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Starke Gemeinschaften Unsere Dörfer haben Zukunft Inhalt Vorwort

Unser Dorf hat Zukunft 4 Liebe Leserinnen und Leser, 1. Preis: Lünne 6 dass unsere Dörfer Zukunft haben, haben 2. Preis: -Wahn 8 wir im immer wieder aufs Neue be- 3. Preis: Clusorth-Bramhar 10 wiesen – nicht zuletzt durch unsere Golddör- 4. Preis: Schwefingen 12 fer und . Beim diesjährigen Wettbewerb sind zehn Dörfer angetreten, 5. Preis: -Moor 14 um ihre Zukunftsfähigkeit zu demonstrie- Sonderpreis Integration ren. Dabei geht es weniger um die Frage, ob ein Dorf Zukunft hat, als darum, wie ein Dorf 1. Preis Holthausen-Biene 16 seine Zukunft gestaltet, wie es mit Heraus- 1. Preis Rühle 18 forderungen wie dem demografischen Wan- Borsum 20 del, dem Klimawandel oder der Schließung von Geschäften und Gaststätten umgeht. Brual 22 Leschede 24 Eines hat die Bereisung gezeigt: Ein Pa- Diese Broschüre soll nicht nur die Initiative Preisverleihung 26 tentrezept gibt es nicht – dafür aber viele und den Ideenreichtum der Dörfer im Wett- Konzepte. Jedes der Dörfer im Wettbewerb bewerb würdigen, sie soll auch eine Inspira- Demografiewerkstatt Kommunen 30 hat ganz unterschiedliche Schwerpunkte tionsquelle sein. Den Weg in eine erfolgrei- gesetzt und ganz verschiedene Strategien che Zukunft muss man nicht unbedingt in Das Dorf als Großfamilie: „Altwerden in Vrees“ 42 entwickelt, um zukunftsfähig zu bleiben. Da- der Ferne suchen – im Emsland finden sich „Von Kirchtürmen und Netzwerken“ 45 bei kommt es nicht darauf an, wie groß ein die besten Ideen oft direkt nebenan. Dorf ist – was zählt, ist die Gemeinschaft. In jedem Ort sind wir als Jury Menschen begeg- net, die sich zusammen auf herausragende Weise für ihren Ort engagieren. Das Ehren- amt und die Vereine sind das Fundament, das Dörfer mit Zukunft trägt.

3 Unser Dorf hat Zukunft Dörfer mit Zukunft

„Unser Dorf hat Zukunft“ kann auf eine lange Tradition zurückblicken: Bereits 1961 fand der erste Wettbewerb auf Bundesebene statt – da- mals noch unter dem Titel „Unser Dorf soll schöner werden“. Während es damals vor allem um eine ansprechende Bepflanzung ging, müs- sen die Dörfer heute eine Vielzahl von Kriterien erfüllen. Zwar spielt das Ortsbild immer noch eine Rolle, in erster Linie geht es jedoch darum, wie sich die Menschen vor Ort gemeinsam dafür engagieren, dass die Lebensqualität in ihrem Dorf dauerhaft erhalten bleibt.

Beim Kreiswettbewerb bereiste eine elfköpfige Jury zwei Tage lang die teilnehmenden Dörfer und bewertete eine Vielzahl von Punkten. Bür- gerbeteiligung, Klimaschutz, Wirtschaftsförderung oder Infrastruktur waren nur einige von ihnen. Eine wichtige Rolle spielte auch die Fra- ge, wie die Orte den demografischen Wandel gestalten. Neben dem eigentlichen Wettbewerb lobte der Landkreis Emsland zudem einen Sonderpreis Integration aus für Dörfer, die sich in der Flüchtlingsarbeit besonders hervorgetan haben.

Wie lebendig und innovativ Engagement im Emsland ist, haben Dör- fer bei „Unser Dorf hat Zukunft“ immer wieder unter Beweis ge- stellt. Mit Oberlangen und Vrees haben 2013 und 2016 sogar zwei emsländische Dörfer in Folge Gold auf Bundesebene gewonnen. Auch die Teilnehmer des aktuellen Kreiswettbewerbs zeichnen sich durch ein herausragendes bürgerschaftliches Engagement aus. Unabhängig davon, welchen Platz sie am Ende erzielten: Dank ei- Die Jury: 1. Reihe: Sylvia Backers, Landrat Reinhard Winter, Annegret Nögel, Ursula Mersmann, ner starken Gemeinschaft sind sie alle gut für die Zukunft gerüstet. 2. Reihe: Marianne Hiebing, Ulrich Wilde, 3. Reihe: Markus Silies, Dirk Kopmeyer, Michael Steffens, 4. Reihe: Andreas Kaiser, Heiner Reinert. Hinten Walter Pengemann vom Landkreis Emsland.

4 5 1. Preis: Idyllische Landschaft Dass Lünne ein Ort ist, an dem man sich gerne aufhält, zeigt sich an vielen Stellen.

Lünne Da sind zum Beispiel der Blaue See und der Lünner See, Ausflugsziel für Einheimische und Urlaubsziel für Camper oder Zeltlager- „Ein Lünne“ – das Motto des Dorfes in der Samtgemeinde gruppen. Am Lünner See bietet die Gemein- kommt nicht von ungefähr. Gemeinsam haben die knapp 2000 Lün- de zudem mit dem „maritimen Wohnen“ ner einen lebens- und liebenswerten Ort geschaffen, der für Einheimi- Baugrundstücke direkt am Wasser, die so sche wie Touristen gleichermaßen attraktiv ist und über ein erstaun- beliebt sind, dass jetzt ein zweites Baugebiet lich vielfältiges Vereinsleben verfügt. Hase ausgewiesen wird. Nicht minder idyllisch ist der Ortskern mit der Kirche St. Vitus, dem sa- nierten Gemeindehaus Schmeing und dem Bürgerpark, den die Gruppe „Gut auf dem „Lünne hat sich als fest im Emsland verwurzelte leben- Lingen Damm“ ehrenamtlich pflegt. Das Emsländer dige Dorfgemeinschaft mit Tradition und zugleich als Brauhaus, die erste Anlage für Fußballgolf und der Jugendzeltplatz Sanddeele inmit- Dorf mit Zukunftskonzepten hervorragend präsentiert.“ ten von Wäldern sind nur drei weitere Anzie- Lünne hungspunkte in dem Ort. Landrat Reinhard Winter Bunte Vereinslandschaft tens drei Töchter, aber keinen Sohn haben. Ob Schützenverein, Kolpingsfamilie oder Daneben verfügt Lünne mit sieben Gast- Heimatverein, ob Kinderzirkus oder Senio- stätten über eine lebendige Kneipenkultur. renkreis – in Lünne ist für jeden Platz und Dem starken Bürgerengagement ist es zu nicht zuletzt deshalb hat das Dorf Zukunft. verdanken, dass 2016 ein Nahversorgungs- zentrum eingeweiht werden konnte, sodass alle Lünner Waren des täglichen Bedarfs vor Ort erhalten. Womit das Dorf aber viel- „Das ganze Dorf war hier auf den Beinen. leicht am meisten beeindruckt, ist die au- ßergewöhnlich vielseitige Vereinslandschaft Die Gemeinschaft in Lünne stimmt.“ – darunter so deutschlandweit einzigartige Gruppen wie die „Wichterpapas“, ein Zu- Annegret Nögel, Vertreterin der Kreislandfrauenvereine sammenschluss von Vätern, die mindes-

