2017/Nr. 2 CLASS: aktuell Association of Classical Independents in Germany

Meccore String Quartet Jung und leidenschaftlich

Klaus Heymann Naxos – die Erfolgsgeschichte Ekaterina Litvintseva Neues Album: Turning Point Rita Karin Meier und das Belenus Quartett Effektvolles Feuerwerk von H. Baermann Christian Thielemann / Staatskapelle Dresden pflegen Anton Bruckner Stimmungen Max Reger Telemann-Variationen op. 134 Ernst-Ludwig von Hessen und bei Rhein Draußen – 6 Stimmungen für Klavier Andreas Hering Castigo 0278

Lieder von Samuel Barber Nostalgia Robert Franz The Lovers Giovanni Battista Somis Robin Tritschler, Tenor Martin Häßler, Bariton Sonate a flauto solo Graham Johnson, Klavier Landesjugendchor Sachsen e violoncello o cembalo Hyperion CDA68128 Jugendsinfonieorchester Leipzig Wolfram Schurig, Flöte Ron-Dirk Entleutner Johannes Hämmerle, Cembalo Rondeau ROP6138 fra bernardo fb1711192

CLASS: brandaktuell

Gustav Holst Quintett in a-Moll, Op. 3 Violin Concertos XXI für Klavier, Oboe, Klarinette, Violinkonzerte Horn und Fagott; des 21. Jahrhunderts Orchesterwerke von Three Pieces für Oboe und Zeitgenössische Werke Lalo und Roussel Streichquartett; von Nikolaus Fheodoroff Edouard Lalo Terzetto für Flöte, Oboe und und Mikhail Kollontay Symphonie Espagnole Klarinette in zwei Sätzen; (Vol. 1) Albert Roussel Bläserquintett in As-Dur, Op. 14 , Solo-Violine Concert pour Petit Orchestre, für Flöte, Oboe, Klarinette, Horn Collegium Musicum Concerto pour Piano und Fagott; RTV Orchestra Svetlin Roussev, Violine Sextett e-Moll für Oboe, Alexei Kornienko, Leitung Alain Raës, Klavier Klarinette in A, Fagott, Violine, TYXart TXA17093 Orchestre de Douai, Viola und Violoncello Ensemble Arabesques Just for Fun Jean-Jacques Kantorow Arcantus ARC16006 Farao Classics B 108 098 Georg Friedrich Händel In den angenehmen Büschen Daniel Schnyder Handel – German Arias Chorales and Interludia Werke von David Popper Georg Friedrich Händel, Requiem op. 66 Adam Krieger Robert Schumann und Heinrich Schmelzer aus „Kinderszenen“ Fritz Spengler, Altus Claude Debussy Christian Voß, Barockvioline Clair de Lune Ensemble Contrapunct_us Steven Verhelst Klanglogo KL1520 Trombone Quartet no. 1 Antonio Lotti Crucifixus Charles Small MAHLER – SCHOECK – STRAUSS Conversation Lieder – Kernstück des Albums Martin Fondse ist das „Wandsbecker Low End Hifi Liederbuch“ des Schweizers World Trombone Quartet Othmar Schoeck Joseph Alessi, Michel Becquet, Britta Glaser, Sopran Jörgen van Rijen, Stefan Schulz Matthias Veit, Klavier Arcantus ARC16004 TYXart TXA17089 CLASS: aktuell Class: aktuell 2 / 2017 Inhalt 4 Meccore String Quartet Sind Sie gut im Kopfrechnen? Die meisten von uns verlassen sich da lieber auf ihren Debüt mit Grieg Computer oder ihr Handy. Früher halfen auch Taschenrechner, Rechenschieber, 6 Ekaterina Litvintseva Abakus. Ich persönlich rechne gerne mithilfe einer Klaviertastatur, genauer gesagt: stellt ihr zweites Rachmaninow-Album vor mit der in zwölf Tonschritte gegliederten Oktave. Im täglichen Leben haben wir 7 Feurig, schwungvoll und historisch Andrzej Szadejko präsentiert ja vor allem mit dem Dezimalsystem zu tun – da ist das Zwölfersystem doch mal eine Orgelwerke von F. W. Markull nette Abwechslung, nicht wahr? 8 Rudolf Innig beschließt die Einspielung des Orgelwerkes von Felix Nowowiejski 9 Eine Legende wird 90 Das Einmaleins der Chromatik Herzlichen Glückwunsch, Michael Gielen! 10 Bruckner Pflegedurch Christian Durch zwölf teilen lässt sich die Oktave also leicht – daraus ergibt sich die chromatische Thielemann und die Staatskapelle Dresden Tonleiter. Durch sechs geteilt bekommen wir dagegen eine Ganztonskala – mit ihr 11 Maria Luisa Cantos gratuliert hat zum Beispiel Debussy gerne gerechnet – sorry: komponiert. Vier kleine Terzen enrique Granados zum 150. Geburtstag ergeben zusammen ebenfalls eine Oktave (heißt das dann: Anderthalbtonskala?), 12 Eine Box zum Jubiläum ebenso drei große Terzen (Doppelganztonskala?). Bei den Quarten wird es interessant. 30 Jahre Naxos Die Division 12:5 ergibt nun einmal einen Bruch, das lässt sich nicht lösen, ohne die 13 Frank Bungarten stellt vor: Klaviertasten zu zerstückeln. Daher die Frage: Wie viele Quarten muss man über­ Johann Kaspar Mertz, der letzte Wiener Virtuose einanderlegen, um von einem Ton C wieder zu einem Ton C zu gelangen? Die Antwort 14 30. Firmenjubiläum von Naxos gibt uns die Uhr des Quintenzirkels, der ja gleichzeitig auch ein Quartenzirkel ist. Vom Low Budget Label zum Global Player Wir müssen zwölf Quarten übereinanderschichten, wir gehen dabei durch alle Töne 17 Ein ausdrucksstarkes Plädoyer der chromatischen Tonleiter. Die Höhe dieses Quartengebäudes beträgt fünf Oktaven. für die Freiheit vom Berlage Saxophone Quartet Teilen wir die Oktave durch zwei, erhalten wir die verminderte Quint, den schlimmen 18 Effektvolles Feuerwerk von H. Baermann Tritonus. Mit diesem bösen Buben wollen wir uns jetzt nicht weiter beschäftigen, mit Rita Karin Meier nur so viel: Er ist seinerseits durch 1, 2, 3 und 6 teilbar. Ziehen Sie selbst Ihre und dem Belenus Quartett musikalischen Schlüsse! Die größeren Intervalle wiederum verhalten sich analog zu 19 Das Klaviertrio – Folge 2 Von der Frühromantik ins 19. Jahrhundert den kleinen. Um mit Quinten von C nach C zu kommen, müssen wir (wie bei der 21 Haiou Zhangs pianistisch Quart) zwölf übereinander schichten – ein Turm von sieben Oktaven Höhe! Von den musikalische Fingerabdrücke kleinen Sexten brauchen wir von C nach C nur drei (wie bei der großen Terz), 23 Luiza Boracs Pianoportrait allerdings streckt sich das über zwei Oktaven. Von den großen Sexten vier (wie bei von Enescu, Ravel, Debussy, Mihalovic der kleinen Terz), aber über drei Oktaven. Und so weiter. und Schumann 25 Giorgos Kanaris und Thomas Wise Die zwölfschrittige Chromatik ist ein Ergebnis der europäischen Musikgeschichte. widmen sich den Sehnsuchtsliedern Ihre wissenschaftliche Grundlage erhielt sie ums Jahr 1600. Für die Frequenzhöhen von Beethoven und Schubert spielte dabei die zwölfte Wurzel aus 2 als Faktor eine wichtige Rolle, das ist die 26 Kathrin Christians spielt Flötenkonzerte von Feld, Theodorakis und Weinberg Zahl 1,05946... – oder als Bruch geschrieben: 196:185. Alle Musiker heute sollten 28 Im Blickpunkt sich diese Zahl übers Bett hängen und täglich zu ihr ein Dankgebet sprechen. Neuheiten vorgestellt von CLASS Anders gesagt: Die Zwölfton-Chromatik ist eine vollkommen willkürliche Konstruk­ 29 Angelika Nebel, Klavier, tion. Die Natur selbst kennt nur die Oktave und andere Obertöne, aber keine spielt Bach-Bearbeitungen und Chromatik. Ökonomische Musikkulturen kommen daher auch locker mit fünf Tönen Transkriptionen pro Oktave aus. Verschwenderische dagegen brauchen durchaus mehr als zwölf. 30 Ammiel Bushakevitz spielt Schuberts späte Klavierminiaturen Auch bei uns gibt es sensible Seelen, die sich täglich fragen: Ist es nicht schade um die unendlich vielen Frequenzen zwischen den Klaviertasten? Vor der Durchsetzung Impressum der gleichmäßig temperierten Stimmung gab es tatsächlich auch Cembali mit 19 Herausgeber/Verlag: CLASS e.V. oder 31 Tasten pro Oktave. In der Moderne experimentierte man unter anderem Association of Classical Independents in Germany mit 30, 36, 43, 48, 52, 72 und sogar 84 Tonstufen. Was für brillante Aussichten Bachstraße 35, 32756 Detmold wären das für den mathematikbegeisterten Musikliebhaber! Tel. 05231-938922 [email protected] Zum Glück ist der Kopf nicht nur zum Rechnen da. Man kann mit ihm auch einfach Redakteur (v.i.S.d.P): Dr. Rainer Kahleyss Anzeigen: Gabriele Niederreiter nur Musik hören. Viel Spaß bei beidem wünscht Grafische Gestaltung: Ottilie Gaigl Druck: Westermann Druck, Braunschweig Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben Ihr die Meinung des Verfassers, nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Hans-Jürgen Schaal Druckauflage: 105.550 1. Quartal 2017 ISSN: 2195-0172 geprüfte Auflage Titel-Foto: Arek Berbecki Alle Tonträger dieser Ausgabe finden Sie auch unter www.bielekat.de

Ausgabe 2017/2 3 CLASS: aktuell

Jung, leidenschaftlich, wild… Das Meccore Quartett debütiert bei MDG mit Grieg

in weiteres aufregendes Debüt bei MDG: Das Meccore String Quartet lässt frischen Wind durch die Kammermusikwelt we- Foto: © Federal Studio – OCL.ch hen! Passend dazu haben sich die vier E Musiker die Streichquartette von Edvard Grieg aufs Pult gelegt – markiert doch das verstörend- großartige g-Moll-Quartett op. 27 die Zeiten- wende von Romantik zu Impressionismus. Dass Grieg sein zweites Quartett nicht vollenden konnte, tut der Qualität des überlieferten Frag- ments keinen Abbruch. Und die Meccores ent- schädigen für die fehlenden Sätze auf dieser SACD mit einer Fuge – sie stammt noch aus den frühen Lehrjahren des norwegischen Meisters. Unerfüllte Sehnsucht durchzieht das g-Moll- Quartett, dessen autobiografischen Bezüge Grieg selbst angedeutet hat, hatte sich doch in den 1870er Jahren das Verhältnis zu seiner Ehefrau Akkorden daherkommt, hat manchen Zeitge- Ein zweites Quartett in lichtem F-Dur blieb verschlechtert. Der thematische Rückgriff auf nossen irritiert – nicht jedoch Claude Debussy, unvollendet, zu gefragt war Grieg als Pianist auf eine eigene Liedkomposition „Spielmannslied“ der hier die Inspiration für sein Quartett in der ganzen Welt, und zu selten fand er die erfor- (op. 25/1) auf einen Text von Henrik Ibsen „Nach derselben Tonart fand. Aus der Keimzelle des derliche Zurückgezogenheit zum Komponieren. ihr nur stand mein Verlangen, jede sommerhelle Beginns entwickelt Grieg fast sämtliche Themen „Wie ein alter norwegischer Käse“, der mit der Zeit Nacht…“ bildet die Basis für die ganze Kompo- und Motive des viersätzigen Werkes, das erst immer besser wird, harrte das Werk auf seinen sition als Spiegel seiner seelischen Verfassung. ganz am Schluss eine geradezu apotheotische Schöpfer, doch es reichte am Ende nur für einige

Fotos: © Arek Berbecki; rotes Foto: © Marie Pierre Tremblay Foto: © Marie Pierre Berbecki; rotes Fotos: © Arek Dass der Beginn mit schroffen Fortissimo- Erlösung erfährt. Skizzen. Die beiden vollendeten Sätze bilden den

4 Ausgabe 2017/2 CLASS: aktuell

Aktuelle Konzerte: 19. | 20. 05. 2017 Auditorio Sony, Madrid 23. 05. 2017 Philharmonie Arthur Rubinstein, Łódz´ 18. 06. 2017 Auditorio Sony, Madrid 24. 06. 2017 Philharmony, Lublin 22. 07. 2017 Atma, Zakopane 04. | 05. 08. 2017 Teatro Angela Peralta, San Miguel de Allende 17. 09. 2017 Evangelische Kirche, Zielona Góra 18. 09. 2017 Music Academy, Katowice 27. 09. 2017 Stadsgehoorzaal, Leiden 30. 09. 2017 Jagdsaal, Schwetzingen

meccorequartet.com

größten Kontrast zur erwachsenen Schwester, so matete Meccore String Quartet großartig aufs leicht und unbeschwert ist die Stimmung. Einem Podium zu bringen, unterstützt auch dadurch, Blick in die Studierstube eines Hochbegabten dass alle Konzerte im Stehen gespielt werden. Edvard Grieg (1843-1907) gleich kommt die als Übungskomposition ange- Das ist auch rein klanglich ein spürbares­ Erleb- Streichquartett op. 27 fertigte Fuge, die schon den typisch nordischen nis bei dieser Aufnahme und besonders gut in Quartett F-Dur, Fuge Tonfall der großen Werke atmet. der dreidimensionalen Wiedergabe der hoch- Meccore String Quartet Jung, leidenschaftlich, wild… die aufwüh- auflösenden Super Audio CD zu hören. MDG 903 1998-6 (Hybrid-SACD) lendste Energie versteht das in Warschau behei- Lisa Eranos

Ausgabe 2017/2 5 CLASS: aktuell

Der junge Rachmaninow Ekaterina Litvintseva legt mit dem Album „Turning Point“ eine zweite Einspielung mit Werken von Rachmaninow unter dem Label Profil Edition Günter Hänssler vor und unterstreicht einmal mehr ihre enge Verbundenheit zu dem Komponisten.

katerina Litvintseva hatte bereits als „Zugabe“ ihrer ersten CD mit Werken von Rachmaninow (Profil PH 13042) den

Walzer aus den Morceaux de salon op. 10, Foto: © Marion Koell E eingespielt. Nun folgen mit den kompletten Salon- stücken und den Variationen über ein Thema von Chopin zwei weitere Rachmaninow-Zyklen. Bei ihren Einspielungen mit Werken des noch jungen Komponisten geht die Pianistin nicht chronologisch vor, sondern folgt ihrer Intuition. Die Pianistin ist mit Rachmaninows Musik groß geworden, und sie bedeutet ihr viel. Sie weiß, dass man von einer russischen Pianistin auch russi- sches Repertoire erwarte. In Deutschland, so ihre Wahrnehmung, spiele man gerne Rachmaninow, um zu beeindrucken. Sie hat indes ihre Inter- pretationen so angelegt, „dass einerseits die russische Schule mit ihrer Expressivität, ander- www.ekaterinalitvintseva.com seits die deutsche Stilrichtung mit ihrer Klar- heit und ihrer Phrasierungskunst zur Geltung kommt.“ Ihr geht es bei Rachmaninow gerade auch am Klavier den Sinn für Klarheit, für hinaus man ihr Gespür für und die Verbundenheit mit nicht um vordergründige Brillanz, sondern die zu einer fast scheuen Empfindsamkeit und tiefen der Musik des Komponisten erneut erleben. Tiefe seiner Musik. Emotionalität. Mit ihrem Album Rachmaninov – Ekaterina, aufgewachsen in Anadyr im nord- Ihre Kindheit und Jugend verbrachte sie am Early piano works: The Depth of the Unspoken östlichsten Teil Russlands am Beringmeer, hat nördlichen Polarkreis, blickte aus dem Fenster hat sie unter Beweis gestellt, dass sie eine gran- einen unkonventionellen pianistischen Werde- auf das Eismeer mit der klaren Luft und den im diose Rachmaninow-Interpretin ist, die »mit gang hinter sich. Ohne Druck, aber mit lei­ Winter wie gemeißelt erscheinenden Eisbro- viel Gefühl und mit erstaunlicher gestalteri- denschaftlicher Ungezwungenheit hat sie das cken und erlebte im Sommer die zauberhafte scher Kraft und Tiefe« (Concerti) zu überzeugen Klavierspiel studiert und ihren eignen, indivi- Farbenpracht der Tundra. Dieses Leben prägte weiß. Auf der neuen CD Turning Point kann duellen Stil erarbeitet. Manuela Neumann

