es subtile Diskriminierungen unsichtbar gemacht noch viel mehr und deutlichere Gegenrede. werden. Das ist eigentlich etwas, das jedem Ulle Schauws: Es ist ja jetzt fast schon so ein auffallen sollte. Aber als Juristin erscheint das so bisschen ein Fazit. Und das schließt organisch an selbstverständlich, dass das dahinterliegende Ende eines langen Nachmittags an. Aber trotzdem Problem verschwimmt. Oder, Stichwort noch mal in die Runde und dann eine kleine „patriarchales Recht“: Ich würde sagen, wenn es Schlussrunde. so einfach wäre, dann wäre die Diskussion leichter. Das Recht selbst ist patriarchal geprägt, Gerta Siller: Mein Name ist Gerta Siller. Ich bin die aber die einzelne Rechtsnorm ist erst mal neutral. Queer-Referentin in der grünen Landtagsfraktion Die Problematik ist also diffiziler, subtiler. Und NRW. Und ich bin von Haus aus auch Juristin und deswegen ist es so schwer, dieses Problem zu habe bei uns lange Zeit auch den Bereich Justiz fassen. Und mir scheint, dass es eine gravierende beackert. Mir hat mal ein Staatssekretär in einem Lücke gibt zwischen dem, wie Jurist*innen auf das Gespräch gesagt, dass es für ihn auch unendlich Recht schauen und dem, wie Betroffene das Recht schwierig wäre umzudenken. Weil er ausgebildet wahrnehmen. Insbesondere wie Recht auch schon worden ist zu einer Zeit, wo der Paragraph 175 wirkt, bevor es überhaupt greift oder von nicht nur noch im Gesetz stand, sondern auch Jurist*innen aufgerufen wird. Also die Angst davor, immer noch angewendet wurde. Und das muss das Recht könnte soundso sein oder das Recht man sich, glaube ich, auch immer noch mal könnte soundso wirken – das scheint mir doch vergegenwärtigen. Weil das ist dann ähnlich, sehr viel stärker und massiver zu prägen als es mir denke ich, wie bei den Psycholog*innen. Und das jedenfalls bis zu diesem Gespräch bewusst war. darf man einfach nicht dabei vergessen und deswegen sicherlich auch immer noch mal anders Dann wollte ich noch ergänzen, dass gerade das erläutern. Und mir ist konkret eine Frau Familienrecht in Deutschland eine wirklich eingefallen. Und die werde ich mit Sicherheit noch konservative und von weißen, heterosexuellen da rüberschicken und damit war es dann für mich Männern dominierte Materie ist. Wenn man sich hier an dieser Stelle. anschaut, wer in einschlägigen Fachpublikationen zu Wort kommt, und das über die Jahrzehnte – da Dr. Dag Schölper: Dag Schölper mein Name. Ich kommen queere Positionen einfach gar nicht vor. arbeite als Geschäftsführer im Bundesforum Und das ist bis heute so. Ich glaube, da ist noch Männer und habe dort auch durchaus mit