6 7 2. Preis: Papenburg Lathen-Wahn Lathen-Wahn

Das Dorf Lathen-Wahn hat eine besondere Geschichte. Nachdem die Nationalsozialisten die alte Ortschaft Wahn auflösten, um den Krupp- schen Schießplatz zu erneuern, wurden 35 Familien nach Lathen umgesiedelt, wo sie gemeinsam mit den Bewohnern umliegender Meppen Ortschaften Lathen-Wahn gründeten. 76 Jahre später ist daraus eine starke Gemeinschaft erwachsen, die vor allem von dem guten Mitein- ander der Generationen lebt.

Im Gespräch bleiben die Erzieher bei ihrer Arbeit, ein „Vorlese-Opa“ Lingen erzählt Geschichten. So entwickeln die Kleins- ten schon früh ein herzliches Verhältnis zu Für manche Orte ist ein Jubiläum nur ein Fest, den Älteren. Eine Gruppe Ehrenamtlicher für Lathen-Wahn war das 75. Jubiläum der kümmert sich um die Pflege der Außenanla- Auftakt für eine neue Phase der Dorfgeschich- gen, die Katholische Landjugendbewegung te. Um die Feierlichkeiten zu planen, kamen hat zusammen mit vielen weiteren Helfern ei- die verschiedenen Vereine im Dorf zusam- nen Naturspielplatz für die Kinder gebaut. men. Daraus entwickelte sich ein inzwischen „Lathen-Wahn hat sich dyna- regelmäßig stattfindendes Dorfgespräch, in Auch in Sachen Klimaschutz engagiert sich misch und vielfältig präsentiert. dem die Bewohner die Weiterentwicklung ih- Lathen-Wahn als Teil der Samtgemeinde res Dorfes diskutieren. Lathen vorbildlich. 2014 erhielt Lathen beim Es ist beeindruckend, wie sich Kreiswettbewerb für „Unser Dorf hat Zukunft“ der Ort in der Zeit nach dem Leihomas und Vorlese-Opas dafür den Klimaschutz-Sonderpreis. Im Rah- men der Dorferneuerung hat Lathen-Wahn Krieg bis heute entwickelt hat.“ Aushängeschild von Lathen-Wahn ist die viel getan, um sein Ortsbild zu verbessern. So Kindertagesstätte „Purzelbaum“ mit Famili- wurde etwa die Gaststätte „Wahner Eck“ sa- Markus Silies, Vorsitzender des Ausschusses enzentrum. 140 Kinder werden hier betreut. niert – ein beliebter Treffpunkt für das ganze für Kreisentwicklung Das Besondere: Elf „Leihomas“ unterstützen Dorf.

8 9 Aktive Arbeitskreise suche von langjährigen Einwohnern erhalten 3. Preis: Papenburg Neubürger erste Informationen, zudem ist Seit vielen Jahren gestaltet Clusorth-Bramhar derzeit eine Imagebroschüre in Planung. aktiv seine Zukunft. Ein Höhepunkt war die Clusorth-Bramhar Teilnahme am niedersächsischen Modell- Äpfel und Bienen projekt „Dorfgespräch“, infolge dessen sich acht Arbeitskreise gründeten, die die positive Berühmt ist Clusorth-Bramhar für sein Apfel- Entwicklung weiter vorantreiben. Die für das fest, das regelmäßig über 10.000 Besucher Clusorth-Bramhar packt an – und das gemeinsam. In den letzten Jah- Emsland typische „Anpacker-Mentalität“ ist in anlockt. Der Apfel ist jedoch nicht nur Wahr- ren hat das Dorf, das zur Stadt Lingen gehört, eine beeindruckende Clusorth-Bramhar an vielen Orten zu erleben. zeichen und Basis für das individuelle Dorf- Zahl von Projekten umgesetzt. Ob Kapellensanierung oder Kinder- Nachdem die Zuschüsse für das geplante Ten- profil, mit seiner Streuobstwiese engagiert buch: Clusorth-Bramhar engagiert sich mit Kreativität und Leiden- Meppen nishaus wegfielen, finanzierten und bauten sich der Ort auch für den Naturschutz. Dafür schaft. die Vereinsmitglieder das Haus in Eigenleis- erhielt Clusorth-Bramhar 2017 sogar einen tung. Auch die Marien- und Friedhofskapelle Ehrenpreis als „wildbienenfreundliche Kom- Clusorth-Bramhar haben die Bewohner selbst saniert. Daneben mune“. Bereits ein Jahr davor veröffentlichte verfügt der Ort über ein aktives Vereinsleben. der Ort das Kinderbuch „Biene Marie geht auf Das Haus der Vereine ist nicht nur Treffpunkt Entdeckungsreise“. Die Illustrationen stam- Lingen für die verschiedenen Gruppen, sondern auch men von Kindergarten- und Schulkindern. für alle Generationen. Auch Zugezogene will In Clusorth-Bramhar bringen sich selbst die Clusorth-Bramhar integrieren. Durch Hausbe- Jüngsten mit ein.

„Clusorth-Bramhar macht insbesondere aus, dass die Dorfgemein- schaft sehr eng zusammensteht. Der Ort hat gelernt, dass dies eine große Stärke ist und dass man in einer kleinen Gemeinschaft vieles selbst lösen kann.“

Sylvia Backers, Dezernatsteilleiterin beim Amt für Landesentwicklung Weser-Ems, Strukturförderung ländlicher Raum 10 11 4. Preis: Papenburg Schwefingen

Allein schon die idyllische Lage macht Schwefingen zu einem echten Wohlfühlort. Aber auch abseits der Natur arbeiten die Bewohner des Meppener Stadtteils stetig daran, das Erscheinungsbild und die Le- bensqualität zu verbessern. In gemeinsamer Anstrengung haben sie Meppen eine neue Dorfmitte geschaffen, die allen ein Zuhause bietet. Schwefingen