Sergei Rachmaninow „Turning Point“ Piano works Ekaterina Litvintseva, Klavier Profil Edition Günter Hänssler PH17032

Bereits erschienen: Sergei Rachmaninow „The depth of the unspoken“ Early Piano Works Ekaterina Litvintseva, Klavier Profil Edition Günter Hänssler PH14042

6 Ausgabe 2017/2 CLASS: aktuell Fotos: © Martin Doering

Andrzej Szadejko Bucholz-Orgel in St. Nikolai, Stralsund

Feurig, schwungvoll und historisch Andrzej Szadejko präsentiert Orgelwerke von F. W. Markull

Markulls Orgelschaffen ausmachen. Vieles dürfte Werk in Andrzej Szadejkos kenntnisreicher Zu- Verwendung im Gottesdienst gefunden haben; sammenstellung. Allerdings geht Markull hier so finden sich Choralvorspiele und -bearbeitun- formal wie harmonisch sehr eigene Wege: Erst gen, Nachspiele und Trios. Typisch romantisch im triumphalen Finale erscheint der zu Grunde ls Friedrich Wilhelm Markull 1887 im auch die Vortragsbezeichnungen: Von „Lang- liegende Choral „Christus der ist mein Leben“ in Alter von 71 Jahren starb, sprachen sam ohne zu schleppen“ über „Lebendig mit klarer Gestalt. Besonders in der dreidimensio- Nachrufe vom „kenntnisreichsten Mu- sehr fliessendem Vortrage“ bis zu „Feurig und nalen Wiedergabe dieser liebevoll in der großen siker, vortrefflichsten Orgelspieler u. schwungvoll“ reichen die Anweisungen, die ein Akustik der Nikolaikirche ausbalancierten Super AComponist für Kirche, Schule, Salon und klassi- abwechslungsreiches Hörelebnis garantieren. Audio CD ist der jubelnde Abschluss ein gran­ scher Orchesterwerke“. Da hatte Markull in über Die Fantasie op. 23 ist das einzige größere dioses Hörvergnügen! Klaus Friedrich fünfzig Jahren das Danziger Musikleben, das bei seinem Dienstantritt völlig am Boden lag, aus dem Nichts wieder aufgebaut und zu prachtvoller Außerdem erschienen: Blüte gebracht. Aus seinen unzähligen Orgelkom- Musica Baltica – Vol. 1 positionen hat Andrzej Szadejko einen attraktiven Kantaten des Barock aus Danzig Querschnitt ausgewählt und an der historischen (Werke von Meder, du Grain, Freislich Bucholz-Orgel der St. Nikolaikirche in Stralsund und Pucklitz) neu eingespielt – eine willkommene Fortsetzung Solisten; Goldberg Vocal Ensemble der vielversprechend aufgelegten Reihe „Musica Goldberg Baroque Ensemble Baltica“ (s. CLASS:aktuell 1-2017). Andrzej Szadejko, Ltg. Als Wunderkind betrat Markull das musikali- MDG 902 1989-6 (Hybrid-SACD) sche Podium, und bereits mit 20 Jahren wurde er zum Ersten Organisten der Oberpfarrkirche St. Marien zu Danzig berufen. Die dreimanua­ lige Orgel mit 50 Registern bot alles, was das norddeutsch-romantische Musikerherz begehrte. Das Instrument wurde 1945 mit der Marienkir- che und der gesamten Danziger Innenstadt voll- ständig zerstört; der typisch frühromantische Musica Baltica – Vol. 2 Klang ist aber glücklicherweise in der aufwändig Friedrich Wilhelm Markull (1816-1887) restaurierten Stralsunder Buchholz-Orgel von Orgelwerke Vol. 1 1841auch für heutige Ohren erhalten. Andrzej Szadejko, Davon profitieren besonders die vielen Bucholz-Orgel (1841) St. Nikolaikirche Stralsund kleinformatigen Werke, die einen Großteil von MDG 906 1990-6 (Hybrid-SACD)

Ausgabe 2017/2 7 CLASS: aktuell

Aktuelle Konzerte: 24. 06. 2017 Lambertikerk, Hengelo (NL) 03. 07. 2017 St. Albert-Kirche, Pulawy (PL) 23. 08. 2017 Konstantin Basilika, Trier 15. 09. 2017 Heilig-Kreuz-Kirche, Detmold 27. 10. 2017 Philharmonie, Danzig (PL) 22. 12. 2017 Rudolf-Oetker-Halle, Bielefeld

www.rudolf-innig.de Großtat und Ereignis Rudolf Innig beschließt die Gesamteinspielung des Orgelwerks von Felix Nowowiejski

it der Gesamtaufnahme aller neun kleinerer Orgelstücke hinzu. Die vier „Concerti“ Stationen eng mit Deutschland verbanden, geriet Orgelsinfonien von Felix Nowowiejski schließen nun diese verdienstvolle Reihe ab, unter den neuen Machthabern ins berufliche wie hat Rudolf Innig vor einigen Jahren mit der das gesamte Orgelwerk des polnischen persönliche Abseits. Da wundert es nicht, dass die eine diskografische Großtat präsen- Meisters jetzt erstmals vollständig bei MDG auf Werke immer mal wieder autobiografische Züge M tiert – und gleichzeitig einen nahezu völlig ver- CD vorliegt. aufweisen – auch wenn die tröstliche, am Oster- gessenen Meister des spätromantischen Orgel- Wer bei den „Concerti“ ein Orchester erwar- fest orientierte Zuversicht des vierten Concertos klangs rehabilitiert. Später kam eine Aufnahme tet, wird sich jedoch enttäuscht sehen – aller- angesichts des Entstehungsjahres 1941 etwas dings nur für kurze Zeit: So farbenreich wie verfrüht erscheint. Innig die großartige romantische Sauer-Orgel Auch in der kleinen Form hat Nowowiejski im Bremer Dom einsetzt, vermisst man Strei- Beachtliches geleistet. Ob Choralpräludien (op. 9) cher und Bläser nicht eine Sekunde. Und auch oder Charakterstücke (op. 31), ob gottesdienst- harmonisch geben sich die Stücke durchaus begleitend (Offertoire) oder konzerttauglich ambitioniert. Warum Nowowiejski die groß­ (Marche solennelle) – immer wieder findet er formatigen, mehrsätzigen Werke mit „Concerti“ individuelle Ausdrucksformen, die Rudolf Innig betitelt, muss Spekulation bleiben. Ob auch er mit tief empfundenem musikalischem Gespür zu vor der Erweiterung der magischen „Neun“ bei gestalten weiß. Und wie immer bei MDG sorgt den Sinfonien zurückschreckte? das fein abgestimmte Klangbild in der prächti- Die Concerti entstanden in schwieriger Zeit: gen Akustik des Bremer Dom für ein rundum Gerade hatte mit dem Überfall der deutschen überzeugendes Musikerlebnis, das die Wieder- Wehrmacht auf Polen der Zweite Weltkrieg be- entdeckung des polnischen Komponisten zum gonnen, und Nowowiejski, den biografische Ereignis werden lässt. Lisa Eranos

Felix Nowowiejski Außerdem erschienen: (1877-1946) Felix Nowowiejski Sämtliche Solokonzerte Sämtliche Orgelsinfonien op. 45 für Orgel op. 56 MDG 317 0757-2 (3 CDs) Pièces pour Orgue op. 2, 7, 8, 9 & 31 Felix Nowowiejski Rudolf Innig, Orgelwerke: Sauer-Orgel Bremer Dom In Paradisum op. 61 MDG 317 1997-2 (2 CDs) Drei Weihnachtsfantasien Mater dolorosa MDG 317 0973-2

8 Ausgabe 2017/2 WER_416_CLASS_72x280_4c_WER_342a 27.03.17 16:13 Se

CLASS: aktuell WERGO Jetzt neu bei WERGO

Eine Legende wird 90 WER 73602 (CD) SRProduktion: / SWR Herzlichen Glückwunsch, Michael Gielen! Unanswered Love Aribert Reimann | Wolfgang Rihm | Hans Werner Henze Juliane Banse: Sopran / Christoph Poppen: Leitung / Deutsche Radio Philharmonie mit Ersteinspielungen ichael Gielen wird 90, und die Klassik- welt feiert den bedeutenden Dirigenten, M der als musikalische Referenz ebenso wie als politischer Querdenker von sich reden machte. Aus gesundheitlichen Gründen beendete der Dirigent 2014 seine aktive Karriere, die vor

Foto: © Wolfram Lamparter Foto: © Wolfram allem durch die Tätigkeit als langjähriger Chef- dirigent beim SWR Symphonieorchester Baden-

Baden und Freiburg geprägt war. Sein Ruhm ist WER 69602 (3 CDs) noch immer ungebrochen, und so ist es kein Wunder, dass SWR Classic, das Label des Süd- westrundfunks, Michael Gielen eine ganze Boxen­ Paul Hindemith edition gewidmet hat, die aus dem Stand zum Die Streichquartette Verkaufsschlager wurde. Gesamteinspielung Nun erscheint bereits die fünfte Folge der auf zehn Volumina angelegten Michael Gielen Michael Gielen Edition – Vol. 5 Juilliard String Quartet: Robert Mann / Joel Smirnoff / Smuel Rhodes / Joel Krosnick Edition. Der Beitrag zur Reihe ist ausschließlich Werke von Béla Bartók und Igor Strawinsky dem Werk Béla Bartóks und Igor Strawinskys Christian Ostertag, Robert Leonardy, Stella Doufexis, gewidmet und zeigt, was für ein herausragender Edda Moser, Christian Elsner, Werner Hollweg, Dirigent Gielen auch in diesem Repertoire war. Rudolf Rosen, Barry McDaniel Alle Aufnahmen, die von 2005 bis 2008 auf vier WDR Rundfunkchor Köln, Anton Webern Chor Freiburg, SWR Vokalensemble Stuttgart, SWRmusic-Alben sukzessive erschienen waren, SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg, werden hier wiederveröffentlicht, ebenso Stra- Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR, winskys „Scherzo à la Russe“, das bereits in einer Rundfunk-Sinfonieorchester Saarbrücken SWRmusic-Kompilation von 2002 verfügbar war. Michael Gielen

Aber wie immer bei der Michael Gielen Edition SWRmusic SWR19023CD WER 51232 (CD) HR Koproduktion: gibt es auch bislang noch ungehörte Archiv- schätze: Historische Aufnahmen aus den 1960er- falls im Original-Ton zu hören ist (die Transkrip- und 1970er-Jahren, entstanden in Saarbrücken tion der Worte Gielens findet man zudem im Barbara Heller und Stuttgart zeigen Gielen als energischen Booklet zur Box auch zum Nachlesen). Herbstmusik Jungdirigenten, wobei Strawinskys komplette Für Michael Gielen ist „Strawinsky unter den Patchwork / La Caleta / Streichquartett 1958 / „Pulcinella“-Musik inklusive Gesang erklingt. ganz großen Meistern des 20. Jahrhunderts.“ Eins für Zwei / Herbstmusik / Arriba! / Zwiege- Ein faszinierendes Tondokument, an dem nicht Ebenso Bartók, von dessen „Wunderbarem Man- spräche / Minutentrios / Lalai – Schlaflied zum nur Sammler ihre helle Freude haben werden! darin“ – hier in einer fulminanten Aufnahme von Wachwerden? Strawinskys „Variations“ wurden bei Gielens 2007 – Gielen meint: „… ganz wunderbar (...) Verdi Quartett / Susanne Stoodt: Violine / Katha- letztem Konzert in Freiburg aufgeführt. Bei die- mit den Resten eines Impressionismus, aber rina Deserno: Violoncello / Gesa Lücker: Klavier ser Gelegenheit hat er dem Publikum das unge- schon in einem expressionistischen Geist ge- wöhnliche Stück in einer launigen Ansprache schrieben, ein Farbenwunder …“. erläutert, die im Programm dieser Box eben- René Brinkmann

Fordern Sie bitte unseren Katalog an! WERGO, Weihergarten 5, 55116 Mainz, Deutschland Ausgabe 2017/2 9 [email protected] | www.wergo.de CLASS: aktuell

Edition Staatskapelle Dresden | Vol. 42 – Anton Bruckner Symphonie Nr. 4 Es-Dur „Romantische“ Staatskapelle Dresden, Christian Thielemann Profil Edition Günter Hänssler PH16064

PH10031 PH12016 PH15013 Gewachsene Tradition: Bruckner-Pflege der Staatskapelle Dresden Das Label Profil-Edition Günter Hänssler veröffentlicht mit der Vol. 42 der Edition Staatskapelle Dresden Bruckners 4. Symphonie unter der Leitung von Christian Thielemann.

war gilt Dresden, anders als Wien, blick zu den stärksten Orchestermitteln zu grei- im Februar 1933 – in seinem letzten Symphonie- München oder das benachbarte Leipzig, fen. Kaum hat er uns in poetische Stimmung konzert vor der Vertreibung aus Dresden (doku- bis heute nicht explizit als „Bruckner- gesetzt, so packt er auch schon Hörner, Trompe- mentiert in der Edition Staatskapelle Dresden, Stadt“. Dennoch haben die Werke des ten, Posaunen und Pauken zu förmlichen Accord- Volume 30) – eine Aufführung von Bruckners Z gebürtigen Oberösterreichers auch in der sächsi- bündeln zusammen, um damit ein Blitzfunkeln »Romantischer«. Und sein Nachfolger Karl Böhm schen Residenzstadt eine lange Tradition, und dies und Donnerkrachen herauszuschlagen, daß ei- realisierte 1936/37 die allerersten Schallplatten- insbesondere in den Konzerten der einstigen nem Hören und Sehen vergeht …“. Spätestens Aufnahmen der vierten und der fünften Sympho- Hof- und heutigen Staatskapelle. seit der Jahrhundertwende schlug die Kritik aber nie in den damals im Rahmen der Bruckner- Bereits im Dezember 1885, ein Jahr nach in Begeisterung um: Schuchs Nachhaltigkeit in Gesamtausgabe gerade erst erschienenen Origi- der Leipziger Uraufführung der siebten Sym- der Programmplanung zahlte sich aus, und er nalfassungen (wiederveröffentlicht in der Edition phonie, die Bruckner den internationalen verhalf den Werken Bruckners in Dresden nach Staatskapelle Dresden, Volume 32). Auch nach Durchbruch brachte, erklang mit der Dritten und nach zu wichtigen künstlerischen Erfolgen. dem Krieg und der großräumigen Zerstörung erstmals ein Werk Bruckners in Dresden. Die Damit war die Grundlage für eine anhaltende Dresdens wurde schnell wieder Bruckner ge- Leitung hatte Musikdirektor Ernst von Schuch, Bruckner-Pflege gelegt; fortan bildeten die Werke spielt: So dirigierte der junge Generalmusik­ der sich in seiner langen Amtszeit (1872-1914) des österreichischen Symphonikers einen zent- direktor Joseph Keilberth zwischen 1945 und besonders für das damalige zeitgenössische ralen Bestandteil im Repertoire des Wagner- 1950 den vermutlich ersten vollständigen Zyklus Musikschaffen einsetzte und schließlich zum und Strauss-Orchesters Staatskapelle. General- aller „originalen“ Bruckner-Symphonien über- „Leibdirigenten“ von Richard Strauss avancierte. musikdirektor Fritz Busch etwa dirigierte noch haupt. 1946 erklang in diesem Zusammenhang Das Publikum in der Semperoper reagierte auf auch die Urfassung der dritten Symphonie zum die „Wagner-Symphonie“ mit Irritation und Ab- ersten Mal: Der Staatskapelle kam damit, wenn lehnung – trotzdem setzte Schuch, ein Lands- auch spät, noch der Rang eines Bruckner-Urauf- mann Bruckners, der den Komponisten seit einer führungsorchesters zu (Hintergründe hierzu lie- Begegnung bei den Bayreuther Festspielen auch fert der Mitschnitt dieser Fassung unter Yannick persönlich kannte, in den kommenden Jahrzehn- Nézet-Séguin aus dem Jahr 2008, erschienen in ten nahezu sämtliche Bruckner-Symphonien aufs der Edition Staatskapelle Dresden als Vol. 39). Programm. Die erste Aufführung der „romanti- Die Bruckner-Tradition der Staatskapelle Dresden schen“ Vierten in Dresden fand im November ist bis heute lebendig. Beispielhaft für die jünge- 1895 in der Semperoper statt; am Pult stand re Geschichte sind die inzwischen legendäre Ge- diesmal Kapellmeister Adolf Hagen, und die samteinspielung der Bruckner-Symphonien unter Kritik aus den „Dresdner Neuesten Nachrich- Eugen Jochum aus den Jahren 1975 bis 1980, ten“ spiegelt das Unverständnis wider, das Konzerte und Aufnahmen unter Giuseppe Sinopoli Bruckners Werken zu dieser Zeit auch andern- und Bernard Haitink sowie der aktuelle Bruckner- orts entgegengebracht wurde: „… Dabei kann es Zyklus unter Chefdirigent Christian Thielemann. der Komponist nicht unterlassen, jeden Augen- Profil Edition Günter Hänssler PH12011 Tobias Niederschlag

