Edmund Siemers

Unternehmer und Stifter von Johannes Gerhardt Mäzene für Wissenschaft

hg. von Ekkehard Nümann

Gefördert von der Edmund Siemers-Stiftung und der Familie Siemers

Den Familien gewidmet, die durch ihre hochherzigen Stiftungen vor 107 Jahren die Gründung der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung ermöglicht und den Grundstein dafür gelegt haben, dass die Stiftung auch heute noch Forschung, Lehre und Bildung fördern kann.

Inhalt

Vorwort des Herausgebers ...... S. 3 1. Quellenlage ...... S. 4 2. Der Familien- und Firmengründer Georg Friedrich Vorwerk . . S. 6 3. Zur Kindheit und Jugend der Vorwerk-Brüder ...... S. 15 4. Eine Reise von Augustus Friedrich nach Nordamerika und Kuba ...... S. 23 5. Die Firmen in Chile und ...... S. 28 6. Friedrich, Adolph und deren Ehefrauen in den Erinnerungen dreier Enkel ...... S. 44 7. „Villa Josepha“ und „Haupthaus“ ...... S. 54 8. Gustav Adolph als Bau- und Gartengestalter ...... S. 60 9. Entwicklungen nach dem Tod der Brüder ...... S. 67 10. Anhänge ...... S. 70 11. Literatur ...... S. 72 12. Namensregister ...... S. 74 Vorwort des Herausgebers ...... 4 Vorwort Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Peter Fischer-Appelt ...... 5 1. Prolog ...... 8 2. Herkunft ...... 11 3. Der Privatmann ...... 23 Jugendjahre ...... 23 Heirat und Ehe ...... 28 Die vier Kinder ...... 36 4. Der Unternehmer ...... 42 Ein junger Feuerkopf im Petroleumgeschäft ...... 42 Die Firma G. J. H. Siemers & Co. unter der Ägide von Edmund Siemers 46 Die Transportrevolution und der Einstieg ins Reedereigeschäft ...... 48 Der Ausstieg aus dem Petroleumgeschäft à contrecœur ...... 52 Salpeter, das „weiße Gold“ – der Einstieg in eine boomende Branche . . . 56 Die Wiederaufnahme des Reedereigeschäfts ...... 60 Edmund Siemers und die Luftschiffe ...... 65 Edmund Siemers in der Kritik – Grundstücksgeschäfte in der Altstadt-Nord ...... 70 Langenhorn – vom Dorf zum Großstadtvorort ...... 78 5. Der Stifter ...... 95 Vom Bourgeois zum Citoyen – Motive des Stifters Edmund Siemers . . . 95 Der Meister der Inszenierung ...... 98 Edmundsthal-Siemerswalde – der Geesthachter Zauberberg ...... 103 Engagement in der bürgerlichen Selbstverwaltung, der Politik und im Deutschen Wehrverein ...... 113 Kirchliches Engagement in der Tradition der lutherischen Orthodoxie . . 122 Edmund Siemers, die Geschichtspolitik und sein Verhältnis zu Kunst und Künstlern ...... 129 „Brauchen Sie nicht ein Vorlesungsgebäude?“ ...... 138 „Der Forschung, der Lehre, der Bildung gewidmet“ – die Errichtung und Einweihung des Vorlesungsgebäudes ...... 141 6. Die letzten Jahre ...... 172 7. Epilog ...... 176 Die Firma G. J. H. Siemers & Co. bis 1963 ...... 176 Die Siemers-Stiftung ...... 179 Nachwort Hans-Edmund Siemers (1996) ...... 186 8. Anhänge ...... 194 Stammtafel (Auszug) ...... 194 Edmund Siemers’ Lebensdaten im Überblick ...... 196 9. Literatur und Bildnachweis ...... 197 10. Namensregister ...... 207

| 3 | Vorwort des Herausgebers

Im Jahr 2007 feierte die Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung ihr 100- jähriges Jubiläum. Der vorliegende sechzehnte Band ist Teil der zu diesem Anlass ins Leben gerufenen Schriftenreihe „Mäzene für Wissenschaft“. In ihr wird die Geschichte der Stiftung dargestellt; außerdem werden Stifter- persönlichkeiten und Kuratoriumsmitglieder in Einzelbänden gewürdigt.

Die Absicht, diese Reihe herauszugeben, entspricht dem dankbaren Gefühl den Personen gegenüber, die vor mehr als 100 Jahren den Mut hatten, die Stiftung zur Förderung der Wissenschaften in Hamburg zu gründen und erreichten, dass Hamburg eine Universität erhielt. Verknüpft damit ist die Hoffnung und Erwartung, dass nachfolgende Generationen sich hieran ein Beispiel nehmen mögen.

Dieser Hoffnung haben die Edmund Siemers-Stiftung und die Familie Siemers in hochherziger Weise entsprochen, wofür wir ihnen zu großem Dank verpflichtet sind.

Ekkehard Nümann

| 4 | Vorwort

Diese Biographie des Stifters Edmund Julius Arnold Siemers (1840‒1918) er- scheint in der Reihe „Mäzene für Wissenschaft“ der 1907 gegründeten Hambur- gischen Wissenschaftlichen Stiftung. Die Schrift würdigt in kritischer Absicht den eigenständigen Beitrag eines Mitbegründers der Stiftung zur Philanthropie in seiner Vaterstadt. Sie erschließt das wirtschaftliche Umfeld, aus dem im Aufstieg des Petroleum-, Salpeter- und Holzhandels und später des Grundstücksbooms das Vermögen des Stifters hervorging. Sie beschreibt zu ihrem Teil die faszinierende Blüte einer Stiftungslandschaft im ausgehenden Kaiserreich. Es wird deutlich, dass ihr Beständigkeit und Wachstum versagt blieben, weil ein durchgreifender, demokratisch gestützter Friedenswille in Europa fehlte: Krieg und Inflation zer- störten alles. Umso signifikanter tritt jene weitsichtige Entscheidung des Pioniers Edmund Siemers von 1907 hervor, mit der er es wagte, an den immer drängen- den Bedarfen sozialer und kultureller Förderung vorbei der Wissenschaft in Hamburg eine fest verankerte, weithin sichtbare, stadt- und verkehrsnahe Stätte zu stiften. Mehr noch: Er legte auf der Moorweide mit dem Bau des Vorlesungs- gebäudes den Grundstein zur Universität. Bei der Lektüre des Buches wird man bemerken, dass Edmund Siemers eine aus- ladende Korkeiche unter den Hamburger Kaufleuten und Reedern war: Als Jung- spross rebellierte ein starker Trieb gegen das alte und für das neue Geschäft, erst nach beneidenswertem Wachstum vereinigte er sich mit dem Familienstamm, warf dessen Hauptzweige ab und wuchs in den Himmel, gefestigt im Selbstbe- wusstsein seiner Handlungen, elastisch im Wechsel von einem Importgut zum an- deren, anpassungsfähig an die neuen Anforderungen als einer der großen Reeder Hamburgs, fast verführt vom flüsternden Wind des Insiderwissens, im Gegen- wind nur bezwungen von den Einflüsterungen des Senators und späteren Bür- germeisters Werner von Melle, als Stifter geradezu mediterran im strategischen Weitblick für die Notwendigkeiten der Stadtrepublik.

Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Peter Fischer-Appelt

| 5 | | 6 | Unternehmer und Stifter: Edmund Siemers (1840‒1918) – Gemälde von Henry Geertz (1911)

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Prolog

Eine Biographie, so der bekannte Histori- ··································································· ker und Publizist Volker Ullrich, „kann nur Das Leben von Edmund Siemers ist glei- dann geglückt genannt werden, wenn es ihr chermaßen mit der hamburgischen, deut- gelingt, Entwicklung, Denken und Han- schen und transatlantischen Geschichte des deln einer historischen Person (…) in Bezie- 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts ver- hung zu setzen zu den bewegenden Kräften knüpft. Sein eigener ökonomischer Erfolg und Tendenzen ihrer Zeit“.1 An diesem An- ist nur vor dem Hintergrund des konjunk- spruch soll sich die erste umfassende Biogra- turellen Aufschwungs und der Möglichkei- phie über Edmund Siemers messen lassen – ten zu verstehen, die sich im Deutschen Kai- einen Menschen, dessen Entwicklung, Den- serreich gerade in der Hafen-, Handels- und ken und Handeln sich vor allem in seiner – später dann auch – Industriestadt Ham- wirtschaftlichen Tätigkeit als Unternehmer burg auftaten: Verfügte die Hansestadt 1871 und in seinem bürgerschaftlichen Engage- noch über rund 300.000 Einwohner, so wa- ment als Stifter offenbart. Beide sind nicht ren es 1905 bereits über 800.000 und noch voneinander zu trennen, im Gegenteil: Sie vor dem Ersten Weltkrieg, 1912, wurde erst- sind miteinander verwoben. mals die Millionengrenze überschritten.4 ··································································· Für diesen Zeitraum ist, so der Wirtschafts- Edmund Siemers verkörpert geradezu ideal- historiker Knut Borchardt, eine Globalisie- typisch einen Stifter aus dem hamburgischen rungswelle zu beobachten: Von Mitte der Großbürgertum um 1900 – wenig verwun- 1860er Jahre bis zum Ersten Weltkrieg hät- derlich, dass in der 2011 erschienenen Publi- ten sich die Exportquoten, die Geschwin- kation „Stiftungsstadt und Bürgertum. Ham- digkeit der Nachrichtenübermittlung, die burgs Stiftungskultur vom Kaiserreich bis in Kapitalmobilität und die Migration enorm den Nationalsozialismus“ des Historikers Mi- erhöht – und zwar auf ein Niveau, das teil- chael Werner immer wieder sein Name fällt. weise erst wieder in den 1990er Jahren er- Der innovative Charakter von Werners Studie reicht worden sei.5 besteht darin, dass er den Begriff „Stiftungs- ··································································· kultur“ als analytische Kategorie für seine Un- Der Unternehmer Edmund Siemers ver- tersuchung verwendet.2 Typisch für bürgerli- diente ein Vermögen, und zwar vor allem che Stiftungskultur – und dies falle auch bei deshalb, weil er flexibel war. Dies hoben Siemers insAuge – seidie „VerzahnungvonPri- bereits seine Zeitgenossen hervor. Zum vat- bzw. Familien- und Gemeininteressen“.3 100-jährigen Jubiläum des Hauses G. J. H.

| 8 | Siemers & Co. schrieb „Die Hamburger in seiner letzten Lebensdekade dem Grund- Woche“ am 19. Mai 1911: „Nicht am Alten, und Bodenerwerb zu. Für seine Grund- Ueberlebten aus falscher Pietät kleben, nicht stücksspekulationen, dies soll nicht ver- gewaltsam pflegen, was in sich verbraucht schwiegen werden, wurde er von verschiede- ist – das war der Leitspruch der dritten Ge- nen Seiten kritisiert. Seine Ankäufe zielten neration.“6 Und Adolf Goetz betonte in sei- darauf ab, die eigenen Nachkommen wirt- ner Firmengeschichte aus dem Jubiläums- schaftlich abzusichern. Damit war es jedoch jahr: „Edmund J. A. Siemers hatte einen nicht getan – Siemers hatte die Vision, im Grundsatz stets befolgt, nicht an einer Sache Norden Hamburgs einen neuen Stadtteil gewissermaßen mit allen Kräften zu kleben aufzubauen, die er jedoch nicht mehr um- und so der Gefahr zu verfallen, zu veralten setzen konnte. oder sich vom Neuen überraschen zu lassen. ··································································· (…) So konnte je nach der Konjunktur auch Edmund Siemers, so sein Enkel Hans-Ed- einmal ein vollkommen ausgenütztes Ge- mund, gehörte „zu denjenigen (…) Unter- schäft ganz fallen gelassen werden, statt es in nehmerpersönlichkeiten, die im konjunktu- falscher Pietät unnütz zu pflegen.“7 rellen Aufwind der zweiten Hälfte des 19. ··································································· Jahrhunderts ihre Chance wahrnahmen und Zudem war Edmund Siemers ein innova- durch ihre Tätigkeit in Handel und in der tiver Unternehmer. Immer wieder wird er Industrie das junge kaiserliche Deutschland als „Wegbereiter des Petroleums in Deutsch- zur wirtschaftlichen Weltmacht führten“.10 land“ und „Pionier des neuen Petroleum- Sein Leben endete, wie das des HAPAG-Ge- handels“ bezeichnet, der neben Ludwig neraldirektors Albert Ballin, im November Sanders, Franz Ernst Schütte und Wilhelm 1918 – beinahe zeitgleich mit dem Unter- Riedemann „den 1860 noch unbekannten gang des Deutschen Kaiserreichs und der Handel mit Petroleum innerhalb von drei Hamburger „Kaufmannsrepublik“. Danach Jahrzehnten zu hoher Blüte“ geführt habe.8 ging schon bald der Löwenanteil des gewal- Dies war die Grundlage des Siemersschen tigen Siemersschen Vermögens verloren: Reichtums, hiermit begründete er seinen Erst kam die Inflation, dann folgten Welt- unternehmerischen Ruf.9 Es ist deshalb be- wirtschaftskrise, Zugriff des NS-Staates auf sonders spannend, sein Wirken in diesem die Familienstiftung und schließlich die Geschäftszweig in den Blick zu nehmen. Zerstörungen Hamburgs im Zweiten Welt- ··································································· krieg; gleich zweimal, nach dem Ersten und Auch im mittleren Lebensalter und in sei- dem Zweiten Weltkrieg, wurde zudem die nen späten Jahren war Edmund Siemers gesamte Flotte der Firma G. J. H. Siemers wirtschaftlich ungemein erfolgreich: Nach an die Siegermächte ausgeliefert. Insofern ist dem Ausstieg aus dem Petroleumhandel in- die Biographie über Edmund Siemers, die vestierte er seit 1891 in eine bereits boo- Geschichte seines wirtschaftlichen Aufstie- mende Branche, den Handel mit Salpeter, ges und die seines Vermächtnisses, eine sehr und baute eine eigene Segelschiffs- und deutsche Geschichte. Dampferflotte auf. Als sich abzuzeichnen ··································································· begann, dass die ökonomische Bedeutung Sein ökonomischer Erfolg war die Voraus- von Salpeter sinken würde, wandte er sich setzung dafür, dass sich der Stifter Edmund

| 9 | Siemers für das Gemeinwesen engagieren Siemers darf diese nicht ausblenden, an- konnte. Hierdurch gewann er hohes Anse- sonsten bliebe das biographische Bild un- hen in Hamburg, sodass sein Name auch vollständig. In diesem Zusammenhang gilt nach seinem Tod – als die Firma G. J. H. das Diktum Max Webers, der einmal das Siemers & Co. ihre herausragende Stellung Verstehen des Einzelindividuums die Atom- verlor – einen fulminanten Klang behielt. physik der Soziologie genannt hat. Zum Das hängt vor allem mit den beiden größ- Verständnis historisch-gesellschaftlicher Zu- ten Siemersschen Stiftungen zusammen, der sammenhänge leistet die Biographie in der Lungenheilstätte in Geesthacht (1896/99) Tat Ähnliches wie die Physik der Atome: Sie und dem Vorlesungsgebäude auf der Ham- führt zur Entdeckung der Unschärferela- burger Moorweide (1907/11). tion, der Einsicht, dass bei den kleinsten ··································································· Einheiten der Geschichte, den Individuen, Schon zu Edmund Siemers’ Lebzeiten sich die Erscheinungen je nach Position des haben viele Zeitgenossen nach seiner Moti- Betrachters verändern und deshalb nicht vation für die Errichtung von Stiftungen ge- nur eine einzige, sondern mehrere mögliche fragt – und sind vereinzelt auch zu kriti- Geschichten erzählt werden können.11 Das schen Antworten gekommen. Eine ange- soll auch in dieser Biographie versucht wer- messene Würdigung des Stifters Edmund den.

·············································································································································· 11 Ullrich, Königsdisziplin, S. 51. 12 Stiftungskultur markiert laut Werner ein Beziehungsgeflecht, welches auf dem Zusammenspiel zwischen wohlhabenden Stiftern, Mäzenen und Förderern einerseits und Akteuren und Funktionsträgern aus Politik, Verwaltung, Fürsorge, Kultur, Wissenschaft und Kunst andererseits basiert, die auf den Transfer privater finanzieller Mittel gestaltend einwirken oder ihn gar leiten. In diesem Beziehungsgeflecht werden soziale Normen und Werte, aber auch politische Leitbilder kommuniziert (Werner, Stiftungsstadt, S. 13). 13 Ebd., S. 240. – Ebd., S. 111: „Das von Siemers in die Stiftung des Vorlesungsgebäudes investierte ökonomi- sche Kapital brachte ihm nicht nur symbolisches Kapital in Form von gesellschaftlichen Ehrungen und Anerkennung durch Fürsten, Politiker, Kaufleute und Akademiker ein. Er verwertete dieses symbolische Kapital wiederum, indem er das positive Image als Stifter und Wissenschaftsmäzen – das ihn auch als erfolgreichen und weitsichtigen Kaufmann auswies – bewusst für die Firma nutzbar machte.“ 14 Matti, Bevölkerungsvorgänge, S. 138, 143. 15 Borchardt, Globalisierung, vor allem S. 5–15. 16 Die Hamburger Woche Nr. 6 (19. Mai 1911). 17 Goetz, Geschichte, S. 14. 18 Die Zitate bei Detlefsen, Reedereien, S. 8; Karlsch; Stokes, Faktor Öl, S. 31; Hieke, Riedemann, S. 476. 19 Vgl. Kröger, Siemers, S. 1451. 10 Hans-Edmund Siemers: Nachwort, in: Edmund J. A. Siemers: Tagebücher und Lebenslauf, Privatdruck 1996 (Archiv der Edmund Siemers-Stiftung, im Folgenden Archiv ESST abgekürzt). 11 Das Zitat Max Webers und die Ausführungen hierzu bei Meinel, Spur, S. 5. ··············································································································································

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Herkunft

Das Wappen der Familie Siemers – ob Stern und Halbmond in irgendeiner Beziehung zu den Türkenkriegen stehen, ist nicht bekannt

| 11 | Der Großvater: Georg Johann Heinrich Siemers Die Großmutter (um 1845): Catharina Elisabeth (1763‒1846) Siemers, geb. Zastrow (1772‒1854)

Die urkundlich nachweisbaren Ursprünge tet hatte.14 Das Unternehmen firmierte fort- der Familie Siemers liegen in der Hansestadt an unter dem Namen Zastrow & Siemers – Lübeck, wo ein Hermann Siemers am 16. später trat Johann Martin Stoppel als Gesell- Dezember 1652 das Bürgerrecht erwarb.12 schafter hinzu – und betrieb überwiegend Gut 100 Jahre später ließ sich sein Urenkel Kommissionshandel.15 Am 15. Mai 1811, Hinrich Christoph Siemers in Hamburg als mitten in schwerer Zeit, machte sich Sie- Kaufmann nieder und leistete dort 1747 den mers selbstständig und gründete seine ei- Bürgereid. Er wohnte im Haus Nr. 71 auf gene Firma G. J. H. Siemers mit Sitz an der dem Kehrwieder. Das Domizil existiert Poggenmühle Nr. 68 auf dem Wandrahm – schon lange nicht mehr – es wurde Anfang ein mutiger Entschluss: Hamburg stand da- der 1880er Jahre in einen Speicher für den mals unter französischer Besatzung und litt damals neu errichteten Freihafen umgewan- wirtschaftlich besonders stark unter der delt.13 Kontinentalsperre. Viele große Handels- ··································································· häuser der Hansestadt, die im letzten Vier- Hinrich Christophs einziges Kind, Georg tel des 18. Jahrhunderts in Folge des direk- Johann Heinrich Siemers, wurde 1792 Asso- ten Handels mit den neu gegründeten USA cié in der Firma seines Schwiegervaters Joa- aufgeblüht waren, mussten in diesen Jahren chim Zastrow, nachdem er dessen Tochter schließen. Catharina Elisabeth ein Jahr zuvor geheira- ···································································

| 12 | Mit Beginn des Jahres 1815 wurde Siemers’ Zastrow, Siemers & Stoppel bewegt – Kom- dritter Sohn Johannes Prokurist in der missions- und Bankiergeschäft –, so glie- Firma G. J. H. Siemers. Bereits 1816 avan- derte Johannes Siemers der Firma nunmehr cierte er zum Mitinhaber und spielte dort in eine Warenhandlung an. 1829 kam ein wei- der Folgezeit eine immer wichtigere Rolle. terer Unternehmenszweig hinzu: die Agen- 1822 übernahm er die Firma dann ganz und tur der Gothaer Lebensversicherungs- und verlegte deren Sitz von der Poggenmühle in der Gothaer Feuerversicherungsbank. die Nachbarstraße Theerhof Nr. 45. In die- ··································································· sem Jahr änderten sich auch seine familiä- Die folgenden Jahre waren schwer: 1830 ren Verhältnisse, denn am 8. Mai 1822 hei- und 1831 schrieb Johannes Siemers größere ratete er die Berlinerin Amalie Schultz. Verluste; es war die Zeit, in der sein ehema- ··································································· liger Mitschüler und langjähriger Freund Jo- Hatte sich sein Vater, der Firmengründer, hann Peter von Heydemarck in die Firma im Wesentlichen auf dem Tätigkeitsfeld von einstieg.16 Diese geriet danach wieder in ru-

„Inzwischen bin ich nicht gewilligt, ganz müssig zu seyn“ – das Zirkular, in dem Georg Johann Heinrich Siemers die Gründung der Firma G. J. H. Siemers bekannt gibt

| 13 | Die Straßenfront des ersten Geschäftshauses der Firma G. J. H. Siemers an der Poggenmühle Nr. 68

| 14 | Der Vater: Johannes Siemers (1794‒1876) – Gemälde von Robert Schneider (um 1850)

Die Mutter: Amalie Siemers, geb. Schultz M(1803‒1876) higeres Fahrwasser, sodass Siemers und Hey- Hamburg war es zu überhitzten Spekula- demarck 1837 auch die Vertretung der Ber- tionen gekommen, gekennzeichnet durch liner Allgemeinen Witwen-, Pensions- und risikoreiche Warengeschäfte, überhöhten Unterstützungskasse übernehmen konn- Wechseldiskont und Wechselreiterei. Als die ten.17 Es folgten „Jahre ruhigen Strebens ersten Firmen ihre Zahlungen einstellten und Wirkens für die Firma“, die sich als und der Geldverkehr stockte, begann die Li- Kommissionshandel und Versicherungs- quiditätskrise auch die großen renommier- agentur etablierte.18 1846 kaufte Johannes ten Handelshäuser zu bedrohen und der Rat Siemers das Haus Theerhof Nr. 1 am Ober- der Hansestadt musste auswärts um eine hafen, verlegte dorthin die nunmehr vergrö- Anleihe nachsuchen.21 Die österreichische ßerten Geschäftsräume und zog auch mit Regierung stellte ein Darlehen von zehn seiner Familie in das Gebäude ein.19 Millionen Mark zur Verfügung, und am 15. ··································································· Dezember 1857 traf in Hamburg ein Zug aus Welches Maß an Anerkennung Siemers Wien ein, der 13 Waggons mit sich führte, in der Hamburger Kaufmannschaft genoss, die mit Silberbarren beladen waren.22 zeigte sich besonders deutlich während der ··································································· „ersten“ Weltwirtschaftskrise 1857.20 Auch – Die wichtige Entscheidung darüber, welche und gerade – in der Handelsmetropole Firmen von dem „Silberregen“ profitieren

| 15 | 1846 vergrößerte die Firma G. J. H. Siemers ihre Geschäftsräume durch den Erwerb des Hauses am Theerhof Nr. 1 sollten, oblag einer zehnköpfigen Vertrau- als sein Vater bekleidete er in Hamburg zahl- enskommission; und in diese war der hoch- reiche Ehrenämter. Zusammen mit seinem angesehene Kaufmann Johannes Siemers älteren Bruder Friedrich – der in Hamburg von der Erbgesessenen Bürgerschaft als einer als praktischer Arzt wirkte und sich als Mit- ihrer beiden Vertreter entsandt worden.23 stifter und Leiter von Witwenkassen sowie Auch wenn mancherorts die Entscheidun- als Mitglied der meisten gemeinnützigen gen der Kommission missbilligt wurden – Gesellschaften Hamburgs und zahlreicher Arbeiter und Handwerker empörten sich, ärztlicher und naturwissenschaftlicher Ge- dass sie zahlen müssten, weil sich der reiche sellschaften in ganz Europa hervortat25 – be- Kaufmann verspekuliert habe24 –: Die Lage gründete er die Tradition bürgerschaftlichen beruhigte sich wieder und am 22. Juni 1858 Engagements in der Familie Siemers. Im Ar- konnte das Darlehen zurückgezahlt werden. chiv des Hospitals zum Heiligen Geist be- Ihrem Namen war die Vertrauenskommis- findet sich eine Abschrift von Notizen – ein sion also gerecht geworden. Rückblick, den Johannes Siemers 1876 für ··································································· die Familienchronik schrieb: „Es sind jetzt Johannes Siemers’ Wirken in diesem Gre- 29 Jahre, daß ich dem Oberalten-Colle- mium war beileibe nicht seine einzige An- gium, jetzt dem Collegium der unter Ver- teilnahme an öffentlichen Belangen. Anders waltung der Gemeinde-Aeltesten der 5

| 16 | Hauptkirchen stehenden Stiftungen (Heili- An der Spitze ihrer Kirchengemeinde ste- ger Geist, Marien-Magdalenen-Kloster und hend, verwalteten sie den Gotteskasten, eine Oberaltenstift) angehöre, und es werden in Sozialkasse mit kirchlichen Einnahmen, aus diesem Jahre 22 Jahre, daß ich Präses bin, 5 der Bedürftige unterstützt wurden. Ande- Jahre davon war ich Präses der alten Bürger- rerseits übten sie ein politisches Mandat aus: schaft.“26 Die Erbgesessene Bürgerschaft hatte die ··································································· Oberalten 1529 zu ihren ständigen Vertre- Bis 1860 bildeten die Kirchspiele der fünf tern gegenüber dem Rat der Stadt gemacht. Hamburger Hauptkirchen nicht nur die Seitdem bildeten sie so etwas wie ein „Ober- kirchliche, sondern auch die politische Glie- haus“, das die Obrigkeit kontrollierte. Au- derung der Hansestadt. Johannes Siemers ßerdem riefen sie die Versammlungen der gehörte dem von St. Jacobi an und über- Bürgerschaft ein – an diesen durften all die- nahm dort bereits als junger Mann Ehren- jenigen teilnehmen, die das Bürgerrecht ämter. 1847 wurde er dann zum Oberalten und ein innerhalb der Stadtmauern bebau- gewählt – eine besondere Auszeichnung – tes Grundstück („Erbe“) besaßen.28 Die Be- und stand deren Kollegium seit 1854 als Prä- ratungen und Abstimmungen der Bürger- ses vor.27 Die Oberalten, vornehmlich Kauf- schaft, die getrennt nach Kirchspielen statt- leute und selbstständige Unternehmer, nah- fanden, wurden von den Oberalten geleitet, men einerseits diakonische Aufgaben wahr. und Johannes Siemers als deren Präses fun- gierte bis 1859 auch als Präses der Bürger- schaft.29 Mit der Trennung von Staat und Kirche in der hamburgischen Verfassung von 1860 verloren die Oberalten ihre politi- sche Macht. Sie tragen jedoch bis heute Ver- antwortung für das Hospital zum Heiligen Geist – eine der ältesten Stiftungen Ham- burgs und das größte Altenheim der Hanse- stadt.30 ··································································· Neben dem Amt des Oberalten ist noch be- sonders Johannes Siemers’ Mitgliedschaft in der Kämmerei hervorzuheben. Sie bestand aus zehn von der Erbgesessenen Bürgerschaft gewählten Deputierten. Erst als 1860 die Finanzdeputation an die Stelle der Kämme- rei trat, hatte die fast 300 Jahre andauernde alleinige Verwaltung der städtischen Finan- zen durch Hamburgs Bürger ein Ende, da nunmehr auch drei Senatsmitglieder dem neu gebildeten Gremium angehörten.31 Aufeinander aufbauend: Wappen der Familie ··································································· Siemers und der Freien und Hansestadt Hamburg Für Johannes Siemers bildete das Jahr 1860

| 17 | einen tiefen Einschnitt. Sein ehrenamtliches ter dem neuen Regim (sic) weitere staatliche Engagement war ganz den vorkonstitutio- Stellungen zu übernehmen“.32 nellen Rahmenbedingungen verhaftet und ··································································· so verwundert nicht, dass sein jüngster Sohn Dies sollte seinen Kindern vorbehalten rückblickend schrieb, die Einführung der bleiben – in erster Linie seinem Sohn Ed- neuen Verfassung habe ihn von der staatli- mund Julius Arnold, der am 12. März 1840 chen Tätigkeit zurücktreten lassen, denn er in Hamburg als siebentes und jüngstes Kind sei eine „zu streng konsequente“ Natur, als von Amalie und Johannes Siemers das Licht dass er sich habe entschließen können „un- der Welt erblickte.

