Historische Archäologie

Jahrgang 2010

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1800 2000 1900 Historische Archäologie

Thomas Küntzel Der Stadtwall in den Gärten: Neue Gedanken zu den historischen Hintergründen der Verlegung der Stadt Hitzacker um die Mitte des 13. Jahrhunderts

Summary

This essay tries to explain the historical context of the „Landgraben“, an im- pressive ditch and bank west to the city centre of Hitzacker. It first deals with the development of the settlement, of which the castle-mound of the “Wein- berg” already gained importance since the 9th century. This was underlined by excavations in the area of the Lanke-gardens and the street line south of Hitza- cker, proving the rise of the settlement in the 10th / 11 th centuries and the flour- ishing in the 12th century. Obviously in the first half of the 13th century the area in the south of Hitzacker was abandoned, probably in connection with the construction of the “Landgraben” (ca. 1230?). Yet the exact date and historical ascription is uncertain, especially whether the Welfish dukes or the princes of Ascania built it – one may even suppose the building of the “Landgraben” (or parts of it) to have taken place at the beginning of the 14th century. Neverthe- less, the area within the “Landgraben” was inhabited for a longer time than the area in the Lanke-gardens, most probably up to 1258/60, when the town was moved to the island in the Jeetzel, where the historical city-centre is situ- ated up to now. During the late 13th century Hitzacker (in this time still strategi- cally important) gradually lost meaning, mainly because of dynastic troubles. Not before early modern times with the town serving as secondary seat to the court of the Welfs will it be of any significance again.

Zusammenfassung

Der Artikel versucht, den „Landgraben“, eine mächtige Wallanlage westlich des Stadtkerns von Hitzacker historisch einzuordnen. Er beginnt mit der hoch- mittelalterlichen Entwicklung des Siedlungskomplexes Hitzacker, der mit der Burg auf dem Weinberg bereits im 9. Jahrhundert eine wichtige politische und zunehmend auch ökonomische Bedeutung besaß. Dies unterstreichen die Grabungen in den Lanke-Gärten und auf der Straßentrasse am Südrand von Hitzacker, die den Aufstieg der Siedlung seit dem 10./11. und die Blütezeit im 12. Jh. erkennen lassen. Wohl in der ersten Hälfte des 13. Jh.s wurde das Gelände im Süden aufgegeben. Dies geschah eventuell im Zusammenhang mit dem Bau des Landgrabens (um 1230?). Die genaue zeitliche Einordnung und somit die historische Zuordnung der Baumaßnahme zu den Welfen oder Askaniern ist jedoch aufgrund unzureichender Vergleichskomplexe dieser Epoche noch ungewiss. Eventuell ist sogar eine Datierung des Landgrabens in seiner letzten Form an den Beginn des 14. Jh.s zu erwägen. Abgesehen davon ist aber das Gelände innerhalb des Landgrabens an der Jeetzel (Adler-Apo- theke) anscheinend länger besiedelt gewesen: vermutlich bis um 1258/60, als die Stadt auf die Jeetzelinsel verlegt wurde. Seit dem späten 13. Jahrhundert gerät das - strategisch immer noch sehr wichtige – Hitzacker aus dynastischen Gründen zunehmend in eine Abseitsposition. Erst in der Neuzeit wurde es als welfische Nebenresidenz wieder bedeutsam.

Einleitung

Die historischen Relikte der Vergangenheit wollen erklärt sein – dies macht einen wesentlichen Teil ihres Reizes aus, stellt aber die Wissenschaft und alle, die sich darum bemühen, oft auch vor große Probleme. Die Epoche zuneh- mender Schriftlichkeit im 13. und 14. Jh. bietet die Chance, ausgehend von der Ereignisgeschichte Modelle zu entwickeln, mit denen bestimmte Sachzeugnis- se „zum Sprechen gebracht“ werden können. Eine lange Zeit rätselhafte Spur in die Vergangenheit stellte der sogenannte „Landgraben“ in Hitzacker dar, eine mächtige Wall-Graben-Anlage, die sich am Rande des historischen Orts- kerns der Stadt Hitzacker durch moderne Gärten, den Friedhof und bis zur ehemaligen Jugendherberge erstreckt (Abb. 1). Seine Interpretation schwank- te zwischen „Grenzmarkierung“, „frühgeschichtlicher Wehranlage“ und Land- wehr (Wachter 1998 a, 23; Wolf 1958, 23). Im Zuge der Inventarisation der archäologischen Denkmäler der Region wurden Hildegard Nelson, Hans-Wil- helm Heine und Jan-Joost Assendorp vom Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege auf die Anlage aufmerksam und erkannten die Bedeutung des Landgrabens als ehemaligen Stadtwall. Im Dezember 2003 erfolgte eine Be- gehung, um die noch erhaltenen Abschnitte zu erfassen (Heine / Künt zel / Nel- son 2006). Die spätmittelalterliche Stadt Hitzacker liegt allerdings auf einer Insel bzw. Halbinsel nordöstlich, also jenseits der Jeetzel und war von eher bescheidenen Ausmaßen, so dass der „Landgraben“ nicht mit ihr in Verbin- dung gebracht werden kann. Stadtnahe Landwehren des 13./14. Jahrhunderts, die sich vereinzelt im Vorfeld von Stadtwüstungen erhalten haben, besitzen sehr viel kleiner dimensionierte Querschnitte, wie der Vergleich mit der Stadt- wüstung Blankenrode oder – unter dem Vorbehalt der schwierigen Datierung – Nienover zeigt (Küntzel 2004; Küntzel 2009, 232 ff.). Aus den Schriftquellen kann man jedoch auf die Verlegung der Stadt Hitzacker bald nach Mitte des 13. Jh.s schließen. Demnach wäre der „Landgraben“ eventuell das Relikt einer Stadtwüstung, die sich auf dem linken, westlichen Jeetzelufer erstreckt. Stadt- wüstungen galten lange als eher exotische Anlagen, sind aber nach neuen Untersuchungen sehr viel häufiger als angenommen Küntzel( 2008; Küntzel im Druck). Die Ausgrabungen in verschiedenen Stadtwüstungen erbrachten in den vergangenen Jahren eine Fülle neuer Erkenntnisse zur regionalen Ge- schichte des 13. Jh.s, aber auch zum Aussehen von Stadtanlagen dieser Epoche. Die Idee, dass es sich beim „Landgraben“ von Hitzacker um einen Stadtwall des 13. Jh.s handelt, wurde zuerst 2006 in den „Nachrichten aus Niedersach- sens Urgeschichte“ vorgestellt. Anlässlich der 750-Jahr-Feier der Stadt Hitza- cker 2008 wurde der Verfasser von Herrn Klaus Lehmann, Hitzacker dankens- werterweise gebeten, über die Ergebnisse der Untersuchungen zu berichten. Bei der Vorbereitung des Vortrages ergaben sich zahlreiche neue Aspekte zur historischen Situation im Umfeld der Stadtverlegung, die die enorme Trag- weite dieser Maßnahme illustrieren. Aus den Urkunden des späten 13. und 14. Jh.s lassen sich rückblickend Schlüsse auf die herausragende Position von Burg und Stadt Hitzacker im 12. und 13. Jh. gewinnen.

I. Der Landgraben - Verlauf und Ausdehnung

Der Landgraben erstreckte sich vom Meeschenberg, einer 60 m über die Elbe aufragenden Kuppe im Norden bis zum Osterberg im Süden (ehemals als „Hin- richsberg“ bezeichnet, Höhe ca. 47,5 m ü. NN, Elbniveau heute 10 m ü. NN). Der www.histarch.org Thomas Küntzel | Der Stadtwall in den Gärten 2 • 1 2010 Graben bog dort wahrscheinlich nach Osten zur Jeetzel hin ab. Beim Bau der ehemaligen Jugendherberge soll sein Profil in der Baugrube beobachtet worden sein (Heine / Küntzel / Nelson 2006; vgl. auch Saile 2007 a, 108). Der weitere Verlauf wird durch das Hotel „Zur Linde“, das beiderseits der Grenze zwischen der Stadt Hitzacker und dem adeligen Gut Dötzingen steht, und den östlich anschließenden Straßenzug markiert. In der Grabungsfläche „Lanke-Gärten“ trat der Landgraben nicht in Erscheinung, dürfte also unmittelbar nördlich gele-

Alte Jeetzel

6 E l b 2 e 1 Jeetzel 3 6 Breede Stieg Weinbergweg

"Hunte" 12

13 11 19 7

8

Herzog-August-Straße Jeetzel 9 Bergstraße 5 6 16 A C 17 B H a r l i n g e r B a c h 18

N

0 400 m

Abb. 1: Historische Topographie von Hitzacker. Blau: heutige Wasserläufe; hellblau: Wasserläufe um 1776 bzw. Hunte-Bach durch die Stadtinsel bis zum 17. Jahrhundert; grün: Böschungen, Berge und der Verlauf des „Landgrabens“ (dunkel: erhaltene/ feststellbare Bö- schung des Grabens, hell: rekonstruiert); rot: Gebäude und wichtige Fundstellen von Keramik; gestrichelte Linie: Grabungsschutzge- biet; grau: Grabungsflächen mit ausgewählten slawischen und mittelalterlichen Befunden. 1: Weinberg, 2: Meeschenberg, 3: Johan- niskirche auf dem Berge, 4: Langenberg, 5: Osterberg mit der ehemaligen Jugendherberge, 6: mutmaßliche Tore im „Landgraben“, 7: Fundstellen an der „Adlerapotheke“, 8: Fundstelle an der Volksbank, 9: Fundstelle „Kaddatz“, 10: ehemalige Burg auf der Stadtinsel, 11: Johanniskirche, 12: Zollhaus, 13: ehemaliges Rathaus, 14: Drawehnertor, 15: Marschtor, 16: Grabungsfläche „Lanke-Gärten“, 17: Gra- bungsfläche Straßentrasse, 18: Grabungsfläche Klärwerk; 19: Dötzinger Friedhof. Fig. 1: Historical topographical map of Hitzacker. Blue: waterstreams today; light blue: waterstreams around 1776 and Hunte-stream running through the city until 17th century; green: slopes, mounds and track of the "Landgraben" (dark: preserved; light: reconstructed / supposed); red: buildings and main sites with ceramic findings; broken line: excavation reserve; grey: excavation areas with selected slavic and medieval fea- tures. 1: Weinberg, 2: Meeschenberg, 3: Johanniskirche on the hill, 4: Langenberg, 5: Osterberg with former youth hostel, 6: supposed gates of the „Landgraben“, 7: sites at the „Adlerapotheke“, 8: site at the "Volksbank", 9: site „Kaddatz“, 10: former castle on city island, 11: Johannis- kirche, 12: custom house, 13: former town hall, 14: Drawehnergate, 15: Marschgate, 16: excavation area „Lanke-Gärten“, 17: excavation area road tracks, 18: excavation area of the wastewater treatment plant; 19: Dötzinger cemetery. www.histarch.org Thomas Küntzel | Der Stadtwall in den Gärten 3 • 1 2010 Abb. 2: Südteil des Siedlungskomplexes 8 Hitzacker mit den Grabungsflächen Lanke- Gärten und Straßentrasse. Farben und Num- mern wie Abb. 1, wobei 6 ein mutmaßliches Jeetzel Tor im Landgraben beim Hotel „Zur Linde“ markiert; ergänzende Farben in den Gra- 9 bungsflächen: blau: Brunnen und „Schlämm- anlagen“, rosa: Gebäudereste, gelb: Gruben, orange: Öfen; A: Drainagegraben, B: Grube 5 mit Töpfereiabfall, C: Grube mit Schmiede- 6 schlacken. 16 Fig. 2: Southern part of Hitzacker with the exca- A C 17 vation areas of the Lanke-gardens and the road N B tracks. For the numbers and colours comp. fig. 1 with "6" pointing to the "Landgraben" at the 18 hotel "Zur Linde"; further colours within the ex- 0 200 m cavation areas: blue: wells and "flotation are- as"; pink: house remains; yellow: pits; orange: ovens; A draining ditch; B pit with remains of a pottery; C pit with smithing remains. gen haben (vgl. Abb. 2). Folgt man dieser Rekonstruktion, muss der Landgraben von der ehemaligen Jugendherberge aus zunächst 90 m weit nach Ostnordost gezogen sein, um dann um etwa 20° nach Ostsüdost umzubiegen. Einen ähnli- chen Knick weist auch der nördliche Schenkel des Landgrabens am Meeschen- berg auf – bei gleicher Länge des Grabenabschnitts von der Nordwestecke des Landgrabens bis zur Knickstelle! Die jeweils östlich davon nach Norden bzw. Süden ausbiegenden Wallschenkel queren rechtwinklig die dort austretenden Straßen (Dr.-Helmut-Mayer-Weg, Drawehnertorstraße). Sie mögen zuerst an- gelegt und nachträglich durch den etwa 660 m langen Nord-Süd-Wall zu ei- nem einheitlichen System verbunden worden sein. Man hätte dann anfangs nur die Straßen selbst bis an den Fuß der steileren Berghänge von Meeschen- und Osterberg gesichert. Im Bereich des Nord-Süd-Walles existierten ehemals ver- mutlich zwei Tore: Im Süden am Treffpunkt von Herzog-August- und Bergstra- ße sowie im Norden am Breedestieg. Ungefähr in der Mitte besitzt der lange Nord-Süd-Wall einen Knick, der sich durch die hier befindliche Kuppe erklären lässt, die in die Verteidigungsanlage einbezogen werden sollte. Auf einer Skizze des Landgrabens hat der einstige Leiter des Museums von Hitzacker, Walter Honig, an dieser Stelle eine „Bastion“ eingetragen, die nach Westen vorspringt. Diese Vermutung resultiert offenbar aus der Position und der eigenartig qua- dratischen Form des Dötzinger Friedhofes (46 x 40–46 m). Der Friedhof kann aber auch einfach auf einem nicht nutzbaren Flurstück angelegt worden sein.

Im Norden bildet der Meeschenberg einen Gegenpart zum Weinberg, auf dem sich seit dem 8./9. Jh. ein slawischer Burgwall und später eine „deutsche“ Burg befand (kritisch Saile 2006; Wachter 1998 a). Deutlich zu erkennen sind Graben und Vorwall des „Landgrabens“ noch am Nord- und Westhang des Meeschenberges sowie im Bereich des Friedhofes. Südlich des Friedhofes ist der Wallgraben in den 1940er Jahren weitgehend überbaut worden, östlich des Osterberges zur Sandgewinnung für den Bau des Hamburger Freihafens abgegraben 1. Die Gesamtbreite des Wallgrabens von der Kuppe des Vorwalles bis zur Schulter der Innenböschung erreicht streckenweise 15 m, bei einer Hö- hendifferenz von bis zu 4 m. Landwehren besitzen z.T. Höhendifferenzen von nur 1–1,5 m, selten auch von 2 m, vor allem im Bereich von Wegesperren. Die Dimension des „Landgrabens“ ist hingegen bei Stadtbefestigungen des 13. Jh.s nicht unüblich. Mehr noch: Vermutlich existierte ehemals auch eine Stadtmau- er. Walter Honig, beobachtete beim Neubau eines Parkplatzes für das Hotel „Waldfrieden“ 1969–72 Mauerreste an der oberen Böschungskante der Grabe- 1 Vgl. die Ortsakte Hitzacker, FStNr. 113 im ninnenseite. Eine solche Stadtmauer konnten sich im 13. Jh. nur wohlhabendere Niedersächsischen Landesamt für Denk- Städte leisten. malpflege Hannover. Ich danke Frau Dr. Hildegard Nelson und Herrn Dr. Hans- Die Erinnerung an die einstige Bedeutung des Stadtgrabens ging jedoch mit Wilhelm Heine für zahlreiche Hinweise. der Zeit verloren. 1716 wird der Landgraben nurmehr als „bekandte rechte www.histarch.org Thomas Küntzel | Der Stadtwall in den Gärten 4 • 1 2010 Scheidung zwischen Dötzingen und Hitzacker“ erwähnt. Er war also zu ei- nem bloßen Grenzgraben geworden. Eventuell leitet sich auch der Name des „Meeschenberges“ von dieser Funktion ab (vgl. russ. Meжa = Grenze, Rain, meznik = tschech. Grenzstein), sofern er nicht auf die Kirchmesse in der Jo- hanniskirche Bezug nimmt. Die Funktion als Grenzgraben bewahrte die Anla- ge jedoch vor der völligen Zerstörung. Im Süden, im Bereich des Hotels „Zur Linde“ wurde zumindest die Linienführung des Landgrabens durch die Gren- ze weiter tradiert, obwohl moderne Eingriffe sämtliche überirdisch sichtba- ren Spuren beseitigt haben. Rein rechnerisch war das Gelände, das von dieser Anlage eingegrenzt wird, etwa doppelt so groß wie die spätere Stadt auf der Insel: Ohne die Burg auf dem Weinberg kommt man auf etwa 13–14 ha, mit Burg und „Landgraben“ zu- sammen auf etwa 25 ha. Das Stadtgelände auf der Insel ist etwa 9 ha groß, einschließlich des Schlossplatzes. Vom Areal innerhalb des Landgrabens ist allerdings wegen des unruhigen Geländereliefs nur ein Teil zu bebauen. So gibt es einen schmalen Streifen am Ufer der Jeetzel (Straße „Am Weinberg“), einen größeren Platz südlich davon (Straße „Am Langenberg“, nördlicher Teil der „Hauptstraße“) sowie ein etwa 200 x 400 m großes Geestplateau westlich des „Langenberges“, das auf 30–48 m ü. NN ansteigt. Das nördliche Drittel dieses Plateaus wird heute vom städtischen Friedhof eingenommen, der Rest ist mit Einfamilienhäusern bebaut. Im Bereich des Friedhofes befindet sich auch die Ruine der einstigen Stadtkirche, der „Bergkirche St. Johannis“.

Unklar ist, ob die Geestfläche zwischen Osterberg und Meeschenberg im 13. Jh. mit Häusern bestanden war, oder ob der Stadtwall gewissermaßen ein projektiertes, aber nie ganz ausgefülltes Stadtareal umschloss (bzw. Wei- de- und Gartenflächen mit schützte). Da die langjährigen Begehungen und Fundbeobachtungen von Bernd Wachter keine näheren Hinweise auf eine Besiedlung ergaben, scheint eher letzteres der Fall zu sein (Wachter 1998 a, 24; Wachter 1982/83, 51). Interessant ist hierbei, dass die Siedlungsfläche im Tal, am Ufer der Jeetzel, ungefähr den gleichen Raum einnimmt wie die Flä- che, die auf der Jeetzelinsel zur Verfügung steht. Zu berücksichtigen ist über- dies das spätslawisch bis „frühdeutsch“ besiedelte Gelände im Bereich der „Lanke-Gärten“ und des Archäologischen Freilichtmuseums, die seit 1969 bzw. 1978 durch Grabungen untersucht wurden. Diese Frage wird bei der Betrachtung der historischen Quellen noch eine wichtige Rolle spielen. Als überholt muss mit den neueren archäologischen Befunden und der jüngsten Interpretation des „Landgrabens“ als Stadtwall die negative Einschätzung von Siegmund Wolf gelten, der Siedlung Hitzacker sei „bis 1258 keine besondere Bedeutung“ zugekommen (Wolf 1958, 23).

II. Die Stadtverlagerung Hitzackers

Die Übersiedlung der Bürger von Hitzacker erfolgte um das Jahr 1258 her- um. Eine regelrechte Gründungsurkunde existiert dazu leider nicht; erst 1268, also zehn Jahre später erfahren wir aber aus einer Urkunde der askanischen Herzöge Johann I. und Albrecht II. von Sachsen-Lauenburg, dass die Bürger der Stadt Hitzacker von ihrem Vater, Herzog Albrecht I. von Sachsen einst verschiedene Privilegien verliehen bekommen hatten, weil sie auf die Insel übergesiedelt waren, insbesondere Zoll- und Abgabenfreiheit in Hitzacker, Bleckede und Lauenburg (UB Braunschweig [Hzge.] I, Nr. 65; vgl. Wolf 1958, 20. Zu Johann I. Koppe 1974 a). Herzog Albrecht I. starb Ende 1260 oder Anfang 1261, also muss die Übersiedelung vorher erfolgt sein (Mundhenke 1953; vgl. Steudener 1895, 112) 2. Am 28. Februar 1258 hatte er Streitigkeiten mit den Her- zögen von Braunschweig um die Besiedlung der Elbmarschen und die Rech- te in Bleckede, Hitzacker und Artlenburg beigelegt, was vielleicht den Weg 2 UB Braunschweig (Hzge.) I, Nr. 46; UB für die Neugründung der Stadt ebnete – oder, diese Streitigkeiten waren aus Brandenburg B, 1, Nr. 84; UB Branden- der Übersiedelung erwachsen (die dann sogar schon 1257 erfolgt sein kann). burg C, 3, Nr. 1; Steudener 1895, 109 f. Denkbar wäre auch, als dritte Möglichkeit, dass die Befestigung der ersten www.histarch.org Thomas Küntzel | Der Stadtwall in den Gärten 5 • 1 2010 Stadt um Meeschen- und Osterberg die braunschweigischen Herzöge provo- zierte, und die Verlegung im Zuge der Auseinandersetzungen durchgeführt wurde. Als vierte Möglichkeit ist schließlich zu erwägen, dass der Stadtwall erst lange nach der Verlegung auf die Jeetzelinsel entstand, gewissermaßen im Rahmen eines Neubeginns der Stadt auf dem linken Jeetzelufer.

Eine solche, „stecken gebliebene“ Stadtgründung war die Stadt Freyenstein in der Prignitz: westlich der heutigen Stadt befand sich ein 25 ha großes Gelände, dessen Name „alte Stadt“ auf den Standort der ursprünglichen Gründungsan- lage hindeutet. Geophysikalische Prospektionen ergaben im Zentrum dicht mit Kellern besetzte Straßenfluchten, während die Befunde in den äußeren Zonen stark ausdünnen. Die 1287 neu in der Niederung angelegte zweite Stadt war kaum halb so groß (Schenk 2009; Schenk 2004; Schenk /Plate 2004; Plate 1989). Ebenfalls eine Insellage in der Ilmenauniederung wurde bei der Grün- dung der Stadt Uelzen aufgesucht. Die ursprüngliche Stadt befand sich auf dem „Bindelkamp“ beim Kloster Oldenstadt, einem Ausläufer der Geest am Bach Wipperau. Die Verlegung erfolgte auf Initiative des Grafen und Klostervogtes Gunzelin von Schwerin in den 1260er Jahren, also bald nach der Neugründung der Stadt Hitzacker (Vogtherr 1997, 16 ff.; Vogtherr 1992; Schilling 1987). Die Grafen von Schwerin besaßen enge Kontakte zu den Dannenberger Grafen, also auch zum Wendland. Die Verlegung der Stadt Hitzacker könnte somit als Vor- bild für die Neuanlage von Uelzen gedient haben. Graf Gunzelin nutzte in die- sem Fall wohl den Konflikt zwischen den Bürgern der ersten Stadt Uelzens und ihrem Stadtherren, dem Abt des Klosters, aus, indem er den Bürgern größere Freiheiten versprach, als der Abt sie gewähren wollte. Der Abt konnte später im- merhin gewisse Rechte und Abgaben durchsetzen, die die „davongelaufenen“ Bürger an ihn zu leisten hatten. Die Grafen von Schwerin verloren Uelzen hin- gegen bald danach durch eine Fehde an die braunschweigischen Herzöge. Die Stadt wurde vom Lüneburger Herzog Otto dem Strengen 1292 selbst ver- legt (UB Celle, Nr. 1; vgl. zur Archäologie Altencelles jetzt Küntzel 2010; Busch 1990; Moeller 1992). Das Stadtgelände im heutigen „Altencelle“ befand sich nördlich des Dorfkernes mit der Herzogsburg. Geomagnetische Prospektionen durch den Physiker Dr. Christian Schweitzer aus Burgwedel lieferten 2007 ein überraschend scharfes Bild der einstigen Hauptstraße der Stadt. 2008 konnte durch Ausgrabungen ein querschnitthafter Einblick in die Bebauung gewonnen werden. Genau untersucht wurde ein abgebrannter Holzkeller; innerhalb der Grabungsfläche lagen zudem eine Straße mit seitlichen Drainagegräben und ein weitere Keller. Altencelle war bis 1292 unbefestigt; allenfalls eine Palisaden- wand könnte die Höfe nach Westen hin abgeschirmt haben. Dennoch verfügte der Ort bereits über eine Ratsverfassung. Die neue Stadt entstand, ganz wie in Hitzacker und Uelzen, auf einer Insel in der Niederung, an der Mündung der Fuhse in die . Zwei parallel in enger Nachbarschaft existierende Städte sind theoretisch ebenfalls als Siedlungsmodell denkbar. Dies zeigt der Vergleich mit der Doppelstadt Höxter-Corvey. Die Stadtwüstung Corvey wurde vor allem von Prof. Hans-Georg Stephan untersucht. Sie wurde von einem mächtigen Stadtwall umgeben, verfügte über gepflasterte Straßen, eine große Weserbrü- cke aus Holz und steinerne Häuser bzw. Keller. 1265 überfielen die Bürger der benachbarten Stadt Höxter den Ort, im Bund mit dem mächtigen Bischof Si- mon von Paderborn, der das reichsfreie Kloster seiner Diözesangewalt unter- werfen wollte (Stephan 2000; Stephan 2002). Die Bürger von Höxter besaßen eher ein Interesse daran, eine gewerbliche Konkurrentin auszuschalten, denn Markt und Weserbrücke in Corvey machten natürlich dem eigenen Markt Kon- kurrenz, der durch Zollabgaben einer möglichst großen Besucherzahl finan- ziert sein wollte.

III. Das Siedlungsgebiet Hitzackers ab dem 8. Jahrhundert

Hitzacker steht somit am Anfang einer ganzen Reihe von Stadtverlegungen in Niedersachsen in der zweiten Hälfte des 13. Jh.s. Es fungierte hierbei offen- www.histarch.org Thomas Küntzel | Der Stadtwall in den Gärten 6 • 1 2010 bar als erfolgreiches und nachahmenswertes Vorbild. Allerdings ist die Sied- lungsentwicklung in Hitzacker sehr viel komplizierter, wie die Grabungen im Bereich der Lanke-Gärten und des Freilichtmuseums („Hitzacker-See“), aber auch auf dem Weinberg zeigten. In slawischer Zeit gehörte Hitzacker zusam- men mit Dannenberg zu einer Siedlungskammer an der unteren Jeetzel. Der Weinberg, ein exponierter Ausläufer des Endmoränenzuges der Dannenber- ger Hohen Geest (Elbdrawehn, osthannoversche Kiesmoräne) am bis zu 40 m hohen Prallhang der Elbe, liegt an einem strategisch günstigen Platz, denn er kontrolliert sowohl den Siedlungsraum an der unteren Jeetzel, wie auch den Verkehr auf Elbe und Jeetzel, mit einem Ausblick bis zum Höhbeck und auf die Jabelheide im Osten 3. Die Slawen in dieser Region gehörten wohl zum Stamm der Linonen, denen in zeitgenössischen Quellen sieben Burgbezirke zugerechnet werden, darunter wohl auch Hitzacker 4. Den ältesten Burgwall meinte Bernd Wachter, mit Hilfe von Holzkohle in das 7./8. Jahrhundert da- tieren zu können (Wachter 1998 a, 36 f., 107 f.), was allerdings von anderen Wissenschaftlern in Zweifel gezogen wurde 5. Die Keramikzusammensetzung in den untersten Schichten der Weinberg-Burg entspricht eher der Keramik von der dendrochronologisch auf 810–840 (?) bzw. 850-857, also in die Mitte des 9. Jahrhunderts datierten Oerenburg (Wachter 1998 b, 243 mit Abb. 4; vgl. Saile 2003, 96; Saile 2007 a, 95 ff., 178, 181 ff.). Nördlich der Elbe, eventu- ell auch am Höhbeck setzt die slawische Besiedlung tatsächlich schon in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts ein (Messal 2009, 134 f.; Biermann/Goss- ler 2009, 142; vorsichtig Schneeweiss 2009, 126 Anm. 15).