„Schwefingen ist ein Ort, der sich im ehrenamtlichen Lingen Bereich und im dörflichen Zusammenhalt enorm Neues Dorfgemeinschaftshaus Das Gebäude steht jedoch nicht nur den Schützen, sondern allen Ver- einen offen, darunter der Frauenschola und der Volkstanzgruppe. Auch entwickelt hat. Auch die jungen Leute machen mit, Schwefingen ist mehr als eine Dorfgemein- die Bücherei und das Pfarrbüro sind dort beheimatet. das ist ein gutes Zeichen.“ schaft: „Wir sind eine Großfamilie“, sagen die Einwohner über sich selbst. Wie eng der Mehr Sportfreunde als Einwohner Marianne Hiebing, Vorsitzende des Touristikverbands Emsland e.V. Zusammenhalt der Menschen ist, zeigte sich nirgendwo deutlicher als im Umbau des Dorf- Zusammen mit den benachbarten Anlagen des Sportvereins haben die gemeinschaftshauses. Nicht nur haben die Schwefinger so eine attraktive Dorfmitte geschaffen. Die Sportfreunde Schwefinger 35.000 Euro aus eigenen Mitteln Schwefingen sind ein Phänomen für sich, haben sie doch 620 Mitglie- sowie 15.000 Euro an Sponsorengeldern auf- der – bei 420 Einwohnern. Etwas ganz Besonderes ist die Inklusions- gebracht, sie haben auch über 1.000 Arbeits- mannschaft für Kinder mit und ohne Behinderungen. Ein Höhepunkt stunden in das „Haus der Dienstleistungen“ im Veranstaltungskalender ist das Schwefinger Open Air, das sich dank gesteckt. Auch das Umfeld zwischen dem der vielen ehrenamtlichen Helfer zu einer der beliebtesten Partys in der Haus und den Sportanlagen gestalteten sie Region entwickelt hat. Auch in der Zukunft hat das Dorf noch viel vor: komplett neu. Der Schützenverein baute zu- Nächstes Projekt ist die Erneuerung des Kirchplatzes. Direkt nebenan dem das Obergeschoss des Hauses um und befindet sich das bereits sanierte Café „Alte Scheune“, Anziehungs- errichtete in Eigenleistung einen Schießstand. punkt für Einheimische und Radtouristen.

12 13 . Preis: Papenburg Sustrum-Moor Sustrum-Moor

Mit seinen rund 70 Jahren gehört Sustrum-Moor zu den jüngeren Dörfern im Emsland. Aus den Siedlern, die sich in dem Ort niederlie- ßen, ist Jahrzehnte später eine fest zusammenstehende Gemeinde geworden – was sich auch in dem Leitspruch „Hier lebt die Gemein- schaft“ widerspiegelt. Ein vielfältiges Vereinsleben und das große Meppen ehrenamtliche Engagement sind nur zwei Gründe, warum es sich in Sustrum-Moor gut leben lässt.

Lingen

Viel investiert Kulturelle Vielfalt

Wer heute durch Sustrum-Moor geht, mag Ehrenamt wird in Sustrum-Moor großgeschrieben. Die „Rentnergang“ kaum glauben, dass das Dorf vor nicht allzu beispielsweise kümmert sich um die Pflege der Grünflächen, die Jün- langer Zeit aus Moor- und Heidelandschaften geren engagieren sich unter anderem in der Landjugend und der Feu- bestand. Der Dorfplatz ist eine grüne Oase erwehr. Für ein Dorf mit 520 Einwohnern verfügt Sustrum-Moor zudem im Zentrum des Orts, Wiesen, Alleen und ein über eine überraschende kulturelle Vielfalt. Der Ort hat mehrere Chöre, Teich prägen das Bild. Überhaupt hat Sus- eine Gitarrengruppe sowie eine Theatergruppe, die in der wiedereröff- „Hier sieht man, was es ausmacht, wenn in einer trum-Moor in den letzten Jahren viel investiert. neten Gaststätte „Moorstübchen“ mit ihren Aufführungen das Pub- So wurden ein neues Feuerwehrhaus, eine likum begeistert. Daneben arbeitet das Dorf seine Vergangenheit als Dorfgemeinschaft alle gleichzeitig starten. neue Turnhalle und ein neues Gemeindebüro Standort des Konzentrationslagers V Neusustrum durch Treffen mit Sustrum-Moor hat sich super entwickelt.“ mit Jugendraum gebaut und ein barrierefrei- ehemaligen Insassen aktiv auf. Sustrum-Moor ist ein Ort, der seine Ver- er Busbahnhof vor der Grundschule errichtet. gangenheit nicht vergisst und seine Zukunft fest im Blick hat. Andreas Kaiser, Geschäftsführer des Kreisverbandes des Niedersächsischen Neue Baugrundstücke ziehen besonders jun- Städte- und Gemeindebundes ge Familien an.

14 15 1. Preis Sonderpreis Integration Holthausen-Biene Papenburg

Krieg und Terror im Nahen Osten haben auch in Holthausen-Biene ihre Spuren hinterlassen. Fast 50 Flüchtlinge, die meisten von ihnen aus Syrien, dem Irak und Afghanistan, leben derzeit in dem Linge- ner Stadtteil. Die ehrenamtlichen Helfer haben es sich zur Aufgabe „In den kleinen Orten klappt die Integration oft besser als in den gro- gemacht, die Neuankömmlinge umfassend bei der Integration in die Meppen ßen Städten. In Holthausen-Biene haben die Menschen erkannt, dass deutsche Gesellschaft zu unterstützen – vom Spracherwerb bis zur Arbeitssuche. die Begegnung mit Fremden auch für sie wichtig ist. Ich glaube, sie alle Holthausen-Biene werden mit Begeisterung weiter machen.“ Viele ehrenamtliche Helfer Lingen Ursula Mersmann, Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit, Nicht erst seit der Flüchtlingswelle 2015 ist Integration ein Thema in Soziales und Integration Holthausen-Biene. Schon 2006 eröffnete das Zukunftsbüro „Wabe“, das bürgerschaftliches Engagement stärkt und koordiniert, damit wirklich jeder Einwohner Teil der Dorfgesellschaft werden kann und bestehen vielfältige Möglichkeiten zum Aus- sich in Holthausen-Biene wohlfühlt. 2015 richtete die Stadt Lingen ein tausch: Einmal im Monat findet ein „Offener Flüchtlingsheim im Garten des Ludwig-Windthorst-Hauses ein. Bereits Treff“ für Neubürger und Einheimische statt. im Vorfeld hatten rund 30 Personen ihr Interesse bekundet, sich eh- Ein Frauentreff ermöglicht es Frauen, die im renamtlich zu engagieren. Erste Priorität für die Helfer war es, durch Alltag oft mit der Kindererziehung beschäftigt Deutschunterricht und Unterstützung bei der Alltagsbewältigung die sind, neue Bekanntschaften zu machen. Viele Flüchtlinge beim Ankommen und beim Spracherwerb zu unterstützen. Flüchtlinge sind zudem im Sportverein aktiv. Andere Ehrenamtliche machten sie mit kulturellen Eigenarten vertraut oder begleiteten sie zum Arzt und zu Behörden. Integration beschränkt sich in Holthausen-Bie- ne aber nicht nur auf die Flüchtlingsarbeit: Arbeit und Austausch Mehrmals in der Woche findet ein Mittags- tisch für Senioren und Alleinstehende statt, Wichtig für die Helfer ist es auch, die Neuankömmlinge bei der Integ- bei dem die Teilnehmer über einem leckeren ration in den Arbeitsmarkt zu unterstützen. So vermittelten sie ihnen Mittagessen ins Gespräch kommen – ein Praktika in Lingener Firmen. Einige Flüchtlinge haben inzwischen ei- wichtiger Beitrag, um Einsamkeit im Alter ent- nen Arbeits- oder Ausbildungsplatz gefunden. Auch in der Freizeit gegen zu wirken.