·············································································································································· 12 Art. Siemers, S. 279 f. 13 Siemers; Hübbe, Stammbaum, S. 5. 14 Siemers, Nachrichten, S. 25. 15 Detlefsen, Reedereien, S. 7. 16 Schröder, Siemers, S. 2. 17 Engel, Siemers; Grundmann, 150 Jahre, S. 12. 18 Goetz, Geschichte, S. 11, 13. 19 Grundmann, 150 Jahre, S. 8 f. 20 So Reinhard Spree: Die „erste“ Weltwirtschaftskrise 1857–1859 (http://rspree.wordpress.com/2011⁄07⁄21/ die-„erste“-weltwirtschaftskrise-1857-1859; 15. Juli 2014). 21 Elsner, Kaisertage, S. 46. 22 Ahrens, Krisenmanagement, S. 88. 23 Ebd., S. 66. 24 Elsner, Kaisertage, S. 47; Ahrens, Krisenmanagement, S. 107. 25 Art. Siemers, S. 291; Siemers; Hübbe, Stammbaum, S. 7 f. 26 Zitiert nach: Schade, Eintracht, S. 271 f. 27 Ebd., S. 28. 28 Eckardt, Herrschaft, S. 12 f. 29 Schramm, Generationen 1, S. 80 f. 30 Hamburger Abendblatt Nr. 226 (27. ⁄28. September 2003). 31 Bohnsack, Finanzverwaltung, S. 183. 32 Tagebuch von Edmund Julius Arnold Siemers, Hamburg. Original-Abschrift, wortgetreu wiedergegeben von August Schlingloff, Hamburg-Großflottbek 1961, Textüberarbeitung sowie Bilder und Ausstattung Hans-Edmund Siemers, 1995, in: Edmund J. A. Siemers: Tagebücher und Lebenslauf, Privatdruck 1996 – im Folgenden Tagebuch abgekürzt – (1881⁄82), S. 7 (Archiv ESST). ··············································································································································

| 18 | Erinnerungsblatt anlässlich der silbernen Hochzeit von Johannes und Amalie Siemers 1847, verfasst von Friedrich Siemers

| 19 | | 20 | „Ernst und Scherz“ – Andeutungen zur Silberhochzeit

| 21 | | 22 | [3]

Der Privatmann

Jugendjahre ··································································· In der Jugend werden die entscheidenden Weichen in Hinblick auf die Persönlich- keitsbildung eines Menschen gestellt.33 In- sofern lohnt es sich, dieser Lebensphase beim Verfassen einer Biographie besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Leider ist über den jungen Edmund Siemers, seine Jugend- eindrücke – „das ewig Bestimmende in einem Menschen“ (Berthold Auerbach) – kaum etwas überliefert. ··································································· Bekannt ist, dass Johannes Siemers seinen jüngsten Sohn nach Vollendung des sechs- ten Lebensjahres in die Privatschule von Fer- dinand Bülau schickte, „eine der angese- hensten Knabenschulen“ der Hansestadt, die auch viele andere Söhne aus dem ham- Edmund (rechts) und sein älterer Bruder burgischen Großbürgertum besuchten, so Adolph (um 1846) z. B. Hermann Mutzenbecher.34 Ein geglie- dertes Schulsystem gab es damals in Ham- Anders als Siemers wechselte Embden spä- burg nicht, die meisten Kinder und Jugend- ter auf die Gelehrtenschule des Johanneums lichen besuchten Privatschulen ganz unter- – damals die einzige staatliche Schule in schiedlicher Couleur.35 Hamburg, die eine höhere Schulbildung er- ··································································· möglichte – und studierte anschließend in Wahrscheinlich machte Edmund auf Heidelberg, Berlin und Göttingen Jura. der Bülauschen Knabenschule schon bald Nach seiner Rückkehr in die Hansestadt Bekanntschaft mit dem ungefähr gleichalt- machte er als Hauptgeschäftsführer der rigen, aus einer jüdischen Familie stammen- Handelskammer (1872–1877) und als An- den George Heinrich Embden. Hieraus ent- walt Karriere. Er war, zu verschiedenen Zeit- wickelte sich eine lebenslange Freundschaft. punkten, mit den späteren Bürgermeistern

| 23 | Edmund (links) mit seinem Jugendfreund John B. Gossler

| 24 | Gerhard Hachmann, Carl August Schröder Landleute Hans auf der Mauer und Konrad und Carl Petersen assoziiert.36 Ein Jahr nach Baumgarten sowie den Söldner Frießhardt; Embdens Tod, 1908, schrieb Siemers: „Das im zweiten Teil der Wallenstein-Triologie letzte Jahr hat uns viele Verluste durch den sollte er den Feldmarschall Illo und Kriegs- Tod uns befreundeter Personen bereitet, rat von Questenberg (allerdings mit Frage- mein alter Schulkamarad Embden, der mir zeichen) spielen, im dritten Teil den Kom- auch in geistiger Beziehung und mit seinem mandanten Gordon, Hauptmann Macdo- Rat nahe stand, ist aus dem Leben geschie- nald – und die Herzogin von Friedland.40 den, ich entbehre ihn sehr. Öfter als ich es ··································································· erwähnt, habe ich mit ihm über an mich he- Die Beteiligten nahmen die Veranstaltun- rantretende Sachen, meine Bestrebungen gen nicht nur bitter ernst, sondern wuchsen etc. gesprochen.“37 auch zu einem Freundschaftsbund zusam- ··································································· men. Als die meisten Mitglieder des Zirkels Auffällig ist, dass sich Edmund in jungen nach 1860 Hamburg Richtung Ausland ver- Jahren für Literatur interessierte – mehr ließen, blieben sie „in brieflichem Kontakt als es sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts und teilten sich nicht nur ihre Erlebnisse, für einen Hamburger Kaufmannssprössling sondern auch ihre Empfindungen mit“.41 eigentlich schickte. Der Historiker Percy Leider sind keine dieser Briefe von Edmund Ernst Schramm schreibt in seinen „Neun Siemers überliefert – Briefe, in denen sich Generationen“: „In der Zeit der Franzo- die Freunde auch über ihre momentane senherrschaft hatten sich begeisterte auf Lektüre berichteten.42 Gelesen wurden wei- Lebensernst und Reinheit ausgerichtete terhin vor allem Klassiker, Goethe und Jünglinge zu ‚Tugendbünden‘ zusammenge- Schiller, und romantische Autoren, kaum schlossen; es überrascht, vier Jahrzehnte spä- jedoch die zeitgenössische Literatur des Rea- ter [also Mitte der 1850er Jahre, JG] in einer lismus.43 Schramm kommt daher auch zu gefestigten und gesättigten Umwelt auf ei- dem Schluss: „So weit wie um 1860 war die nen ihnen völlig entsprechenden Lesezirkel ‚Literaturgeschichte der Lesenden‘ chrono- zu stoßen, noch dazu in einer Stadt, die den logisch noch nie hinter der ‚Literaturge- Binnendeutschen als dem ‚Materialismus‘ schichte der Schreibenden‘ zurückgeblie- verschrieben galt (…): Rudolph Crase- ben.“44 mann, Otto Dircks, Henry Gaden, John B. ··································································· Goßler, Adolph Grotrian, Wilhelm Hühne, Einer dieser Freunde spielte für Edmund Gustav A. Jencquel, Alwin Otten, Gustav in diesen Jahren eine besonders wichtige D. Schramm, Edmund J. A. Siemers, Edu- Rolle: Wilhelm Hühne. Mit ihm machte er ard und Gustav Unger.“38 sich 1862 als 21-Jähriger gegen den ausdrück- ··································································· lichen Willen seines Vaters selbstständig Man trug, so Schramm an anderer Stelle, und gründete die eigene Firma Siemers & „mit verteilten Rollen Klassiker vor und Hühne – hierzu später mehr. stellte sich mit Vorführungen geeigneter ··································································· Stücke dem Urteil der Erwachsenen“.39 Ed- Ausser der Tatsache, dass der junge Ed- mund war in Friedrich Schillers „Wilhelm mund literarisch interessiert war, ist noch Tell“ gleich für drei Rollen vorgesehen: die bekannt, dass er gerne Arzt geworden wäre.

| 25 | ··································································· Edmund lernte bei Schröder & Eiffe, da- nach war er kurze Zeit bei Lösener, Nagel & Co. sowie im Bankhaus Conrad Hinrich Donner tätig.46 Octavio Rudolph Schröder spielte in Hamburg wirtschaftlich und poli- tisch eine wichtige Rolle. Er war als Kauf- mann wohlgelitten, 1842 Präses der Han- delskammer und im „tollen Jahr“ 1848 Mit- glied der Rat- und Bürgerdeputation zur Beratung von Verfassungs- und Verwal- tungsreformen. 1856 wurde er zum Ober- alten gewählt, war also ein Amtskollege von Johannes Siemers und kannte ihn wahr- scheinlich gut.47 ··································································· Wie eben angedeutet, lässt sich über das Verhältnis des jungen Edmunds zu seinem „Frau G. J. H. Siemers mit ihrem Sohn Vater allenfalls spekulieren. Es sind keine Edmund J. A. Siemers“ Quellen überliefert, die hierüber Aufschluss geben. Im Tagebuch48 von Edmund Siemers Das Interesse für die Medizin und ärztliche findet sich lediglich eine Stelle, wo es heißt, Wissenschaft lag bereits in der Familie; war der Vater sei „an fast peinliche Regelmäßig- doch ein Onkel von ihm, der bereits er- keit im Häuslichen“ gewöhnt gewesen.49 wähnte Friedrich Siemers, von 1816 bis 1819 ··································································· Armenarzt in Hamburg gewesen. 1816 wur- Wesentlich aufschlussreicher sind die de Friedrich Siemers zum Dr. med. promo- Passagen des Tagebuchs, in denen von der viert mit einer Arbeit über „die Idee der Mutter die Rede ist und die auf eine lang- Krankheit“, später wirkte er viele Jahre als jährige enge und vertrauensvolle Beziehung Direktor des Ärztlichen Vereins, Chole- zwischen Amalie Siemers und ihrem Sohn raarzt, Leiter des Hospitals Ericus und Arzt hinweisen. Rückblickend schrieb Edmund am Hospital St. Georg in der Hansestadt.45 Siemers 1881/82: ··································································· ··································································· Gleichwohl begann Edmund Ende der „Ich habe von ihr unendlich viel gehalten 1850er Jahre seine Lehre in einem renom- trotz vieler Schwächen, deren Ursprung auf mierten Handelshaus, schlug also den Weg viel früher zurückzuführen ist. Sie kam sehr ein, der für den Sohn eines erfolgreichen jung und mit dem Hauch poetischer Ideen Hamburger Kaufmanns nahe lag. Ob er aus der Zeit nach den Befreiungskriegen diese Entscheidung aus freien Stücken traf, und in Berlin von ihrem Vater und ihren ob es hierüber evtl. Konflikte mit dem Va- Freundinnen verzogen (ihre Mutter hatte ter gab – diese Fragen lassen sich nicht mehr sie schon als Kind verloren) nach Hamburg beantworten. in einen sehr nüchternen, sie nicht verste-

| 26 | Edmund Siemers mit seiner Frau Susanne (um 1866)

| 27 | henden Kreis und die späteren schweren werden, meine Verhältnisse sind nicht glän- Prüfungen durch die Gemütskrankheit zend, aber ich habe Sie unendlich lieb ……‘ zweier Kinder50 hatten ihr namentlich, Statt aller Antwort, die erste Umarmung, wenn Nervosität hinzukam, mitunter eine der erste Kuß. Oh, es war so schön, wie man gewisse Herbheit gegeben, die sich mit dem es sich nur denken kann. Dann Anfrage bei Alter besonders stärker geltend machte. So den Eltern in optima forma, Triumphzug war das Umgehen mit ihr nicht leicht, ich zum Theerhof, meine gute Mutter oben an war noch der Einzige, der es wagte, ihr ge- der Treppe mit ausgebreiteten Armen (…), genüber sich offen und vollständig auszu- abends großes Familienfest (…), am nächs- sprechen und von dem sie auch alles entge- ten Tag Spaziergang [Susannes, JG] mit gennahm, ohne deshalb zu grollen. Im Schwiegermutter im botanischen Garten Grunde war sie eine gute Frau, die nament- mit Belehrung über Edmund, seine Natur- lich in den Jahren in denen ihre körperli- geschichte, Wartung und Pflege. Passender chen Kräfte es erlaubten, aufopfernd für ihre wäre dieser Spaziergang wohl im Zoologi- Kinder gesorgt hat. (…) Auch bin ich ihr schen als im Botanischen Garten gewesen.“53 dafür dankbar, daß bis zuletzt ich ihr Ver- ··································································· trauter war und ich darf sagen, ihre geistige Vier Monate später heirateten die beiden: Stütze gewesen bin, mit dem sie sich über „Im 1865sten Jahre des Heils und 26. August Alles besprach und so gut es möglich war, strahlte unser liebes Oevelgönne [hier besaß aufrichtete.“51 die Familie Siemers eine Sommerwohnung, ··································································· JG] im vollen Schmucke, frisch wehten im Heirat und Ehe Sonnenglanze die Flaggen aller Nationen ··································································· und im Dorf sah man ein glückliches Paar, 1861 lernte Edmund Siemers im Hause sich für die liebenswürdige Aufmerksamkeit Friederike und Dietrich Eckmeyers deren der Bevölkerung freundlich bedanken und Tochter Susanne kennen. Ihr Vater war in fröhliche Glückwünsche annehmen.“54 Hamburg als Prokurator am Niedergericht ··································································· tätig, welches zu dieser Zeit das generelle Die vierwöchige Hochzeitsreise führte die Gericht der ersten Instanz in Zivil- und Frischvermählten nach Kassel, Frankfurt, Kriminalsachen war. Es vergingen „vier Heidelberg, Stuttgart, Friedrichshafen, an ahnungsvolle Jahre“, so erinnerte sich Ed- den Bodensee sowie nach Zürich und wei- mund Siemers später, bis er sich mit Su- tere Orte in der Schweiz und schließlich sanne im April 1865 verlobte. Sie hatte auf nach München. Als besonderes Dokument ihn durch ihr „natürliches Wesen“ und ihre hat sich das Reise-Tagebuch von Susanne „gesunden Ansichten gleich einen (…) sym- Siemers erhalten, in dem sie in einer für eine pathischen Eindruck, wie ich ihn noch nie Frau aus dem Großbürgertum ungewohnt empfunden hatte“, gemacht.52 offenen Weise über die Hochzeitsreise ··································································· spricht: „So beginne ich denn mit dem un- „Der Ostersonntag 1865 also sah einen jun- vergesslichen 26ten August 1865 und schon gen Mann in der ABC-Straße in die dritte gleich in Gedanken des Abends mit Dir Etage des Möhring’schen Hauses steigen. nach Harburg, wo uns der freundliche ‚Kö- ‚Fräulein Eckmeyer, wollen Sie mein Weib nig von Schweden‘ seine gastlichen Räume

| 28 | öffnete – schweigen wir von unserem Thun manowa, Königin von Württemberg, JG] und Treiben in demselben! Am Sonntag, herbeiströmten. Wir sicherten uns beizeiten den 27ten morgens erwachten wir zwar einen Kahn, um abends das Zauberfest, das nicht gestärkt aber sehr vergnügt und gin- vor dem Schloß gefeiert werden sollte, vom gen dann zum Schwarzenberg, um uns noch See aus genießen zu können. – An einen einmal die Wiege unseres Glücks, unser Bootsmann dachten wir natürlich nicht und schönes Oevelgönne zu betrachten.“55 wir zwei schifften uns mit Dunkelwerden ··································································· höchst romantisch ein. (…). Der Abend en- Zwei Wochen später kam es in Friedrichs- dete dann für uns mit Schrecken, da unser hafen zu folgendem Zwischenfall: „Am Anker, den wir ausgeworfen hatten, sich 10ten September, Sonntag. Ganz Friedrichs- nicht lösen wollte und wir nur durch ein un- hafen im Festtagsschmuck und überfüllt freiwilliges mehr als kaltes Bad meines von Hunderten von Fremden aus der Um- leichtsinnigen Mannes von unserer Angst gegend, die zum Vorabend des Geburtstags- befreit werden konnten. Wie mir bei Ed- festes der Königin [Olga Nikolajewna Ro- munds plötzlichem Verschwinden in die

Der Landsitz an der Flottbeker Chaussee Nr. 195

| 29 | Direkt am Ufer der Elbe: das Gästehaus Övelgönne Nr. 106, welches Edmund Siemers erbauen ließ

Thiefe zu Muthe war, vermag ich nicht zu bringen. So auch Edmund Siemers und schildern. – Der Sprung war natürlich, wie seine Frau. Besaßen sie zunächst „nur“ eine alles was er that, mit Erfolg gekrönt und ist Sommerwohnung am Strandweg in Övel- ihm gottlob bis zum heutigen Tage gut be- gönne, so erwarb das Ehepaar 1894 für rund kommen.“56 180.000 Mark ein Landhaus in Othmar- ··································································· schen an der Flottbeker Chaussee Nr. 195, Das junge Ehepaar wohnte zunächst in der der heutigen Elbchaussee58 – eine Anschaf- Bahnhofstraße Nr. 11, seit 1869 in der Klei- fung, die der sparsam lebende Siemers nen Johannisstraße Nr. 19. 16 Jahre später, durchaus als Luxus empfand: „Ich hatte aus 1885, bezog die Familie Siemers dann das Vernunft, um unsere Kinder nicht zu ver- Stadthaus An der Alster Nr. 62 (beim Hotel wöhnen, einfach gelebt und erst als diese er- Atlantic gelegen, welches allerdings erst wachsen, (sic) eine Ausdehnung vorgenom- 1909 errichtet wurde).57 men. Der Landsitz herrlich gelegen, hat uns ··································································· schöne Tage und Zeiten verschafft, am Im 19. Jahrhundert entwickelten die wohl- schönsten, wenn er bevölkert wurde durch habenden hanseatischen Kaufleute zuneh- unsere Kinder und Enkel“, so schrieb er in mend das Bedürfnis, die Sommerzeit außer- sein Tagebuch.59 Später vergrößerte er das halb der Stadt auf einem Landsitz zu ver- Anwesen durch Ankauf des Geländes Övel-

| 30 | Das Stadthaus An der Alster Nr. 62

| 31 | gönne 106. Auf diesem Teil des Grundstücks hatten. – Hatte Herrn Siemers zu Tisch. Er erbaute er ein Gästehaus, das seiner gesam- ist etwas langweilig. Ich mag die Frau viel ten Familie von 1904–1918 als Sommerhaus lieber.“63 diente.60 ··································································· ··································································· Diese Zitate führen vor Augen, dass das Neben der eigenen Familie umgab sich Urteil über die Außenwirkung einer Person Edmund Siemers auf seinem Landsitz mit von verschiedenen Faktoren – nicht zuletzt einem Freundeskreis, zu dem Persönlichkei- auch dem Geschlecht des/der Beobachten- ten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft den – abhängt. Dennoch kann wohl festge- und Technik gehörten, u. a. der Präsident halten werden: Susanne Siemers war durch- der Hamburgischen Bürgerschaft Julius aus nicht undifferenziert, legte aber mitun- Engel, die Bürgermeister Johann Georg ter eine etwas bodenständige Art an den Mönckeberg und Max Predöhl und andere Tag. So ist die Anekdote überliefert, dass sie Angehörige aus Hamburger Patrizierfami- bei Gelegenheit eines Treffens mit Kaiser lien, einflussreiche Bankiers wie Max War- Wilhelm II. und dessen Ehefrau Auguste burg sowie Graf Ferdinand von Zeppelin Viktoria fragte: „Seid ihr auch schön warm?“ und dessen Mitarbeiter Hugo Eckener.61 – und anschließend dem sitzenden Kaiser- ··································································· paar eine Decke umlegte. Der Monarch soll Die Liebe zweier Menschen zu beschreiben, sich nicht daran gestört haben. ist schwer. Soweit man es im Nachhinein als ··································································· Außenstehender beurteilen kann, war die Bei gemeinsamen Reisen verbrachten Su- Ehe zwischen Edmund und Susanne Sie- sanne und Edmund Siemers viel Zeit mitei- mers glücklich. Ein Grund hierfür mag ge- nander, auch dies spricht für eine glückliche wesen sein, dass – so Karl Redlich, Pastor an Ehe. 1906 schrieb letzterer rückblickend: St. Jacobi – „zwei in sich selbst durchaus „Wieviel Freude haben wir stets an unseren eigenartige, sehr verschiedene Charaktere in Reisen gehabt, wie reizend haben wir auf einer seltenen Harmonie zusammengewach- denselben gelebt und wie bin ich unserem sen (waren). Zu dem weltumspannenden Schöpfer dankbar, daß er Dich ebenso wie Geiste ihres kaufmännischen Gatten, zu sei- mich so genussfähig erhalten hat und ich er- nem in die Oeffentlichkeit des Wirkens innere an unsere 5- bis 6-stündigen Märsche hinausstrebenden Wesen (…) fügte sie die in Baden-Baden, an unsere Rom- und Nea- selbstsichere Ruhe ihres inneren Menschen, pel-Fahrt, an Florenz, Riviera, die Levante die bedachtsame Langsamkeit, sich in die und (…) Abazzia Biarritz, Simplontour weiter und weiter sich erstreckende Bedeu- und Schweiz, unsere Herbstaufenthalte in tung ihres Hauses hineinzufinden, die vor- Schierke usw.“64 sichtig abwägende Art.“62 Anders hingegen ··································································· die Charakterisierung der Freifrau Elisabeth Von 1906 bis 1913 fuhren die Eheleute von Ohlendorff, die am 17. Februar 1914 in Siemers jeden Oktober/November auf das ihr Tagebuch schrieb: „Sind um 7 Uhr zu Schlosshotel Labers bei Meran.65 Das Haus Bürgerm. v. Melles, 43 Rondeel, gefahren u. gibt es noch heute. Der Südtiroler Ort mit 1 Diner. Mussten ⁄2 Stunde auf Edmund Sie- mediterranem Klima war damals ein Treff- mers warten, die die Einladung vergessen punkt der Hamburger High Society, eine

| 32 | Blick in das Esszimmer des Stadthauses

| 33 | In Baden-Baden (1913)

Tagebuchnotiz des Bürgermeisters Johann und Du hast gesehen, wie sehr ich mich Heinrich Burchard vom 5. November 1909 dann allen schönen Eindrücken gegenüber verdeutlicht dies: „Edmund Siemers und empfänglich gezeigt habe.“68 Frau, die auf Schloß Labers wohnen, bei uns ··································································· zum Thee. Gestern Besuch des Präs. Engel. Im August 1904 machte Edmund Siemers Vorwerks erkundigen sich täglich nach mei- zusammen mit Alfred Lichtwark, den er nem Befinden“.66 Auch Max von Schinckel gut kannte, und weiteren Freunden und Be- und Heinrich von Ohlendorff hielten sich kannten eine Sommerfahrt auf der Ostsee. wiederholt in Meran auf.67 Siemers hatte zu diesem Zweck die Yacht ··································································· „Hamburg“ vom Hamburgischen Verein Ganz dem bürgerlichen Arbeitsideal ent- Seefahrt gechartert.69 Die Segelreise führte sprechend schrieb Siemers seiner Frau über von Kiel über Kopenhagen, Bornholm, Rü- die gemeinsamen Reisen: „Die Erholungs- gen hin zu den Ostseebädern an der Lübe- zeit nach der Arbeit ist um so schöner, wenn cker Bucht, und der Kunsthallen-Direktor man fühlt, daß man sie sich selbst durch hielt fest: „Die zehn Tage Seefahrt werde ich Fleiß und Intelligenz verdient hat. Das wirst nicht vergessen.“70 Du auf Reisen gewiß an mir gemerkt haben ···································································

| 34 | Die goldene Hochzeit (1915)

| 35 | bereits 1888 im Alter von nur 21 Jahren im Kindbett – ein schwerer Schicksalsschlag für die Eltern. Susanne Siemers schrieb wenige Wochen nach diesem Unglück an ihren ver- witweten Schwiegersohn: „Edmund betrau- ert unser geliebtes Kind ja auch tief und in- nig – aber immer auf seine Weise und die Quintessenz seines Schmerzes, den er mir und jedem, der es wissen will, gegenüber immer Ausdruck giebt, ist ja immer das ‚Ge- fühl‘ (…) – deshalb schweige ich Edmund gegenüber, und solches Schweigen in der Ehe ist sehr, sehr (…) gefährlich, das kannst du glauben; mehr will ich dich nun aber auch nicht quälen mit meinen heftigen Ge- fühlen – bitte für mich, daß sie noch einmal wieder etwas ruhiger werden.“72 ··································································· Edmund Siemers fand in seiner berufli- chen Tätigkeit Ablenkung, um über diese Tragödie hinweg zu kommen – Arbeit als Hans und Kurt Siemers in jungen Jahren Bewältigung von persönlichem Leid, auch dies ein Moment des bürgerlichen Arbeits- Zu erwähnen ist schließlich noch eine län- ideals: „So schwer auch ich seinerzeit unter gere Amerikafahrt, auf die sich Edmund Sie- dem Verlust unserer Toni gelitten, so war mers ganz ohne Begleitung Ende der 1870er doch meine Ablenkung durch die Arbeit Jahre begab. Geschäftlich war er in diesem und die vielen Pflichten ein Segen. Schwer Jahren vor allem im Petroleumhandel mit den war die Zeit für Dich, meine liebe Frau und USA aktiv, und der Aufenthalt diente wohl erst nach längerer Zeit, als unsere Thekla vor allem dazu, direkt vor Ort auf diesem Nachfolgerin Toni’s wurde [1894 heiratete Feld die eigenen Kenntnisse zu erweitern.71 die zweite Tochter Thekla ihren verwitweten ··································································· Schwager Adolf Schaer, JG] und uns eine Die vier Kinder Reihe reizender Enkelinnen schenkte, wur- ··································································· de der Schmerz in etwa gelindert.“73 Susanne Siemers brachte in den Jahren ··································································· 1866 bis 1873 vier Kinder zur Welt: Antonie Sorgen machte ihm sein ältester Sohn (Toni) (geb. 1866), Thekla (geb. 1868), Johann Hans. Seit 1901 Mitinhaber der väterlichen (Hans) (geb. 1872) und Kurt (geb. 1873). Firma, schied dieser bereits ein Jahr später ··································································· wieder aus und ging mit seiner englischen Die älteste Tochter Toni heiratete 1887 Frau nach London. Auch hier wurde er Adolf Schaer, einen Militär, der es bis zum nicht glücklich, weder beruflich – die Mak- Generalleutnant bringen sollte. Toni starb lerfirma, an der er sich beteiligte, machte

| 36 | Familienidylle: das Ehepaar Siemers mit den drei Kindern Toni, Thekla und Hans (1872)

| 37 | Konkurs –, noch privat – seine Frau verstarb erbe verzichtet hatte, wurde 1904 sein jün- bereits 1906 im Alter von 27 Jahren. Hans gerer Bruder Kurt mit einem Anteil von drei- Siemers’ zweite Frau, Ilona Gräfin Wass de ßig Prozent in die Firma G. J. H. Siemers & Czege, die er 1910 heiratete, schreibt in ih- Co. aufgenommen, wobei sich Edmund rem Tagebuch über das Verhältnis zwischen Siemers „im bisherigen vollen Umfange das Vater und Sohn: „Hans, als ältester Sohn, Recht der definitiven Entscheidung in allen sollte Erbe der Firma werden. Kurt hat sich Fragen des Geschäfts“ vorbehielt.75 Damit für das Jurastudium entschieden. Leider lag er nicht ganz falsch – die Jahre sollten waren Hans und Schwiegervater zu gleiche zeigen, dass Kurt Siemers, ein stiller, sensib- Naturen, beide despotisch veranlagt und ler Mann mit feinem Humor, nicht eine sol- konnten daher auf die Dauer nicht zusam- che herausragende unternehmerische Per- menarbeiten. Hans konnte die Tyrannei sönlichkeit wie sein Vater war. und die täglichen Schikanen des Schwieger- ··································································· vaters (sic) nicht ertragen. So kam es zum Es liegt nahe, dass Edmund Siemers die Zerwürfnis. Hans trat aus der Firma aus Konflikte mit seinem ältesten Sohn anders und verzichtete zu Gunsten Kurts auf die sah als seine Schwiegertochter (die er an- Nachfolge des Geschäfts. Kurt war eine ru- sonsten verehrte): „Öfter habe ich von ihm higere und sanftere Natur. Daher ging die und auch wohl von anderer Seite von seiner Arbeit zwischen Edmund und ihm besser.“74 Verwunderung gehört, weshalb ich soviel ··································································· arbeite und außerhalb des Geschäfts in so Nachdem Hans freiwillig auf das Firmen- mancherlei Richtung wirke und dadurch

Stallungen auf Hans Siemers’ Gut Gothard in Rotenburg (1920er Jahre)

| 38 | von Straßen etc. Leider, leider ist mein ältes- ter Sohn so scheu mir gegenüber, versteht mich oft nicht, ja hat sogar oft die Neigung, sich von anderen zum Missverstehen seines Vaters verleiten zu lassen.“76 ··································································· Diese Passagen lassen Edmund Siemers als „Tatmenschen“ erscheinen – eine passende Charakterisierung für einen erfolgreichen Unternehmer; aber eben auch eine Charak- terisierung, die zumindest zu einem Teil die Konflikte mit Hans Siemers erklärt. ··································································· Erst 1911 verbesserte sich das Verhältnis zwischen Vater und ältestem Sohn. In die- sem Jahr erwarb der frisch verheiratete Hans Siemers das Gut Haus Teklenburg bei Ro- tenburg an der Wümme, das er in Gothard umtaufte und selbst bewirtschaftete.77 Der Vater notierte: „seitdem er eine Tätigkeit hat, (ist Hans) ein anderer Mensch“.78 Aller- dings konnte er seine Pläne, nach dem Krie- ge ein größeres und ertragreicheres Gut in Mecklenburg zu kaufen, nicht verwirkli- Der Großvater mit seinem Enkel Egon (um 1915) chen – im Gegenteil: Sein Vorhaben wurde durch die Inflation und die Geldentwertung mir so vielerlei Extra-Arbeit aufhalse. Diese vereitelt und er musste sich seit 1920 mit ei- Äußerungen sind eben ein Zeichen, daß nem kleineren Besitz, dem Gut „Jägerei“ bei man mich und meine Lebensauffassung Hustedt (Kreis Celle), bescheiden.79 nicht versteht.“ Und zwei Jahre später: ··································································· „Wenn ich auch ruhig im allgemeinen den- Auch privat widerfuhr ihm Unglück: Am ke, so schmerzt mich doch sehr, daß Hans 25. August 1916 starb sein ältester Sohn Egon so ohne Beruf lebt, was soll daraus werden, im Alter von nur fünf Jahren – ein schwerer wenn er keinen rechten Lebenszweck und Schlag auch für Edmund und Susanne Sie- Ziel hat (…). Oh, möge er doch das Rich- mers, zahlreiche Briefe zeugen hiervon: „In tige finden, mein lieber Sohn. Ich hatte wie- Hannover scheint alles unverändert. Bei uns der einmal einen Wink, wie so oft gegeben, auch, täglich, ja stündlich werden wir an un- indem ich ihn auf Langenhorn hinwies [Ed- seren lieben Egon erinnert & können uns mund Siemers hatte dort seit 1908 in gro- sehr schwer trösten.“80 ßem Umfang Grundstücke erworben, JG], ··································································· wo sich ein Feld für seine Tätigkeit auftun 1926 musste Hans Siemers dann auch seinen könnte, auch in späterer Zeit durch Anlagen landwirtschaftlichen Betrieb in Hustedt auf-

| 39 | geben, da dieser keine ausreichenden Er- viele – von einer Renaissance des Kaiser- träge abwarf. Seitdem lebte er mit seiner reichs.81 Als Mitglied des Hamburger Natio- siebenköpfigen Familie auf großem Fuße in nalklub von 1919, dessen Ehrenpräsident der einer Villa in der Geffckenstraße in Ham- Bankier Max von Schinckel war,82 bezog er burg-Eppendorf. Er häufte hohe Schulden als Deutschnationaler dezidiert Position ge- an, verbrachte seine Zeit vor allem in Gesell- gen die neu gegründete Weimarer Republik. schaften und Clubs und träumte – wie so

·············································································································································· 33 Ausführlich hierzu Meineke, Meinecke, hier S. 44 f. 34 Das Zitat bei Rüdiger, Geschichte, S. 135; Schröder, Siemers, S. 2; Schröder, Mutzenbecher, S. 15. 35 Rüdiger, Geschichte, S. 120. 36 Schubert; Hommelhoff, Jahre, S. 29. 37 Tagebuch (Winter 1908), S. 15 (Archiv ESST). 38 Schramm, Generationen 2, S. 270. 39 Ders., Bildungsgeschichte, S. 3. 40 John Berenberg-Gossler an Gustav David Schramm, ohne Datum (wahrscheinlich Herbst 1857): Staats- archiv Hamburg (im Folgenden StA Hbg. abgekürzt), 622-1⁄151 Familie Schramm, E 4, Band 2. 41 Schramm, Bildungsgeschichte, S. 5. 42 Die Briefe John Berenberg-Gosslers an Gustav David Schramm befinden sich im StA Hbg., 622-1⁄151 Familie Schramm, E 4, Band 1 und Band 2 (mit einer Auswahl maschinenschriftlicher Abschriften). – Edmund Siemers taucht in dieser Korrespondenz nur am Rande auf: John Berenberg-Gossler an Gustav David Schramm, 21. Mai 1859 (ebd., Band 1) und 14. Juni 1861 (ebd., Band 2). 43 Schramm, Bildungsgeschichte, S. 7 f., 11. 44 Ebd., S. 14. 45 So sein Enkel Kurt-Hartwig Siemers in einer Rede am 30. Dezember 1977 (Fischer-Appelt; Siemers, Leben, S. 19); vgl. zu Friedrich Siemers: Art. Siemers, S. 291–294. 46 Detlefsen, Reedereien, S. 8. – Dass Siemers nach Beendigung seiner Lehrzeit London, Paris, New York besucht, Asien und Russland bereist und sich eine Weile in Afrika aufgehalten habe, wie die „Neue Ham- burger Zeitung“ berichtet (Nr. 594 vom 21. November 1918), ist zu bezweifeln. Es finden sich an keiner anderen Stelle Hinweise auf diese Reisen. 47 Schröder, Schriftsteller, S. 38. 48 Bei dem Tagebuch (siehe Anm. 32) handelt es sich um Rückblicke, die Edmund Siemers zu verschiedenen Zeitpunkten niedergeschrieben hat (Jahreswende 1881⁄82 und 1906⁄07, April 1907, Winter 1908, Sommer und Winter 1909, Frühjahr und Winter 1910, April 1912 und 1913 sowie Sommer 1915). Die Aufzeichnun- gen – Siemers nennt sie „Gedankenarchiv“ – richten sich direkt an seine Frau Susanne Siemers, geb. Eck- meyer, und sind in erster Linie für sie bestimmt. Tagebuch Winter 1908, S. 15 (Archiv ESST). „Es mag sein, daß unsere Kinder dieselben einmal zu lesen bekommen, dann sollen sie nur dazu dienen, ihnen manches zu erklären (ich denke dabei an das Verhältnis zu Brüdern und Schwäger) oder ihnen zur Belehrung dienlich zu sein, soweit es möglich, auch ihnen ein Ansporn zu sein zum unermüdlichen guten Kampf.“ Ebd. 1906⁄07, S. 9. 49 Ebd. 1881⁄82, S. 7. 50 Vermutlich sind Edmund Siemers’ ältere Brüder Johann und Rudolph gemeint, dies deuten folgende Passagen im Tagebuch an: Ebd., S. 3–6. 51 Ebd., S. 6. 52 Ebd., S. 1.