Seit den Kriegszügen Karls des Großen gegen die Sachsen gehörte das Wendland nominell zum Fränkischen bzw. später zum Deutschen Reich, aber die Abhängigkeit der dortigen Bevölkerung hielt sich bis in das 12. Jahrhun- dert in Grenzen. Das fränkische Kastell auf dem Höhbeck musste wohl bald vor dem feindlichen Druck der Linonen geräumt werden (Saile 2007 a, 66 ff.; Biermann/Gossler 2009, 137 f.; vgl. Saile 2003, 94 ff.; Hardt 2002, 96 ff.). Von deutschen Grafen oder anderen Herrschaftsträgern im Wendland ist erst um die Mitte des 12. Jh.s wieder die Rede. Im 10. Jh. erstreckte sich zwar die Hoheit der Markgrafen Gero und Herrmann Billung formal über die ganze Ostmark und die Abodriten nördlich der Elbe, aber ihre konkrete Wirksam- keit im Elbwinkel an Jeetzel und Aland bleibt ungewiss (Schultze 1957, 82; Wachter 1998 a, 128 ff.; Meyer [-Seedorf] 1911, 71). Der Verdener Bischof, dem das Wendland kirchlich unterstellt war, kümmerte sich kaum um den entle- genen Winkel seiner Diözese 6. Zahlreiche Aufstände und Kämpfe stellten die deutsche Herrschaft wiederholt in Frage; 929 konnten sich die Sachsen 3 Wachter 1998 a, 15; vgl. zur naturräumli- bei Lenzen behaupten, 955 erneut an der Raxa (Recknitz?), mussten aber ab chen Gliederung des Wendlandes Nüsse 983 immer wieder Einfälle der revoltierenden Liutizen hinnehmen, unter an- 2002, 91 f.; zur Siedlungsstruktur Dulin- derem im Bardengau und in Hamburg (Schubert 1997, 117 ff., 177; Biermann/ icz 1991. Gossler 2009, 138). Hitzacker dürfte damals zu den Hauptstützpunkten der 4 Saile 2007 a, 68, 181 ff.; Saile 2007 b, 91, Slawen gezählt haben. Mitte des 10. bzw. Anfang des 11. Jahrhunderts verfüg- 94; kritisch Willroth 1999, 88 f.; Saile ten zwar Kaiser Otto I. und Graf Bernhard von Sachsen über slawische Orte 2003, 98; Hardt 2002, 97 ff., bes. 102; kri- im Drawehn, etwa Clenze, aber der deutsche Zugriff beschränkte sich wohl tisch Biermann/Gossler/Kennecke 2009, auf Orte südlich der Landgrabenniederung, also die Region um Salzwedel 38. (Saile 2007 a, 69 f., 184; Rossignol 2007, 239; vgl. zur Lokalisierung der “Marca 5 Saile 2007 a, 105 ff., 176 ff.; kritisch auch Lipani” Schultze 1957, 92 f.). Willroth 1999, 88; Hübener 1993, 187; Hübener 1989, 251; zustimmend noch Möglicherweise kann Hitzacker mit einem immer wieder gesuchten Han- Harck 1972/73, 148. delsort in Verbindung gebracht werden, der im 9. Jahrhundert als „Schezla“ in 6 Vgl. Wachter 1998 a, 138; Saile 2007 a, den Quellen auftaucht, und an welchem der Handel mit den Slawen gestattet 7 68; zum Verdener Bischof als Lehnsherr war . Schon 1928 assoziierte der Burgenforscher Carl Schuchhardt den Na- im Wendland UB Mecklenburg I, 163. men mit der Jeetzel; Wolf-Dieter Tempel stützte darauf seine Annahme, dass 7 Saile 2007 a, 67; Tempel 1991; Gröll 1994; „Schezla“ bei Hitzacker gelegen haben könnte. Allerdings kämen auch Seß- vgl. auch Miesner 1937; Freiherr von Ham- lach bei Coburg oder andere Plätze in Frage. Sprachwissenschaftlich ist die merstein 1871; kritisch Saile/Lorz/ Pos- Ableitung von „Schezla“ von dem Fluss „Jeetzel“ wohl nicht haltbar (Wachter selt 2001, 227 f.; Saile 2007 a, 67; Will- 1989, 166; vgl. zum Flussnamen „Jeetzel“ Schmitz 1999, 88 f.). Die Verbreitung roth 1999, 89; Linnemann 2007, 70 ff. bestimmter Lanzenspitzen, also eines damals eventuell verhandelten Waf- www.histarch.org Thomas Küntzel | Der Stadtwall in den Gärten 7 • 1 2010 fentyps, lässt zwar nach Berndt Wachter das Wendland als „Drehscheibe“ deutsch-slawischer Händler hervortreten; denkbar wäre allerdings auch ein kriegerischer Hintergrund für dieses Verbreitungsbild. Die karolingerzeitli- chen Funde sind in Hitzacker bisher recht mager; anscheinend erfolgte der eigentliche Aufstieg des Ortes als Handelsplatz erst im Laufe des 10. bzw. 11. Jh.s (Linnemann 2009, 160).

Immerhin lässt sich aber Handel anhand der Keramikfunde von der Burg auf dem Weinberg belegen. Schon in den frühen Schichten fand sich sächsische und deutsche Importkeramik, die wohl ihren Weg von Hamburg kommend die Elbe aufwärts fand. Der Anteil an „deutscher“ Keramik steigt kontinuier- lich vom 10. bis zum 11./12. Jh. an: von bis zu 9 % im 9. Jh. über 17 % im 11. Jh. auf über 41 % im 11./12. Jh. (Wachter 1999, 106, 109; Wachter 1998 a, 79 Tab. 7). Die Einbindung Hitzackers in das damalige Handelsnetz belegen Münzen des 11. Jh.s, wie Sachsen- oder Wendenpfennige, außerdem eine niederloth- ringische (belgische, kölnische oder friesische) Silbermünze von der Gra- bung Hitzacker-See (Linnemann 2007, 57; vgl. Berghaus/Mäkeler 2006, 22 ff.). Neben schlichten, manchmal auch pingsdorfartig bemalten Kugeltöpfen ist Importkeramik aus dem belgischen Raum, sogenannte Andennen-Ware nachgewiesen (Wachter 1998 a, 80 f.). Die Funde sind allerdings bei den Aus- grabungen überwiegend in einem slawisch-deutschen Übergangshorizont gefunden worden, also wohl erst dem 12./13. Jh. zuzuweisen.

Die slawische Vorgängersiedlung der Stadt Hitzacker erstreckte sich zu Füßen des Weinberges mindestens etwa 400 m entlang der Jeetzel (mögli- cherweise sogar 650 m, wenn die Siedlung an den Fuß des Burgberges he- ranreichte), wie Fundbeobachtungen durch den Gymnasiallehrer Berndt Wachter (Wachter 1998 a, 24; Wachter 1982/83, 51) und die Ausgrabungen im Bereich der „Lanke-Gärten“ sowie der Straßentrasse zeigen (Abb. 2). Auch die spätere Stadtinsel war schon in spätslawischer Zeit bewohnt. Etwas spät- slawische Keramik und viel hoch- und spätmittelalterliche Kugeltopfware wurde z.B. 1966/67 beim Bau der Adler-Apotheke am Weinbergsweg sowie 1972 auf dem südlich benachbarten Grundstück gefunden. Unter der grauen Irdenware des späten Mittelalters befinden sich geriefte und ein mit Rollräd- chenmuster verziertes Stück (Landesamt für Denkmalpflege Hannover, Fund- stellenarchiv, FStNr. Hitzacker 12). Mittel- und spätslawische Funde stammen auch vom Grundstück der Volksbank Am Langenberg 4, mittelalterliche Ke- ramik von der Drawehnertorstraße 27 (Haus Kaddatz, ehemals Hauptstraße). Die slawischen und frühdeutschen Befunde auf dem Siedlungsgelände am „Hitzacker See“ wurden von Sophie Linnemann im Rahmen einer Magister- arbeit an der Universität Göttingen ausgewertet (Linnemann 2007; ich danke der Autorin für die freundliche Möglichkeit zur Einsichtnahme; vgl. jetzt Linne- mann 2009). Der Platz wurde schon in der Jungsteinzeit, der Bronzezeit und 8 Assendorp 1997; Assendorp 1994; Som- in der Eisenzeit aufgesucht 8. Die slawischen und mittelalterlichen Befunde merfeld 1992; Assendorp 1991; Voss 1969. reichen von der mutmaßlichen Fluchtlinie des „Landgrabens“ (Hotel „Zur Lin- Ausgewählte mesolithische und jung- de“) etwa 80-90 m weit nach Süden. Die mittelalterliche Besiedlung beginnt steinzeitliche Funde werden von Daniela Wittorf M.A. in einer Promotion bearbei- in frühslawischer Zeit, also im 8./9. Jh. (Linnemann 2007, 20). Der Schwer- tet. punkt liegt im 10./11. bis 12. Jh.. An handwerklichen Tätigkeiten sind Weberei, Schmieden und Eisenverhüttung sowie Bronze- und Bleiverarbeitung nach- 9 Vgl. Linnemann 2007, 26 (Befund 9520: gewiesen 9. Aus dem 13. Jh. stammt ein Töpferofen, aus dem späten 12. bis Eisenschlacke und Erzbrocken), 31 (Gru- Anfang/Mitte des 13. Jh.s eine Grube mit Töpfereiabfall 10. Der geringe Anteil benhaus, Befund 10224: Webgewichts- fragment; Grubenhaus, Befund 9243: der entwickelten grauen Irdenware und das Fehlen von Frühsteinzeug deu- Bronzeschmelzklumpen), 36 (Brunnen, tet möglicherweise darauf hin, dass die Siedlung schon vor Mitte des 13. Jh.s Befund 9300, Gusstiegel), 48 (insgesamt (spätestens um 1220/30) verlassen wurde – vorausgesetzt, die südnieder- 27 Webgewichtsfragmente, 2 vollständi- sächsische Keramikchronologie ist auf das Wendland zu übertragen (vgl. den ge Webgewichte), 110 (Befund 9361, Blei- Töpferofen vom Negenborner Weg in Einbeck, Heege 1998, 14; König 2009, schmelze). S. 21 ff.) allerdings ist ein weiterer wichtiger Komplex von der Burg Rödersen 10 Lüdtke 1980/81, 94 ff.; Linnemann 2007, bei Wolfhagen bislang vermutlich um 30 Jahre zu spät angesetzt worden). Auf 45 (Befund B 216), 153 (Straßentrasse, Be- dem flachen Standboden einiger „slawischer“ Gefäße, die in einem Graben fund 1). gefunden wurden, sind z.T. kreuzförmige Marken zu sehen, die vielleicht als www.histarch.org Thomas Küntzel | Der Stadtwall in den Gärten 8 • 1 2010 Töpfermarken interpretiert werden können (Nikulka/Wachter 1992). Die Befunde umfassen Grubenhäuser, eventuell Holzkeller, Brunnen, Wand- gräbchen und Drainagegräben, die z.T. auf über 46 m (58 m?) Länge verfolgt werden konnten und vielleicht Grundstücksgrenzen oder Straßengräben re- präsentieren (Linnemann 2009, 155 f.). Die Baureste orientieren sich ungefähr nach den Himmelsrichtungen und nicht parallel zur heutigen Drawehnertor- straße. Eine gedachte Straßenachse mitten durch das Grabungsareal würde jedoch genau auf den Platz am Zusammentreffen von Drawehnertorstraße, dem Weinbergsweg und der Straße Am Langenberg zulaufen. Ein Drainage- graben im Süden des Siedlungsareals war mit holzkohlehaltigem Sand und vielen Fischschuppen, Gräten und anderem Abfall verfüllt (Nikulka/Wachter 1992, 81 ff.; Linnemann 2007, 45). Auch in anderen Gruben wurden Fischgrä- ten und Fischschuppen beobachtet, was auf die wichtige Stellung des Fisch- fangs hinweist. Möglicherweise gehört das Areal zu einem slawischen Kietz, also einer Fischer- und Hörigensiedlung im vorstädtischen Bereich, wie sie östlich der Elbe, insbesondere im Havelland häufig vorkommen. Nach einer im 17. Jh. aufgezeichneten Überlieferung soll Hitzacker tatsächlich anfangs aus einigen Fischerhütten bestanden haben 11. Interessant ist, dass vielfach deut- sche und slawische Gefäße nebeneinander auftreten, und zwar wohl seit dem 11. Jh. 12. Offenbar lebten in Hitzacker Slawen und Deutsche gemeinsam, oder es erfolgte ein intensiver Austausch, etwa durch Handel (so Wachter 1989, 169). Berndt Wachter stellte zudem Mischformen zwischen „slawischer“ und „deutscher“ Keramik fest (Wachter 1998 a, 66 ff., bes. 71; Wachter 1999, 106). Einige Gruben, die für eine „Salzgewinnungsanlage“ in Anspruch genommen wurden, dienten wohl eher der Gerberei oder stellen eine besondere Form von Brunnen dar (vgl. Sommerfeld 1992, 168 ff.; kritisch Linnemann 2007, 38, 67 ff.). Angebliche Salzsiede-Keramik daraus gehört in die Bronze- oder frü- he Eisenzeit. Hitzacker war also in der slawischen Zeit kein Salzsiedeort, wie man zeitweise vermutete. Salz könnte aber in der Fischindustrie eine wichti- ge Rolle gespielt haben. Zwei angebliche karolingische „Kreuzfibeln“ konn- ten durch Sophie Linnemann als kreuzförmige Riemenverteiler vom Pferde- geschirr bestimmt werden (Linnemann 2007, 52). Parallelstücke stammen von einer Burg bei Neudorf-Kahlberg, Stadt Weismain auf der fränkischen Alb (Haberstroh 2000). Als Schmuckanhänger ist die Form in Nordrussland über- liefert (Zaitseva 2002, Fig. 3). Ein Kreuzanhänger aus einem spätslawischen Befund bezeugt die Rezeption christlichen Gedankenguts in der Bevölkerung (Linnemann 2007, 53 ff.). 11 Wolf 1958, 30; Ludat 1936, 17, Tabel- le Nr. 70A, 212; nach Krüger 1962, 84 ff. besteht zwar eine Bindung der Kietze an slawisch-frühdeutsche Burganlagen so- IV. Aspekte der Ortsnamenforschung wie die Lage im Vorfeld deutscher Stadt- gründungen, ein ursprünglich von Fi- Angesichts der slawischen Wurzeln überrascht der deutsche Name „Hitza- scherei dominiertes Gewerbe ist jedoch cker“. Wolfgang Laur, Friedhelm Debus und Antje Schmitz deuteten ihn als mangels Quellen für das Mittelalter nicht „Hiddis Acker“, also Feld des „Hiddi“, einer Abkürzung für Namen wie Hilde- explizit zu belegen. Immerhin liegen aber rich, Hiltbert oder ähnlich (Laur 1960, 240; Schmitz 1999, 84 f.; Linnemann die meisten älteren Kietze in Gewässer- 2007, 72). Ortsnamen mit „Hiddi“ kommen bereits im 8./9. Jh. vor; zu verwei- nähe (wie dies auch in Hitzacker der Fall sen ist etwa auf Hitzhusen bei Bad Bramstedt, das allerdings erst um 1283 ge- wäre), so dass die Ausübung der Fische- rei begünstigt wird; vgl. auch Ludat 1936, nannt wird. Eine frühe Entstehung des Ortsnamens ist nicht ganz ausgeschlos- 79, 96 f., bes. 131 ff. Bemerkenswert ist sen, wie die Kartierung früher deutscher Ortsnamen im Wendland zeigt: Es das konzentrierte Vorkommen im Kern- gibt etwa zwei Dutzend Ortsnamen, die auf -heim, -stedt, -leben oder -ingen gebiet der askanischen Mark Branden- enden, alles Endungen, die in die Völkerwanderungszeit (5./6. Jahrhundert) burg, Krüger 1962, 99 ff. zurückreichen (Willroth 1999, 84 f.; Debus 1993, 48 ff.). In der Nachbarschaft 12 Linnemann 2007, Katalog und Tafeln 6 a, von Hitzacker befinden sich mehrere solcher Orte: Dötzingen, Harlingen, b, 9 a, 11, 15, 16; Nikulka/Wachter 1992, Metzingen und Sarchem. Für Nebenstedt östlich von Dannenberg ist durch 88 ff.; vgl. zur ähnlichen Situation auf einen Hortfund mit Goldbrakteaten auch archäologisch eine Besiedlung im dem Weinberg Wachter 1998 a, 73. 6. Jh. bezeugt. Auch die übrigen archäologischen Zeugnisse aus dem Wend- 13 Nüsse 2002, 187 mit Abb. 123; sie stam- land sprechen für ein Weiterbestehen der Besiedlung in der Völkerwande- men nach anderen Angaben aus der rungszeit, eventuell mit einer Konzentration auf wenige Zentren (Nüsse 2002, Jeetzel, Saile 2007 a, 179 mit Kat. Nr. 135, 80 f.; kritisch Saile 2007 a, 179). Am Westhang des Osterberges (etwa in der 266. Mitte der Bergstraße, oder auf dem Langenberg?) wurden zwei Lanzenspitzen www.histarch.org Thomas Küntzel | Der Stadtwall in den Gärten 9 • 1 2010 des 6./7. Jh.s gefunden, die eine sechskantig facettierte Tülle besitzen 13. Die Tradition der Ortsnamen beweist eine Kontinuität über die slawische Land- nahme hinweg. Schon in der römischen Kaiserzeit befand sich in Marwedel bei Hitzacker ein Gehöft germanischer Großbauern oder von Angehörigen des „Kriegeradels“, die vielleicht im römischen Reich als Legionäre gedient hatten und reich in die Heimat zurückkehrten. Ihre Gräber, die 1928 bzw. 1944 entdeckt wurden, enthielten wertvolles Bronzegeschirr, Glas, Münzen und Terra Sigillata, das „Porzellan“ der Römerzeit. Die Grabungen von Hans- Jörg Nüsse haben die Reste der zugehörigen Siedlung in Form von Gruben- häusern zutage gebracht 14.

Der ursprüngliche, slawische Name des Ortes ist im Drawehnopolabischen als Lgautzgi überliefert. Er wird von dem Personennamen „Ljutek“ oder „Lju- tow“ abgeleitet, den Kurzformen für „Ljutobor“ oder „Ljutomer“ (Schmitz 1999, 85, 116 f.; Schmitz 1993, 112). Falls dies der ältere Name für die Burg und die Siedlung gewesen ist, könnte er in der Kolonisationszeit durch einen neu- en, deutschen Namen ersetzt worden sein (ähnlich wie bei Dannenberg). An- dererseits ist auch eine Übersetzung des deutschen Namens denkbar: Der Name ist nicht weit vom drawehnopolabischen Lgundi für „Acker“ entfernt (vgl. Olesch 1967, 82) – oder beruht das deutsche „-acker“ auf einem Missver- ständnis des drawehnopolabischen Namens?

Für die Entstehung des Ortsnamens „Hitzacker“ gibt es aber noch eine an- dere Möglichkeit, die auf eine weitere Verlegung des Ortes Hitzacker schlie- ßen lässt. Ansatz dieser These ist der Vergleich mit einem weiteren Ort, Her- mannsacker am Südharz. Hermannsacker dürfte durch den Thüringischen Landgrafen Hermann I. angelegt worden sein, der von 1190 bis 1217 regierte, also grob um 1200. Der Ortsname Hitzacker könnte demnach ebenfalls recht jung sein, nicht viel älter als die älteste Erwähnung im Jahre 1162. Aber wo befand sich „Hiddis Acker“? Das slawische Siedlungsgelände in den Lanke- Gärten lag in der Neuzeit in einer sumpfigen Uferzone, die öfters von Elbe- 14 Nüsse 2006; Harck 2000, 157; Nüsse Hochwassern heimgesucht wurde. Diese Hochwasser sind mit der Eindei- 2002, 70, 76, 185 f. (Fundstelle Scharfen- chung der Elbmarschen im 12. und 13. Jh. deutlich angestiegen (Linnemann berg); Laux 1992; Harck 1972/73, 98 f., 2007, 5; Lüdtke 1980/81, 86; Voss 1969, 50). Es wäre also denkbar, dass man vgl. auch 113. das Niederungsgebiet deshalb verlassen musste und auf die Geesthöhe bzw. 15 Kneschke 1973, 386; vgl. Wolf 1958, 17. den Hang zwischen Meeschenberg und Osterberg umsiedelte, und dort hätte Zur Ministerialität in Niedersachsen dann auch „Hiddis Acker“ gelegen. Das Gelände war zwar eigentlich weniger Schubert 1997, 378 ff., 403 ff. siedlungsgünstig, denn es ist teils hängig, teils liegt es oberhalb der lebens- 16 Schubert 1997, 393; dagegen lässt Gaet- wichtigen Wasserquellen. Dafür lässt es sich besser von der Burg auf dem tens 1937, 1 die Geschichte der Grafschaft Weinberg aus kontrollieren, was die Umsiedlung als herrschaftliche Maßnah- Lüchow erst 1158 beginnen; vgl. auch me erscheinen lässt. Für die Bestätigung dieser These sind jedoch weitere Er- Krüger 1874/75, 270; Schulze 1963, 78 ff. kenntnisse zur frühen Siedlungstätigkeit entlang der Jeetzel erforderlich. analog hielt Meyer (-Seedorf) 1911, 74 f. den Beleg für die Grafschaft Dannen- berg zu 1145 für unsicher und vertrat die Folgen wir der These von der Verbindung des Ortsnamens mit der Geest- Auffassung, sie sei erst um 1152–54 einge- höhe zwischen Meeschen- und Osterberg, muss die angenommene Um- richtet worden (allerdings unter dem Pa- siedlung aus der Jeetzel-Niederung auf die Geesthöhe am Meeschenberg radigma, die Grafschaften gingen auf die zumindest ansatzweise vorher erfolgt sein. Der 1162 genannte Dietrich von Initiative des großen Kolonisators Hein- Hitzacker war ein Ministerialer, d.h. ein unfreier Dienstmann Herzog Hein- rich den Löwen zurück); vgl. auch Schul- richs des Löwen, und Stammvater der langlebigen Adelsfamilie von Hitza- ze 1963, 90 f.; das Auftreten der Grafen cker. Die Ministerialen, aus denen später der Ritterstand hervorging, gewan- von Dannenberg und von Lüchow ist nen im 12. Jahrhundert unter dem Sachsenherzog große Bedeutung für die nicht nur vor dem Hintergrund spezi- 15 fisch wendländischer Entwicklungen zu Herrschaftsausübung . Heinrich der Löwe eroberte ab 1147 weite Gebiete sehen, sondern auch durch die allgemei- östlich der Elbe. Eventuell kam es bereits vorher, parallel zu den Kriegszügen ne Tendenz zur Ausbildung „gräflicher“ Albrechts des Bären in der Prignitz 1136–38, bzw. 1138/39 bei der Unterwer- Herrschaftsbereiche im Reich zu erklä- fung der holsteinischen Wagrier und Polaben, auch zur Durchsetzung deut- ren, vgl. Schubert 1997, 369 ff.; Wachter scher Machtansprüche im Wendland. So ist die Grafschaft Lüchow schon 1998 a, 140. 1144 bezeugt, vielleicht auch die Grafschaft Dannenberg 16. Die herzogstreu- 17 Vgl. Schniek 2003, 17; zur „Ostpolitik“ en Grafen von Lüchow und von Dannenberg dürften die Feldzüge gegen die Heinrichs des Löwen allgemein auch Abodriten, die bis in die 1170er Jahre hinein erfolgten, tatkräftig unterstützt Schubert 1997, 431 ff., Schultze 1953. haben 17. Allerdings besaßen die Grafen von Dannenberg und von Lüchow www.histarch.org Thomas Küntzel | Der Stadtwall in den Gärten 10 • 1 2010 Abb. 3: Nordteil des Siedlungskomplexes Hitzacker mit dem Weinberg und der Berg- Alte Jeetzel kirche St. Johannis. Farben und Zahlen wie Abb. 1. Fig. 3: Northern part of the settlement site 6 Hitzacker featuring the Weinberg and the hill church St. Johannis. Numbers/colours comp. fig. 1. 2 1 Jeetzel

3 6 Breede Stieg Weinbergweg

N "Hunte"

0 100 m

auch Lehen der askanischen Markgrafen von Brandenburg. Die Grafen von Dannenberg stammen sogar aus deren Herrschaftsbereich, denn sie waren Vögte in Salzwedel. Sie könnten bereits Ende der 1130er Jahre in das Wend- land gekommen sein, während der Slawenfeldzüge Albrechts des Bären 18. Im Unterschied zu Dannenberg und Lüchow blieb die Burg Hitzacker aber in unmittelbarer Verfügungsgewalt Heinrichs des Löwen. Neben dem Minis- terialen Dietrich von Hitzacker amtierte 1169 und 1171 ein herzoglicher Burg- vogt Heinrich in Hitzacker. Ähnliche Burgvögte vertraten die Welfen auch in Lüneburg, Bardowick und Artlenburg, wobei der Vogt von Hitzacker 1169 in einer Zeugenreihe sogar vor dem Vogt von Lüneburg genannt wird, ihm also zumindest rangmäßig ebenbürtig war 19.

Bei der Neustrukturierung des Wendlandes im 12. Jh. spielte die deutsche (und slawische) Kolonisation eine wichtige Rolle 20.In den nordwestdeut- schen Küstengebieten und in Westfalen wurden ab Mitte des 12. Jh.s verstärkt 18 Zillmann 1975, 156 ff.; Meyer (-Seedorf) 1911, 73 ff.; vgl. Partenheimer 2007, 66 ff.; Siedler angeworben, etwa 1162 für die Grafschaft Ratzeburg (das spätere Her- Saile 2007 a, 73 f. zogtum Lauenburg). 1190 überließ der Ratzeburger Bischof den Grafen von Dannenberg die Länder Jabel und Weningen nördlich der Elbe zur Kolonisati- 19 MGH DD Heinrich der Löwe, Nr. 81, Nr. on mit deutschen Siedlern 21. Damit einher ging die intensive christliche Mis- 89, 90, 91. Nach Gerhard Streich gehör- ten die Burgvögte zur Familie der Herren sion sowie die Errichtung von Pfarrkirchen (Wachter 1998 a, 137 f.; Michael von Hitzacker (Streich 1995, 490). Dafür 2001). Eine ähnliche Situation gab es in der Prignitz, in Brandenburg und den spricht, dass Burggraf Heinrich 1171 zu übrigen Ländern östlich der Elbe. Dort wie im Wendland herrschte damals den Ministerialen gerechnet wird. quasi „Goldgräberstimmung“ 22.Verglichen mit den übrigen ostelbischen 20 Saile 2007 a, 72 ff., 212 ff.; allgemein Landschaften blieben Wendland und Prignitz aber relativ isoliert, was das Gringmuth-Dallmer 2006; Schniek Fortbestehen slawischer Siedlungselemente begünstigte (Saile 2007 a, 73). 2003, bes. 17 ff., 146 ff.; Schubert 1997, 554 ff.; Wachter 1998 a, 141 f.; Meibeyer Wohl im 12. Jh. wurde am Meeschenberg gegenüber der Weinbergburg 1964, 1991, 2001; Partenheimer 2007, 78. eine große Feldsteinkirche errichtet, die sogenannte „Bergkirche“ St. Johan- 21 UB Mecklenburg I, Nr. 150; Zillmann nis (Abb. 3, 4). Sie wurde Ende der 1950er Jahre unter Leitung von Siegmund 1975, 160; Enders 1996, 36 f. (demnach Wolf teilweise ausgegraben. Es handelt sich um eine Saalkirche von über 35 soll die Übertragung der Gebiete an die m Länge und 9,20 m Breite (Wolf 1958, 21; Wachter 1998 a, 24). Die spätere Grafen von Dannenberg schon 1142 er- Stadtkirche St. Johannis im Tal ist um 3 m kürzer, wobei der heutige Bau aller- folgt sein); Meyer (-Seedorf) 1911, 86. dings erst nach dem Stadtbrand 1668 entstand. Die Bergkirche übertrifft auch 22 Enders 1996; Partenheimer 2007, 78 ff.; alle vergleichbaren Dorfkirchen in der Altmark und den Gebieten östlich der vgl. aus archäologischer Sicht Kirsch Elbe: die sehr stattliche Kirche von Dambeck südlich von Salzwedel misst z.B. 2005; Schniek 2003. nur 32 m in der Länge; die Kirche von Schartau nördlich von Magdeburg er- 23 23 Vgl. zu Schartau Roessle 2006, 312; zur reicht mit einem später angefügten Turm 36,40 m . Anders als in Dambeck ähnlich dimensionierten Dorfkirche von fehlte in Hitzacker der Turm. Die noch erhaltene Westmauer der Bergkirche Winnefeld im Solling Stephan 2007, 218 f., ist nur etwa 1,30 m dick, während Turmmauern von Feldstein-Dorfkirchen 226 ff. oft 2 m mächtig sind (insbesondere, wenn das Erdgeschoss eingewölbt war, www.histarch.org Thomas Küntzel | Der Stadtwall in den Gärten 11 • 1 2010 Abb. 4: Rekonstruktion der „Bergkirche“ St. Johannis. Fig. 4: Reconstruction of the hill church St. Jo- hannis.