04/2021 | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | Sorgerechtsentzug | 33 Väterrechtsbewegten ziemlich viel zu tun. Aber die Kinder müssen zu einer Seite, die denen darum soll es mir heute nicht gehen. Denn ich vielleicht auch nicht geschmeckt haben. Also, habe promoviert zum Thema “Die Disziplinierung diese geschilderten Fälle, wo dann sozusagen der Geschlechter im Namen des Kindeswohls” und rachgelüstige Väterreaktionen an der habe mir da die Entwicklung 120 Jahre nicht- Tagesordnung sind, die möchte ich auf keinen Fall ehelichen Rechts angeschaut. Und die Frage war ja negieren. Aber andersrum danach zu suchen, ob vorhin nach dem Kontinuitätsdingen. Und ich es nicht auch Allianzen und Partner gibt, die glaube, dieser Bereich muss ganz zwingend in den sagen, ja, da ist uns was ganz Schreckliches Blick, weil ich durchaus sagen würde, dass wir es widerfahren. Und ich wollte meiner langjährigen hier mit einem sehr, sehr stark patriarchal Gefährtin das überhaupt nicht zumuten bei aller gefärbten Ehemodell zu tun haben, was als Norm Verletzung, die ich erlitten habe. Aber da ist was, gesetzt wird. Und alles, was da irgendwie von was wirklich Furchtbares uns quasi aufoktroyiert abweicht, muss dann halt staatlich kontrolliert worden ist. Das ist, finde ich zumindest, nicht werden. Als durch den Staat repräsentierte quasi total abwegig. Und da noch mal zu schauen, ob Patria Potestas, also die väterliche Gewalt, die sich da nicht eine Allianz auftut. Und ich würde Staat geworden ist und dann eben alles ersetzt, gerne mitsuchen und bin sehr neugierig. Und auch was da nicht richtig männlich ist, was im Übrigen noch mal vielen, vielen Dank für diese sehr auch Männer trifft, die dieser Rolle nicht adäquat eindrücklichen Schilderungen. Ich hatte einen entsprechen. Und wenn ein Mann fremdgeht, großen Kloß im Hals, weil ich das wirklich ein dann ist der sozusagen in dieser Logik auch erst Skandalon finde, der behoben werden muss, und mal rausgefallen und muss im Zweifel bestraft möchte das gerne mitunterstützen. werden. Aber er hat halt gute Wege, anders als die Maria von Känel: Mein Name ist Maria von Känel. Frauen in diesen Situationen, da rauszukommen. Ich bin die Geschäftsführerin des Dachverbandes Und da müssten wir, glaube ich, sehr dringend Regenbogenfamilien der Schweiz. Ich möchte drüber nachdenken. Und vielleicht gibt es gerne einen internationalen Bezug machen. Es ist tatsächlich - das wäre historisch auch noch mal zu so, dass eine Koalition besteht, an der sich über schauen - Kipppunkte. Also bis 1998 war ja eine 40 Staaten angeschlossen haben und zwar die Frau als nicht-eheliche Mutter nicht vollwertig. Sie Equal Rights Coalition1. Diese Koalition setzt sich bekam automatisch das Jugendamt als irgendwie für LGBTI-Anliegen auf internationaler Ebene ein Unterstützungsinstitution beigestellt. Also die Idee und organisiert globale Konferenzen, nächstes Mal der sich lesbisch outenden Frau fällt dann quasi in im Mai 2020 in London. diese gleiche Logik rein wie die nicht-eheliche Mutter, die eben nicht vollen Rechtes als Auch in der Schweiz besteht ein ganzwertige für Kinder gute Person gesehen Bundesgerichtsentscheid, welcher aufzeigt, dass werden konnte. Und ich kann mir durchaus die Begründung zum Entzug des Sorgerechts nicht vorstellen, dass es Allianzen mit betroffenen die gleichgeschlechtliche Liebe der Mutter war zur Männern auch da drinnen gibt. Also, ich kann mir neuen Partnerin, sondern die Impulse, dass der auch fantasieren, dass es Partnerschaften gab, die Vater für die Kinder besser geeignet sei. Also, auch liebevoll und respektvoll miteinander gelebt da sieht man anhand von haben und dann einfach gar nicht wussten, wohin Bundesgerichtsentscheiden, z.B. (SCHWEIZ BGE 108 mit sich. Es gibt keine Beratungsstruktur, die das II 369), dass ein diskriminierendes Urteil gefällt auffängt. wurde, basierend auf der sexuellen Orientierung. Ich denke, der Austausch solcher Also, Verletzungen wurden ja schon genannt auf Menschenrechtsverletzungen sollten aufgezeigt Seiten der Väter. Und dann die Zwangsanordnung, und aufgearbeitet werden. Dazu können wir