| 40 | 53 Ebd., S. 2. 54 Ebd. 55 Reise-Tagebuch von Susanne Margaretha Siemers, geb. Eckmeyer. Reiseberichte von den Jahren 1865–1869 handschriftlich niedergeschrieben 1871. Textüberarbeitung 1995 sowie Bilder und Ausstattung Hans-Edmund Siemers, in: Edmund J. A. Siemers: Tagebücher und Lebenslauf, Privatdruck 1996, S. 1 (Archiv ESST). 56 Ebd., S. 10. 57 Vgl. die entsprechenden Einträge in den Hamburger Adressbüchern, online zugänglich unter: http://agora.sub. uni-hamburg.de/subhh-adress/digbib/start (2. April 2013). – Das Stadthaus An der Alster wurde in der Zwischenkriegszeit von den Erben verkauft. 58 Volckens, Landhäuser, S. 211. 59 Tagebuch (1906⁄07), S. 10 (Archiv ESST). 60 Hoffmann, Elbchaussee, S. 108. – Nach dem Tod von Susanne Siemers 1920 übernahm ihre Tochter Thekla den Landsitz. Sie verkaufte 1925 das Grundstück Flottbeker Chaussee Nr. 195 an den Architekten Emil Zodar und 1930 das Haus Övelgönne 106 an den Gartenarchitekten Rolf Schnackenburg. Unter Zodar wurde das Grundstück geteilt in Nr. 195 und Nr. 195a (dort befindet sich heute das Elbehaus der Alfred Toepfer Stiftung F.V.S.), ebd., S. 313. 61 Hans-Edmund Siemers: Anmerkung zu dem Buch „Eine Hamburgische Kulturgeschichte von 1890–1920“ von Gustav Schiefler, in: Edmund J. A. Siemers: Tagebücher und Lebenslauf, Privatdruck 1996 (Archiv ESST). 62 So Pastor Karl Redlich bei der Beerdigung von Susanne Siemers am 6. Dezember 1920: Archiv ESST, Ordner „Traueranzeigen für alle 3 Stämme“. 63 Zitiert nach: Schröder, Ohlendorff, S. 79. 64 Tagebuch (1906⁄07), S. 12 (Archiv ESST). 65 Ebd. 66 Tagebuch 1906–1912, S. 105: StA Hbg., 622-1⁄19 Familie Burchard, A2. 67 Schröder, Ohlendorff, S. 77. 68 Tagebuch (1906⁄07), S. 13 (Archiv ESST). 69 Ebd., S. 12, wo Siemers als weitere Teilnehmer (neben der Schiffsbesatzung) seinen Schwiegersohn Adolf und dessen Bruder Georg Schaer, den Maler Hugo Schnars-Alquist und den Rechtsanwalt Hermann Binder nennt. 70 Alfred Lichtwark, 14. August 1904: Lichtwark, Briefe, S. 169. Seine Gesamteindrücke der Reise hat Licht- wark in einem Buch veröffentlicht, welches er „Herrn und Frau Edmund J. A. Siemers“ widmete: ders., Sommerfahrt. 71 Tagebuch (1906⁄07), S. 4, 7, 13 (Archiv ESST). Allerdings befindet ist hier kein genauer Hinweis zu finden, in welchem Jahr die Reise stattfand. – Mansch, Verwaltungs-Archiv. 72 Susanne Siemers an Adolf Schaer, 17.⁄18. Februar 1888 (Privatbesitz Hans-Gerd Kausch). 73 Tagebuch (1881⁄82), S. 10 (Archiv ESST). 74 Tagebuch Ilona Siemers: Archiv ESST, Ordner „Unterlagen zum Buch Johann (Hans) Edmund Siemers“. 75 Archiv ESST, Ordner „Firma G. J. H. Siemers, alte Firmen-Verträge G. J. H. Siemers & Co.“ 76 Tagebuch (1906⁄07), S. 11 (Archiv ESST), ebd. 1908, S. 15. 77 Benannt nach „Szentgothárd“, dem 800-jährigen Besitz und Stammsitz der Grafen Wass in Siebenbürgen. 78 Tagebuch (1909⁄10), S. 19. 79 Hans-Edmund Siemers: Nachwort, in: 75 Jahre Geschichte 1870–1945: drei Generationen der Familie Siemers in drei Kriegen. Band 1: Hermann Adolph Eckmeyer – Französisch-Preußischer Krieg – Johann Edmund Siemers – Erster Weltkrieg, Privatdruck 1997 (Archiv ESST). 80 Edmund Siemers an Ilona Siemers, 4. November 1916: Archiv ESST, Ordner „Ilona Siemers“. 81 Mein Vater: Ebd., Ordner „Unterlagen zum Buch Johann (Hans) Edmund Siemers“. 82 Gerhardt, Begründer, S. 62. ··············································································································································

| 41 | [4]

Der Unternehmer

Ein junger Feuerkopf im mers auf den Plan trat. Er kann als Parade- Petroleumgeschäft beispiel eines Entrepreneurs gelten, wie ihn ··································································· der Nationalökonom Joseph Schumpeter in Die erste Petroleumlieferung aus den USA seinem Hauptwerk „Theorie der wirtschaft- kam 1860 nach Europa, nicht einmal ein lichen Entwicklung“ beschrieben hat. Der Jahr, nachdem die erste kommerzielle Boh- Schumpetersche Unternehmer setzt in ei- rung nach Erdöl in der Nähe von Titusville, nem Prozess der „schöpferischen Zerstö- einer kleinen pennsylvanischen Stadt, er- rung“ des Bestehenden „neue Kombinatio- folgreich verlaufen war. Für Einfuhrhäfen nen“ durch – so auch neue Dienstleistungen, wie Hamburg brachte der neue Importarti- Transportmethoden und Organisationsfor- kel vor allem zwei Herausforderungen mit men. Die Durchsetzung neuer Kombinatio- sich: Er war feuergefährlich, außerdem er- nen, so Schumpeter, sei „eine besondere forderte die ständig steigende Zahl der Funktion und Privileg von Leuten, die viel Transporte zusätzliche Hafenfläche. Dies weniger zahlreich sind als jene, die die äu- führte schon bald dazu, dass weitere separate ßere Möglichkeit dazu hätten“.85 Landungs- und Lagerplätze angelegt werden ··································································· mussten – auch in Hamburg, das von 1861 Was waren nun die neuen Kombinationen, bis 1866 im deutschen Petroleumhandel eine die Edmund Siemers durchsetzte? führende Rolle spielte. Bereits seit dem Mit- ··································································· telalter gab es in den Hansestädten einen Mit der industriellen Revolution und dem besonderen Ort für feuergefährliche Waren, rasanten Wachstum der Städte hatten sich den so genannten Teerhof.83 In Hamburg die Arbeits- und Lebensgewohnheiten un- befand sich dieser – abgesondert von ande- zähliger Menschen geändert, und der Bedarf ren Hafeneinrichtungen – auf der Elbinsel an Leuchtmitteln war gewachsen.86 Petro- Baakenwerder.84 Zuständig für seine Bewirt- leum, wesentlich preisgünstiger als Kerzen schaftung war zu dieser Zeit (noch) der oder Öl, übertraf diese Leuchtstoffe in hamburgische Staat in Form der Teerhofsde- puncto Helligkeit.87 Kurzum: Es hatte alle putation. Voraussetzungen dafür, zum „Licht des klei- ··································································· nen Mannes“ zu avancieren. Diesen poten- Dies waren die Rahmenbedingungen für tiellen Verbrauchern, deren Einzelbedarf re- Petroleumhändler im Hamburger Hafen, lativ gering war, standen Anfang der 1860er als 1861 der junge Kaufmann Edmund Sie- Jahre ungefähr 60 amerikanische Petro-

| 42 | leum-Produzenten gegenüber, zumeist klei- nere Raffinerien in unmittelbarer Nähe der Fördergebiete. Sie veredelten das Rohöl zu Petroleum und boten es zum Export an, waren jedoch nicht in der Lage, es im Deut- schen Reich direkt an den Verbraucher ab- zusetzen, da ihnen dort die Absatzverhält- nisse unbekannt waren und ihre Kapital- kraft zu gering war.88 Was also fehlte, waren Kaufleute in Bremen und Hamburg, die in der Lage waren, leistungsfähige Vertriebsor- ganisationen aufzubauen. Dazu gehörte al- lerdings eine besondere Beobachtungsgabe sowie Mut und Weitblick – Edmund Sie- mers hatte dies alles. ··································································· Seine Stunde schlug, als 1861 eine Ladung von 16 Fass Petroleum aus den USA in Hamburg ankam. Zunächst fand sich kein Abnehmer hierfür, da sich das Petroleum in den üblichen Öllampen nicht brennen ließ.89 Edmund Siemers erkannte jedoch als erster (nicht als einziger) in Hamburg die Möglichkeiten, die der neue Importartikel bot und handelte kurz entschlossen – und zwar nach dem Rockefeller-Prinzip: Der große amerikanische Unternehmer hatte wenige Jahre zuvor in den USA Petroleum- lampen verschenkt oder sehr günstig zum Kauf angeboten und seine exorbitanten Ge- winne über den Verkauf der Verbrauchsma- terialien erwirtschaftet.90 Rockefellers Prin- zip hat sich bis heute erhalten – man denke nur an das Verhältnis von Investitions- und Betriebskosten bei Computerdruckern. ·································································· Edmund Siemers ließ sich also eine grö- ßere Sendung Petroleumlampen aus den USA kommen und verteilte diese kostenlos an Hamburger Klempnereibetriebe unter der Bedingung, das amerikanische Muster Die 1862 von Edmund Siemers eingeführte zu kopieren. Ein cleverer Schachzug, schaff- Petroleumlampe

| 43 | te er auf diese Weise doch etwas, was neu- Firma gegründet.94 Sie trug den Namen Sie- deutsch als „Win-win-Situation“ bezeichnet mers & Hühne und hatte ihren Sitz im wird: Die Handwerker hatten eine zusätzli- Alten Wandrahm 37. Geschäftspartner war che Möglichkeit, gutes Geld zu verdienen Wilhelm Hühne, den Edmund Siemers und waren deshalb daran interessiert, mög- noch aus den gemeinsamen Tagen des Lese- lichst viele ihrer Petroleumlampen zu ver- zirkels kannte. Zunächst musste Siemers kaufen. Je häufiger dies wiederum geschah, allerdings das Bürgerrecht erwerben. Ande- umso mehr verdiente Siemers am Verkauf renfalls hätte er kein Bankkonto führen und des Leuchtmittels. Nachdem er dem neuen keine Zolldeklaration – die damals auf Bür- Artikel an der Börse Zugang verschafft hatte gereid lief – abgeben, mithin: keine Firma und immer mehr Gewinn damit machte, gründen können.95 Zu dieser Zeit war es nahm der hamburgische Petroleumhandel vollkommen unüblich, schon in so jungen von Jahr zu Jahr rasch zu. Hamburg wurde Jahren das Bürgerrecht zu erlangen. Siemers zu dem deutschen Petroleumumschlagplatz.91 war jedoch hartnäckig und bekam es dank ··································································· einer Ausnahmegenehmigung verliehen. Inzwischen, 1863, war Johannes Siemers Bereits diese Episode zeigt seinen Taten- aus der Firma G. J. H. Siemers & Co. aus- drang und sein Streben nach Selbstständig- geschieden, deren Führung nun allein in keit – Eigenschaften, die für ihn in jungen den Händen der dritten Generation lag, ver- Jahren charakteristisch waren, die er aber treten durch Edmunds ältere Brüder Ru- auch bis an sein Lebensende beibehalten dolph und Adolph Siemers. Ersterer war be- sollte. Noch bei der Beerdigung seiner Frau reits Anfang 1856 Teilhaber geworden – die Susanne am 7. Dezember 1920 – Edmund Firma trug dem Rechnung, indem sie nach Siemers war bereits über zwei Jahre tot – fast 50-jährigem Bestehen ihrem Namen die führte Pastor Karl Redlich über ihn aus: Bezeichnung „& Co.“ hinzu fügte.92 Adolph Edmund Siemers war „mehr ein Kind der Siemers trat zu Beginn des Jahres 1863 die rauschenden Elbe als der lieblichen Alster, Nachfolge seines Vaters an. Wenig später so sehr er sie liebte. Es ging ein grosser wurde der Firmensitz vom Theerhof Nr. 1 in weiter Zug und Wurf durch Leben und die nahe gelegene Alte Gröninger Straße Nr. Geist dieses Feuerkopfes, dieser Weltmeer- 26 verlegt. Am 1. Juli 1864 wurde schließlich natur.“96 auch Edmund Siemers Teilhaber, und zwar ··································································· auf ausdrücklichen Wunsch seines Vaters. Die Geschäfte der Firma G. J. H. Siemers War die Geschäftsübergabe an die nächste & Co. liefen Anfang der 1860er Jahre befrie- Generation bislang unproblematisch verlau- digend, mehr aber auch nicht. Sie war im fen, so kam es nunmehr zu Konflikten.93 Wesentlichen ein Kommissionshandel und Schließlich kam der Einstieg von Edmund eine Versicherungsagentur. Als 1861 das erste Siemers, der schon einige Zeit sehr erfolg- Petroleum in Hamburg gelöscht wurde, er- reich im Petroleumhandel tätig war, einer ließ sie gemeinsam mit anderen „Assecu- Eroberung der altehrwürdigen Firma gleich. ranz-Compagnien“ in verschiedenen Ham- ··································································· burger Tageszeitungen eine eindringliche Bereits 1862 hatte er als 21-jähriger – da- Warnung über die Feuergefährlichkeit des mals gegen den väterlichen Rat – eine eigene Leuchtmittels.97 Kaum erwähnenswert, dass

| 44 | rade einmal 29 Jahren wieder aus, Rudolph folgte Ende 1875.98 Es liegt daher nahe zu vermuten, dass es zwischen Edmund und seinen Brüdern zu Auseinandersetzungen darüber kam, in welchen Bahnen die künf- tige geschäftliche Tätigkeit verlaufen solle. Auch mit seinem ältesten Sohn Hans hatte der wenig altersmilde Edmund Siemers viele Jahre später ernsthafte Auseinandersetzun- gen, als jener 1901 Mitinhaber der Firma G. J. H. Siemers & Co. wurde – deshalb ist die Frage berechtigt, warum es 1864 in einer ähnlichen Situation beim jungen Edmund Siemers und seinen Brüdern hätte anders gewesen sein sollen. ··································································· Edmund Siemers’ Vorstellungen über die Ausrichtung des Hauses G. J. H. Siemers & Co. waren von Beginn an klar umrissen. Er veranlasste, dass der Geschäftszweig Bank- und Kommissionsgeschäfte ganz aufge- geben wurde, und legte stattdessen den Schwerpunkt auf die Einfuhr von Petro- leum99 – eine korrekte Markteinschätzung: Ein junger Feuerkopf im Petroleumgeschäft Die Wirtschaftskrise von 1857, die erst we- nige Jahre zurücklag, hatte deutlich werden sie im Petroleumhandel nicht aktiv war – lassen, dass die Organisation des Hambur- schon allein deshalb, weil es galt, Interessen- ger Kredit- und Bankenwesens nicht mehr konflikte zu vermeiden. Drei Jahre später zeitgemäß war.100 Große Aktienbanken wie hatte sich jedoch die Situation grundlegend die 1856 neu gegründete Norddeutsche Bank geändert. Es hatte sich inzwischen gezeigt, mit ihrer Kapitalmacht verdrängten zuneh- dass Petroleum nicht so feuergefährlich war, mend die relativ kleinen Privatbanken.101 wie man anfangs glaubte, mit anderen Wor- Siemers erkannte frühzeitig, dass sich seine ten: Petroleumhandel und (Feuer-)Versiche- finanzkräftige Kundschaft früher oder spä- rungsgeschäft ließen sich doch miteinander ter diesen Großbanken zuwenden würde, vereinbaren. sodass für ihn nur die weniger soliden Fir- ··································································· men und Privatkunden übrig bleiben wür- Dennoch verlief der Einstieg von Ed- den.102 1876 zog sich die Firma G. J. H. Sie- mund Siemers in die Firma G. J. H. Siemers mers & Co. dann auch aus dem Versiche- & Co. 1864 wenig harmonisch – verschie- rungsgeschäft zurück. Der Auslöser hierfür dene Indizien deuten darauf hin: Sein Bru- waren allerdings andere Gründe, auf die im der Adolph trat bereits 1866 im Alter von ge- nächsten Abschnitt eingegangen werden soll.

| 45 | ··································································· Händler im Landesinneren. Dorthin ge- Festzuhalten bleibt: Mit dem Einstieg langte es mit der Eisenbahn oder auf dem von Edmund Siemers begann die wichtigste Lastkahn. Wurden die Importeure hingegen und mit Abstand erfolgreichste Epoche des ihre Ware nicht los oder spekulierten auf Hauses G. J. H. Siemers & Co., das unter eine Hausse, dann ließen sie das Petroleum seiner Leitung zu einer „Weltfirma ersten durch Spediteure einlagern.107 Solange die Ranges“ wurde.103 Händler keine eigene Flotte hatten, arbeite- ··································································· ten sie mit Schiffsmaklern zusammen. Bis Die Firma G. J. H. Siemers & Co. Mitte der 1880er Jahre brachte z. B. der Ree- unter der Ägide von Edmund der und Schiffsmakler Robert Miles Sloman Siemers (der Jüngere) auf Rechnung der Firma Sie- ··································································· mers & Hühne, später G. J. H. Siemers & Von einem regelmäßigen Petroleumimport Co., das Petroleum nach Hamburg.108 aus den USA kann ab 1866 gesprochen wer- ··································································· den.104 Seitdem änderten sich die Rahmen- Eine überlieferte Liste der Teerhofsdeputa- bedingungen für den Petroleumhandel in tion gibt einen Einblick in die Struktur des rasendem Tempo. Auslöser für diesen Wan- hamburgischen Petroleumhandels Anfang del war die erste Kabelverbindung zwischen der 1870er Jahre. Aus dieser Aufstellung geht Europa und den Vereinigten Staaten, die hervor, dass auf dem Teerhof in der ersten 1866 zustande kam. Da das Kabel binnen Hälfte des Januars 1871 insgesamt 2.504 Fäs- weniger Stunden dem Importeur anzeigte, ser und 274 Kisten Petroleum für insgesamt wann die für ihn bestimmte Ladung den 32 Firmen lagerten. Als Petroleumhändler amerikanischen Verschiffungshafen verlassen sind die Firmen August Sanders & Co. (283 hatte, konnte er sich ausrechnen, wann diese Fässer) G. J. H. Siemers & Co. (117 Fässer) in etwa auf der Elbe oder der Weser eintref- und C. Warnecke (58 Fässer) nachweisbar.109 fen würde.105 Das ermöglichte Terminge- In den folgenden Jahren nahm das Handels- schäfte und reizte zu Spekulationen.106 volumen deutlich zu, sodass Ende Dezem- ··································································· ber 1879 auf dem Baakenwerder für 53 ham- Ungeachtet dieser Veränderungen hat- burgische Firmen insgesamt 23.921 Fass und ten sich bereits vor 1866 feste Geschäftsab- 2.229 Kisten Petroleum deponiert waren, läufe herausgebildet, die folgendermaßen davon allein 3.554 Fass für den größten Nie- aussahen: Die (deutschen) Importeure kauf- derleger G. J. H. Siemers & Co.110 ten an der Ostküste der USA das Petroleum ··································································· ein, welches meistens in „Barrels“, also Zu diesem Zeitpunkt stand die Firma an Holzfässern, abgefüllt war. Als das Handels- erster Stelle im deutschen Petroleumhan- volumen größer wurde, gingen die Händler del.111 In der Hamburger Kaufmannschaft dazu über, ganze Schiffsladungen an ihr war sie hochangesehen. Denn Edmund Sie- Haus adressieren zu lassen. Von hier aus war mers hatte am 20. Juli 1870 – einen Tag nach es für sie nur noch ein kleiner Sprung zur ei- der Kriegserklärung Frankreichs gegen Preu- genen Flotte. Kamen die Schiffe am Bestim- ßen – an der heimischen Börse verkündet, mungsort an, so verkauften die Importeure dass die Firma G. J. H. Siemers & Co. ihre ihr Petroleum meist in größeren Mengen an Wechsel ohne Rücksicht auf den Verfalltag

| 46 | einlösen würde. Sein Vater hatte in der Wirtschaftskrise 1857 übrigens das Gleiche getan.112 ··································································· War es um die öffentliche Reputation des Hauses Siemers Anfang der 1870er Jahre gut bestellt, so geriet diese im „anno horribili“ 1876 ernsthaft in Gefahr, und zwar just als Edmund Siemers Alleininhaber der Firma wurde. Er selbst hat dieses Jahr als eines der schwersten in seinem Leben bezeichnet.113 ··································································· Kamen bereits im letzten Abschnitt die Spannungen zwischen Edmund und seinen Brüdern wegen der geschäftlichen Ausrich- tung von G. J. H. Siemers & Co. zur Spra- che, so war sein Verhältnis zu Rudolph end- gültig zerrüttet, als dieser im Winter 1875/76 zu einer Gefängnisstrafe wegen Diebstahls verurteilt wurde. Welches Delikt er damals beging, lässt sich nicht mehr ermitteln.114 Si- Am Vorabend der erfolgreichsten Epoche der cher ist jedoch, dass er – vor allem aufgrund Firmengeschichte: Edmund Siemers (um 1875) des persönlichen Einsatzes seines jüngsten Bruders – bald nach dem Richterspruch Tagebuch zeigen allerdings eindeutig, welch vom Senat begnadigt wurde.115 Trotzdem große Bedeutung Edmund Siemers der Re- war Rudolph Siemers danach gesellschaft- putation seiner eigenen Person, seiner Fami- lich erledigt und verlor alle seine Ämter, z. B. lie und seiner Firma beimaß.118 Dies galt das des Kirchenvorstehers in St. Jacobi. auch für die Eltern: Amalie Siemers, „tief er- ··································································· regt durch alles die Familie Betreffende, tat In seinem Tagebuch beklagte sich Edmund bald darauf unzweifelhaft infolge durch Er- Siemers rückblickend darüber, dass ge- schütterungen der Nerven hervorgerufenen schäftliche Konkurrenten das Fehlverhalten momentanen schlagartigen Besinnungslo- seines Bruders über die Gebühr zu ihren sigkeit (sic), einen schweren Fall und erholte Gunsten ausgeschlachtet hätten. Vor allem sich nicht ganz wieder davon, sie siechte richtete sich jedoch sein Unmut gegen Ru- dahin und starb im Sommer darauf“,119 ge- dolf selbst, der – entgegen anderslautender nauer gesagt: am 13. Mai 1876. Und nur Versprechungen – auch nach der Begnadi- sechs Wochen später verschied Johannes gung weiterhin in Hamburg gelebt und es Siemers. ihm dadurch erschwert habe, den Familien- ··································································· namen zu rehabilitieren.116 Ob der Verlust Die Ereignisse der „schweren 1876er Ta- an Renommee wirklich so hoch war, lässt ge“120 warfen noch lange Zeit einen Schat- sich schwer beurteilen.117 Die Passagen im ten: „schwer hat seitdem das Ganze auf

| 47 | Der neue Hamburger Petroleumhafen: Westseite (1887) unserer Familie dennoch gelastet, bei unse- sagte auch eine Art Selbsthilfe resp. Selbst- rem zarten Gefühl bringen wir jede auch bezwingung, hierin den richtigen Takt wal- ganz unabsichtliche Nichtachtung (…), ja ten zu lassen. Diese Selbstüberwindung ist sogar jeden nicht ganz freundlichen Gruß das allein Richtige.“121 mit jener Katastrophe in Verbindung und ··································································· fühlen uns stets auf ’s Neue schmerzlich be- Erst in den 1890er Jahren sollte Edmund rührt. (…) Und was seitdem fortwährend Siemers damit beginnen, einen größeren auf mir lastet, ist, daß ich nicht mag, irgend öffentlichen Wirkungskreis für sein gesell- einem öffentlichen größeren Wirkungs- schaftliches Engagement zu suchen. kreis, zu dem ich Lust und Kraft in mir ver- ··································································· spüre, zu übernehmen, aus Furcht, daß Die Transportrevolution Mißliebige, von der Konkurrenz fallende und der Einstieg ins zweideutige Bemerkungen über den Namen Reedereigeschäft Siemers fallen könnten, die ich nicht zu er- ··································································· tragen vermöchte. Es gilt eben für mich, da- Seit 1866 war Bremen als führender deut- rin meinen Ehrgeiz und Eifer zu zügeln und scher Einfuhrplatz für amerikanisches Pe- dafür in kleinerem Kreise Gutes zu schaffen troleum an Hamburgs Stelle getreten.122 und redlich zu wirken. Es ist das soeben Ge- Ende der 1870er Jahre begann sich allerdings

| 48 | Der neue Hamburger Petroleumhafen: Ostseite (1887) das Blatt zu wenden: Waren in Hamburg schließlich die Verpachtung des gerade ge- bislang nur am rechten Ufer der Norderelbe bauten Petroleumhafens ausgeschrieben, Häfen angelegt, so fand jetzt – ausgelöst womit die Tage der Teerhofsdeputation end- durch den Petroleumhandel – eine Expan- gültig gezählt waren. Nur zwei Bewerbun- sion auf die südlich des Stroms gelegenen gen gingen ein. Den Zuschlag erhielt der Flächen des Kleinen Grasbrooks statt. In Kaufmann Wilhelm Riedemann aus Bre- den Jahren 1877 bis 1879 entstand dort nach merhaven.125 den Plänen des Wasserbau-Kondukteurs – ··································································· und späteren Wasserbaudirektors – Max Wie Siemers kann auch Riedemann als En- Jürgen Buchheister ein Petroleumhafen, der trepreneur im Schumpeterschen Sinne gel- den Teerhof als Lagerplatz ablöste.123 Dem ten – vor allem deshalb, weil er neue Trans- gingen zwei wichtige Entscheidungen vo- portmethoden durchsetzte. Beförderten die raus: Zum einen verzichtete die Stadt Ham- Segler zunächst das Petroleum in Holz- burg 1871 darauf, Hafeneinrichtungen aller fässern, so wurden sie später mit Tanks aus- Art selbst zu bewirtschaften, zum anderen gestattet, bis schließlich Tankdampfer an hoben Senat und Bürgerschaft 1872 das Ver- ihre Stelle traten. Es war Riedemann, der bot auf, Petroleum anderswo als auf dem diese Entwicklung – der Wirtschaftshistori- Teerhof zu lagern.124 Im August 1879 wurde ker Rainer Karlsch spricht in diesem Zu-

| 49 | „Hans und Kurt“ – der erste Petroleumtanker überhaupt in Hamburg sammenhang von einer „Transportrevolu- nach seinen beiden Söhnen benannten Tank- tion“126 – entscheidend voranbrachte: 1885 dampfer „Hans und Kurt“ (2.153 BRT). gelang ihm der Durchbruch, als er in sein Dieser lief aus New York kommend am 11. größtes Segelschiff „Andromeda“ eiserne Oktober 1887 zum ersten Mal im Hambur- Tanks und Rohrleitungen einbauen ließ. ger Hafen ein. Im folgenden Jahr wurde die Erstere erhöhten die Ladekapazität, letztere „Oevelgönne“ (2.701 BRT) in Dienst ge- brachten eine enorme Zeitersparnis beim stellt. Und am 17. September 1889 überga- Löschen und Verladen der Ware. Dadurch ben Armstrong, Mitchell & Co. schließlich wurde es möglich, das Petroleum kosten- die „Bürgermeister Petersen“ (2.941 BRT).128 günstiger als bislang anzubieten.127 Bereits Siemers finanzierte alle drei Tankdampfer 1886 beauftragte Riedemann die englische vollständig mit eigenen Mitteln. Das zeigt, Werft Armstrong, Mitchell & Co. mit dem über welch enorme Kapitalkraft er verfüg- Bau des weltweit ersten Tankdampfers über- te.129 Mit diesen drei Schiffen besaß er nach haupt, der „Glückauf “, die am 13. Juli des Wilhelm Riedemann die zweitgrößte Tan- Jahres in Dienst gestellt wurde. kerflotte im Deutschen Reich. Den deut- ··································································· schen Petroleumhandel beherrschten zu die- Es lag nun an Edmund Siemers nachzuzie- ser Zeit Albert Nicolaus Schütte & Söhne – hen: Er kaufte am 13. Oktober 1887 – eben- Riedemann war im April 1887 als Teilhaber falls von Armstrong, Mitchell & Co – den in die Bremer Firma der Brüder Franz Ernst

| 50 | und Carl Schütte eingetreten – sowie die Siemers beteiligt war – es ging im Kern um beiden hamburgischen Häuser G. J. H. Sie- die seit 1879 bestehende Auflage, dass Rie- mers & Co. und August Sanders & Co.130 demann als alleiniger Pächter des Petro- ··································································· leumhafens dort keine eigenen Geschäfte Das Aufkommen der Öltanker erforderte tätigen durfte –, war der Weg für den Bau es, in den Häfen Rundtanks zur Lagerung frei.134 Schon bald reichte jedoch das Fas- des Petroleums zu installieren. Die Ersten in sungsvermögen der neuen Rundtanks nicht ganz Europa wurden an der Elbe und der mehr aus, und so beantragte Riedemann am Weser errichtet131 – mit positiven Effekten: 17. Dezember 1887, für die Firma G. J. H. Denn Tanks erhöhten nicht nur die Ladeka- Siemers & Co. zwei weitere aufstellen zu pazität der Schiffe, sondern nahmen bei dürfen. Die Behörden stimmten zu. Am gleichem Fassungsvermögen auch weniger 25. Februar 1888 kam ein Vertrag zwischen Fläche als die bislang üblichen Schuppen für Riedemann und der Finanzdeputation zu- Petroleumfässer ein.132 Anfang März 1887 stande135 – die vorerst letzte Einigung, denn ersuchte Wilhelm Riedemann den Ham- schon bald sollte es zu schweren Ausein- burger Senat, ihm die Errichtung von drei andersetzungen zwischen Riedemann und Rundtanks für die Firma G. J. H. Siemers dem Hamburger Senat kommen. & Co. zu gestatten.133 Nach dreimonatigen ··································································· Verhandlungen, an denen auch Edmund Die Transportrevolution auf See brachte