Roessle 2006, 46). Wahrscheinlich besaß die Bergkirche einen zierlichen Gie- belturm. Solche Giebeltürme kommen recht häufig im Raum Magdeburg und im Fläming vor. Sie bestehen nur aus einer Mauerzunge auf der Spitze des Giebels und einem dahinter gesetzten Glockenhaus in Fachwerk. Nicht selten hat man sie später mit einem „richtigen“ Turm umbaut, so dass sich der roma- nische Giebel samt Turm im Mauerwerk erhalten hat, etwa bei der Kirche von Zeddenick (Roessle 2006, 68 f.). Der Bau eines großen Westquerturmes war nicht zuletzt eine Kostenfrage; sein Fehlen in Hitzacker könnte aber auch da- mit zusammenhängen, dass man gegenüber der Weinbergburg kein höheres Gebäude haben wollte, das Angreifern als Stützpunkt dienen konnte. Die zu- nächst ebenfalls ohne Westquerturm konzipierte Kirche von Schartau dürfte schon um 1156 errichtet worden sein. Auch in der Mark Brandenburg entstan- den viele Dorfkirchen in den 1160–70er Jahren (Cante 2009, 286 mit Anm. 18). Ein derart frühes Baudatum ist auch bei der Kirche in Hitzacker denkbar: 1162 ist mit Dietrich von Hitzacker der erste, namentlich bekannte Bewohner von Hitzacker bezeugt. Die Herren von Hitzacker betrachteten die Bergkir- che im 14. Jahrhundert als ihre eigene Hauskirche 24. Sie war aber wohl nicht der älteste Kirchenbau in Hitzacker. Siegmund Wolf zufolge ruhten die Mau- ern auf älteren Bestattungen, die vielleicht zu einer Holzkirche gehörten. Ein Wehrturm, den Siegmund Wolf vermutete, wird dort jedoch nicht gestanden haben. Die erste Kirche oder Kapelle errichtete vielleicht der christliche Sla- wenfürst Gottschalk, der in Oldenburg, Alt-Lübeck, Mecklenburg und Lenzen residierte, aber 1066 von heidnischen Rivalen ermordet wurde. Zwei Buchbe- schläge von der Burg auf dem Weinberg betrachtete Ingo Gabriel als Belege für ein örtliches Skriptorium, denn die Beschläge sind „werkstattfrisch“ und nicht an einem bereits fertigen Buch in die Burg gekommen (Gabriel 1991). Der Slawenfürst Gottschalk war im Michaeliskloster in Lüneburg ausgebildet worden und gründete um die Mitte des 11. Jh.s zahlreiche Kirchen und Klös- ter, unter anderem in Lenzen (Schubert 1997, 175 f.). Hierfür benötigte er viele liturgische Handschriften, die vielleicht zum Teil auf dem Weinberg herge- stellt wurden. Ob der erste Sakralbau daher auf dem Meeschenberg stand oder in der Burg, ähnlich wie in Oldenburg (Holstein) und Alt-Lübeck, bleibt der Spekulation überlassen. Neuen Anschub erhielt die Christianisierung erst wieder mit der Aussendung des Missionars Vicelin durch Herzog Lothar 1126. Aber die christliche Lehre wurde nur zögerlich aufgenommen; besonders im 13. Jahrhundert lassen sich durch archäologische Grabungen auf Gräberfel- dern abergläubische Praktiken nachweisen, wie die Sitte des Charonspfen- 24 Vgl. Wolf 1958, 21 f., der aber eine Quelle nigs (Saile 2007 a, 75; Peters 1966, 229 ff.; Berghaus 1966). Viele wendländi- von 1400, die von „der von Hydsacker sche Dorfkirchen scheinen nach neuen Dendrodaten erst nach 1300 errichtet Kercken up den Berge“ spricht, auf die worden zu sein, etwa 1305 jene in Zeetze (Wübbenhorst 2006). Dem Bau der Bewohner der Stadt Hitzacker bezieht. Bergkirche kommt demnach eine besondere Bedeutung zu. Vorsicht ist aller- www.histarch.org Thomas Küntzel | Der Stadtwall in den Gärten 12 • 1 2010 dings bei der Klassifizierung der Kirche als „Dorf-“ oder „Stadtkirche“ gebo- ten. S. Wolf erkannte zwar bereits, dass die Johanniskirche auf dem Berge grö- ßer ist als die Johanniskirche in der späteren Stadt, sah in ihr aber doch eine „regelrechte Dorfkirche“ (Wolf 1958, 21). Man sollte jedoch bedenken, dass auch andere, städtische Siedlungen des 11./12. Jh.s anfangs eher bescheidene Saalkirchen besaßen, wie Altencelle oder Verden (von Lührte 2000; Boeck/ Marschalleck 1965–69, 72).

V. Hitzacker zwischen Welfen und Askaniern

Herzog Heinrich der Löwe wird 1180 in einem spektakulären Gerichtsver- fahren entmachtet und sein Herrschaftsbereich zwischen dem Kölner Erz- bischof und dem askanischen Fürsten Bernhard von Anhalt aufgeteilt. Der Erzbischof erhielt Westfalen (mit Engern), Bernhard Sachsen. Die wendländi- schen Grafen von Dannenberg, von Lüchow sowie die Grafen von Schwerin und von Ratzeburg huldigten 1182 in Artlenburg dem neuen Herzog Bernhard (Marcus 1993, 105 ff.). Bernhard war aber letztlich ebenso wenig wie der Köl- ner Erzbischof in der Lage, die Herrschaft in den ihm unterstellten Gebieten wirklich durchzusetzen. Hierzu fehlten ihm die unmittelbaren Herrschafts- stützpunkte, die weiterhin die Welfen besetzt hielten. Das sächsische Her- zogtum zerfiel aufgrund dieses Machtvakuums in eine ganze Anzahl kleinerer Herrschaften, insbesondere in der Peripherie, entlang der Weser, die deshalb bald als „freier Strom der Grafen“ galt, und zwischen Harz und Elbe (Schubert 1997, 525 ff.). Auch die Grafen von Dannenberg und von Lüchow erreichten eine gewisse Unabhängigkeit.

Hitzacker scheint in dieser Situation erneut eine Sonderrolle zugekommen zu sein. Wenn wir dem Chronisten Arnold von Lübeck Glauben schenken, zog Kaiser Friedrich Barbarossa es nach der Verurteilung Heinrichs des Lö- wen zunächst ein. Hitzacker besaß damit vorübergehend den Status einer Reichsburg. Schon bei dem Huldigungstag in Artlenburg 1182 gab Friedrich Barbarossa Hitzacker aber wieder aus der Hand, und zwar im Tausch gegen Lübeck, das Herzog Bernhard von Anhalt damals eigentlich gerne bekommen hätte 25. Hitzacker muss also ein akzeptables Äquivalent für die aufstreben- de Hafenstadt an der Trave gewesen sein, selbst wenn Barbarossa noch 20 25 MGH Script. rer. Germ. 32, Helmold von Hufen drauflegte – soviel wie ein mittelgroßes Dorf im Altsiedelland zählte. Bosau (1937), 3. Buch, 4. Kapitel; vgl. zu Dieser Tausch unterstreicht nachhaltig die strategische und ökonomische Be- diesem Ereignis Schubert 1997, 490. deutung Hitzackers in dieser Zeit 26. Die zusätzlichen Hufen sollten eventuell 26 Dass eine städtische Entwicklung Hitza- die wohl schon damals kleine Ortsgemarkung ergänzen, die mit 331 Hektar 27 ckers im späten 12. Jh. nicht ausgeschlos- einem kleineren Dorf entspricht . sen ist, zeigt ein Vergleich mit Lüchow und Werben in der Altmark: Lüchow Schaut man auf die politische Landkarte des 13./14. Jh.s, wird klar, dass wird auf einem Brakteaten der Zeit um Hitzacker auch für die Askanier bedeutsam sein musste: Ihre Besitzungen im 1200 als „civitas Wernerus“ bezeichnet, Lauenburgischen bzw. in der Grafschaft Ratzeburg lagen weitab der askani- Gaettens 1937, 16 ff.; in Werben, das 1225 schen Kernlande um Wittenberg und Bernburg, und so war jeder Stützpunkt als „civitas“ (Stadt) von Bürgern („bur- auf dem Wege dazwischen willkommen. Die Brandenburgischen Askanier genses“) bewohnt war, ist archäologisch hatten sich 1170 mit der Teilung unter Herzog Bernhard und seinem Bruder schon für die 1170er/80er Jahre die An- lage von Bohlenwegen nachgewiesen, Otto abgespalten und blieben seitdem eigenständig. Sie besaßen aber natür- Gildhoff 2006. lich auch ein Interesse an dem strategisch wichtigen Burgplatz an der unte- ren Jeetzel, denn Hitzacker lag unmittelbar vor den Toren ihrer Handelsstadt 27 Wolf 1958, 23. Die Zahl von 20 Hu- Salzwedel. fen erscheint relativ gering, nimmt man die Ausstattung der wendischen Bistü- mer Ratzeburg, Oldenburg und Schwe- Die Kinder Heinrichs des Löwen hielten allerdings an ihren Ansprüchen im rin zum Vergleich: Sie erhielten (theo- Wendland fest. Als die drei Brüder Pfalzgraf Heinrich, König Otto IV. und Wil- retisch) je 300 Hufen, in der Praxis aber helm 1202 die Güter der Familie unter sich aufteilten, wurde Hitzacker Wil- auch weniger, Schubert 1997, 441. helm zugesprochen, der seine Residenz in Lüneburg nahm 28. Wie Hitzacker 28 Leibniz 1711, 626 ff., Nr. 144, 145, 852 ff., wieder in den Besitz der Welfen gekommen war, ist nicht nachvollziehbar, aber Nr. 351, 352; Schubert 1997, 495 f.; Pisch- der Herrschaftswechsel wurde offenbar von Bernhard von Anhalt akzeptiert: ke 1987, 12 ff.; Meyer (-Seedorf) 1911, 90. sein Sohn Albrecht I. unterstützte offen König Otto IV (Steudener 1895, 9 f.; www.histarch.org Thomas Küntzel | Der Stadtwall in den Gärten 13 • 1 2010 Mundhenke 1953). Nach dessen Tode wechselten die Askanier allerdings zeit- weise zur staufischen Partei. 1201/02 hatten überdies die Dänen unter König Knud sowie die Fürsten Heinrich Borwin und Nikolaus Holstein einschließ- lich Lübeck und Lauenburg erobert, wodurch Hitzacker an der Grenze des deutschen Reiches zum dänischen Ostseereich zu liegen kam (Gaethke 1994, 84 ff.; vgl. Meyer [-Seedorf] 1911, 91, 95 f.). Das weiterhin expansive Vorgehen Dänemarks führte 1223 zur Gefangennahme des dänischen Königs Waldemar II. durch den Grafen Heinrich von Schwerin, der ihn auf der nahe gelegenen Burg Dannenberg inhaftierte (Gaethke 1996, 8; Meyer [-Seedorf] 1911, 97 ff.; Grundmann 1954, 357; Biermann 2007, 572 ff.). Kaiser Friedrich II. forderte schließlich für die Freilassung, dass Waldemar Nordalbingien räumen und die deutsche Lehnshoheit anerkennen solle. Dessen Versuch, dieses Schick- sal durch militärische Mittel abzuwenden, scheiterte vor Bornhöved (Gaethke 1996, 37; Neumeister 2001, 47; vgl. Steudener 1895, 32 ff.). Hierbei geriet aber Otto das Kind in Gefangenschaft. Um sich aus der Gefangenschaft auszulö- sen, musste er 1229 Hitzacker Herzog Albrecht I. von Sachsen überlassen 29. Weder die Dänen noch die Welfen gaben allerdings ihre Besitzansprüche auf: Letztere versuchten, Hitzacker zurückzuerlangen, die dänischen Könige, ihre Herrschaft bis an die Elbe auszudehnen – dieser Konflikt wirkte sich bis weit in das 14. Jh. hinein auf die Entwicklung von Hitzacker aus.

Nach der Erhebung der Welfen zu neuen Herzögen in Braunschweig und Lüneburg 1235 intensivierten diese die Rückerwerbung verloren gegange- nen Machtbereiche (Zillmann 1975; Patze 1971). Auch die alten Ansprüche an Hitzacker wurden wieder ausgegraben. Im Februar 1258 einigten sich die Welfen und die askanischen Herzöge von Sachsen erneut über die Burg Hitza- cker, die Marschen entlang der Elbe, außerdem über Bleckede und Artlen- burg. In der Urkunde wird eigens betont, dass der braunschweigische Herzog Albrecht I. dem askanischen Herzog Albrecht I. (seinem Schwager) schon seit längerem damit in den Ohren lag. Fürderhin versprachen die braunschwei- gischen Herzöge, von allen Aktionen gegen und Forderungen an Hitzacker abzusehen. Dies lässt darauf schließen, dass es zu Handgreiflichkeiten ge- kommen war, in deren Zuge auch eine Befestigung der Siedlung am Mee- schenberg durch den Landgraben plausibel erscheint. Da die Angriffe der Welfen und ihrer Verbündeten offenbar andauerten, entschlossen sich die Askanier schließlich, Hitzacker auf die Insel an der Jeetzelmündung zu verle- gen. Eine Inselfestung war mit damaligen Waffen nur schwer zu bezwingen: Ein Reiter konnte die breite Jeetzel nicht einfach so überspringen, die Ritter in ihren schweren Panzern waren zu unbeweglich zum Hinüberschwimmen, und mit Belagerungstürmen oder Miniertunneln konnte man ihr auch nicht beikommen.

29 MGH Dt. Chroniken 2, Sächs. Weltch- VI. Hitzacker als "Stadt" ronik, 248; vgl. Meyer (-Seedorf) 1911, 113; Steudener 1895, 47 ff. In der Schlichtungsurkunde zwischen Welfen und Askaniern von 1258 wer- 30 Möglicherweise erklärt dies auch die ge- den die Stadt Hitzacker und ihre Bürger nicht erwähnt (im Unterschied zu Ble- ringe Ausdehnung der Stadtgemarkung, ckede und Artlenburg, die als „oppida“, lat. Stadt, Flecken bezeichnet werden, vgl. Wolf 1958, 23: Sie umfasst nur 331 ha und Witzenhausen und Allendorf, die sogar das Prädikat „civitas“ erhielten), (Dannenberg: über 781, Lüchow: über weshalb man lange dachte, dass die Stadt erst danach gegründet worden 779 ha). Die Askanier konnten eventu- sein kann. Allerdings wird in mittelalterlichen Urkunden nicht immer alles ell zur Zeit der Stadtgründung nicht über erwähnt, was dem Historiker aus heutiger Sicht wichtig erscheint. Wenn die das Land von Dötzingen verfügen, das sie Hitzacker hätten zuschlagen müssen. Stadt damals als askanische Gründung verstanden wurde, hätten die Welfen keine Anrechte daran gehabt. Das „oppidum“ Bleckede war 1209 von ihnen 31 „Cum Ciuitatem sub monte sitam, magnis selbst als „Löwenstadt“ mit Stadtrechten ausgestattet worden; für Artlenburg laboribus et expensis, vltra yesnam const- ist die Urkunde von 1258 der erste Beleg als Stadt 30. In der Urkunde von 1269 ruxerunt“,– „als sie [die Bürger] die unter dem Berge gelegene Stadt mit vielen Mü- werden die Bewohner von Hitzacker ganz selbstverständlich schon vor der hen jenseits der Jeetzel errichteten“ UB Stadtverlegung als „Bürger“ klassifiziert, was jedoch einfach ungenau formu- Braunschweig (Hzge.) I, Nr. 65; vgl. in die- liert sein kann 31. Sollte das Auflassen der Siedlung an den Lanke-Gärten mit sem Sinne schon Mithoff 1877, 95. der Befestigung der Kernsiedlung innerhalb des Landgrabens einhergegan- www.histarch.org Thomas Küntzel | Der Stadtwall in den Gärten 14 • 1 2010 gen sein, lässt dies auf die Befestigung in den 1220er/30er Jahren schließen (um 1229/30?). Die Lesefunde von der Adler-Apotheke sprechen für einen späteren Zeitansatz der Siedlungstätigkeit innerhalb des Landgrabens bzw. westlich der Jeetzel unter dem Langenberg, was mit dieser Deutung überein- stimmen würde. Die nach der Verlegung an die Bürger vergabten Privilegien müssen nicht das erstmalig verliehene „Stadtrecht“ sein, sondern es handelt sich, soweit in der Urkunde benannt, um steuerliche und Zollvergünstigun- gen, die die finanziellen Einbußen und Aufwendungen für die Übersiedlung kompensieren sollen. Andererseits ist aus der Bezeichnung als „civitas“ nicht notwendigerweise auf eine Befestigung zu schließen – und somit auch nicht auf die Existenz des „Landgrabens“ als Stadtwall. Die Stadt Celle, die erst 1292 von Altencelle an die Stelle der späteren Altstadt verlegt wurde, war bis zu diesem Zeitpunkt ebenfalls unbefestigt, wie die Untersuchungen 2007 und 2008 ergaben (Küntzel 2010). Die neue Siedlung auf der Jeetzelinsel war al- lerdings schon aufgrund ihrer Lage im Fluss leicht zu verteidigen.

Die Inselstadt bestand nach den Forschungen von Siegmund Wolf aus ei- nem bürgerlichen Teil im Süden und einer mit Adelshöfen bestandenen In- sel im Norden (Wolf 1958, 25 ff.). Der südliche und der nördliche Teil wurde den durch einen Graben, die Hunte, voneinander getrennt. Dieser Graben ist erst im Dreißigjährigen Krieg zugeschüttet worden. Die „Bürgerstadt“ soll nach Wolf 49 Hofstellen umfasst haben. Dies wird aus der Anzahl an Berech- tigungen in der Stadtfeldmark erschlossen. Die meisten Grundstücke lagen in Form von „Handtuchparzellen“ an der Elbstraße und der Hauptstraße. Einige kleinere Grundstücke befanden sich auf dem schmalen Streifen zwi- schen den beiden Straßen, darunter der Platz des einstigen Rathauses. Es stand dem Zollhaus gegenüber. Die These, dass dieser Baublock ursprünglich zum Marktplatz gehörte und erst später bebaut wurde, verwarf Wolf mit dem Hinweis auf die Zahl der „ursprünglichen“ Hausstellen, die aber erst in der Neuzeit greifbar werden. Berücksichtigt man die lange Zeitspanne seit dem 13. Jahrhundert, ist aber eine nachträgliche Bebauung dieses Geländes durch- aus denkbar. Im Südosten der Stadt befand sich eine Burg bzw. das spätere Schloss (Wolf 1958, 32 ff.). Es war zunächst relativ klein, wurde aber im 16. Jh. durch Hinzunahme von Bürgerparzellen stark erweitert, bis es mit seinen Nebengebäuden fast das gesamte Eckquartier einnahm. Nach der Zerstörung des Schlosses wurde ein Teil des Geländes wieder mit Bürgerhäusern bebaut, wodurch die Rosenstraße, die Marienstraße und die Brauhofstraße entstan- den. S. Wolf vertrat weiterhin die Ansicht, das Drawehnertor im Süden der Stadt habe ursprünglich weiter östlich gelegen, in gerader Verlängerung der Elbstraße. Erst im Zuge der Schlosserweiterung sei es an die spätere Stelle ver- legt worden. Für diese Theorie gibt es jedoch keine weiteren Hinweise, und angesichts der Anbindung der Hauptstraße an die südlich sich fortsetzende Landstraße ist eine solche Position auch ziemlich unwahrscheinlich – die Elb- straße hätte dann geradewegs in die Jeetzel-/ Lankeniederung geführt. Die Ausrichtung der Befunde in den Grabungsflächen „Lanke-Gärten“ spricht auch eher dafür, dass der Hauptplatz der Siedlung ursprünglich direkt südlich der heutigen Jeetzel-Brücke gelegen hat (s.o.).

Die Bewohner der neuen Stadt verfügten 1271 über ein Siegel, bildeten also eine rechtsfähige Gemeinde (UB Mecklenburg II, Nr. 1219; vgl. Thurich 1969, 182 ff.; Wolf 1958, 39). Zwei Adelige, Jerrich van Berskamp und Heinrich von Wittenlog verwendeten damals in Ermangelung eines eigenen Siegels dasje- nige der Stadt. 1289 gaben die Ratsherren von Hitzacker eine Erklärung über das Erbe eines gewissen Ghyseke Knolle ab, was auf ihre Funktion als Schieds- richter in Erbfragen hindeutet, einem wichtigen Bereich des Stadtrechtes (UB Hamburg I, Nr. 849). Fünf Ratsherren werden sogar namentlich aufgezählt, und dazu neun Bürger, teilweise mit Berufsangaben. Die Bürger gehörten vielleicht im Vorjahr dem Rat an, dessen Mitglieder, wie andernorts üblich, regelmäßig ausgetauscht worden sein dürften. Unter den Ratsherren befand sich ein Bä- cker Martin, unter den weiteren Zeugen ein Schneider Heinrich, ein Fleischer www.histarch.org Thomas Küntzel | Der Stadtwall in den Gärten 15 • 1 2010 Herrmann und ein Schmied Johann. Ein weiterer Heinrich (oder seine Vorfah- ren) stammte offenbar aus Hameln, und die Beinamen zweier Bürger lassen auf slawische Herkunft schließen: Eckhard „Swobiz“ und Johann „Swolnic“. Die Namen verweisen eventuell auf einen slawischen Stamm jenseits der Elbe: die polabischen Smolinzer oder Smeldinger, die zwischen Dömitz und Boizenburg siedelten (von russisch „swolotsch’“, Gauner, wird man den Beinamen kaum ableiten wollen, allenfalls noch von „smola“, Teer, oder der Lerche, draweno- polabisch „Sswörnack“ bzw. dem Schwein, polabisch svainą) 32. Ein Ratsherr Heinrich wurde nach seinem Vater, einem Johann Rutcheres bezeichnet; des- sen Beiname, Rutcheres, ist ebenfalls von einem Vornamen, Rüdiger oder Rot- ger abgeleitet. Den gleichen Namen, nur in einer Verkleinerungsform, trägt der Ratsherr Rottheke (vgl. Gottschald 2006, 260 ff.; Cascorbi 1933, 266 ff., 410). Auch der Beiname eines Bürgers Heinrich, „Voco“ dürfte von einem Vornamen abstammen, Volker bzw. Fulculf. Im Friesischen ist Focko noch ein geläufiger Name (Gottschald 2006, 509; Brechenmacher 1960–63, 481; Cascorbi 1933, 203 f.). Der Name Bernhard „Swerze“, vom Mittelhochdeutschen „swinde, swint“, bedeutet soviel wie „stark, kräftig, schnell (geschwinde)“ (Gottschald 2006, 484, 453; Cascorbi 1933, 471). Ein weiterer Beiname, Dusere, taucht sowohl unter den Ratsherren (Heinrich D.) als unter den Bürgern (Herrmann D.) auf und hat demnach schon die Qualität eines Familiennamens erreicht. Er bedeutet „ungeduldiger Mensch“ oder „still, schüchtern“. Der Name ist auch in Stendal und Tangermünde bezeugt, was möglicherweise auf familiäre Kon- takte hinweist (Brechenmacher 1960–63, 367; UB Brandenburg, Register 1, 388; Gottschald 2006, 164). In das Nordharzvorland deutet auch eine Bronze- schmuckscheibe von der Burg auf dem Weinberg hin; falls sie nicht über die Elbe eingehandelt wurde, dürfte sie auf Kontakte der Herren von Hitzacker zu anderen welfisch-askanischen Herrschaftsträgern zurückgehen 33.

VII. Hitzacker ab dem 13. Jahrhundert

Nach dem Tod Herzog Albrechts I. von Sachsen 1260/61 rückte Hitzacker er- neut gegen Ende des 13. Jh.s in das Zentrum der norddeutschen Territorialpoli- tik 34. Seit 1285 war die Burg Sitz des Ritters Herrmann Ribe, der nach dem Tod Herzog Johanns I. von Sachsen-Lauenburg durch dessen Bruder Albrecht II. von Sachsen-Wittenberg zum Vormund für die Söhne Johanns, Johann II. und Alb- recht III. eingesetzt worden war 35. Herzog Albrecht II. kümmerte sich selbst nur wenig um das Herzogtum, sondern hielt sich vor allem am Hofe König Rudolfs von Habsburg auf, seinem Schwiegervater, dem er als Reichserzmarschall dien- 32 Vgl. zu den „Smolinzern“ Meyer (-Seed- te. Herzog Albrecht II. zählte damals zu den mächtigsten Männern des Reiches. orf) 1911, 71; zum Drawenopolabischen Er war seit 1277 Reichsvikar für Norddeutschland und zeitweise Verwalter des Olesch 1967, 81; Polański/Sehnert 1967, Kaisers in Lübeck, ein finanziell sehr einträgliches Amt (vgl. von Freeden 1931, 142. 86 f.; Mohrmann 1975, 45 ff.; Krieger 2003, 125). Herrmann Ribe genoss als sein 33 Wachter 1998 a, 93; der Adel im Wend- Truchseß, d.h. Verwalter und Stellvertreter große Freiheiten. Er nutzte sie vor al- land betätigte sich nachweislich im lem im Interessen des relativ mächtigen, lauenburgischen Adels gegenüber den 13./14. Jh. aktiv als Kaufhändler, vgl. Mey- umliegenden Städten. Viele Adelige in Lauenburg und Mecklenburg waren bei er (-Seedorf) 1911, 127. Lübecker Bürgern verschuldet und wurden von der Stadt im Zuge ihrer Expansi- onspolitik unter Druck gesetzt (vgl. Schulze 1957, 43 ff., 59 ff.; Münch 1992, 30 f.). 34 Die Einschätzung Wachters, mit der Stadtverlegung 1258 habe der Nieder- Herrmann Ribe errichtete neue Burgen und erhob Zölle an Handelswegen und gang von Burg und Stadt begonnen, wird auf der Elbe. Sein Name hat sich noch in der Riepenburg bei Hamburg erhalten, den Quellenzeugnissen nicht gerecht, für die er 1289 als Besitzer genannt ist 36. Der Burg Hitzacker brachte Ribes Politik Wachter 1998 a, 142. bald den Ruf eines Raubritternestes ein. 1291 wurde Hermann Ribe mit seinen 35 Mohrmann 1975, 22 ff., bes. 24; Mey- Verbündeten gefangen, aber wieder freigelassen, nachdem er den Abriss etli- er (-Seedorf) 1911, 141 f.; von Kobbe 1836– cher Burgen versprochen hatte (UB Mecklenburg III, Nr. 2104; vgl. Schulze 1957, 37, Teil 2, 18 ff.; zu Johann II. Koppe 1974 b; S. 45; Struve 1983). Sein Verwandter, Peter Ribe, war 1288/89 gehängt worden von Heinemann 1969 (1881). (UB Mecklenburg III, Nr. 2036; Schulze 1957, Anm. 108; von Kobbe 1836–37, Teil 36 Vgl. Busch o.J. 32. Um 1340 gehörte die 2, 21. Burg Herzog Erich I. von Sachsen-Lauen- burg, dem sie als Alterssitz diente (von Die Klagen der Städte mögen begründet gewesen sein, aber man muss Kobbe 1836–37, 80). auch bedenken, dass der Vorwurf des „Raubrittertums“ ein beliebtes Mittel www.histarch.org Thomas Küntzel | Der Stadtwall in den Gärten 16 • 1 2010 zur Denunzierung politischer Gegner war. Der Stadt Lübeck waren die vielen herzoglichen Zollstellen und Burgen natürlich ein Dorn im Auge. Auch Her- zog Otto von Lüneburg kämpfte anfangs gegen den „Raubritter“ Ribe. Schon bald, 1306, erscheint aber ein Heinrich von Ribe unter den Rittern Ottos, üb- rigens neben Jordanus von Hitzacker 37. Man nahm es also mit dem Prädikat „Raubritter“ nicht so genau; auch viele Städte nahmen ehemalige Raubritter gerne in ihre Wachmannschaft auf, wenn sie die Seite gewechselt hatten. Die „Detmar-Chronik“, die wohl Ende des 14. Jahrhunderts von dem Lübecker Rats-Chronisten (!) und Franziskaner-Lesemeister geschrieben wurde, urteilt dementsprechend sehr positiv über den Ritter Ribe (Detmar-Chronik, 371 Nr. 378):

„he was wis, vrome unde milde, des so denede eme manich riddere unde knecht under sime schilde; zo welik vorste ene hebben mochte to sinen orlog- he, de was vil vro“.

Damit werden Herrmann Ribe gleich mehrere Kardinaltugenden der Ritter- lichkeit zugeschrieben: politische Klugheit, religiöser Eifer und Mildtätigkeit gegenüber seinen Untergebenen, außerdem kriegerischer Erfolg und eine große Anhängerschaft.