1 https://www.gov.uk/government/collections/equal-rights-coali- tion

34 | Sorgerechtsentzug | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | 04/2021 solche Konferenzen nutzen, uns gegenseitig heute den Mut gehabt haben, auch über private stärken und den Staaten ihre Pflichten zum Schutz Sachen zu reden, die sie vielleicht so selber noch der Menschenrechte aufzeigen. gar nicht wahrgenommen haben. Und ich hoffe auf politische und gesellschaftliche Möglichkeiten, Tatsache ist: Kinder wachsen seit eh und je bei dass wir viel mehr Raum dafür kriegen und gleichgeschlechtlichen Paaren auf, sie wurden darüber sprechen können, was uns, was anderen aber durch die Dominanz der Heteronorm und was uns gemeinsam als Gesellschaft auch unsichtbar gemacht und ihre Rechte damit erfahren ist. Und da würde ich die Kinder abgesprochen. Je homofeindlicher die Stimmung miteinschließen. in einem Land ist, desto mehr Kinder wachsen bei LGBTIQ-Menschen auf, denn mit Kindern werden Lucy Chebout: Also, ich habe ja schon gesagt, dass sie den gesellschaftlichen Erwartungen gerecht. ich ganz viel mitnehme, wofür ich mich sehr bedanke. Darüber hinaus… wir bleiben dran am Da es heute einfacher ist an Informationen zu Abstammungsrecht. Das ist das nächste Brett, das kommen, kann die innere Bewusstwerdung zur wir durchbohren müssen. eigenen sexuellen Orientierung und/oder Geschlechtsidentität auch unter erschwerten Was mir wirklich ein Anliegen ist: Wir können das Bedingungen stattfinden. geschehene Unrecht nicht wiedergutmachen. Das können wir nur aufarbeiten und sichtbar machen. Da die soziale Akzeptanz in vielen Staaten In die Zukunft gerichtet ist aber wichtig, dass hinterherhinkt, ist davon auszugehen, dass es solche Fälle nie wieder passieren dürfen in weiterhin zu vielen dramatischen und Deutschland. Das Recht gehört uns allen und wir traumatischen Menschenrechtsverletzungen haben alle das gleiche Anrecht darauf, gerecht kommen wird. Somit bleibt der Handlungsbedarf behandelt zu werden. Wir sollten Recht also bestehen, diese Menschen zu unterstützen und die nutzen – und zwar für uns nutzen. Und dazu Staaten aufzufordern, sich für die Rechte von sollten wir als Communities verbunden sein und LGBTIQ* Menschen und ihren Kindern einzusetzen. uns gegenseitig unterstützen. Das nehme ich auch Ulle Schauws: Haben wir den Aspekt noch mal mit in die juristischen Netzwerke. Internationales auch noch gerade kurz erwähnt. Dr. Kirsten Plötz: Ja. Ich danke für die Anregungen Ich habe ja gesagt, es sitzen hier alles Fachfrauen, und Ideen und auch ähnlich, wie Ina Rosenthal Fachmänner und Fachmenschen. Das war schon das gerade gesagt hat, ganz besonders für die irgendwie auch klar. Jetzt eine kurze persönlichen Erinnerungen und Beiträge. Vielen Abschlussrunde, ich fange bei Ina Rosenthal an. Dank. Aus dem, was wir jetzt dreieinhalb Stunden hier diskutiert haben, noch mal Dein Fazit. Jutta Brambach: Zwei Sachen zum Schluss. Einmal, dass ich es bemerkenswert finde, die Erfahrung zu Ina Rosenthal: Fazit ist natürlich immer sehr machen, wie nah wir noch persönlich an diesem schwer. Aber ich bin auch tief beeindruckt von der Thema dran sind. Das haben wir festgestellt auch, vielfältigen Kompetenz und Erfahrung und vor als Kirsten Interviewpartnerinnen suchte. Also allen Dingen, dass ich gemerkt habe, dass dieses selbst Frauen, die sehr aktiv sind in der Szene, die Thema an vielen von uns sehr privat rührt. Das ist offen lesbisch leben, auch politisch aktiv sind, das, was ich eigentlich wirklich mitnehme aus waren dennoch nicht bereit Interviews zu geben. dem Tag. Ich denke, es ist unglaublich wichtig, Also, dass da wirklich noch ganz große Tabus sind. darüber zu reden, dass wir uns austauschen und Und zum Zweiten, meine Freude darüber, auch auf dass wir die Punkte, an die es uns rührt, politisch dieser Veranstaltung wieder die Erfahrung zu machen. Das ist eine ganz alte Geschichte. Das machen, dass Frauen da sind, die sagen, ja, Private ist politisch. Ist auch nichts Neues. Aber ich Mensch, ich habe selber damit zu tun. Ich kann glaube, es ist wieder unglaublich aktuell und auch etwas dazu beitragen, diese Situation zu gerade in dem Bereich. Und ich danke allen, die verändern. Das entspricht der Erfahrung, die wir