16 17 1. Preis Sonderpreis Integration Engagierter Helferkreis im Verein oder nehmen an Lauftreffs teil. Gemeinsam mit dem Helfer-

Papenburg kreis unternehmen sie Ausflüge, zum Beispiel zur Freilichtbühne, oder Die Geschichte der Sudanesen in Rühle be- lernen deutsche Traditionen kennen wie das Aufstellen des Maibaums Rühle gann mit dem Entschluss der Kirchengemein- oder das Schützenfest. de, das alte Pfarrhaus an die Stadt Meppen zur Unterbringung von Flüchtlingen zu vermie- Flüchtlinge packen an „Wir Rühler Jungs. Immer mittendrin“ – der Aufdruck auf den T-Shirts ten. Es dauerte nicht lange, bis sich eine Grup- der zehn Sudanesen ist Programm. Nicht nur leben sie im Meppener pe Freiwilliger zusammen tat mit dem Ziel, Die Sudanesen profitieren jedoch nicht nur von der Initiative der Eh- Ortsteil Rühle mitten im Dorf, ein Kreis aus Helfern unterstützt die die jungen Männer in die Dorfgesellschaft renamtlichen, sie engagieren sich auch selbst. So übernahmen sie be- jungen Männer aktiv bei der Integration. Inzwischen sind die Flücht- zu integrieren. Nach nicht einmal zwei Jah- reits wenige Monate nach ihrer Ankunft Reinigungsarbeiten im Dorf, linge aus der Dorfgemeinschaft nicht mehr wegzudenken. Meppen ren sind die Sudanesen in Rühle „angekom- zudem unterstützen sie die Rühler Jugend beim Einsammeln der Weih-

Rühle men“. Nachdem sie ihre ersten Deutschkurse nachtsbäume. Mittlerweile sind sie sogar Mitglieder des Vereins „Hei- absolviert hatten, vermittelte der Helferkreis matfreunde Rühle“ und bewirtschaften im Bauerngarten eine eigene mehreren von ihnen Praktika in Unternehmen Parzelle. Die Heimatfreunde wiederum haben ihre Satzung geändert: vor Ort. Einige haben inzwischen einen festen Fortan wollen sie Flüchtlinge in Rühle integrieren und sie finanziell un- Lingen Arbeitsplatz, andere können eine Ausbildung terstützen. Die Arbeit des Helferkreises ist jedoch noch nicht zu Ende. beginnen, sobald sie als Flüchtlinge aner- Derzeit unterstützen sie die jungen Männer, die noch im Pfarrhaus le- kannt wurden. Auch in ihrer Freizeit haben sie ben, bei der Wohnungssuche. Aber schon jetzt ist für die Sudanesen einen festen Platz im Dorf: Sie spielen Fußball klar: Rühle ist ihre neue Heimat.

„Integration braucht Zeit, aber ich habe das Gefühl, dass Rühle hier auf einem guten Weg ist. Vor allem bei der Integration alleinstehender Männer werden gute Akzente gesetzt.“

Heiner Reinert, Vorsitzender des Ausschusses für Kultur und Tourismus

18 19 Besondere geografische Lage

Borsum Papenburg Vielleicht ist es die besondere geographische das Emsland hinaus bekannt. Dank seiner Borsum Lage Borsums, die die Bewohner so eng zu- Bewohner ist Borsum, das früher oft nur Ein Dorf wie Borsum gibt es nur einmal: Der Ort mit seinen rund 150 sammen schweißte: Bis in die 1960er Jah- per Boot zu erreichen war, ein echter Anzie- Einwohnern besteht im Wesentlichen aus zehn landwirtschaftlichen re nämlich war der Ort im Winter eine Insel. hungspunkt geworden. Betrieben, einer Kirche und einer Gaststätte. Doch trotz seiner gerin- Doch dies ist nicht die einzige Besonderheit: gen Größe ist Borsum weit über seine Grenzen hinaus bekannt. Zu Von der 1.200 Hektar großen Dorffläche wer- verdanken ist dies den vielen engagierten und kreativen Dorfbewoh- den 900 Hektar landwirtschaftlich genutzt. nern. Inmitten der Hofstellen, die den Ort prägen, Meppen liegen die gut 500 Jahre alte Kirche St. Anna und die Gaststätte Kassens, der Treffpunkt schlechthin im Dorf. Auch der Friedhof ist „Borsum zeigt, dass man auch in einem kleinen Dorf dort zu finden. 1930 wurden Fläche, Zaun ein lebendiges Dorfleben haben kann – nämlich dann, und Kreuz von Landwirten gestiftet, sodass Lingen die Borsumer bis heute keine Friedhofsge- wenn alle sich einbringen. So kann auch ein so kleines bühren zahlen. Dorf eine Zukunft haben.“ Engagierte Vereine

Michael Steffens, Dezernent für Kreisentwicklung Borsum ist zwar klein, aber äußerst lebendig – und vor allem engagiert. Sei es der Ang- lerverein, der den Ort auch für zahlreiche Touristen attraktiv macht oder die Kapellen- gemeinde, die kurzerhand selbst einen Wort- gottesdienst gestaltet, da der Pfarrer nicht jede Woche die Messe abhalten kann. Bor- sums Aushängeschild ist das Erdbeerfest, das von der Katholischen Landjugendbewe- gung organisiert wird. Ihre leckeren Erdbeer- spezialitäten locken regelmäßig unzählige Besucher nach Borsum und haben schon über 20.000 Euro an Spenden generiert. Auch die Gaststätte Kassens ist durch ihre plattdeutschen „Dinner Krimis“ weit über