Das Blatt der Ribes wendete sich 1295/96, als die Vormundschaft Herzog Al- brechts II. für seine Neffen endete. Sachsen-Lauenburg wurde nun ein eigen- ständiges Herzogtum (Mohrmann 1975, 5 ff.; Schulze 1957, 28). Die Herzöge Johann II. und Albrecht III. verfolgten im Gegensatz zu Hermann Ribe eine stadtfreundliche Politik, erteilten Lübeck sogleich großzügige Privilegien und stießen deshalb mit Ribe aneinander, der nicht auf seine mächtige Stellung als Verwalter des Landes verzichten wollte (von Kobbe 1836–37, 35; Meyer [-See- dorf] 1911, 142). 1296 kam es zu einer großen Belagerung der Burg Hitzacker. Unter den Belagerern fanden sich auch der Landfriedensrichter Markgraf Otto von Brandenburg, Herzog Otto von Lüneburg und Markgraf Herrmann von Brandenburg. Sie nutzten die Gelegenheit, ihren frischgebackenen her- zoglichen Nachbarn, dem gerade mündig gewordenen Johann und dem erst 37 UB Brandenburg C, 3, Nr. 14, 15. Zum Be- elfjährigen Albrecht, zu Hilfe zu eilen, und teilten bei diesem Anlass die Burg griff „Raubritter“ Schubert 1997, 649. Kai- unter sich auf (UB Braunschweig [Hzge.] I, Nr. 146; UB Brandenburg C, 3, Nr. 7; ser Karl IV. brandmarkte 1375/76 auch von Freeden 1931, 89). Die Belagerung läutete einstweilen das Ende der Ribes das damals lüneburgische Schloss Dan- in Hitzacker ein. Herrmann Ribe der Ältere starb bald darauf, und sein Sohn nenberg als Raubschloss, was die aska- Herrmann der Jüngere musste 1298 aus der Burg Glasin vor den Herzögen nischen, gerade in den Erbfolgekrieg mit Herzog Magnus von Braunschweig ver- flüchten von( Kobbe 1836–37, Teil 2, 32 f.). Wie angedeutet, war dies nicht das wickelten Askanier im Bunde mit Lübeck Ende der Familie schlechthin; lediglich in Sachsen-Lauenburg mussten sie vo- 38 umgehend zu dessen Zerstörung nutz- rübergehend ihre Positionen räumen . ten. 38 Schon im August 1308 führte der Ritter An der schwachen Stellung der Herzöge von Lauenburg gegenüber ihren Gottschalk Ribe eine Gesandtschaft der mächtigen Nachbarn, die sich bei der Belagerung offenbart hatte, änderte Herzöge Johann II. und Albrecht III. von sich auch zu Anfang des 14. Jahrhunderts nichts. Herzog Albrecht III. bemüh- Sachsen-Lauenburg an, die ein Wahl- te sich intensiv, aber erfolglos um die Kurwürde. Er starb im Oktober 1308, bündnis mit dem Kölner Erzbischof zu- einen Monat vor der Königswahl Heinrichs von Luxemburg (Mohrmann 1975, gunsten des Kandidaten Heinrich von S. 35). Herzog Johann II., der einen Teil des Herzogtums regierte, war blind, Luxemburg abschloss, Mohrmann 1975, gebrechlich und friedliebend, überdies verheiratet mit der eigenmächtig 32 f. Es handelt sich um eine politisch agierenden Elisabeth, einer Schwester des holsteinischen Grafen Gerhard, eminent wichtige Mission, die ein gro- dem sie die Herrschaft Mölln, später auch Bergedorf und den halben Sach- ßes Vertrauen der Herzöge in Gottschalk Ribe bezeugt. senwald verpfändete (von Kobbe 1836–37, 44 ff.; vgl. Mohrmann 1975, 38 f.; Koppe 1974 a). Johanns Bruder Erich I., der zunächst eine geistliche Laufbahn 39 UB Brandenburg A, 8, Nr. 133; vgl. allge- eingeschlagen hatte, musste ab 1308 die Herrschaft mit seiner Mutter, der mein Assing 1995, 96 ff.; Schultze 1961 a, Witwe Albrechts III., Margarethe von Brandenburg teilen, die gleichfalls als 212 ff.; Mohrmann 1975, 34 f.; Escher herrschsüchtig verschrien war (von Kobbe 1836–37, 69 ff.). Als Verbündeter 1999; von Heinemann 1970 (1886). Die Exkommunikation erfolgte, nachdem war auch Markgraf Otto von Brandenburg „mit dem Pfeil“, der noch 1296 Markgraf Otto widerrechtlich in Gebie- mit vor Hitzacker gelegen hatte, zu dieser Zeit keine Stütze mehr, denn er ten der Bistümer Brandenburg und Ha- geriet mit verschiedenen Adeligen und Bischöfen in seinem eigenen Land velberg Steuern erheben wollte. in Konflikt, wurde sogar 1302 von Hitzacker aus durch den Lübecker Bischof www.histarch.org Thomas Küntzel | Der Stadtwall in den Gärten 17 • 1 2010 Konrad exkommuniziert 39. Schon vor seinem Tode traten der anfangs noch unmündige Markgraf Johann und der „große“, politisch sehr agile Waldemar an seine Stelle (von Sommerfeld 1971 [1896], bes. 678 f. Kritisch zu Markgraf Waldemar Schultze 1961 a, 216). 1309 versprachen sie recht eigenmächtig ih- rem Verwandten, Herzog Otto von Lüneburg, die Wälle von Burg und Stadt Hitzacker zu schleifen (UB Braunschweig [Hzge.] I, Nr. 209; UB Brandenburg B, 1, Nr. 361). Mit dem „Grauen des huses vnde der Stat“, der eingeebnet wer- den solle, ist wohl der Graben gemeint, der im Osten der Stadt die Jeetzel mit einem Seitenarm nördlich der Stadt verbindet. Prinzipiell denkbar wäre allerdings auch, dass die Passage sich auf den Landgraben bezieht. War er erst in den Jahren um 1300 angelegt worden? Weshalb drängten die Herzö- ge von Lüneburg plötzlich auf die Einebnung des Stadtgrabens, wenn dieses schon 1296 hätte durchgeführt werden können? Verteidigungstechnisch war der Graben im Osten der Stadt ohnehin von begrenztem Nutzen, da er nur eine kleine Insel von der Stadtinsel abriegelte: Bis in das 19. Jahrhundert hi- nein teilte sich die Jeetzel oberhalb von Hitzacker und umfloss die Stadt auf beiden Seiten. Der nordöstliche Jeetzelarm scheint allerdings so flach gewe- sen zu sein, dass man ihn über eine Furt bequem durchqueren konnte. Oder war die Position der Herzöge von Sachsen-Lauenburg erst jetzt so schwach geworden, dass die Einebnung des Stadtgrabens im neuen Hitzacker realis- tischerweise verlangt werden konnte? Hatte es zwischenzeitlich ein neues Stadtprojekt gegeben, vielleicht gar unter Waldemar selbst, weshalb Hitza- cker eine neue Gefahr für die Lüneburger Herzöge geworden war? Die Her- zöge von Sachsen-Lauenburg werden in dem Vertrag von 1309 tatsächlich gar nicht mehr genannt, was ein bezeichnendes Licht auf die Machtverhältnisse wirft. Markgraf Waldemar hatte schon 1308 das Land Bleckede an den Lüne- burger Herzog verkauft, das nach dem Vertrag von 1258 ebenfalls eindeutig den Herzögen von Sachsen gehörte (UB Braunschweig [Hzge.] I, Nr. 204; vgl. hierzu Zillmann 1975, S. 153 f.). Diese benötigten die Brandenburger als Ver- bündete in ihrem Bemühen um die Kurwürde, die sie der Wittenberger Linie streitig machten (Mohrmann 1975, 34 ff.; vgl. Schulze 1957, 34). Sie konnten Waldemar also nicht offen entgegentreten.

Das Versprechen, Burg und Stadt Hitzacker zu entfestigen, wurde allerdings von Markgraf Waldemar nicht eingehalten, denn der Ort behielt seine zent- rale strategische Stellung. Der dänische König Erich Menved strebte damals die Ausdehnung seiner Herrschaft bis an die Elbe an, während Waldemar das Land Stargard beanspruchte, und die Stadt Stralsund für sich gewinnen konn- te. Die Burg Hitzacker diente dem brandenburgischen Markgrafen offen- bar als wichtige Bastion gegen die Dänen und Heinrich II. von Mecklenburg (Mohrmann 1975, 39; Schultze 1961 a, 223 ff.). 1314 versprach Markgraf Walde- mar dem dänischen König, die Burg Hitzacker abzureißen, verstärkte sie aber statt dessen noch weiter (UB Brandenburg B, 1, Nr. 491). Auch als Markgraf Waldemar 1317 bei Gransee eine wichtige Schlacht gegen Mecklenburger und Dänen verloren hatte und einmal wieder die Zusage erneuerte, Hitzacker zu brechen, wird dies wohl nicht realisiert worden sein (UB Brandenburg B, 1, Nr. 500; vgl. von Sommerfeld 1971 [1896], 681). Allerdings besaß die Stadt in der frühen Neuzeit – dem Merianstich nach – weder eine Stadtmauer noch eine Palisade. Nur auf dem Stadtsiegel ist eine Mauer mit drei Türmen und einem Tor zu sehen (Vgl. Dt. StB 3,1, Nieders. StB, 201; Wolf 1958, 39).

Im Krieg zwischen Dänemark und Brandenburg wechselte Herzog Erich von Sachsen-Lauenburg schließlich im April 1315 zu den Gegnern Markgraf Waldemars, was sich für sein weiteres Schicksal als äußerst fatal erweisen sollte: 1316 wurde er von den Stralsunder Bürgern, die Waldemar unterstütz- ten, gefangen und drei Jahre in Gefangenschaft gehalten. Das Lösegeld be- trug 16.000 Mark Silber, eine damals unglaublich hohe Summe, rechnerisch etwa 3,7 Tonnen. Herzog Erich war hierdurch völlig überschuldet und wur- de jeglicher politischen Handlungsspielräume beraubt (von Kobbe 1836–37, 74 ff.; Schultze 1961 a, 228; vgl. von Sommerfeld 1971 [1896] 681). Nun konnte www.histarch.org Thomas Küntzel | Der Stadtwall in den Gärten 18 • 1 2010 er noch weniger als zuvor dem Zugriff seiner askanischen Verwandten auf die Besitzungen an der Elbe entgegentreten. Herzog Rudolf von Sachsen-Witten- berg verpfändete Stadt und Schloss Hitzacker schließlich 1323 an die Herren Heinrich und Ulrich von Warmstorf sowie einen gewissen Tamme Loser 40. Nur anderthalb Jahre später verpfändeten Heinrich von Warmstorf und Tam- me Loser das Schloss weiter an die Herzöge Otto und Wilhelm von Lüneburg (UB Braunschweig [Hzge.] I, Nr. 407). Drei Jahre später, 1328, erwarben die Lüneburger Herzöge auch die übrigen Anteile der Burg (UB Braunschweig [Hzge.] I, Nr. 436, 526, 527). Damit waren die Welfen doch noch, wenn auch auf einem Umweg in die Gewalt des Schlosses Hitzacker gekommen. Als ih- ren Verwalter setzten sie nun den Ritter Wasmut Kind ein (UB Braunschweig [Hzge.] I, Nr. 463, 464).

Wahrscheinlich hatte das Aussterben der askanischen Markgrafen von Brandenburg 1319/20 den Weg für diese Verschiebung der politischen Ver- hältnisse geebnet. Die Mark Brandenburg wurde von König Ludwig dem Bay- ern nicht an die mit den Brandenburgern verwandten Herzöge von Sachsen vergeben, sondern er belehnte seinen eigenen Sohn Ludwig damit. Herzog Rudolf von Sachsen-Wittenberg, der den glücklosen Gegenkönig Friedrich den Schönen von Habsburg unterstützt hatte, kämpfte zunächst um die Herr- schaft in der Mark, musste aber schließlich seine Positionen räumen (Mohr- mann 1975, 62 ff.; Beck 2000, 202 ff; Schultze 1961 b, 9 ff.). Er befand sich nun in einer schwierigen Lage, die von den braunschweigischen Herzögen offen- bar zum Erwerb der Burg Hitzacker ausgenutzt wurde. Sie hatten schon 1303 die Grafschaft Dannenberg und 1320 die Grafschaft Lüchow gekauft 41. Mit dem Erwerb Hitzackers gelang ihnen die Abrundung ihres Besitzes im Wend- land. Knapp zehn Jahre später, 1336, erkannte Herzog Rudolf von Sachsen den faktischen Besitzwechsel an, indem er selbst Burg und Stadt Hitzacker an die Herzöge Otto und Wilhelm von Lüneburg verpfändete (UB Braunschweig [Hzge.] I, Nr. 598). Zugleich verhinderte er damit, dass die Herzöge von Sach- sen-Lauenburg in den Besitz der Burg kamen. Sie errichteten vermutlich als Ersatz um die Mitte des 14. Jahrhunderts die Burg Neuhaus im Darzing 42. 1339 wurde Hitzacker dann als Leibgedinge für die Frau Herzog Ottos von Sach- sen, Elisabeth von Braunschweig ausgelobt (UB Braunschweig [Hzge.] I, Nr. 657, 674).

Die Burg blieb seitdem letztlich in welfischer Hand. Daran konnten auch die schweren Wirren des Lüneburger Erbfolgekrieges in den 1370er/ 80er Jah- ren nichts ändern. Der erbenlose Herzog Wilhelm von Lüneburg hatte das Fürstentum seinem Schwiegersohn, Herzog Magnus „Torquatus“ (mit dem Halsring) von Sangerhausen bzw. Braunschweig übertragen, während Kaiser Karl IV. das Herzogtum Lüneburg den askanischen Herzögen von Sachsen- Wittenberg zuerkannte 43. Auch die Bürger von Hitzacker wurden aufgefor- 40 UB Braunschweig (Hzge.) I, Nr. 384. H. dert, den Herzögen von Sachsen-Wittenberg zu huldigen (UB Braunschweig W. H. Mithoff ging davon aus, dass Hitza- cker bei der Teilung der askanischen [Hzge.] IV, Nr. 11, vgl. Nr. 219). Ob sie diesem Aufruf Folge leisteten, ist zwei- Güter 1295/96 Herzog Albrecht II. und felhaft, denn noch behielten die Braunschweiger die Oberhand. Herzog Ma- damit der Wittenbergischen Linie zu- gnus verbündete sich allerdings mit den Herzögen von Sachsen-Lauenburg gefallen war (Mithoff 1877, 95); zu Her- und dem dänischen König Waldemar, wodurch er in scharfen Gegensatz zu zog Rudolf I. von Heinemann 1970 (1889); den Hansestädten und insbesondere der Stadt Lüneburg geriet. Anfang Ja- Beck 2005. nuar 1371 unterstellte sich Lüneburg den Herzögen von Sachsen-Wittenberg 41 Schubert 1997, 734 f.; Zillmann 1975, und erhielt im Gegenzug sehr weitreichende Privilegien, unter anderem die 165 f., 174; Meyer (-Seedorf) 1911, 144; Ga- Erlaubnis, die herzogliche Burg auf dem Kalkberg zu zerstören. Herzog Mag- ettens 1937, 3. nus hatte Lüneburg zuvor alle Privilegien entzogen, die Stadt Braunschweig 42 Vgl. die Erwähnung von 1369, UB Braun- hingegen begünstigt, und die beiden Städte so gegeneinander aufgebracht. schweig (Hzge.) III, Nr. 401; Sänger/Früh- Hitzacker gehörte zu den wichtigen Stützpunkten des Herzogs im Norden auf 2001, 48; Mithoff 1877, 220; Hüls und wurde von einer Mannschaft unter Hans von dem Berge und Heinrich 1993, 91; Gehrke 2004. von Dannenberg gehalten (UB Braunschweig [Hzge.] IV, Nr. 254, 255). 1372 43 Schubert 1997, 755 ff.; Behr 1964, 16 ff.; verpfändete Herzog Magnus Hitzacker allerdings an seinen Schwiegersohn, Patze 1971, 59 ff.; Beck 2000, 205 ff.; Rei- Herzog Erich von Sachsen-Lauenburg, zusammen mit Bleckede und Schna- necke 1933, 123 ff. kenburg (UB Braunschweig [Hzge.] IV, Nr. 329). Im Jahr darauf starb Herzog www.histarch.org Thomas Küntzel | Der Stadtwall in den Gärten 19 • 1 2010 Magnus im Kampf bei Leveste am Deister (nach anderen Quellen vor Schloss Ricklingen, südlich von Hannover). In einem Friedensvertrag wurde daraufhin ein turnusmäßiger Wechsel der Herrschaft zwischen den Herzögen Wenzel und Albrecht von Sachsen-Wittenberg sowie Friedrich und Bernhard von Braunschweig, den Söhnen des Herzogs Magnus, vereinbart, und das Bünd- nis durch wechselseitige Heiraten bestärkt. Die Herzöge Wenzel und Alb- recht verpfändeten Hitzacker schon im April 1374 zusammen mit Bleckede und dem Sülzzoll in Lüneburg für 3900 Mark Silber (UB Braunschweig [Hzge.] V, Nr. 14; vgl. Behr 1964, 21 f.; Schubert 1997, 771). 1375 erhielt Kurt von Saldern das Schloss Hitzacker zur Bewachung; 1378 lösten ihn die Herren Manegold und Maneke von Estorff ab, 1380 bekamen es Ludolf von Estorf und Hartmann Sporeke, 1381 der Knappe Dietrich von Hitzacker, genannt Marschall, und 1386 der Knappe Barthold Kind 44. Schließlich muss Hitzacker an die Stadt Lüneburg verpfändet worden sein (UB Braunschweig [Hzge.] VII, Nr. 98; UB Lüneburg [Stadt] III, Nr. 1293).

Allerdings kehrte vorerst noch kein Frieden im Land ein. Nach dem Tode des Herzogs Albrecht (ebenfalls vor Schloss Ricklingen, durch ein Wurfgeschoss) brachen die Gegensätze zwischen den Familien erneut auf, bis im Frühjahr 1388 auch Herzog Wenzel vor Celle starb. Ende Mai kam es zu einem letzten Ge- fecht bei an der Aller, wo die Stadt Lüneburg mit ihren Verbündeten gegenüber der Stadt Braunschweig und Herzog Heinrich unterlag. Die Herzöge Heinrich und Bernhard teilten sich nun die Herrschaft im Fürstentum Lüneburg, während Friedrich Braunschweig übernahm. Die herzoglichen Kassen waren allerdings durch die langen Kämpfe leer. Erst 1392 hatte sich die Finanzlage der braunschweigischen Herzöge soweit gefestigt, dass sie mehrere Schlösser bei der Stadt Lüneburg wieder auslösen konnten, insbesondere Bleckede, Hitza- cker, Lüdershausen und Rethem 45. In der Stadt Lüneburg hatte man Hitzacker wohl verkehrsstrategisch wie finanziell keine besondere Bedeutung beigemes- sen. Andere Pfandschlösser spielten eine wichtigere Rolle in der kommunalen Wirtschaftspolitik, etwa Bleckede und Lüdershausen (Behr 1964, 32). An einer Förderung von Handel und Gewerbe in der Stadt an der Jeetzel hatte man an der Ilmenau ohnehin kein sonderliches Interesse. Nur die ungehinderte Schiff- fahrt für die Lüneburger Schiffe auf der Jeetzel ließ man sich 1392 von den Herzögen zusichern, da mittlerweile wohl etliche Fischwehre die Passage für größere Schiffe erschwerten (UB Lüneburg [Stadt] III, Nr. 1292; vgl. auch Haupt- meyer 1997, 1196 f.). Den damals regen Warenverkehr im Wendland belegt eine Urkunde von 1374, in der sich Friedrich von Bülo mit der Stadt Salzwedel über Zoll und Geleit in Dannenberg und Hitzacker einigte (UB Brandenburg A, 14, X, Nr. 433). Betroffen war die Ein- und Ausfuhr von Hering, Honig, Butter und an- deren Fetten, „tröghes Gud“ (wohl Getreide), Laken und Leinwand, soweit sie mit Schiff und Wagen transportiert wurden. Die Abgaben für Zoll und Geleit auf den Schiffahrtsrouten von Salzwedel nach Hamburg bzw. Lübeck waren schon 1248 von Herzog Albrecht I. von Sachsen geregelt worden. Neben Hitzacker werden dabei als Zollstellen noch Lauenburg, Bleckede und Mölln aufgezählt. Gehandelt wurde damals unter anderem mit Kupfer, Zinn, Eisen, Blei, Leinwand, Wolle (gesponnen, ungesponnen und verwebt), Häuten von Rindern, Ziegen, Schafen und Lämmern, Feigen und anderen Spezereien, Wachs, Honig, gesal- zenen Fischen, verschiedenen Fetten, Treibarbeiten, Töpfen und Kesseln (UB Hanse I, Nr. 357). Das Spektrum an verhandelten Waren war also deutlich grö- ßer als ein Jahrhundert später. Ob dies mit den veränderten wirtschaftlichen Gegebenheiten oder der Verlagerung der Handelswege zusammenhängt, ist 44 UB Lüneburg (Stadt) II, Nr. 849, 917, 933, 950, 956, 1034; Behr 1964, 23 ff. mit Anm. schwer zu beurteilen. Ein Teil der Rohwaren, die 1248 offenbar nach Hamburg 50. Vgl. auch die historische Übersicht und Lübeck ausgeführt wurden, verarbeitete man 1374 vielleicht in Salzwedel bei Mithoff 1877, 96. selbst, und produzierte die zuvor importierten gewerblichen Erzeugnisse an Ort und Stelle, etwa die aufgeführten Metallgefäße. 45 UB Braunschweig (Hzge.) VII, Nr. 98; UB Lüneburg (Stadt) III, Nr. 1293. Zur „Sate“, dem zugrundeliegenden „Verfassungs- Das politische Hin und her, der ständige Herrschaftswechsel, schließlich die vertrag“ des Fürstentums Lüneburg Verpfändung der Burg an immer neue Adelige und ihre Aufteilung in einzel- Schubert 1997, 771 ff.; Reinbold 1987. ne Besitzteile waren der Prosperität des Ortes nicht sehr zuträglich. Als sich www.histarch.org Thomas Küntzel | Der Stadtwall in den Gärten 20 • 1 2010 während des Erbfolgekrieges im Fürstentum eine selbständige Ständevertre- tung herausbildete, unterschied man bei den städtischen Siedlungen füh- rende „Haupt“-Städte und kleinere Flecken bzw. „Weichbilde“. Hierbei wird Hitzacker 1388 nur noch als „Weichbild“ eingestuft (UB Lüneburg [Stadt] III, Nr. 1132; vgl. UB Braunschweig [Hzge.] VI, Nr. 216). Dies bedeutet gegenüber dem 13. Jh. eine Statusminderung, denn eine „civitas“, wie Hitzacker von 1268 bis 1289 bezeichnet worden war, galt mehr als ein „Weichbild“. Der Name besagt, dass der Ort zwar über ein besonderes Ortsrecht verfügte, aber an- sonsten nur begrenzte Autonomie besaß. In diesem Sinne wird er schon 1386 auf Hitzacker angewendet (UB Lüneburg [Stadt] II, Nr. 1034). Tatsächlich dürf- te der Bedeutungsverlust durch den Wechsel von der askanischen zur welfi- schen Herrschaft bedingt gewesen sein, da weder die tonangebende Stadt Lüneburg noch die welfischen Herzöge – die sich damals eher auf Dannen- berg stützten – ein Interesse am Wachstum der Stadt besaßen, von den ein- träglichen Zolleinnahmen auf der Elbe einmal abgesehen. Die askanischen Herzöge hatten die Stadt gefördert, weil sie ihnen als Stützpunkt gegen das benachbarte Braunschweig-Lüneburg, die Grafen von Dannenberg und von Lüchow sowie gegen die Altmark willkommen war.

Quellen

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Imprint: ISSN 1869-4276 Editing: Ulrich Müller, Kiel Layout design: Holger Dieterich, Kiel

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Claudia Theune Historical archaeology in national socialist concentration camps in Central Europe 1

This paper is dedicated to Johan Callmer on the occasion of his 65th birthday whose deep understanding of archaeology has enriched my own work in the discipline

Historians have been dealing with the Nazi regime, its crimes and the Nazi terror sites for a long time. Since the late 1980s, more and more archaeo­ logical excavations and research have been carried out at these places and a highly productive interdisciplinary exchange is developing. In this regard, the Convention of Valetta/Malta was a milestone for archaeology (http:// conventions.coe.int/Treaty/en/Treaties/Html/143.htm; retrieved December 2010). This repealed the time limit often defined by laws to do with heritage and the preservation of ancient monuments – archaeological sites younger than the medieval period had not been recognised previously. In Article 1 it is acknowledged that archaeological monuments are a source of common and collective European memory. These archaeological remains and objects are to be from past times; they are supposed to help retrace the history of man­ kind and its relationships. Buildings, archaeological remains and archaeologi­ cal finds from the period of National Socialism certainly meet these criteria. It is becoming more and more evident that the four different sources in­ volved, text documents, pictures, oral history and archaeology, have very different declarative potentials (see also Myers 2008). Only if we take a com­ plementary view of all sources, will we get as complete an image of the sites of the Nazi crimes as possible. Thus the archaeological sources can tell us a lot about everyday life, while the written sources, especially those from the National Socialist offenders, only show us the official view, but not the real terror for the victims. For the extermination or death camps in Poland there are hardly any other sources than the archaeological remains, hence excava­ tions are the main sources of information in terms of the Malta convention. A further important aspect concerns the special meaning of material cul­ ture. Each period and culture uses material culture not only as functional ob­ jects with contextual properties and with a special biography belonging to the object and its owner (Hahn 2006, 59 ff.), but also as symbols or carriers of meaning for something not clearly visible, for a mental image or an idea. In this way, objects in former concentrations camps can become objects of power or relics of powerlessness, of repression and humiliation (Donald 1998), or they demonstrate how the prisoners attempted to retain their individuality. Sometimes it is possible to decipher objects as specific symbols, especially 1 This new version of the paper (March when different sources for the context are available. As for the archaeology 2011) has been slightly modified and ad­ of the former concentration camps, it is in any case possible to ascribe the justed. relics – buildings and their furnishings or small finds – to offenders or victims. Fig. 1. Fig. 1. Map of camps mentioned in the text. 1 Bełżec (Poland, extermination camp); 2 Chełmno-on-Ner (Poland, extermination camp); 3 Sobibór (Poland, ex­ termination camp); 4 Auschwitz (Poland, concentration and extermination camp); 5 Bergen-Bels­en (, concentration camp); 6 Buchenwald (Germany, con­ centration camp); 7 Witten-Annen (Germany, sub-camp of Buchenwald concentra­ tion camp); 8 Dachau (Germany, concentration camp); 9 Hebertshausen (Germany, shooting place); 10 Flossenbürg (Germany, concentration camp); 11 Rathenow (Ger­ many, sub-camp of Sachsenhausen concentration camp); 12 Ravensbrück (Germany, women concen­tration camp); 13 Sachsenhausen (Germany, concentration camp and 2 Examples for research projects in Po­ Sowjet special camp); 14 Hartheim (Austria, euthanasia centre); 15 Mauthausen (Aus­ land: extermination camp Bełżec (Kola tria, concentra­tion camp); 16 Amersfoort (The Netherlands, transit camp) (map by 2000; Gileadi / Haimi / Mazurek 2009) Department of Prehistory and Historical Archaeology, University of Vienna). – extermination camp Chełmno-on- Abb. 1. Karte mit den im Text erwähnten Lagern. 1 Bełżec (Polen, Vernichtungslager); Ner (Pawlicka-Nowak 2004 a; Pawlic­ 2 Chełmno-on-Ner (Polen, Vernichtungslager); 3 Sobibór (Polen, Vernichtungslager); ka-Nowak 2004 b) – extermination camp 4 Aus­chwitz (Polen, Konzentrationslager und Vernichtungslager); 5 Bergen-Bels- Sobibór (Kola 2001; O’Neil 2006; Mau­ en (Deutschland, Konzentrationslager); 6 Buchenwald (Deutschland, Konzentration- rice Greenberg Center for Judaic Stud­ slager); 7 Witten-Annen (Deutschland, Nebenlager des Konzentrationslagers Buchen- ies 2010). Examples for research projects wald); 8 Dachau (Deutschland, Konzentrationslager); 9 Hebertshausen (Deutschland, in Germany: concentration camp Ber­ Erschießungsplatz); 10 Flossenbürg (Deutschland, Konzentrationslager); 11 Rathenow gen- (Assendorp 2003) – concen­ (Deutschland, Konzen­trationslager); 12 Ravensbrück (Deutschland, Frauenkonzentration- tration camp Buchenwald (Hirte 2000) slager); 13 Sachsen­hausen (Deutschland, Konzentrationslager und Sowjetisches Spezial- – concentration camp Dachau (David lager); 14 Hartheim (Österreich, Euthanasie-Anstalt); 15 Mauthausen (Österreich, Konzen- 2001) – concentration camp Flossen­ trationslager); 16 Amersfoort (Niederlande, Durchgangslager) (Karte Institut für Ur- und bürg (Ibel 2002) – concentration camp Frühgeschichte, Universität Wien). Rathenow (Antkowiak / Völker 2000) – women concentration camp Raven­ sbrück (Antkowiak 2000) – concentra­ tion camp Sachsenhausen (Antkowiak In addition to a functional or chronological classification, the objects can be 2000; Weishaupt 2004; Theune 2006; interpreted according to their wider context. Müller 2010) – Soviet special camp Archaeological excavations have been conducted in the large former con­ Sachsenhausen­ (Theune 2006; Müller centration camps since the late 1980s, but also at prisoner-of-war camps, bat­ 2010; Reich 2006). Examples for research tlefields, bunkers and some of the smaller sub-camps, especially in Poland and projects in Austria: euthanasia centre Germany. Excavations have been taking place in camps in Austria since 2000 Hartheim (Klimesch 2002) – concen­ 2 tration camp Mauthausen (Artner et al. (Fig. 1) . Only little research has been carried out in the neighbouring western 2004; Theune 2010 a; Theune 2010 b). See European countries, although there are numerous concentration camps or also e. g. Antkowiak / Völker 2005; Kok sub-camps in the Netherlands, Belgium and France, on the occupied Channel 2009. Islands (Alderney), in Denmark or in Norway. Research is now starting slowly www.histarch.org 22010 Claudia Theune | Historical archaeology in concentration camps 2 here, with a trial excavation in Amersfoort for example (Schute / Wijnen 2010). In this case, the priority is to record still existing remains in order to get a plan of the camp. This can be the start of further research or contribute to memo­ rial projects as has often been the case in Germany and Poland for example. The reason for the late beginning of investigations in countries other than Poland and Germany might be seen in a different nexus of cultural memory regarding the Holocaust and the National Socialist regime. Poland was the biggest victim of the Nazi terror regime, hence places of terror are particu­ larly important there as scenes of remembrance, to be anchored in collective memory. Archaeology is clearly able to contribute to this. Germany, however, as successor state of the so-called Third Reich, took the blame for the terror in Europe and the world. Here too, a great interest exists in grappling with history. These locations were not, in Germany, place of remembrance which reflected a positive national memory. Rather they are places of warning about the National Socialism dictatorship. They are Holocaust memorials, places of admonition and places of learning and political education. Because of the better state of the source material, research results in Ger­ many, Austria and Poland will be examined here more closely. The entire range of archaeological methods has to be applied for investi­ gations in these places. In addition to geophysical prospection, aerial pho­ tography and of course excavations, concerning features and finds below the present surface, buildings archaeological investigations must also take place. Collaboration with colleagues in archives and with historians assist the inter­ pretation and evaluation of the features and finds discovered. Apart from excavations in former concentration camps and extermina­ tion or death camps, investigations have also taken place in prisoner-of-war camps (e. g. Antkowiak 2001; Drieschner / Schulz 2007; Drieschner-Schulz 2008; Drieschner / Krauskopf / Schulz 2001; Kamps / Schulenberg 2007), forced labour camps (e. g. Grothe 2006), on battle fields (e. g. Beran 2005), along the Siegfried Line (Westwall) (e. g. Smani / Tutlies 2007; Trier 1997), in armament factories (e. g. Antkowiak 2002) and in bunkers (e. g. Kernd’l 1990 − 1992; Kernd’l 1995; Hopp / Przybilla 2007), often because of amendments to cultural heritage preservation laws in Germany and Austria. The excavations in Buchenwald, Sachsenhausen, Dachau and Mauthausen are all examples (see footnote 1). The investigations were frequently initiated in order to draw accurate plans of these places. Archaeological excavations in these concentration and extermination or death camps take place for various reasons. On the one hand, any building measures in former camps in Germany and Austria are in principle accom­ panied by archaeology. This means that the building projects in the ground or in the remaining buildings are accompanied by an archaeological excava­ tion and documentation. On the other hand, the public is no longer aware of some of the former camps, since they were demolished, built over and forgot­ ten after World War II. Initiatives have now been taken to return these places to the collective memory. In this case, the outlines of barracks are at least made visible, and these places turned into memorials. Another aspect is re­ lated to specific questions from historians addressed to archaeologists; here excavations help to clarify certain issues. As already mentioned, the state of the source material for the six death camps in Poland is particularly bad. Written or pictorial documents hardly ex­ ist, and there were very few survivors from these camps (Benz / Distel 2008). While several plans from the time of the camp exist from the concentration camp in Sachsenhausen (Müller 2010, 86), not a single plan exists from the en­ tire duration of the death camp in Bełżec. Two plans of nearby residents from the post-war period differ clearly from the plan drawn by a survivor after the war (Kola 2000, fig. 2 − 4; Stensager 2007, fig. 6 − 7). The Nazis tore down most of the camp and removed the traces above ground in December 1943 when the Red Army was approaching. Archaeological prospection techniques and excavations offer virtually the only chance to learn about these places. From the 1990s onwards, it has also become important that the results www.histarch.org 22010 Claudia Theune | Historical archaeology in concentration camps 3 Fig. 2. Map of the investigated area at Bełżec, Poland, with bore holes and building re­ mains (from Kola 2000, 72). Abb. 2. Plan des Vernichtungslagers Bełżec, Polen, mit Eintragungen der Bohrungen und den Gebäudeüberresten (nach Kola 2000, 72).

of such archaeological activities are used for political education (Darma­ nin / Mootz 2006). In youth camps, often lasting several weeks, young peo­ ple learn about the terror of the Nazis. Since there are only a few survivors who can report about the terror in the camps, it is necessary to rely on other sources such as material culture.