10 Ausgabe 2017/2 CLASS: aktuell Foto: © Samuel Schweizer

zieht. Die „Valses poéticos – poetische Walzer“, www.mlcantos.com schon in jungen Jahren komponiert, spielte er immer wieder; sie fanden sich auch im Reise­ gepäck für Amerika. Vom intim-sehnsuchts­ vollen Charakter, wie er Anfang und Beschluss des kleinen Zyklus prägt, bis zum ausgelassen- Hitparade – zum 150. Geburtstag wilden Drehtanz erschafft Granados einen gan- Maria Luisa Cantos präsentiert Enrique Granados zen Kosmos von Gefühlen und Assoziationen. Natürlich darf „Quejas – Klage“ aus den „Goyescas“ nicht fehlen. Nicht umsonst ist die- or ziemlich genau 100 Jahren kam len Ausdruck Granados allerdings um ein Viel- ses herzzerreißende Stück wohl Granados´ popu- Enrique Granados ums Leben, als sein faches zu vertiefen versteht. Dazu tragen auch lärste Komposition geworden – eine schmachten- Schiff auf der Rückreise von einem um- die leisen Töne ihren Teil bei, wie in Cantos´ de Adaption schaffte es mit Johannes Heesters jubelten Aufenthalt in New York in den zauberhafter „Berceuse“ ergreifend zu erleben ist. sogar in die Hitparaden! Maria Luisa Cantos VWirren des Ersten Weltkriegs von einem deut- Zum Walzer hatte Granados eine intime Be- versteht es meisterhaft, den tiefen Empfin­ schen U-Boot im Ärmelkanal abgeschossen wur- ziehung, die sich durch sein gesamtes Schaffen dungen dieser Musik, mit der sie den größten de. Mit ihm versanken zahlreiche Manuskrip­ te­ Teil ihres Lebens verbracht hat, auf des berühmten Pianisten in den eiskalten Fluten dem großen Steinway Konzertflügel – ein unersetzlicher Verlust, wie Maria Luisa nachzuspüren. Ohne falsche Senti- Cantos, Grande Dame der spanischen Klavier- mentalität gratuliert sie auf dieser musik, in ihrer jüngsten Einspielung erahnen luxuriös ausgestatteten Mehrkanal- lässt. Dass Granados, nachdem er zunächst ge- SACD im 2+2+2-Klang dem Kom­ rettet wurde, sich erneut ins Wasser stürzte, um ponisten zum 150. Geburtstag – seine geliebte Frau zu retten und dabei zu Tode herzlichen Glückwunsch! kam, erweitert die überaus tragische Episode Klaus Friedrich um eine zutiefst romantische Komponente. Und ein wahrhaft romantischer Geist muss Granados gewesen sein. Nicht ohne Grund stellt Cantos die „Escenas románticas – romantische Szenen“ in den Mittelpunkt ihres sehr per­ sönlichen Programms. Von der beginnenden Enrique Granados (1867-1916) „Mazurka“ bis zum abschließenden „Epilog“ Klavierwerke finden sich immer wieder Anklänge an Chopins Maria Luisa Cantos, Klavier poetische Klavierminiaturen, deren emotiona- MDG 904 2003-6 (Hybrid-SACD)

Ausgabe 2017/2 11 Class_06_17_ondine_Class_06_17_ondine 05.05.17 13:50 Se

LARS VOGT CLASS: aktuell LUDWIG VAN BEETHOVEN Klavierkonzerte Nr. 1 und 5 Qualität, Treue und günstige Preise: Royal Northern Sinfonia 30 Jahre Naxos! Mit seinem neuen Zyklus sämtlicher Beethoven- als die Firma Naxos mit ihrer so Qualität eben am Ende immer durchsetzt. Klavierkonzerte verbindet 1987 , einfachen Geschäftsidee an den Scheinbar nebenbei hat das Label, das die Lars Vogt seine mit Start ging, hätte wohl niemand geahnt, dass diese Klassikwelt nachhaltig veränderte, für eine Re- Leidenschaft aufgebauten Firma innerhalb weniger Jahre zum Marktführer pertoirevielfalt gesorgt, die man noch vor weni- Karrieren als Dirigent und der Branche aufsteigen würde: Gute Klassik-Auf- gen Jahren nicht für möglich gehalten hätte. Pianist in einem der nahmen zum extragünstigen Preis? Das klingt Ganze Œuvres von Komponisten wurden bei fast schon banal. Aber es entpuppte sich als eine Naxos veröffentlicht, wobei sich wohl kein an- NEU BEI ONDINE aufregendsten Beethoven- veritable Revolution in einem Marktumfeld, das deres Label auf die Fahnen schreiben kann, mehr Projekte unserer Zeit bis dahin fast nur Höchstpreise kannte. Welt-Ersteinspielungen veröffentlicht zu haben. Inzwischen feiert man bei Naxos das 30-jäh- Die Box wirft auch ein Licht auf bedeutende rige Firmenbestehen, und die Laune ist bestens. Künstler, die inzwischen untrennbar zum Ge- Noch immer ist Firmengründer Klaus Heymann sicht des Naxos-Labels gehören, wie beispiels- Chef des Unternehmens, das inzwischen das weise der Pianist Boris Giltburg, die Weltklasse- größte Vertriebsnetzwerk für klassische Musik geigerin Tianwa Yang, Dirigierveteran Leonard weltweit stellt und auf mehr als 9.000 Albumver- Slatkin, die wohl berühmteste Dirigentin Marin öffentlichungen zurückblicken kann. Wie will man Alsop, Cello-Überflieger Gabriel Schwabe, Star- aus diesem unglaublichen Angebot Highlights flötist Patrick Gallois, die hervorragende Violin- auswählen? Da muss der Boss persönlich ran! virtuosin Takako Nishizaki, die seit den Anfangs- Naxos-Firmengründer Klaus Heymann wählte tagen dem Label die Treue hält, Star-Cellist und deshalb die 30 Alben der Naxos-Jubiläumsbox Dirigent Julian Lloyd Webber, Eldar Nebolsin, persönlich aus. Das Ergebnis ist spekta­kulär: Jeno˝ Jando, Maria Kliegel, und viele viele mehr. Die 30 besten Alben aus 30 Jahren Naxos. Beein- Die Box erzählt auch die Geschichte der Plat- druckend wird sichtbar, wie konsistent über all tenfirma, der ihre Künstler gerne treu bleiben die Jahre die Qualität der oft als „Billigheimer“ – und das sagt oft mehr als tausend Worte! ODE1292-2 geschmähten Marke doch war, und wie sich René Brinkmann

30 Jahre NAXOS – The Anniversary Collection Takako Nishizaki Marin Alsop Jeno˝ Jandó Adriane White Boris Giltburg Tianwa Yang JoAnn Falletta Maria Kliegel Henning Kraggerud Gabriel Schwabe Leonard Slatkin Antoni Wit Idil Biret u.v.a. Naxos 8.503293

Im Vertrieb der NAXOS Deutschland GmbH www.naxos.de · www.naxosdirekt.de 12 Ausgabe 2017/2 CLASS: aktuell

Aktuelle Konzerte: 06. 08. 2017 Montafoner Resonanzen Kloster Gauenstein, Schruns 26. 10. 2017 Spandauer Gitarrenfest, Eröffnungskonzert Zitadelle Spandau, Berlin (27.– 28. 10. Meisterkurs) 17. 11. 2017 Hofkapelle der Residenz, München

www.frankbungarten.de

Foto: © Thomas Struth Weitere Einspielungen: Federico Moreno Torroba (1891-1982) Castillos de España, Puertas de Madrid, Preludio, Madroños, Nocturno MDG 905 1915-6 (Hybrid-SACD)

Fundamental, großartig voluminös Heitor Villa-Lobos (1887-1959) Frank Bungarten, Mertz und die Wiener Kontragitarre Sämtliche Solo-Werke MDG 905 1629-6 (Hybrid-SACD)

Mario Castelnuovo-Tedesco (1895-1968) 24 Caprichos de Goya op. 195 as für ein Sound! Diese Bässe! Für findet auch Verdis „Ernani“ den Interpreten, MDG 305 0725-2 (2 CDs) seine neueste Aufnahme mit Wer- der die abenteuerlichen technischen Schwie- „Cancion y Danza“ Werke von Bach, ken des Gitarrenvirtuosen Johann rigkeiten der Bearbeitung vergessen lässt. Beste Sor, Granados, Turina, Ponce u.a. Kaspar Mertz hat sich Frank Bun- Voraussetzungen für ein ungetrübtes MDG 305 1246-2 Wgarten ein ganz besonderes Instrument ausge- Musikvergnügen, das schon den sucht: Die Kontragitarre, gefertigt nach einer Stereohörer verblüfft, aber noch exemplarisch erhaltenen historischen Vorlage gesteigert wird mit der Möglich- Johann Gottfried Scherzers, verfügt auf einem keit der Mehrkanalwiedergabe. zweiten Hals über eine Reihe zusätzlicher Bass- Diese in passender Akustik des saiten. Damit ist es jetzt möglich, die opulente Konzertsaals der Abtei Marien­ Klanglichkeit von Mertz´ Kompositionen haut- münster sorgfältig produ- nah zu erleben – wohl erstmals seit dem Tod zierten 2+2+2 - Aufnahme des Wiener Meisters im Jahre 1856. vermittelt das Gefühl des Für die erst postum veröffentlichten Fantasien unmittelbaren Dabeiseins. Was für op. 65 und die „Harmonie du soir“ rechnete ein Gitarrenklang… Lisa Eranos Mertz ganz offensichtlich mit dem zusätzlichen Volumen im Bass. Nur auf der zehnsaitigen Kontragitarre lassen sich die Werke unmittelbar so spielen, wie sie notiert sind. Und wer sich anfänglich fragt, wie man auf der Gitarre eine „Orgelfuge“ darstellen kann, wird spätestens mit den gewaltig einsetzenden „Pedal“-Tönen hellauf begeistert sein! Welch hohe Ansprüche Mertz an seine eigene Musik stellte, lässt sich eindrucksvoll an der Be- arbeitung von sechs Schubert-Liedern ablesen. Neben den Originalen verwendet er die hochkom- plexen und fantasievollen Transkriptionen, die Franz Liszt für seine eigenen überaus erfolgrei- chen Klavierrecitals angefertigt hatte – ein wag- halsiges Unterfangen, mit frappanter Wirkung: Die Echo-Wirkung im „Ständchen“, die bei Schubert so nicht vorgesehen ist, ist schlichtweg grandios! Johann Kaspar Mertz (1806-1856) Sage und schreibe 34 Opernparaphrasen hat Der letzte Wiener Virtuose Mertz auf sein Instrument komponiert. Die orches­ Frank Bungarten, Kontragitarre trale Vorlage verlangt geradezu nach der Klang- 10-Saiten-Gitarre nach J.G. Scherzer, 1861 fülle der Kontragitarre. Und mit Frank Bungarten MDG 905 1954-6 (Hybrid-SACD)

Ausgabe 2017/2 13 CLASS: aktuell

30 Jahre NAXOS – vom Low Budget Label zum Global Player

ir versetzen uns zurück ins Jahr 1987: Die Klassikwelt ist im Wandel! Die CD ist dabei, die Schallplatte ab- zulösen. Und das zum stolzen Preis! W30 bis 40 DM kostete 1987 eine CD mit klassi- scher Musik. Das sollte man sich heute noch einmal vor Augen führen, um zu verstehen, was es bedeutete, als plötzlich eine neue Firma auf den Plan trat, die Klassik in Digitalaufnahmen und auf CD verkaufte, dies aber zum Preis von gerade mal 10 DM! Diese Firma hieß Naxos – ein Name, der in die Klassik-Szene der ausgehenden 1980er- Jahre einschlug, wie eine Kanonenkugel! Was heute klingt, wie eine einfache Idee, die jeder hätte haben können, war damals eine Marktrevolution!­ Und die entfachte eben nicht jeder, sondern nur einer: Der deutsche Unter- nehmer Klaus Heymann. Heymann, der bereits in den 1960er-Jahren nach Hongkong ausgewandert war, zunächst als Journalist, später als Vertriebsleiter für Hifi- Equipment tätig war, hatte erkannt: Es gab da eine Marktlücke! Der Markt dürstete nach Digi- talaufnahmen (das Kürzel „DDD“ stand in den Anfangstagen der CD für besonders gute Klang­ qualität), doch davon gab es damals nur wenige und die nur zum Höchstpreis. Naxos krempelte mit seinem Preis-/ Leistungsmodell den kompletten Markt um. Plötzlich gab es solide Einspielungen klassischer Standardwerke in neuester Digitaltech- nik zu einem Preis, den sich jeder leisten konnte. Und wollte! In Windeseile eroberte Naxos Marktanteil um Marktanteil. Allein die erste Naxos-Einspielung der berühmten Vier Jahres- zeiten mit Takako Nishizaki verkaufte sich bis heute 1,4 Millionen Mal. Andere Alben waren ähnlich erfolgreich und sind es bis heute. Naxos wurde binnen weniger Jahre zum Weltmarkt- führer für klassische Musik in allen Formaten – nachdem Klaus Heymann frühzeitig begonnen hatte, sich auch von der CD als bestimmendem Medium wieder zu lösen und weiter in die Zu- kunft zu denken: Mit der Naxos Music Library, 2004 ins Leben gerufen, zählte er zu den Erfin- dern des Musikstreamings – ein Wort übrigens, das es damals noch nicht einmal gab. Heute ist Musikstreaming in weiten Teilen

der Welt die bestimmende Art des Musikgenus- Foto: © Emily Chu

14 Ausgabe 2017/2 CLASS: aktuell

Es ist eine der allerersten NAXOS-CDs aller Zeiten und bis heute die Erfolgreichste: Takako Nishizakis Bestseller Einspielung von Vivaldis „Le Quattro Stagioni“. Die beliebte Aufnahme, die zu den meistverkauften Vier Jahreszeiten-Einspielungen überhaupt gehört, erscheint bei NAXOS nun in einer frischen jungen Optik als Neuauflage.