Kesselwagen der Firma G. J. H. Siemers & Co. – Ausdruck der Transportrevolution im Petroleumhandel

| 51 | auch für den Petroleumvertrieb ins Binnen- ··································································· land grundlegende Veränderungen: Die Die zweite Phase ist durch Monopolisie- Rundtanks erforderten Abfüllstationen, rungsbestrebungen der Standard Oil Com- Lastkähne mussten mit Tanks, Eisenbahn- pany gekennzeichnet.138 Diese hatte sich bis waggons mit Kesseln ausgestattet und an 1882 zu einem Geflecht von rund 40 Unter- den Bahnstationen unterirdische Behälter nehmen entwickelt und durch geniale Ideen angelegt werden.136 Hier war es wiederum und skrupellose Geschäftsmethoden in kur- Edmund Siemers, der die Initiative ergriff: zer Zeit die Herrschaft über den größten Teil Am 17. März 1888 beantragte er bei der Fi- des Ölgeschäfts in den USA erlangt.139 Die nanzdeputation, der Firma G. J. H. Siemers Standard Oil Companies, 1882 im Standard & Co. zu gestatten, falls die von ihr „erbaut Oil Trust vereinigt, waren nach dem Prinzip werdenden Bassinwagen“ kürzere Zeit nicht der Arbeitsteilung organisiert und pflegten in Betrieb seien, diese Wagen auf ein vorerst ganz bestimmte, scharf getrennte Zweige nicht benutztes staatliches Gleis in der Nähe des Geschäfts. So befassten sich einige nur des Petroleumhafens abzustellen. „Um dem mit dem Transportgeschäft, andere nur mit Petroleumgeschäft“, so Siemers weiter, „die- der Raffination, wieder andere mit dem Ver- jenige Ausdehnung zu geben, welche unser trieb.140 Sie alle waren finanziell und ge- Platz einzunehmen berechtigt,“ sei es „not- schäftspolitisch auf einen Schwerpunkt aus- wendig, den Import in Bassinschiffen auf- gerichtet: den legendären Standard Oil- zunehmen und von denselben aus in große Gründungsaktionär John Rockefeller, der Bassins die Ware zu pumpen“. Geschehe dies, als einer der reichsten Menschen der Ge- erscheine „es für Ausbauung des Plans not- schichte gilt. wendig, auch den Weiterversand in Eisen- ··································································· bahnwaggons vorzunehmen“. Er sei „darauf Mitte der 1880er Jahre bezog Deutschland aus, die Vorkehrungen hierüber zu treffen“. sein Petroleum zu rund 95% aus den USA. Auf Fürsprache des Wasserbauinspektors Die Firma Albert Nicolaus Schütte & Söhne Max Jürgen Buchheister hin, der die Pläne war der größte Einzelabnehmer von Stan- „im Interesse der Hebung des Petroleum- dard Oil in Europa, aber auch Hamburger geschäfts“ begrüßte, genehmigte die Finanz- Importeure wie Siemers kauften ausschließ- deputation am 17. April 1888 den Antrag.137 lich in den USA ihr Petroleum.141 Zur Jah- ··································································· reswende 1887/1888 begannen sich jedoch Der Ausstieg aus dem Petroleum- grundlegende Änderungen abzuzeichnen. geschäft à contrecœur Auslöser hierfür war das stetige Vordringen ··································································· des russischem Petroleums in Mittel- und Die eben beschriebene Transportrevolution Westeuropa, was wiederum Standard Oil geht zeitlich einher mit dem Ende der ers- veranlasste, die Verkaufsorganisation in ten Entwicklungsphase des deutschen Pe- Übersee zu straffen.142 Die Amerikaner ver- troleumhandels, in der selbstständige Im- folgten dabei das Ziel, nicht mehr nur als portfirmen wie G. J. H. Siemers & Co. Lieferant aufzutreten, sondern künftig auch grundlegende Handelsfunktionen – wie am Petroleumhandel mitzuverdienen und räumliche und zeitliche Überbrückung, Ak- Europa mit einem Netz selbstständiger quisition und Ausgleich – ausübten. Standard Oil-Tochtergesellschaften zu über-

| 52 | ziehen. Sie fingen deshalb an, im Deutschen Partner die Hälfte des Grundkapitals der Reich nach einem Partner für die Gründung DAPG besessen haben – letztlich übte Stan- einer solchen Gesellschaft zu suchen, und dard Oil über die Befugnisse des Aufsichts- fanden ihn in der Firma Albert Nicolaus rats, dem nur Amerikaner angehörten, den Schütte & Söhne. entscheidenden Einfluss aus.146 ··································································· ··································································· Am 25. Februar 1890 wurde die Deutsch- Während der Verhandlungen hatte Stan- Amerikanische Petroleum-Gesellschaft dard Oil als Voraussetzung für die Grün- (DAPG) mit Sitz in Bremen gegründet. dung der DAPG die Bedingung gestellt, Entsprechend den damaligen deutschen dass die neue Gesellschaft über einen eige- Gesetzesvorschriften, die mindestens fünf nen Lagerplatz an der Elbe verfügen müs- Gründer für die Errichtung einer Aktienge- se.147 Dies führte zum Ausbruch eines Kon- sellschaft vorschrieben, hatten William Her- flikts, der bereits über mehrere Jahre ge- bert Libby – seit 1887 als Bevollmächtigter schwelt hatte. Denn der Hamburger Senat für den Standard Oil-Konzern tätig –, Wil- hatte sich geweigert, Riedemann als allei- helm Riedemann, Franz Ernst und Carl nigen Pächter des Hamburger Petroleum- Schütte sowie Heinrich Wiegand – der zwei hafens dort Eigengeschäfte zu gestatten. Der Jahre später an die Spitze des Norddeut- Sinn dieser Vorschrift war klar – Riedemann schen Lloyds trat – alle Urkunden unter- sollte nur als Lagerhalter für die hamburgi- zeichnet. Vorausgegangen waren über zwei- schen Petroleumhändler fungieren, nicht jährige Verhandlungen, bei denen Libby, jedoch mit ihnen in Wettbewerb treten.148 „Standard Oil’s cutting edge for overseas Aufschlussreich in diesem Zusammenhang expansion“ (so der Historiker Walter LaFe- ist ein Schreiben von Edmund Siemers an ber),143 nicht gerade zimperlich vorging. Die Senator Johann Friedrich Thomas Stahmer, These, Riedemann und die Schütte-Brüder Präses der Sektion für Strom- und Hafen- hätten nicht freiwillig ihre Petroleumge- bau, vom 16. Dezember 1887, wo es heißt: schäfte in die DAPG eingebracht,144 ist Erteile man Riedemann die Erlaubnis, Ge- nicht von der Hand zu weisen. Libby plante schäfte für eigene Rechnung zu tätigen, so wahrscheinlich von Anfang an, mit den wäre das „nahezu gleichbedeutend mit dem Bremern zusammenzugehen, wenngleich er Ruin des von allen anderen Importeuren zwischenzeitlich auch mit Edmund Siemers mühsam aufgebauten Geschäfts“. Denn die und Ludwig Sanders verhandelte.145 Platzmiete habe Riedemann sowieso zu zah- ··································································· len, ein für eigene Rechnung geführter Da Standard Oil ein Interesse daran hatte, Mehrbetrieb koste ihn also nichts, während die DAPG nach außen hin als deutsches die Importeure an Riedemann für die Be- Unternehmen erscheinen zu lassen, wurde nutzung der Anlagen „eine sehr hohe Sum- der Vorstand ausschließlich mit Deutschen me“ entrichten müssten. Siemers schloss sei- besetzt, und zwar mit Franz Ernst und Carl nen Brief wie folgt: „Hiernach hoffe ich, Schütte sowie mit Wilhelm Riedemann. hochgeehrter Herr Senator, meinen Kolle- Mag letzterer auch über viele Jahre die Ge- gen im Geschäft sowie mich vergewissert schäftspolitik des neu gegründeten Unter- halten zu dürfen, daß während der Dauer nehmens geprägt und mögen die deutschen seines Kontraktes es weder Herrn Riede-

| 53 | mann noch einer Firma, in welcher er ein leumgeschäfts der Firma G. J. H. Siemers Interesse hat, gestattet sein werde, für eigene & Co. würde sich also für die DAPG die Rechnung in oder ab Hamburg Petroleum- Möglichkeit eröffnen, auch den Hamburger Geschäfte zu betreiben.“149 Petroleumhafen in Anspruch zu nehmen. ··································································· ··································································· Riedemann stieß also bei seinem Vorha- Ungemach drohte Siemers auch von an- ben, in Hamburg einen eigenen Lagerplatz derer Seite. Die kleineren Petroleumhändler einzurichten, auf den Widerstand der ham- äußerten zunehmend Kritik an seinem Ge- burgischen Petroleumhändler – darunter schäftsgebaren. So klagte Hermann August auch Edmund Siemers –, die ihm außerdem Krogmann – Inhaber der heute noch beste- vorwarfen, zu hohe Gebühren für seinen henden Firma Wachsmuth & Krogmann – Speditionsbetrieb zu fordern. Ihnen schloss am 6. Februar 1890, „die Firma G. J. H. Sie- sich die Deputation für Handel und Schiff- mers (sei) inzwischen übermächtig gewor- fahrt an, die Riedemanns Plänen ihre Zu- den, so daß die Preisbestimmung völlig in stimmung versagte.150 Angesichts dieser Wi- ihrer Hand liege“. Und der Kaufmann derstände entschloss sich Riedemann – ein Cordts sprach sich dafür aus, dass in Ham- Schachzug, mit dem offenbar niemand in burg „eine Konkurrenz gegenüber der Firma Hamburg ernsthaft gerechnet hatte – ins G. J. H. Siemers & Co. zugelassen und er- benachbarte preußische Harburg auszuwei- möglicht werde“.152 chen, wo er im Januar 1889 sein eigenes ··································································· Tanklager eröffnete. Vor allem dürfte Siemers jedoch gestört ha- ··································································· ben, dass die DAPG sogleich begann, gegen Mit der Gründung der DAPG hatten die ihre Konkurrenten mit Dumping-Preisen Bestrebungen von Standard Oil, den deut- vorzugehen. Zwischen 1890 und 1894 sank schen Petroleumhandel so weit wie möglich der jährliche Durchschnittspreis für einen zu monopolisieren, noch nicht ihr Ende ge- Doppelzentner amerikanischen Petroleums funden. Riedemann ließ am 15. März 1890 im Deutschen Reich um fast 25 Prozent. Die Senator Stahmer wissen: „Mr. Libby sagt of- Konsequenz war, dass die Gewinnerwartun- fen heraus, das Import-Geschäft des Konti- gen des Zwischenhandels enorm zurückgin- nents in amerikanischem Öl will die Stan- gen.153 Diesen Bestrebungen konnten sich dard Oil rein und total in ihre Hände haben, selbst große Petroleumhändler wie die Fir- und sie wird es haben, mit mathematischer men G. J. H. Siemers & Co. oder August Gewissheit.“151 Sanders & Co. nicht lange widersetzen, ··································································· schließlich hatten sie viel Geld in die Trans- Als nächstes rückte nun Edmund Siemers port- und Lagereinrichtungen investiert. in den Fokus. Seine Firma war insofern von Wenn Standard Oil ihnen kein Petroleum besonderem Interesse, als sie als einzige das mehr geliefert hätte, wären ihre Tankschiffe Privileg besaß, mit eigenen Schiffen den und -lager mit einem Schlag völlig entwer- Hamburger Petroleumhafen anlaufen zu tet worden.154 Mit anderen Worten: Die können – schließlich hatte Riedemann Amerikaner hatten alle Karten in der Hand, sämtliche Tanks im Petroleumhafen für sie um sie zu erpressen. aufgestellt. Mit der Übernahme des Petro- ···································································

| 54 | Bereits im Sommer 1890 führte Riede- sche Gesellschaft aufzukommen.“159 Sie- mann mit Siemers Verhandlungen, und am mers und Sanders handelten also nach dem 9. Oktober des Jahres suchte letzterer Se- Motto: „If you can’t beat them, join them.“ natssekretär Anton Hagedorn auf, um die- Anders als Riedemann lehnten sie jedoch sem mitzuteilen, dass die von der Deutsch- beide das Angebot ab, in den Vorstand der Amerikanischen Petroleum-Gesellschaft DAPG einzutreten. John Rockefeller soll eingeleiteten Besprechungen mit ihm und sich sogar persönlich darum bemüht haben, Ludwig Sanders kurz vor dem Abschluss Edmund Siemers von diesem Schritt zu ständen. Aus weiteren Andeutungen schloss überzeugen.160 Dieser zog es allerdings vor, Hagedorn – so eine über dieses Gespräch selbstständig zu bleiben, um seine Firma angefertigte Aktennotiz –, „daß die Firmen fortführen zu können. Siemers und Sanders in die genannte Gesell- ··································································· schaft aufgehen, daß sie mit ihrem gesam- Als Großaktionär war Siemers mit der vol- ten Besitz an Tanks und Schiffen in die Ge- len Quote seines bisherigen Imports am Ge- sellschaft eintreten, wenigstens so weit, daß schäft der DAPG beteiligt.161 Insofern war ein gemeinsames Interesse aller beteiligten seine Behauptung, er stehe nach dem Ver- Firmen hergestellt wird und ein Sonderin- kauf des Ölgeschäfts schlechter als zuvor da, teresse derselben aufhört“.155 Damit lag er wohl eher der speziellen Situation Anfang richtig: Am 1. Januar 1891 übernahm die 1891 geschuldet als dass sie der Realität ent- DAPG das Petroleumgeschäft der Firma G. sprach: Siemers verfolgte jetzt mit Riedemann J. H. Siemers & Co., vier Monate später gemeinsame Interessen und sah sich, noch dann die drei Siemersschen Öltanker.156 Im stärker als zuvor, der Kritik der kleineren Gegenzug erhielt Siemers Genussscheine hamburgischen Petroleumhändler ausgesetzt, dieser AG, und zwar in Höhe von 2,5 Mil- da sich die DAPG nunmehr daran machte, lionen Mark (2.500 zu je 1.000 Mark). Die auch diese endgültig auszuschalten.162 hierauf zu zahlenden Zinsen entsprachen ··································································· der Dividende, die die DAPG auf ihr Ak- Fakt ist, dass die DAPG in der nun folgen- tienkapital ausschüttete, es handelte sich den Periode des „big business“ bis 1903 also, wie man heute sagen würde, um unübertroffen hohe Gewinne erzielte. Zwi- stimmrechtlose Vorzugsaktien.157 schen 1891 und 1902 betrug ihre Durch- ··································································· schnittsdividende 29 % pro Jahr. Damit Wie schon Riedemann ein Jahr zuvor, dürf- stand sie eindeutig an der Spitze aller deut- ten auch Siemers und Sanders mehr oder schen Aktiengesellschaften dieser Zeit. Die weniger unfreiwillig ihre Ölgeschäfte an die hohen Dividenden ermöglichten es Siemers DAPG verkauft haben.158 Beide führten An- in den Jahren 1893 und 1896, als bei der fang 1891 vor einem Sonderausschuss der DAPG Kapitalaufstockungen in Form von Hamburgischen Bürgerschaft aus: „Sie seien Ausgabe neuer Genussscheine anstanden, ziemlich contre cœur auf den Verkauf ihrer genügend Mittel für deren Erwerb aufzu- Geschäfte eingegangen, sie ständen sich jetzt bringen.163 Bis 1903 verdiente er insgesamt schlechter, als sie sich gestanden hätten, 12,865 Millionen Mark an Dividenden.164 trotzdem hätten sie es getan, weil sie keine Mit diesem Geldregen hatte es erst ein Möglichkeiten sahen, gegen die amerikani- Ende, als Standard Oil 1904 das gesamte Ak-

| 55 | tienkapital und fast alle Genussscheine der Bedingungen wurde das „weiße Gold“ ge- DAPG – auch die von Edmund Siemers – wonnen? übernahm.165 ··································································· ··································································· Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts stieg Salpeter, das „weiße Gold“ – die Salpeternachfrage sprunghaft an – eine der Einstieg in eine boomende Folge von Justus von Liebigs Entdeckung, Branche der herausgefunden hatte, dass anorgani- ··································································· sche Salze den Pflanzenwuchs verbessern Die beginnenden 1890er Jahre brachten für und damit zu einer Steigerung der landwirt- die Firma G. J. H. Siemers & Co. gleich in schaftlichen Produktion führen. Die einzige mehrfacher Hinsicht einen Wandel: Sie gab Salpeterfundstätte größeren Ausmaßes, um nicht nur ihr bisheriges Hauptgeschäft, die 1830 entdeckt, lag in einem rund 700 Kilo- Einfuhr von Petroleum aus den USA, auf; meter langen Streifen in der Atacama- auch der Handel mit anderen nordamerika- Wüste zwischen Zapiga und Taltal an der nischen Waren wie Schmalz und Speck Westküste Südamerikas.170 Es sei betont, wurde nicht weitergeführt, vor allem des- dass es sich bei den dortigen Vorräten um halb, weil sich die Zollgesetzgebung än- Natriumnitrat handelte, das zum allergröß- derte, sodass sich der Import dieser Artikel ten Teil, etwa 75 bis 80%, als Düngemittel nicht mehr lohnte.166 Verwendung fand, nicht jedoch um Ka- ··································································· liumnitrat, im allgemeinen Sprachgebrauch Edmund Siemers’ Hauptinteresse richtete besser bekannt als Salpeter, welches u. a. zur sich jetzt auf den Süden des amerikanischen Herstellung von Schießpulver benutzt wur- Kontinents. Fortan widmete er sich dem de, in Chile jedoch weitaus weniger häufig Salpeterimport, insbesondere aus Chile, vorkam.171 und dessen Vertrieb. Auf diese Weise gelang ··································································· es ihm – anders als etwa Ludwig Sanders –, Seit 1883/84, dem Ende des so genannten seiner Firma, die einen wesentlichen Teil ih- Salpeterkriegs, in dem Chile gegen Peru und res Geschäftsumfanges verloren hatte, neue Bolivien kämpfte, entwickelte sich der Sal- Zweige zu erschließen.167 Siemers stieg also peterhandel besonders günstig. Bis 1883/84 nicht nur zur richtigen Zeit aus dem Petro- gehörte die Atacama-Wüste noch nicht zu leumgeschäft aus – er stieg auch zur richti- Chile. Peru und Bolivien teilten sich das rie- gen Zeit in eine boomende Branche ein: Ka- sige Gebiet, die Chilenen waren lediglich men 1884 noch 238.000 Tonnen Salpeter durch eine Gesellschaft in Antofagasta am zur Verschiffung nach Hamburg, so waren Salpetergeschäft beteiligt. Als die boliviani- es 1911 bereits über 700.000.168 Mit Hilfe des sche Regierung 1878 dieses Unternehmen Salpeterhandels konnte er seine Gewinne, zunächst hoch besteuern und Anfang 1879 die er aus den DAPG-Aktien erzielte, ver- enteignen wollte, besetzten chilenische vielfachen, war er doch schon bald der Truppen die Stadt. Nach vier Jahren Krieg, größte Importeur in der Hansestadt.169 der sich hieran anschloss, waren Peru 1883 ··································································· und Bolivien 1884 endgültig geschlagen.172 Was hatte es nun mit dem sogenannten Von da an besaß Chile das Salpetermonopol Chilesalpeter auf sich – und unter welchen und hatte sein Territorium um die Pro-

| 56 | Salzsteppe, im Hintergrund ein Salpeterwerk vinzen Antofagasta und Tarapaca erweitert. schlagene Masse ins Salpeterwerk (oficina). Die Erinnerung an diese Auseinanderset- Hier wurde die Caliche weiter zerkleinert, in zung belastet übrigens bis heute das Verhält- Kochbassins gekippt, um mittels Wasser nis der drei Staaten Chile, Bolivien und und Dampf Salpeter aus dem Gestein zu ex- Peru.173 trahieren, der bei der Trocknung der Lösung ··································································· als Salz ausgeschieden wurde. Schließlich Chilesalpeter ist ein grauweißes, leicht wurde dieses auf Eisenbahnwaggons verla- lösliches Salz, bestehend aus etwa 95% Na- den und aus dem Binnenland über eine triumnitrat, 2,5% Wasser sowie Magnesi- Schienenstrecke zur Küste befördert – Sal- umverbindungen und Spuren von Jod. Ge- peterhäfen waren über die ganze lange chi- wonnen wurde er aus salpeterhaltiger Erde lenische Küste verteilt.174 Dort verkauften (Caliche), die sich in der Regel einen Meter die Werke dann etwa zwei Drittel ihrer Pro- unter der Erdoberfläche befand. Das Cali- duktion nach Europa, hauptsächlich nach che-Lager wurde zunächst durch Sprengun- London oder Hamburg, und zwar meistens gen aufgebrochen, dann zerkleinerten Ar- „frei Längsseite Schiff“, sodass der Käufer beiter die gesprengten Stücke mit dem für die Seefracht- und die Versicherungskos- Hammer. Anschließend brachten Feldbah- ten aufkommen musste.175 nen, meist von Maultieren gezogen, die zer- ···································································

| 57 | Arbeiter beim Aufräumen eines Abbaugrabens nach der Sprengung

Bis zum Ersten Weltkrieg herrschten in den die Arbeiter keinen einzigen freien Tag. Ihre über 100 Salpterminen der Atacama-Wüste Wohnverhältnisse waren mehr als trist, für die zahlreichen Wanderarbeiter und In- Kranken-, Unfall- oder Invalidenversiche- dios kaum zu ertragende Arbeitsbedingun- rungen unbekannt.178 gen.176 Das Klima in der regen- und vegeta- ··································································· tionslosen Atacama-Wüste ist hart und Ganz anders hingegen die Arbeitsbedin- Wasser knapp. In der Lohntüte gab es kein gungen bei der Firma G. J. H. Siemers & Bargeld, sondern Gummimarken (fichas), Co. in Hamburg: Sie bot ihren Angestellten die in den überteuerten Lebensmittelge- einen vierwöchigen Jahresurlaub und – schäften der Minengesellschaften einzulö- lange bevor es 1889 im Deutschen Reich die sen waren.177 Akkordarbeit war die Regel, entsprechenden Sozialgesetze gab – Renten- die tägliche Arbeitsdauer beim Caliche-Ab- versicherungen, die im Heiratsfall verdop- bau war nicht festgelegt, sondern begann bei pelt wurden. Außerdem führte Edmund Sonnenaufgang und endete bei Sonnenun- Siemers als einer der ersten Unternehmer in tergang – mit Pausen zwischen 11 und 13 Uhr Hamburg die sogenannte englische Arbeits- sowie um 16 Uhr. In den Salpeterwerken be- zeit ein, d. h. er ließ mit möglichst kurzer trug die Arbeitszeit in der Regel 12 Stunden. Unterbrechung durcharbeiten, schloss dafür Weil die Fabriken rund um die Uhr sieben jedoch sein Handelskontor bereits um 4 Tage die Woche in Betrieb waren, gab es für Uhr nachmittags.179

| 58 | ··································································· die Ansicht, Streiks seien ein legitimes Mit- In seiner Firma trat Edmund Siemers volks- tel der Arbeiter und Angestellten, um ihren tümlich auf. Er sprach mit den Angestellten Forderungen Gehör zu verschaffen.181 häufig platt und zog bei Unterhaltungen ··································································· mit ihnen gerne einmal taschenspielerartig Der Vollständigkeit halber sei schließlich 20 Mark aus seinem Ärmel, die er dann ver- erwähnt, dass die Firma G. J. H. Siemers & schenkte. Mag ein solches Verhalten auch Co. in Südamerika nicht nur mit Salpeter etwas gönnerhaft erscheinen – generell handelte. Um die Jahrhundertwende im- wählte er den institutionellen Weg, um die portierte sie auch für einige Jahre Quebra- Arbeitsbedingungen seiner Angestellten zu cho-Holz, das als Rohstoff für die Herstel- verbessern, indem er die entsprechenden or- lung von Möbeln, aber auch beim Bau ganisatorischen Voraussetzungen in seiner von Brücken und Hafenanlagen verwendet Firma schuf, und nicht, wie so viele andere wurde.182 Edmund Siemers erwarb größere Arbeitgeber seiner Zeit, den paternalisti- Landstriche mit Waldungen in Paraguay schen.180 Diese Haltung war zweifelsohne und errichtete dort einen Betrieb zur Ro- fortschrittlich. Glaubt man den Ausführun- dung und Beförderung des Holzes. Dieses gen von Mansch, so vertrat Siemers sogar wurde mit Hilfe von zwei kleinen Dampfern

Verladen des Salpeters auf Eisenbahnwagen

| 59 | (jeweils 1.225 BRT) auf dem Paranáfluss an die schönsten und schnellsten unter den die Küste transportiert.183 Nach der Abhol- deutschen Seglern.187 zung wurde das Land urbar gemacht und als ··································································· Viehweide weiterverkauft.184 Aus heutiger 1914 umfasste die Siemers-Flotte die fünf Sicht – angesichts des Wissens um die kata- letztgenannten Segelschiffe sowie den strophale Zerstörung der tropischen Regen- Frachtdampfer „Bürgermeister Hachmann“ wälder – sind derartige Geschäfte kritikwür- (4.315 BRT), der ebenfalls überwiegend in dig, kann man doch Siemers „den nachträg- der Salpeterfahrt eingesetzt wurde.188 Die lichen Vorwurf nicht ersparen, ein gut Gesamttonnage betrug also knapp 19.000 verdienender Pionier der ökologischen Ver- BRT, und die Firma G. J. H. Siemers & Co. wüstung Lateinamerikas gewesen zu sein. war die sechstgrößte Segelschiffsreederei in Siemers (…) war damit Teil jener Kette, die Hamburg.189 Als der Erste Weltkrieg aus- zu den heutigen Viehzucht-Monokulturen brach, lagen alle Segler an der amerikani- in dieser Region führte.“185 schen Westküste und wurden 1917 bzw. 1920 ··································································· von den USA beschlagnahmt.190 Die Wiederaufnahme des ··································································· Reedereigeschäfts Das wechselvollste Schicksal dieser Schiffe ··································································· hat die „Kurt (2)“ durchlaufen. 1917 von den Schon bald nachdem Edmund Siemers neuen Besitzern in „Dreadnought“, kurz da- mit dem Salpeterhandel begonnen hatte, nach in „Moshulu“ umbenannt, steht sie nahm er auch das Reedereigeschäft wieder heute als Restaurantschiff an Penn’s Lan- auf, investierte also seine reichlich sprudeln- ding am Delaware River in Philadelphia – den Gewinne aus DAPG-Aktien in Schiffe. und ist das einzige noch existierende Schiff Anders als zuvor konzentrierte er sich aller- der Firma G. J. H. Siemers & Co. Auch dings jetzt auf Segler, die seit den 1890er Jah- wenn die Viermastbark nicht mehr auf den ren als stählerne Vollschiffe in der Salpeter- Weltmeeren unterwegs ist, so schaffte sie fahrt von Europa nach Chile eingesetzt doch gleich zweimal den Weg nach Holly- wurden und hierbei ihre letzte Blütezeit er- wood: Im zweiten Teil des „Paten“ von lebten. Francis Ford Coppola aus dem Jahr 1974 ··································································· flüchtet der junge Vito Andolini, später Vito Den Anfang markierten die „Susanna“ Corleone, zu Beginn des Films aus Italien. (1.989 BRT) und die „Thekla (1)“ (1.995 Das Schiff, das ihn nach New York bringt, BRT), beide 1892 bei Blohm & Voß vom trägt den Namen „Moshulu“. Im Film Stapel gelaufen. Sechs Jahre später erwarb „Rocky“ (1976) läuft der Hauptdarsteller am Siemers die stählernen Viermastbarken Ende des Films kurz vor seinem Kampf ge- „Thekla (2)“ (3.076 BRT) und „Edmund“ gen Weltmeister Apollo Creed in einer Trai- (3.076 BRT). 1904 kamen dann die „Hans ningseinheit an dem Segler vorbei. (2)“ (3.102 BRT) und die „Kurt (2)“ (3.102 ··································································· BRT) hinzu, 1910 die Viermastbark „Her- Zu Lebzeiten von Edmund Siemers war mit bert“ (2.183 BRT) und 1912 die „Egon“ Sicherheit die „Susanna“ das bekannteste (3.091 BRT).186 Diese Schiffe galten damals Schiff seiner Flotte. International berühmt – neben denen der Reederei F. Laeisz – als wurde sie durch die längste Kap-Hoorn-

| 60 | Die stählerne Viermastbark „Edmund“

| 61 | Ein Schiff mit wechselvoller Geschichte: die Viermastbark „Moshulu“

Umseglung der Geschichte, die im Winter segelung, zugegebenermaßen unter Extrem- 1905 sage und schreibe 99 Tage dauerte. bedingungen, wirft ein Schlaglicht auf die Diese Fahrt bei ungewöhnlich schlechtem harten Arbeitsverhältnisse der Schiffsbesat- Wetter muss eine einzige Tortur gewesen zungen in diesen Jahren: Waren die Segler sein – und warum Kapitän Christian Jür- der Branchenführer Laeisz und Siemers in gens in diesen Tagen kein einziges Mal die gutem Zustand,193 so war dies bei anderen Sinnhaftigkeit des ganzen Unternehmens in Schiffen oftmals nicht der Fall. Zudem Frage gestellt hat (was zweifelsohne zu des- waren die Besatzungen überall – auch bei sen Abbruch geführt hätte; es ging um rund Laeisz und Siemers – aus Kostengründen 3.000 Tonnen Steinkohle, die nach Süd- stark reduziert, sodass die Seeleute in hohem amerika gebracht werden sollten), dieses Maße beansprucht waren.194 Geheimnis hat er mit ins Grab genom- ··································································· men.191 Unter der Besatzung der „Susanna“ Der Seetransport barg hohe Risiken. Dies brach zuerst Skorbut aus, dann auch noch musste auch Edmund Siemers erfahren, der Typhus. Von der 25 Mann starken Mann- 1898 seinen Segler „Thekla (1)“ und 1911 die schaft waren bald nur noch acht Personen „Thekla (2)“ verlor. Zwei Jahre später, 1913, einsatzfähig.192 ging auch die „Susanna“ verlustig, als sie mit ··································································· Salpeter beladen bei Bishop Rock stran- Der Hinweis auf diese Kap-Hoorn-Um- dete.195 Zeitgenossen haben Siemers in der

| 62 | von Johann Kinau alias Gorch Fock auf beteiligt, der am 12. März 1903 ins Leben Hochdeutsch verfassten Skizze „Der Ree- trat. Geboren wurde die Vereinigung aus der“ aus dem Jahr 1914 wiedererkannt. Fock der Idee von HAPAG-Generaldirektor Al- beschreibt dort den Reeder Hinrich Willers, bert Ballin, die Yacht „Meteor“ des segelbe- der beim Untergang seines Lieblingsseglers geisterten Kaisers Wilhelm II. mit einem „Elisabeth“ ins Grübeln kommt und sich ebenbürtigen Gegner, dem 49-Meter-Scho- nach dem „wahren“ Leben auf See abseits ner „Hamburg“, unter den Farben der Han- der Zwänge des Geschäftslebens sehnt.196 sestadt herauszufordern. Als Vereinszweck Typisch für Fock ist die stilisierte Sehnsucht schrieben sich die Mitglieder auf die Fahne, nach Seefahrerschaft, die dem Reeder unter- „einen tüchtigen Nachwuchs an Seeleuten stellt wird. durch Unterbringung geeigneter Jungen auf ··································································· deutschen Schiffen heranzubilden“ und „die Als Reeder hat sich Edmund Siemers – si- Heranbildung eines tüchtigen Stammes cherlich nicht ganz uneigennützig – für die deutscher Yacht-Matrosen und den Segel- Förderung der Seemannsausbildung stark sport durch den Erwerb und Betrieb geeig- gemacht. Ende 1902 war er an der Grün- neter Segel-Yachten zu fördern“.197 dung des Hamburgischen Vereins Seefahrt ···································································