Examples from Central Europe

The camp in Witten-Annen, a sub-camp of Buchenwald, Germany, was a forgotten place (Isenberg 1995). Back in 1988, the city of Witten asked the Of­ fice for Preservation of Ancient Monuments to carry out excavations in the area of the camp. Before this, pupils from Witten visiting the Buchenwald me­ morial saw on a memorial plate that Witten-Annen, their home town, was listed as a sub-camp, a fact they had not known. So interest in this forgotten place and in once again making it visible increased. The aim was to determine the extent of the remains of the camp, study living conditions there and to place the remains under protection. At the same time, written sources were www.histarch.org 22010 Claudia Theune | Historical archaeology in concentration camps 4 investigated in order to explore the history of the camp as comprehensively as possible. Research has shown that in 1945 the camp was cleared and that soon all the buildings were demolished to the level of the foundations, a residential and commercial area been built on the site. Only a small area remained unde­ veloped, in which however the foundations of some barracks as well as the concrete pillars of the camp fence were still visible. During the archaeological investigations the plans available in the archives were compared with the still visible foundations and remains in the soil in order to match them up or to highlight inconsistencies. Then, the function of rooms was investigated. Many finds were also uncovered which were initially meant to be shown in an exhi­ Fig. 3. Iron fetter form the firing squad facil­ bition. Today, a memorial stone and a fence remain at the former concentra­ ity at Hebertshausen, Germany (from David tion camp. 2003, Fig. 71). Similar studies were carried out in other former concentration camps. Here, Abb. 3. Eisenfessel vom Erschießungsplatz He­ the main interest often lay in the renewal or extension of a memorial site to bertshausen, Deutschland (nach David 2003 show clearly the structures of the camp. This is especially true for the death Abb. 71). camps in Poland mentioned above. A first comprehensive archaeological in­ vestigation was carried out by A. Kola (2000) in Bełżec. Core drillings in the entire area of the camp helped make visible the structures still preserved in the ground. In this way, it was possible to locate the remains of the buildings and the mass graves (Fig . 2). The camp was modified once during its lifetime when the gas chambers were installed, a building of several phases. The first phase the building was situated in the centre of the camp, while in a second phase it lay in the northern area. The camp did not have a crematorium. The murdered were at first laid in mass graves uncremated, cremation started later. Further excavations were carried out in Sobibór (Kola 2001) and in Chemłmo (Pawlicka-Nowak 2004 a; Pawlicka-Nowak 2004 b) for example. Archaeological excavations have also begun in Auschwitz only recently (My­ ers 2007). A very successful excavation was carried out in Hartheim in Upper Aus­ tria (Klimisch 2002). This was a euthanasia centre of the Nazis in 1940 − 1944. Here, the question was again, what remains were still in situ after the war, because it was known that there had been many changes. First, a buildings archaeological expertise noticed massive interventions in the structures. Significant finds of the victims and many cremated remains were found in a trench during an archaeological investigation. The personal belongings of the murdered were found in a pit. The contents of the pit were dug en bloc and placed in the present memorial. Hebertshausen was a shooting place nearby Dachau (Germany; David 2003). The excavations carried out in 2001 indicate in a very specific way vio­ lence and death in concentration camps. As in other concentration camps Soviet prisoners of war were killed in Dachau in the winter of 1941 – 42 in mass shootings. The complex is characterised by two walls. The border is a wooden wall and a bullet trap. In front of the wooden wall, which could be detected in ruins, there were still traces of the post to which the prisoners were tied. An iron fetter further verifies this procedure (Fig. 3). There were also numerous bones, mainly from skulls, proving the shootings. The findings of these inves­ tigations clearly surpass available knowledge from other sources.

Sachsenhausen

The model camp Sachsenhausen just outside Berlin was built in 1936, while the Olympic Games were taking place in Berlin (Benz / Distel 2006 a). The triangular shape of the camp was considered to be perfect for control pur­ poses, representing the geometry of terror. The entire inner semicircle could be seen from Tower A on the south-east edge of the camp. The headquarters and the SS area were situated south of the camp. There were also numerous extensions of the complex, beginning in 1938. The camp was liberated on the www.histarch.org 22010 Claudia Theune | Historical archaeology in concentration camps 5 Fig. 4. The sorting machine and the various heaps with the finds from the large garbage pit in Sachsenhausen (photograph by Clau­ dia Theune). Abb. 4. Die Rüttelmaschine und die unter­ schiedlichen Haufen mit den Funden aus der großen Müllgrube in Sachsenhausen (Foto von Claudia Theune)..

22nd / 23rd April 1945. Later, from August 1945 until 1950, it was a Soviet spe­ cial (detention) camp. The Soviets used all the facilities except the killing area, the so-called Station Z of the Nazis. Z as the last letter of the alphabet was taken literally by the Nazis, as the absolute end of everything. From 1950 – 1960 Sachsenhausen was used by the Nationale Volksarmee (GDR army) as a training camp and material store and many buildings fell into disrepair. Station Z was blown up in 1952 / 53 and the national memorial of the GDR was located on this site from 1961 onwards (Morsch 1995). The place underwent various structural changes and numerous buildings still existing at Fig. 5. An aluminium star with a little hole, that time were demolished. The Memorial and Museum Sachsenhausen has like a Christmas star, found in the garbage been located there since 1993. One of the aims of the memorial is to commu­ pit at Sachsenhausen (photograph by Anne- nicate all aspects of the Nazi concentration camp, the Soviet Special camp Kathrin Müller). and also of the GDR memorial. Abb. 5. Ein Aluminiumstern (wie eine The contents of exhibitions and visitors’ tours in the memorial had to be Weihnachtsstern) mit einer kleinen Aufhäng­ revised after 1990 which led to a series of archaeological investigations. The eöse, gefunden in der Müllgrube in Sachsen­ different time levels were meant to remain visible, it being clear that not only hausen (Foto von Anne-Kathrin Müller). structures and findings from the time of the concentration camp would be found. The excavations covered the area around Station Z (Weishaupt 2004). How­ ever, it has to be stressed that the killing area, which was built during the win­ ter of 1941 − 42, the gas chamber, built in 1943, the installations for execution and the crematorium were not directly affected by the excavations. Only a ring foundation was installed in the south-east corner of the new Station Z memorial, leading to the excavation of a certain amount of cremated remains, but of no other structures. Moreover, the former paving of the gas chamber was uncovered, revealing teeth of the victims between the bricks. The ash deposit was situated behind the crematorium. In this case, the structure connecting the furnaces in the building and the ash deposit was found outside of the complex. The ash from the furnaces was dumped there and after the deposition area was full the cremated remains were dumped in large pits. Photographs taken in May 1945 show that large deposits of cremated hu­ man remains were stored in Station Z. When excavating human remains in former concentrations camps Jewish religious burial customs have to be re­ spected. One of the most fundamental Jewish beliefs, the sanctity of the sleep of the dead, determines that graves last forever. It is forbidden to disturb the Fig. 6. A small wooden heart from the gar­ Jewish grave in the “house of eternity”. This principle is respected as much as bage pit at Sachsenhausen (photograph by possible during excavations in the former concentration camps. It means that Anne-Kathrin Müller). anthropological analysis of the cremated or skeletal remains is never carried Abb. 6. Ein kleines Holzherz aus der Müll­ out and that the remains are quickly re-buried. grube in Sachsenhausen (Foto von Anne-Kath­ In 2006, a large garbage pit was recovered on the site where a museum rin Müller). for the Soviet special camp was planned. In 2000 geophysical survey had re­ www.histarch.org 22010 Claudia Theune | Historical archaeology in concentration camps 6 vealed that there was a very large garbage pit of 30 x 5.6 m and 2 − 3 m depth at this point. The contents of the pit could not be excavated properly, but an excavating machine brought the contents to the industrial area of the memo­ rial, depositing them in 13 large heaps. The finds were recovered from these heaps in a four-week campaign (Theune 2006; Müller 2010). A sorting ma­ chine with different strengths screened the material, which was then divided into three smaller groups (Fig. 4): finds of more than 10 cm in size, finds that were 5 − 10 cm in size and objects smaller than 5 cm. The remaining soil was sieved again through even smaller screens. Small finds such as coins or but­ tons were collected in this way. All in all, there were finds with a total weight of 5,556.3 kg. As is often the case in archaeology, a first sorting criterion is the material of the artefacts. The weight of the iron objects was about 3.000 kg, bottles and other glass ob­ jects weighed 800 kg and porcelain weighed nearly 300 kg. It soon became clear that these material-based groups were not suitable for the evaluation of Fig. 7. So-called sugar-bowls of the Soviet camp life or the general circumstances of offenders and victims and instead special camp at Sachsenhausen, where pris­ a functional classification in the following groups was established (Müller oners got small rations of food such as sugar 2010, 109 ff.): construction, clothing, toiletries, household, militaria, coins, or jam. Many of them are decorated (photo­ graph by Claudia Theune). and other. Each group was further divided into several sub-groups. The clothing group includes e. g. belts, shoes, buttons or gloves; medical Abb. 7. Sogenannte Zuckerdosen vom Sowje­ objects such as vials, ampoules, pills, prostheses, medical utensils and similar tischen Speziallager Sachsenhausen, in denen objects, but also combs, toothbrushes, shaving utensils or eyeglasses belong Häftlinge kleine Essensrationen wie Zucker oder Marmelade aufbewahrten. Zahlreiche to the toiletries group. A very wide-ranging group is that of household ob­ weisen Dekorationen auf (Foto von Claudia jects comprising candle sticks, flower pots, plates and dishes, cooking ware Theune). and storage vessels, each made of different materials, and also toys, jewellery, smoking accessories, pocket knives and many other accessories. The objects can be ascribed to offenders or victims quite safely. Hand-made combs or small vessels, in particular, doubtlessly belonged to the victims and prisoners. The same applies to most pieces of a considerable number of spoons made of aluminium. Only few forks and knives were found, most of them made of a finer material. The objects write their own history and are also closely connected to their possessor’s biography. If we look at the buildings of the SS, the walls of a con­ centration camp or the barracks of the prisoners, the plates or dishes of the offenders or the victims or at other finds – all of them embody history and become symbols for the structures and events of terror. Some of the finds belonged to the prisoners. These objects stand for the powerlessness and humiliation of the people imprisoned but sometimes also for their self-asser­

Fig. 8. Georadar map from the hospital camp at Mauthausen with the foundations of the barracks (by Archaeo Prospections®). Abb. 8. Plan der geophysikalischen Prospektion (Georadar) des Sanitätslager in Mauthausen mit den Fundamenten der Baracken und weit­ erer Gebäude (Archaeo Prospections®). www.histarch.org 22010 Claudia Theune | Historical archaeology in concentration camps 7 Fig. 9. Excavating Barracks No. 6 in the hos­ pital camp of Mauthausen (photograph by Claudia Theune). Abb. 9. Ausgrabung der Baracke 6 im San­ itätslager von Mauthausen (Foto von Claudia Theune).

Fig. 10. Prisoners’ dishes in the hospital camp, Barracks No. 6, Mauthausen (photo­ graph by Claudia Theune). Abb. 10. Essgeschirr eines Häftlings aus dem Sanitätslager, Baracke 6, Mauthausen (Foto von Claudia Theune). tion. On the other hand a lot of the artifacts can be related to the perpetrators and therefore have to be interpreted as symbols of their power.

Many objects formerly belonging to prisoners are decorated, some of them allowing an insight into everyday life in the camp (Fig. 5 − 6). However, many pieces simply have decorative patterns. Still, some of them can hint at whether they were used during the time of the concentration camp, or during the period of the Soviet special camp (Fig. 7). Finds from the special camp in particular are marked with the date. All the finds have now been entered in a database. They are listed under the classifications mentioned, and details such as description, measurements and a picture are added. This database will be used for educational work with pupils and students (Theune 2006; Müller 2010). A similar database was created for the abundant finds from an excavation of a garbage pit in Buchenwald (Hirte 2000), available online (http://www. buchenwald.de/media_de/fr_content.php?nav=digisammlung&view=ct_di­ gisammlung.html; retrieved December 2010) and in use for educational work in the Buchenwald Memorial. Functional criteria were applied here too. How­ ever, these are different from the criteria used to classify the Sachsenhausen finds (camp, international, location, work, health, hygiene, food, jewellery, religion, leisure, function, prisoners, women, children, numbers, name, trans­ port and death).

Mauthausen

Research in the Austrian concentration camp of Mauthausen has to do with new plans for the memorial. Again, it was necessary to revise the exhibition from the 1970s. The visitors had previously only seen the main camp built in 1938 (Benz / Distel 2006 b). The prisoners of the concentration camp had to break granite stones in the nearby quarry for buildings in Linz, Vienna and Fig. 11. The drilling machine at work at the ash other locations. Soon after the liberation in May 1945, many areas of the camp heap at Mauthausen (photograph by Clau­ and many buildings were torn down. In 1947, the camp was handed over to dia Theune). the Austrian state, with an obligation to build a memorial there (Perz 2006). Abb. 11. Bohrungen im Bereich der Aschehalde At that time, the concept foresaw that the preservation of only the central in Mauthausen (Foto von Claudia Theune). areas and the parade ground. The other, outer areas were not regarded as www.histarch.org 22010 Claudia Theune | Historical archaeology in concentration camps 8 Fig. 12. Drilling core with ash from the ash heap at Mauthausen (photograph by Clau­ dia Theune). Abb. 12. Bohrkern mit Asche aus der Aschehal­ de von Mauthausen (Foto von Claudia Theune).

Fig. 13. The anteroom of the gas chamber of Mauthausen with the closed hole of the former gas injection apparatus (Archaeo Prospections®). Abb. 13. Der Vorraum zur Gaskammer in Mau­ thausen mit dem mit 16 Kacheln verschlossenen Loch, hinter dem die Apparatur der Gaseinfül­ lung angebracht war (Archeao Prospections®). www.histarch.org 22010 Claudia Theune | Historical archaeology in concentration camps 9 historically worth preservation and were transformed into a park landscape. It is particularly clear in this case that memorials are not only authentic plac­ es, but also memorials, museums and places of learning. Space was very re­ stricted in the concentration camps, it was loud, there was a bad smell, and at least during the final phase, the camps were very dirty. Today the memorials give the impression of being almost clinically clean, and due to wide undevel­ oped areas they resemble parks. Aerial photographs from the 1940s clearly show the entire extent of and the lack of space in the camps with their numerous outer areas. Making these outside areas visible again and thus showing the size of the camp is part of the new concept at Mauthausen. First, a comprehensive geophysi­ cal survey was carried out in these areas (Theune 2010 a; Theune 2010 b). This affected the so-called hospital camp, the tent camp and the area of the workshop buildings, where the first firing squad facility was situated. The so-called Camp III will be surveyed in 2011. Geophysical prospection has for instance made visible all foundations of the barracks in the hospital camp (Fig. 8). In the tent camp the location of the tents could also be detected. The traces of the poles can be seen clearly, but the interiors of the tents do not show anomalies. The first excavation took place in the hospital camp in 2009. As in other former concentration camps, it was necessary to review the condition of the relics in the soil. One end of Barracks No. 6 was excavated (Fig. 9). The foun­ dations were found directly beneath the grass, consisting of large stones and a brick base. Inside, the barrack was divided into three parts. The post-marks were clearly visible. Traces of a stove were also detected and the entrance area was paved carefully. Among the finds are many objects belonging to the building itself, meaning nails and door fittings. Still, some personal items such as dishes of prisoners were uncovered (Fig. 10). A question to archaeologists raised by historians concerned the so-called ash heap. It was to be investigated how much ash and cremated remains had been placed here. Core drillings were made (Fig. 11) and immediately docu­ mented. The finds were recovered and the cores then placed into the ground again without delay (Fig. 12). Larger ash layers were found in the rear of the area than in the front by the path. The area had already been levelled by the Nazis to deposit the ashes and between the ash layers further levelling layers were recorded. The cores also included some finds, such as personal belong­ ings of prisoners. An important aspect of research in Mauthausen is buildings archaeology. The examination of all standing buildings is planned. One important building was Barracks No. 1. This housed the camp clerks, but also a camp brothel. The walls and ceilings in the sex-cabins had been painted over with a yellow colour in the post-war period, but a colourful decorative scheme, which had visually embellished the brothel, was found under this paint. The NS-period colour scheme has also been discovered under modern layers in many other camp buildings. Other buildings archaeological investigations took place in the killing area. The gas chamber and the small room in front of the gas chamber where the apparatus to funnel the gas was found are situated here. Different tiles are clearly visible on the wall where the apparatus to funnel the gas was originally installed. A photograph taken shortly after the liberation shows repair work with nine tiles and a hole. Presumably, the Nazis dismantled the device and sealed the hole with these nine tiles. When the Americans wanted to investi­ gate the site, they reopened the place and were also able to see the hole. The site was then closed again with 16 tiles (Fig. 13). Georadar clearly shows this mended hole. www.histarch.org 22010 Claudia Theune | Historical archaeology in concentration camps 10 Conclusion

In contemporary historical archaeology, the archaeological heritage of the monuments and memorial sites of the Nazi period is increasingly considered and cared for. The offices for preservation of ancient monuments recognise the importance of these places and sites and carry out excavations when necessary, as is the case at sites of older periods. Much research is carried out in connection with other historical and museological disciplines at the memorial sites. Many valuable insights into the structure of the camps, the crimes and everyday life are obtained by archaeology. Together with other disciplines, they help to analyse the historical image of the camps. Of particu­ lar importance is the impact of archaeology in the use of objects for political education. With the help of archaeology, the memorials are sites for learning about National Socialism and the Holocaust.

Acknowledgements

I would like to thank Ivar Schute for valuable information on the research at Amersfoort, and Andrzej Kola on the research at Auschwitz. I also wish to thank Paul Mitchell and Günther Buchinger, who carried out the building ar­ chaeology at Mauthausen, for their kind cooperation throughout the work. Ulrike Fornwagner and Paul Mitchell translated the paper.

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Impressum

Imprint: ISSN 1869-4276 Editing: Natascha Mehler, Wien Technical edition and Layout: Holger Dieterich, Kiel Copyright see: www.histarch.org www.histarch.org 22010 Claudia Theune | Historical archaeology in concentration camps 14 Historische Archäologie

Jörg Harder Segmentgürtel mit mehrteiliger Anhängekombination – Ein Frauenschmuckgürtel der Renaissance

Einleitung

Mitteleuropäische Schmuckgürtel der Renaissance, im Besonderen so ge- nannte „Brautgürtel“, spielten in der archäologischen Forschung bislang eine eher untergeordnete Rolle. Vereinzelt wurden einige vollständigen Stücke vorgestellt, sei es als Teil eines Schatzfundes oder im Rahmen einer Ausstel- lung bzw. Zusammenstellung kunsthandwerklicher Schmuckgegenstände (Adam 1870, 43; Zander-Seidel 2007, 234; Schroeter 1991, 50 – 57; Lindahl 1988, 59 ff.; Krabath 2006, 49). Die bisher einzige umfassende Monographie zu Gürtelformen und -typen legte 1971 Ilse Fingerlin vor, die sich zeitlich auf das hohe und späte Mittelalter konzentrierte und spätere Gürteltypen nur am Rande erwähnte. Auch in der Kostüm- und Trachtenforschung werden Gürtel erwähnt und hauptsächlich mit dem Hochzeitsbrauch in Verbindung gebracht, wobei der Begriff „Brautgürtel“ recht pauschal Verwendung findet (Deneke 1971, 132 ff.; Beitl 1974 Taf. 27 a – c; Selheim 2005, 262 ff.; Brückner 1952, 38 – 41; Jegel 1953, 248 f.).

Das Fundmaterial

Aufgrund des unzureichenden Forschungsstandes und der Tatsache, dass in der Regel nur Einzelteile und Fragmente von Gürteln bei Ausgrabungen oder Feldbegehungen geborgen werden können, ergeben sich Schwierigkeiten 1 1 Dem vorliegenden Artikel liegt meine Ma- mit der korrekten Ansprache dieser Fundstücke. Im Rahmen dieser Arbeit gisterarbeit zu Grunde, die am 14.01.2009 ergab sich nun die Möglichkeit, mit Funden aus der Region Berlin-Branden- an der Humboldt-Universität zu Berlin am burg als Materialbasis, diesen Gürteltyp unter verschiedenen Aspekten hin- Lehrstuhl für Ur- und Frühgeschichte des sichtlich der Formmerkmale, Herstellungstechnik, ornamentalen Gestaltung Institutes für Geschichtswissenschaften sowie der zeitlichen Einordnung und kulturhistorischen Relevanz zu untersu- der Philosophischen Fakultät I eingereicht chen. Das Fundmaterial besteht aus zwei vollständig erhaltenen Gürteln und wurde. Die Arbeit trägt den Titel „Unter- insgesamt 24 Fragmenten, die eine unterschiedlich hohe Anzahl von erhal- suchungen an so genannten Brautgürteln tenen Segmenten vorweisen. Sie wurden vornehmlich als Lesefunde in den der Renaissance aus dem Raum Berlin- Brandenburg“ und wurde von Prof. Dr. Brandenburger Landkreisen Prignitz, Ostprignitz-Ruppin, Havelland, Ober- Claudia Theune-Vogt vom Lehrstuhl für havel, Kreis Jericho, Oder-Spreekreis, Dahme-Spreewald, Uckermark und in Ur- und Frühgeschichte der Universität Berlin am Mühlendamm / Spreegrund geborgen (Abb. 1). Von drei Stücken ist Wien betreut. die Herkunft nicht geklärt, da sie Anfang des 20. Jahrhunderts bei Auktionen 8

9 3 5 4 6 2 1 11 7 10 17 Abb. 1. Karte mit den im Text erwähnten 12 Orten: 1 Berlin, 2 Brandenburg, 3 Triglitz, 4 Rohrlake, 5 Perleberg, 6 Zehdenick, 7 König- Wusterhausen, 8 Danzig, 9 Stuer, 10 Göttin- 13 gen, 11 Münster, 12 Schwalm, 13 Nürnberg, 14 15 Augsburg, 15 Regensburg, 16 Gunskirchen, 17 14 Gröden (© Institut für Ur- und Frühgeschich- 16 te, Universität Wien). Fig. 1. Map with places mentioned in the text: 1 Berlin, 2 Brandenburg, 3 Triglitz, 4 Rohrlake, 5 Perleberg, 6 Zehdenick, 7 König-Wusterhausen, 8 Danzig, 9 Stuer, 10 Göttingen, 11 Münster, 12 Schwalm, 13 Nürnberg, 14 Augsburg, 15 Regens- burg, 16 Gunskirchen, 17 Gröden (© Institut für Ur- und Frühgeschichte, Universität Wien).

von dem Sammler Rudolf Lepke angekauft wurden und unter unbekannten Umständen in das Märkische Museum Berlin gelangten. Als singulärer Grab- fund ist ein vollständig erhaltener Gürtel aus Perleberg anzuführen. Die Fund- stücke lagern heute vorwiegend im Märkischen Museum Berlin, im BLDAM Brandenburg, im Heimatmuseum König-Wusterhausen und im Heimatmuse- um Perleberg. Bei dem untersuchten Material handelt es sich hauptsächlich um Frau- enschmuckgürtel des 16. und 17. Jahrhunderts. Es sind, technisch gesehen, Segmentgürtel, die in drei verschiedenen Ausführungen gefertigt und ge- tragen wurden: als Kettengürtel, Gliedergürtel und Gürtel mit einer Textil- oder Lederborte (Abb. 2 – 4). Ihr formaler Aufbau ist durch stumpf endende Schließen ohne flexible Längeneinteilung und einer mehrteiligen Anhänge- kombination auf einer Hüftseite charakterisiert. Schließen und Anhänge- kombinationen sind nicht selten aus einer unterschiedlich großen Anzahl von Segmenten gefertigt. Die Segmente unterscheiden sich in den Ausmaßen, Abb. 2. Ein vollständiger Kettengürtel aus Trig- der Ausführung und der Herstellungsart. Vollständige Gürtel können dabei litz, Lkr. Prignitz, 1550–1630 (Abbildung Jörg aus Segmenten verschiedener Varianten zusammengesetzt sein. Auf ihnen Harder). finden sich ebenfalls unterschiedlich ausgeführte Ornamente in den Dekors Fig. 2. A complete chain girdle from Triglitz, der Schauseiten, während die Rückseiten durchweg unverziert blieben. Die district Prignitz, 1550- 1630 (illustration by Jörg typologische Entwicklung der hier untersuchten Gürtelform ist nicht eindeu- Harder). tig geklärt. Nach Ilse Fingerlin (1971, 133 f.) könnte sie sich von „demi-ceint“ 2 Gürteln des 14. Jahrhunderts ableiten, die sich von beschlagenen Textilgür- teln zu metallenen Gliedergürteln entwickelten. Da jedoch auch Kettengür- tel und solche mit Leder- oder Textilborte unter den Segmentgürteln erhal- ten geblieben sind, wird mit mehreren Entwicklungssträngen gleichzeitig zu rechnen sein, die zwar im Einzelnen schwer nachzuweisen sind, sich jedoch in den oben erwähnten Formmerkmalen der drei Ausführungsarten wieder 2 Der Begriff bezeichnet einen kurzen Gür- finden. Es ließen sich drei verschiedene Varianten der Herstellung am Unter- tel mit Beschlägen in unterschiedlicher Breite, der knapp um die Hüften passte suchungsmaterial feststellen: und ausschließlich von Frauen getragen wurde. Die Gürtelenden standen sich Variante I: Massiver Guss, bei dem die einzelnen Segmente mit Scharnierhül- stumpf gegenüber und wurden mit einer sen und Dekor in einem Stück gegossen wurden (Abb. 5). Kette verschlossen. Variante II: Geschmiedete Bleche (Blechstärke > 0,10 cm) mit geprägtem und www.histarch.org 32010 Jörg Harder | Segmentgürtel mit mehrteiliger Anhängekombination 2 ziseliertem oder graviertem Dekor, bei denen vorhandene Scharnierhülsen durch Zurückbiegen des Bleches um eine Seele und Ausschneiden der Hül- senbreite gefertigt wurden. Der Blechrest wurde dabei stets auf der Vorder- seite vernietet und verziert (Abb. 6). Variante III: Geschmiedete oder gewalzte Bleche (Blechstärke < 0,10 cm) mit geprägtem oder gepresstem Dekor, bei denen die Segmente mit zwei Ble- Abb. 3. Ein vollständiger Gliedergürtel, der chen zu einem Kasten zusammengesetzt, sowie auch durch mittiges Falten Fundort ist unbekannt, 1570–1670 (Abbildung als Doppelblech verarbeitet wurden (Abb. 7). Jörg Harder). Fig. 3. A complete segmented girdle, the locali- Die untersuchten Stücke bestehen alle aus verschiedenen Kupferlegie- ty is unknown, 1570–1670 (illustration by Jörg rungen und zeigen unterschiedlich starke Gebrauchsspuren. Es lassen sich Harder). zusätzlich auch Spuren in Form von Feilrillen, Sägeeinschnitten, Gussrück- ständen und Schlagvertiefungen beobachten, die auf die Herstellungsart Abb. 4. Ein Gürtel mit Textilborte aus Süd- schließen lassen. Materialstärke, Dekorausführung und technische Details deutschland (17./18. Jahrhundert) (nach Ritz konnten ebenfalls zur Rekonstruktion der Fertigung der Objekte herangezo- 1978 Abb. 192). gen werden. Fig. 4. A girdle with textile trimming from Die Untersuchung zeigte, dass die nach Variante I gegossenen Stücke im southern Germany (17th/18th centuries) (from Vergleich qualitativ hochwertiger waren als die Exemplare der Varianten II Ritz 1978 Fig. 192). und III. Ein gegossenes Stück garantierte nicht nur Stabilität und Haltbarkeit, es war auch dem Gewicht und Material entsprechend wertvoll und bedeu- tete eine nicht geringe Kapitalanlage. Zeugnis davon geben einige in Muse-

Abb. 5. Dreiteilige Anhängekombination der Zeit 1570–1670 (Fundort unbekannt) (Abbil- dung Jörg Harder). Fig. 5. A three-part pendant construction dating to 1570–1670 (locality unknown) (illustration by Jörg Harder).