Antonio Vivaldi ausschließlich für Naxos auf, ebenso Diri­gen­ Die vier Jahreszeiten ten­legende Leonard Slatkin, Flöten-Superstar Takako Nishizaki Patrick Gallois und Star-Cellist und Dirigent Capella Istropolitana Julian Lloyd-Webber. Spricht man mit ihnen und Stephen Gunzenhauser anderen typischen „Naxos-Künstlern“, fällt auf, NAXOS 8.550056D dass die Musiker oft in einem geradezu herz­ lichen Ton von der Firma reden, bei der sie Eugène Ysaÿe veröffentlichen. Es muss wohl daran liegen: Wer Violinsonaten op. 27 als Künstler mit Naxos spricht, kann sich darauf Tianwa Yang verlassen, dass man über Musik spricht – nur NAXOS 8.572995 über Musik! Naxos beschäftigt keine Hochglanz- fotografen, Visagisten, Typberater oder nötigt Naxos längst zum Pre­mi­um-An­bie­ter aufgestiegen. Geigerinnen zu „Lounge“-Auftritten in vermeint- Naxos steht heute nicht nur für ein gigantisches lich hippen Discos und Clubs. Repertoire (das größte aller Klassikfirmen) Zugegeben: Mit Naxos redet man deswegen von mehr als 9.000 lieferbaren Alben, sondern in der Regel auch nicht über kurzfristige Chart- inzwischen auch für echte Stars: Die Weltklasse­ Erfolge. Aber eben nur deshalb, weil die Naxos- geigerin Tianwa Yang etwa bekam schon zwei- Strategie langfristig ausgelegt ist. Das Motto: mal den ECHO Klassik.­ Naxos-Exklusivpianist Lieber 1,4 Millionen Exemplare eines Albums Boris Giltburg startet derzeit durch mit einer in 30 Jahren verkaufen, als mit Tausend Exem- Welt­karriere, wie sie im Buche steht, Naxos- plaren binnen vier Wochen in die Charts zu Jungstar Gabriel Schwabe gilt gar als der ver- schießen, um danach auf Null abzustürzen. Fast heißungsvollste Cellist seiner Generation. alle Alben, die in der 30-jährigen Geschichte Dieser Erfolg der „Jungen“ zieht auch lang- des Naxos-Labels veröffentlicht wurden, sind jährig etablierte Künstler an, die mit den geschäft- auch heute noch erhältlich. Eine Ausnahme im Preisgekrönt: Tianwa Yangs Einspielung der Violinsonaten von Eugène Ysaÿe lichen Gepflogenheiten anderer Plattenfirmen schnelllebigen Musikbetrieb. Naxos ist und brachte Ihr den ECHO 2015 zunehmend unzufrieden sind: Gi­tarren-Welt­ bleibt ein Erfolgsmodell. Sicher auch für die als Instrumentalistin des Jahres ein. wunder Pepe Romero etwa nimmt heute fast nächsten 30 Jahre! René Brinkmann

ses geworden: 2016 hat (global betrachtet) der Umsatz mit Streaming und Downloads erstmals den Umsatz mit physischen Tonträgern wie Schallplatten und CDs überflügelt. Während viele Firmen, gerade im Klassikbereich, mit dieser Entwicklung zu kämpfen haben, geht es Naxos bestens. Frühzeitig wurde darauf geachtet, den Vertrieb für physische Produkte selbst in der Hand zu haben. Mit mehr als 60 Vertriebs­ niederlassungen rund um die Welt stellt Naxos das größte Netzwerk dieser Art in der Welt der Klassik. Und digital war man sowieso von Be- ginn an besser aufgestellt als andere. Naxos hat sich in den nunmehr 30 Jahren seiner Existenz beständig gewandelt und fort- Sergej Rachmaninow Johannes Brahms entwickelt. Kritiker hatten der Firma anfangs ein Études-tableaux, op. 39, Cellosonaten und Lieder schnelles Ende vorherge­sagt. Pustekuchen! Vom Moments musicaux, op. 16 Gabriel Schwabe, Cello Label für das gute­ Preis-/Leistungsverhältnis Boris Giltburg, Klavier Nicholas Rimmer, Klavier mit den auffälligen weißen Coverartworks ist NAXOS 8.573469 NAXOS 8.573489

Ausgabe 2017/2 15 Class.210 x 280.05.17.Schaller .qxp_Layout 1 03.05.17 10:59 Seite 1

Edition Günter Profil Hänssler Jahrespreis 2017 der Bruckner Society of America für Gerd Schaller!

ANTON BRUCKNER SYMPHONY No. 9 Gerd Schaller & Philharmonie Festiva CD PH16089 »Schaller´s durchgehende Konzentration hypnotisiert den Hörer regelrecht und trägt ihn auf Wellen eines brillanten Sounds.« 2 CD (Bruckner Journal London)

Mit vervollständigtem Finale nach Originalquellen von Gerd Schaller CD PH15004

3 CD CD PH12022 CD PH13049 CD PH14020 CD PH14021

2 CD

4 CD CD PH11028 CD PH13027 CD PH15035 CD PH16034

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Atemberaubend Fotos: © Sarah Wijzenbeek Berlages ausdrucksstarkes Plädoyer für Freiheit

ach dem phänomenalen Erfolg ihres Debütalbums „Saxofolk“ wagt sich das Berlage Saxophone Quartet auf gänz- lich anderes Terrain. Fünf berühmte N Komponisten, die im Konflikt mit den politi- schen Verhältnissen ihrer Zeit standen, liefern intensive Schlüsselwerke, die in den virtuosen Bearbeitungen für vier Saxofone aus völlig neuer Perspektive zu betrachten sind. „In Search of Freedom“ wird so zu einem Plädoyer für die Freiheit der Kunst, die auch bei eingeschränkter persönlicher Freiheit immer Bestand hat. Hanns Eisler, Kurt Weill und Erwin Schul- hoff fielen gleich aus mehreren Gründen ins Aktuelle Konzerte: Visier der Nationalsozialisten. Den Kommunisten 14. 05. 2017 nahestehend, zum Teil jüdischer Abstammung Vorden (NL) und dann auch noch „entartet“ komponieren 26. 05. 2017 – das hatte in Deutschland keine Zukunft. Und Pristina (Kosovo) während Weill und Eisler im amerikanischen 11. – 18. 06. 2017 Oerol Festival Exil durchaus erfolgreich waren – der eine am Terschelling (NL) Broadway, der andere in Hollywood – geriet 19. 08. 2017 Schulhoff zwischen die Fronten und fand in der s`Hertogenbosch (NL) Lagerhaft den Tod. Songs aus Weills „Dreigro- 20. 08. 2017 schenoper“ und Eislers 6. Suite (aus der Filmmu- Barchem (NL) 21. – 27. 08. 2017 www.berlagesaxophonequartet.com sik zu „Le grand jeu“) stehen hier an der Seite Alcorisa (ES) von Schulhoffs „5 Stücke für Streichquartett“, denen als Suite populärer Tänze vom Walzer bis zum Tango alles Politische fernzustehen scheint. vollen Violinpart. Die flächige Harmonik entfaltet umstritten. Zweifellos aber gehört sein 8. Streich­ Arvo Pärt geriet nach seiner Hinwendung in der Besetzung mit Saxofonen eine geradezu quartett zu den ergreifendsten Werken überhaupt. zu religiös-meditativer Musik auf den Index der hypnotische Wirkung – grandios! Und wie die Berlages die abrupten Wechsel zwi- sowjetischen Machthaber. „Fratres“ ist eines sei- Dmitrij Schostakowitschs Verhältnis zur sow­ schen erschütternder Klage und ekstatischem ner ersten Stücke dieser Art; Vineta Sareika, Prim- jetischen Staatsmacht war durchaus ambivalent. Rhythmus gestalten, macht diese hochauflösend geigerin des Artemis Quartetts, übernimmt dabei Und ob seine Huldigungskompositionen nicht vibrierende Super Audio CD zu einem unvergess- den bei aller scheinbaren Einfachheit anspruchs- vielleicht doch bereits Karikatur sind, ist bis heute lichen ja schier atemberaubenden Erlebnis. Lisa Eranos

„In Search of Freedom“ Werke von Hanns Eisler, Kurt Weill, Arvo Pärt, Erwin Schulhoff, Dmitri Schostakowitsch Vineta Sareika, Violine Berlage Saxophone Quartet MDG 903 1999-6 (Hybrid-SACD)

Außerdem erschienen: „SaxoFolk“ Werke von Farkas, Pierné, Grieg, Schulhoff, Mussorgsky, Ligeti, Piazzolla, Albeniz Berlage Saxophone Quartet MDG 903 1834-6 (Hybrid-SACD)

Ausgabe 2017/2 17 CLASS: aktuell

Effektvolles Feuerwerk Die Klarinettenquintette von Heinrich Baermann

www.ritakarinmeier.ch

www.belenusquartett.ch

ls Carl Maria von Webers Inspirations- rungen zu präsentieren. Eine bemerkenswerte quelle ist Heinrich Baermann heute Berühmtheit erlangte das Adagio des auch heute durchaus bekannt. Der berühmte Virtu- noch recht häufig zu hörenden Quintetts op. 23: ose, dem Weber alle seine Klarinetten- Nach seiner Wiederentdeckung 1922 wurde es Akonzerte auf das Blatt komponierte, griff auch zunächst als ein Werk Richard Wagners angese- immer wieder selbst zur Feder – und das mit hen – wenn das kein Ausweis für Qualität ist! beachtlichem Erfolg. Mehrere Dutzend Werke Dass Bärmann auch aberwitzig virtuose Par- sind überliefert. Rita Karin Meier und das Belenus tien für sein Instrument komponierte, dürfte kaum Quartett widmen sich den drei Quintetten für überraschen. Besonders in den Schlusssätzen zündet er ein wahres Feuerwerk an Effekten, das dem Publikum den Atem stocken lässt. Vor allem das Rondo aus op. 19 hat es in sich: Schon das Ritornell mit seinen quirligen Triolenketten ver- langt der Solistin das Äußerste ab. Und wenn dann die Klarinette durch sämtliche Lagen und Regis- ter rauscht, hält es niemanden auf den Sitzen! Auch wenn die Klarinette ganz eindeutig im

Klarinette und Streicher, die das vielgerühmte Brennpunkt ist, gelingt es Bärmann die vier Belenus Quartett © Angelika Annen Foto: R. K. Meier © Raphael Zubler, kantable Spiel ebenso wie die legendären virtu- Streicher so einzubeziehen, dass echte Kammer- osen Fähigkeiten Baermanns aufs vorzüglichste musik entsteht. Die ist beim Belenus Quartett zum Leben erwecken. bestens aufgehoben: Das junge Schweizer En- Besonders im f-Moll-Quintett op. 22 ist die semble harmoniert ausgezeichnet mit Rita Karin Nähe zu Weber nicht zu überhören. Schon der Meiers Klarinettenspiel, wohl nicht zuletzt auch ungestüme Beginn der Streicher, der das sehn- dank gemeinsamer Erfahrungen aus der Zürcher Heinrich Baermann (1784-1847) suchtsvoll-drängende Allegro non troppo ein- Oper. Klangtechnisch als hochauflösende Super Klarinettenquintette op. 19, 22 & 23 leitet, ist Romantik pur. Und die großartige Opern- Audio CD in dreidimensionaler Klangwiedergabe Rita Karin Meier, Klarinette szene des zweiten Satzes bietet Rita Karin Meier produziert, wird diese äußerst unterhaltsame Belenus Quartett die besten Gelegenheiten, ihren wundervoll Produktion zu reinem Musikgenuss. MDG 903 1988-6 (Hybrid-SACD) warmen Ton in allen nur erdenklichen Schattie- Klaus Friedrich

18 Ausgabe 2017/2 CLASS: aktuell

Ein kammermusikalisches Juwel: Das Klaviertrio Teil 2: Von der Frühromantik ins 19. Jahrhundert

MDG 342 1166-2 „ein seliges Träumen, ein Auf- und Niederwallen schön menschlicher Empfindung“. Nur wenige Wochen nach Beginn des Musikunter­ richts beim Hofkapellmeister Antonio Salieri entstand zwischen dem 27. Juli und dem 28. August 1812 ein einzelner, „Sonata“ überschriebener Klaviertrio-Satz in B-Dur (D 28). Bemerkenswert an dieser frühen Kom­ position ist allerdings weniger die bereits erkennbare eigene musikalische Sprache, als vielmehr die unge­ zählten nachträglichen Korrekturen, mit denen der 15jährige das Autograph in die Welt entließ. MDG 342 1167-2 Ganz anders Schuberts Klaviertrio Es-Dur (D 929) – ein Werk aus der Spätzeit des Komponisten, das gleicher­ maßen exzellente wie erfahrene Interpreten erfordert: Das Wiener Klaviertrio gestaltete mit diesem Werk sein exklusives MDG-Debüt (MDG 3421167-2). Als „Zugabe“ Franz Schubert (1797-1828) dieses Vol. 1 der Gesamteinspielung hören wir zum ersten Mal hier die beiden Urtext-Varianten des Es- Dur-Trios, die durch verlegerische Ungenauigkeiten achdem die Wiener Meister Haydn, Mozart und bis dato verschüttet waren. Die Sorgfalt, mit der die Beethoven das Klaviertrio zu einer ersten Blüte ge­ Musiker bei der Vorbereitung der Aufnahmen zu Werke führt hatten, war es Franz Schubert, der das noch gehen, schließt die philologische Kontrolle der auto­ Audiomax 703 1608-2 junge Genre in die Welt der Romantik führte. graphen Partituren grundsätzlich ein – in diesem Fall N stellte die Wiener Nationalbibliothek die wertvollen Ein seliges Träumen Handschriften zur Verfügung. Erst gegen Ende seines Lebens wandte sich Schubert Den ungewöhnlichen Anspruch des Werkes erfassten dem Klaviertrio zu. Einen äußeren Anlass – etwa in Form die gebildeten Zeitgenossen schon beim ersten Anhören. eines Kompositionsauftrages – schien es nicht zu geben, Der Korrespondent der Leipziger Allgemeinen musika­ lediglich die Begeisterung für die außergewöhnliche lischen Zeitung: „Kein gewöhnlicher Geist spricht uns in Besetzung, mit der Beethoven einst debutierte... ihm an; es ist neu, eigenthümlich, großartig, seltsam, Bis zu seinem 30. Lebensjahr komponierte Schubert stechend, kräftig und zart; kein Geklimper: Musik.“ mit Vorliebe Streichquartette. Gemischte kammermusi­ Schubert probierte seine Kompositionen aus: In kalische Besetzungen sind bei ihm rar. Sein erstes Klavier­ „Privatkonzerten“, die vom Geiger Schuppanzigh ver­ trio entstand 1827, also ein Jahr vor seinem frühen Tod. anstaltet wurden, kam sein Trio am 28. Januar 1828 MDG 303 0921-2 Ob für die Entstehung von D 898 ein konkreter Anlass zur Aufführung. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit bestand oder ob Schubert das Trio mit Blick auf die fanden diese Schubertiaden allerdings längst nicht einschlägigen Kataloge verfasste, ist bis heute nicht ge­ mehr statt: Die Verleger schickten ihre Späher – schon klärt. Es deutet aber viel darauf hin, dass es im direkten bald „biss“ einer an: Als „Opus 100“ erschien das Trio zeitlichen Umfeld mit dem „Notturno“ entstand, dessen wenige Monate später in Leipzig. Autograph und Entstehungsdatum überliefert sind. Bis heute gehört das B-Dur Klaviertrio (D 898) von Robert Schumann schwärmte von den Werken sei­ Franz Schubert zu den bekanntesten, aber auch nes Komponistenkollegen wie ein Werbetexter unserer schwierigsten Werken dieser bei Schubert so seltenen Tage. Für ihn war das B-Dur-Trio ganz und gar „leidend, Gattung. Das junge deutsch-tschechische Max-Brod- weiblich und lyrisch“. Schon der erste Satz sei so Trio hat dieses kammermusikalische Schwergewicht „anmutig, vertrauend, jungfräulich“, das Adagio gar für Audiomax aufgenommen (Audiomax 703 1608-2). MDG 303 0922-2

Ausgabe 2017/2 19 CLASS: aktuell Robert Schumann (1810 -1856)

Der Aufenthalt Schumanns in Leipzig Mitte März 1852 sollte sein letzter werden: In einer „musikali­ schen Morgenunterhaltung“ stellte der von Krankheit gezeichnete Schumann sein neues, drittes Trio vor, das von der Kritik schulterzuckend aufgenommen wurde. Heute ist es kaum vorstellbar, dass man mit dem genialen Werk damals nichts anzufangen wusste. Schumann und Ersteinspielung? Das Trio Parnassus führt mit seiner Ge­ samtveröffentlichung des Schumannschen Klaviertrio- Concerto CD2065 Schaffens überraschenderweise auch in kammermusika­­ lisches Neuland (MDG 303 0921-2 und MDG 303 0922-2). Das Forschen bricht Eine kongeniale Bearbeitung von Theodor Kirchner sich Bahn rettet eine Komposition vor dem Vergessen: Der Schu­ Wir hatten schon darauf hingewiesen: einer der mann-Schüler ersetzt in den Studien op. 56 den längst glühendsten Verehrer Schubertscher Klaviertrio-Kunst ausgestorbenen Pedalflügel durch das Klaviertrio. Auch war Robert Schumann. Der komponierte seine eigenen die Bilder aus Osten op. 66 sind für uns heute eine Reise Trios erst, nachdem er sich intensiv und erfolgreich mit ins Unbekannte: Schumanns fünf prägnante Charakter­ Liedern und Sinfonien auseinandergesetzt hatte. Doch stücke – bei Lesen arabischer Erzählungen entstanden schon während der Arbeit an seinem ersten Klaviertrio – zählten im 19. Jahrhundert zu seinen bekanntesten Kaleidos KAL63312 begann er bereits ein zweites und drittes – seine Haus­ Werken und erlebten zahlreiche Bearbeitungen. Die hier haltsbücher aus dieser Zeit enthalten immer häufiger erstmals eingespielte Fassung der ursprünglich vierhän­ die Eintragung „Triogedanken“. dig gesetzten Bilder, greift den Hausmusikgedanken Schumann wurde von zeitgenössischen Kritikern den auf, dem das Original verpflichtet ist, und sind auch großen Entdeckern der Zeit gleichgesetzt: Angesichts des heute gehört mitreißende Triowerke. Klaviertrios d-Moll op. 63 schrieb die Neue Zeitschrift Das Trio di Parma erweitert auf dem Doppelalbum für Musik 1848: „Hier und dort treibt die Schöpferkraft Concerto CD2065 den Blick auf Schumanns kammer­ des Meisters unablässig vorwärts nach neuen Richtun­ musikalische Welt ebenfalls; zu den Klaviertrios treten gen, das Forschen bricht sich Bahn in ferne Regionen, die „Phantasiestücke“ op. 88 und die „Sechs Stücke in erspäht werthvolle Schätze, erbeutet sie sicher ...“ kanonischer Form op. 56“. Ein Jahr später erschienen Robert Schumanns sel­ Eine Klammer zwischen Schubert und Schumann ten gespielte Phantasiestücke. Der berühmte Biograph schafft eine Einspielung des mehrfach preisgekrönten MDG 303 1241-2 Hermann Abert charakterisiert die humorvollen, traum­ Morgenstern Trios, die Schuberts 2. Trio op. 100 mit haften, ebenso liebenswürdigen wie geistvollen Beiträge Schumanns 1. Trio op. 63 verbindet (Kaleidos KAL63312). zur Kammermusik zu recht als „Studien über allerhand Spezialitäten des romantischen Geistes.“ „Zwar haben wir es mit keinem so gewaltigen Pro­ ducte wie es der Autor in seinem ersten Trio (d-Moll) bietet, zu tun, aber mit einem viele kostbare Kleinodien in sich bergenden Stück.“ Clara Schumann, die das zweite Trio besonders schätzte, war verärgert über das diffenzierte Echo – Der Rezensent hatte die satztechni­ sche Raffinesse in der Tat wohl überhört. BIS-SACD-2109