Berühmt durch die längste Kap-Hoorn-Umsegelung der Geschichte: die Dreimastbark „Susanna“

| 63 | Steuermann: Edmund Siemers 1910 auf einer Ostsee-Segelreise mit der „Hamburg“

| 64 | Es liegt nahe, dass Edmund Siemers als er- Zugleich wurde auch das Archiv der Ham- folgreicher Unternehmer über Jahre hinweg burgischen Wissenschaftlichen Stiftung prak- zahlreiche Wirtschaftsmandate innehatte, tisch vollständig vernichtet, denn seit 1935 die an dieser Stelle zumindest kurz erwähnt befand sich deren Verwaltung nicht mehr werden sollen. So war er Aufsichtsratsvorsit- im Vorlesungsgebäude. Kurt Siemers be- zender der Bergedorf-Geesthachter-Eisen- richtete am 3. Januar 1944 den Mitgliedern bahn AG, ebenso der Midgard Deutsche des Stiftungskuratoriums: „Die beiden Ge- Seeverkehrs AG in Nordenham. Außerdem schäftszimmer der Stiftung, die sich im 3. gehörte er dem Aufsichtsrat einer Reihe von Stock meines Kontorhauses Dornbusch Aktiengesellschaften an. Zu nennen wären 12/kl. Johannisstr. 19–23 befanden, sind lei- hier die Deutsche Luftschiffahrts-AG mit der in der Nacht vom 2. zum 3. August ein Sitz in Frankfurt am Main – 1909 als erste Opfer der Flammen geworden. Nachdem es Fluggesellschaft überhaupt gegründet198 –, durch tatkräftigen Einsatz der zur Verfü- ferner die Superphosphatfabrik Nordenham gung stehenden geringen Hilfe in der Nacht sowie – in Hamburg – die Commerz- und vom 30. zum 31. Juli gelungen war, das Discontobank, die Albis Versicherungs-Ge- Übergreifen des ringsum tobenden Feuers sellschaft, die Asbest und Gummiwerke Al- auf mein Haus zu verhindern, traf in der fred Calmon, die Norddeutschen Kohlen- Nacht 2./3. August eine grössere Anzahl und Kokswerke und die Oldenburg-Portu- Brandbomben das Haus gleichzeitig derart giesische Dampfschiffs-Rhederei.199 von oben und seitlich, daß das Feuer sich ··································································· schon in kurzer Zeit über mehrere Stock- Alle diese Tätigkeiten steuerte Edmund werke verbreitete und die im Hause noch Siemers aus seinem Kontor in der Kleinen verbliebene, dort wohnende Luftschutzwa- Johannisstraße Nr. 19, wo sich seit 1869 der che nur das nackte Leben retten konnte. Sitz der Firma G. J. H. Siemers & Co. und Das Haus brannte vollständig nieder.“201 (bis 1885) das Wohnhaus der Familie Sie- ··································································· mers befand. Wie viele andere hamburgi- Edmund Siemers und sche Kaufleute stattete auch Siemers sein die Luftschiffe Büro einfach aus und verzichtete bei dessen ··································································· Einrichtung auf jegliche Repräsentation. Seit 1910 begann sich Edmund Siemers für Auch im persönlichen Erscheinungsbild Schiffe ganz anderer Art zu interessieren, die blieb er zeitlebens darauf bedacht, so die ihn mindestens ebenso faszinierten wie seine „Neue Hamburger Zeitung“, sich nicht Segler – Luftschiffe. Kaum verwunderlich, durch Äußerlichkeiten Status zu verleihen. dass er zu den Unterzeichnern eines Aufrufs Man habe ihn in der Stadt immer wieder gehörte, der am 13. März 1910 im „Hambur- „ohne Ueberrock von Komitee zu Komitee ger Fremdenblatt“ erschien.202 Die Verfasser eilen“ gesehen.200 machten sich für den Bau einer Zeppelin- ··································································· halle in Hamburg stark: Die „Zeppelin’- Das Kontorhaus blieb beinahe 75 Jahre Sitz schen Unternehmungen“ hätten eine außer- der Firma G. J. H. Siemers & Co., bis es An- ordentliche wissenschaftliche Bedeutung, fang August 1943 innerhalb von drei Stun- da sie Studienfahrten über das Meer und in den durch Bombenangriffe zerstört wurde. die arktischen Regionen ermöglichten; da-

| 65 | Kontorhaus der Firma G. J. H. Siemers & Co. am Dornbusch, Ecke Kleine Johannisstraße

| 66 | An Bord von LZ 13 „Hansa“ – sitzend: Graf Ferdinand von Zeppelin, Mitte: Johann Heinrich Burchard, stehend: Edmund Siemers rüber hinausgehend – hier sprachen vor al- Zeppelin residierte als Gast des Prinzen lem die Hamburger Kaufleute – sei die Heinrich von Preußen im Hotel Vier Jahrs- „praktische Seite“ von Interesse, „nämlich zeiten und nahm mit dem kaiserlichen Bru- die Möglichkeit, von Hamburg als Zentrale der zusammen an einem Galadiner im Rund- und Fernfahrten nach den verschie- Hause Siemers teil, zu dem auch die Mit- densten Punkten Nord-Europas unterneh- glieder des „Arbeitsausschusses der Deutsch- men zu können, durch welche auch eine ge- Arktischen Zeppelin-Luftschiff-Expedition“ wisse Rentabilität des Unternehmens in und die Vorstandsmitglieder des Hambur- Aussicht gestellt werden darf“.203 ger Vereins für Luftschiffahrt geladen waren. ··································································· Im weiteren Verlauf des Abends diskutierten Bereits am 5. März des Jahres hatte Graf die Gäste mit dem Grafen Zeppelin – Ferdinand von Zeppelin Hamburg besucht. „Deutschlands Stolz“, so Bürgermeister Die Bevölkerung hatte zu Tausenden dem Max Predöhl bei seiner Tischansprache – „gegenwärtig populärsten Mann Deutsch- über das Luftschiffwesen und eine Zeppe- lands“204 zugejubelt, der „Deutschland den linhalle in der Hansestadt.206 Ruhm, die erste Nation in der Beherrschung ··································································· der Atmosphäre zu sein, verschafft hat“.205 Wenige Tage später erschien dann der

| 67 | Die Hamburger Zeppelinhalle wurde im Januar 1912 in Betrieb genommen und bot zwei Luftschiffen von maximal 150 Meter Länge Platz

| 68 | Die Zeppelinhalle und eine Rumpler Taube eben erwähnte Aufruf, der wie folgt endete: büttel, für das der Senat die Erschließungs- „Wir, die Unterzeichner, fordern (…) un- und Entwicklungskosten in Höhe von sere Mitbürger auf, durch Zeichnung von 119.500 Mark bereit stellte, um es dann an Anteilsscheinen zu dem nationalen Unter- die HLG zu vermieten.208 Im Mai 1911 be- nehmen beizutragen“ – und schon bald wa- gannen die Ausschachtungsarbeiten für die ren Scheine für mehr als 600.000 Mark ge- Halle, und schon im Januar 1912 war sie fer- zeichnet.207 tig gestellt. Ihre äußere Gestalt – sie war 160 ··································································· Meter lang, 45 Meter breit und 25 Meter Mit diesen privaten Mitteln wurde unter hoch und bot gleich zwei Luftschiffen Platz tatkräftiger Mitwirkung von Edmund Sie- – stammte von den Architekten Hermann mers am 10. Januar 1911 die Hamburger Distel und August Grubitz.209 Luftschiffhallen GmbH (HLG) gegründet. ··································································· Die Gesellschaft bat den Senat, ein geeigne- Die Hamburger brachten der neuen Halle tes Terrain für den Bau der Zeppelinhalle sofort reges Interesse entgegen, und die An- zur Verfügung zu stellen. Man einigte sich kunft des ersten Zeppelins LZ 11 „Victoria auf ein 448.000 Quadratmeter großes Ge- Luise“ am 18. Juni 1912 geriet zu einem gro- lände westlich der Alster und nördlich der ßen Volksfest.210 Für 200 Mark konnte man Borsteler Rennbahn in der Nähe von Fuhls- eine Rundfahrt von 100 bis 120 Kilometern

| 69 | Edmund Siemers, Graf Ferdinand von Zeppelin und Johann Heinrich Burchard bei der Einweihung der Zeppelinhalle (1913)

Länge unternehmen (ein Arbeiter verdiente Diese baute daraufhin aus eigenen Mitteln damals durchschnittlich rund 2.000 Mark eine neue Halle und vermietete sie an die im Jahr). Bereits im folgenden Jahr, 1913, Hanseatische Flugzeugwerke Karl Caspar stimmte der Senat einer Erweiterung des AG. Damit war das Kapitel Luftschiffe in Geländes auf 600.000 Quadratmeter zu. Hamburg schon 20 Jahre vor der „Hinden- Von nun an war dessen nördlicher Teil den burg“-Katastrophe abgeschlossen.211 Luftschiffen vorbehalten, während der süd- ··································································· liche den Aeroplanen, wie man Flugzeuge Edmund Siemers in der Kritik – damals nannte, zur Verfügung stand. Doch Grundstücksgeschäfte in der diese Koexistenz währte nicht lang – bereits Altstadt-Nord am 16. September 1916 brannte die Zeppe- ··································································· linhalle komplett aus. Die Ursache des Feu- Die Ausgangslage ers war ausströmendes Wasserstoffgas, das ··································································· sich beim Nachfüllen der Luftschiffe ent- Im Verlauf der zweiten Hälfte des 19. Jahr- zündet hatte. Neben der Halle fielen auch hunderts veränderte sich die Struktur der die beiden dort stationierten Marineluft- Hamburger Innenstadt erheblich. Zunächst schiffe „L6“ und „L9“ den Flammen zum noch eine Wohnstadt, wurde sie immer Opfer. Nach dem Brand kündigte das Reichs- mehr zur Wohn- und Geschäftsstadt, um marineamt seinen Vertrag mit der HLG. sich schließlich ganz zu einer „City“ zu wan-

| 70 | deln. Im Zuge dieser Entwicklung kamen lich unorientiert“ war.215 Allerdings kannte bei den städtischen Entscheidungsträgern er den Seniorchef der Firma, Dr. Wilhelm Überlegungen auf, das 1897 eingeweihte Johannes Wentzel, gut. Beide gehörten in Rathaus mit dem im Bau befindlichen der Hamburgischen Bürgerschaft der Frak- Hauptbahnhof, der 1906 eröffnet werden tion der Rechten an, und Siemers hatte be- sollte, zu verbinden – und zwar durch eine reits bei Grundstücksgeschäften von Went- von großen Geschäftshäusern gesäumte zel & Gutkaese im Gebiet der Durchbruch- Durchbruchstraße, die heutige Möncke- straße als Pfandgläubiger fungiert.216 Die bergstraße. Gleichzeitig sollte auf derselben Firma war dort, um es einmal zurückhal- Strecke eine „Unterpflasterbahn“ gebaut tend auszudrücken, sehr „umtriebig“ und werden.212 Seit 1904 kam es im so genann- schickte sich in jenen Jahren an, „zu einer ten „Sanierungsgebiet“ zu einem signifikan- der bekanntesten Hamburger Hausmakler- ten Anstieg der Grundstücksspekulationen. firmen“ zu avancieren.217 Später war sie üb- Kursierten zunächst nur Gerüchte, dass Per- rigens in Langenhorn für die umfangrei- sonen aus der Hamburger Verwaltung In- chen Siemersschen Besitzungen als Grund- siderwissen nutzen würden, um sich bei den stücksverwalter tätig. Geschäften einen Vorteil zu verschaffen, so ··································································· kam es im Herbst 1905 zu einer Debatte Zwischen dem 18. März und den 29. Juni über diese Spekulationen in der Hamburgi- 1905 erwarb Edmund Siemers für rund eine schen Bürgerschaft. Und auf einmal sah sich Million Mark einen insgesamt 2.622 Qua- Edmund Siemers öffentlicher Kritik ausge- dratmeter großen Komplex, bestehend aus setzt. den vier Grundstücken Pferdemarkt 27, ··································································· 29/31, 33 und 37/41.218 Dies geschah just zu Edmund Siemers kauft zwei der Zeit, als in der Hamburger Verwaltung Grundstücke eine neue Vorortsbahnvorlage ausgearbeitet ··································································· wurde, denn die erste vom 18. Dezember Anfang 1905 suchte Dr. Wilhelm Wil- 1901 hatte in der Bürgerschaft keine Mehr- brand, Partner der Hausmaklerfirma Dr. heit gefunden. Der neue Entwurf würde im Wentzel & Gutkaese, für zwei Grundstücke, Vergleich zur alten Vorlage wahrscheinlich gelegen am Pferdemarkt 29/31 und 37/41 einen veränderten Verlauf der Durchbruch- (heute: Gerhart-Hauptmann-Platz), einen straße vorsehen – hiervon wussten bereits Käufer. Er bot sie im Februar zunächst der jetzt „Verwaltungskenner“ zu berichten: ört- Finanzdeputation an, die als Liegenschafts- liche Hoteliers, Weinhändler, Architekten verwaltung „über das gesamte dem ham- und Hausmakler mit „guten“ Kontakten zu burgischen Staat gehörige Gebiet (verfüg- subalternen Beamten der Bau- und Finanz- te)“.213 Diese teilte jedoch mit, dass sie deputation, die mitunter in finanziellen „einem Ankauf dieser Grundstücke nicht Schwierigkeiten steckten. Und Siemers’ nähertreten könne“.214 Nun wandte sich neue Grundstücke waren optimal gelegen, Wilbrand am 3. März 1905 an Edmund Sie- d. h. es stand zu erwarten, dass sie direkt an mers, der zu diesem Zeitpunkt – so behaup- einer Ecke der neuen Prachtstraße liegen tete er zumindest später – über die Grund- würden.219 stücksverhältnisse am Pferdemarkt „gänz- ···································································

| 71 | Als Edmund Siemers im Frühjahr 1905 den ··································································· Entschluss fasste, Grundstücke in der In- Das „Hamburger Echo“ berichtete über Bra- nenstadt als langfristige Kapitalanlage zu er- bands Rede zwei Tage später in einem aus- werben, von der er sich „reichen eigenen führlichen Artikel: Gewinn“ erhoffte, hatte er die Absicht, seine ··································································· persönlichen wirtschaftlichen Interessen mit „Den interessantesten Teil der Montagssit- denen der Stadt Hamburg zu verbinden.220 zung bildeten die Enthüllungen des Herrn Hierzu wählte er „den kurzen Dienstweg“ Dr. Braband über die wilde Grundstücks- und setzte sich direkt mit seinem guten spekulation im Straßendurchbruchgebiet Freund Johann Georg Mönckeberg – dem der Altstadt. Schon Herr Heubel hatte am Bürgermeister und Präses der Finanzdepu- ersten Beratungstage darauf hingewiesen, tation, der auch Siemers angehörte – in Ver- daß Makler und Spekulanten dort wie die bindung. Sie vereinbarten in einem kurzer- Hasen im Kohlfeld hausten. Und Herr Pa- hand aufgesetzten Revers am 16. März 1905, ridom Möller hatte es beklagt, daß auch dass Siemers von seinen neuen Terrains die- Bürgerschaftsmitglieder sich unter den Ha- jenigen Teile abtrete, welche für die neue sen im Kohlfeld befinden. Herr Dr. Braband Straße gebraucht würden, und für den Rest hatte (…) den Hasen im Kohlfeld nachge- das Frontrecht221 an der Durchbruchstraße spürt. Zwanzig Prozent der in Frage kom- erwerbe – für beides dürfe die Finanzdepu- menden Grundstücke sind in die Hände tation „einseitig und endgültig“ den Preis von Spekulanten geraten, die neue Millio- festlegen.222 Siemers beabsichtigte zu die- nengewinne schmieden, ohne einen einzi- sem Zeitpunkt also keineswegs, die frag- gen Finger krumm zu machen, ohne auch lichen Grundstücke als Treuhänder zu er- nur die letzte Spur von geistiger Arbeit zu stehen und sie zu einem späteren Zeitpunkt leisten, und die Gesamtheit hat diese Mil- komplett an die Stadt Hamburg zu verkau- lionenopfer zu tragen. (…) Der letzte Ver- fen.223 kauf ist 14 Tage vor Erscheinen der Senats- ··································································· vorlage vollzogen. Die Spekulanten waren Carl Braband hält eine Rede in also ganz genau über die Beschlüsse des Se- der Hamburgischen Bürgerschaft nats bezüglich der Durchbruchstraße unter- ··································································· richtet! (…) Unter den Grundstückskäufern Wenige Monate später kam es zu einer be- befindet sich auch ein bekanntes Mitglied merkenswerten Sitzung der Hamburgischen der Bürgerschaft und der Finanzdeputation, Bürgerschaft, als deren Mitglieder die neue das allerdings die Finanzdeputation von sei- Vorortsbahnvorlage diskutierten. Diese war nem Geschäft verständigt und sich erboten ihnen am 14. Oktober zugegangen.224 Am hat, das für den Straßendurchbruch nötige dritten Verhandlungstag, dem 13. November Terrain von dem von ihm erworbenen 1905, ergriff der erst 35-jährige Rechtsanwalt Grund und Boden ‚zum Selbstkostenpreise‘ Carl Braband das Wort und hielt eine Rede herzugeben; immerhin berührt es eigen- „von außergewöhnlichem Effekt“.225 Pikan- tümlich, daß ein Mann in dieser Stellung terweise gehörte er derselben Fraktion wie ‚mit den Hasen ins Kohlfeld gegangen ist‘. Edmund Siemers und Wilhelm Johannes Er hätte dort sicherlich keinen Grund und Wentzel an. Boden erworben, wenn er nicht ‚rechtzeitig‘

| 72 | gewußt hätte, daß der Senat dort einen Stra- lassen wird, daß Jemandem, der jetzt in die- ßendurchbruch plant. Und diese Kenntnis sen Gegenden Grundstücke erworben hat, kann er doch nur in seiner Eigenschaft als gestattet wird, die Grundstücke gegen Er- Mitglied der Finanzdeputation oder auf ei- werb des Frontrechts ohne weiteres zu be- nem nicht legalen Wege gewonnen haben. halten“.231 Insgesamt, so betonte er später Jedenfalls steht fest, daß die Grundstücks- im Rückblick, zielten seine Ausführungen spekulanten von den Beschlüssen des Senats darauf ab, „daß es nicht recht und billig ist, 1 immer rechtzeitig unterrichtet worden sind wenn der Staat für fast 13 ⁄2 Millionen Mark, und danach ihre gewinnbringende Spekula- aus von allen Steuerzahlern aufgebrachten tion eingerichtet haben. Der Senatskom- Mitteln, eine neue Straße schafft, aber der missar Bürgermeister Dr. Mönckeberg sagte direkte Nutzen aus der durch solche Anlage übrigens keine Silbe zu diesen allgemeines entstehenden Wertsteigerung des die Straße Aufsehen erregenden Enthüllungen.“226 begrenzenden Terrains einigen wenigen in ··································································· den Schoß fällt, die sich im rechten Augen- Das saß. Die harschen Worte verfehlten blick dort angekauft haben“.232 ihre Wirkung nicht und lösten umgehend ··································································· Reaktionen aus. Bereits am 16. November Die Hamburgische Bürgerschaft befasste sich die Politische Polizei der Han- setzt einen „Untersuchungs- sestadt mit dem „Hamburger Echo“.227 Und ausschuss“ ein Edmund Siemers war aufgebracht – noch ··································································· Jahre später bei der Einweihung des Vorle- Mit solchen Ansichten machte sich Bra- sungsgebäudes war die Anwesenheit von band in seiner eigenen Fraktion, der ja auch Redakteuren des SPD-Blattes nicht er- Siemers und Wentzel angehörten, freilich wünscht.228 Er beklagte sich über die „sehr keine Freunde. Bereits eine Woche später, hässliche(n) Kommentare“ und wollte zu- am 20. November, hatte die Mehrzahl sei- nächst gerichtlich gegen die Zeitung vorge- ner Kollegen in der Fraktion der Rechten of- hen, wovon ihm jedoch sein Anwalt und fenbar vor, ihn aus dieser auszuschließen. Freund George Heinrich Embden abriet. Braband schilderte diese Vorgänge später Nach eigener Aussage hatte Siemers „bei der folgendermaßen: „Ich weiß ja ganz genau, ganzen Angelegenheit stets nur das Interesse wie die Stimmung mancher Herren mir ge- des Staates im Auge gehabt“.229 genüber ist. (…) Und, m. H., ich bin zitiert ··································································· worden vor die Fraktion der Rechten und Auch wenn Braband in seiner Bürger- habe mein Material mitgebracht und das schaftsrede auf den Revers vom 16. März Resultat ist gewesen, daß über den Antrag 1905 hinwies, von dem er übrigens erst kurz auf meinen Ausschluß nicht abgestimmt vorher in einer Fraktionssitzung erfahren worden ist, sondern daß man zu der Ansicht hatte,230 und Siemers ausdrücklich vom Ver- gekommen ist, es sei besser, zu suchen, wie dacht der „illoyalen Spekulation“ ausnahm man aus der Sache herauskäme.“233 Schluss- („loyal“ durfte ein Hamburger Kaufmann endlich beantragte am 27. November in der immer spekulieren) – im Grunde kritisierte Bürgerschaft eine Mehrheit von 34 Frakti- er doch dessen Verhalten. Denn er forderte, onsmitgliedern der Rechten – Siemers aller- „daß es unter keinen Umständen (…) zuge- dings nicht – die Einsetzung eines Ausschus-

| 73 | ses „zur Prüfung der Frage, ob bei Fertigstel- Schätzungsverfahren unterworfen und dann lung der Vorortsbahnvorlage insbesondere veräußert worden wären.239 Die genaueren bezüglich der Durchbruchstraße Unregel- Gründe, warum Siemers den gesamten mäßigkeiten vorgekommen sind“.234 Die Komplex doch verkaufte – also auch dieje- Bürgerschaft stimmte dem am 6. Dezem- nigen Teile, welche er eigentlich nach dem ber zu und bereits sechs Tage später nahm „Reverse vom März 1905 gar nicht abzutre- der erste „Untersuchungsausschuss“ der ten brauchte“240 –, lassen sich nicht mehr hamburgischen Parlamentsgeschichte unter vollständig rekonstruieren. Es scheint ein dem Vorsitz von Carl Braband seine Arbeit ganzes Bündel von Faktoren gewesen zu auf.235 sein, das für diese Entscheidung ausschlag- ··································································· gebend war. Es dauerte allerdings anderthalb Jahre bis ··································································· Edmund Siemers vorgeladen wurde. Am 24. Sah die erste Vorortsbahnvorlage von 1901 Juli 1907 gab er u. a. zu Protokoll: „Für den noch vor, den Bau der Durchbruchstraße Fall, daß man sich dahin entschieden hätte, von privaten Unternehmern ausführen zu nur die für die Straße erforderlichen Grund- lassen, so berücksichtigte die zweite Vorlage stücksteile staatsseitig zu erwerben, für den von 1905 die Beschlüsse der Bürgerschaft, Fall also, daß ich die Grundstücke im übri- welche diese am 3. Februar 1904 gefasst hat- gen behalten hätte, hatte ich mir vorgenom- te. Sie bestimmten, das Straßenprojekt „für 1 men, (…) dem Staate die ⁄2 Millionen, wel- Rechnung des Staates“ durchführen zu las- che (…) schon jetzt als Avance auf ihnen lag, sen und dabei gut nutzbare Bauplätze aus- zum Bau einer zweiten Kunsthalle zu schen- zugestalten. Diese waren nunmehr staatssei- ken und den Betrag auf 1 Million zu kom- tig zu erwerben, so dass die Enteignungen plettieren.“236 Siemers’ Aussage überraschte jetzt auch auf solche Grundstücke ausge- viele – waren doch seine Pläne, die er angeb- dehnt werden mussten, die „früher nicht in lich schon länger mit sich herumtrug, bis- Aussicht genommen war(en)“.241 lang noch nicht bekannt gewesen.237 ··································································· ··································································· Seit März 1904 wurde deshalb in der Ham- Edmund Siemers verkauft seine burger Verwaltung diskutiert, welche Grund- Grundstücke stücke staatsseitig zu erwerben seien. Zu die- ··································································· sem frühen Zeitpunkt der innerbürokrati- Anders als ursprünglich geplant, hatte Sie- schen Diskussion war zunächst noch in der mers einige Monate vor seiner Vernehmung, Schwebe, ob die Grundstücke am Pferde- am 6. Februar 1907, seine Terrains am Pfer- markt, die Siemers 1905 erwerben sollte, demarkt mit einer Rendite von 60.000 hierzu gehören würden.242 Das änderte sich Mark an die Stadt Hamburg verkauft (zum am 5. Mai 1905, als Ferdinand Sperber, Bau- „Selbstkostenpreis plus sechs Prozent Zin- inspektor der ersten Ingenieurabteilung in sen auf alle von ihm geleisteten Zahlun- der Hamburger Verwaltung, vermerkte: gen“)238 – immerhin noch das Monatsgehalt „Gegen den Ankauf des Grundstücks Pfer- von 1.000 Hafenarbeitern, aber deutlich we- demarkt No. 1043 [Siemers hatte dieses „Fi- niger als der Gewinn von 471.220 Mark, den letstück“ seines Grundstückskomplexes am er erzielt hätte, wenn die Grundstücke dem 25. April 1905 erworben, JG] sind Bedenken

| 74 | nicht zu erheben und kommen damit die Staat habe ziehen wollen und der Untersu- Grundstücke Pferdemarkt No. 549 und No. chungsausschuss ihm später sogar „Feinge- 596 [letzteres erwarb Siemers am 29. Juni, fühl“ attestierte, da er auf seinen Grund- JG], wie bereits am 8. April 1904 empfoh- stückskomplex verzichtet, obgleich er hierzu len, von selbst mit zum Ankauf.“243 „ursprünglich nicht die mindeste Veranlas- ··································································· sung“ gehabt habe247 – so harmonisch ging Nicht einmal zwei Monate, nachdem sich es dann wohl doch nicht zu, als die Verhand- Siemers exklusiv für die Grundstücke am lungen zwischen der Finanzdeputation und Pferdemarkt „ihm rechtlich zustehende Vor- Siemers über den Verkauf der Grundstücke teile“244 durch den Revers gesichert hatte, am Pferdemarkt begannen. vermerkte also Sperber, dass genau diese ··································································· Grundstücke durch die Stadt anzukaufen Für diese lässt sich ungefähr folgender Ver- seien. Dies mutet wie ein Stück Hinterzim- lauf rekonstruieren: Wie mit Mönckeberg merpolitik mit Siemers und Mönckeberg als vereinbart, wollte Siemers ursprünglich nur Protagonisten an – zumal beide mit Sicher- die für die Durchbruchstraße erforderlichen heit die eben erwähnten Beschlüsse der Bür- Grundstücksteile verkaufen. Ob er bereits in gerschaft aus dem Jahr 1904 kannten. dieser Phase geplant hatte, eine größere ··································································· Summe für den Erweiterungsbau der Ham- Das Parlament nahm am 4. Dezember 1905 burger Kunsthalle zu stiften, sei dahinge- die neue Vorortbahnvorlage „vorbehältlich stellt.248 Vermutlich Ende 1905 oder Anfang einzelner (…) Abänderungen“ an und be- 1906 bot Siemers dann seinen gesamten schloss, „daß eine neue Straße vom Rathaus- Komplex am Pferdemarkt zu einem Preis markt nach dem Schweinemarkt [heute: an, der nach dem Schätzungsverfahren er- Lange Mühren, JG] (…) hergestellt und die mittelt werden sollte. Zu diesem Zeitpunkt nach dem zugehörigen Kostenanschlage der Verhandlungen – oder in deren weiteren dafür erforderlichen Baukosten von M Verlauf – deutete er wohl an, den „durch ein 1460000 bewilligt werden (…)“.245 Sieben anderweitiges Angebot von M. 500.000 ge- Monate später, am 15. Juli 1906, konnten die stiegene(n) Mehrwert [der Grundstücke, Hamburger dann dem „Öffentlichen Anzei- JG] (…) für einen Erweiterungsbau der ger“ folgendes entnehmen: „Gemäß Senats- Kunsthalle zu stiften und wenn erforderlich und Bürgerschaftsbeschluss vom 11. April / auch die Mehrkosten zu tragen. Dies Ange- 2. Mai 1906 sollen die nachstehend bezeich- bot wurde von der Finanzdeputation nicht neten (…) Grundstücke unter Anwendung angenommen.“249 Und so gab sich Siemers des Expropriationsverfahrens erworben schließlich – wie am 6. Februar 1907 fixiert werden.“ Zu diesen gehörten auch sämtli- – mit der geringen Rendite von 60.000 che Grundstücke, die Edmund Siemers am Mark zufrieden. Die Gründe, weshalb er Pferdemarkt besaß.246 sich mit dieser vergleichsweise niedrigen ··································································· Summe zufrieden gab, die offenbar nicht Auch wenn Hausmakler Wilhelm Wil- durch eine eingesetzte Schätzungskommis- brand am 14. Februar 1908 zu Protokoll gab, sion festgestellt wurde, müssen offen blei- dass Siemers keinen Nutzen aus der Abtre- ben.250 tung seiner Terrains am Pferdemarkt an den ···································································

| 75 | Der entscheidende Grund, warum Ed- Gleichzeitig sprach sich der Ausschuss mund Siemers schlussendlich doch seinen aber dahin aus „daß er es (…) lieber gesehen gesamten Grundstückskomplex am Pferde- hätte, wenn die Siemersschen Ankäufe am markt verkaufte, dürfte gewesen sein, dass er Pferdemarkt nicht erfolgt wären“. Die große der öffentlichen Reputation seiner eigenen Mehrheit des Gremiums schloss sich den Person erhebliche Bedeutung beimaß.251 Aussagen Franz Bachs an. Dieser – als er- Machte ihm bereits zu schaffen, dass er in folgreicher Architekt und Unternehmer Privatgesprächen, „lange bevor diese Dinge maßgeblich am Bau der Mönckebergstraße in der Bürgerschaft zur Sprache gekommen beteiligt – hatte die Ansicht vertreten, „daß waren (…), mit dem Bemerken angegriffen für die gewaltige Spekulation im Durch- wurde, es sei von ihm nicht Recht, daß er bruchstraßengebiet ein Hauptgrund gerade sich im Durchbruchstraßengebiet angekauft in den Siemersschen Ankäufen gelegen ha- habe“,252 so war es wohl die öffentliche Be- ben dürfte“.255 Auch Bach waren Grundstü- richterstattung – als der Fall im November cke im Durchbruchstraßengebiet angeboten 1905 an die Presse gelangte253 –, die ihn zum worden, darunter Teile des Siemersschen Umdenken bewog. Terrains am Pferdemarkt. „Ich habe aber ··································································· konsequent abgelehnt, da ich es unerhört Der Bericht des „Untersuchungs- fand, wie damals in dem Gebiet herumge- ausschusses“ arbeitet wurde (…). Als die Siemersschen ··································································· Ankäufe bekannt wurden, habe ich Dr. Wil- Am Ende interessierte das Ergebnis der Ar- brand an der Börse aufgesucht und meiner beit des ersten Untersuchungsausschusses Entrüstung Ausdruck gegeben, daß Siemers der Hamburger Parlamentsgeschichte viel als Finanzdeputierter so etwas tue.“256 weniger als der anfängliche Skandal, der ··································································· seine Einberufung ausgelöst hatte. Erst nach Carl Braband gab zu Protokoll, dass ihm zweieinhalb Jahren veröffentlichte der Aus- die Grundstückskäufe von Edmund Siemers schuss im August 1908 seinen Bericht. deshalb nicht gefallen hätten, „weil sich aus ··································································· denselben für Herrn Siemers zweifellos er- Dort war zu lesen, „daß (…) gegen kein heblicher Gewinn ergeben musste und ich Mitglied der staatlichen Selbstverwaltung mir sagte, daß jeder andere seiner Mitbür- der Verdacht besteht, daß es durch gewinn- ger das Geschäft auch gemacht haben süchtige Ausnutzung ehrenamtlich erwor- würde, welcher über das Kommen der bener Kenntnisse sich des Vertrauens seiner Straße ebenso sichere Informationen gehabt Mitbürger unwürdig gemacht hätte“. In Be- hätte, wie Herr Siemers sie als Finanzdepu- zug auf Siemers’ Grundstücksgeschäfte am tierter haben k o n n t e“.257 So betonte denn Pferdemarkt wurde betont, „daß in den An- auch der Untersuchungsausschuss in seinem käufen nichts liegt, was die moralische Inte- Bericht, „daß die Öffentlichkeit zwar nicht grität des Bürgerschaftsmitgliedes und frü- fordern, wohl aber wünschen kann, daß ein heren Finanzdeputierten Siemers [dieser Bürgerschaftsmitglied schon den Schein ei- war 1906 aus der Finanzdeputation ausge- ner Ausnutzung ehrenamtlich erworbener schieden, JG] in Frage stellen könnte“.254 Kenntnisse meide“.258 ··································································· ···································································

| 76 | Michael Werner hat darauf hingewiesen, der Spekulanten, Hehler und Geheimnis- dass die Verzahnung von Privat- und Ge- verräter je zur Verantwortung gezogen“, so meininteressen typisch für bürgerliche Stif- der Historiker Geerd Dahms.263 tungskultur sei.259 Problematisch wird es al- ··································································· lerdings, das wäre zu ergänzen, wenn beide In zwei Bürgerschaftsdebatten, am 28. Ok- Bereiche nicht im Einklang stehen. tober und 4. November 1908, wurde ··································································· schließlich über den Antrag des Ausschusses Der Untersuchungsausschuss stellte ein debattiert, seinen Bericht an den Senat zu Novum in der Parlamentarismusgeschichte überweisen – was bedeutet hätte, dass sich Hamburgs dar. All diejenigen, die kein In- die Hamburgische Bürgerschaft den Aus- teresse an einer Aufklärung der Unregelmä- führungen der Ausschussmehrheit ange- ßigkeiten hatten, richteten ihren Blick vor- schlossen und der Senat hiervon amtlich nehmlich auf strittige Form- und Verfah- Kenntnis erlangt hätte. Dies lehnte das Par- rensfragen und verzögerten dadurch sehr lament mit 71 zu 55 Stimmen ab, wobei sich effektiv den Fortgang Arbeit.260 Diese kam Fraktion der Rechten, die ursprünglich die ohnehin nur schleppend voran, da der Aus- Einsetzung des Ausschusses beantragt hatte, schuss im Wesentlichen eine „one man ebenfalls dagegen aussprach.264 Carl Bra- show“ des Vorsitzenden Carl Braband war. band hatte die Fraktion bereits 1906 verlas- Die übrigen Mitglieder hatten mit dem selt- sen und mit anderen Abgeordneten die Ver- samen Hinweis, die Ermittlungen seien so einigten Liberalen begründet – die erste zeitraubend, dass sie nicht in der Lage seien, bürgerliche Fraktion mit eigenem politi- auch nur einen Teil davon zu übernehmen, schen Profil. Sie markiert den Beginn par- im ersten Jahr sämtliche Arbeit in Brabands teilicher Politik in der Hamburgischen Bür- Hände gelegt, weil der Ausschuss ohnehin gerschaft, die eine neue Qualität der seiner Initiative entsprungen sei.261 Braband parlamentarischen Auseinandersetzung be- arbeitete alleine insgesamt 226 Grundbuch- deutete. akten durch und befragte zudem die meis- ··································································· ten der vorgeladenen Zeugen – ein mühsa- Obgleich sogar die konservativen „Ham- mes Unterfangen. Wenn diese sich inhalt- burger Nachrichten“ geschrieben hatten, lich äußerten, so entlasteten sie sich meist „daß der Ausschuß bei seiner Beurteilung gegenseitig und hatten sich offensichtlich des umfangreichen Materials peinlich ge- bereits vorher untereinander abgesprochen. recht vorgegangen ist“,265 wurde Carl Bra- Die meisten kannten sich seit Jahren und band in beiden Debatten scharf, teilweise waren in erster Linie darauf bedacht, das alte auch verletzend, von anderen Abgeordneten „Honoratioren“-System zu schützen – umso angegriffen.266 Edmund Siemers gehörte mehr, als dieses seit der Revision des Wahl- nicht dazu, er ergriff an beiden Tagen nicht rechts Anfang 1906 massiv in die Kritik ge- das Wort. Bereits am 19. März 1908 war Bra- raten war.262 Das gelang auch: Bis auf einen band aus dem Hamburger Offizierskorps subalternen Beamten – den Bauzeichner der entlassen worden267 – eine Desavouierung, IV. Ingenieurabteilung der Baudeputation über die sich mancher in der Hansestadt ge- Oskar Böschke, der aus dem Staatsdienst freut haben dürfte. entlassen wurde – „wurde nicht ein einziger ···································································