20 21 Auf Vordermann gebracht hat der Ort auf die Beine gestellt. Etwas ganz Besonderes ist das alle Brual fünf Jahre stattfindende Erntedankfest samt Umzug, das von prak- Brual Papenburg Schon am Ortseingang von Brual wird deut- tisch allen Bewohnern mitgestaltet wird. lich, dass die Bewohner die Dinge gerne Eine enge Dorfgemeinschaft, die gerne anpackt – so präsentiert sich selbst in die Hand nehmen. Auf der einen Beliebt bei jungen Familien Brual, ein Ortsteil von Rhede (Ems). In der Vergangenheit hat das Dorf Straßenseite befindet sich eine Bushaltestel- vieles auf den Weg gebracht, um seine Attraktivität zu steigern. Bru- le, deren Seitenwände von Schulkindern ge- Die gute wirtschaftliche Situation mit 300 Arbeitsplätzen auf knapp al will sich aber nicht auf dem bisher Erreichten ausruhen, sondern staltet wurden. Auf der anderen Seite steht 700 Einwohner und die vielen aktiven Vereine sind nur zwei Gründe, schmiedet weiter Pläne für die Zukunft. die alte Sägerei, die der Heimatverein restau- warum Brual einen Bewohnerzuwachs verzeichnet. Vor allem junge riert hat. Dies sind nur zwei Projekte, die Bru- Familien zieht es in das Dorf im äußersten Nordwesten des Emslands, Meppen al in den letzten Jahren verwirklicht hat. So sodass der Ortsteil ein neues Baugebiet ausgewiesen und einen Ma- haben die Einwohner die Bibliothek renoviert, ma-Baby-Treff eingerichtet hat. Brual hat aber auch noch einiges zu „Was fehlt, ist ein Dorftreff. Aber Brual ist die Mariengrotte saniert und das Baugebiet tun: Dem Ort fehlt es an einem Nahversorger und seit kurzem auch auf einem guten Weg und wird dies auch Sandpoh umgestaltet, indem sie einen Dorf- an einer Gaststätte. Die Bewohner planen daher, in den nächsten platz mit Pavillon und Sitzecke einrichteten. Jahren einen Dorfladen mit Café zu eröffnen, damit es wieder einen bald umsetzen können.“ Lingen Auch mehrere erfolgreiche Veranstaltungen, zentralen Treff im Ort gibt. Dann haben auch die vielen Radtouristen, darunter zum Beispiel ein Open-Air-Festival, die Brual besuchen, einen weiteren Anreiz, länger zu bleiben. Ulrich Wilde, Vorsitzender des Ausschusses für Natur und Umwelt

22 23 Leschede Papenburg

Leschede blüht auf: Nachdem der Emsbürener Ortsteil an dem Nie- dersächsischen Modellprojekt „Dorfgespräch“ teilnahm, sprüht er ge- radezu vor Energie. Viele ehrenamtliche Helfer arbeiten unermüdlich daran, Leschede auf Vordermann zu bringen und fit für die Zukunft zu machen.

Meppen „Leschede hat deutlich gemacht, dass hier ein enormer Zusammenhalt herrscht.“

Dirk Kopmeyer, Dezernent für Bauen und Umwelt Lingen

Leschede Ehrenamtliche packen an Ehrenamtlichen gegossen werden. Daneben haben die Lescheder eine Schutzhütte am Emsradweg gebaut und viele Begegnungsstätten mit Leschede hat das, wovon viele andere Orte Sitzgelegenheiten geschaffen. träumen: Eine gute Anbindung an den öffent- lichen Nahverkehr, viele Nahversorger, min- Sportverein als Treffpunkt destens eine Gewerbeansiedlung pro Jahr und eine starke Geburtenrate. Trotzdem ist Einer der größten Vereine ist der Sportverein FC Leschede 47 – jeder das Dorf bestrebt, sich weiter zu verbessern. zweite der 2.000 Einwohner Leschedes ist hier Mitglied, was ihn zu Im Rahmen des „Dorfgesprächs“ haben die einem der größten Sportvereine im Emsland macht. Der Verein bietet Einwohner 100 Anmerkungen festgehalten, nicht nur zahlreiche Möglichkeiten, sich sportlich zu betätigen, sein die sie in den nächsten Jahren umsetzen Clubhaus ist auch ein Treffpunkt für ganz Leschede. Der Sportverein wollen. Dabei kann sich Leschede auf viele beteiligt sich zudem aktiv an der Integration von Flüchtlingen. Ein gro- Ehrenamtliche stützen. Ein Aktionskreis zum ßes Projekt in der Vergangenheit war die Optimierung des Bahnhofsum- Beispiel hat es sich zur Aufgabe gemacht, das felds. Durch die Einrichtung von Bike & Ride- und Park & Ride-Stationen Ortsbild zu verschönern und Grünflächen zu hat das Dorf wichtige Anreize geschaffen, öffentliche Verkehrsmittel zu pflegen. Ein besonderer Hingucker sind die nutzen. Was noch aussteht, ist die Sanierung des Bahnhofsgebäudes, Blumenampeln im Bahnhofsumfeld, die von aber auch das wird den engagierten Leschedern sicher gelingen.

24 25 Preisverleihung „Unser Dorf hat Zukunft“

Ulrich Wilde und Landrat Winter beglückwünschten Annegret Nögel lobte Leschede für sein Engagement. Sustrum-Moor zum 5. Platz.

Holthausen-Biene und Rühle erzielten beide für ihre hervorragende Arbeit den 1. Platz beim Sonderpreis Integration.

Ortsvorsteherin Marlies Gruber freute sich über den 4. Platz für Dezernent Michael Steffens und Landrat Schwefingen. Meppens Bürgermeister Helmut Knurbein nahm die Winter gratulierten Clusorth-Bramhar zum Ursula Mersmann gratulierte Rühle zum Sonderpreis Integration. Urkunde von Marianne Hiebing und Landrat Winter entgegen. 3. Platz.

Auch wenn Borsum nicht unter den ersten fünf Plätzen landete, Sylvia Backers überreichte Rhedes Bürgermeister Gerhard Conens und zeichnete Dezernent Dirk Kopmeyer Rhedes Bürgermeister Markus Silies und Landrat Winter Bruals Ortsbürgermeisterin Adele Telgen Urkunde, Collage und Scheck. Gerhard Conens und Ortsvorsteher Lars Biergans50 aus. beglückwünschten Lathen-Wahn zum 2. Platz. Preisverleihung „Unser Dorf hat Zukunft“

Prof. Dr. Matthias von Schwanenflügel vom Bundesministerium für Alle Teilnehmer des Kreiswettbewerbs feierten Familien, Senioren, Frauen und Jugend sprach über das Projekt in der Gaststätte Wulfekotte. Demografiewerkstatt Kommunen.

Ursula Mersmann überreichte den Sonderpreis Integration an Landrat Winter überreicht Lünnes Bürgermeisterin Katharina Mehring und Holthausen-Bienes Magdalena Wilmes die Siegerurkunde. Die Lünner sangen aus Freude über den 1. Platz ihre Dorfhymne. Ortsbürgermeister Uwe Dietrich.