Abb. 6. Ein Gürtelfragment aus Rohrlake, Lkr. Ostprignitz-Ruppin, 1570–1670 (Abbildung Jörg Harder). Fig. 6. A girdle fragment from Rohrlake, district Ostprignitz-Ruppin, 1570–1670 (illustration by Jörg Harder). www.histarch.org 32010 Jörg Harder | Segmentgürtel mit mehrteiliger Anhängekombination 3 Abb. 7. Eine dreiteilige Anhängekombination aus Berlin, 1570–1670 (Abbildung Jörg Har- der). Fig. 7. A three-part pendant construction from Berlin, 1570–1670 (illustration by Jörg Harder).

en ausgestellte Frauenschmuckgürtel, die in der Hauptsache aus Silber ge- gossen und nicht selten vergoldet oder mit Edelsteinen geschmückt wurden (Pechstein 1987 Kat. 209; Ritz 1978 Abb. 189, 192 – 194; Stolleis 1977 Abb. 97; Deneke 1971 Abb. 121; Zander-Seidel 2007, 234 Abb. 212 – 213). Gegossen wur- de nach Modellen aus Holz, anderen Metallen, sowie auch Ton. Nach Hans Drescher (1978, 90 f.) war dabei das Gravieren und Schneiden tiefer Negative in die Gussformen üblich. Als Nachweis führt er in Schweden und Norwegen erhaltene Goldschmiede- und Gürtlermatrizen aus Kupfer an. Solche Matri- zen oder auch Gussformen zirkulierten unter den Goldschmieden Europas und wurden oft weitergegeben (Lindahl 1988, 255; Pechstein 1966, 240; ders. 1985, 420; Irmscher 2005, 124 f.). Im Gegensatz zu wenigen erhaltenen Guss- formen sind unzählige Modelle in Form von Bleiplaketten überliefert. Vor allem Goldschmiede wie Ludwig Krug, Wenzel Jamnitzer, Hans Jamnitzer, Hans Petzold und der Bildschnitzer Peter Flötner in Nürnberg, sowie Matthi- as Wallbaum, Bons Ullrich und Paul Hübner in Augsburg entwarfen Bildwer- ke und Reliefdarstellungen, mit denen sie nicht nur Goldschmieden, sondern auch Zinngießern, Geschütz- und Glockengießern und anderen Gewerken Modelle und Vorlagen für deren Arbeiten lieferten (Weber 1975, 24). Als Ausgangsprodukt der Blechherstellung bei Variante II haben vermutlich gegossene, flache Planschen gedient, die mit Kugel- und Planierhämmern auf die gewünschte Stärke gehämmert wurden. Eng mit dieser Entwicklung ist auch die verstärkte Nutzung der Wasserkraft mit Hammerwerken verbunden (Lietzmann u. a. 1984, 144; Gimpel 1980, 44). Die nach dieser Variante herge- stellten Gürtelteile haben zum Großteil einen funktionalen Aspekt. Es sind in der Regel die Segmente der Schließen, für die offensichtlich ein stärkeres Blech verwendet wurde, da diese durch häufiges Öffnen und Schließen einer höheren Belastung ausgesetzt waren als die übrigen Bestandteile eines Gür- tels (Abb. 6). Für die Segmente der Variante III können ebenfalls gegossene, flache Plan- schen als Ausgangsmaterial angenommen werden. Auch hier ist der Einsatz von Hammerwerken zur Herstellung der Bleche denkbar. Allerdings sollten zur Weiterverarbeitung auch frühe Walzwerke in Betracht gezogen werden. Laut Herbert Maschat (1988, 109) wurden bereits Walz- und Schneidewerke zur Herstellung von Eisenflachstäben ab 1532 in Nürnberg verwendet. Schrift- liche Quellen belegen zudem den Einsatz von Walzen zur Münzprägung 1565 in Tirol, 1575 in Sachsen, um 1600 in Berlin und 1602 in Zellerfeld (Uhl- horn / Bamberg 1935, 3 f.; 12). Nach Variante III hergestellte Segmente dienten zumeist als Anbindungsglieder zwischen Kette bzw. Borte und den Schließen oder Anhängekombinationen (Abb. 7). Die figürliche und ornamentale Ausschmückung von wertvollen Gold- und Silberschmiedearbeiten wurde von darauf spezialisierten Handwerkern voll- zogen. Oftmals waren an einem größeren Auftrag gleich mehrere speziali- sierte Handwerksbetriebe beteiligt, die als Zulieferer von vorproduzierten Einzelteilen fungierten (Irmscher 2005, 181 ff.; Buhlmann / Stinzendörfer 2004, 27; Schürer 1985, 72; Lockner 1982, 73 ff.). Zu diesen Einzelteilen ge- hörten auch Modelle zur Prägung von Blechen, die im 16. Jahrhundert in ganz Deutschland Verbreitung fanden. Goldschmiedemodelle, wie Ornament- www.histarch.org 32010 Jörg Harder | Segmentgürtel mit mehrteiliger Anhängekombination 4 Abb. 8. Detail eines Gürtelfragments aus Ber- lin, 16./17. Jahrhundert (Abbildung Jörg Har- der). Fig. 8. Detail of a girdle fragment from Berlin, 16th/17th centuries (illustration by Jörg Har- der).

oder Zierstücke, Laubwerk, Zwischenstücke, Profilleisten oder vollplastische Figuren sind mit den Gesellen von Ort zu Ort gewandert und wurden schon früh zum begehrten Sammlerobjekt im Fundus von Goldschmieden (Pech- stein 1985, 420). Die hier untersuchten Gürtel und Gürtelteile stehen allerdings in starkem Gegensatz zu den wertvollen Gold- und Silberschmiedearbeiten. Unvollstän- dige Dekors, tiefe Feilrillen, Sägeeinschnitte und Guss- und Gravurfehler sind auffällige Bearbeitungsspuren. Sie sind aber auch gleichzeitig ein Hinweis auf das handwerkliche Niveau der Hersteller. Je deutlicher sie zu erkennen sind, umso geringer die Qualität des Werkstückes und umso geringer die Sorgfalt, die aufgewendet wurde. Eine massenhafte Produktion ist daher für die meis- ten Stücke anzunehmen. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass die produzierenden Werkstätten nicht auf die Gürtelherstellung spezialisiert wa- ren, sondern dies nur ein Produkt unter vielen darstellte. So wurde zumeist mit den gefalteten Blechen oder Kästen der Variante III die einfachste Form der Anbindung an eine Kette oder eine Textil- oder Lederborte gewählt. Un- vollständige Dekors deuten darauf hin, dass die Prägeformen nicht speziell für die Gürtelsegmente, sondern für Objekte unterschiedlicher Größe gefer- tigt wurden, z. B. für Beschläge aller Art. Sie zeigen oft nur einen Ausschnitt einer Dekorfolge (Abb. 8).

Abgrenzung zu Buchschließen

Gürtel- und Gürtelteile kommen bei Ausgrabungen oder archäologisch begleiteten Baumaßnahmen zumeist nur als Fragmente zu Tage. In der Regel werden einzelne Segmente aus Schuttschichten geborgen oder vom Abraum aufgelesen. Aufgrund der Ähnlichkeit mit Buchschließen oder Beschlagbän- dern von Bucheinbänden der Renaissance werden solche Fragmente, die als Einzelstücke keine Vergleichsmöglichkeiten bieten, oftmals als Buchschlie- ßen interpretiert. Um die Materialansprache genauer zu definieren, sollen im Folgenden einige Möglichkeiten der Abgrenzung von Gürtelteilen zu Buch- schließen vorgestellt werden. Verschlüsse und Beschläge sollten ein Buch hauptsächlich vor Feuchtigkeit und Beschädigungen schützen. Daher war es notwendig, sie exakt an die Di- cke eines Buches anzupassen. In der Renaissance wurden im deutschspra- chigen Raum dafür Ösen- und Hakenverschlüsse verwendet, die entweder als Riemenbefestigungen oder als Ganzmetallschließen mit Scharnier ausge- führt waren 3. Letztere waren im Hinblick auf Genauigkeit und Anbringung an das Buch wesentlich aufwendiger herzustellen. Das Schließblech mit Haken oder Öse musste genau auf die Buchdicke abgestimmt werden, da die An- bindung an die Scharnierplatte des Buchrückens keinen Spielraum dafür ließ. Das Scharnier ließ zudem nur ein Auf- und Zuklappen des Schließbleches zu. Hakenverschlüsse sind seit dem 14. Jahrhundert nachgewiesen und wurden 3 Freundlicher Hinweis von Georg Adler. zu dem am meisten verwendeten Typ (Szirmai 1999, 251). www.histarch.org 32010 Jörg Harder | Segmentgürtel mit mehrteiliger Anhängekombination 5 Abb. 9. Detail einer Gürtelschließe aus Perle- berg, Lkr. Prignitz, 16./17. Jahrhundert (Abbil- dung Jörg Harder). Fig. 9. Detail of a fastening from Perleberg, district Prignitz, 16th/17th centuries (illustration by Jörg Harder).

Vor allem die Konstruktion der Schließmechanismen lässt sich nun für eine Abgrenzung gegenüber Gürteln heranziehen. Eine Möglichkeit ist in der Funktionsweise des Knebelverschlusses gegeben, der eindeutig an Gürteln Verwendung fand (Abb. 9). Das Schließblech besitzt eine spatenförmige Aus- sparung zur Aufnahme eines Knebelhakens, der aus einer nach hinten geroll- ten oder geklappten Querrolle besteht. Um diesen Verschluss zu schließen, muss das Blech mit Knebel um 90° gedreht und von unten in die spatenför- mige Öffnung des Schließbleches eingeschoben werden, so dass der Kne- bel durch den schmalen Fortsatz der Aussparung passt. Sobald der Knebel durchgeschoben ist, wird er wieder zurückgedreht und auf Zugspannung gebracht. Er bildet dann eine optische Einheit mit dem Schließblech (Abb. Abb. 10. Funktionsweise eines Knebelver- 10). Dies lässt sich nur bewerkstelligen, wenn die Segmente über genug Spiel- schlusses (Abbildung Jörg Harder). raum verfügen und sich um mindestens 90° drehen lassen. Das ist bei einer Buchschließe mit Scharnier nicht möglich, da sie sich nur auf- und zuklappen Fig. 10. Operation of a toggle fastening (illustra- lässt. Der benötigte Spielraum würde zudem einen korrekten Verschluss des tion by Jörg Harder). Buches verhindern. Diese Verschlussweise setzt also eine flexible Drehbewe- gung der Schließenden voraus. Gleichzeitig lässt sie keine Möglichkeit, die Länge des zu schließenden Objektes zu beeinflussen. Somit wäre eine Ver- wendung bei Riemen- oder Pferdegeschirrteilen, die eine flexible Längen- einteilung voraussetzen, ebenfalls nur schwer vorstellbar. Das gleiche Prinzip lässt sich auch bei Schließen mit pilzförmiger Aussparung und ebensolchem Hakenaufsatz nachweisen. Die klare Zugehörigkeit dieser Verschlussart zu Gürteln ist zudem mit dem vollständigen Stück aus Perleberg, Lkr. Prignitz, und einigen Gürteln aus den von Fritze Lindahl (1988, 60 Abb. 60 – 61) vorge- stellten dänischen Schatzfunden abgesichert. Eine weitere Möglichkeit der Unterscheidung von Buch- und Gürtelschlie- ßen liefern Schließteile mit einfach gebogenem Haken und Scharnierhülsen nach Variante II. Der Haken des Schließbleches ist dabei nach hinten, zum Buch hin, gebogen. Wäre er nach vorne gebogen, würde er eventuell überste- hen und damit ein versehentliches Öffnen des Buches ermöglichen. Zudem müsste die Aussparung des Hakenlagers größer als der Biegedurchmesser des Hakens sein, denn er müsste hindurch passen, um von hinten in das La- ger zu greifen. Folglich sind in den meisten Fällen die Haken nach hinten in Klapprichtung gebogen, was den Schließvorgang erheblich vereinfacht. Bei Gürtelschließen mit einfach gebogenem Haken verhält es sich genau anders herum. Sie sind nach vorn zur Schauseite gebogen, da sie sich stets hinter den Schließblechen mit Aussparung einhaken. Dies lässt sich auch bei den Knebelverschlüssen oder Schließenpaaren mit pilzförmigem Hakenaufsatz beobachten. www.histarch.org 32010 Jörg Harder | Segmentgürtel mit mehrteiliger Anhängekombination 6 Datierung

Die Fundumstände der hier vorgestellten Gürtel und Gürtelteile lassen kei- ne eindeutigen Aussagen über deren Herstellungszeitpunkt zu. Um diesen näher einzugrenzen, konnten jedoch mehrere Möglichkeiten zur Interpretati- on mit einbezogen werden. So ist die stilistische Entwicklung der renaissance- zeitlichen Ornamente anhand von Vorlageblättern zeitgenössischer Künstler und Goldschmiede, der so genannten „Kleinmeister“, gut dokumentiert. Zu- dem bieten das 16. und 17. Jahrhundert eine Fülle von datierbaren Holz- und Kupferstichen, sowie Ölgemälde mit weitgehend naturrealistischer Darstel- lung von Personen, von denen einige Gürtel tragen, die typgleich zu den hier behandelten sind. Die Datierung der bildlichen Darstellungen ermöglicht hierbei einen Rückschluss auf die zeitliche Relevanz dieses Gürteltyps. Bei dem stilistischen Vergleich der Ornamente auf den Schauseiten der Gürtel- segmente mit den Vorlageblätter der „Kleinmeister“ konnten vor allem drei Ornamenttypen ermittelt werden: das Hopfenblatt, die Rahmenkartusche in Beschlagwerkausführung und das Schweifwerk. Das Hopfenblatt als eigenständiges Ornament beschränkt sich geogra- phisch auf Mitteleuropa und zeitlich auf die Jahre 1515 bis 1540. Als Orna- mentbestandteil aus Italien kommend, erscheint es in Augsburg spätestens Abb. 11. Detail einer Dolchscheide von Hein- um 1515, vermutlich erstmals als Druck des Künstlers Daniel Hopfer. Dann rich Aldegrever, 1537 (nach Jessen 1924, 74). folgt es als flächendeckendes Ornament in Arbeiten von Georg Pencz, Hans Fig. 11. Detail of a dagger sheath by Heinrich Al- G. Beham und Bartel Beham in Nürnberg und um 1520 bei Heinrich Aldegre- degrever, 1537 (from Jessen 1924, 74). ver in Münster (Irmscher 2005, 101). Die ornamentale Gestaltung auf dem Ent- wurf einer Dolchscheide von Heinrich Aldegrever aus dem Jahre 1537 zeigt deutliche Parallelen zu den Verziehrungen dreier Schließensegmente des Untersuchungsmaterials (Abb. 11 – 12). Der Datierungsvorschlag dieser Stücke orientiert sich deshalb an der Ornamentlaufzeit von 1515 bis 1540. Auf fünf verschiedenen Gürtelsegmenten des Untersuchungsmaterials sind abstrahierte Formen der Rahmenkartusche zu erkennen. Nach der Definiti- on von Günter Irmscher (2005, 94) sind Rahmenkartuschen autonome, ei- genplastische Körper, die eine klar vom Rand abgesetzte Binnenfläche vor- weisen. Ab 1520 werden diese Konturen auch mit so genanntem „Rollwerk“ verziert, welches sich durch mehrschichtigen Aufbau und der Durchsteckung von Bändern kennzeichnet. Eine neue Formgebung vollzog sich mit der Ap- plikation von Beschlagwerk auf die Rahmenkartuschen. Die Entwicklung ging von den plastischen, mehrschichtigen und sich aufbiegenden Bändern des Rollwerks hin zu flachen, einschichtigen, wie Beschläge wirkenden Bändern. Eingefügte Löcher oder kleine plastische Hügel, die Nagelköpfe andeuten, unterstreichen den Beschlagcharakter. Ganze Druckserien, vornehmlich nie- derländischer Künstler wie Cornelius Floris, Jakob Floris, Hans Vredemann de Abb. 12. Ein Gürtelfragment aus Zehdenick, Lkr. Oberhavel, 1515–1540 (Abbildung Jörg Vries und Frans Huys, machten die neue Ornamentform vor allem in Nord- Harder). europa bekannt. Sie blieb von 1550 bis um 1630 im Sujet der Künstler und Handwerker (Irmscher 2005, 96) (Abb. 13). Die Datierung der genannten Gür- Fig. 12. A girdle fragment from Zehdenick, telteile mit Beschlagwerk-Rahmenkartusche folgt auch hier der Ornament- district Oberhavel, 1515–1540 (illustration by Jörg Harder). laufzeit von 1550 bis 1630, da nicht nachweisbar ist, wie lange solche Vorlagen weitergenutzt wurden. Auf etlichen Gürtelteilen finden sich Ornamentelemente des Schweif- werks, die verschieden ausgeführt und zum Teil stark abstrahiert sind. In seiner Dissertation arbeitete Günter Irmscher (1978, 10 – 18) Merkmale die- ses Ornamenttyps heraus, die diesen als eigenständigen Stil definieren. Die Hauptphase umfasste die Jahre 1570 / 80 und 1620 / 30. Frühe Formen zieren Einfassungen von Erasmus Hornick um 1560 in den Niederlanden. Ab 1600 dominiert das Schweifwerk als Primärornament der nordeuropäischen Gold- schmiedekunst und Schreinerarbeiten. Zum gleichen Zeitpunkt erfolgte eine Stilisierung und Linearisierung für Schmuckvorlagen und für auf Emai- larbeiten abzielende Blätter mit weißem oder schwarzem Grund (Irmscher 2005, 127 f.). Die Laufzeit des Ornaments ist anhand der Vorlageblätter ge- setzt und bezieht sich auf den Zeitraum ihrer Innovation und Publikation. Es lässt sich jedoch in diesem Fall eine längere Nutzung nachweisen: Ein wohl www.histarch.org 32010 Jörg Harder | Segmentgürtel mit mehrteiliger Anhängekombination 7 1670 von Bartholomäus Stein (Meistermarke) geschaffener Gürtel mit dreitei- liger Anhängekombination zeigt im Schließenbereich miteinander verstegte Schweifwerkformen und verdeutlicht, dass dieser Ornamentstil wesentlich länger Verwendung fand, als die Vorlageblätter datieren (Abb. 14). Der Datie- rungsansatz der Gürtelteile mit Schweifwerkdekor und dessen abstrahierten Ausführungen stützt sich auf die Laufzeit der Ornamente anhand der Vorla- geblätter. Der Gürtel von Bartholomäus Stein wird allerdings miteinbezogen, da er eindeutig die Fortdauer des Schweifwerks auf den Dekors der Gürtel- segmente belegt. Der Herstellungszeitraum ist daher auf 1570 bis um 1670 anzusetzen. Weitere Verzierungsformen der Gürtelsegmente bestehen ausschließlich aus geometrischen Mustern verschiedenster Art, die keinem von der Kunst- historik definierten Stile zuzuordnen sind. Es scheint sich um regionale Va- rianten zu handeln, wie sie teilweise auch in Göttingen und der Burg Stuer Abb. 13. Detail der "Corinthia et composita" vorkommen und auf den Norddeutschen Raum beschränkt bleiben (Abb. 15) von Hans Vredeman de Vriese, 1565 (nach (vgl. Schütte 1991, 71 Abb. 6 – 4­; Schoknecht 1999, 154 Abb. 30 c). Ein Datie- Jessen 1924, 191). rungsansatz lässt sich nur über die Form und Herstellungsart der Gürtelteile gewinnen, die mit den anderen hier vorgestellten Stücken korrespondiert. Fig. 13. Detail of "Corinthia et composita" by Hans Vredeman de Vriese, 1565 (from Jessen Eine relativ weit gespannte Eingrenzung in das 16. und 17. Jahrhundert scheint 1924, 191). hierbei angemessen zu sein.

Schmuckgürtel in Schriftquellen

Die Recherche von schriftlichen Quellen ergab, dass Frauenschmuckgürtel mit den hier untersuchten Formmerkmalen durchaus erwähnt wurden und sich mit dem angesetzten Datierungszeitraum decken. Hinzuweisen ist vor allem auf Testamente (Schildhauer 1992, 76), Nachlassinventare (Schürer 2001, 256; Wilckens 1979, 25 – 41; Spácilová 2000, 120; Seeberg-Elverfeldt 1975, 248) sowie Hochzeits- und Kleiderordnungen. Letztere nahmen zum Teil sehr detaillierte Abstufungen zwischen den Ständen einer Stadt vor, die hauptsächlich Anzahl, Material und Wert der Kleider und Schmuckgegen- stände betrafen, welche die Frauen an bestimmten Tagen in der Öffentlichkeit tragen durften. Dabei waren vergoldete oder silberne Gürtel ausschließlich den obersten Ständen vorenthalten, während Gürtel aus Bronze oder Mes- sing nicht unter die Reglements fielen und von Frauen jeden Standes getragen werden durften. Die verwendeten Bezeichnungen in den Ordnungen und Testamenten ge- ben dabei einen Hinweis auf die Art der genannten Gürtel. So stehen gör- del, lyffrehm und lanne im Mittelniederdeutschen synonym für Gürtel, wobei mit reme eine Lederunterlage bezeichnet wird, mit borte eine Stoffunterlage. Laut Gudrun Lindskog-Wallenberg (1977, 102 – 120) bedeutet lanne eine Stan- ge oder Blatt aus Metall. Lamina kennzeichnet eine Kette oder einen Gürtel

Abb. 14. Ein Frauenschmuckgürtel von Bart- holomäus Stein, 1670, Detail (nach Zander- Seidel 2007 Abb. 213). Fig. 14. A female decorative girdle by Bartho- lomäus Stein, 1670, detail (from Zander-Seidel 2007, Fig. 213). www.histarch.org 32010 Jörg Harder | Segmentgürtel mit mehrteiliger Anhängekombination 8 aus einzelnen getriebenen Stäbchen oder Metallblechen. Lansulver und lan- nengold sind also dünn geschlagene Silber- und Goldbleche, demnach eine aus diesen Blechen gefügte Gürtelkette. Diese Bezeichnungen waren haupt- sächlich im norddeutschen Raum gebräuchlich (Lindskog-Wallenberg 197 7, 106 – 120; Crull 1898, 154). Vor allem die Zusammenstellung aus Gürtel und dazugehöriger Tasche oder Messerscheide, die an der Anhängekombination befestigt wurden, sind klar nachzuweisen. Vollständige Exemplare solcher zusammengestellter Gürtelgarnituren sind z. B. in dem Schatzfund von Re- gensburg, verborgen um 1633, erhalten (Weininger 1869, 332 – 334 Abb. 1 – 15). Abbildung 16 zeigt ein Exemplar mit Messerscheide, das vermutlich um 1600 von Christoph Breny (Marke CB) geschaffen wurde.

Schmuckgürtel auf Ölgemälden

Die Vielfalt der Portraitmalerei, Gemälde mit Alltagsdarstellungen sowie Holz- und Kupferstiche des 16. und 17. Jahrhunderts gibt einen guten Einblick hinsichtlich der Modeentwicklung und Tragweise von Schmuckgegenstän- Abb. 15. Das Segment eines Gürtels aus Perle- berg, Lkr. Prignitz, 16./17. Jahrhundert (Abbil- den dieser Zeitstellung. Anhand dieser Bildnisse kann nicht nur beobachtet dung Jörg Harder). werden, wie die Schmuckgürtel getragen wurden, sondern auch Rückschlüs- se auf die kulturhistorische Relevanz im Sinne des sozialen Umfeldes der Fig. 15. A girdle fragment from Perleberg, district Trägerinnen gezogen werden. Standen diese Gürtel tatsächlich in so engem Prignitz, 16th/17th centuries (illustration by Jörg Harder). Zusammenhang mit dem Hochzeitsbrauch wie die vielfach postulierte Be- zeichnung „Brautgürtel“ suggeriert? Eines der ältesten Gemälde, auf denen Frauen Schmuckgürtel mit mehr- teiligen Anhängekombinationen tragen, ist ein Diptychon des Praunschen Kabinetts aus Danzig, das 1518 vom Meister Michel geschaffen wurde (Abb. 17). Die Darstellung zeigt eine Bankettszene mit zwei Frauen und zwei Män- nern, die am gedeckten Tisch sitzen und sechs weiteren Frauen, die im Vor- dergrund stehen. Alle Frauen im Vordergrund tragen mindestens einen Gür- tel, der lose auf der Hüfe liegt und an dem eine sackförmige Tasche und eine Messerscheide an einem langen Band hängen. Die drei zentralen Frauen tra- gen sogar bis zu drei Gürtel auf einmal und aufwendige Kopfbedeckungen. Wenn auch nicht bei allen Personen genau zu erkennen ist, um welche Art von Gürtel es sich handelt, so zeigen doch die der Bediensteten mit Tablett in den Händen und der Bediensteten ganz rechts im Bild deutlich die selben Formmerkmale der hier behandelten Gürtel. Diese Darstellung ist sicherlich stark idealisiert, laut Peter Strieder (1958, 16) sogar ins Fantastische überstei- gert. Sie legt jedoch nahe, dass Gürtel mit diesen Formmerkmalen bereits 1518 in ihrem funktionellen Zusammenhang, als Schmuck und Träger von Ta- sche und Besteck gebräuchlich waren. Ein Portrait des Malers Lorenz Strauch von 1587 zeigt ein Ehepaar (Abb. 18). Beide Personen sind nach der spanischen Mode gekleidet. Der silberne Gürtel der Frau liegt schräg auf der Taille und scheint ausschließlich aus lang- rechteckigen Segmenten zu bestehen. Unter ihrem rechten Unterarm sind die Beuteltasche und der Griff des Besteckes der Messerscheide zu erkennen, die an einem ringförmigen Zwischenglied befestigt sind. Es sei hier auch das Bildnis der siebzehnjährigen Salome von Erlach vor- gestellt. Das von Bartholomäus Sarburgh 1621 geschaffene Portrait zeigt die junge Frau, deren Kleidung noch immer Züge der spanischen Mode aufweist (Abb. 19). Schräg auf ihrer Hüfte liegt ein Kettengürtel mit dreiteiliger Anhän- gekombination, dessen Zwischenglied als Ring ausgeführt ist. Was genau da- ran befestigt wurde, ist leider nicht zu erkennen, die Tragweise des Gürtels jedoch klar ersichtlich. Abb. 16. Ein Frauenschmuckgürtel von Chri- Wie auf den vorgestellten Abbildungen zu erkennen ist, dominieren im Sujet stoph Breny, um 1600 (nach Pechstein 1987 der Portraitmalerei hauptsächlich Personen gehobenen Standes. Dabei sind Kat.-Nr. 209). in der Regel Frauen unterschiedlichen Alters zu ermitteln, die solche Gürtel Fig. 16. A female decorative girdle by Christoph trugen. Da aber auch unverheiratete junge Frauen mit eben diesen Gürteln Breny, ca. 1600 (from Pechstein 1987 Kat.-Nr. abgebildet wurden (Zander-Seidel 1990, 64 Abb. 51), schwächt sich die pau- 209). schal insistierte Zweckbestimmung als Brautgeschenk oder Bestandteil der www.histarch.org 32010 Jörg Harder | Segmentgürtel mit mehrteiliger Anhängekombination 9 Brauttracht merklich ab. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Betrachtung von Mädchen und Jungen auf Familienportraits dieser Zeitstellung. Offenbar war die Verkleinerung des modischen Zeitkostüms für Kinder in gehobenen Schichten äußerst beliebt. Das von Lorenz Strauch 1583 geschaffene Bildnis eines achtjährigen Mäd- chens veranschaulicht eindrucksvoll, dass die Kleidung der Kinder vornehmer Familien der Erwachsenenwelt nachempfunden war (Abb. 20). Das Mädchen trägt einen schräg auf der Hüfte liegenden Gliedergürtel mit angehängter Beuteltasche.