| 77 | Langenhorn – vom Dorf zum tungseinheit der „hamburgischen Landher- Großstadtvorort renschaft der Geestlande“ gewesen. ··································································· ··································································· Seit 1904 gab es Bestrebungen, die Ham- Doch schon vor 1913 war vielen nicht ver- burger Gemeinde Langenhorn durch eine borgen geblieben, dass Langenhorn über Bahnlinie an die Stadt anzubinden.268 Es kurz oder lang zum Stadterweiterungsgebiet dauerte allerdings noch einige Jahre, bis der werden würde. Bereits seit der Jahrhundert- Hamburger Senat 1910 begann, eigene Pla- wende hatten dort Grundstücks- oder, wie nungen für den Bau einer elektrischen man damals sagte, Terraingesellschaften grö- Schnellbahn von Ohlsdorf nach Ochsenzoll ßere Flächen in der Erwartung gekauft, dass zu betreiben.269 Das Ziel war, „in möglichst nach dem Bahnbau und mit beginnender großem Umfange weitere für die Bebauung Besiedelung die Bodenpreise steigen wür- geeignete Flächen auf hamburgischem Ge- den. Dies geschah dann auch, wie die Zah- biet in hoher gesunder Lage zugänglich zu len verdeutlichen, die der Hamburger Ober- machen“.270 Dabei sollten vor allem Mit- baurat Wilhelm Melhop für das nahe ge- glieder der Hamburger Mittelschicht als legene Fuhlsbüttel nennt: Seien 1898 „im Bauinteressenten gewonnen werden – also westlichen Zipfel der Feldmark“ 20 Pfen- Menschen, die sich den Besitz eines Hauses nige für den Quadratmeter gezahlt worden, in Nobelvierteln wie Harvestehude nicht so sei der Preis später auf das zwanzigfache leisten konnten, die aber dem Trubel der gestiegen.272 Stadt entfliehen wollten und zu jener Zeit in ··································································· das preußische Umland abzuwandern droh- Nach den schlechten Erfahrungen, die Ed- ten.271 mund Siemers in der Altstadt gemacht ··································································· hatte, wandte er sich seit 1908 den Vororten Es ging dann noch einmal recht viel Zeit ins zu. Bis 1918 kaufte er in Langenhorn, Hum- Land, bis 1918 ein provisorischer Dampfbe- melsbüttel und Garstedt insgesamt rund 9,7 trieb eingerichtet und 1921 schließlich der Millionen Quadratmeter Land, davon bis elektrische Bahnbetrieb aufgenommen wur- 1913 allein rund 6,6 Millionen Quadrat- de. Langenhorn hatte sich inzwischen längst meter in Langenhorn, sodass sich dessen ge- vom Dorf zum Großstadtvorort gewandelt: samte Ostseite in seinem Besitz befand.273 War bis zur Jahrhundertwende noch die Damit war er noch vor dem hamburgischen Landwirtschaft die Haupterwerbsquelle der Staat der größte Grundbesitzer in der Ge- Bewohner gewesen, so fanden jetzt immer meinde.274 mehr Langenhorner in der Stadt Beschäfti- ··································································· gung; außerdem siedelten sich zunehmend Auch Siemers musste für die Terrains zu- Hamburger in Langenhorn an, zwischen nehmend höhere Preise zahlen. Dies ver- 1895 und 1912 stieg die Bevölkerungszahl deutlicht ein Bericht, den die Liegenschafts- von 1.309 auf 3.894. Endgültig sichtbar verwaltung viele Jahre später, am 6. Mai wurde dieser Wandel, als Langenhorn am 1. 1941, Bürgermeister Carl Vincent Krog- Januar 1913 in die Stadt Hamburg einge- mann zukommen ließ. Dort heißt es über meindet wurde. Zuvor war es eine eigen- den Siemersschen Grundbesitz: „Die Län- ständige Gemeinde innerhalb der Verwal- dereien in Langenhorn sind (…) 1908 zum

| 78 | Der Großgrundbesitzer: Edmund Siemers’ Bodenbesitz in Langenhorn im Jahr 1910 (rot markiert)

| 79 | Preise von 0,25–0,75 RM/qm, 1909 zum chen Ländereien im Umfang von 187.050 Preise vom 0,65–1,05 RM/qm, Ausnahmen Quadratmetern unentgeltlich abzutreten.278 1,50–1,70 RM/qm, 1910 zum Preise von ··································································· 0,95–1,50 RM/qm, 1911 zum Preise von Am 19. November 1912 druckte die „Neue 1,50–2,00 RM/qm (erworben worden), 2.) Hamburger Zeitung“ einen anonym ver- Als durchschnittlicher Einstandspreis ist fassten Leserbrief ab, der folgenden Wort- einschl. Hummelsbüttel für den qm 0,925 laut hatte: RM festgestellt worden. Dieser Preis war ··································································· m.E. damals schon spekulativ überhöht.“275 „Die anzulegende Schnellbahn nach Lan- Ob diese Einschätzung stimmt, ist zweifel- genhorn läßt in vielen den Wunsch entste- haft – sie ist vor dem Hintergrund zu sehen, hen, sich draußen in gesunder, freier Lage dass nicht einmal ein Jahr später, am 5. März anzusiedeln. Wie man hörte, dachte der 1942, die Erben von Edmund Siemers rund Senat bei der Besiedelung Langenhorns be- 4,6 Millionen Quadratmeter des Grundbe- sonders an die weniger bemittelte Einwoh- sitzes in Langenhorn und Hummelsbüttel nerschaft Hamburgs. Der Bodenpreis in für 6,76 Millionen Mark an den Staat abtre- Langenhorn ist aber jetzt schon ebenso hoch ten mussten, also zu einem Durchschnitts- gestiegen wie in den Walddörfern. Schreiber preis von rund 1,46 Mark pro Quadratme- dieses spricht aus persönlicher Erfahrung. ter.276 Was jedoch feststeht ist, dass Siemers Sowohl in Langenhorn wie in Volksdorf in Langenhorn bis 1913 als kapitalkräftigster kosten kleine Bauplätze mindestens 4,50 Käufer auftrat und deshalb seinen Mitbe- Mk. pro Quadratmeter, an den Hauptstra- werbern überlegen war. ßen beiderorts 8–10 Mk.; dabei ist für Lan- ··································································· genhorn die äußerste Nordgrenze angenom- Von Anfang an war sich Edmund Siemers men. In Langenhorn ist gegenwärtig fast darüber klar, dass die Gewinnträchtigkeit kein Grundstück mehr aufzutreiben. Über- seiner Erwerbungen vom Bau der Langen- all, vom Norden bis Süden, von Ost nach horner Bahn abhängen würde. Seit 1908 be- West tönt einem die stereotyp sich wieder- schäftigte sich ein „Komitee für den Bau der holende Antwort entgegen: ‚Edmund Sie- Langenhorner Eisenbahn“ mit Vorplanun- mers hat hier alles aufgekauft.‘ Die von ihm gen und Werbung für das Verkehrsprojekt. bezahlten Preise schwanken zwischen 65 Hier engagierte sich auch der uns schon Pfennig und 2,20 Mark pro Quadratmeter. bekannte Wilhelm Wilbrand von der Mak- Es heißt, diese ungeheuren Landankäufe lerfirma Dr. Wentzel & Gutkaese, die die seien gemacht, um den Boden für den Verwaltung der Siemersschen Besitzungen Bahnbau billiger zu bekommen, da Herr in Langenhorn innehatte. Als das Komitee Edmund Siemers die Trace zu den Selbst- 1909 für seine Arbeit 40.000 Mark benö- kosten abgeben wolle. Das ist gewiß aner- tigte, übernahm die Gemeinde Langenhorn kennenswert, aber wir müssen verlangen, 20.000 und private Geldgeber ebenfalls daß diese beispiellose Landansammlung in 20.000 Mark – davon Edmund Siemers einer einzigen Hand (es handelt sich fast allein 15.000.277 Vier Jahre später, 1913, um das gesamte anbaufähige Terrain, das erklärte er sich dann bereit, die für den noch in direkter Verbindung mit der Stadt Betrieb der Langenhorner Bahn erforderli- steht) nicht dazu benutzt werden darf, den

| 80 | vom Senat ins Auge gefassten Bevölkerungs- da diese – wie sollte es auch anders sein – auf schichten ein für allemal die Aussicht auf die Bahn keine Rücksicht nehmen würden. bessere Wohnverhältnisse zu rauben. (…) So gaben die Grundstücksgesellschaften peu Da das Land nun einmal in einer Hand ver- à peu auf und verkauften ihr Land, nicht sel- einigt ist, und bei dem bekannten Sinn des ten an Edmund Siemers.282 Herrn Edmund Siemers für öffentliche ··································································· Wohlfahrt – zwei Momente, die für ein pri- Dieser war jedoch ein ganz anderes Kali- vates Besiedelungsunternehmen außeror- ber. Ihn, den Stifter des gerade eröffneten dentlich selten anzutreffen sind – ist die Vorlesungsgebäudes einfach ins Leere laufen Möglichkeit gegeben, etwas wirklich durch- zu lassen, das konnte man sich in der Ham- greifendes und Schönes zu schaffen, das ei- burger Verwaltung nicht so ohne weiteres ner Gartenstadt recht ähnlich werden und erlauben. Nicht zuletzt gehörten Siemers den Dank der Bevölkerung für alle Zeiten große Teile des Landes, welches für den wach halten kann. Ein Hamburger.“279 Bahnbau benötigt wurde.283 Um den Druck ··································································· auf Sperber zu erhöhen, schaltete die Mak- Deutlich wird hier, wie eng Edmund Sie- lerfirma Dr. Wentzel & Gutkaese Anfang mers’ Landkäufe und der Bau der Bahn zu- 1912 die Landherrenschaft der Geestlande sammenhingen. ein, die sich wiederum an die Senatskom- ··································································· mission für Eisenbahnangelegenheiten und Bereits Ende 1911 hatten die Planungen die Baudeputation wandte. Mit Erfolg: Im für die Siemershöhe begonnen, eine März 1912 kamen Beratungen zwischen der 250.000 Quadratmeter große Siedlung auf Finanzdeputation, der Baudeputation und Siemersschen Grundbesitz, gelegen zwi- der Landherrenschaft über die Aufschlie- schen der heutigen U-Bahn-Trasse und dem ßung der Siemersschen Ländereien im süd- Raakmoorgraben. Edmund Siemers’ Archi- lichen Langenhorn in Gang.284 Hieran schlos- tekten Krüger und Knoblauch wandten sich sen sich Verhandlungen des Hamburger Se- an Oberingenieur Ferdinand Sperber, der nats mit Edmund Siemers an, und am 6. federführend für die Planung der Langen- Juni 1913 kam es zu einem Vertrag „zwischen horner Bahn zuständig war, und baten ihn der Finanzdeputation und Edmund J. A. um nähere Informationen hierüber.280 Siemers, betreffend die Aufschließung des ··································································· Geländes ‚Siemershöhe‘“.285 Die Vereinba- War Sperber einige Jahre zuvor bei der ge- rung sah u. a. vor, dass Siemers zunächst auf planten Durchbruchstraße noch sehr aus- eigene Kosten die nötigen Straßen zu errich- kunftsfreudig gewesen, was Grundstücke ten hatte.286 Dies änderte sich bereits wenige betraf, die enteignet werden sollten,281 so Monate später, am 24. Oktober 1913, als ein hatte sich der Baudirektor in Hinblick auf neuer Vertrag zwischen der Finanzdeputation die geplante Langenhorner Bahntrasse bis- und Siemers in Kraft trat, der ihn verpflich- lang sehr zugeknöpft gegeben. Bereits meh- tete, von seinem Langenhorner Gelände bei rere Terraingesellschaften hatten vergeblich Aufschließung durch den Hamburger Staat versucht, ihren Besitz in Bauland umzuwan- diesem „Flächen im Höchstmaß von 25 v. H. deln. Sperber hatte jedoch die eingereichten der Gesamtfläche für öffentliche Zwecke Pläne allesamt als unbrauchbar bezeichnet, (…) unentgeltlich abzutreten“.287

| 81 | ··································································· ··································································· 1914 waren die ersten 26 Villen fertig – Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, in räumlich großzügig ausgestattete Landhäu- die die Erben von Edmund Siemers nach ser –, und zwar in Umgebung der nunmehr dem Ersten Weltkrieg gerieten, und die ge- verlängerten Straße Beim Schäferhof. Sie sunkene Nachfrage auf dem Eigenheim- waren durch die 1910 von Edmund Siemers markt zur Zeit der Weimarer Republik führ- gegründete Eigenheim-Baugesellschaft für ten dazu, dass sich die Eigenheim-Baugesell- Deutschland in Hamburg GmbH errichtet schaft für Deutschland auf ihre Tätigkeit in worden.288 Deren umfassende Tätigkeit be- Langenhorn beschränkte und in den 1920er stand darin, Gelände aufzuschließen, Stra- Jahren ihren Namen in Eigenheim-Bauge- ßen und Siele zu bauen sowie Häuser ein- sellschaft Siemershöhe m.b.H. änderte.292 zugsfertig zu liefern und für diese Finanzie- Trotz der schwierigen Umstände waren bis rungsangebote zu machen. Der billigste Ende der 1930er Jahre die meisten Grund- Haustyp auf der Siemershöhe wurde mit stücke auf der Siemershöhe bebaut, sodass 25.000 Mark Gesamtkosten veranschlagt, die Siedlung einen geschlossenen Eindruck von denen 1.000 Mark anzuzahlen waren machte. und der Rest mit monatlich 160 Mark abbe- ··································································· zahlt werden sollte.289 Kurzum: Die Eigen- Wahrscheinlich nahm sich Edmund heim-Baugesellschaft war auf dem Feld der Siemers die bereits in England entstandenen Bauübernahme und Finanzierung von Gar- Gartenstädte zum Vorbild, als er den Plan tenstädten und Villenkolonien aktiv, wie fasste, Siemershöhe aufzuschließen.293 Auch auch einem Briefkopf der Gesellschaft aus die Programmatik der Gartenstadtbewe- dem Jahr 1919 zu entnehmen ist.290 Hier – gung, gesundes Wohnen mit Zugang zum und nicht beim großangelegten Bodener- eigenen Garten zu ermöglichen, war ihm si- werb – zeigen sich die unternehmerischen cherlich bekannt, wenngleich er als Groß- Ideen des späten Edmund Siemers. Ein Be- grundbesitzer deren sozialreformerische Ele- richt der Baudeputation vom 2. April 1912 mente, also das genossenschaftliche Prinzip fasste zusammen: „Die Eigenheim-Bauge- beim Bodeneigentum, wohl kaum befür- sellschaft für Deutschland in Hamburg wortet haben dürfte. Edmund Siemers, so GmbH kauft keine Terrains, sondern sie der Kunsthistoriker Hermann Hipp, „ging nimmt die Terrains in beurkundeter Form es sichtlich um ‚Reform‘ auf kultureller, ge- in Option; sie kauft den betreffenden Bau- bildeter Grundlage, sein Ziel war eine kul- platz erst an, nachdem sie über das darauf zu tivierte Großstadt – ein typisch hamburgi- errichtende Gebäude einen Werkvertrag mit sches Anliegen im Horizont der insgesamt einem Reflektanten gemacht hat. Wenn die- doch großstadtfeindlichen, regressiven Kul- ser Reflektant Schmidt heißt, so geht dieser turkritik jener Zeit im Kaiserreich. Die un- Bauplatz nicht von dem Eigentümer des leugbar negativen Erscheinungen der Groß- Terrains Meier zunächst an die Eigenheim- stadt galt es im Sinne der Hamburger Re- Gesellschaft, sondern der Platz wird direkt former zwar durchaus zu heilen – ohne die von dem Terraineigentümer Meier an den Großstadt aber als Kulturform (…) aufzu- Reflektanten Schmidt im Grundbuche auf- lösen.“294 gelassen.“291 ···································································

| 82 | Die Langenhorner Badeanstalt

Siemershöhe war von Anfang an als eine gagiert. So ließ er 1913 zwei Scheunen, die relativ geschlossene Siedlung wohlhabender sich an der Langenhorner Chaussee Nr. 94 Mittelständler konzipiert – im Unterschied befanden, zu einem Ferienheim umbauen, zur Staatssiedlung Langenhorn, die später welches den Namen Siemershöhe erhielt. Es (1952) den Namen Fritz Schumachers er- bot viermal im Jahr je 150 Stadtkindern aus hielt. Sie entstand seit 1920/21 auf früherem armen Verhältnissen für vier Wochen Erho- Siemersschen Terrain an der Tangstedter lung. Nach dem Ausbruch des Ersten Welt- Landstraße, nachdem die Hamburgische krieges stellte Siemers das Heim der Kriegs- Bürgerschaft 1919 beschlossen hatte, eine hilfe – einer aus Vertretern und Mitarbeitern Kleinhaussiedlung für Kriegsteilnehmer der Bürgervereine, der Patriotischen Gesell- und kinderreiche Familien zu errichten.295 schaft, des Vaterländischen Frauenvereins Dies markiert den Beginn des städtischen und dem Roten Kreuz bestehenden Hilfsor- Wohnungsbaus in Hamburg. ganisation – zur Unterbringung von Zög- ··································································· lingen der öffentlichen Jugendfürsorge zur Edmund Siemers war in Langenhorn je- Verfügung. Später, in den 1930er Jahren, doch durchaus auch auf sozialem Gebiet en- fungierten die ehemaligen Scheunen dann

| 83 | Das Ferienheim Siemershöhe

| 84 | kurzzeitig als Verwaltungsgebäude der Sie- Hinsch entworfene Flussbadeanstalt blieb mers-Stiftung und dann als Landheim für zwei Jahrzehnte in Betrieb, bis sie 1932/33 Waisenmädchen.296 nach Regulierung des Bornbachs geschlos- ··································································· sen werden musste. 1935 wurde dann eine Bereits 1912 hatte Siemers am Bornbach neue Badeanstalt im Winkel zwischen dem der Gemeinde Langenhorn einen „Platz zur Bahndamm und Hohe Liedt eröffnet, die Errichtung einer Badeanstalt für beide Ge- am Ort des heutigen Naturbades Kiwitts- schlechter überlassen“ und sich bereit er- moor liegt. klärt, diese auf eigene Kosten herzustellen ··································································· und sie dann der Gemeinde zum Betrieb zu Schliesslich hat sich Edmund Siemers übergeben.297 Hier spielten neben sozialen auch als Begründer des Hamburger Jugend- auch politische Überlegungen eine Rolle. parks Langenhorn hervorgetan – dieser exis- Der Politikwissenschaftler Herfried Münk- tiert heute noch, hat eine Größe von ca. ler hat als immer wiederkehrendes Motiv für 40.000 Quadratmetern und bietet vor allem die Stiftung städtischer Schwimmbäder, die für Hamburg besuchende Jugend- und Rei- zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Deutsch- segruppen Aufenthalts- und Unterkunfts- land fast überall auf private Initiativen zu- möglichkeiten.300 Siemers stellte dem Leh- rückgingen, die Vermeidung von sozialen rer Bruno Bensch, der ein Jugendheim für Unruhen und die Sicherung der politischen seine 14- bis 18-jährigen Schüler der Gewer- Stabilität genannt.298 Am 20. Juni 1912 beschule plante, über 33.000 Quadratmeter sprach die Gemeindeversammlung „Herrn Landfläche unentgeltlich zur Verfügung. Siemers für den hochherzigen Entschluß, Diese wurden nach dem Ersten Weltkrieg Langenhorn eine Badeanstalt zu geben, ih- noch einmal durch weitere Ländereien, die ren Dank aus“.299 Keine zwei Monate spä- die Siemers-Stiftung günstig verpachtete, er- ter, am 18. August, wurde sie eröffnet. Die weitert.301 vom Langenhorner Architekten Adolph

| 85 | ·············································································································································· 183 Karlsch; Stokes, Faktor Öl, S. 30. 184 Hieke, Riedemann, S. 112. 185 Schumpeter, Theorie, S. 119. 186 Karlsch; Stokes, Faktor Öl, S. 46 f. 187 Hieke, Anteil, S. 269; Schröder, Siemers, S. 4. 188 Käppler, Entwicklung, S. 15. 189 Detlefsen, Reedereien, S. 8. 190 Vgl. z. B. Förster; Kreuz, Thinking, S. 198. 191 Hieke, Riedemann, S. 121 und 463. 192 Grundmann, 150 Jahre, S. 12. 193 Leider sind keine Quellen aus dem familiären Umfeld von Edmund Siemers (z. B. Briefe) mehr über- liefert, die nähere Aufschlüsse über mögliche Spannungen geben könnten. 194 Brennecke, Windjammer, S. 282. 195 Hamburger Nachrichten Nr. 594 (21. November 1918). 196 Pastor Karl Redlich bei der Beerdigung von Susanne Siemers am 6. Dezember 1920: Archiv ESST, Ordner „Traueranzeigen für alle 3 Stämme“. 197 Karlsch; Stokes, Faktor Öl, S. 30. 198 Hieke, Riedemann, S. 121. 199 Hamburger Nachrichten Nr. 225 (14. Mai 1911). 100 Ahrens, Krisenmanagement, S. 100. 101 Vgl. Stegemann, Siemers, S. 24. 102 Goetz, Geschichte, S. 13. 103 Engel, Siemers. 104 Karlsch; Stokes, Faktor Öl, S. 31. 105 Hieke, Riedemann, S. 16. 106 Karlsch; Stokes, Faktor Öl, S. 31.

| 86 | 107 Käppler, Entwicklung S. 19; Hieke, Riedemann, S. 16 f. 108 Hieke, Anteil, S. 274; Sloman, Entwicklung, S. 101. 109 Zitiert nach: Hieke, Riedemann, S. 165 f. 110 Ebd., S. 227. 111 Schröder, Siemers, S. 4. 112 Engel, Siemers. 113 Werner, Stiftungsstadt, S. 107. 114 In den Findmitteln des Staatsarchivs Hamburg ließ sich kein Verfahren vor dem Niedergericht – das in Hamburg bis 1879 für alle erstinstanzlichen Strafsachen (außer den Handelssachen) zuständig war – gegen Rudolph Siemers nachweisen. 115 Tagebuch (1881⁄82), S. 5. – Auch zu diesem Vorgang finden sich in den entsprechenden Findmitteln des Staatsarchivs Hamburg keinerlei Hinweise. 116 Ebd., S. 5 f. – Aus dem Hamburgischen Geschlechterbuch geht hervor, dass Rudolph Siemers zwischen 1877 und 1887 noch dreimal Vater wurde und die Kinder allesamt in Hamburg geboren wurden (Art. Siemers, S. 309 f.). 117 So die zutreffende Einschätzung von Werner, Stiftungsstadt, S. 107. 118 Ebd. 119 Tagebuch (1881⁄82), S. 6 (Archiv ESST). 120 Ebd., S. 8. 121 Ebd., S. 5. 122 Hieke, Riedemann, S. 164. 123 Ebd., S. 193, 233. 124 Ebd., S. 177 f.; Karlsch; Stokes, Faktor Öl, S. 31. 125 Ebd., S. 33; Hieke, Riedemann, S. 217; Brahm, Art. Riedemann, S. 344. 126 Karlsch; Stokes, Faktor Öl, S. 34. 127 Brack, Erdölpolitik, S. 35. 128 Hieke, Riedemann, S. 282. 129 Ebd., S. 283. 130 Detlefsen, Reedereien, S. 10. 131 Karlsch; Stokes, Faktor Öl, S. 36. 132 Hieke, Anfänge, S. 82. 133 Hieke, Riedemann, S. 285. 134 Hierzu ausführlich Hieke, Riedemann, S. 287 ff. 135 Ebd., S. 288. 136 Karlsch; Stokes, Faktor Öl, S. 36. 137 Zitiert nach: Hieke, Riedemann, S. 289. 138 Käpler, Entwicklung, S. 29 f. 139 Ebd., S. 30. – Zu den Geschäftsmethoden der Standard Oil Company, die in den USA vor allem in der republikanischen Partei Verbündete besaß, vgl. die Ausführungen von Brack, Erdölpolitik, S. 42–54, vor allem S. 47 ff. 140 Gehrke, Entwicklung, S. 7. – Jansen, Wissenschaftsförderung, S. 242, weist darauf hin, dass Standard Oil in den 1890er Jahren 90 % des amerikanischen Raffineriegeschäfts kontrollierte. 141 Brack, Erdölpolitik, S. 55 f. 142 Hieke, Riedemann, S. 290. 143 LaFeber, Empire, S. 23. 144 So z. B. Brack, Erdölpolitik, S. 64. 145 Hieke, Gründung, S. 22; Karlsch; Stokes, Faktor Öl, S. 57. 146 Ebd., S. 30 f. 147 Brack, Erdölpolitik, S. 64.

| 87 | 148 Hieke, Gründung, S. 22. 149 Zitiert nach: ders., Riedemann, S. 292 f. 150 Karlsch; Stokes, Faktor Öl, S. 56. 151 Zitiert nach: Hieke, Gründung, S. 32. 152 Beide Zitate bei ders., Riedemann, S. 341 f. – Es handelt sich um Äußerungen, die im Rahmen der Be- ratungen der „Senatskommission für den Abschluß einer Vereinbarung mit dem Pächter des Petroleumha- fens wegen Räumung des Ostufers und Herstellung weiterer Tankanlagen“ gemacht wurden. 153 Brack, Erdölpolitik, S. 82. 154 Käppler, Entwicklung, S. 33 f. 155 Zitiert nach: Hieke, Riedemann, S. 359. 156 Ebd., S. 364; Auke Visser’s German Esso Tanker’s site (http://www.aukevisser.nl/german/id25.htm; 18. Juli 2014). 157 Hieke, Riedemann, S. 367. – Ludwig Sanders bekam übrigens für die Übertragung seiner Ölgeschäfte auf die DAPG 2.000 Genussscheine zu je 1.000 Mark. 158 So auch Brack, Erdölpolitik, S. 65 f. 159 Zitiert nach: Hieke, Riedemann, S. 363. 160 Edmund Siemers, DPWV-Nachrichten. 161 Hieke, Gründung, S. 32 f. 162 Käppler, Entwicklung, S. 46. 163 Gehrke, Entwicklung, S. 11. 164 Hieke, Gründung, S. 47. 165 Gehrke, Entwicklung, S. 75 nennt als wesentlichen Grund hierfür die Konkurrenz der Shell Transport and Trading Company auf dem deutschen Markt. Standard Oil musste vollständig freie Hand haben, „konnte sich aber bei dem bevorstehenden entscheidenden Ringen (…) der Willfährigkeit der deutschen Aktionäre nicht so sicher sein, wie sie es wünschen musste. Nicht ausgeschlossen ist auch, dass sie mit Sperrung der Zufuhr drohte. Nur so ist die im Umtausch gegen St.O.C.-Aktien, meist aber im glatten Verkauf zu Stande gekommene Uebernahme der Genussscheine zu dem in Anbetracht der hohen Ge- winnquote der letzten Jahre (30–40 % und mehr) lächerlich geringen Kurs von 267 % zu erklären.“ 166 Detlefsen, Reedereien, S. 11. 167 Hieke, Gründung, S. 39. 168 Schröder, Vorwerk, S. 36. 169 So Werner, Stiftungsstadt, S. 107. – Zur Größe des Handelsvolumens der Firma G. J. H. Siemers & Co. ließen sich leider keine genaueren Zahlen ermitteln. 170 Slotta, Chile, S. 18; Pászthory, Salpetergewinnung, S. 18. 171 Kozian, Salpeterfahrt S. 62; Slotta, Chile, S. 18. 172 Ebd., S. 21 ff. 173 Ebd., S. 23. 174 Kozian, Salpeterfahrt, S. 63; vgl. hierzu ausführlich Semper; Michels, Salpeterindustrie, S. 5 ff., 34 ff., 42 ff. 175 Ebd., S. 110. 176 Zwischen 1910 und 1914 waren in den 118 Oficinas 46.470 Arbeiter beschäftigt (Slotta, Chile, S. 63). 177 Ebd., S. 31 f.; vgl. auch Semper; Michels, Salpeterindustrie, S. 69 f. 178 Ebd., S. 72; Slotta, Chile, S. 32. 179 Grundmann, 150 Jahre, S. 17 f.; Hamburgischer Correspondent Nr. 130 (12. März 1910). 180 Schulz, Weltbürger, S. 655. 181 Mansch, Verwaltungs-Archiv. – Eine andere Einschätzung hingegen bei den konservativen „Hamburger Nachrichten“ in einem Nachruf auf Edmund Siemers vom 21. November 1918, die wohl vor allem die Absicht verfolgt, mit Hilfe des Nekrologs eine kritische Distanz zum damaligen revolutionären Tages- geschehen zu schaffen: „Von den sozial-politischen Ansprüchen der Angestelltenschaft wollte er nicht viel wissen; sie schienen ihm die Schwungkraft des Handels zu lähmen. Er erblickte in dem Kaufmann den

| 88 | patriarchalischen Herrn des Hauses, der aus freiem Willen väterlich für seine Leute sorgt, aber sich nicht durch das Reglement die Hände binden lässt. In diesem Sinne hat er stets seine Angestellten weitherzig versorgt und es an Belohnung tüchtiger Leistung nie fehlen lassen.“ Hamburger Nachrichten Nr. 594 (21. November 1918). 182 Quebracho-Holz (http://www.hausgarten.net/haus/holz/holzartenlexikon/quebracho.html; 8. Januar 2014). 183 Detlefsen, Reedereien, S. 12; Mathies, Reederei, S. 154. 184 Vgl. Kröger, Siemers, S. 1452. 185 Wagner, Wiese 2, S. 11. 186 Die Angaben bei Detlefsen, Reedereien, S. 26–33. 187 Grundmann, 150 Jahre, S. 17. 188 Mathies, Reederei, S. 154. 189 Vgl. die Zahlen in der Tabelle bei Mathies (ebd., S. 226). 190 Detlefsen, Reedereien, S. 16 f. 191 Wiese, Männer, S. 43. – In den Jahren 1859, 1889, 1895 und 1905 war es für Segler außerordentlich schwer, Kap Hoorn zu umrunden (Diestel, Schiffe S. 304) – und gerade das Jahr 1905 nimmt einen besonderen Platz in der Chronik der Kap-Hoorn-Fahrten ein (ebd., S. 307). 192 Wiese, Männer, S. 41. 193 So sparte die Firma Laeisz nie an der Ausrüstung ihrer Schiffe und ging in deren Materialstärken stets über das allgemein als notwendig Erachtete hinaus. In den „Instruktionen“, die Carl Laeisz für seine Schiffsführer zusammenstellte, hieß es: „Meine Schiffe können und sollen schnelle Reisen machen; daraus folgt, daß auch alles, was hierzu an Bord notwendig ist, als Riggen, Segel, Tauwerk etc. vollständig und im allerbesten Zustand sein muß“. (zitiert nach: Gerhardt, Laeisz, S. 17). 194 Diestel, Schiffe, S. 310 ff. 195 Die Angaben bei Detlefsen, Reedereien, S. 26 ff. 196 Fock, Reeder. 197 Hamburgischer Verein Seefahrt e.V. (http://www.hvs-hamburg.de/verein/geschichte.html; 18. Juli 2014) – Trulsen, Jahre, S. 21 f., 191. 198 Schuller, Tor, S. 15. 199 Neue Hamburger Zeitung Nr. 594 (21. November 1918). 200 Ebd. 201 Kuratorium, Sitzungen, 1914–1960: Niederschrift über die Sitzung des Kuratoriums, 5. November 1935; an die Herren Mitglieder des Kuratoriums der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung, 3. Januar 1944: Archiv Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung (im Folgenden HWS abgekürzt). 202 Hamburger Fremdenblatt Nr. 61 (13. März 1910). – Neben Edmund Siemers unterschrieben Albert Bal- lin, Rudolf Mönckeberg, Richard Krogmann, Hermann Münchmeyer, Heinrich Edmund Bohlen, Alfred Calmon, Franz Ferdinand Eiffe, Arnold Gumprecht, Max Warburg, Max Oertz und Henry P. Newman den Aufruf. 203 Schuller, Tor, S. 16. 204 Hamburgischer Correspondent Nr. 118 (6. März 1910). 205 Hamburger Nachrichten Nr. 110 (7. März 1910). 206 Hamburgischer Correspondent Nr. 120 (7. März 1910); Schuller, Tor, S. 16; Gerdau, Siemers, S. 34. 207 Hamburger Fremdenblatt Nr. 61 (13. März 1910); Schuller, Tor, S. 16. 208 100 Jahre Hamburg Airport. Geschichte und Geschichten, S. 26 (http://www.100-jahre-hamburg-airport. de/dateien/100_Jahre_Hamburg_Airport_web.pdf; 15. Februar 2013). – Das Gelände gehörte zu einem Teil eventuell auch Edmund Siemers. Leider befinden sich im Archiv der Flughafen Hamburg GmbH keinerlei Unterlagen zu dessen Aktivitäten in Zusammenhang mit dem Bau der Zeppelinhalle. 209 Melhop, Topographie I, S. 633. 210 Schuller, Tor, S. 18. 211 Ebd., S, 23.