Magdalena Wilmes, Landrat Winter, Samtgemeindebürgermeister Landrat Winter übergab , das 2014 den Bernhard Hummeldorf und Prof. Matthias von Schwanenflügel Kreiswettbewerb gewann, ein Bronzerelief. enthüllten die Sandsteinskulptur im Siegerdorf Lünne. 29 Fit für die Zukunft: Das Projekt Mobil im Emsland

„Demografiewerkstatt Kommunen“ Ob Einkauf, Arztbesuch oder Treffen mit Freunden: In einer ländlichen Region wie dem Emsland ist es in der Regel zwingend erforderlich, mobil zu sein. Bisher nutzten die Emsländer dafür in erster Linie ihr Jeder vierte Mensch in Deutschland ist über 60 Jahre alt, 2050 wird eigenes Fahrzeug oder, soweit vorhanden, den Öffentlichen Nahver- es sogar jeder dritte sein. Das bundesweite Projekt „Demografiewerk- kehr. In einer zunehmend älter werdenden Gesellschaft stellt sich al- statt Kommunen“ (DWK) hat es sich zum Ziel gesetzt, Städte und lerdings die Frage, wie man die Mobilität älterer Personen sicherstellt, Gemeinden „demografiefest“ zu machen. Über fünf Jahre entwickeln die nicht oder nicht mehr selbst fahren können. Die Digitalisierung teilnehmende Kommunen dazu spezielle Methoden, die schließlich bietet hier eine große Chance, sich auf ganz neue Weise zu vernetzen auch in anderen Orten zum Einsatz kommen sollen. Auch der Land- – etwa über bestimmte Plattformen wie flinc, die es Dorfbewohnern kreis Emsland mit der Gemeinde Vrees ist an dem Projekt beteiligt. ermöglichen, selbst Mitfahrgelegenheiten zu organisieren. Auf insgesamt fünf verschiedenen Handlungsfeldern entwickelt der Landkreis Werkzeuge, die die Selbstständigkeit und die Eigeninitiati- ve der Bürger bis ins hohe Alter fördern sollen.

30 31 Auch mithilfe von ehrenamtlichem Engagement lassen sich inno- Tatkräftig im Emsland vative Ideen umsetzen, damit die Älteren so lange wie möglich im Dorf unterwegs sein können. In einzelnen Dörfern oder Regionen des Emslandes ist dies bereits der Fall. In Emsbüren etwa ist ein Bürger- Bisher ist das Emsland von Landflucht weitgehend verschont geblie- bus im Einsatz, der von Ehrenamtlichen gefahren wird. An drei Ta- ben. Damit das so bleibt, ist es notwendig, die Arbeitslandschaft at- gen in der Woche fährt der barrierefreie Bus auf einer vorgegebenen traktiv zu halten und sie an den demografischen Wandel anzupassen. Route zu festen Zeiten und schließt so die Versorgungslücken des Familienfreundliche Strukturen, flexible Arbeitsplatzmodelle und ein Öffentlichen Nahverkehrs. „Geeste mobil“ ist eine Initiative der Mal- unternehmerfreundliches Umfeld sind nur einige Aspekte, die dazu teser in Geeste. Diese stellen ein seniorengerechtes Fahrzeug mit eh- beitragen. Eine regionale Auszeichnung kann Ansporn für Firmen renamtlichen Fahrern und Begleitern älteren oder kranken Menschen sein, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Vorbild ist die nie- zur Verfügung, die keine Hilfe von Angehörigen erhalten. Auf diesem dersächsische Demografieagentur, die „Demografiefeste Betriebe“ Weg können sie selbst in Gesellschaft Einkäufe erledigen. zertifiziert. Diese Unternehmen bieten zum Beispiel eine gute Ver- einbarkeit von Familie bzw. Pflege und Beruf, eine altersgerechte Ar- Eine Maßnahme, die die Verkehrsgesellschaften einbezieht, ist die beitsplatzgestaltung, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen oder ein Ausweitung des „Ruf-Mich-Busses“. Dieser fährt, sofern er mindes- betriebliches Gesundheitsmanagement. tens eine Stunde vor Abfahrt telefonisch bestellt wurde. Weitere Möglichkeiten sind Firmenbusse, die Mitarbeiter aus dersel- ben Gegend zur Arbeitsstelle bringen, oder Carsharing. Zu- nehmender Beliebtheit erfreuen sich auch Mitfahrbän- ke. An diesen Stellen nehmen Personen Platz, die eine Mitfahrgelegenheit suchen.

32 33 Gemeinschaft im Emsland

Im Emsland „kennt man sich“, Nachbarschaftshilfe ist vielerorts gang Am wichtigsten ist es, dass die Bewohner im und gäbe. Damit das auch in Zukunft so bleibt, ist es erforderlich, Gespräch bleiben, damit sie gemeinsam die die Gemeinschaften zu stärken und alle Bevölkerungsteile einzube- Zukunft ihres Wohnorts gestalten können. ziehen. Kinder- und Jugendbeteiligungen wie die Jugendbörse „Mitmi- Verschiedene Kommunikationsprozesse un- scher“ sind eine Möglichkeit, auch die Jüngeren an der Entwicklung terstützen die Dorfbevölkerung dabei. Beim des Dorfes teilhaben zu lassen. Zugezogene müssen ebenfalls in die Modellprojekt „Dorfgespräch“ der Katholi- Dorfgemeinschaft eingebunden werden. Auch die Zusammenarbeit schen Landvolkhochschule Oesede etwa dis- von Haupt- und Ehrenamtlichen kann die Gemeinschaft stärken und kutieren Bewohner gemeinsam mit Experten beleben. über ihr Dorf und vereinbaren Entwicklungs- strategien.

Angesichts des Fachkräftemangels ist es das Emsland aufmerksam zu machen. Da- wichtig, qualifizierte Arbeitskräfte zu finden neben sensibilisiert die „Zukunftsachse“ der und an das Emsland zu binden. Die Frauen- Wachstumsregion Ems-Achse schon heute beschäftigungsquote im Emsland beispiels- Jugendliche und junge Erwachsene für die weise liegt unter dem Bundesdurchschnitt. vielfältigen Beschäftigungsmöglichkeiten im Zielgerichtete Kampagnen können helfen, Emsland und hilft dabei, Plätze für Ausbil- Frauen und Unternehmen zusammenzubrin- dungen, Praktika oder ein duales Studium zu gen. Standortmarketing ist ein wesentlicher finden. Faktor, um Fachkräfte von außerhalb auf