04/2021 | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | Sorgerechtsentzug | 35 auch gemacht haben. Immer, wenn du, Kirsten, Wir reden hier natürlich auch viel aus der irgendwo öffentlich gesprochen hast, sei es im Community, aus der lesbischen, bisexuellen aus Dachverband, sei es im anderen Kontext, waren der queeren, aus der trans- und immer Frauen da, die das dann nicht unbedingt intergeschlechtlichen, aus der schwulen öffentlich machen, aber die kommen, und sagen: Community, die hier versammelt ist. Aber das Ja. Ich bin auch betroffen. Mir ist es auch passiert. Thema geht nicht nur die Community an. Wir Von daher danke auch noch mal für diese müssen es aus der Blase heraus erzählen und mit Veranstaltung und wichtig, da weiterzumachen. vielen Menschen im Kontext der Rechtsfragen, im juristischen Bereich, bei den Beratungsstellen, im Dr. Christiane Rohleder: Also, ich fand es jetzt therapeutischen Bereich bereden. Nicht nur im wirklich sehr bewegend und nehme sehr, sehr viel privaten, sondern in den ganzen Kontexten, in mit und fand es unglaublich spannend. Ich bin denen Menschen mit Menschen Berührung haben. sehr gespannt auf die Ergebnisse der Studie. Aber Wo es um Kinder, um die Frage des Kindeswohls die ganze Diskussion und alle Beiträge haben und auch um Sorgerechtsfragen geht. Also von gezeigt, wie vielschichtig das Thema ist. Und ich daher ist das ein breiter Bereich. fand jetzt auch gerade noch mal die Frage, wie ist das eigentlich im Moment mit dem Sorgerecht bei Wir werden erstens ja mehr wissen, wenn Kirsten transidenten Personen. Also, das sind alles Fragen Plötz ihre Studie beenden und ein Ergebnis und es wird noch mehr Fragen geben, die mich in vortragen wird, wie auch immer das aussieht. der Zukunft umtreiben. Also, dafür ganz, ganz Diese Ergebnisse fallen jedenfalls nicht mehr auf herzlichen Dank. Und, ja, ich bin gespannt, was eine Plattform, die man dann erst eröffnen muss. die weitere Diskussion dann bringt. Vielen Dank. Sondern wir haben heute schon eine Tür geöffnet. Und viele, die hier sind, tragen es weiter und Ulle Schauws: Ich habe nicht gewusst, was heute werden weiter miteinander daran arbeiten. Ich rauskommt. Ich sage jetzt vielleicht auch kann als grüne Politikerin sagen, auch von den untypische Sätze für eine Politikerin, weil es einen anderen Fraktionen werden Vertreter*innen hier Zwiespalt in mir gibt. Auf der einen Seite, das jetzt gewesen sein und nehmen das Thema mit. Auch politisch einzusortieren und alles Notierte zu interfraktionell will ich mit den Kolleg*innen hier sagen, das werde ich jetzt nicht tun. Aber die im Bundestag sprechen und dafür auch versuchen, Stichworte: wie weitere Forschung über das Räume zu öffnen. Wir als grüne Fraktion nehmen gesamte Bundesgebiet ginge, wie es mit einem das Thema auf jeden Fall, auch in die internationalen Blick geht, wie Fortbildungen und Landesebenen und überall hin mit. Ein Ergebnis der therapeutische Bereich in diese ganzen der heutigen Veranstaltung ist sicherlich, dass wir Kontexte gehen. Das ist wie ein neues Mindmap wollen, dass es eine bundesweite Forschung geben vor meinem Auge. Die Verästelungen, zu der man kann. Die Frage der Entschädigung, noch was und noch etwas und noch etwas dran Wiedergutmachung sind ebenfalls Dinge, über die schreiben muss. Es tun sich immer neue wir reden müssen. Aber wir haben auch heute Richtungen auf. Das ist heute passiert aus meiner festgestellt, es gibt noch viel, viel mehr im Detail Sicht beim Thema Sorgerechtsentzug von dazu zu bearbeiten. lesbischen und bisexuellen Frauen. Wir haben den Blumenstrauß heute größer gemacht, der dringend Und was ich vielleicht als Letztes sagen will, ist: viel mehr Öffentlichkeit und Aufmerksamkeit dieses Thema benötigt für eine Fortführung das, braucht, uns aber auch alle angestoßen hat. Mich was tabuisierte Themen immer brauchen, nämlich persönlich sehr. Das muss alles ein bisschen eine hohe Solidarität von allen. Ohne die Frage zu sacken. stellen, was habe ich denn davon, dieses Thema mit zu bearbeiten, obwohl es mich gefühlt nichts Ich finde ganz wichtig, dass es eben auch angeht. Solidarität brauchen wir zum Thema Öffentlichkeit gibt über die Veranstaltung hinaus. Sorgerechtsentzug von lesbischen und bisexuellen Dafür möchte ich mich bedanken, dass auch die Müttern und ihren Kindern. Das zum Abschluss. Vertreterinnen der Presse heute gekommen sind.