| 89 | 212 Dahms, Gängeviertel, S. 152 und 163. 213 Stiftung Hamburgisches Krankenhaus Edmundsthal-Siemerswalde (Hg.): Edmundsthal-Siemerswalde 1898‒1947: Erinnerungen und Erfahrungen von Prof. Dr. med. Johannes Ritter, Chefarzt in Edmunds- thal-Siemerswalde 1899–1947 (Aus dem Nachlaß), Geesthacht 1989 [unveröffentlicht], S. 25 (Archiv ESST). 214 So Wilhelm Wilbrand am 17. Juli 1907: Erster Bericht des von der Bürgerschaft am 27. November 1905 auf Antrag von Dr. Braband und Genossen niedergesetzten Ausschusses zur Prüfung der Frage, ob bei Fertigstellung der Vorortsbahnvorlage, insbesondere bezüglich der Durchbruchstraße, Unregelmäßigkeiten vorgekommen sind (im Folgenden Erster Bericht abgekürzt), S. 175 (StA Hbg., 111-1 Senat, Cl. VII Lit. Ff No. 4 Vol. 30 Fasc. 1, Inv. 73). – Der Grund für die ablehnende Haltung seitens der Finanzdeputation lag wohl vor allem darin, dass im Frühjahr 1905 in der Hamburgischen Bürgerschaft diejenigen Stimmen immer lauter wurden, welche forderten, die Hamburger Verwaltung solle dem Parlament endlich eine Vorlage über das gesamte Projekt der Stadt- und Vorortsbahn vorlegen anstatt es weiterhin nur über den Ankauf einzelner Grundstücke abstimmen zu lassen, ebd., S. 176. 215 So Edmund Siemers am 24. Juli 1907: ebd., S. 258. 216 Dahms, Gängeviertel, S. 225. 217 So die 1995 von Firma herausgegebene Festschrift: 1820–1995. – 1908 kam ein Ausschuss der Hamburgi- schen Bürgerschaft, von dem noch ausführlicher die Rede sein wird, zu folgendem Urteil: „In der Tat konnte und mußte es auffallen, daß ein sehr großer Teil gerade derjenigen Ankäufe, welche sich dem Anschein nach als besonders erfolgreiche Spekulationen auf die Durchbruchstraße darstellten, durch die Hausmaklerfirma Dr. Wentzel & Gutkaese, deren Seniorchef Dr. Wentzel ist, vermittelt worden war.“ Erster Bericht, S. 85 (StA Hbg., 111-1 Senat, Cl. VII Lit. Ff No. 4 Vol. 30 Fasc. 1, Inv. 73). Kritisch zu Wentzel & Gutkaese auch Dahms, Gängeviertel, Specken-Häuser, S. 345. 218 Erster Bericht, S. 17 (StA Hbg., 111-1 Senat, Cl. VII Lit. Ff No. 4 Vol. 30 Fasc. 1, Inv. 73). 219 Ebd., S. 16: „Grundstücke (…), deren Wert nach dem neuen, aber ja noch geheimen, Projekt in erheblich höherem Maße steigen musste, als dies nach dem ersten Projekt der Fall gewesen wäre.“ 220 Ebd., S. 90; vgl. auch die Aussage von Wilhelm Wilbrand am 17. Juli 1907 (ebd., S. 176). 221 Das Frontrecht ist das Recht des Bauplatzeigentümers, gegen die öffentliche Verkehrsfläche Ausgänge und Ausfahrten anzuordnen, Fenster einzurichten und Anschlüsse an die in der öffentlichen Verkehrsfläche liegenden Leitungen herzustellen. 222 Ebd., S. 89. 223 Als solcher hatte er Ende 1904 beim Erwerb des Grundstücks Stadthausbrücke 12⁄14 fungiert, vgl. Mit- teilung der Bürgerschaft an den Senat aus deren 4ter Sitzung am 1. Februar 1905, betreffend den Ankauf von Grundstücken an der Stadthausbrücke (Verhandlungen 1905, S. 77). 224 Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft Nr. 201 vom 9. Oktober 1905: Erwiderung und Antrag, betref- fend Bau und Betrieb von elektrischen Stadt- und Vorortsbahnen (ebd., S. 655–683). 225 Hamburgischer Correspondent Nr. 581 (14. November 1905). 226 Hamburger Echo Nr. 268 (15. November 1905). – Der Hinweis auf den Abgeordneten Hermann Eduard Heubel ist falsch, es war der Abgeordnete August Friedrich Riege, der am 1. November folgendes äußerte: „Da arbeiten Architekten, Makler und Spekulanten seit längerer Zeit schon herum. (…) Es ist, wenn ich einen Vergleich anstellen darf, wie die Hasen in einem Kohlfeld!“ (Stenographische Berichte 1905, S. 756). Die Äußerungen von Carl Paridom Möller in der Hamburgischen Bürgerschaft am 8. November: ebd., S. 795. Vor dem Untersuchungsausschuss gab er am 6. Juli 1907 zu Protokoll, dass seine Aussage auf den Hausmakler und Bürgerschaftsabgeordneten Wilhelm Johannes Wentzel gezielt hätte. Erster Bericht, S. 253 (StA Hbg., 111-1 Senat, Cl. VII Lit. Ff No. 4 Vol. 30 Fasc. 1, Inv. 73). Bürgermeister Mönckeberg äußerte sich erst eine Woche später, am 20. November, zu der Angelegenheit und gab zu, „daß in einzel- nen Fällen auf den Schaden des Staates spekuliert“ worden sei (Stenographische Berichte 1905, S. 867). 227 An diesem Tag legte die Abteilung IV (Politische Polizei) Polizeidirektor Gustav Roscher den Folgeartikel vom 16. November 1905 („Die Hasen im Kohlfeld“), verfasst vom Redakteur Gustav Wabersky, vor (StA Hbg., 111-1 Senat, Cl. VII Lit. Ff No. 4 Vol. 30 Fasc. 1, Material und Zeitungsausschnitte).

| 90 | 228 Hamburger Echo Nr. 112 (14. Mai 1911). 229 Aussage Edmund Siemers am 24. Juli 1907: Erster Bericht, S. 259 (StA Hbg., 111-1 Senat, Cl. VII Lit. Ff No. 4 Vol. 30 Fasc. 1, Inv. 73). 230 Aussage Carl Braband am 20. Dezember 1907: Ebd., S. 195. 231 Stenographische Berichte 1905, S. 805. 232 Aussage Carl Braband am 20. Dezember 1907: Erster Bericht, S. 193 (StA Hbg., 111-1 Senat, Cl. VII Lit. Ff No. 4 Vol. 30 Fasc. 1, Inv. 73). 233 Stenographische Berichte 1908, S. 915 f. 234 Stenographische Berichte 1905, S. 872. 235 Ebd., S. 982. – Der Begriff „Untersuchungsausschuss“ existierte damals noch nicht. Er entstand erst im Februar 1919 während der Beratungen des Staatenausschusses unter Hugo Preuß nach Vorarbeit von Max Weber (vgl. hierzu Untersuchungsausschuss: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/arti- kel_44569; 18. Juli 2014). Dennoch hatte der Ende 1905 eingesetzte Ausschuss bereits grundlegende Züge eines parlamentarischen Kontrollgremiums zur Aufklärung von Sachverhalten, das in Deutschland erst- mals in der Weimarer Reichsverfassung 1919 gesetzlich verankert wurde. Zuvor hatte die Hamburgische Bürgerschaft nur einen Ausschuss ähnlicher Art gewählt, der sich allerdings mit einer einzelnen Person be- fasste. Es handelte sich hierbei um den Schulrat Richard Hoche, so der Bürgerschaftsabgeordnete Eduard Westphal in seiner Rede am 4. November 1908 (Stenographische Berichte 1908, S. 901). 236 Aussage Edmund Siemers am 24. Juli 1907: Erster Bericht, S. 259 (StA Hbg., 111-1 Senat, Cl. VII Lit. Ff No. 4 Vol. 30 Fasc. 1 , Inv. 73). 237 Vgl. z. B. die Aussage von Carl Braband am 20. Dezember 1907 (ebd., S. 195): „Bemerken will ich, dass auch ich erst bei der Vernehmung des Herrn Siemers im Ausschuß gehört habe, daß er beabsichtigt hat, den zu erwartenden Gewinn aus diesen Ankäufen, auf eine Million kompletiert, dem Staat zum Bau einer zweiten Kunsthalle zu schenken. Herr Siemers hat mir hiervon nichts erzählt, als er mir im An- schluß an meine Ausführungen in der Bürgerschaft [also am 13. November 1905, JG] noch einmal ein- gehend seine Verhandlungen mit der Finanzdeputation schilderte.“ Und Franz Bach gab am 6. Januar 1908 zu Protokoll (ebd., S. 166): „Aber wie man jetzt hört, hat Siemers ja selbst gar nichts daran verdie- nen, sondern den ganzen Gewinn dem Staat schenken wollen. Darüber verlautete aber damals garnichts.“ 238 Ebd., S. 119. 239 Hamburger Abendblatt Nr. 224 (25.⁄26 September 2010); Aussage Wilhelm Wilbrand am 17. Juli 1907: Erster Bericht, S. 176 (StA Hbg., 111-1 Senat, Cl. VII Lit. Ff No. 4 Vol. 30 Fasc. 1, Inv. 73). 240 Ebd., S. 89. 241 Mitteilungen der Bürgerschaft an den Senat aus deren 7ter Sitzung am 3. Februar 1904, betreffend den ersten Bericht der Senats- und Bürgerschaftskommission für das Verkehrswesen und betreffend Bau und Betrieb von elektrischen Stadt- und Vorortsbahnen (Verhandlungen 1904, S. 93); Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft Nr. 201 vom 9. Oktober 1905: Erwiderung und Antrag, betreffend Bau und Betrieb von elektrischen Stadt- und Vorortsbahnen (Verhandlungen 1905, S. 655, 658 f., 676). 242 Der vor allem für Wohnungsfragen zuständige Senator Eduard Heinrich Roscher führte in einer Kosten- rechnung vom Juni 1904 aus, dass das Grundstück Pferdemarkt Nr. 1043 (der wichtigste Teil des späteren Siemersschen Grundstückskomplexes) zur „besseren Ausgestaltung hinzu genommen“ werden könne, das Grundstück Pferdemarkt Nr. 596 (ebenfalls ein Teil des späteren Siemersschen Grundstückskomplexes) wurde als „evtl. zu erwerben“ klassifiziert (StA Hbg., 622-1⁄94 Familie Roscher, Nr. I c 9). 243 Baudeputation Iste Sektion, Bericht betreffend: Straßendurchbruch Rathausmarkt-Schweinemarkt, 5. Mai 1905 (StA Hbg., 111-1 Senat, Cl. VII Lit. Ff No. 4 Vol. 30 Fasc. 1, Inv. 22). 244 Erster Bericht, S. 90 (StA Hbg., 111-1 Senat, Cl. VII Lit. Ff No. 4 Vol. 30 Fasc. 1, Inv. 73). – Die Exklusi- vität der (weitgehend unbekannten) Siemersschen Vereinbarung mit Mönckeberg macht auch folgender Hinweis aus dem „Hamburgischen Correspondent“ (Nr. 539 vom 22. Oktober 1905) deutlich: „Verhand- lungen sind aber bis dato mit keinem der Anlieger angeknüpft, wie das bis jetzt auch nicht üblich ge- wesen.“

| 91 | 245 Mitteilung der Bürgerschaft an den Senat aus deren 38ster Sitzung am 4. Dezember 1905, betreffend Bau und Betrieb von elektrischen Stadt- und Vorortsbahnen (Verhandlungen 1905, S. 863 f.). 246 Öffentlicher Anzeiger Nr. 163 (15. Juli 1906), S. 1484: StA Hbg., 353-1 Senats- und Bürgerschaftskommis- sion für die Verbesserung der Wohnungsverhältnisse, 56, Bl. 7. 247 Erster Bericht, S. 90 und 251 (StA Hbg., 111-1 Senat, Cl. VII Lit. Ff No. 4 Vol. 30 Fasc. 1, Inv. 73). 248 Siehe S. 74. 249 So zumindest Alfred Lichtwark rückblickend in einem Brief an den Ersten Bürgermeister Otto Stammann vom 17. September 1907 (Archiv der Hamburger Kunsthalle, Slg. 504, Ordner O-S Siemers). 250 Vgl. § 16 des Expropriationsgesetzes vom 5. Mai 1886: „Der Belauf der dem Expropriaten abseiten des Ex- proprianten zu gewährenden Entschädigung wird in Ermangelung einer gütlichen Verständigung durch die Schätzungskommission festgestellt.“ (Gesetzessammlung 1886, Band 1, S. 35). – Die im § 13 dieses Ge- setzes auf 8 Monate bemessene Frist bei Feststellung der Expropriationspflicht (ebd., S. 34) war übrigens für die Grundstücke, die für die Durchbruchstraße benötigt wurden, auf 2 Jahre verlängert worden. 251 Dies zeigten bereits die Ereignisse 1875⁄76 in Zusammenhang mit seinem älteren Bruder Rudolf; siehe S. 47. 252 Erster Bericht, S. 91 (StA Hbg., 111-1 Senat, Cl. VII Lit. Ff No. 4 Vol. 30 Fasc. 1, Inv. 73). 253 Carl Brabands Aussage in der Hamburgischen Bürgerschaft am 13. November 1905, die Hamburger Presse habe bereits vor dem Erscheinen der Senatsvorlage vom 9. Oktober 1905 über Grundstücksspekulationen im Gebiet der Durchbruchstraße berichtet (Stenographische Berichte 1905, S. 804), ließ sich für die großen Blätter der Hansestadt (die konservativen „Hamburger Nachrichten“, den liberalen „Hamburgischen Correspondenten“, die linksliberale „Neue Hamburger Neue Zeitung“ und das SPD-Blatt „Hamburger Echo“) nicht belegen. Als erstes berichtete das „Hamburger Echo“ (Nr. 246 vom 20. Oktober 1905), gefolgt von der „Neuen Hamburger Zeitung“ (Nr. 505 vom 27. Oktober 1905). 254 Erster Bericht, S. 87 und 121 (StA Hbg., 111-1 Senat, Cl. VII Lit. Ff No. 4 Vol. 30 Fasc. 1, Inv. 73). 255 Ebd., S. 91 f. 256 Aussage Franz Bachs vor dem Untersuchungsausschuss am 6. Januar 1908: Ebd., S. 165 f. 257 Aussage Carl Brabands vor dem Untersuchungsausschuss am 20. Dezember 1907: Ebd., S. 195. 258 Ebd., S. 92. 259 Werner, Stiftungsstadt, S. 240. 260 Vgl. z. B. die Aussage des Abgeordneten Wax am 4. November 1908: „Niemals ist in der Bürgerschaft über einen derartigen Ausschußbericht debattiert worden, eben, weil niemals Zeugen in dem Umfange ver- nommen worden sind. Es musste daher nach dem besten Ermessen und Gewissen der Ausschussmitglieder überlassen bleiben, wie sie verfahren wollten.“ (Stenographische Berichte 1908, S. 906). 261 Vgl. die Bürgerschaftsreden von Eduard Westphal am 1. Mai 1907 (Stenographische Berichte 1907, S. 471) und Hermann Bauer am 28. Oktober 1908 (Stenographische Berichte 1908, S. 878). 262 Dahms, Gängeviertel, S. 207; Krause, Forschung, S. 29. 263 Dahms, Gängeviertel, S. 238; vgl. auch ebd., S. 209, 213. 264 Stenographische Berichte 1908, S. 871, 921. 265 Hamburger Nachrichten Nr. 585 (20. August 1908). 266 Vgl. vor allem die Beiträge der Abgeordneten Th. H. M. Kümpel (Stenographische Berichte 1908, S. 874), Hermann Bauer (ebd. S. 878) und Eduard Westphal (ebd., S. 902). 267 Dahms, Gängeviertel, S. 239. 268 Schulze, Wiese, S. 4. 269 Achilles, Bahnhöfe, S. 28. 270 Melhop, Topographie II, S. 409. 271 Schulze, Wiese, S. 4. 272 Melhop, Topographie I, S. 621. 273 Die Zahlen bei A. G. Carlsson: Erinnerungen an Edmund J. A. Siemers und an die Siemers-Stiftung. Eine Abschrift aus dem Langenhorn-Archiv von Erwin Möller [Original: Hamburg, 15. Juli 1942]

| 92 | (Langenhorn-Archiv); vgl. außerdem Freie und Hansestadt Hamburg, Finanzbehörde, Liegenschafts- verwaltung an die Siemers-Stiftung, 3. August 1953 (Archiv ESST), wo für Langenhorn bereits für das Jahr 1913 der Besitzstand von 6.621.184,7 Quadratmetern angegeben wird. 274 Die Größe des Besitzes wird auch deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass in diesen Jahren ein anderes wirtschaftliches Schwergewicht in der Hamburger Kaufmannschaft, der Guanohändler Heinrich von Ohlendorff, „nur“ 2,7 Millionen Quadratmeter Land in Volksdorf sein Eigen nannte (Schröder, Ohlendorff, S. 56). 275 Gemeindeverwaltung der Hansestadt Hamburg, Kämmerei – Liegenschaftsverwaltung an Herrn Bürger- meister Krogmann, 6. Mai 1941: StA Hbg., 351-8 Aufsicht über Stiftungen (Siemers-Stiftung), B 872. 276 Vertrag zwischen der Gemeindeverwaltung der Hansestadt Hamburg, Kämmerei – Liegenschaftsverwal- tung und der Siemers-Stiftung vom 5. und 25. März 1942: Archiv ESST. 277 Wagner, Wiese 2, S. 11, 13. 278 A. G. Carlsson: Erinnerungen an Edmund J. A. Siemers und an die Siemers-Stiftung. Eine Abschrift aus dem Langenhorn-Archiv von Erwin Möller [Original: Hamburg, 15. Juli 1942] (Langenhorn-Archiv). 279 Neue Hamburger Zeitung Nr. 545 (19. November 1912). 280 Wagner, Wiese 2, S. 12. 281 Dahms, Gängeviertel, S. 220. 282 Die vorherigen Ausführungen nach Wagner, Wiese 2, S. 12. 283 Ebd. 284 Dr. Wentzel & Gutkaese an die Landherrenschaft der Geestlande, 17. Januar 1912: StA Hbg., 412-3 Landherrenschaft der Geestlande, XXXI, Nr. 18733. 285 Der Vertrag: Ebd., 111-1 Senat, Cl. IV Lit. B No. 4 Vol. 2d Fasc. 4, Inv. 27 sowie Wagner, Wiese 3, S. 10. 286 Ders., Wiese 4, S. 9. 287 Vertrag vom 24. Oktober 1913 zwischen der Finanzdeputation und Edmund J. A. Siemers, betreffend die Abtretung von Flächen im Höchstmaß von 25 % der Gesamtfläche für öffentliche Zwecke bei Aufschlie- ßungen: Archiv ESST; vgl. auch Tauschvertrag zwischen der Siemers-Stiftung und der Heimstätte Schles- wig-Holstein G.m.b.H. vom 14. Juli/ 10. August 1936 und Nachtrag vom 12. Mai 1937: ebd. 288 Wagner, Wiese 2, S. 12; Berg; Hein, Siemershöhe, S. 1 f. 289 Wagner, Wiese 5, S. 10. 290 Ders., Wiese 2, S. 12. 291 Baudeputation I. Sektion, Bericht betreffend Aufteilung eines Teiles der Langenhorner Ländereien von E. J. A. Siemers, 2. April 1912: StA Hbg., 412-3 Landherrenschaft der Geestlande, XXXI, Nr. 18733. 292 Wagner, Wiese 2, S. 12. 293 Berg; Hein, Siemershöhe, S. 1 f. 294 Hipp, Saxa, S. 6. 295 Schade, Langenhorn, S. 18; vgl. ausführlich Wulff, Werden. 296 Schlüter, Vergangenheit, S. 24; vgl. A. G. Carlsson: Erinnerungen an Edmund J. A. Siemers und an die Siemers-Stiftung. Eine Abschrift aus dem Langenhorn-Archiv von Erwin Möller [Original: Hamburg, 15. Juli 1942] (Langenhorn-Archiv) sowie Archiv der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung: Büsch, Christoph Wilhelm: Senator Johannes August Lattmann. Sein Leben, Hamburg 2012 (unveröffentlichtes Typoskript), S. 13 f. – Zur Siemers-Stiftung siehe S. 179 ff. 297 Melhop, Topographie I, S. 643. 298 Münkler, Anstifter, S. 30. 299 Hamburgische Landgemeinde Langenhorn, Protokoll der Gemeinde-Versammlung am 20. Juni 1912: StA Hbg., 412-4⁄9 Gemeinde Langenhorn, II 1 d. 300 Hamburger Jugendpark Langenhorn (http://www.hamburger-jugendpark.de; 23. April 2013). 301 A. G. Carlsson: Erinnerungen an Edmund J. A. Siemers und an die Siemers-Stiftung. Eine Abschrift aus dem Langenhorn-Archiv von Erwin Möller [Original: Hamburg, 15. Juli 1942] (Langenhorn-Archiv). ··············································································································································

| 93 | Ein älterer Herr

| 94 | [5]

Der Stifter

Vom Bourgeois zum Citoyen – bürgerlicher Kultur hin, wie es in der Bür- Motive des Stifters Edmund gertumsforschung formuliert worden ist: Siemers die Hochachtung vor individueller Leistung ··································································· und, damit verbunden, eine positive Grund- Sein enormer wirtschaftlicher Erfolg als haltung gegenüber geregelter Arbeit und Unternehmer, der ihm das Gefühl gab, „es rationaler, methodischer Lebensführung. geschafft“ zu haben, bildete für Edmund Als ausgesprochen bürgerlich galt in dieser Siemers die Basis, um in den 1890er Jahren Perspektive das Streben nach selbstständiger als Stifter in die Öffentlichkeit zu treten. In Gestaltung individueller und gemeinsamer seinen Worten: „Vor allem war es in meinem Aufgaben.303 Auch Edmund Siemers war Beruf mein Ziel, durch das Prosperieren dies wichtig, wie z. B. ein Tagebucheintrag meiner Firma derselben Ehre und mir die vom April 1912 bezeugt: „Der Mann ist der nötigen Mittel zu verschaffen, meiner Fami- Glücklichste, der sich selbst alles schafft, lie und meinen Mitbürgern wohl zu tun. nicht immer nach oben blicken muß und Dafür ist der erste Teil der letzten 25 bis 30 sein eigener Herr ist.“304 Jahre meiner Arbeit gewesen. Als ich dann ··································································· nun durch Abgabe nach 15 Jahren eines Ge- Auch – und gerade – mäzenatische Hand- schäftszweiges resp. Umwandlung und Be- lungen waren Ausdruck einer bürgerlichen teiligung bei einer Gesellschaft in die Lage Kultur, die größtes Gewicht auf Selbststän- kam, einen Teil meiner Zeit frei zu bekom- digkeit legte.305 Nach dieser hatte Edmund men, habe ich dieselbe voll und ganz einge- Siemers bereits in jungen Jahren gestrebt. setzt für Beteiligung an staatlichen Interes- Zu einer solch starken Persönlichkeit passte sen und gemeinnützigen und wohltätigen es, dass sie entscheiden wollte, für welche öf- Bestrebungen.“302 fentliche Zwecke sie ihr Geld einsetzte, dass ··································································· sie die Lösung dringender Aufgaben lieber Weshalb trat Edmund Siemers nun als selbst in die Hand nahm, als sie irgendwel- Stifter in die Öffentlichkeit? Oder anders chen Gremien zu überlassen – kurzum: dass gefragt: Welche Motive hatte der Stifter Ed- sie gestalten wollte.306 Gerade hier, in der in- mund Siemers? dividuellen Entscheidung, in der „Stifter- ··································································· willkür“, so hat jüngst der Mäzen Jan Phi- Die Einträge in seinem Tagebuch weisen lipp Reemtsma betont, liegt der soziale Sinn immer wieder auf ein klassisches Merkmal des Stiftens: Geld für einen ganz bestimm-

| 95 | ten Zweck auszugeben, der keinen materiel- scheiden: Immer geht es um eine fragile len Gewinn bringt.307 So schrieb Edmund Balance aus egoistischen und altruistischen Siemers zur Jahreswende 1906/07, dass der- Elementen.310 Funktional der Linderung jenige „seinen Beruf am besten (erfüllt), der bestimmter vom Stifter so gesehener Miss- nicht nur für sich zu verdienen versucht, stände dienend, haben Stiftungen intentio- sondern seinen Verdienst und seine Fähig- nal durchaus auch politische, kommerziel- keiten benutzt, um neben seiner Familie sei- le und ethisch-religiöse Elemente. Hinzu nen Mitmenschen und dem Staate zu die- kommt das Motiv der Selbstdarstellung des nen, das Verdienst muß stets über den ökonomisch Erfolgreichen, der Wunsch, Verdienst gestellt werden. Hierdurch erklärt der Gesellschaft „etwas zurückzugeben“ und sich so manches in meinem Leben und mei- vielleicht auch das eigene Gewissen zu er- nen Bestrebungen.“ Und wenige Zeilen spä- leichtern – ein Verbund aus gefühlter Ver- ter die Ergänzung: „Wie ich schon er- pflichtung und Selbstreinigung.311 Es ergibt wähnte, ist es für den Mann richtig und es also wenig Sinn, davon auszugehen, der gibt ihm allein die volle Lebensbefriedi- Antrieb für die Errichtung von Stiftungen gung, wenn er nicht egoistisch für seinen Er- stamme einzig aus dem schlechten Gewis- werb, sondern auch für die Menschheit sen; genauso wenig hat es Sinn anzuneh- wirkt. Nicht die Erwerbung der Mittel für men, Stiftungen seien einzig mit Bürgersinn den feinen Rock und Hut sind die Haupt- zu motivieren und entstünden vollkommen sache, sondern die Bildung dessen, was da- interessenfrei. Auch Stifter dürfen Interes- runter sitzt, das Herz und der Kopf. Die sen haben, und wer das für anrüchig hält, Leute, welche nur reich sind, stehen in mei- sollte bei Karl Marx nachlesen, dass sich auf ner Achtung weit unter denen, welche für Dauer jede Idee blamiert, der kein Interesse ihre Vaterstadt und Mitmenschen etwas leis- zugrunde liegt.312 ten.“308 ··································································· ··································································· Wie bereits im Prolog betont, verkörpert Liest man Tagebuchstellen wie diese, so Edmund Siemers geradezu idealtypisch ei- wird deutlich: Edmund Siemers’ mäzenati- nen Stifter aus dem hamburgischen Groß- sches Verhalten hatte den Ursprung im pri- bürgertum um 1900. Deshalb ist es kaum vaten Bereich und wandte sich ins Öffent- verwunderlich, dass sich in seinem stifteri- liche hinein. Siemers zielte darauf ab, seine schen Handeln die größeren Entwicklungs- (bürgerlichen) Tugenden in die gesellschaft- linien des Hamburger Stiftungswesens jener liche Praxis umzusetzen. Auf diese Weise Zeit widerspiegeln: Neben der Ausrichtung wurde der bourgeois Edmund Siemers zum auf eine (klein-)bürgerliche Unterstützungs- Staatsbürger – zum citoyen, der bestrebt klientel war dies vor allem die Spezialisie- war, Normen und Inhalte bürgerlicher Kul- rung auf bestimmte Aufgabengebiete wie tur in einer sich rapide wandelnden und in z. B. die Tuberkulose-Bekämpfung.313 Um Bewegung geratenen Gesellschaft zu ver- die Jahrhundertwende gewann dann in den breiteter Geltung zu verhelfen.309 Kreisen des Großbürgertums die Kultur- ··································································· und Wissenschaftsförderung zunehmend Es ist wichtig, bei der Motivstruktur eines an Bedeutung, während gleichzeitig die pri- Stifters zwischen zwei Aspekten zu unter- vate Wohltätigkeit an sozialer Exklusivität

| 96 | Edmund Siemers, seine Feder und ein Tintenfass (1904) verlor. Dies hing vor allem damit zusam- jekte von führenden städtischen Repräsentan- men, dass immer mehr Bürger – zum Teil ten in gezielter Abstimmung zu Stiftungs- mit deutlich niedrigerem Sozialstatus – auf vorhaben anregen.315 Auch bei Edmund Sie- diesem Feld aktiv wurden und paternalisti- mers ist dies zu beobachten: Entwickelte er sche Gesten des Großbürgertums nachahm- die Konzeption seines „Lieblingskindes“,316 ten.314 „Sozial“ zu sein war en vogue in den der Lungenheilstätte Edmundsthal-Sie- Jahren nach dem Regierungsantritt Wil- merswalde, noch relativ eigenständig, so war helms II. die Planung des Vorlesungsgebäudes von ··································································· Anfang an durch intensive Beratungen mit Einhergehend mit dem Bedeutungsge- Vertretern der Stadt gekennzeichnet – winn der Wissenschaftsförderung, die um namentlich mit Werner von Melle, der seit 1900 einen Wachstumsschub erlebte, ver- seiner Wahl zum Senatssyndicus 1891 zum stärkte sich die Kooperation zwischen Staat politischen Führungspersonal Hamburgs und großbürgerlichen Stiftern. Diese ließen gehörte. sich nunmehr bei der Konzeption ihrer Pro- ···································································

| 97 | Der Meister der Inszenierung fällt unmittelbar ins Auge: Diese Koinzi- ··································································· denz war sicherlich nicht zufällig.320 Die Motivstruktur eines Stifters ist kein ··································································· einfach zu erklärendes Phänomen – schon Auch wenn Edmund Siemers im Privaten allein deshalb, weil sie eine Reihe dichoto- damit kokettierte, „daß ich sonst nicht viel mischer Momente aufweist: bourgeois vs. aus Geburtstagen & besonders nicht aus citoyen, egoistisch vs. altruistisch, intentio- dem Meinigen zu machen pflegte“,321 ver- nal vs. funktional etc. Was bislang für den knüpfte er dennoch dieses Datum immer Stifter Edmund Siemers noch nicht in den wieder mit seinen Stiftungen. So fand der Blick genommen wurde, ist die Umwand- erste Spatenstich für die Errichtung des Vor- lung von Geld in Prestige, von ökonomi- lesungsgebäudes an seinem Geburtstag, schem in symbolisches Kapital – und vice dem 12. März 1909, statt. Genau ein Jahr versa. später, am 70. Geburtstag, wurde Richtfest ··································································· gefeiert; außerdem verkündete Siemers an Zweifelsohne besaß Edmund Siemers diesem Tag, dass er für die Lungenheilstätte ein besonderes Talent für die öffentliche In- Edmundsthal-Siemerswalde ein weiteres szenierung. In den allermeisten Fällen – Gebäude stiften würde. Er selbst schreibt sieht man von den Grundstücksgeschäften über diesen Tag: „(…) meinen Geburtstag in der Altstadt-Nord ab – wusste er dabei gedachte ich ruhig und in der Familie zu persönliche Interessen und Bürgersinn in verleben, es kam anders; (…) so wurde mir Balance zu bringen. Michael Werner beob- doch von allen Seiten soviel Liebe und An- achtet bei ihm ein „Ineinandergehen von erkennung [zuteil, JG], daß ich aufrichtig Persönlichkeit, Unternehmertum, Wohltä- bekenne, es tat mir sehr wohl. Die Deputa- terschaft, Darstellung und Wahrnehmung“ tion, geführt von Mitgliedern des Senats, er- und eine „Verbindung von Mäzenatentum, schien schon 8.30 Uhr und erschienen wäh- Geschäftssinn, öffentlicher Anerkennung rend des ganzen Tages: Hauspflegeverein, und Selbstinszenierung“.317 Edmundsthal, Wissenschaftliche Stiftung, ··································································· Fraktion der Bürgerschaft, Jacobi-Kirchen- Deutlich zeigt dies die Festschrift „Die vorstand etc. etc.“322 Im Glückwunsch- Geschichte des Hauses G. J. H. Siemers & schreiben des Hamburger Senats heißt es: Co. Hamburg“, die 1911 anlässlich des 100- „Hinter Ihnen liegen glückliche, erfolgrei- jährigen Bestehens der Firma veröffentlicht che Jahre, in denen Sie unermüdlich zum wurde. Sie räumt der eigentlichen Unter- Wohle der Vaterstadt gewirkt und durch nehmensgeschichte weniger Platz ein als der großzügige Förderung gemeinnütziger Zwe- Darstellung der Stiftertätigkeit von Ed- cke Ihren Mitbürgern ein leuchtendes Bei- mund Siemers.318 Auch der Umstand, dass spiel gegeben haben. Die Lungenheilstätte der Festakt zu diesem Jubiläum am 15. Mai in Geesthacht und das eben jetzt seiner äu- 1911 im Hamburger Rathaus stattfand – also ßeren Vollendung entgegengehende Vorle- nur zwei Tage, nachdem das Vorlesungsge- sungsgebäude werden das noch späteren bäude mit einer symbolischen Schlüsselrei- Generationen bezeugen.“323 chung aus der Hand des Stifters feierlich an ··································································· die Hansestadt übergeben worden war319 – Dass bei Edmund Siemers Wohltäterschaft