Audiomax 903 1793-6 MDG 303 0805-2 MDG 303 0806-2 Felix Mendelssohn Bartholdy (Hybrid – SACD) (1809-1847)

20 Ausgabe 2017/2 CLASS: aktuell

Beim Schubert-Trio hat sich das Morgenstern Trio für die ursprüngliche Fassung ohne die vielfach üblichen Kürzungen entschieden (einzig die Wiederholung der Exposition wird nicht gespielt), wodurch der 4. Satz seine monumentale Länge behält. Das Meistertrio der Gegenwart Robert Schumann verweist uns (biographisch) nach Leipzig. In keiner anderen Stadt als Leipzig hätte Felix Mendelssohn Bartholdy derartige Erfolge feiern können: Seine Klaviertrios spiegeln auf Schritt und Tritt die klassisch-humanistischen Ideale ihres Schöpfers wieder. Mendelssohn vereinigte Gefühl und Geist – ganz so, wie es die an­ Fingerprints spruchsvolle und hochgebildete Öffentlichkeit Leipzigs verlangte. Kunst J. S. Bach: Chromatische Fantasie und Fuge d-moll BWV 903 war nicht mehr ein oberflächliches Vergnügen, sondern wurde mit Wolfgang Amadeus Mozart: Klaviersonate F-Dur KV 332 Verstand und Vernunft verbunden. Ludwig van Beethoven: Klaviersonate C-Dur op. 53 „Waldstein“ Die Uraufführung des d-Moll-Trios fand am 1. Februar 1840 im Alexander Skrjabin: Albumblatt Es-Dur op. 45/1 Rahmen einer „Musikalischen Abendunterhaltung“ in Leipzig statt. Claude Debussy: Etude No 11 „Pour les arpèges composés“ Der als Kritiker gefürchtete Robert Schumann bezeichnete das Stück Maurice Ravel: La Valse | Wang Jianzhong: Liuyang River als „das Meistertrio der Gegenwart“ und Mendelssohn als den „Mozart Haiou Zhang, Klavier des 19ten Jahrhunderts“ – umgehend eroberte das Werk die Salons hänssler Classic HC17022 und die Konzertsäle der Welt. Wie viel Mendelssohn an dieser Entwick­ lung gelegen war, zeigt die Tatsache, dass er alle Störungen, und seien sie noch so lukrativ, bei der Arbeit an seinen Streichtrios absagte: im Jahre 1845 sogar eine Einladung in die Carnegie-Hall New York („Das ist ja so weit wie eine Reise zum Mond!“). Mendelssohn wollte beim Komponieren Ruhe: „sans Reise, sans Musikfest, sans everything“. 1845, zeitgleich mit dem „Elias“ entstanden, befasst sich auch das letzte zum Druck freigegebene Kammermusikwerk Mendelssohns mit Musikalische religiösen Themen. Ein freier Choral, der an „Vor deinen Thron tret ich hiermit“ erinnert, tritt am Schluss hinzu – bemerkenswert für eine Kammermusikkomposition, und für Mendelssohn, dem letzte Gewiss­ Finger- heiten in Glaubensdingen fremd waren, aber zugleich Ausdruck ro­ mantisch-sehnsüchtigen Suchens. Mendelssohns erstes Trio wurde abdrücke von Publikum und Kritik begeistert aufgenommen und eroberte sich sofort einen festen Reper­ ­toireplatz in der noch jungen bürgerlichen Hausmusik. Schumann bezeichnete Mendelssohn in seiner euphori­ schen Rezension als „Mozart des 19. Jahrhunderts“. Das Trio Parnassus entführt mit seiner Gesamtveröffentlichung des Mendelssohnschen Klaviertrio-Schaffens (MDG 303 1241-2) in eine bes­ it einem sehr persönlichen Album präsentiert der chinesische -M. sere Welt – in die des ungebrochenen Schönheitsideals. Wen wun­dert Pianist Haiou Zhang sein bereits drittes Album bei Hänssler

dies bei einem Ensemble, dessen bisher erschienene musikalische Classic. „Meine neue CD Fingerprints enthält Kompositionen Krueger M „Reiseberichte“ vom internationalen Publikum mit größtem Interesse verschiedener Stil-Richtungen und Epochen; so unterschiedlich die verschlungen wurden. Die Einspielung des Sitkovetsky-Trios auf BIS- Werke auch sind – sie haben eines gemeinsam: Mit jedem dargebotenen SACD-2109 steht dem in Nichts nach. Stück verbinde ich großartige, mitunter berührende. Konzerterlebnisse. Foto: © J. Und noch einmal Mendelssohn: Voll jugendlichem Elan und virtu­ Jedes Stück habe ich mindestens 50 mal weltweit vorgetragen. Diese osem Esprit zaubern die jungen Musiker des Trio Alba eine frische vielschichtigen Konzerterfahrungen sind nun auf CD gebündelt und die Mendelssohn-Deutung auf die Bühne, eine Super Audio CD im besten Aufnahmen, die in der Jesus-Christus-Kirche in Berlin eingespielt und 2+2+2 Sound, die in ihrem mitreißendem Schwung und audiophilen aufgezeichnet wurden, enthalten für mich die musikalischen Essenzen, Klang rundum begeistert (Audiomax 903 1793-6). die Tonbilder zum Leben erwecken.“ Die CD eröffnet ein Spektrum von Bach bis China – mit jedem Hochaufstrebender Künstler der Stück sieht der junge Ausnahmepianist einen besonderen Bezug zu jüngsten Zeit seiner musikalischen Karriere – und so kann der Titel Fingerprints Ebenfalls der Stadt Leipzig verbunden war ein heute Vergessener: durchaus auch doppeldeutig stehen, nämlich auf der einen Seite für Woldemar Bargiel (1828-1897). Das Trio Parnassus schließt daher die Beweisführung einer bis dato gelungenen und sehr erfolgreichen mit der Erstveröffentlichung der Klaviertrios von Woldemar Bargiel musikalische Laufbahn und auf der anderen Seite für eine unverwech­ eine Lücke (MDG 303 0805-2, MDG 303 0806-2). „ S 22 selbare Werke-Deutung. Manuela Neumann

Ausgabe 2017/2 21 CLASS: aktuell Woldemar Bargiel (1828-1897)

Die Familie Bargiel gehörte zur haute volaute der Berliner und Leipziger Musikkultur, was schon an den verwandtschaftlichen Bindungen abzulesen ist: Woldemar Bargiels Mutter war mit dem Vater von Clara Schumann verheiratet, die weltberühmte Pianistin also seine Halbschwester. Bargiel hatte eine Ausbildung von exquisiter Qualität: Er sang als Knabe im berühmten Berliner Domchor und erhielt schon früh Komposi­ MDG 303 1665-2 tionsunterricht bei keinem geringeren Musiktheorie­ Niels Wilhelm Gade lehrer als Siegfried Wilhelm Dehn. Durch Vermittlung (1817-1890) von Robert Schumann kam er an das weltberühmte Leipziger Konservatorium und studierte bei den Nur ein Scherzo zeugt von der ersten Kammermusik- „Päpsten der Kompositionslehre“ Ignaz Moscheles und Komposition des 19-jährigen Geigers, der eigentlich Moritz Hauptmann. ein Klavierquartett schreiben wollte. Drei Jahre später Bargiels professorale Karriere führte vom Kölner versuchte sich Gade erstmals an einem Trio. Über den Konservatorium über Rotterdam nach Berlin, wohin ihn ersten, äußerst gelungenen Satz kam er jedoch nicht Joseph Joachim an die Hochschule holte. Von dort aus hinaus. Der Durchbruch gelang ihm 1853, nach Rück­ arbeitete er mit Brahms an der Chopin- und Schumann- kehr aus Leipzig. Er komponierte fünf Sätze für ein Gesamtausgabe. Und die Musik Bargiels begeisterte Klaviertrio und nannte sie in bester Schumann-Tradition

MDG 303 0655-2 um die Mitte des Jahrhunderts nicht nur das Konzert­ „Noveletten“. Es ist interessant, wie das Trio Parnassus publikum, sondern auch die Fachwelt. Er wurde von den kompositorischen Ablauf in seiner Einspielung Schumann in dessen berühmten Aufsatz „Neue Bahnen“ (MDG 303 1665-2) erhellt, indem es auch den ursprüng­ in einem Atemzuge mit Johannes Brahms genannt – als lich vorgesehenen Schlusssatz aufgenommen hat. Mit „hochaufstrebender Künstler der jüngsten Zeit“. Seine dem einzigen echten Klaviertrio gelang Niels Wilhelm klangschönen, zuweilen harmonisch kühnen Komposi­ Gade 1862/63 zugleich seine reifste Komposition über­ tionen brachten Schumann dazu, sich für eine Druck­ haupt. Das F-Dur-Trio hat vier Sätze mit dem Scherzo an legung des Trios op. 6 einzusetzen. 1852 schrieb Schu­ zweiter Stelle. Nicht nur das in hellsten Farben erstrah­ mann an seinen Verleger: „Wie steht es mit dem Trio von lende, orchestrale Finale bietet den drei Musikern eine W. Bargiel? Ich glaube, Sie haben kein Risiko dabei!“ optimale Gelegenheit, ihre mehrfach prämierte Spitzen­ klasse erneut unter Beweis zu stellen. Noveletten in MDG 303 0656-2 Schumann-Tradition Meister der himmlischen Leipzig, immer wieder Leipzig als eine der zentralen Längen Musikstädte im 19. Jahrhundert. Auch der Däne Niels Ein Meister großformatiger und gleichzeitig groß­ Wilhelm Gade (1817-1890) wurde von dieser Stadt ge­ artiger Kammermusik war Johannes Brahms. Kein Genie prägt, in der er sich 1843 aufhielt. Hier fand er An­ hat so rigoros Skizzen vernichtet wie er: Das überbor­ schluss an die Kreise um Mendelssohn und Schumann, dende Talent ließ den pubertierenden Jugendlichen hier wurde seine 1. Sinfonie uraufgeführt, und er durfte komponieren, was das Zeug hielt: Brahms schrieb das Gewandhausorchester dirigieren. Von Leipzig aus mindestens 150 Werke vor seinem op. 1 und tapezierte unternahm Gade eine Europareise und kehrte erst 1848 damit sein Zimmer. Als er dann mit 20 Jahren durch nach Kopenhagen zurück, um in seiner Heimatstadt den die Bekanntschaft mit Schumann ins Scheinwerferlicht Musikverein zu beleben und ein Konservatorium zu der Öffentlichkeit katapultiert wurde, schämte er sich gründen, dessen Direktor er bis zum Lebensende blieb. seiner „Jugendsünden“ und vernichtete Frühwerke, Skiz­ MDG 303 0657-2

MDG 942 1962-6 (Hybrid-SACD) MDG 303 1615-2 MDG 303 1755-2 MDG 942 1512-6 (Hybrid-SACD)

22 Ausgabe 2017/2 CLASS: aktuell

zen und Frühstadien seiner Werke restlos: das H-Dur-Trio überlebte, George weil es „aus Versehen“ schon gedruckt war. Brahms straffte 35 Jahre später sein op. 8 und nahm ihm den jugend­ lich-schwärmerischen Tonfall; die heute äußerst selten zu hörende Enescu Frühfassung erhält selbst in den identischen Passagen durch andere und seine Tempi eine ungeahnte Frische und besticht durch seine „himmlische Länge“ und eine deutlich konzentrierte Anlage. An seinen Verleger französischen kommentierte Brahms die Revision, gewohnt maliziös: „…dass das alte zwar schlecht ist, ich aber nicht behaupte, das neue sei gut!“ Dabei gehört Zeitgenossen schon das Anfangsthema zum Schönsten, was der junge Komponist je zu Papier gebracht hat, und das Scherzo fand der erfahrene Altmeister dann Luiza Borac ist für ihre Neigung zu George Enescu bekannt: offenbar doch nicht so schlecht: es ist nahezu unverändert übernommen. 2014 promovierte die Pianistin mit der Forschung über das Kurios: Da Brahms‘ Freund und Geiger Joseph Joachim es nicht leiden Klavierwerk George Enescus und erhielt summa cum laude an konnte, zu lange auf seinen ersten Einsatz warten zu müssen, kompo­ der Musik Universität Bukarest im Bereich Musikwissenschaft. nierte der junge Brahms für den Beginn ein paar kommentierende Nun präsentiert sie bei Profil ein Doppelalbum, das Einwürfe für die Violine hinzu. Später nahm er auf derartige Künstler­ durchaus als Widmung zu verstehen ist. befindlichkeiten keine Rücksicht mehr, und so entfaltet das Cellothema des Anfangs seine Pracht jetzt ganz ungestört. 30 Jahre brauchte Brahms is dahin wurde die Bedeutung des rumänischen Komponisten, dann, um ein zweites Klaviertrio zu beginnen; in vermeintlich schlichtem Violinvirtuosen, Pianisten, Dirigenten und Musikpädagogen C-Dur eröffnet op. 87 tiefe Abgründe, die immer wieder von grandiosem B George Enescu für die Kultur seiner zweiten Heimat, Frankreich, Leuchten abgelöst werden. Das c-Moll-Trio op. 101 ist „leidenschaftlich, nur beiläufig wahrgenommen. Zusammen mit dem Bildhauer Constantin aber maßvoll“ (wie eine Freundin von Brahms bemerkte) – auf das Brancusi, dem Schriftsteller Tristan Tzara, dem Maler Marcel Janco, Wesentliche konzentriert. Und Clara Schumann gab zu: „Noch kein die beide massgeblich zur Entstehung des 1916 in Zürich begründeten Werk von Johannes hat mich so ganz und gar hingerissen ...“ und 1920 in Paris weiterentwickelten Dadaismus beitrugen, bildet Bei ihrer auf drei CDs herausgegebenen Gesamteinspielung sämt­ Enescu eine der wichtigsten rumänischen Stützen des Kulturaustausches licher Klaviertrios von Brahms (MDG 303 0655-2, MDG 303 0656-2, in der französischen Metropole. MDG 303 0657-2) geht das Trio Parnassus editorisch einen besonde­ Im Gegensatz zu seinen ebenfalls in Paris ansässigen Landsleuten ren Weg: Es flankiert die großen Trios mit einer Rarität, die in keiner Stan Golestan und Filip Laza˘r, der 1928 Mitbegründer der progressiven Sammlung fehlen darf: die Bearbeitung der Streichsextette op. 18 und 36 Kammermusikgesellschaft „Triton“ wurde, übte Enescu einen nachhal­ für Klaviertrio von Theodor Kirchner. tigen Einfluss auf das Musikleben der Seinestadt aus. Als prägende Vor­ Die Komponisten Theodor Kirchner und Brahms verband eine lange bilder wirkten zur selben Zeit auch die rumänischen Pianisten Clara Freundschaft. Kirchner, der mit seinen Klavierkompositionen unzählige Haskil und Dinu Lipatti. Schon 1895 nach Paris übersiedelt, setzte sich Schmuck­stücke schuf, entdeckte in den großen, zugleich filigranen Kom­ Enescu als Dirigent besonders für Claude Debussy, Paul Dukas, Gabriel positionen seines berühmteren Zeitgenossen eine Wesensverwandtschaft, Fauré, Edouard Lalo und Maurice Ravel ein. Manuela Neumann die zu Bearbeitungen geradezu herausforderte: Kirchner wurde zum Lieblings-Arrangeur von Brahms, und seine Bearbeitungen erreichten gegen Ende des 19. Jahrhunderts traumhafte Druckauflagen. Kirchners Bearbeitung vom Sextett op. 18 für Streichtrio ist ein wichtiger Zeitzeuge – ein Beleg dafür, dass man es im letzten Jahrhundert mit der Original­ treue nicht päpstlicher als der Papst hielt: Kein Wunder, daß der pro­ testantische Brahms angesichts der Kirchnerschen Bearbeitung die Chan­ ce sah, sein Werk in einem neuen, faszinierenden Licht zu sehen. Auch Kirchners Arrangement vom Sextett op. 36 ist meisterhaft – so genial, dass Brahms im typischen Under­ statement bemerkte, solche Ausga­ ben „können sogar einen miserablen Inspirations & Dreams Komponisten noch zu was machen“. Enescu, Ravel, Debussy, Mihalovici, Schumann „ S 24 Opus Magnum – Transkriptionen Johannes Brahms Luiza Borac, Klavier (1833 – 1897) Profil Edition Günter Hänssler PH17000