36 | Sorgerechtsentzug | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | 04/2021 Ich möchte danke sagen. Vielleicht fange ich mal sage noch mal zum Schluss, vielen herzlichen an damit, mit denen, die das hier alles gemacht Dank. Wir sehen uns beim nächsten Mal. Tschüss haben, ohne die das alles nicht möglich gewesen in die Runde. wäre. Nämlich vor allen Dingen mein Team. Das sind in der Hauptsache Franziska Krause und Jerzy Szczesny von der Fraktion und mein Büroteam Johanna Warth, Joanna Driver und Sandra Hildebrandt. Das war das erste Fachgespräch von Franziska Krause. Top kann ich nur sagen.

Dann möchte ich mich sehr, sehr herzlich bedanken für alle, die Sie gekommen sind, aber natürlich bei unseren Podiumsgästen hier, Dr. Christiane Rohleder, Jutta Brambach, Dr. Kirsten Plötz, Lucy Chebout und Ina Rosenthal. Herzlichen Dank für diesen wirklich wichtigen Input heute. Und ich habe natürlich auch noch ein bisschen was mitgebracht. Nämlich hier: Das ist sogar was Grünes. Da steht: Die Hälfte der Macht den Frauen.

Ein paar von euch haben wahrscheinlich diese Tasse schon. Ich finde sie immer wieder gut. Aber es gibt noch was dazu. Das muss ich kurz erzählen, denn das habe ich von zuhause mitgebracht. Das ist eine faire Schokolade. Die ist tatsächlich CO2- neutral aus der Karibik mit einem Segelschiff nach Amsterdam gebracht worden. In der Tat von einer tollen Truppe. Und die Schokolade haben wir mit dem Fahrrad in Amsterdam abgeholt und nach Krefeld in meinen Heimatort gebracht. Ich habe davon drei Kilo Schokolade abgenommen und verschenke sie auf Fachgesprächen wie an euch heute hier in Berlin. Lasst sie euch schmecken. Ich

04/2021 | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | Sorgerechtsentzug | 37 ANTRÄGE

Bundesweite Studie – Sorgerechtsentzug bei und Diskriminierung von Müttern mit lesbi- schen Beziehungen und ihren Kindern

38 | Sorgerechtsentzug | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | 04/2021 Deutscher Bundestag Drucksache 19/27878