34 35 Der „Tatort Dorfmitte“ bringt junge und ältere Bewohner eines Ortes Die Impuls-Veranstaltung hat das Ziel, mög- zusammen, die in generationsübergreifenden Projekten daran arbei- lichst viele Einwohner in Form einer Bürger- ten, die Lebensqualität des Dorfes zu erhöhen. Das jüngste Projekt ist versammlung zusammenzubringen und sie der „EmslandDorfPlan“, bei dem Bewohner schreiben und malen, wie über die Ergebnisse des Dorfcheck-Work- ihr Dorf heute ist und wie es in Zukunft aussehen soll. shops zu informieren. Dort haben sie auch die Möglichkeit „Leuchttürme“, besondere Mit dem „Dorfdialog“ hat der Landkreis Emsland zudem im Rahmen Stärken des Dorfes, zu bewerten. Idealerwei- der DWK ein Werkzeug entwickelt, das inzwischen auch anderen se aktiviert die Veranstaltung Einwohner, die Kommunen zur Verfügung steht. Dabei handelt es sich um einen an der Entwicklung des Dorfes mitarbeiten moderierten Prozess, der aus einem Dorfcheck-Workshop und einer möchten. Als erste Kommune hat Lünne den Impulsveranstaltung besteht. Der Workshop bringt einen Querschnitt Dorfdialog durchgeführt. Dort arbeiteten die der Bevölkerung zusammen, der von außen auf das Dorf blickt. In Bürgerinnen und Bürger Leuchttürme heraus Gruppen beschreiben die Teilnehmer zunächst das Dorf und diskutie- wie das Vereinsleben, das Ehrenamt und das ren darüber, welche Kompetenzen vorhanden sind oder wo man mit- touristische Potential und entwickelten eine einander ins Gespräch kommt – oder nicht. In einem zweiten Schritt Vision von ihrem Dorf im Jahr 2030. Eine In- entwerfen sie eine Zukunftsvision von ihrem Dorf und legen fest, wie itiative, die sich gelohnt hat: Als starke Ge- sie sich entwickeln wollen und worum sie sich kümmern müssen. meinschaft, die sich aktiv mit ihrer Zukunft auseinandersetzt, erzielte Lünne beim Kreis- wettbewerb von „Unser Dorf hat Zukunft“ den ersten Platz.

36 37 Wohnen im Emsland

Das Einfamilienhaus ist nach wie vor der klassische Wohnraum im Emsland, doch es ist davon auszugehen, dass angesichts der al- ternden Bevölkerung die Nachfrage nach Singlewohnungen steigen wird. Schon jetzt sind es überwiegend Menschen ab 50 Jahren, die in Einpersonenhaushalten leben. Kommunen haben die Aufgabe, sich an die verändernde Gesellschaftsstruktur anzupassen und die Daseinsvorsorge sicherzustellen, damit die Attraktivität des Ortes er- halten bleibt. Wohnungsbaugenossenschaften etwa ermöglichen es Kommunen, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Eine Möglichkeit, Leerstand zu vermeiden und gleichzeitig junge Familien anzuziehen, ist das Programm „Jung kauft Alt“, bei dem Paare oder Familien von der Gemeinde einen Zuschuss erhalten, wenn sie eine Altimmobilie erwerben.

Aber auch als Haus- oder Wohnungseigentümer kann man einiges tun, um möglichst lange in den eigenen vier Wänden leben zu kön- nen. Der Landkreis Emsland hat mit der Wolfsburg AG das Werkzeug „Barrierefreies Wohnen“ entwickelt – als Leitfaden zur Wohnungsge- staltung für Menschen mit kognitiven und Mobilitätseinschränkun- gen. Dazu gehören unter anderem Ebenerdigkeit, ausreichend große Bewegungsflächen sowie Abstell- und Ladebereiche für zum Beispiel elektrisch betriebene Rollstühle. Haushaltsgeräte, Türklinken oder Fenstergriffe sollen gut erreichbar sein, Arbeitsplatte, Spüle und Herd unterfahrbar und im Idealfall höhenverstellbar.

Altersgerechte Assistenzsysteme für ein selbstbestimmtes Leben (AAL) unterstützen die barrierefreie Gestaltung und geben Sicherheit. Beispielhaft sind in diesem Zusammenhang Notrufsysteme und Ein- bruchschutz oder auch die automatische Herdabschaltung, ein Ver- brühschutz sowie die mobile Bedienung von Fenstern und Rollläden.

38 39 Altwerden im Emsland

Noch werden die Menschen im Emsland Damit die Menschen vor Ort alt werden kön- überwiegend im häuslichen Umfeld alt. Doch nen, muss die medizinische und pflegerische auch wenn die Begegnung und der Aus- Versorgung gesichert sein. Dazu braucht es tausch zwischen den Generationen vielfach innovative Konzepte gerade für den ländli- Alltag ist, bedarf es neuer Ansätze, damit chen Raum. Sie wird es nur dort geben, wo ältere Menschen dauerhaft Teil der Dorfge- es gelingt, die Bevölkerung für das Thema meinschaft bleiben. Im Gegensatz zu früher „Altwerden“ zu sensibilisieren. Mit seinem leben heute seltener mehrere Generationen Projekt „Altwerden in Vrees“ zeigt der Ort bei- unter einem Dach. Um die Nachbarschafts- spielhaft, dass und wie ältere Menschen in hilfe zu stärken, empfehlen sich Initiativen ihrem Dorf bleiben können, wenn Kommune bei denen Bürger Bürgern helfen, inklusive und Gesellschaft zusammenarbeiten. einer koordinierenden Stelle. Auch virtuelle Vernetzungsplattformen können dazu beitra- gen, dass Hilfesuchende und Menschen, die sich engagieren möchten, zusammen finden.

Das Projekt „Demografiewerkstatt Kommunen“ (DWK) wird gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und der Deutschen Fernsehlotterie. Es wird unterstützt von den Kom- munalen Spitzenverbänden. Weitere Projektpartner sind die For- schungsgesellschaft für Gerontologie e. V. / Institut für Gerontologie an der TU Dortmund (wissenschaftliche Begleitung) und das Kompe- tenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e. V. (Geschäftsstel- le DWK). www.demografiewerkstatt-kommunen.de

40 41 Nicht immer können Angehörige ihre alternden Familienmitglieder in Herzstück des Projekts ist das Multifunktions- Das Dorf als Großfamilie: den eigenen Wänden betreuen. In Vrees hatte das zur Folge, dass pfle- haus im Zentrum von Vrees. 2014 wurde hier gebedürftige Bewohner das Dorf verlassen mussten, um in ein Senio- zunächst das Bürgerhaus eröffnet, in dem renheim zu gehen. Für den Ort war dies der Anlass, vor gut zehn Jahren die Bewohner gemeinsam mit Freunden und „Altwerden in Vrees“ den Arbeitskreis „Altwerden in Vrees“ ins Leben zu rufen. Engagierte Bekannten Zeit verbringen können. Vor allem Bürger entwickelten hier Lösungen, um älteren Vreesern eine Perspek- aber fördert das Haus die Begegnung zwischen tive in der Hümmling-Gemeinde zu bieten. den Generationen. So befinden sich dort auch Vrees ist in der glücklichen Lage, dass die jungen Bewohner in der das Jugendzentrum, die Eltern-Kind-Gruppe, Regel nicht wegziehen und stetig neue Einwohner hinzukommen, die Bibliothek, ein Vereinsraum, Tagungsräu- dennoch altert die Bevölkerung insgesamt – der demografische Wan- me und eine Mensa. Auch das Gemeindebüro del macht auch vor dem Ort in der Samtgemeinde nicht halt. ist dort angesiedelt, was Vrees zu einem Ort Anstatt jedoch nur über den demografischen Wandel zu reden, packt der kurzen Wege macht. Ferner gibt es im Bür- Vrees an – und das auf einmalige Art und Weise. Mit dem Projekt gerhaus eine Tagesbetreuung, was pflegende „Altwerden in Vrees“ will es der Ort seinen Bewohnern ermöglichen, Angehörige entlasten soll. ein Leben lang im Dorf zu bleiben.