Ausgabe 2017/2 23 CLASS: aktuell Benjamin Godard (1849 -1895) und Léon Boëllmann (1862 -1897)

In einer Einspielung auf Super Audio CD in drei­ dimensionaler 2+2+2-Wiedergabe (MDG 942 1962-6) präsentiert das Wiener Klaviertrio das erste Volume sei­ ner neuen Gesamteinspielung, die als Resüme einer fast 30-jährigen Bühnenpräsenz gelten kann. Besonders das elfengleiche Scherzo hat es in sich; eine lohnende Auf­ entdecken: Das Trio Parnassus präsentiert, unterstützt gabe für Stefan Mendl, der mit seinen Wiener Kollegen von Gérard Caussé an der Viola, drei Kammermusik­ auf dem ehrwürdigen Steinway D „Manfred Bürki“ einen werke des französischen Spätromantikers, die sich hinter geisterhaften Spuk zelebriert, dass einem der Schauer den Schöpfungen seiner Freunde Saint-Saëns oder Fauré BIS-SACD-2059 über den Rücken läuft. nicht zu verstecken brauchen (MDG 303 1755-2). 1862 im Elsass geboren, wuchs Boëllmann im po­ Entzückend und ohne zu litischen wie kulturellen Spannungsfeld zwischen dem zögern empfehlenswert sich gerade konstituierenden Deutschen Reich und der Werfen wir nun einen Blick über die Grenzen Grande Nation auf. Auch wenn sich die Familie für die Deutschlands und wenden uns zunächst nach Paris. französische Seite entschied, sind die Einflüsse der deut­ Auch dort konnte das Trio Parnassus einen wertvollen schen Nachbarn in seiner Musik unüberhörbar, die Schatz heben: Die Klaviertrios von Benjamin Godard Romantiker haben deutliche und wohltuend schwelgeri­ (1849 -1895) (MDG 303 1615-2). Die Klaviertrios des sche Spuren hinterlassen. Aber auch das Französische Komponisten waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts lässt sich nicht verleugnen, was die Pariser Zeitgenossen in den europäischen Salons äußerst populär und ge­ zu schätzen wussten: Das klanglich ungemein reizvolle Audiomax 703 1682-2 fragt. Der englische Kammermusik-Papst Walter Wilson Klaviertrio op. 19, rhythmisch raffiniert und von über­ Cobbett adelte die Werke vor 100 Jahren sogar als raschend individueller Form, wurde von der Société des „entzückend und ohne zu zögern empfehlenswert“. Compositeurs ausgezeichnet, ebenso das groß ange­ Über Benjamin Godard ist selbst in der einschlägigen legte Klavierquartett, das in seinen ersten drei Sätzen Literatur wenig bekannt. Er stammt aus gutsituiertem einen gewaltigen emotionalen Bogen spannt, der von Pariser Elternhaus und wurde als Wunderkind berühmt. einem energiegeladenen Finale gekrönt wird. Schon früh begann er mit dem Violinunterricht. 1865, mit 16 Jahren, schrieb er seine erste Sonate für Geige und Zum Andenken an einen Klavier. Godard zählte zur Jeune Académie Française, groSSen Künstler deren Mitglieder in ihre Werke einen französischen Wechseln wir nun die Richtung und wenden uns Tonfall einbringen wollten. Europaweit hat sich Godard gen Osten, nach Prag und nach Moskau. Die Klaviertrios

MDG 342 1261-2 einen Namen als hervorragender Sinfoniker und Opern­ von Smetana und Tschaikowsky präsentiert das Wiener komponist gemacht. Höchste Ehren wurden ihm zuteil, Klaviertrio auf der Hybrid - SACD MDG 942 1512-6. als er 1887 als Professor ans Pariser Conservatoire Innerhalb von nur zwei Monaten schrieb Smetana sein berufen wurde. Sicherlich würde er in der Musikge­ Trio in g-Moll op. 15, bei dessen Uraufführung in Prag schichte eine größere Rolle spielen, wenn er nicht im am 3. Dezember 1855 er selbst am Klavier saß. Publi­ frühen Alter von 45 Jahren gestorben wäre. kum und Kritiker reagierten­ kühl, doch Franz Liszt war Godards Klaviertrios aus den Jahren 1880 und 1884 voll des Lobes für dieses Werk, das Smetana auch im sind zur Aufführung in den bürgerlichen Salons gedacht hohen Alter noch spielte, als er bereits völlig ertaubt und erfreuten sich vor allem dort einer großen Beliebt­ war. Sein privates Geheimnis: Er hatte in dem Werk seine heit. Lyrische Abschnitte wechseln in den Werken mit Trauer um seine früh verstorbene Tochter verarbeitet. hochdramatischen Einfällen. Die Virtuosität und der Nur durch Zufall erfuhr Peter Tschaikowsky im Klangsinn der Instrumentalisten werden aufs Höchste Herbst 1881 vom Tod seines Förderers und Mentors MDG 342 1262-2 gefordert. Als hübsche Dreingabe enthält diese Aufnahme Nikolaj Rubinstein. In tiefer Trauer komponierte er das die Berceuse aus der Oper „Jocelyn“, ein so raffinierter Trio in a-Moll op. 50, dem er ausdrücklich den Un­ter­ Einfall, dass sie als ständiges Repertoire in zahllosen titel „à la mémoire d’un grand artiste“ gab. Obwohl Bearbeitungen auch heute immer wieder zu hören ist. nur zwei Sätze, erreicht das Werk mit ca. 45 Minuten wahrhaft sinfonische Ausmaße. Weit mehr als nur eine Auf seiner bei BIS erschienenen Einspielung (BIS- Suite Gothique SACD-2059) kombiniert das Sitkovetsky-Trio Smetanas Auch ihm war nur ein kurzes Leben beschieden: op. 15 mit dem 3. Trio aus der Feder von Dvorˇák. Die Léon Boëllmann (1862 -1897). 160 Werke hat er in die­ beiden großformatigen Trios werden hier ergänzt ser kurzen Spanne geschaffen, doch nur die grandiose durch die 1902 geschriebene einsätzige „Elegie“ aus „Suite Gothique“ für Orgel konnte sich im Konzertbetrieb der Feder von Josef Suk, Student bei Antonín Dvorˇák Concerto CD2078 behaupten. Dabei gibt es unschätzbare Kostbarkeiten zu und später sein Schwiegersohn.

24 Ausgabe 2017/2 CLASS: aktuell

Früher Meister der entwickelnden Variation Nun zu einem der ganz großen Meister auf dem Gebiet des Klavier­ trios in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Antonín Dvorˇák. Mit seinem B-Dur-Trio wollte Dvorˇák der Musikwelt zeigen, dass er seine „verrückte Periode“ – wie er sie später selbst bezeichnete – weit hinter sich gelassen hatte. Nach einem Exkurs als Experimentator zur so genannten neudeutschen Schule hatte er zu den klassischen Vor­ bilder und deren traditionellen Normen zurückgefunden: Die Balance im Kleinen wie im Großen läßt sein Trio zu einer ausgewogenen und raffi­ Sehnsuchtslieder nierten Komposition werden. Mehr noch: Ohne jemals ein Werk von Außer im Operngesang ist Giorgos Kanaris auch im Brahms kennen gelernt zu haben Liedbereich tätig. Zusammen mit dem Dirigenten (man kannte ihn um 1875 in Prag und Pianisten Thomas Wise hat er zahlreiche Liederabende noch nicht), entwickelt Dvorˇák mit Werken, wie Schumanns Dichterliebe, Liederkreis, eine Art der Themenverarbeitung, Schuberts Schwanengesang und Winterreise sowie Lieder von R. Strauss und Pfitzner gestaltet. Nun legt das Duo die der später von Brahms bis zur eine neue Aufnahme bei Hänssler Classic vor. Perfektion gebrachten „entwickeln­ den Variation“­ entspricht. Diese o immer im Bereich der Kunst eine Definition im Sinne von kleinsten, voneinander abgeleiteten Abgrenzung versucht wird, wird die Abgrenzung selber zur melodischen und rhythmischen W Kunst, manchmal sogar künstlich. Die Musik bildet da keine Be­standteile nutzt Dvorák aus, um Ausnahme, und die musikalische Gattung des Kunstliedes erst recht nicht. sein erstes Klaviertrio komposito­ Definition im Sinne von Einschließen macht die Sache einfacher. risch als ein Werk wie aus einem Ohne Frage zählen die beiden Liederzyklen auf dieser CD als Kunstlieder. Guss zu präsentieren. Die Arbeit Ludwig van Beethoven (1770 -1827) schrieb sein Opus 98 im Jahre 1816, an dem Klaviertrio f-Moll op. 65 die Musikwissenschaft bezeichnet „An die ferne Geliebte“ meist als muss denkbar mühsam vonstat­ ersten Liederzyklus überhaupt. Franz Schubert (1897-1828) schrieb Antonin Dvorák (1841-1904) ten gegangen sein: Mehrfach hat seinen „Schwanengesang“ in seinem Todesjahr 1828, die Lieder wurden Dvorˇák Teile gestrichen und durch erst postum als Sammlung herausgegeben. neue ersetzt. Nach dem Tod seiner Mutter und einem gehörigen Opern- Interessant ist nun, dass die Bezeichnung Kunstlied erst einige Zeit Misserfolg hatte er den Lebensmut verloren: Trotzig gibt sich die Musik nach dem Tode der beiden Komponisten vom Musikschriftsteller, Kapell­ mit ihrer dramatischen Gestik, ihrem hochexpressiven Ausdruck und meister und Komponisten Carl Koßmaly (1812-1893) im Jahr 1841 ihren starken Kontrasten. In der Oper hatte man ihm die dramatische eingeführt wurde. In Abgrenzung zu Volkslied und Kirchenlied. Diese Begabung abgesprochen – mit seinem Trio op. 65 sollte er die Fach­ beiden haben eine bis weit in die Vorgeschichte reichende Tradition, Fotos: © G. Kanaris: Thilo Beu, Theater Bonn; T. Wise: Felix Wise Fotos: © G. Kanaris: Thilo Beu, Theater Bonn; T. welt fulminant eines Besseren belehren. als Texte und Melodien nur mündlich weitergegeben wurden. Die An­ Op. 90 ist kein für das 19. Jahrhundert typisches Klavier-Trio. fänge des Kunstliedes als von einem namentlich bekannten Komponisten Dvorˇáks Komposition hat sechs statt vier Sätze. Drei davon lässt er „atta vertonte Lyrik eines namentlich bekannten Textdichters reichen wohl subito“, also direkt miteinander verkettet spielen. Die Harmonie ent­ bis zur Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert zurück, wo auch die Ur­ spricht ebenfalls nicht dem Lehrbuch, denn eine feste Grundtonart lässt sprünge der neuzeitlichen, westeuropäischen Oper zu suchen sind. sich nicht ausmachen. Schließlich ist auch von der typischen Sonaten­ Aber natürlich reichen die Wurzeln tiefer, man denke nur an die Minne­ hauptsatzform nichts zu spüren. Dennoch gehört das Werk mit dem Na­ lieder des hohen Mittelalters. Manuela Neumann men „Dumky“ („Gedanken“) zu den meist gespielten Werken der Klavier­ trio-Literatur. „Dumka“ ist auch die Bezeichnung für ein ukrainisches Volkslied in schwermütigem, schmerzvollem Ton. Das Dumky-Trio ist auch sozusagen das Scharnier zwischen zwei Aufnahmen mit Klaviertrios Dvorˇáks, denn es ist auf beiden enthalten: einmal die Einspielung des Max Brod Trios mit den Trios opp. 65 und 90 (Audiomax 703 1682-2) Franz Schubert und zum anderen die Gesamtaufnahme der Klaviertrios durch das Wiener Schwanengesang Klaviertrio mit den Trios opp. 23 und 65 (Vol. 1 – MDG 342 1261-2) D 957 und opp. 26 und 90 (Vol. 2 – MDG 342 1262-2). Eine weitere Gesamt­ Ludwig v. Beethoven einspielung der zwischen 1875 und 1891 entstandenen Klaviertrios An die ferne Geliebte durch das Trio di Parma findet sich auf Concerto CD2078. op. 98 Mit Dvorˇáks Dumky-Trio geht stilistisch und in der Erweiterung, ja Giorgos Kanaris, Bariton Auflösung der Formensprache der Wiener Klassik längst das Tor auf zu Thomas Wise, Klavier den aufregenden Entwicklungen im 20. Jahrhundert, denen wir uns im hänssler Classic nächsten Beitrag widmen wollen. Lisa Eranos, A. Rainer HC16080

Ausgabe 2017/2 25 Die Kasseler Musiktage CLASS: aktuell präsentieren

„Die Musik ist vom Leben nicht zu trennen“ „Meine Mutter sagte immer, ich sei ein Experiment gewesen“, erzählt Kathrin Christians lachend. „Sie war fest davon überzeugt, dass die Gebärmutter das erste Klassenzimmer des Menschen ist und ließ mich schon in ihrem Bauch Tianwa Yang klassische Musik hören.“ as Experiment ist geglückt: Kathrin Christians verzaubert das Publikum mit ihren Flötenkonzerten auf Bühnen in Europa, D Asien und Afrika. Besonders intensiv beschäftigt sie sich mit selten gespielten Werken der Romantik bis hin zur Neuzeit. Nun legt die junge Flötistin ihre Debüt-CD bei Hänssler Classic vor. Das Pro­ gramm ist außergewöhnlich, entspricht aber genau dem, was Kathrin Foto: © Janine Kühn Christians ausmacht. So ist für sie die Biografie eines Komponisten »Lieben Sie Brahms?« auch ein Auswahl-Kriterium. Sie sagt: „Die Musik ist vom Leben nicht zu trennen. Mich haben die Lebensgeschichten immer mehr fasziniert in meiner Recherche und dann ist da diese nicht zu leugnende Verbin­ dung der drei Komponisten. Weinberg wurde verfolgt, war im Konzen­ trationslager. Seine Biografie wird sehr stark von diesen Erlebnissen dominiert. Theodorakis war auch in Konzentrationslagern, ist ja ein höchst politischer Komponist. Dann habe ich erfahren, dass Feld ein prominentes Stasimitglied war. Ich sehe mich nicht nur als Musikerin, 24. – 27. August 2017 sondern ich glaube, dass gerade die Musik eine Verpflichtung an uns richtet, dass wir für andere Menschen eintreten und Werber der Menschenrechte sind.“ Manuela Neumann

Kassel

Tianwa Yang Violine Wen Xiao Zheng Viola Mikael Jindrˇich Feld (1925 - 2007) Samsonov Concerto per Flauto ed Orchestra (1954) Violoncello Mikis Theodorakis (*1925) Nicholas Adagio for Solo-Flute, String Orchestra & Percussion Rimmer Mieczysław Weinberg (1919 -1996) Klavier Concerto No. 2 Op. 148 bis Kathrin Christians, Flöte Württembergisches Kammerorchester Heilbronn (WKO) ène Zandelène Ruben Gazarian

