Wenn Die Mutter Lesbisch Lebt(E)
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Dokumentation des Fachgesprächs vom 17.01.2020 in Berlin WENN DIE MUTTER LESBISCH LEBT(E) Fälle von Sorgerechtsentzug bei Müttern, die in Beziehungen mit Frauen lebten UNS GEHT‘S UMS GANZE IMPRESSUM Herausgeberin Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion Platz der Republik 1 11011 Berlin www.gruene-bundestag.de Verantwortlich Ulle Schauws MdB Sprecherin für Frauen- und Queerpolitik Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion Platz der Republik 1 11011 Berlin E-Mail: [email protected] Redaktion Franziska Krause, Amelie Schillinger und Jerzy Szczesny Bezug Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion Info-Dienst Platz der Republik 1 11011 Berlin Fax: 030 / 227 56566 E-Mail: [email protected] Redaktionsschluss April 2021 | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | 04/2021 INHALT | Vorwort ......................................................................................... 5 Wenn die Mutter Lesbisch lebt(e) - Fälle von Sorgerechtsentzug bei Müttern, die in Beziehungen mit Frauen lebten ................................................... 5 Fachgespräch vom 17.01.2020 ......................................................... 5 Anträge ....................................................................................... 38 Bundesweite Studie – Sorgerechtsentzug bei und Diskriminierung von Mütternmit lesbischen Beziehungen und ihren Kindern 04/2021 | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | 4 | Sorgerechtsentzug | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | VORWORT Liebe Leser*innen, die Trennung von der Mutter verursacht, wird dies verstehen. Darum gilt mein Dank allen, die an als wir Grünen im Januar 2020 zum Fachgespräch diesem Fachgespräch mitgewirkt und vor Ort „Wenn die Mutter lesbisch lebt(e) - Fälle von gesprochen haben. Sorgerechtsentzug bei Müttern, die in Beziehungen mit Frauen lebten“ in die grüne Bemerkenswert waren der wertschätzende Bundestagsfraktion in den Deutschen Bundestag Umgang aller Anwesenden miteinander und die eingeladen hatten, um über das bis dahin enorme Resonanz auf dieses dreistündige, tabuisiertes Unrecht auszutauschen, war noch informative und auch berührende Fachgespräch. nicht absehbar, wie und worauf sich die Corona Es hat auch verdeutlicht, dass dieses Thema, die Pandemie auswirken würde – besonders Angst vor einem Sorgerechtsentzug, für alle geschlechterpolitisch. Auch deshalb kommt dieser nachvollziehbar ist unabhängig von ihrem Reader später als geplant. Lebenskontext. Aber selbst wenn uns die Pandemie die Über die Berichte der Fälle von Konsequenzen von fehlender geschlechtersensibler Sorgerechtsentzügen bei Lesben wurde deutlich, Politik in neuer Dimension vor Augen führt, ist dass die Ungleichbehandlung von Frauenpaaren dennoch klar, dass dies kein neues Phänomen ist. heute noch aktuell ist, wenn auch verlagert in Nicht nur in der Krise werden Frauen nicht oder anderer Form. Dass (Co-)Mütter immer noch ihre wenig berücksichtigt. Ihre Selbstbestimmung wird eigenen Kinder über den langen, leidvollen und an vielen Stellen eingeschränkt. Ein bislang rechtsunsicheren Weg der Stiefkindadoption unbekannter Teil dessen ist, dass Frauen über adoptieren müssen, fußt auf derselben Jahrzehnte aufgrund ihrer sexuellen Identität das lesbenfeindlichen Argumentation, die auch damals Sorgerecht für ihre Kinder entzogen bekommen schon Frauen liebende Frauen als weniger haben oder berechtigte Angst davor hatten, dass geeignete Mütter bezeichnete: Frauen oder queere ihnen das passiert. Die Auseinandersetzung mit Menschen, die sich der Heteronormativität dem Sorgerechtsentzug lesbischer Mütter bis in die entziehen, müssen „in ihre Schranken gewiesen“ 1980er Jahre einschließlich Kontinuitäten bis in werden. die Gegenwart ist mit vielen Schwierigkeiten Für mich persönlich war es keine leichte verbunden. Abwägung, Menschen öffentlich zu fragen, ob sie In dieser ersten öffentlichen Veranstaltung zum ihr Schweigen brechen wollen. Umso dankbarer Thema im Deutschen Bundestag wurde sehr bin ich für die bereichernden Beiträge der schnell klar, wie groß die Leerstelle im Expert*innen auf dem Podium und die mutigen gesellschaftlichen Diskurs ist. Das Thema ist nicht Wortmeldungen aus dem Publikum. Wir sind uns nur für die betroffenen Frauen und ihre Kinder ein sicher, dass wir mit diesem Fachgespräch einen Tabu. Auch die Menschen, die für dieses Unrecht Anfang setzen konnten, der nachhaltig wirkt. und Leid verantwortlich sind, wollen nicht darüber Dieser Reader soll die Möglichkeit geben, den sprechen. Die Suche nach Zeug*innen und Quellen wertvollen Austausch nachzuvollziehen, breiter ist mühsam und das Gefühl, zum Teil vor zugänglich zu machen und somit einen Stein ins verschlossenen Türen zu stehen, gehört zur Rollen zu