Formgleiche Gürtel in Trachtenbüchern

Der Begriff „Brautgürtel“ steht in engem Zusammenhang mit der Brauch- tums- und Trachtenforschung, die seit dem Ende des 19. Jahrhunderts und vor allem Anfang und Mitte des 20. Jahrhunderts verstärkt betrieben wurde (Bösch 1893, 41 – 53; Friedberg 1865; Jegel 1953, 238 – 274; Deneke 1971; Beitl 1974). Für die Untersuchungen der diesem Artikel zugrunde liegenden Magis- terarbeit waren jedoch weniger die vollständigen Trachtenbestandteile rele- vant, sondern ob und wie lange sich in der Kleidung Gürtel erhalten haben,

Abb. 17. Ausschnitt aus dem Danziger Dipty- chon von 1518 (nach Strieder 1958, 14). Fig. 17. Detail of the Danzig diptych of 1518 (from Strieder 1958, 14).

Abb. 18. Bildnis eines Ehepaares von Lorenz Strauch, 1587 (nach Zander-Seidel 1990 Abb. 176). Fig. 18. Portrait of a couple by Lorenz Strauch of 1587 (from Zander-Seidel 1990, Fig. 213).

Abb. 19. Bildnis der Salome von Erlach, 1621 (nach Preiswerk-Lösel 1983 Abb. 150). Fig. 19. Portrait of Salome von Erlach, 1621 (from Preiswerk-Lösel 1983, Fig. 150).

welche zu den Formmerkmalen des Untersuchungsmaterials kongruent sind. Bei der Durchsicht von Studien über Trachten verschiedenster Regionen in Deutschland, Niederlande, Schweiz und Österreich ließen sich zahlreiche Abbildungen aus dem 16. und 17. Jahrhundert finden, welche Bürger und Bau- ern in ihrer damals landestypischen Kleidung darstellen (Jaacks 1983 Abb. 5 – 6, 8 – 9; Hoffmann 1962 Abb. 1, 11, 14; Farbtaf. I; Costumes 1872; Lemmer 1972). Vor allem der Züricher Jost Amman war einer der produktivsten und vielseitigsten Buchillustratoren des 16. Jahrhunderts (Lemmer 1972, 125 f.). Die Autoren der Trachtenbücher des 19. und 20. Jahrhunderts, die traditionelle Trachten der verschiedenen Regionen vorstellen, verwenden weitgehend Ammans Holzschnitte zur Darstellung der historischen Entwicklung, wel- cher die Kleidung im Laufe der Zeit unterworfen war. Auf ihnen, wie auch auf anderen entsprechenden Bildnissen des 16. und 17. Jahrhunderts, tragen Frauen Gürtel, die formgleich zu den in dieser Arbeit Vorgestellten sind; Mägde ebenso wie Bürgerinnen und Jungfrauen (Preiswerk-Lösel 1983 Abb. 148 b). Segmentgürtel mit mehrteiliger Anhängekombination wurden danach sowohl von sozial höher gestellten, als auch von niedriger gestellten Frau- en getragen. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts veränderte sich der Modegeschmack in den meisten Regionen, sodass die Gürtel als modisches www.histarch.org 32010 Jörg Harder | Segmentgürtel mit mehrteiliger Anhängekombination 10 Beiwerk ab 1650 allmählich aus dem Sujet der Künstler verschwanden (Meyer 1986, 76) 4.

Schmuckgürtel des 18. und 19. Jahrhunderts im alpinen Raum

Malerei mit ständischen und bäuerlichen Szenen setzte sich jedoch auch auf anderen Trägern fort, wie beispielsweise Mobiliar, Betten, Schachteln oder Bottichen. Die Darstellung einer Hochzeitstafel auf dem Fußende eines Bettes zeigt die Kleidung einer Hochzeitsgesellschaft. Das Bett gehört zu einer Gruppe bemalter Möbel, die alle zwischen 1780 und 1790 bei Gunskirchen, westlich des oberösterreichischen Ortes Wels geschaffen wurden (Beitl 1974 Taf. 26). Im unteren Bildteil sind zwei Tanzpaare zu erkennen, deren Frauen auf der Hüfte liegende Segmentgürtel mit mehrteiligen Anhängekombinati- onen tragen (Abb. 21). Eindeutig als „Brautgürtel“ angesprochen wird ein Gürtel aus dem Tiro- ler Gröden. Die dargestellte Braut trägt einen durch Scharniere verbunde- nen Plattengürtel aus Messing, an dem an der Schließe ein Tuch eingesteckt ist und an einer Anhängekombination eine Messerscheide hängt (Abb. 22). Wiederum aus Tirol, aus dem Defereggental, ist ein lederner Gürtel mit Fe- Abb. 20. Bildnis eines achtjährigen Mädchens derkielstickerei und Anhängekombination bekannt. Der einer Frauentracht von Lorenz Strauch, 1583 (nach Zander-Seidel zugehörige Gürtel stammt wohl aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. 1990 Abb. 234). An ihm hängen Messerscheide und Schlüssel (Selheim 2005 Kat.Nr. 117, Abb. Fig. 20. Portrait of an eight year old girl by Lo- 245). Weitere „Brautgürtel“ aus dem oberösterreichischen Innviertel und dem renz Strauch, 1583 (from Zander-Seidel 1990, Südtiroler Pustertal stellte Klaus Beitl (1974 Taf. 27 a – c) vor. In ihrer Studie über Fig. 234). bäuerlichen Schmuck wies auch Gislind Ritz (1978, 132) auf den traditionellen Gebrauch von Hochzeitsgürteln in den Landschaften Kärnten, Tirol und Vor- arlberg hin. Die von ihr als „Brautgürtel“ angesprochenen Gürtel unterschei- den sich jedoch in ihrem formalen Aufbau. So fehlt bei den drei vorgestellten Exemplaren aus dem schweizerischen Freiamt Aargau, die sie in die erste Hälf- te des 19. Jahrhunderts datiert, jeweils die Anhängekombination (Ritz 1978, 207 Abb. 266), während zwei süddeutschen Gürtel des 17. bis 18. Jahrhunderts klar als Segmentgürtel mit Textilborte zu erkennen sind (Abb. 4 u. 23). Außerhalb der alpenländischen Regionen lässt sich nur ein einziger Gürtel anführen, der mit dem Hochzeitsbrauch in Zusammenhang gebracht wird. Bei dem als „Brautgürtel“ des 19. Jahrhunderts angesprochenen Stück aus Schwalm in Hessen handelt es sich um einen Kettengürtel mit dreiteiliger An- hängekombination, der mit einem von Pfeilen durchbohrten Flammenherz als Zentralmotiv dekoriert ist (Abb. 24). Aufgrund der Formmerkmale, die sich völlig mit Gürteln des 16. und 17. Jahrhunderts decken, erscheint die zeitli-

Abb. 21. Darstellung einer Hochzeitstafel auf einem Bett, um 1790 (nach Beitl 1974 Taf. 26). Fig. 21. Representation of a wedding banquet on a bed, ca. 1790 (from Beitl 1974, table 26).

4 Vgl. Darstellungen bei Hottenroth 1898. www.histarch.org 32010 Jörg Harder | Segmentgürtel mit mehrteiliger Anhängekombination 11 che Einordnung jedoch zweifelhaft, zumal bei den hessischen Trachten des 19. Jahrhunderts keinerlei ähnliche Gürtel angeführt werden (vgl. Justi 1905). Aus den aufgezeigten Beispielen geht hervor, dass verschiedene Varianten von Segmentgürteln mit mehrteiliger Anhängekombination zumindest im 19. Jahrhundert im Gebrauch waren. Eine kontinuierliche Nutzung seit dem 17. Jahrhundert lässt sich indes nicht nachweisen, kann aber aufgrund der nur leicht abgewandelten Formmerkmale angenommen werden. Sie beschrän- ken sich geographisch auf wenige, vermutlich schwer zugängliche Täler im oberösterreichischen Alpenland.

Jüdische Brautgürtel

Auch im jüdischen Hochzeitsbrauch gibt es Hinweise auf die Verwendung von so genannten „Brautgürteln“ (Deneke 1988, 141; Hirschler 1988, 193). So weist Bernward Deneke (1971, 132 ff.) darauf hin, dass solche Gürtel (Segment- gürtel mit mehrteiliger Anhängekombination) fast regelmäßig bei den jüdi- schen Hochzeiten unter den von Hochzeitsleuten getauschten Gaben vorka- men. Einige als jüdische „Brautgürtel“ angesprochene Stücke (Schroeter 1991, 56 f. Abb. 49; Scheffler 1976, 109; Freimann 1908, 143) unterscheiden sich je- doch in keiner Hinsicht zu anderen Gürteln dieser Art. Besondere Attribute in Form oder Ausschmückung, wie sie von jüdischen Hochzeitsringen bekannt sind, lassen sich nicht feststellen. Wie auch auf den von Aron Freimann an- geführten jüdischen Hochzeitsgürtel, die zwar alle die Formmerkmale eines Segmentgürtels mit mehrteiliger Anhängekombination aufweisen, dessen ungeachtet aber keine Spezifikationen enthalten, die sie als eindeutig jüdi- schen „Brautgürtel“ ausweisen würden (Freimann 1908, 143 Taf. II).

Abb. 22. Braut aus Gröden, Österreich (19. Sinnbilder der Liebe und Ehe im Dekor von Gürtelsegmenten Jahrhundert) (nach Selheim 2005 Abb. 247). Fig. 22. Bride from Gröden, Austria, 19th century Eine weitere Möglichkeit, die Zweckbestimmung der verschiedenen Gürtel (from Selheim 2005, Fig. 247). zu ermitteln, ist die Beobachtung und Deutung ihres symbolhaften Dekor­

Abb. 23. „Brautgürtel“ aus Süddeutschland, 17./18. Jahrhundert (nach Ritz 1978 Abb. 192). Fig. 23. “Bride belt“ from southern Germany, 17th/18th centuries (from Ritz 1978, Fig. 192).

Abb. 24. Der Schwälmer „Brautgürtel“, 19. Jahrhundert (nach Bott 1982 Kat.-Nr. 100). Fig. 24. The „bride belt“ from Schwalm, 19th century (from Bott 1982, cat. no. 100). www.histarch.org 32010 Jörg Harder | Segmentgürtel mit mehrteiliger Anhängekombination 12 Abb. 25. Portraits von Brautpaaren auf Gürtel- segmenten, 17. Jahrhundert (Dänemark) (nach Lindahl 1988 Abb. 56 h–k). Fig. 25. Portraits of couples on belt segments from Denmark, 17th century (from Lindahl 1988, Fig. 56 h–k).

inhalts. Während die Dekors des hier vorgelegten Untersuchungsmaterials hauptsächlich florale Ornamente und geometrische Muster enthalten, lassen sich bei einigen Vergleichsobjekten Dekordetails erkennen, die in ihrer Sym- bolik mit Attributen der Hochzeit und des Ehelebens in Zusammenhang ste- hen. Im Juden- und Christentum symbolisiert vor allem das Herz die gemüt- haften Kräfte, die Liebe, Intuition und auch die Weisheit (Becker 1992, 126). Herzmotive sind nicht nur auf Ringen (Battke 1953 Taf. XV, 81 – 83 A, Taf. XVI, 86) und Emblemen zu finden, sondern auch in den Dekors von Gürteln des hier behandelten Typs (Abb. 24), was im Rückschluss aber nicht unbedingt als klarer Nachweis eines „Brautgürtels“ verstanden werden muss. So könnte ein dergestalt dekorierter Gürtel oder Ring schlicht aus Zuneigung geschenkt worden sein, ohne zwangsläufig eine Heiratsabsicht zu bekunden. Auch Tauben werden mit der Liebe und Ehe in Zusammenhang gebracht. Aufgrund der irrtümlich angenommenen lebenslangen Treue bei Tauben- paaren galten sie im Kontext mit Mädchen oder Frauen als Symbol der Tu- gend, wurden als Liebesbezeugung gesehen und deshalb in der Emblematik als Zeichen der Liebe und Gattentreue verwendet (Dittrich/Dittrich 2004, 527). Zwei einander zugewandte Tauben sind darüber hinaus ein Symbol der Eintracht. Als Beispiel sei hier der Gliedergürtel von Bartholomäus Stein aus dem Jahr 1670 erwähnt, der ebensolche Tauben im Dekor mancher Segmente führt (siehe Abb. 14). Einen deutlichen Bezug zur Hochzeit zeigt sich dagegen mit der Verwendung von Portraits der Eheleute im Dekor von Gürtelsegmenten. Auf drei von Fritze Lindahl (Lindahl 1988, 57) vorgestellten Gürteln aus dänischen Schatzfunden ist ein Brautpaar abgebildet. Zwei davon befinden sich auf Segmenten von Schlie- ßen, eines ist Teilsegment einer dreiteiligen Anhängekombination (Abb. 25). www.histarch.org 32010 Jörg Harder | Segmentgürtel mit mehrteiliger Anhängekombination 13 Zusammenfassung

Aus der vorliegenden Arbeit wurde deutlich, dass die untersuchten Gürtel alle über einen identischen formalen Aufbau verfügen: aus Segmenten be- stehende, stumpf endende Schließen ohne flexible Längeneinteilung und mit mehrteiligen Anhängekombinationen (Abb. 2 – 4). Sie können als Ketten- oder Gliedergürtel, sowie Gürtel mit Textil- oder Lederborte ausgeführt sein. Auf- grund dieser Formmerkmale können sie kategorisch unter dem Begriff Frau- enschmuckgürtel als Typ „Segmentgürtel mit mehrteiliger Anhängekombina- tion“ zusammengefasst werden. Die einzelnen Segmente weisen mindestens drei verschiedene Varianten der Herstellung auf. Sie unterscheiden sich in der Herstellungstechnik, Qualität und vermutlich auch im Wert, da ein gegosse- nes Stück sicher aufwendiger herzustellen war und mehr Grundmaterial er- forderte, als ein dünnes Blech. Mit Ausnahme der gegossenen Teile zeigen alle anderen Segmente deutliche Spuren einer Massenproduktion, vor allem an den Dekors. Nahezu bei jedem Segment passt der Dekor nicht genau auf die Ausmaße des Stückes, ist unvollständig oder wurde fehlerhaft gefertigt. Manche Dekors lassen erkennen, dass die Größe und Form des Segments aus einem schon zuvor geprägten Blech ausgeschnitten wurde. Insgesamt zeigen fast alle untersuchten Gürtel und Gürtelteile einen wenig qualitätvol- len bis improvisierten Charakter. Vollständige Stücke, in denen Segmente un- terschiedlicher Herstellungsvarianten und Dekormotive integriert wurden, bestätigen dies. Auch scheinen sie von keinem darauf spezialisierten Kunst- handwerker gefertigt worden zu sein, vielmehr waren sie vermutlich nur ein Produkt unter vielen. Die durchweg aus Kupferlegierungen gearbeiteten Gürtel deuten zudem auf einen wenig finanzkräftigen Kundenkreis hin. Die Käufer sind sicherlich in den unteren sozialen Schichten von Städten oder der ländlichen Bevölkerung zu suchen. Wie aus den erwähnten Kleiderordnun- gen ermittelt werden konnte, fielen unvergoldetes oder unversilbertes Kup- fer, Bronze oder Messing nicht unter die Reglements und durften von jedem getragen werden. Des Weiteren konnten Unterscheidungsmerkmale zu Buchschließen erar- beitet werden. Besonders die Schließformen eignen sich hierfür. Dabei wurde deutlich, dass Schließen mit Knebelverschlüssen und spaten- oder pilzförmi- ger Aussparung auf dem Schließblech eindeutig als Gürtelteile anzusprechen sind. Ein stilistischer Vergleich mit den Ornamentvorlagen der so genannten „Kleinmeister“ des 16. und 17. Jahrhunderts bescheinigt einen Herstellungs- zeitraum dieser Gürtel vom Anfang des 16. bis in das zweite Drittel des 17. Jahrhunderts. Aussagen schriftlicher Quellen wie Testamente, Inventare und Kleiderordnungen, sowie ein Vergleich mit Portraits und Alltagsmalerei dieser Zeitstellung, bestätigen eindeutig das Vorhandensein solcher Gürtel während dieses Zeitraumes. Zusätzlich finden sich typgleiche Gürtel in zeit- gleichen Schatzfunden Dänemarks und Deutschlands. Die vielen Gemälde, Portraits und Alltagsmalereien der Renaissance enthalten wichtige Informa- tionen zur kulturhistorischen Dimension dieser Gürtel. Aus ihnen lässt sich ermitteln wer die Träger dieser Gürtel waren, welchem sozialem Stand und kulturellem Milieu sie angehörten und welchen Alters sie waren. Zusammenfassend betrachtet lässt sich erkennen, dass es sich in der Re- gel um reine Frauenschmuckgürtel handelte, welche Bestandteil der Klei- dermode des 16. und 17. Jahrhunderts waren. Bis auf wenige Ausnahmen im österreichischen-alpenländischen Raum sind sie ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts im Zuge der modischen Weiterentwicklung als Kleidungs- bestandteil verschwunden. Wie die bildlichen Darstellungen verdeutlichen, wurden sie, unabhängig vom sozialen Stand, von allen Frauen gleichermaßen getragen. Die Unterschiede mögen hierbei in der Art der Ausführung und dem Wert des Materials gelegen haben. Beispielsweise stehen die zum Groß- teil schlecht gearbeiteten und mit einer Kupferlegierung vergleichsweise billi- gen Gürtel des dieser Arbeit zugrunde liegenden Untersuchungsmaterials im starkem Gegensatz zu wertvollen Goldschmiedearbeiten, wie sie in Maga- www.histarch.org 32010 Jörg Harder | Segmentgürtel mit mehrteiliger Anhängekombination 14 zinen oder Museumsaustellungen aufbewahrt werden (Zander-Seidel 2007, 234 Abb. 212 – 213). Am Beispiel der angesprochenen Familienportraits wur- de zusätzlich klar, dass auch Kinder wohlhabender Bürger oder Adliger mit diesen Gürteln geschmückt wurden, nicht nur junge Frauen oder Mädchen, sondern auch solche, die das heiratsfähige Alter noch lange nicht erreicht hatten. Die Gürtel können also nicht pauschal als „Brautgürtel“ angesprochen werden. Vielmehr können sie nur als solche erkannt und bezeichnet werden, wenn sie über bestimmte Attribute verfügen, die sie klar mit dem Hochzeits- brauch oder dem Eheleben in Verbindung bringen. Symbolhafte Dekorbe- standteile wie Tauben, sich greifende Hände oder die Portraits der Brautleute können dabei Indikatoren für den übergeordneten Verwendungszweck als Brautgeschenk oder Teil der Mitgift sein. Gürtel, die keine solchen Attribute aufweisen, müssen dagegen als Frauenschmuckgürtel angesprochen werden, da ein übergeordneter Verwendungszweck für den Hochzeitsbrauch nicht nachweisbar ist. Desgleichen gilt für die als jüdische Brautgürtel 5 angespro- chenen Gürtel. Es lässt sich letztlich nur schwer klären, ob ein „normal“ verzierter Gürtel, ohne entsprechende symbolhafte Dekorbestandteile, als Geschenk an eine Braut überreicht wurde. Ein klar definierter „Brautgürtel“ war sicherlich eine Auftragsarbeit und wurde individuell gestaltet. Dies setzte jedoch eine be- stimmte Liquidität des Auftraggebers voraus und da sich nicht jeder solch ei- nen Gürtel leisten konnte, liegt es nahe, dass auch seriell hergestellte Gürtel zur Hochzeit geschenkt wurden. So sind die aufgrund ihrer symbolhaften De- korbestandteile hier als „Brautgürtel“ ermittelten Stücke durchweg wertvolle Silberarbeiten, ein Umstand, der die Vermutung einer Auftragsarbeit stützt. Die Vergleichsweise viel größere Menge an Gürteln mit floraler Ornamentik, teils in Verbindung mit figürlichen Darstellungen, deutet jedoch die große all- gemeine Beliebtheit dieses Gürteltyps während des 16. und 17. Jahrhunderts an. Dabei kam dem formalen Aufbau offenbar wesentliche Bedeutung zu, wie z. B. ein vollständiger Gürtel aus Triglitz, Lkr. Prignitz, veranschaulicht: Die Segmente sind fehlerhaft und wenig qualitätvoll ausgeführt, zwei davon stam- men nachweislich von anderen Gürteln, die Kette ist um eine halbe Drehung verdreht, der Schließhaken passt nicht zur Aussparung des Schließbleches, aber der Gürtel ist eindeutig als ein Segmentgürtel mit mehrteiliger Anhän- gekombination erkennbar (Abb. 2). Die Wahl des Materials und Ausführung solcher Arbeiten deutet auf keine kaufkräftige Klientel hin, sondern eher auf einen Käuferkreis, der mit bescheidenen Mitteln versuchte, dem modischen Zeitgeschmack zu entsprechen. Dabei zeigen gerade zwei Gürtel mit ihrem gold-ähnlichen Glanz, dass sie sicherlich ein Prestigeobjekt darstellten und als Imitationen wesentlich wertvollerer Vorbilder zu werten sind (vgl. Abb. 3). Mit dieser Arbeit konnte eine Basis erarbeitet werden, mit deren Hilfe künf- tig die Materialansprache deutlich erleichtert sein wird, vor allem bei der schwierigen Interpretation von Fragmenten oder einzelnen Segmenten ohne klaren Fundzusammenhang, sowie der Abgrenzung zu Buchschließen. Erst mit einer weiterführenden Beschäftigung mit diesem Gürteltyp können ver- tiefende Aussagen zur europaweiten Verbreitung, lokalen Unterschieden der Herstellung und ornamentalen Gestaltung, sowie eine Annäherung zur Ge- samtanzahl der erhaltenen Gürtel und Gürtelteile angestrebt werden. Schon alleine die Ansprachenkorrektur der als Buchschließen interpretierten Gür- telschließen dürfte die Anzahl der Funde deutlich ansteigen lassen und somit ein klareres Licht auf die kulturhistorische Dimension der Gürtel werfen. Der Vollständigkeit halber soll an dieser Stelle noch darauf hingewiesen werden, dass auch Männer Metallgürtel mit segmentartigem Aufbau trugen. Sie unterscheiden sich jedoch zu den Frauenschmuckgürteln deutlich daran, dass sie statt einer mehrteiligen Anhängekombination für Taschen oder Mes- serbestecke ein Wehrgehänge integriert oder angefügt hatten (vgl. Abb. 18). Eine intensive Beschäftigung mit Männergürteln des 16. und 17. Jahrhunderts, die über Beschläge und eventuell sogar Segmente verfügten, wäre wün- 5 Der jüdische Begriff für Hochzeitsgürtel schenswert und könnte als eigenständiges Forschungsvorhaben zur einer lautet Siwlona. besseren Materialansprache führen. www.histarch.org 32010 Jörg Harder | Segmentgürtel mit mehrteiliger Anhängekombination 15 Summary

Segmented girdles with multi-part pendant construction – a female decora- tive girdle of the renaissance

The finds of this study consist of two belts, and a total of 24 fully preser- ved fragments show a different high number of conserved segments. They were primarily found as scattered finds in the Brandenburg districts Prignitz, Ostprignitz-Ruppin, Havelland, Upper Havel, Jericho, Oder-Spree, Dahme- Spreewald, Uckermark and in Berlin at the Mühlendamm / Spree (Fig. 1). Three objects, the origin is not clarified, were purchased at auctions by collector Rudolf Lepke at the beginning of the 20th century, and came under unknown circumstances to the magazin of the Märkisches Museum. As a singular burial find a completely preserved mountain belt from Perleberg, district Prignitz is to lead. The finds are now mainly in the Märkisches Museum Berlin, Bran- denburg BLDAM, the local museum of Königs-Wusterhausen and the local museum of Perleberg. According to the present analysis, the examined girdles show a typical com- position with fastenings consisting of oblong one-piece segments with blunt terminals and with a multi-part pendant construction (see Fig. 1 – 3). They can be designed as chain or segmented girdles as well as girdles with textile or leather trimming. Based on these formal characteristics they can be catego- rized as female decorative girdles of the type “segmented girdles with multi- part pendant construction”. For the segments, at least three different types of manufacture can be distinguished. They differ in manufacturing technique, quality and, presumably, in value as well, with cast pieces requiring a higher amount of raw material and a more complicated manufacturing process than pieces made of thin metal sheets. With the exception of the cast pieces, all analysed segments show signs of mass production, particularly with regard to decorative elements. The vast majority of segments caries elements of deco- ration which either do not wholely cover the segment´s surface or have been applied faultily or incompletely. Some segments appear to have been cut out of an already embossed sheet of metal. Altogether, the major part of the ex- amined girdles and girdle fragments shows a rather simple, if not improvised manufacture. Some examples of fully preserved girdles have even been as- sembled from segments of several different types of manufacture and deco- rative motifs. This leads to the conclusion that in general these girdles were probably not produced by specialised craftsmen. In addition, their consisting of copper alloy points to a less wealthy circle of customers. Buyers will proba- bly have belonged to the lower urban social classes and the rural population who, according to dress regulations of the time, would have been allowed to wear ungilded or unsilvered copper, bronze or brass. Another aim of the present analysis was to work out specific characteristics facilitating the distinction of girdle segments from book-clasps. In this respect, the closing construction was of particular relevance. It could be clarified that toggle fastenings with a spade- or mushroom-shaped hole on the fastening sheet can undoubtedly be identified as girdle elements. A stylistic comparison of typical girdle decoration with ornament templates of the so-called “Kleinmeister” (specialised craftsmen of miniature decora- tive etchings) of the 16th and 17th centuries points to a time of manufacture ranging from the beginning of the 16th to the second third of the 17th century. Historical documents such as testaments, inventories and dress regulations, as well as portraits and genre art of the time, confirm the use of this type of girdle in that particular period. In addition, girdles of this type have come up in treasure finds of the same period in Denmark and Germany. Moreover, the vast number of portraits and genre paintings of the renaissance bear impor- tant information on the cultural-historical dimension of the girdles. The iden- tity and age as well as the social status and cultural background of the wearers of such girdles can be discerned from them. In summary, it has become clear that the girdles discussed above were ex- www.histarch.org 32010 Jörg Harder | Segmentgürtel mit mehrteiliger Anhängekombination 16 clusively worn by women and formed a decorative element of the female fa- shion of the 16th and 17th centuries. With very few exceptions in the alpine regions of Austria and beyond, they vanished from the female dress in the second half of the 17th century due to a change of fashion. As shown in the above-mentioned types of illustrations, the girdles were worn by all kinds of women, regardless of social status. Status differences might therefore have been expressed through the wearing of pieces of a specific quality of manu- facture and material value. The number of analysed girdles which were made of copper alloy, for example, show a rather poor quality of manufacture and distinctly contrast with the precious gold works known from various muse- um collections and exhibitions. Moreover, the analysis of a number of family portraits made it clear that even the children of wealthy citizens or noblemen were decorated with these girdles. This did not only include younger women and girls, but even children that had not even reached the marriageable age yet. In consequence, a generalisation of the girdles as “bridal girdles“ does not seem appropriate. For a respective identification and characterisation, par- ticular attributes clearly relating the girdles to the rite of marriage or to marital life would have to be discerned. Decorative elements carrying symbolic im- plications, such as doves, grasping hands or the portraits of bride and groom can indeed serve as indicators for a function as a bridal gift or as part of the dowry. However, for the time being girdles lacking such attributes and clear evidence for functioning as a bridal girdle will have to be identified as female decorative girdles. This equally applies to the socalled “Jewish bridal girdles”. In the end, it will be difficult to tell whether a simple decorated girdle wit- hout distinct symbolic elements might have been given to a bride or not. An explicit “bridal girdle” would certainly have been a commissioned work of individual design, provided the respective client was wealthy enough for a commission of this kind. Supposing not everyone was able to afford an indi- vidually made girdle, pieces of serial manufacture will probably have been used as marital gifts as well. Without exception, the examples being referred to as “bridal girdles” in the present work, according to their carrying respecti- ve symbolic elements, are precious pieces of silver. This observation supports the assumption that they were commissioned pieces of jewellery. Neverthel- ess, the considerably higher number of girdles with mere floral decoration, partially combined with figural elements, indicates a wide-spread general popularity of this type of girdle in the 16th and 17th centuries. Apparently, the formal composition of the girdle was of higher importance than its quality, as a complete piece from Triglitz exemplifies: the segments are faultily and poorly manufactured, two of them demonstrably coming from other girdles. The chain is twisted by 180° and the fastening hook does not match the hole in the fastening sheet. Nevertheless, altogether the piece can undoubtedly be identified as a segmented girdle with a multi-part pendant construction (Fig. 2). The choice of material and quality of pieces of this making does not suggest a wealthy circle of clients, but rather clients who, though with modest means, tried to dress according to the latest fashion. Two girdles of the pre- sent collection with a specific gold-like appearance clearly seem to be imita- ting much more precious pieces. This points to the probable function of this type of girdle as a prestig-ious object (Fig. 3) The primary result of the present work was the formation of a typological basis, which will facilitate the identification of the material in the future. This will be particularly helpful with the interpretation of fragments and singular segments without find context as well as with their distinction from book clasps. However, continued detailed research on this type of girdle in a wi- der European context is the prerequisite for a deepened understanding of its distribution, local schools of production and decoration as well as for the re- cording and analysis of the highest possible number of preserved girdles and girdle elements. The correct identification of girdle fastenings which have for- merly been misinterpreted as book clasps alone is likely to rise the number of finds considerably. This already gives an impression of the cultural-historical significance of this type of object. www.histarch.org 32010 Jörg Harder | Segmentgürtel mit mehrteiliger Anhängekombination 17 It must not remain unmentioned that segmented metal girdles have been worn by men as well. However, these distinctly differ from female decorati- ve girdles. Instead of a multi-part pendant construction for pouches or knife assortments they feature an integrated or appended baldric (see Fig. 18). An individual study specifically concerned with male mounted or segmented girdles of the 16th and 17th centuries would certainly be a promising under- taking of its own and could lead to a clarified classification of this particular group of material as well.