Foto © Ir Hänssler CLASSIC HC16099

26 Ausgabe 2017/2 WWW.FESTIVAL-BEGEGNUNGEN.DE CLASS: aktuell Im Blickpunkt

Kammermusik

Erik Satie (1866-1925) Bohuslav Martinu˚ (1890 -1959) Cécile Chaminade (1857-1944) Violinduos von Franz Liszt (1811-1886) Sämtliche Klaviertrios: Klaviertrios op. 11 & 34 Eugène Ysaÿe (1858 -1931) Distant Friends Cinq pièces brêves Werke für Violine, Cello & Klavier und Wolfgang Marschner (*1926) Andreas Seidel, Violine Klaviertrio Nr. 2 d-Moll Trio Parnassus Myvanwy Ella Penny Steffen Schleiermacher, Klavier Klaviertrio Nr. 3 C-Dur MDG 303 2002-2 Friederike Starkloff MDG 613 2011-2 Bergerettes Coviello CLASSICS COV91706 Trio Martinu˚ Eingängige Melodien, betörende Har­ Was hat Franz Liszt mit Erik Satie Musicaphon M56970 monie und immer wieder brillante Virtu­ „Das Violinduo Penny-Starkloff setzt gemeinsam? Der brillante Virtuose und osität kennzeichnen Cécile Chaminades die Tradition und Verkörperung eines Magier pianistischer Opulenz mit dem Kammermusik eines der Großen unvergleichliche Popularität zu Lebzei­ besonderen Klangbildes gepaarter Vio­ minimalistischen Klang-Asketen? Steffen des 20. Jahrhunderts, interpretiert von ten. Als gefeierte Pianistin bereiste sie linen nicht nur fort, sondern belebt es Schleiermacher hat im nahezu unbe­ einem herausragenden Ensemble. Das die alte und neue Welt, war bei Queen in exzellenter Weise. Dies war der Haupt­ kannten Spätwerk erstaunliche Paral­ Trio Martinu˚ entstand 1990 am Prager Victoria zum Tee und wurde als erste anreiz für mich, für diese Kombination lelen zum etwa zeitgleich entstandenen Konservatorium. In seiner heutigen Be­ Komponistin überhaupt in die franzö­ meine Sinfonischen Variationen zu schrei­ Frühwerk des anderen entdeckt. Ge­ setzung (Petr Jirˇíkovský, Klavier; Pavel sische Ehrenlegion aufgenommen. Nur ben.“ Wolfgang Marschner selbst schrieb meinsam mit Gewandhauskonzertmeis­ Šafarˇík, Violine; Jaroslav Mateˇjka, Violon­ einzelne ihrer zahlreichen Werke finden dies in seiner Einführung zu diesem ter Andreas Seidel präsentiert er seine cello) spielt es seit 1993. Seit seinem sich heute einmal auf den Programm­ erst im November 2016 von den beiden frappanten Erkenntnisse nun dem Pub­ Bestehen errang das Trio, dessen künst­ zetteln; umso verdienstvoller ist diese Solistinnen uraufgeführten Werk. likum – Überraschungen garantiert! lerisches Wachstum auch dem Mitglied neueste Einspielung, mit der das inter­ Die Verwandtschaft ist sofort ohren­ des weltberühmten Smetana-Quartetts, national vielfach ausgezeichnete Trio Virtuoses fällig: Außerordentlich karg kommen Antonin Kohout, zu verdanken ist, zahl­ Parnassus einen weiteren Beitrag zur Geigenspiel Liszts späte Klavierstücke daher; Einstim­ reiche Erfolge und bedeutende Auszeich­ längst fälligen Wiederentdeckung leistet. Marschner ist nicht nur Komponist, migkeit bestimmt über weite Strecken nungen. Zu diesen Erfolgen zählen die Bereits als ganz junges Mädchen sondern selbst ein virtuoser Geiger, der das Klanggeschehen, und von romanti­ Teilnahme am Semifinale des internati­ machte Cécile in Paris mit eigenen die klanglichen Möglichkeiten meister­ scher Üppigkeit ist nun wirklich nichts onalen Wettbewerbs in der italienischen Kompositionen auf sich aufmerksam. lich ausschöpft und die beiden Violinen mehr übriggeblieben. Als „enthäutete Stadt Trapani, der dritte Preis im inter­ Sie genoss die Anerkennung Bizets, „wie ein Quartett“ klingen lässt, wie Musik“ hat Erik Satie seinen eigenen nationalen Wettbewerb für Kammer­ nahm Unterricht bei Godard und unter­ Mywanwy Ella Penny sagt. Den Fokus auf Kompositionsstil einmal beschrieben – ensembles in Heerlen (Niederlande) im hielt auch sonst beste Beziehungen zu virtuoses Geigenspiel teilt Marschner keine Bezeichnung könnte für Liszts Jahre 1992 und dann besonders der ers­ den Größen der französischen Musik. mit Eugène Ysaÿe, der seinerzeit einer späte Werke treffender sein! te Platz in demselben Wettbewerb drei Neben den beiden großformatigen der berühmtesten Solisten war. Seine Jahre später (1995). Alle drei Mitglieder Werken finden sich auch bezaubernde Sonate für zwei Violinen verlangt den Türöffner des Trios sind hervorragende Solisten Charakterstücke in der schönen Zusam­ beiden Geigerinnen ebenfalls alles an Statische Klänge und entwicklungs­ und machen regelmäßig Aufnahmen menstellung des Trio Parnassus, die den musikalischer und technischer Qualität lose Abfolgen von unaufgelösten Ak­ für den Tschechischen Rundfunk. Esprit des Pariser Salons vergangener ab: Im üblichen Ysaÿe-Stil ist es gepickt korden versetzen Saties Musik in einen Tage versprühen. mit Doppelgriff- und Akkordpassagen, permanenten Schwebezustand, der ohne Hervorragende Staccato-Läufer und springenden Arpeg­ Anfang und Ende auskommt. Damit öff­ Solisten Unter Kennern gien, was sie – wie auch die ungewohn­ nete er nachfolgenden Komponisten­ Pavel Šafarˇík und Jaroslav Mateˇjka In seiner über 30jährigen Geschichte ten Farben in Marschners tänzerischen generationen eine Tür, durch die auch fungieren als Vertreter der jeweiligen hat das Trio Parnassus an der Seite von Bagatellen – bravourös meistern. Franz Liszt, wäre er etwas jünger gewe­ Konzertmeister des Sinfonieorchesters MDG so manchen musikalischen Schatz sen, sicher noch gerne gegangen wäre. (FOK) der Hauptstadt Prag, und Petr gehoben. Gesamtaufnahmen der Trios Jirˇíkovský, der auch als Solist und als von Widor, Lalo und Godard zeugen Dirigent auftritt, lehrt Klavier am Pra­ von einem tiefen Verständnis für die ger Konservatorium. besonderen Farben der französischen Musik. Mit Johann Blanchard am Klavier bereichert ein ausgewiesener Kenner Cécile Chaminades das fantasievolle Spiel von Julia Galic´ und Michael Groß – eine wunderbare Entdeckung!

Ausgabe 2017/2 27 Az Class Vol 8 + 9_v2_Az Class 04.04.17 10:54 Seite 1

Edition VIOLIN SOLO CLASS: aktuell Im Blickpunkt RENATE EGGEBRECHT VIOLINE Kammermusik Chor

W.A. Mozart (1756 -1791) Johann Christoph Friedrich Bach (1732-1795) Frühe Streichquartette Vol. 2 „Miserere mei“ NEU KV 156, 157, 168 & 173 „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ Leipziger Streichquartett Mária Zádori, Sopran MDG 307 1976-2 Lena Susanne Norin, Mezzo-Sopran Guy de Mer, Tenor Unendlich muss sich Wolfgang Klaus Mertens, Bariton Renate Eggebrecht zeigt hier einmal mehr, dass sie Amadeus im öden Salzburg gelangweilt Das Kleine Konzert keine Grenzen in der Kunst des Violinspiels kennt! haben! Wie gut, dass der ehrgeizige Vater Rheinische Kantorei, Hermann Max (Ltg.) immer wieder für ausgedehnte Konzert­ MDG 602 1994-2 reisen sorgt. So entstanden unterwegs in Italien und in Wien auch jene drei­ Johann Christoph Friedrich Bach war ein Kind seiner zehn Streichquartette, von denen das Zeit. Und das war eine Zeit des Umbruchs und tief­ Leipziger Streichquartett jetzt die zweite greifender Veränderungen, politisch wie kulturell, ge­ Folge eingespielt hat. sellschaftlich wie philosophisch. Das „Miserere“ und die Die pure Lust am Ausprobieren ist Motette „Wachet auf! ruft uns die Stimme“ dokumentieren TRO-CD 01450 den Stücken anzuhören: Die beiden diese Umwälzungen exemplarisch. In einer Übernahme

Sonaten 1, 2, 3 hier musizierten „Mailänder“ Quartette aus dem Schallarchiv präsentiert MDG eine inzwischen

Vol.9 KV 156 und 157 nehmen Elemente der schon historische Aufnahme, die der Pionier der histo­ italienischen Sinfonia auf, die beiden risch informierten Musikpraxis Hermann Max mit der „Wiener“ KV 168 und 173 wiederum las­ Rheinischen Kantorei und seinem Ensemble „Das Kleine sen erahnen, welche Offenbarung der Konzert“ für den WDR produziert hat. „… nicht eine einzige leere Note…“ Besuch im unangefochtenen Zentrum … eine Musik, die technisch sehr anspruchsvoll und Wachet auf! strukturell streng durchdacht ist, aber ihre tief emp- der Musik für den siebzehnjährigen fundene Emotionalität nie verleugnet. Vor diesem Mozart gewesen sein muss. So enden Der „Bückeburger Bach“ traf am aufgeklärten Hof Hintergrund geraten Weinbergs Werke zu Spiegel- beide Quartette mit der für das damalige des Fürsten zu Schaumburg-Lippe auf den einige Jahre bildern seiner Seele. Programmatische Anwandlun - Wien obligatorischen Fuge; aber wäh­ jüngeren Johann Gottfried Herder. In selten inniger Künst­ gen, biografische Einflüsse und komplexes musikali- rend eine geradezu archaische Wendung lerfreundschaft rangen die beiden um ein klares Verhältnis sches Denken durchdringen sich. die getragene Fuge des Quartetts in d- von Wort und Musik. Bach erlaubte er sich, die inhalt­ Moll beschließt, kommt die Fuge des liche Schwere des Bußpsalms „Miserere“ durch elegante F-Dur-Quartetts wie ein wilder Kehraus Melodieführung und lockere Artikulation zu mildern. mit rasanten Sechszehntelläufen daher. Glücklicher Zufall: Das lange verschollene „Miserere“ fand sich erst 1975 bei einer Londoner Auktion wieder… Aufbruch Nur knapp zehn Jahre nach dem „Miserere“ zeigt Das Leipziger Streichquartett spürt die Mottete „Wachet auf! ruft uns die Stimme“ ein ganz dem Entdeckungsdrang des jugendli­ anderes Bild: Die Musik emanzipiert sich von der reinen TRO-CD 01447 chen Komponisten mit hörbarer Freude Textausdeutung und gewinnt eine unabhängige Gestalt.

Sonaten / Suiten nach. Historisch informiert und mit Bö­ So ganz geheuer scheint es Bach dabei nicht gewesen zu Vol.8 gen aus der Entstehungszeit der Werke sein: Der Schlusschoral stammt fast Ton für Ton aus der lassen sich die vier Musiker genussvoll Feder des übermäch­tigen Vaters… auf das Spiel mit dem Überraschenden … In der Expressivität seiner Musikspra che, in der ein. Gänzlich unakademisch und fern Dichte und Intensität der Strukturen, in ihrer enor- jedweder historisierender Dogmatik sor­ men Steigerung von Tempo und Dynamik, gewinnt gen sie für ein Hörvergnügen, das die Hartmanns Musik ganz eigencharakteristische Züge dritte Folge mit Spannung erwarten lässt. – eine Intensität der Klangsprache, die man in ihrer Unmittelbarkeit sofort erkennt und nie mehr vergisst.

Erhältlich im Fachhandel Vertrieb: Klassik Center Tel. 0561 935 14 0 • Fax 0561 935 14 15 [email protected] • www.classicdisc.de TROUBADISC Tel. +49 (0) 89 7142357 28 Ausgabe 2017/2 [email protected] • www.troubadisc.de CLASS: aktuell

Lied Gitarre

Hanns Eisler (1898 -1962) Strahlen. Licht. Lieder Vol. 1 Alois Bröder (*1961) Lieder und Balladen 1929 -1937 Strahlen. Licht. Holger Falk, Bariton Dieter Mack (*1954) Johann Sebastian Bach (1685 -1750) Steffen Schleiermacher, Klavier Saitenlinien Opus Magnum – Transkriptionen MDG 613 2001-2 Ulrich Leyendecker (*1946) Angelika Nebel, Klavier Drei Nocturnes hänssler CLASSIC HC16101 „Ändere die Welt, sie braucht es“ – Michael Warren Barrett (*1987) Hanns Eisler hat sich dieser Aufforderung Ocean-Still nicht entzogen. Zwischen Weltwirtschafts­ Sidney Corbett (*1960) krise und „Drittem Reich“ versuchte Gertrude‘s Delirium Timo Jouko Herrmann (*1978) Opus Magnum der überzeugte Kommunist, mit den Mit­ La Lira d‘Orfeo tel seiner Musik Einfluss zu nehmen. Maximilian Mangold, Gitarre Der Musik Johann Sebastian Bachs kann man sich unter Holger Falk und Steffen Schleiermacher Musicaphon M55726 verschiedenartigen Aspekten und auf unterschiedlichen präsentieren als erste Folge einer Edition Ebenen nähern. Eine Autorität in Sachen Bach-Bearbeitungen mit Liedern von Hanns Eisler Stücke Neue Kompositionen für Gitarre solo, und Transkriptionen ist Angelika Nebel. aus der Zeit zwischen 1929 und 1937, die sämtlich für Maximilian Mangold Ihre vierte CD erscheint bei Hänssler Classic. zu denen fast ausschließlich Bertold geschrieben wurden. Mangold gilt nach Brecht die Texte lieferte; eine längst Journalistenmeinung „...als einer der fällige Rehabilitation des lange Zeit vor im Augenblick künstlerisch interessan­ ei den Transkriptionen Bachscher Musik stehen in der Regel allem als DDR-Staatskünstler wahrge­ testen deutschen Gitarristen”; er wurde weniger aufführungspraktische Fragen im Vordergrund, wie sie nommenen Komponisten. sogar schon als „Ausnahmegitarrist” B von den Apologeten der authentischen Darbietungsweise Alter Die Bandbreite ist groß: Vom überaus bezeichnet. Mangold gibt als gefragter Musik ins Zentrum gerückt wurden und werden. Sondern es geht eher derben „Lied vom Anstreicher Hitler“ Solist zahlreiche Konzerte in Deutsch­ um Auseinandersetzungen von Musikern späterer Generationen mit der Foto: © Ilona Antina über das beklemmende „O Falladah, wie land und Europa und ist ein ebenso Bachschen Musik, um höchst individuelle Verneigungen vor dem Genius. du da hangest“ bis zu Kabarettstücken vielseitiger Kammermusiker in Duos mit Es ist anzunehmen, dass wie dem „Stempellied“, das die Ver­ Harfe, Flöte, Klavier, Cembalo, Hammer­ die Klavierbearbeitungen unter elendung vieler Menschen während der flügel, Traversflöte und Sprecher, im Weltwirtschaftskrise mit original Ber­ Trio mit Flöte und Bratsche sowie mit den Bach-Transkriptionen den liner „Herz und Schnauze“ thematisiert, dem Vlach-Quartett-Prag. größten Anteil einnehmen, was reicht das Repertoire. allein durch die Möglichkeiten Künstlerisch des Instruments bedingt ist. Klassen Kampf! interessant Die hier vorliegende CD mit Und ab und zu gibt es auch ein Déjà- Sein außerordentlich umfangreiches Bach-Bearbeitungen für Klavier vu: Das „Bankenlied“ könnte angesichts Repertoire dokumentiert sich auch in ist die vierte Einspielung mit der Krise des Finanzsystems aktueller 21 CD-Einspielungen, die in der Fach­ der Pianistin Angelika Nebel. kaum sein, und auch beim „Lied vom presse überschwänglich gelobt und als Und so viel darf schon verraten SA-Mann“ sind Parallelen zu unserer Zeit Referenzaufnahmen gepriesen werden. in beunruhigender Weise augenfällig. werden: Die Aufnahme ist mit Ohne erhobenen Zeigefinger und fern ihren 12 Transkriptionen die jeder angestrengten Moralpädagogik erste von zwei CDs, die dem zeigen Falk und Schleiermacher diese Angelika Nebel Tonarten-Modell des Wohltem- engagierten Stücke als das, was sie sind: perierten Claviers folgen und Echte Kunstwerke, die klangscharf sati­ somit gemeinsam eine Art Opus Magnum werden. rische Blicke in die erste Hälfte des 20. Auch dieses Mal präsentiert die Künstlerin – neben den deutschen Jahrhunderts erlauben, die niemanden Bearbeitern – Transkriptionen internationaler Musiker. Nebel setzt so- unberührt lassen. mit erneut ein Zeichen für die Verehrung des großen Thomaskantors weltweit – und die Pianistin hat auch diesmal wieder, wie auf der vor- hergehenden CD „Illuminationes“, selbst zur Feder gegriffen. Manuela Neumann