bringen. Auch die Studie von Dr. Kirsten Aufarbeitung dazu. Es ist mehr als verständlich, Plötz, die vom Ministerium für Familie, Frauen, dass unmittelbar Betroffenen und Geschädigte Jugend, Integration und Verbraucherschutz in (noch) nicht die richtigen Worte finden konnten Rheinland-Pfalz in Auftrag gegeben wurde, ist und die Verletzung über das geschehene Unrecht mittlerweile im Januar 2021 mit dem Titel „… IN sehr tief sitzt. Jeder Mensch, der emotional erfasst, STÄNDIGER ANGST … - Eine historische Studie über was ein Sorgerechtsentzug der eigenen Kinder oder rechtliche Folgen einer Scheidung für Mütter mit 04/2021 | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | Sorgerechtsentzug | 3 lesbischen Beziehungen und ihre Kinder in Westdeutschland unter besonderer Berücksichtigung von Rheinland-Pfalz (1946 bis 2000)“ veröffentlich worden. Ich hoffe, dass beides dazu beiträgt, das Tabu und Schweigen weiter zu brechen, sodass eine Aufarbeitung und vor allem die so wichtige wissenschaftliche Arbeit weitergehen können. Der politische Prozess wird folgen – und damit hoffentlich die Aussicht auf eine Entschuldigung bei den Betroffenen und auf ihre Rehabilitation. Die grüne Bundestagsfraktion hat dazu jedenfalls einen Antrag [Anmerkung: Drucksache 19/27878] im Bundestag gestellt. Herzliche Grüße Ulle Schauws 4 | Sorgerechtsentzug | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | WENN DIE MUTTER LESBISCH LEBT(E) - FÄLLE VON SORGERECHTSENTZUG BEI MÜTTERN, DIE IN BEZIEHUNGEN MIT FRAUEN LEBTEN FACHGESPRÄCH VOM 17.1.2020 Ulle Schauws: Guten Tag zusammen. Ich freue besonders, dass heute dieses Fachgespräch jetzt mich sehr, dass dieser Raum zu diesem Thema so erstmals so stattfindet. Eine meiner vollbesetzt ist. Wir haben uns heute „Wenn die Schwiegermütter hat sich Ende der 1980er Jahre Mutter lesbisch lebt(e) - Fälle von mit drei damals noch relativ kleinen Kindern im Sorgerechtsentzug bei Müttern, die in Beziehungen Sauerland von ihrem Ehemann getrennt, um mit mit Frauen lebten“ zum Thema genommen. Ich ihrer Lebensgefährtin zusammenzuleben. Darüber möchte als Erstes unsere stellvertretende habe ich noch nie in einem größeren Kreis Fraktionsvorsitzende und Leiterin des gesprochen, aber sehr wohl innerhalb unserer Arbeitskreises Gesellschaftspolitik der grünen Familie. Und da sind dann natürlich auch Themen Bundestagsfraktion, Katja Dörner begrüßen, die zutage getreten. Die Ängste, die sie damals hatte. heute die Begrüßung übernimmt, und zwar die Die Frage: Kann ich das überhaupt machen? Kann offizielle Begrüßung. Meine ist jetzt nur so ein ich so leben, wie ich leben möchte? Was bedeutet bisschen informell. Aber erst mal hat Katja das das für die Kinder? Und was bedeutet das dann Wort. Und dann machen wir weiter. Liebe Katja, auch eben ganz konkret für das Zusammenleben ich übergebe an dich. mit meinen Kindern? Wird mir das noch möglich sein? Werde ich Probleme haben? Ganz konkret Katja Dörner: Vielen Dank, liebe Ulle. Ich darf Sie auch Stichwort Sorgerecht. Wie reagiert ein ganz herzlich begrüßen zu dem Fachgespräch Jugendamt oder ein Familiengericht, gerade eben, heute. Und ich muss sagen, ich bin regelrecht vor rund 30 Jahren im Sauerland? Und ich denke, überwältigt und freue mich sehr, dass wir mit dem viele hier im Saal können nachvollziehen, wie eine Thema offensichtlich einen ganz zentralen Nerv solche Entscheidungsfindung dann auch durch getroffen haben und dass es so ein großes solche Fragen mit belastet wird oder jedenfalls mit Interesse an dieser Thematik gibt. Ein Thema, das beeinflusst wird. sehr lange tabuisiert worden ist, zu dem es noch überhaupt keine öffentliche Veranstaltung Und deshalb ist es sehr gut, dass es jetzt einen gegeben hat. Und insofern bin ich sehr froh, dass öffentlichen Raum gibt, über diese Themen zu Ulle Schauws hier die Initiative ergriffen hat und sprechen. Und ich will auch noch einen weiteren so ein hochrangiges Podium für uns eingeladen Punkt ansprechen, den ich sehr wichtig finde. hat, mit dem wir dann gleich über die Thematik Unsere Veranstaltung heute ist eben nicht nur sprechen können. retrospektiv, wir gucken nicht nur zurück. Es ist wichtig, zurück zu schauen, was und warum das Es ist in diesem Kontext - ich glaube, das ist uns passiert ist. Noch heute bestimmen allen klar - Unrecht geschehen: gegenüber gesellschaftliche Haltungen, die Haltungen Müttern aber auch gegenüber Kindern. Und Einzelner, auch Entscheidungen bei Jugendämtern Unrecht muss immer ans Licht. Unrecht muss oder bei Familiengerichten. Ich glaube, da kann enttabuisiert werden. Und wir müssen Foren sich auch kein Mensch so ganz von freimachen. schaffen, in denen wir über diese Themen Wenn ich beispielsweise an die Frage denke, sprechen können. warum kann eine Stiefkindadoption bei Ich habe einen sehr persönlichen Zugang zu Frauenpaaren in einem bestimmten Landkreis diesem Thema. Auch deshalb