Translation by Kathrin Felder M.A.

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Imprint: ISSN 1869-4276 Editing: Natascha Mehler, Wien Technical edition and Layout: Holger Dieterich, Kiel Copyright see: www.histarch.org www.histarch.org 32010 Jörg Harder | Segmentgürtel mit mehrteiliger Anhängekombination 20 Historische Archäologie

Michaela Hermann und Ralf Kluttig-Altmann Bericht über die 23. Tagung des Arbeitskreises Tonpfeifen vom 24. bis 26. April 2009 in Augsburg

Das 23. Treffen des Arbeitskreises Tonpfeifen fand vom 24. bis 26. April 2009 auf Einladung der Kunstsammlungen und Museen im Römischen Museum in Augsburg statt. Der Einladung folgten mehr als 40 Teilnehmer aus Deutsch- land, Österreich, der Schweiz, den Niederlanden, Großbritannien und Tsche- chien. Inhaltliche Schwerpunkte der Tagung waren Tonpfeifenfunde, -handel und -herstellung sowie Tabakpolitik in Bayern und in angrenzenden Ländern und Regionen. Darüber hinaus fanden zahlreiche weitere Themen ihren Nie- derschlag in den Referaten. Das Vortragsprogramm begann am 25. April vormittags. Zuvor begrüßte der Direktor der Kunstsammlungen und Museen, Christof Trepesch, die Teil- nehmer sehr herzlich. Nach einleitenden Worten des Leiters des Arbeitskrei- ses, Ralf Kluttig-Altmann, eröffnete Sebastian Gairhos (Augsburg) die Re- ferate mit einer „Einführung in die Archäologie Augsburgs“. Der Referent gab zunächst einen allgemeinen Überblick über die seit gut 30 Jahren als eigene Abteilung des Römischen Museums bestehende Stadtarchäologie und die derzeit wichtigsten und aktuellen Grabungsschwerpunkte in Augsburg. Sie reichen von Großprojekten im Süden des heutigen Stadtgebiets, wo vorwie- gend vorgeschichtliche Siedlungen und Friedhöfe ausgegraben werden, bis zu den Stadtkerngrabungen in der römischen und in der mittelalterlich-früh- neuzeitlichen Stadt. In einem zweiten archäologischen Vortrag zu Augsburg stellte Günther Fleps (Augsburg) kürzlich abgeschlossene und zurzeit lau- fende „Ausgrabungen im Westen der Römerstadt“ vor. Schwerpunkt waren Ausgrabungen in einem großen Gräberfeld der römischen Provinzhauptstadt sowie neue Erkenntnisse zur römischen Stadtbefestigung 1. Danach widmete sich Andreas Heege (Bern/Zug/CH) einem Spezialthema der Pfeifenforschung – den häufig Tonpfeifen nachempfundenen historischen Metallpfeifen. In seinem Vortrag „Rauchzeichen über Helvetien. Tabakpfei- fen aus Eisen und Buntmetall“ 2 präsentierte er eine umfassende Aufarbeitung der schweizerischen Sammlungsbestände zu diesem Thema, ergänzt mit den wenigen vorliegenden Neufunden. Die wechselhafte Beurteilung metallener 1 Günther Fleps, Raetiens Hauptstadt Pfeifen innerhalb der Forschungsgeschichte des 19. Jahrhunderts, v. a. ihr an- größer als angenommen? Ausgrabung fänglich postulierter und verbissen verteidigter urgeschichtlicher bzw. antiker in der Gutenbergstraße 1 in Augsburg. Ursprung, ist ein spannendes Thema mit vielen Parallelen zur Tonpfeifenfor- Das archäologische Jahr in Bayern 2008 schung. Als sich zu Anfang des 20. Jahrhunderts die Ähnlichkeit der gefun- (Stuttgart 2009) 89–92. denen Metallpfeifen mit holländischen Tonpfeifen nicht mehr ignorieren ließ 2 Vgl. Andreas Heege, „Pipe de fer et de letton“ – Tabakpfeifen aus Eisen und und Metallpfeifen schlagartig zu einem neuzeitlichen Fundgut wurden, ver- Buntmetall. Zum Stand der Forschung in siegte das Interesse der Museen und Sammler. Insgesamt erfasste der Refe- der Schweiz. Knasterkopf 20, 2009, 19– rent 104 schweizerische Metallpfeifenfunde aus der Zeit von ca. 1650 – 1750, 55. die er in sieben Typengruppen einteilte. Möglicherweise ist die Herkunft der Pfeifen im Schweizer Jura zu suchen, eine Theorie, die allerdings verifiziert werden muss. Rüdiger Articus (Hamburg) schloss mit einer Vorstellung von „Stählernen Pfeifen“ 3 an diesen Themenkomplex an. Hinter diesem Titel verbarg sich eine allgemeine Recherche nach Metallpfeifen in Europa in Sammlungen, Auktionshäusern und der Literatur. Da die Herstellungsorte von Metallpfei- fen meist ungeklärt sind, waren die historischen Schilderungen einer sol- chen Produktion englischer „stählerner“ Pfeifen von 1825 und 1837, die der Referent ausführlich zitierte, von besonderem Interesse. Wertvoll sind diese Quellen v. a. auch, weil darin der technologische Produktionsablauf erwähnt wird. Auch für Schweden gibt es im 19. Jahrhundert Hinweise auf Metallpfei- fenherstellung. Eva Roth Heege (Zug/CH) stellte in ihrem Kurzbeitrag „Tonpfeifen in Schiffs- wracks: Impressionen einer Australienreise“ Eindrücke eines Besuchs im West Australian Maritime Museum in Freemantle vor. Vier zur VOC, der Vereenig- de Oostindische Compagnie, gehörende Schiffe waren von den Niederlan- den auf dem Weg nach Batavia/Jakarta, als sie zwischen 1629 und 1727 an der Westküste Australiens untergingen. Zu den Ladungen der Schiffe gehörten neben Westerwälder und rheinischem Steinzeug, Glas, Architekturteilen etc. auch Tonpfeifen. Besonders die Vergulde Draeck, 1656 gesunken, hatte eine größere Anzahl niederländischer Tonpfeifen verschiedener Typen an Bord, die zahlreich und unbeschädigt geborgen werden konnten und die ein her- vorragend zu datierendes Pfeifenspektrum bieten. Die Präsentation dieser Wrackfunde wurde von R. Kluttig-Altmann genutzt, um das Auditorium auf das geplante Schwerpunktthema des übernächsten Knasterkopf, Bd. 21 – „Tonpfeifen als Unterwasserfund“ hinzuweisen. Michael Nadler (München) stellte mit seinem Vortrag „Tabak- und Pfeifen- besteuerung im alten Bayern“ Ergebnisse seiner kürzlich publizierten Disser- tation vor 4. Der Tabak mit den zum Rauchen benötigten Pfeifen stellte im 17. und 18. Jahrhundert auch in Bayern eine wichtige staatliche Einnahmequelle dar. Kurfürst Ferdinand Maria legte 1669 nach bis dahin erfolglosen Tabak- verboten den „Tabakaufschlag“ fest. Bis 1745 gab es ein staatliches Tabakmo- nopol, das teilweise an einen sog. Appaltor verpachtet wurde, der damit auch das Monopol hatte, mit Pfeifen zu handeln. Diese Pfeifen wurden mit den Ini- tialen des jeweiligen Appaltors gekennzeichnet, was eine hervorragende Kor- relation mit archäologischen Funden ermöglicht 5. Die Tabaksteuer ließ sich in Bayern, das kein geschlossenes Hoheitsgebiet hatte, jedoch nur schwer durchsetzen, denn sowohl in den eingeschlossenen Kleinterritorien als auch jenseits der bayerischen Außengrenzen wurden die betreffenden Güter nied- riger besteuert als im Kurfürstentum. Das förderte auch den Schmuggel, der besonders an den Flussgrenzen an Donau und Lech florierte. Natascha Mehler (Wien/A) referierte ebenfalls zu einem bayerischen The- ma. In ihrem Vortrag „Ein neuer Typ von Rundbodenpfeifen aus Nordbay- ern: viele Fragen und wenig Antworten“ stellte sie Funde vor, die sie in ihrer Bearbeitung der bayerischen Tonpfeifen im Rahmen ihrer Dissertation (vgl. Anm. 5) nicht berücksichtigt hatte. Es handelt sich um ca. 200 Streufunde aus 3 Vgl. Rüdiger Articus, Stählerne Pfeifen Amberg und Karlstadt, die fast immer reduzierend gebrannt worden sind. und Pfeifenschmiede. Knasterkopf 20, 2009, 56–61. Der Kopf dieses Typs ist facettiert, sonst entweder unverziert oder mit einer 4 Michael Nadler, Der besteuerte Genuss. abstrakt-floralen Verzierung auf Stiel und Kopfansatz versehen. Ein Teil der Tabak und Finanzpolitik in Bayern 1669– Pfeifen trägt simple, fast archaisch anmutende Bodenmarken. Die mineralo- 1802. Miscellanea Bavarica Monacensia, gische Zusammensetzung des Scherbens ergab große Unterschiede zu den Bd. 183 (München 2008); vgl. dazu auch weißen Tonpfeifen aus den gleichen Fundorten. Herkunft und Datierung die- die Rezension in Knasterkopf 20, 2009, ser ungewöhnlichen Pfeifen sind bislang völlig unklar, sodass die Referentin 146 f. ihre Ausführungen mit der Hoffnung auf neue Ergebnisse abschloss. 5 Dies ist zum ersten Mal gelungen bei Felix van Tienhoven (Geldrop/NL) stellte anschließend die aktuelle Ent- Natascha Mehler, Tonpfeifen in Bayern. wicklung der Académie International de la Pipe vor. 1985 als Initiative von Chronologische und historische Studien (Diss. Univ. Kiel 2007). Die Dissertation Sammlern und Interessenten aus der Tabakindustrie gegründet, wurden 2007 erscheint 2010 als Beiheft der Zeitschrift tiefgreifende Änderungen in der Zielsetzung und personellen Zusammenset- für Archäologie des Mittelalters (im zung der Académie beschlossen. Die ursprünglichen Ziele – die Verbreitung Druck). der Kenntnis über die Kulturgeschichte des Pfeiferauchens – bestehen wei- www.histarch.org 2010 Michaela Hermann und Ralf Kluttig-Altmann | Tagungsbericht II terhin, aber der Weg dahin wurde neu definiert. Aus diesem Grund wirbt die Académie verstärkt Neumitglieder, um vor allem ihr wissenschaftliches Profil zu schärfen und die einschlägige Forschung voranzutreiben. Es soll jährlich ein neu gestaltetes wissenschaftliches Journal zu allen Aspekten der Pfeifen- forschung sowie halbjährlich ein Newsletter erscheinen. Der neue Sitz der Académie befindet sich an der University of Liverpool. Den ersten Vortrag des Sonntags hielt R. Articus, der über „Saftsäcke aus Verden a. d. Aller“ sprach. Im 19. Jahrhundert erhielt das damalige Museum zu Harburg eine Schenkung zinnerner Saftsäcke, die zwischen 1801 und 1817 in Verden angefertigt worden sein sollen. Saftsäcke bilden zusammen mit Pfei- fenkopf und Pfeifenrohr dreiteilige, meist sehr große Pfeifen. Die zinnerne Ausführung darf als selten bezeichnet werden, meist bestehen die Saftsäcke ebenso wie die Pfeifenköpfe aus Porzellan. Die Stücke des heutigen Helms- Museums haben einfach geometrische, geschwungen florale oder sogar fi- gurale Formen und sind überwiegend bunt bemalt. Abgerundet wurde die Präsentation durch Informationen über das Zinngießergewerbe und Bilder einer Kollektion von Zinnfiguren, die u. a. Marktstände mit dem Verkauf von Pfeifen mit solchen bemalten Saftsäcken darstellen – womit sich der inhaltli- che Kreis schließt. Anschließend sprach Ruud Stam (Leiden/NL) über die „Exporte aus dem Westerwald über holländische Häfen im 19. Jahrhundert“ 6. Der Westerwald war sehr stark auf diese Exporthäfen angewiesen und wurde deshalb emp- findlich getroffen, als von 1822 – 1845 diese Exporte von der niederländischen Regierung verboten wurden. Der Referent beschäftigte sich mit Exportstatis- tiken, die für die Zeit zwischen dem Verbot bis zum Jahr 1871 sehr detailliert vorliegen. Für eine richtige Bewertung der Zahlen ist zu beachten, dass auch andere Exporte wie die aus dem Westerwald in das Exportvolumen eingeflos- sen sein können. Der Referent stellte noch einige wichtige Abnehmerländer für Westerwälder Tonpfeifen vor, unter denen z. B. Amerika oder Skandinavi- en eine Vorrangstellung einnehmen. Klaus Wirth (Mannheim) stellte mit „Mannheims Tonpfeifen 2008“ neue Funde aus seinem Arbeitsbereich vor. Im Quadrat C 4, einem Bereich im und um den ehemaligen Festungsgraben, fanden sich bei Ausgrabungen einer neu zu bebauenden Parzelle neben zahlreichem anderen neuzeitlichen Fundgut auch Tonpfeifen des (frühen) 18. Jahrhunderts mit einem großen Repertoire an Marken und Formen. Da es sich um ganz „frische“, noch nicht abschlie- ßend ausgewertete Pfeifenfunde handelte, bat der Referent um Hinweise für ihre Bestimmung. Martin Vyšohlíd (Prag/CZ) referierte anschließend über „’Faces of angles’ and other Prague pipes. New finds of 17th and 18th century clay tobacco pipes from Prague“. Aus großflächigen Ausgrabungen in Prag kamen in jüngster Zeit etwa 1000 neue Pfeifenfunde zutage, die verschiedene Typengruppen er- kennen lassen. Dazu gehören Pfeifen des frühen 17. Jahrhunderts, die auf der Raucherseite ein aufgelegtes Engelsgesicht tragen. Viele Pfeifen sind glasiert, manuell verziert und häufig aus einzeln gefertigtem Kopf und Stiel zusam- mengesetzt. Damit sind sie vergleichbar mit auf ähnliche Weise hergestellten Pfeifen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Bayern. Stiele und Fersen können sehr einfache Marken tragen. Somit lässt sich auch für Prag feststellen, dass ein Großteil der Funde des 17. Jahrhunderts nicht mit der „üblichen“ holländi- schen Pfeifentechnologie in Einklang zu bringen ist. Peter Davey (Liverpool/GB) stellte mit „Scientific analysis of pipe clays – a review“ die Ergebnisse naturwissenschaftlicher Untersuchungen britischer Tonvorkommen vor. Aus Rainford in Mittelengland sind sowohl Pfeifenfunde als auch viele Tongruben bekannt. Proben von Pfeifenstielen aus den gleichen Fundkomplexen wiesen auf unterschiedliche Tonvorkommen hin. Unter Ver- weis auf die vergleichbaren Untersuchungen von N. Mehler für Bayern (vgl. 6 Vgl. Ruud Stam, Tonpfeifenexport aus Anm. 5) führte der Referent aus, dass die Ergebnisse dieser Untersuchungen dem Westerwald über holländische sehr differenziert zu bewerten und schwierig zu interpretieren sind, da man Häfen im 19. Jahrhundert. Knasterkopf auch mit Mischungen von Tonen verschiedener Vorkommen rechnen muss. 20, 2009, 116–118. Der Referent schloss mit einer Betonung der Notwendigkeit weiterer einschlä- www.histarch.org 2010 Michaela Hermann und Ralf Kluttig-Altmann | Tagungsbericht III giger Untersuchungen zum Aufbau einer breiten Datenmenge, die für aussa- gekräftige Vergleiche nötig ist, als auch zum verstärkten Studium historischer Quellen, um die Vorgänge historischer Tonmischungen und die Herkunft der Rohstoffe besser nachvollziehen zu können. Paul Mitchell (Wien/A) führte die Tagungsteilnehmer mit seinem Bei- trag „Mauerziegel in Österreich-Ungarn: Leitfossil der Neuzeitarchäologie“ scheinbar zu einem ganz anderen Thema, konnte jedoch sehr schnell die methodischen Gemeinsamkeiten mit der Tonpfeifenforschung herausstel- len. In Österreich-Ungarn, das im 18. Jahrhundert als eine „einheitliche Zie- gelregion“ betrachtet werden kann, gibt es verstärkt ab dieser Zeit bis ins 19. Jahrhundert hinein zehntausende von Ziegelmarken als Mittel der schon seit dem 16. Jahrhundert bestehenden Bestrebungen der Produktkennzeichnung, Normierung und Qualitätskontrolle. Es handelt sich dabei allerdings nicht um manuell eingedrückte Stempel, sondern meistens um erhabene Reliefmar- ken, die in der Ziegelform angebracht worden sind. Auch eingetiefte Marken müssen nicht handgestempelt sein, sondern haben sich als Positiv in der Zie- gelform befunden. Diese Technologie einerseits sowie die Identifizierung der Marken und die sich daraus ergebenden Aussagen andererseits bieten eine breite Parallele zu einem grundlegenden Forschungsansatz bei Tonpfeifen. Walter Morgenroth (Tutzing) stellte einen „Pfeifenkopf im Spiegel der Hö- roldt-Malerei“ vor und nahm zuerst auf den kunstgeschichtlichen, in beson- derer Beziehung zum Tagungsort Augsburg stehenden Hintergrund dieses außergewöhnlichen Stückes Bezug. Zur frühen Porzellanproduktion von Mei- ßen gehörten auch Pfeifenköpfe aus rotem Böttgersteinzeug, gestaltet im tür- kischen Stil. Die Stadt Augsburg kaufte solche Stücke und ließ sie mit Vergol- dungen, Silbermontierungen und Bemalung zu kostbaren Stücken veredeln. Der Meißner Porzellanmaler Johann Gregor Höroldt löste später die Augs- burger Hausmaler ab und bemalte die Pfeifen selbst, sodass sogar August der Starke seine Produkte bezog. Der vom Referenten vorgestellte Pfeifenkopf datiert um 1724 und stammt damit aus der frühen Schaffensphase Höroldts. Albert Halmos (München) berichtete über „Frühe ungarische Tonpfeifen“ und bezog sich im engeren Sinne auf Pfeifen aus Debrečen. Die Stücke mit ei- nem meist roten, selten schwarzen oder weißen Scherben wurden direkt nach türkischen Vorbildern gestaltet. Die Forschungslage ist schwierig, gleichwohl ist aus archivalischen Quellen z. B. bekannt, dass Töpferwitwen zur Existenz- sicherung weiter Pfeifen herstellen durften. Anschließend bot der Referent die Möglichkeit zu einer Materialschau früher ungarischer Tonpfeifen direkt aus seinen eigenen Sammlungsbeständen, unter denen sich u. a. auch Pro- duktionsabfall aus Györ befindet. Nikolaus Hofer (Wien/A) stellte „Eine Porträt-Pfeife und andere keramische Kuriositäten aus dem ehemaligen Palais des Prinzen Eugen in Wien“ vor. Trotz weiterhin begrenzter Fundmenge beginnt sich eine Differenzierung innerhalb der österreichischen Tonpfeifenlandschaft abzuzeichnen, die einen von der westeuropäischen und einen von der osteuropäischen Tradition beeinflussten Raum abgrenzt. Eine weiße Gesteckpfeife aus Wien aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die der Referent als aktuellen Fund in das Zentrum seiner Ausführungen stellte, bietet mit einer klar osmanischen Form und einem eher westlich orientierten Reliefdekor eine Art Verbindung beider Traditionen. Zur zukünftigen Entwicklung des Arbeitskreises Tonpfeifen referierte R. Kluttig-Altmann. Als wichtigste Veränderung gab er bekannt, dass die Tagun- gen des Arbeitskreises künftig im Zweijahresrhythmus stattfinden werden. Das ist das Resultat aus den Erfahrungen der letzten Tagungen sowie der Ar- beitssituation der Tonpfeifenforscher, die im Arbeitskreis vorher intensiv dis- kutiert worden war. Ziel dieser Veränderung ist es, die Forschungsergebnis- se des Spezialthemas Tonpfeifen besser zu bündeln. Parallel und zusätzlich dazu sollen Möglichkeiten genutzt werden, auf größeren Fachkongressen mit entsprechenden Vorträgen oder einer eigenen Sektion präsent zu sein, um damit einen breiteren Kreis von Fachbesuchern zu erreichen. Zuletzt gab es auf dem Deutschen Archäologenkongress Mannheim im Mai 2008 eine Sek- tion Tonpfeifen, über deren Verlauf N. Mehler berichtete. www.histarch.org 2010 Michaela Hermann und Ralf Kluttig-Altmann | Tagungsbericht IV 7 Vgl. Natascha Mehler (wie Anm. 5), die Außerdem wurde die Einladung zur nächsten Tagung des Arbeitskreises be- in ihrer Untersuchung auch die frühen kannt gegeben, die vom 28. April bis 1. Mai 2011 auf Einladung des Kulturhisto- Augsburger Pfeifenfunde berücksichti- rischen Museums und der Unteren Denkmalschutzbehörde der Hansestadt gen konnte. Stralsund sowie des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege Mecklen- 8 Vgl. Michaela Hermann, Tonpfeifen- burg-Vorpommern in Stralsund stattfinden wird. funde vom Augsburger Jakobsplatz – In seiner Eigenschaft als Herausgeber des Knasterkopf konnte R. Kluttig-Alt- Oranierpfeifen in Bayern. Knasterkopf 20, 2009, 85–107. mann berichten, dass es erstmalig gelungen ist, für die Redaktionsarbeit einer 9 350 Jahre Blauer Dunst. Tabakspfeifen Ausgabe der Zeitschrift eine Finanzierung zu erreichen und das ehrenamtli- aus archäologischen Ausgrabungen. che Engagement damit zwar nicht überflüssig zu machen, jedoch zumindest Begleitheft zur Ausstellung (Augsburg einzuschränken. Die Finanzierung wird zum größeren Teil von der Stiftung 2009). Historische Museen Hamburg/dem Helms-Museum und ergänzend von der Firma Pöschl Tabak, Geisenhausen, getragen. Dank dieser finanziellen Ab- sicherung konnte eine zügige Fertigstellung des 20. Bands und sein Erschei- nen noch 2009 bzw. spätestens im Januar/Februar 2010 in Aussicht gestellt werden. Diese Ausgabe wird zum Schwerpunktthema „Metallpfeifen“ eine Vielzahl von Beiträgen aus dem In- und Ausland für dieses bisher von der For- schung kaum beachtete Spezialthema versammeln. Für den darauf folgenden Band 21, der dem Schwerpunktthema „Tonpfeifen als Unterwasserfund“ gewidmet werden soll, liegen bereits Beiträge vor. Sei- ne Finanzierung ist jedoch noch nicht abgesichert, sodass über ein Erschei- nungsdatum keine konkreten Angaben gemacht werden konnten. Ebenso muss für das nach dem Erscheinen von Band 20 nötige Register von Bd. 11–20 eine Finanzierung gefunden werden. Das erste Register von Bd. 1–10 hat sich als eine unverzichtbare Arbeitshilfe zur Recherche in den zahlreichen Beiträ- gen erwiesen, sodass Erstellung und Druck eines neuen Registers unbedingt anzustreben sind. Zur Tagung des Arbeitskreises organisierte der Veranstalter ein umfangrei- ches Begleitprogramm. Das Römische Museum Augsburg zeigte aus Anlass der Tagung die von Michaela Hermann (Augsburg) konzipierte Studioaus- stellung „350 Jahre Blauer Dunst in Augsburg. Tabakspfeifen aus archäologi- schen Ausgrabungen“, die bereits am Abend des 23. April für das Augsburger Publikum eröffnet wurde. Der einleitende Teil der Ausstellung gab einen kur- zen Überblick über die Kulturgeschichte des Tabaks und des Pfeiferauchens. Im Mittelpunkt standen die Tonpfeifen selbst, die auch in Augsburg bei ar- Michaela Hermann M. A. chäologischen Ausgrabungen fast überall zum Vorschein kommen. Bereits ab Stadtarchäologie Augsburg der Mitte des 17. Jahrhunderts ist in der Stadt ein deutlicher Fundniederschlag Gögginger Str. 59. zu verzeichnen, u. a. mit Importstücken aus Amsterdam, aber vor allem mit 86159 Augsburg Pfeifen aus Werkstätten, die wohl in der Region produzierten, deren genaue [email protected] Standorte allerdings nochunbekannt sind 7. Ein weiterer Schwerpunkt der Ausstellung war der umfangreiche Pfeifenfund vom Augsburger Jakobsplatz Dr. Ralf Kluttig-Altmann mit mehreren holländischen Reliefpfeifen, die Porträts von Mitgliedern des Zum Kleingartenpark 41 niederländischen Fürstenhauses Oranien zeigen. Außerhalb der Niederlande 04318 Leipzig sind solche Pfeifen als Bodenfund eine absolute Seltenheit 8. Zur Ausstellung [email protected] ist ein kleines Begleitheft erschienen 9. Am Samstagnachmittag konnten sich die Tagungsteilnehmer bei einem Grabungsbesuch zunächst ausführlich über aktuelle Ausgrabungen der Stadt- archäologie in einem römischen Gräberfeld informieren (G. Fleps). Von dort führte ein „archäologisch-historischer Stadtspaziergang“ durch Augsburg (S. Impressum Gairhos u. M. Hermann) auf den Spuren einer römischen Straße ins Areal der Imprint: Römerstadt und über den mittelalterlichen Dom, hinunter ins sog. Lechvier- ISSN 1869-4276 tel, ein im Mittelalter entstandenes Handwerkerquartier. Deutlich wurde vor allem die bis in die Gegenwart reichende Siedlungskontinuität, welche die Editing: Archäologie in Augsburg vor besondere Herausforderungen stellt. Am Sonn- Ulrich Müller, Kiel tagnachmittag bestand schließlich die Gelegenheit zu einem Besuch in der Technical edition and Layout: Graphischen Sammlung der Kunstsammlungen und Museen Augsburg im Holger Dieterich, Kiel Schaezlerpalais, wo Christoph Nicht Graphiken und Drucke mit verschiede- Copyright see: nen Darstellungen von (Pfeifen‑)Rauchern von der Barockzeit bis ins 19. Jahr- www.histarch.org hundert vorlegte. www.histarch.org 2010 Michaela Hermann und Ralf Kluttig-Altmann | Tagungsbericht V