Ausgabe 2017/2 29 CLASS: aktuell Im Blickpunkt

Horn Klavier Foto: © Stephan Walzl Der späte Schubert und die Klavierminiatur Salut à la Foret à la russe Werke von Sergei Rachmaninow (1873 -1943) Rainulphe M. Marquis d‘Osmond, Sonate Nr. 1 in d-Moll, op. 28 Geboren in Jerusalem und aufgewachsen in südafrika, Carl A. Hänsel, Oliver Kersken, Pyotr Ilyich Tschaikowsky (1840 -93) entwickelte ammiel Bushakevitz schon in jungen Jahren eine Robert Stark und Franz Abt Méditation et Passé lointain besondere Vorliebe für die Musik von Franz schubert. Deutsches Horn Ensemble aus 18 Morceaux, op. 72 Er ist Preisträger des internationalen schubert Wettbewerbs Coviello CLASSICS COV91707 Scherzo à la russe, op. 1/1 Dortmund und wurde vom internationalen Franz-schubert- Igor Strawinsky (1882 -1971) institut in Wien ausgezeichnet. Nun erscheint bei Hänssler Für die Berufsgruppe der Hornisten Danse infernale Classic eine CD mit schuberts impromptus und Klavierstücken. brachte das 19. Jahrhundert entschei­ Berceuse & Finale aus L’Oiseau de dende Veränderungen – allerdings zu­ feu (transcr. Guido Agosti) Mily A. Balakirev (1837 -1910) Das Jahr, in dem Franz Schubert seinen dreißigsten nächst nicht nur positive. Die neu erfun­ Islamey, op. 18 denen Ventile für Blechblasinstrumente 18 27. Geburtstag feierte, war das vorletzte seines Lebens. Es Alexandre Kantorow, Klavier wurde überschattet von einem Werk, das vielleicht das am häufigsten ermöglichten zwar chromatisches Spiel, BIS-SACD-2150 analysierte seines Œuvres ist: Winterreise. Schubert komponierte brachten aber erhebliche Probleme in diesen „Zyklus schauerlicher Lieder“ in zwei Teilen zu jeweils zwölf Tongebung und Spieltechnik mit sich. Nach seinem gefeierten ersten Al­ bum für BIS mit Liszts Klavierkonzerten Liedern, den ersten im Frühjahr 1827, den zweiten gegen Ende des Ventilhörner wendet sich der junge Pianist, noch kei­ Jahres. Dazwischen entstand die erste Gruppe von Klavierstücken, die Es gibt kaum noch wirklich spielbare ne 20 Jahre alt, nun seinen russischen unbenannt blieben, vom Verleger aber als Vier Impromptus bezeichnet Instrumente aus der Frühzeit des Ventil­ Wurzeln zu. Der Sohn des Geigers und wurden. Zusammen sollten sie erst 1857, fast dreißig Jahre nach horns um 1850; will man den Original­ Dirigenten Jean-Jacques Kantorow hat Schuberts Tod veröffentlicht werden. klang der Romantik wieder erlebbar schwergewichtige und höchst anspruchs­ Mit seiner späten Begeisterung für lyrische Klavierminiaturen machen, muss man also Instrumente volle Literatur für diese Einspielung aus­ etablierte Schubert dieses neue Genre, zu dessen frühesten Beiträgen aus der Zeit nachbauen, natürlich ohne gesucht. Er eröffnet gleich mit der ge­ Bagatellen von Beethoven gehören, Nocturnes von John Field oder die die Fehler, die die Ventile damals ver­ wichtigen ersten Sonate Rachmaninows, ursachten. die von Goethes „Faust“ inspiriert ist und Impromptus seines tschechischen Zeitgenossen Jan Václav Vorˇíšek. Genau das gaben die Herren des die drei Hauptcharaktere des Dramas, Damit war die Grundlage gelegt für zwei der größten Komponisten Deutschen Hornquartetts in Auftrag, Faust, Gretchen und Mephisto, nach­ lyrischer Klavierminiaturen, nämlich Felix Mendelssohn-Bartholdy und Andreas Jungwirth realisierte den Bau zeichnet. Dazwischen neben Unterhalt­ Robert Schumann. Von Schubert unmittelbar beeinflusst waren zwei nach ihren Vorstellungen. Gleichzeitig samem von Tschaikowsky Musik von weitere Komponisten für Klavier, die, obwohl ideell durchaus grub das Ensemble, ergänzt von der Ei­ Strawinsky, der das Klavier als „Schlag­ unterschiedlich ausgerichtet, eine tiefe Liebe zu Schubert teilten und genkomposition seines Mitglieds Oliver instrument“ bezeichnete – und oft genug einen erheblichen Anteil an seinem Nachruf hatten: Franz Liszt und Kersken, reizvolle und weitgehend unbe­ auch so behandelte. Guido Agosti hat Johannes Brahms. Manuela Neumann kannte Original-Werke der Zeit wieder die Stücke aus dem „Feuervogel“ denn aus. Ein spannender Blick auf ein bisher auch entsprechend umgesetzt. wenig beleuchtetes Kapitel historischer Aufführungspraxis ist das Ergebnis. Teuflisch schwer Den Beschluss bildet Balakirevs Franz Schubert „orientalische Fantasie Islamey“, eine (1797-1828) der Ikonen der Klavierliteratur. Das Vier Impromptus, teuflisch schwer zu spielende Werk D 899; animierte Ravel, etwas technisch noch Drei Klavierstücke, anspruchsvolleres zu schreiben – das Resultat war „Gaspard de la nuit“. D 946 Grätzer Walzer, D 924 Ammiel Bushakevitz, Klavier hänssler ClassiC HC16094

30 Ausgabe 2017/2 Im Blickpunkt CLASS: aktuell MAHLER SONG Konzert Orchester CYCLES Marc Albrecht, Alice Coote, Netherlands Philharmonic Orchestra PTC 5186576 PTC

Ludwig van Beethoven (1770 -1827) Anton Rubinstein (1829 -1894) Klavierkonzerte: Orchesterwerke Nr. 1 C-Dur op. 15 Don Quixote op. 87 Nr. 2 B-Dur op. 19 Ballettmusik aus „Der Dämon“ Yevgeny Sudbin, Klavier Konzert für Violoncello und Orchester Tapiola Sinfonietta, Osmo Vänskä Sinfonie Nr. 2, Ouverture triomphale op. 43 Neues BIS-SACD-2078 Valse caprice, Trot de Cavalerie Album Sérénade Russe Nr. 1 op. 93 Auf zwei vorangegangenen SACDs Alban Gerhardt, Violoncello haben sich Sudbin und Vänskä bereits Sinfonieorchester Wuppertal George Hanson, Ltg. mit großem Erfolg mit den drei letzten MDG 335 2016-2 (2 CDs) Bereits erschienen Klavierkonzerten Beethovens auseinan­ der gesetzt. Für die beiden noch aus­ Anton Rubinstein war einer der erfolgreichsten Kom­ stehenden Konzerte haben sie sich mit ponisten seiner Zeit. Seine zweite Sinfonie „Ozean“ erlebte der Tapiola Sinfonietta zusammen ge­ über 200 zeitgenössische Aufführungen, so viele wie tan, einem der führenden Ensembles kaum ein anderes Werk. Aus dem reichhaltigen Reper­ PTC 5186 487 5186 PTC Skandinaviens und für diese noch mehr toire einer jahrelangen Zusammenarbeit mit dem Sin­ den Prinzipien der frühen Wiener Klassik fonieorchester Wuppertal hat MDG diese Sinfonie jetzt verhafteten Konzerte sehr gut disponiert. frisch aufgelegt, zusammen mit weiteren hochkarätigen Immerhin begann Beethoven mit der Ar­ Kompositionen des russischen Romantikers. Mit dabei der beit am 2. Konzert noch in Bonn, sieben damals noch weitgehend unbekannte Alban Gerhard, der Jahre, bevor das 1. Konzert fertig wurde. mit Rubinsteins Cellokonzert für riesiges Aufsehen sorgte. Immer wieder Senkrechtstarter revidiert Als reisender Virtuose war Rubinstein selbstverständ­ Während der nächsten zehn Jahre lich auf der Höhe der Zeit – und manchmal ihr gar vor­ nahm sich der Komponist das Manu­ aus: Sein Cellokonzert ist tatsächlich der erste russische skript immer wieder vor und revidierte Beitrag zur Gattung, und auch die erste russische Sin­ es grundlegend bis hin zur Komposition fonie stammt aus seiner Feder. Dass der weltgewandte eines neuen Finalsatzes, und so erlangte Meister keinerlei Berührungsängste mit fremden Kulturen das C-Dur Konzert zuerst Veröffentli­ kannte, zeigen die orientalischen Klänge in „Der Dämon“ chungsreife. Beide Konzerte entstanden ebenso wie die blökende Schafherde aus „Don Quixote“ lange, bevor Beethoven sich mit dem und auch die „Ouverture triomphale“ macht mit allerlei symphonischen Genre auseinander setzte, Tschingderassabum ihrem Namen alle Ehre… 502 5186 PTC und der Einfluss Mozarts und Haydns Das Sinfonieorchester Wuppertal versteht es blendend, ist hier noch evident in der Interaktion diese Energie auf dem Podium zu entfesseln. George zwischen Solist und Orchester. Und Hanson lässt seinen Musikern freien Lauf, und die legen­ doch sind die typischen Merkmale des däre Akustik der Historischen Stadthalle Wuppertal tut Beethoven-Stils schon erkennbar. ihr Übriges, um auch die Musikfreunde im heimischen Wohnzimmer mit ursprünglicher Musikalität zu überwäl­ tigen – Bravi, bravissimi!

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Ausgabe 2017/2 31 Im Vertrieb von NAXOS Deutschland CLASS: aktuell Im Blickpunkt

Alte Musik

Fro bin ich dein – Musical treasures Heroines of Love and Loss Giuseppe Antonio Brescianello Johann Sebastian Bach (1685 -1750) from 16th century Basel Henry Purcell: Oh! lead me to some (1690 -1758) Gloria in Excelsis Deo Werke von peaceful gloom; Dido’s Lament Concerti à 3, Vol. 1 Gloria in excelsis Deo, BWV 191 Paul Hofhaimer, Ludwig Senfl, John Bennet: Venus’ Birds Der Musikalische Garten Lobe den Herrn, meine Seele, BWV 69 Claudin de Sermisy u.a. Barbara Strozzi: Lamento (Lagrimemie); Coviello CLASSICS COV91705 Freue dich, erlöste Schar, BWV 30 Ensemble Canti B L’Eraclitoamoroso + Interviews und Specials Claudia Sessa: Occhiiovissidi voi Coviello CLASSICS COV91708 Giuseppe Antonio Brescianello gehört Blazikova, Blaze, Türk, Kooij Anon.: The Willow Song; Bach Collegium Japan, Masaaki Suzuki O death, rock me asleep zu den italienischen Barockmeistern, die „Ich scheine mir an einem angeneh­ Francesca Caccini: Lasciatemiqui solo zumindest in Mitteleuropa bis heute BIS-BD-2201 (Blu-ray mit englischen men Ort der Musen zu leben“, schreibt Lucrezia Vizzana: O magnum mysterium nicht sehr geläufig sind und daher zu Untertiteln. Sound LPCM Stereo / LPCM 5.0 Surround) der berühmte Humanist Erasmus von Giovanni Kapsberger: Toccata Arpeggiata lohnenden Entdeckungen einladen: In Rotterdam in einem Brief aus dem Jahre Alessandro Piccinini: Ciaccona seinen „Concerti“ führt Brescianello die Diese Blu-ray eröffnet die Möglich­ Antonio Vivaldi: Cellosonate g-Moll RV 42 1516. Er lebte zu dieser Zeit aber nicht Möglichkeiten des freundschaftlichen keit, das Bach Collegium nicht nur zu Ruby Hughes, Sopran mehr in den Niederlanden, sondern in Mime Yamahiro Brinkmann, Cello Wettstreits zwischen den beiden grund­ hören, sondern auch zu sehen, und zwar Basel, das sich schon im späten 15. Jahr­ Jonas Nordberg, Laute sätzlich gleichwertigen Violinstimmen an seinem künstlerischen Heimatort: hundert zu einem Zentrum des Buch­ BIS-SACD-2248 kunstvoll vor. In den klangschönen lang­ Der Shoin Chapel der Women’s Univer­ drucks und des Humanismus entwickelt samen Sätzen versuchen sich die beiden sity in Kobe, wo die Einspielung aller hatte. Das blieb natürlich nicht ohne Vor unseren Ohren erscheinen hier im instrumentalen „Cantabile“ zu über­ geistlichen Kantaten Bachs zwischen 1995 Wirkung auf das Musikleben: Es er­ die Jungfrau Maria und Dido, Königin bieten durch schöne Melodie-Wendun­ und 2013 erfolgte. Die Aufzeichnung blühte zu ungeahnter Vielfalt. Was lag von Karthago, ebenso wie Shakespeares gen, überraschende Verzierungen und entstand während der Aufnahmen zur also näher für das Ensemble Canti B, Desdemona und die unglückliche Anne galante Floskeln. Die schnellen Sätze letzten Folge der Kantatenserie. Der Film als seiner Heimatstadt ein musikalisches Boleyn, die 1536 im Londoner Tower auf stellen dagegen die Virtuosität der bei­ bietet alle drei Kantaten in voller Länge, Denkmal zu setzen. ihre Hinrichtung wartet. Aber das Album den Geiger in den Mittelpunkt und be­ dazu Interviews und Specials. Sehr inte­ Kaleidoskop der bietet noch vier andere Heldinnen, denn ziehen oft die Cello-Stimme in den kon­ ressant für Fans der Serie, anhand der wir hören Musik von Komponistinnen, zertanten Wettstreit mit ein. Filmaufzeichnungen auch etwas von der Musik des die zwischen 1590 und 1675 aktiv waren. räumlichen Atmosphäre mitgeteilt zu 16. Jahrhunderts Frauen, die sich mit viel Courage über Meister der bekommen, unter der die Einspielun­ In unterschiedlichsten Gesängen die Konventionen ihrer Zeit hinweg­ Variation gen stattfanden. und Tänzen aus dem frühen 16. Jahr­ setzten und im typischen Männerberuf Mit den ersten sechs, die zum ers­ hundert entsteht ein Kaleidoskop der „Komponist“ aktiv wurden. ten Mal auf CD erscheinen, aus der Persönliche faszinierend vielfarbigen Kultur der welt­ Sammlung von 12 Concerti à 3 bringt Erfahrungen politisch aufregenden Zeit der Refor­ Frauenpower das Ensemble Der musikalische Garten Masaaki Suzuki und Mitglieder des mation. Nach sorgfältigem Quellenstu­ Vielfach waren vor 1700 Komponis­ besonders abwechslungsreiche Blüten­ Ensembles wie auch des Tonmeister­ dium richtet das Ensemble alle Werke tinnen zugleich Nonnen und konnten pracht zu Gehör, die sofort plausibel teams berichten über ihre ganz persön­ selbst für originalgetreue Instrumente so ihrer Berufung im Schutz der Klos­ machen, dass Brescianello zu Beginn lichen Erfahrungen mit Bachs Musik, ein und gibt so jedem sein ganz eigenes, termauern nachgehen. Auf dem Reper­ des 18. Jahrhunderts ein hoch ange­ die sie in dieser langen Zeit machten – unverwechselbares Klangbild. toire dieser SACD betrifft das Claudia sehener Komponist war. zwischen Start und Ende lagen immer­ Sessa und Lucrezia Vizzana. Francesca hin 18 Jahre! Und schließlich werden wir Caccini und Barbara Strozzi dagegen leb­ eingeladen auf einen japanischen Markt, ten als freischaffende Komponistinnen um für die Feier nach dem Abschluss in Florenz bzw. in Venedig. Was wieder­ der Aufnahmen einzukaufen. um den Vorteil hatte, dass sie nicht an kirchliche Konventionen gebunden waren und begeistert den stile moderno aufnah­ men, den Claudio Monteverdi etabliert hatte. Beide wurden für ihre Vokalmusik gefeiert, denn sie machten „die Worte zum Beherrscher der Harmonie, nicht zu ihrem Diener“ (so Monteverdis Bruder Giulio Cesare).

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