19. Wahlperiode 24.03.2021 Vorabfassung - wird durch die lektorierte Fassung ersetzt. Vorabfassung

Antrag der Abgeordneten Ulle Schauws, Sven Lehmann, , Katja Keul, Ekin Deligöz, , , Britta Haßelmann, Maria Klein- Schmeink, Renate Künast, , Dr. , Dr. , , , Tabea Rößner, Dr. , Charlotte Schneidewind-Hartnagel, , Beate Walter-Rosenheimer, Wolfgang Wetzel und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Bundesweite Studie – Sorgerechtsentzug bei und Diskriminierung von Müttern mit lesbischen Beziehungen und ihren Kindern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest: Bis in die 1990er Jahre hinein lebten in Deutschland lesbische und bisexuelle Mütter in Angst, Abhängigkeit und Sorge um den Verlust des Sorgerechts ihrer Kinder und den Unterhalt, wenn sie sich von ihrem Ehemann scheiden ließen, um in einer Liebesbeziehung mit einer Frau zu leben. Einigen wurde tatsächlich das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen. Begründet wurde das oft mit der Gefährdung des Kindeswohls. Die bisher einzige Studie, die sich mit der Situation lesbischer und bisexueller Mütter nach einer Scheidung von ihrem Ehemann befasst hat, wurde am 14. Ja- nuar 2021 vom rheinland-pfälzischen Ministerium für Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz veröffentlicht. Das Institut für Zeitgeschichte München-Berlin und die Bundestiftung Magnus Hirschfeld waren damit beauf- tragt worden. Die Studie kommt zum Ergebnis, dass für den Untersuchungszeitraum 1946 bis 2000 eine Diskriminierung von Müttern mit lesbischen Beziehungen und ihren Kindern eindeutig festzustellen sei. Zudem lege es nahe von struktureller Gewalt und aus heutiger Sicht von Unrecht zu sprechen („…in ständiger Angst...“, For- schungsbericht von Dr. Kirsten Plötz im Auftrag des Instituts für Zeitgeschichte München–Berlin und der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, 2021). Drucksache 19/27878 – 2 – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode

Laut der Studie gab es für die Situation lesbischer und bisexueller Mütter und deren Kindern mehrere Gründe. Zum einen waren es die gesellschaftlichen Er- wartungen in den 50er, 60er und 70er Jahren an Frauen, sich als Ehefrau und Vorabfassung Mutter ausschließlich der Familie zu widmen. Nach dem Schuldprinzip im Schei- dungsrecht, das bis 1977 galt, verloren schuldig geschiedene Ehepartner*innen den Unterhalt. Auch wenn dies in dieser Weise nicht explizit im Gesetz selbst formuliert war, beeinflussten die juristischen Kommentierungen des BGB die Rechtsprechung, sodass der gleichgeschlechtliche Verkehr als „schwere Ehever- fehlung“ und damit als Grund für eine schuldige Scheidung angesehen wurde. Zudem wurde dem schuldig geschiedenen Elternteil in der Regel das Sorgerecht nicht zugesprochen. Und nicht zuletzt herrschten moralische Vorstellungen von Familienkonstellation und Kindeswohl, bei der eine gleichgeschlechtliche Part- nerschaft als moralisch bedenklich galt. Eine Gefährdung des Kindeswohls wurde auch damit begründet, dass eine Diskriminierung der Kinder zu befürchten sei, wenn sie bei ihrer lesbischen Mutter leben. -

Am 17. Januar 2020 lud die Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird zum öffentlichen Fachgespräch „Wenn die Mutter lesbisch lebt(e) - Fälle von Sor- gerechtsentzug bei Müttern, die in Beziehungen mit Frauen lebten“ in den Deut- schen Bundestag ein. In der Diskussion wurde deutlich, wie stark das Thema ta- buisiert und wieviel Leid das damalige gesellschaftliche Klima und die Praxis der durch Gerichte und Behörden verursacht hatten (https://www.gruene-bundestag.de/ter- mine/vergangene-veranstaltungen/wenn-die-mutter-lesbisch-lebte). Eine bundesweite Aufarbeitung und genaue Zahlen, wie viele Frauen von einem Sorgerechtsentzug betroffen oder bedroht waren, sowie zur Lage der lesbischen die und bisexuellen Mütter in der DDR fehlen bisher völlig. Dieses Kapitel der deut- schen Geschichte und das damit verbundene Unrecht müssen aufgearbeitet wer- den. lektorierte

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, eine interdisziplinär angelegte bundesweite Studie „Sorgerechtsentzug bei und Diskriminierung von Müttern mit lesbischen Beziehungen und ihren Kindern“ im Auftrag zu geben.

Fassung

Berlin, den 23. März 2021

Katrin Göring-Eckardt, Dr. und Fraktion

ersetzt. 19/82 WENN DIE MUTTER LESBISCH LEBT(E) – FÄLLE VON SORGERECHTSENTZUG BEI MÜTTERN, DIE IN BEZIEHUNGEN MIT FRAUEN LEBTEN

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