42 43 Ebenfalls zum Multifunktionshaus gehören etwa indem sie ältere Menschen im Umgang mehrere barrierefreie Wohnungen zum ge- mit modernen Kommunikationsmitteln wie „Es liegt an den Menschen“: meinschaftlichen und betreuten Wohnen. Skype schulen. Die Pflege wird von professionellen sowie eh- renamtlichen Kräften übernommen. Mit seinem innovativen Konzept hat Vrees in- Warum das Emsland erfolgreich zwischen bundesweit Aufsehen erregt. 2016 In Planung ist derzeit ein Gebäudekomplex holte die Gemeinde beim Bundeswettbewerb für die Intensiv- und Palliativpflege. So will „Unser Dorf hat Zukunft“ sogar Gold. Doch engagiert ist Vrees sicherstellen, dass wirklich jeder Bür- Vrees ruht sich nicht auf seinen Lorbeeren ger die Möglichkeit hat, bis zum Lebensende aus. Mit der Teilnahme am Modellprojekt im Dorf zu bleiben. „Demografiewerkstatt Kommunen“ arbeitet Der demografische Wandel macht auch vor dem Emsland nicht halt. das Hümmlingdorf weiter daran, den demo- Doch während in anderen dünn besiedelten Gebieten in Deutschland Vorbild für das Projekt war die alte emslän- grafischen Wandel zu gestalten – und ande- die ohnehin sinkende Zahl junger Menschen die Heimat verlässt und dische Großfamilie, in der mehrere Genera- re Kommunen zur Nachahmung anzuregen. eine immer größer werdende Gruppe an Älteren zurückbleibt, steht tionen unter einem Dach wohnten und die das Emsland vergleichsweise gut da. Die Arbeitslosenquote ist nied- Älteren bis zuletzt versorgt wurden. Dass rig, die Bevölkerungszahl ist stabil oder steigt sogar. In der Studie „Von „Altwerden in Vrees“ überhaupt umgesetzt Kirchtürmen und Netzwerken: Wie engagierte Bürger das Emsland vo- werden kann, ist dem starken Zusammen- ranbringen“ untersuchte das Berlin-Institut für Bevölkerung und Ent- halt im Dorf und vor allem der großen Zahl wicklung, was das Emsland so erfolgreich macht. Die kurze Antwort an Ehrenamtlichen zu verdanken. So ließen lautet: die Menschen. sich 2014 im Rahmen des Programms „Lo- kale Allianz für Menschen mit Demenz“ etwa In seinen Gesprächen mit Ehrenamtlichen in Emsbüren, und 40 Ehrenamtliche für die Arbeit mit Älteren Werpeloh stellte das Berlin-Institut fest, dass die Emsländer eine und Demenzkranken ausbilden, die nun die besondere „Anpack-Mentalität“ haben: Sie nehmen die Dinge gern hauptamtlichen Pflegekräfte unterstützen. selbst in die Hand. Dies liegt auch in der Vergangenheit der Region begründet. Karge Böden und ausgedehnte Moorlandschaften mach- Die Organisation der ehrenamtlichen Tätig- ten die Landwirtschaft zur Herausforderung, sodass die Bewohner keiten erfolgt im Bürgerhaus mit einer spezi- lernten, mit dem wenigen, was sie haben, umzugehen. Gleichzeitig ellen Software, die Vrees unter anderem mit konnten sie lange Zeit nicht, oder nur selten, auf politische Unterstüt- der niederländischen Gemeinde Aa en Hun- zung aus dem fernen Hannover hoffen. So verließen sie sich vor allem ze entwickelt hat. Auch in anderen Bereichen aufeinander. Der erfolgreiche Wandel vom ehemaligen „Armenhaus arbeiten die beiden Gemeinden zusammen, Deutschlands“ zur brummenden Wirtschaftsregion führte den Be- wohnern vor Augen, was sie gemeinsam erreichen können.

44 45 Auch heute noch trifft im Emsland der Wille, etwas zu verbessern, Vereine müssen zudem deutlich machen, mit sozialer Verantwortung zusammen. Nachbarschaftshilfe ist in vie- in welchen Bereichen sie aktiv sind und wie len Dörfern gang und gäbe, ehrenamtliches Engagement ist für viele ihr Engagement von Nutzen sein kann sowie selbstverständlich. Das starke Zusammengehörigkeitsgefühl spricht verstärkt Neubürger einbinden. Auch die auch viele junge Emsländer an, die überdurchschnittlich heimatver- Kommunen sind gefragt, Ehrenamtliche wei- bunden sind und nach Ausbildung und Studium oft in die Region ter zu unterstützen, zu qualifizieren und zu zurückkehren. Die Gründe, warum sich Menschen im Emsland eh- motivieren – ebenso wie die Kirchen, die als renamtlich engagieren, sind vielfältig: Weil es ihnen Spaß macht und Träger vieler sozialer Einrichtungen und Initi- weil sie gerne mit anderen zusammen sind, werden die Hauptmotive ativen eine besondere Rolle in der emsländi- zitiert. Viele treibt aber auch der Wunsch an, das eigene Umfeld mit- schen Gesellschaft spielen. zugestalten und voranzubringen, oder neue Fähigkeiten zu erlernen. In erster Linie engagieren sich die Emsländer in Vereinen, in der Frei- Trotz der mannigfaltigen Herausforderun- willigen Feuerwehr oder in der Kirche. gen der Zukunft macht die Studie Hoffnung, denn viele Lösungsansätze werden in den Doch auch auf das Emsland warten in Zukunft viele Herausforderun- Kommunen bereits umgesetzt. So arbeitet gen. Auch hier sinkt die Zahl der Kinder und Jugendlichen. Diese kön- der Landkreis Emsland gemeinsam mit re- nen zudem mit klassischen Freizeitangeboten wie Schützen- oder Ge- gionalen und lokalen Akteuren stetig daran, sangsverein oft nichts anfangen. Die Vereine müssen hier mit neuen die Rahmenbedingung für das Ehrenamt zu Angeboten verstärkt auf Jugendliche eingehen, wenn sie den Nach- optimieren. Auch Wettbewerbe wie „Unser wuchs nicht verlieren wollen. Überhaupt ist eine Neustrukturierung Dorf hat Zukunft“ zeigen, dass viele emslän- des Angebots ratsam, denn viele potentielle Ehrenamtliche möchten dische Gemeinden Herausforderungen aktiv sich lieber für bestimmte Projekte engagieren als zum Beispiel in angehen – die „Anpack“-Mentalität ist nach Form eines langfristig auszuübenden (Vorstands-)Amtes. wie vor lebendig.

Die Studie ist kostenlos abrufbar unter https://www.berlin-institut.org/publikationen/ studien/von-kirchtuermen-und-netzwerken. html

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