| 98 | Karte zum 100-jährigen Firmenjubiläum (15. Mai 1911)

| 99 | Straßen-Bild und Darstellung ineinander übergingen, gische Bürgerschaft auf Antrag des Senats, macht auch seine „Namenspolitik“ deutlich. die Grindelallee zwischen der Moorweiden- Seitdem er Ende der 1880er Jahre als Reeder straße und dem Loignyplatz in Edmund- in Erscheinung trat, benannte er seine Siemers-Allee umzubenennen.325 Eine un- Schiffe nach seiner Frau, seinen Kindern – gewöhnliche Entscheidung – war doch auch und nicht zuletzt nach sich selbst. In den zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine solche 1890er Jahren setzte er diese Praxis auf ande- Ehrung einer noch lebenden Person eine rem Terrain fort, als er damit begann, seine Ausnahme.326 Dass Edmund Siemers die erste große Stiftung als familiären Erinne- Benennung von Straßen nach ihm oder rungsort zu etablieren: So erhielten die ein- Mitgliedern seiner Familie durchaus forciert zelnen Kurhäuser der Lungenheilstätte die hat und sie ihm nicht einfach angetragen Namen Susanne, Hans, Kurt und Thekla, wurde, zeigt folgende Episode: Im Juni 1914 und die gesamte Einrichtung wurde Ed- wandte er sich an den ihm bekannten Ober- mundsthal-Siemerswalde benannt. Damit regierungsrat der Finanzdeputation Johann stand der Name Siemers fortan nicht mehr Daniel Krönig und machte sich dafür stark, nur für die Firma, sondern auch für (s)eine für neu anzulegende Straßen in Langenhorn Stiftung.324 – bezeichnenderweise in der Siedlung Sie- ··································································· mershöhe – die Vornamen von Angehörigen Am 2. Oktober 1907 beschloss die Hambur- der Familie Siemers zu verwenden. Aller-

| 100 | dings scheiterte er mit diesem Vorhaben, Festmahl, das der Senat dem Stifter zu Eh- da, so ein Gutachten des für solche Fragen ren im Kaisersaal des Rathauses gab. In die- eigentlich zuständigen Staatsarchivs, „die sem feierlichen Ambiente wurde Edmund mit Vornamen gebildete(n) Straßennamen Siemers – der nicht nur auf das Ehrenbür- viel weniger charakteristisch sind, wie die gerrecht seiner Vaterstadt gehofft, sondern von alten Flurnamen abgeleitete(n) Straßen- diesen Wunsch auch über entsprechende namen.“327 Kontakte in den Senat lanciert hatte332 – mit ··································································· der selten verliehenen Ehrendenkmünze in In Hamburg gab es zwar einige vergleich- Gold ausgezeichnet – das einzige äußere Ab- bare Fälle, etwa in einem Areal des Stadtteils zeichen, so Werner von Melle, „das Ham- Winterhude, dessen Straßen fast ausschließ- burg überhaupt zu gewähren vermochte“, lich die Namen von Familienmitgliedern blieb doch, zumindest nach traditionellem Adolph Sierichs trugen – Siemers’ Bestre- Verständnis des 19. Jahrhunderts, das Eh- bungen waren also nicht gänzlich unge- renbürgerrecht Auswärtigen vorbehalten.333 wöhnlich. Dennoch blieb nicht aus, dass Die Ehrendenkmünze, höchste Auszeich- seine Art und Weise der Verbindung von nung der Republik Hamburg, war zuvor Mäzenatentum und Inszenierung in der nur dem Kaufmann Johann Heinrich Schrö- Hansestadt auf Kritik stieß. Sie äußerten der verliehen worden. sich z. B. in einem Brief, den der Rechtsan- ··································································· walt Dr. Eduard Westphal – ein weiterer Be- Seit 1909 war Edmund Siemers Träger des gründer der Hamburgischen Wissenschaft- „Preußischen Königlichen Kronenordens lichen Stiftung – im Oktober 1915 an 2. Klasse“.334 Die Tatsache, dass er diesen Werner von Melle schrieb, und in dem es überhaupt annahm, deutet auch bei ihm – hieß: „Muß denn bei jeder Gelegenheit im- dem Hamburger Großkaufmann par excel- mer wieder und wieder Siemers gedankt lence – Feudalisierungstendenzen an. Dieser werden?“328 Der scharfzüngige Hamburger Mentalitätswandel lässt sich, beginnend um Richter, Kunstsammler und Mäzen Gustav 1890, vielfach im Hamburger Großbürger- Schiefler nennt Siemers in seiner „Hambur- tum beobachten. Johannes Siemers, der gischen Kulturgeschichte“ einen „Nabob Vater von Edmund, hätte den Kronenorden von Gnaden des amerikanischen Öls und vermutlich noch mit dem Hinweis ausge- mit dem Öl des Gemeinsinns gesalbt, der in schlagen, dass er damit in eine Art Ergeben- den amerikanischen Milliardären seit Jahr- heitsstellung zum preußischen Monarchen zehnten lebendig ist“329 – Nabob galt im da- getreten wäre. Der Sohn nahm die Aus- maligen Sprachgebrauch als „verderbter Eh- zeichnung an, lehnte jedoch weiterhin – an- rentitel“.330 Auch an anderen Stellen in ders als z. B. Johann Heinrich Schröder – Schieflers Betrachtungen wird Edmund Sie- eine Nobilitierung ab und schrieb in sein mers nicht gerade in günstigem Licht dar- Tagebuch: „ (…) ich bin stolz darauf, ein- gestellt.331 fach Hamburger Bürger zu sein und nicht ··································································· Freiherr einer fürstlichen Gnaden zu Zurück zur eben erwähnten Einweihung sein“.335 Hier blieb er der republikanischen des Vorlesungsgebäudes am 13. Mai 1911: Tradition verhaftet, waren doch Nobilitie- Dieser Tag wurde abgeschlossen durch ein rungen bis 1860 in Hamburg verpönt und

| 101 | Grüße aus Edmundsthal-Siemerswalde

| 102 | mit dem Verlust der Ratsfähigkeit verbun- diese Stiftung folgendermaßen zusammen- den, am sinnfälligsten formuliert durch den gefasst: „Ich bin oft gefragt worden, warum Ausspruch Susanne Amsincks, geborene Be- Herr Edmund Siemers sich gerade die Be- renberg-Gossler, die im Januar 1889, als ihr kämpfung der Tuberkulose zum Gegen- Bruder John in den preußischen Adelsstand stand seiner großzügigen Wohltätigkeit aus- erhoben worden war, voller Entsetzen äu- gesucht habe. Maßgebliche schriftliche Auf- ßerte: „Aber John, unser guter Name!“336 zeichnungen oder bestimmte Äußerungen ··································································· von ihm selbst darüber, was ihn veranlasste, Edmundsthal-Siemerswalde – sich für die Bekämpfung der Tuberkulose der Geesthachter Zauberberg einzusetzen, liegen nicht vor. Herr Siemers ··································································· hat mir selbst gelegentlich erzählt, daß er So wie Thomas Mann in seinen „Budden- von Kind auf an eine besondere Vorliebe für brooks“ das Großbürgertum verewigt hat, Ärzte und ärztliche Wissenschaft gehabt schuf sich Edmund Siemers seinen „Zauber- habe und gern Arzt geworden wäre.“339 berg“: die Lungenheilstätte Edmundsthal- Theodor Rumpel, der spätere ärztliche Di- Siemerswalde. Sie diente sicherlich nicht rektor des Allgemeinen Krankenhauses dem „Zauberer“ als Vorbild, schaffte es je- Barmbek, war Freund und Hausarzt der Fa- doch immerhin in den 1912 erschienenen milie Siemers und seit 1901 Fraktionskollege Unterhaltungsroman „Familie Hahnekamp von Edmund Siemers in der Hamburgi- und ihr Freund Schnurrig. Die fröhliche schen Bürgerschaft.340 Rumpel habe Siemers Geschichte einer Befreiung“ von Hermann geraten, so Ritter, in der Nähe Hamburgs Krieger.337 eine Lungenheilstätte zu stiften.341 Denn ··································································· Tuberkulose lasse sich nicht nur durch teure Am 10. Dezember 1896 bot Edmund Sie- Sanatoriumsaufenthalte im Gebirge aushei- mers dem Hamburger Senat eine Schen- len, sondern auch bei gesunder Waldluft in kung an, die er zwei Jahre später in folgende Norddeutschland.342 Die Krankheit in dem- Worte fasste: „Ich, Edmund Julius Arnold selben Klima zu kurieren, in dem sie ent- Siemers, geleitet von dem Wunsche, meinen standen war – dies war ein vollkommen weniger bemittelten Mitbürgern zu helfen neuer Ansatz, der zudem eine soziale Kom- und meiner Vaterstadt Hamburg in dem ponente barg. Denn nunmehr bestand auch unablässigen Streben, unverschuldeter Noth für weniger wohlhabende Menschen Aus- abzuhelfen, soviel in meinen Kräften steht, sicht auf Genesung von der damals als Handreichung zu leisten: stifte unter den in „Volksseuche“ bezeichneten Tuberkulose, dieser Urkunde enthaltenen näheren Be- die Ende des 19. Jahrhunderts eine der häu- stimmungen hierdurch ein Kapital von M figsten Todesursachen bei Erwachsenen in 250000,– (…), damit dasselbe Verwendung Deutschland war.343 finde zur Erbauung und Einrichtung einer ··································································· ‚Heilstätte für unbemittelte Tuberkulose- Und so stiftete Edmund Siemers eine der Kranke‘.“338 ersten Lungenheilstätten in Deutschland. ··································································· Es ging ihm darum, „möglichst persönlich Johannes Ritter, von dem gleich noch die von Mensch zu Mensch (…) zu wirken“,344 Rede sein wird, hat Siemers’ Motive für weil er, um erneut Johannes Ritter zu zitie-

| 103 | ren, „in der gesetzlich geregelten Fürsorge hilfsverein von 1861‘ hilft durch seine rei- kein Feld der Betätigung“ fand.345 So liegt es chen Mittel den ihm von der Anstalt zu- nahe, dass die Heilstätte „besonders für gewiesenen Kranken, die sich in Mietnot selbstständige Handwerker, kleine Gewer- befinden (…). Der Hauspflegeverein er- betreibende usw. bestimmt“ war, außerdem möglicht für solche Familien, die bei einer für „die von den Armenverbänden gesand- Heilstättenkur der Hausfrau oder Mutter in ten Kranken“.346 Sie richtete sich also vor al- Bedrängnis und Verfall zu geraten drohen, lem an die Angehörigen solcher Berufe, die die Zuweisung von zuverlässigen Wärterin- nicht der gesetzlichen Versicherungspflicht nen zu einem billigen Preise, unter Umstän- unterlagen. Dabei hatte die Behandlung sol- den auch unentgeltlich.“348 cher Patienten Vorrang, „die von der Tuber- ··································································· kulose zwar ergriffen, aber noch voraus- Edmund Siemers hatte sich ausbedungen, sichtlich heilbar sind“.347 dass der Hamburger Senat durch finanzielle ··································································· Unterstützung den Betrieb der Heilstätte si- Um die Familien der Kranken während der cher- und für diese ein geeignetes Terrain Behandlungszeit zu unterstützen, richtete unentgeltlich bereitstellte.349 Dem wurde Siemers einen Unterstützungsfonds ein, der Rechnung getragen: 1897 empfahl der Senat finanzielle Beihilfen zur Verfügung stellte. der Bürgerschaft, einen Zuschuss für die Außerdem bildeten sich im Laufe der Zeit Einrichtung zu bewilligen. Dieser stieg in Kooperationen mit anderen privaten sozia- den folgenden Jahren kontinuierlich an und len Organisationen heraus: „Der ‚Miete- erreichte im Jahr 1918 die Höhe von 375.000

„Edmundsthal-Siemerswalde vom Flugzeug aus gesehen“

| 104 | Blick auf die Elbe (1904)

Mark.350 1898 wurde nach längerer Suche in ckerten, die Bildung von Bodennebel; zu- Geesthacht, das damals noch zu Hamburg dem war es landschaftlich mit der Aussicht gehörte, ein geeigneter Standort gefunden. über die Elbe auf die niedersächsische Es handelte sich um ein nach Süden zur Marsch und die Türme Lüneburgs am Ho- Elbe hin offenes Tal, das optimale Bedin- rizont äußerst reizvoll gelegen. Das gesamte gungen für die Behandlung von Tuberkulo- Gelände, eine Fläche von zunächst rund sepatienten bot: Zum einen schützten es 240.000 Quadratmetern, die nach und nach Wälder gegen Nord- und Westwinde, zum auf 595.000 Quadratmeter vergrößert wur- anderen verhinderte der Sandboden der de, blieb Eigentum des hamburgischen Geest, in dem Niederschläge schnell versi- Staates; dies galt ebenso für die Gebäude,

| 105 | Die Eröffnung am 4. Mai 1899 – in der Mitte: Susanne und Edmund Siemers, rechts unten: Dr. Johannes Ritter (markiert)

| 106 | | 107 | | 108 | Ein familiärer Erinnerungsort

| 109 | Saxum loquitur die in der Folgezeit auf dem Terrain errich- 104 Betten, die zunächst nur männlichen tet wurden – damals eine gängige Praxis bei Tuberkulosekranken vorbehalten waren. der Überlassung von staatlichem Grund Doch bereits 1902 wurden auch Patientin- und Boden an Stiftungen.351 nen aufgenommen, nachdem das – später so ··································································· genannte – Hans-Haus fertig gestellt wor- Noch im selben Jahr (1898) wurde mit dem den war. In den folgenden zehn Jahren Bau des Thekla-Hauses begonnen. Schon wurde die Heilstätte durch den Bau weite- bald zeigte sich, dass die von Siemers ur- rer Krankengebäude (des Kurt- und des Su- sprünglich gestiftete Summe nicht ausrei- sannen-Hauses) und Nebenhäuser peu à chen würde, und so erhöhte er sie kurzer- peu erweitert, sodass 1912 insgesamt 345 Bet- hand auf 330.000 Mark.352 Doch damit ten für Männer, Frauen und Kinder zur Ver- nicht genug: Bis 1912 stellte er der Einrich- fügung standen.354 Nach eingehenden Bera- tung insgesamt rund 1,3 Millionen Mark zur tungen bewilligte Siemers – der im eigenen Verfügung.353 Haus „seinen“ Petroleumlampen die Treue ··································································· hielt – für die Krankenräume die damals Am 4. Mai 1899 war es soweit. Die Heil- noch keineswegs übliche elektrische Be- stätte wurde mit einer großen Feier eröffnet, leuchtung. Da Geesthacht selbst bis 1921 an der auch Bürgermeister Johann Georg keine eigene Stromversorgung hatte, musste Mönckeberg teilnahm. Zwei Tage später auf dem Gelände ein eigenes Elektrizitäts- wurden die ersten vier Patienten begrüßt. werk errichtet werden. Insgesamt bot das Thekla-Haus Raum für ···································································

| 110 | Edmundsthal-Siemerswalde war als Heilstätte alle zwei bis drei Monate und privatrechtliche Stiftung alten Hamburgi- legte dabei besonderen Wert auf persönliche schen Rechts organisiert. Deren Verwaltung Gespräche mit Patienten.356 Diese aktive war einem Kuratorium übertragen, in dem Teilhabe war typisch für den Stifter Ed- neben Edmund Siemers auch Theodor mund Siemers. So betonte Bürgermeister Rumpel Mitglied war, außerdem Vertreter Max Predöhl bei dem bereits erwähnten des Senats und der Bürgerschaft. Vorsitzen- Festmahl des Senats anlässlich der Einwei- der des Kuratoriums war bis zum seinem hung des Vorlesungsgebäudes am 13. Mai Tod im Jahr 1904 der Präses des Medizinal- 1911: „Denn er hat für diese Stiftungen mehr kollegiums, Bürgermeister Gerhard Hach- noch geleistet als die Gabe der äußeren Mit- mann, ihm folgte Senator Carl August tel; er hat für seine Stiftungen sich selbst ein- Schröder. gesetzt in hingebender persönlicher Arbeit; ··································································· die Pläne, die Ausführung, die Ziele im ein- Für das operative Geschäft gab es einen zelnen geprüft und geleitet und mit seinem engeren Verwaltungsausschuss, dem einige Wesen durchdrungen.“357 Mit diesem Enga- Mitglieder des Kuratoriums angehörten. gement erwarb sich Edmund Siemers – wie Den Vorsitz hatte hier bis zu seinem Tod sein Frankfurter Pendant, der Kaufmann 1918 Edmund Siemers, „wodurch er (…) und Großindustrielle Wilhelm Merton – maßgeblich das Schicksal der Anstalt in große Verdienste: Zählten diese beiden Un- Händen hatte und ihre weiteren Geschicke ternehmer doch zu den Ersten, die die bestimmen konnte“.355 Er besuchte die Grundregeln effizienter Organisation vom

Die Hauptliegehallen

| 111 | Wirtschaftsleben auf den sozialen Bereich übertrugen und damit die Professionalisie- rung des Fürsorgesektors entscheidend vo- rantrieben, noch bevor der Staat diese Auf- gabe übernahm.358 ··································································· Nun einige Worte zu Johannes Ritter, des- sen Name schon mehrfach erwähnt wurde: Für ihn wurde Edmund Siemers’ Stiftung zum Lebenswerk – Manuel Freys Beobach- tung, dass sich im Kaiserreich oftmals die Interessen der wohlhabenden Stifter mit Aufstiegs- und Karrierehoffnungen von An- gehörigen der bürgerlichen Mittelschichten verbunden hätten, trifft hier in besonderem Maße zu.359 Bevor Ritter als 30-jähriger 1899 Plakette zum 50-jährigen Bestehen der Stiftung leitender Arzt der Heilstätte wurde – was er Edmundsthal-Siemerswalde mit den Porträts von bis 1947 (!) bleiben sollte –, war er zur Vor- Edmund Siemers und Johannes Ritter, bereitung für mehrere Monate als Volon- von Edwin Scharff tärsarzt nach Davos in das Sanatorium Tur- ban gegangen; außerdem hatte er den Leiter und durch die persönliche Aussprache, bei der Berliner Charité Professor Dr. Carl Ger- der der Vorgesetzte mehr und mehr zum hardt besucht, der sich damals besonders für älteren und erfahrenen Freunde wurde, be- die Bekämpfung der Tuberkulose einsetz- kamen diese Zusammenkünfte im Laufe der te.360 Gerhardt war übrigens der Urgroß- Jahre einen vertraulichen und freundschaft- vater des Verfassers dieser Biographie. lichen Charakter; es waren keine strengen ··································································· ‚dienstlichen Berichte‘, die der erste Vorsit- Im Laufe der Jahre entwickelte sich zwi- zende des Vorstandes von seinem Anstalts- schen Siemers und Ritter eine partnerschaft- leiter forderte, sondern freundschaftliche liche Zusammenarbeit, die dieser in seinen Aussprachen, die zu einem gegenseitigen Erinnerungen folgendermaßen beschreibt: Vertrauensverhältnis führten. (…) Der alte ··································································· Herr Siemers legte Wert darauf, daß er auch „Wenn die Anstalt in 48jährigem Bestehen über kleine Vorgänge unterrichtet war, trotz aller Schwierigkeiten vor ernsten Er- wenn er in der Bürgerschaft, auf der Börse, schütterungen bewahrt geblieben ist, so hat bei den berühmten Herrendiners, in denen dazu sicher eine grundsätzliche Anordnung örtliche politische Dinge, Personalfragen in des ersten Vorsitzenden, Edmund J. A. Sie- künstlerischen und wissenschaftlichen Din- mers, beigetragen. Er verlangte von dem lei- gen besprochen wurden, auf irgendwelche tenden Arzt, daß er in jeder Woche einmal Dinge angeredet wurde, die in der Anstalt auf seinem Kontor erschien, um ihm münd- vorgekommen sein sollten. Das hat der An- lich über die Vorkommnisse in der Anstalt stalt Nutzen gebracht; manches törichte zu berichten. Durch ihre Regelmäßigkeit und unrichtige Gerede ist auf diese Weise

| 112 | rechtzeitig aus der Welt geschafft oder rich- das Susannen-Haus begonnen, und drei tig gestellt worden.“361 Jahre später konnten die ersten Patienten in ··································································· die Neurologische Rehabilitationsklinik Während des Ersten Weltkrieges wurde aufgenommen werden. das Thekla-Haus im Februar 1916 für das ··································································· Reservelazarett Altona beschlagnahmt. Es 2001 musste über das Vermögen der „Stif- wurde mit lungenkranken Soldaten belegt, tung Hamburgisches Krankenhaus Ed- stand aber weiterhin unter der Leitung von mundsthal-Siemerswalde“ (wie diese seit Johannes Ritter und wurde im Juli 1919 zu- 1963 hieß) ein Insolvenzverfahren eröffnet rückgegeben. Als achtzehn Jahre später werden – was deren Ende einläutete. Ur- Geesthacht infolge des Groß-Hamburg-Ge- sache für die Überschuldung waren in der setzes nach über 500-jähriger Zugehörigkeit Vergangenheit nicht bilanzierte und auch zu Hamburg nach Lauenburg zurückkehrte, nicht durch ein entsprechendes Aktivver- war die Heilstätte nicht unmittelbar betrof- mögen gedeckte Pensionsverpflichtungen fen: Der Grund und Boden wurde zwar po- von 16,2 Millionen Mark.363 Die Neurologi- litisch ein Teil des preußischen Staates, ver- sche Rehabilitationsklinik wurde daraufhin blieb aber Privateigentum von Hamburg.362 vom Insolvenzverwalter im Wege der Sanie- Nach dem Zweiten Weltkrieg verschoben rung auf die Humaine Klinik Edmundsthal sich mit dem Rückgang der Tuberkulose die GmbH (Humaine) übertragen. Fünf Jahre Aufgaben der Einrichtung, deren medizini- später übernahm sie die zum Fresenius-Ge- scher Auftrag seit 1963 darin bestand, Pa- sundheitskonzern gehörende Helios-Grup- tienten mit tuberkulösen und unspezifi- pe, zu der sie noch heute gehört. Die Klinik schen Lungenerkrankungen aller Art zu für Geriatrie wiederum wurde durch die Vi- versorgen. Zwei Jahre später erweiterte sich tanas-Gruppe saniert. Im Juni 2002 schlos- das Spektrum um die Behandlung aller in- sen der Insolvenzverwalter und die Vitanas neren Krankheiten. Management GmbH einen Übernahmever- ··································································· trag, der die Eröffnung des Vitanas Senio- In den 1980er Jahren kam es dann zu einer ren Centrums Edmundsthal und der Vita- grundlegenden Umstrukturierung in zwei nas Klinik für Geriatrie zur Folge hatte, voneinander unabhängige Spezialkliniken: welche sich auch heute noch auf dem Ge- 1982 wurde die Klinik für Interdisziplinäre lände befinden. Nachsorge für überwiegend ältere Patienten ··································································· mit 96 Betten im Hans- und im Kurt-Haus Engagement in der bürgerlichen eröffnet. Entsprechend den Krankenhaus- Selbstverwaltung, der Politik plänen der Freien und Hansestadt Ham- und im Deutschen Wehrverein burg entwickelte sich diese Einrichtung zur ··································································· Klinik für Geriatrie. Parallel zur Etablierung Wie schon sein Vater hatte auch Edmund der Klinik für Interdisziplinäre Nachsorge Siemers zahlreiche öffentliche Ehrenämter erfolgte die Vorbereitung einer Einrichtung inne. Wirkte Johannes Siemers als altham- zur Rehabilitation schwer schädelhirnver- burgischer Oberalter, so stieg sein Sohn im letzter Kinder und Jugendlicher. 1982 wurde neuen politischen System auf, dessen Rah- mit dem Anbau des Therapiegebäudes an men die Verfassung von 1860 bildete – und

| 113 | Führungspersonal der Hansestadt Hamburg auf der Kieler Woche (1910) – von links: Johann Heinrich Burchard, Carl August Schröder, Edmund Siemers, Max Predöhl, Gottfried Holthusen, Adolph Tietgens, Otto Eduard Westphal und William Henry O’Swald zwar zu einer Zeit, in den 1890er Jahren, als Hinweise auf die Motive, weshalb er sich in ein Modernisierungsprozess in der Ham- der Hamburger Verwaltung engagierte: burger Verwaltung einsetzte, die sich lang- ··································································· sam hin zu einer rationalisierten und profes- „Ich erinnere mich noch, daß mein guter sionalisierten Bürokratie entwickelte.364 Vater zu mir sagte, ‚mein Sohn, Du musst Auslöser dieser Entwicklung war die Chole- ein tüchtiger Kaufmann werden, aber Du raepidemie von 1892 gewesen, die ein grel- sollst auch so wie ich Interessen haben für les Licht auf Defizite der althergebrachten die Verwaltung deiner Vaterstadt.‘ So ist es Selbstverwaltung geworfen hatte. gekommen, daß ich mich, so bald es mög- ··································································· lich war, in manche Verwaltung, in Depu- Eine kurze Ansprache von Edmund Sie- tationen und in die Bürgerschaft gewählt zu mers – gehalten auf dem bereits erwähnten werden, mich bemüht habe. Diese Ehre ist Festmahl des Senats am 13. Mai 1911 – gibt mir wiederholt zuteil geworden und ich

| 114 | habe infolgedessen in manches hinein- glied der „Gefängnißdeputation“ gewirkt schauen können und mir über manche (1873 bis 1878), so wurde er 1890 Mitglied Dinge ein Urteil bilden können. Dabei habe der „Ersatzcommsission II in der Verwal- ich den Eindruck gewonnen, wie schön, wie tungs-Abteilung für das Militairwesen“ und gut und richtig für uns Hamburger ist, daß Handelsrichter am Landgericht, 1892 Mit- wir eine Verwaltung haben, in der Senat glied des „Bezirksausschusses der hiesigen und Bürger, beide aus der Praxis hervorge- Reichsbankhauptstelle“ und Anfang 1897 – gangen, in gemeinsamer Arbeit für uns das also kurz nachdem er dem Senat die Schen- Notwendige schaffen und beraten. Beson- kung der Lungenheilstätte angeboten hatte ders habe ich immer bewundert, wie gerade – Mitglied des Medizinalkollegiums.369 Be- die Herren an der Spitze der Verwaltung mit reits im folgenden Jahr, 1898, trat er als Mit- bewunderungswürdigem Verständnis für glied der Finanzdeputation sein wichtigstes die Praxis, anregend und regulierend mit ei- öffentliches Amt an. In dieser „ersten Be- sernem Fleiße und nie ermüdender Arbeits- hörde“, wie Siemers sie nannte, war er acht kraft wirken.“365 Jahre bis 1906 tätig, wobei er 1903 kurz in die ··································································· Baudeputation abgeordnet wurde.370 Seine Edmund Siemers’ Engagement atmete also Motive, sich ehrenamtlich in der bürgerli- ganz den Geist der bürgerlichen Selbstver- chen Selbstverwaltung zu engagieren, kamen waltung. Dabei stand ihm sicherlich eine bereits zur Sprache. Was die Finanzdeputa- personell dünn besetzte Administration vor tion betrifft, so wäre zu ergänzen, war die Augen. Denn auch zu Beginn des 20. Jahr- Mitarbeit in der „vornehmste(n) Behörde des hunderts gab es in Hamburgs Behörden Stadtstaates“ sicherlich auch deshalb beson- noch immer relativ wenig Beamte, und der ders attraktiv, als sie einen entscheidenden überwiegende Teil der Verwaltungsarbeit Einfluss auf die Staatsfinanzen sicherte.371 wurde von den ehrenamtlichen Mitarbei- ··································································· tern der Deputationen geleistet.366 In der Fi- 1906 ließ sich Siemers nicht wieder in die nanzdeputation, die infolge des Ausbaus des Finanzdeputation wählen. Ob dabei die just Hafens, der Verkehrswege und des Bahnnet- zu dieser Zeit laufenden Verhandlungen mit zes sowie der Stadtsanierung vor ganz neuen „seiner“ Behörde wegen des Verkaufs der Aufgaben stand, wurden für deren Bearbei- Siemersschen Grundstücke am Pferdemarkt tung seit 1896 zwar zunehmend Beamte und eine Rolle gespielt haben, sei dahin gestellt. Angestellte herangezogen – dennoch: Die Siemers selbst bemerkt in seinem Tagebuch: Kontrolle lag weiterhin bei den Deputier- „aber wohl überlegt habe ich trotz vielfacher ten,367 und ihr Präses, Bürgermeister Johann Aufforderung wieder zu kandidieren (wenn Georg Mönckeberg, bearbeitete und prüfte ich wieder kandidiert hätte, so war kein alle wichtigen Fragen dieses Ressorts immer Zweifel an meiner Wiederwahl) mich nicht noch selbst.368 wieder aufstellen lassen, denn wenn ich ··································································· heute auch noch rüstig bin, so wäre ich bei Nach dem Ausstieg aus dem Petroleumge- 9-jährigem Turnus dann 76 Jahre alt gewe- schäft begann Edmund Siemers, sich ver- sen und ich sagte mir, bin ich dann auch stärkt in öffentlichen Ämtern zu engagieren. noch rüstig genug oder vielleicht gar ein Hatte er zuvor lediglich einige Jahre als Mit- Ballast für meine Kollegen?“372

| 115 | ··································································· recht derart gestaltet, dass nur 5 Prozent der Hamburg war zu Lebzeiten von Edmund städtischen Bürger ihre Stimme abgeben Siemers eine Republik, nicht jedoch eine konnten und alle anderen ausgeschlossen Demokratie. Wie in den anderen Hanse- waren.373 Trotzdem gelang es der SPD bei städten bestanden noch vormoderne Verfas- der Wahl von 1904, 13 Bürgerschaftsman- sungsstrukturen, die erst die Revolution von date zu gewinnen. Um ihr weiteres Erstar- 1918/19 beseitigte. Noch zu Beginn des 20. ken zu verhindern, setzten Senat und Bür- Jahrhunderts war das Hamburger Wahl- gerschaft 1906 eine Revision des ohnehin

| 116 | Die Hamburgische Bürgerschaft (1897) – unten links: Edmund Siemers ungleichen Wahlrechts zu Ungunsten der Der sogenannte „Wahlrechtsraub“ führte wenig besitzenden Schichten durch. Wäh- dazu, dass 128 von 160 Plätzen in der Ham- rend Bürgermeister Johann Georg Möncke- burgischen Bürgerschaft für einkommens- berg und fünf weitere Senatoren die um- starke Wähler reserviert waren. Während strittenen Änderungen ablehnten, war Ed- das monarchische Preußen sich wenigstens mund Siemers – wie auch Werner von Melle auf eine historische Überlieferung seines – ein Befürworter dieses „arbeiterfeindli- Klassenwahlrechts berufen konnte, führte chen Wahlgesetzes“ (Gustav Schiefler).374 das republikanische Hamburg es in einer

| 117 | verschärften Variante ein, als seine Über- ten dort ausgezeichnet zum Wohle Ham- kommenheit längst offenkundig war. burgs. Das wissen wir (Bravo!), darauf kön- ··································································· nen wir stolz sein.“378 Wie schon bei seiner Seit 1892 gehörte Edmund Siemers als Mit- Ansprache zwei Jahre zuvor äußerte sich Sie- glied der Fraktion der „Rechten“ der Ham- mers auch bei dieser Gelegenheit sehr posi- burgischen Bürgerschaft an, neben der „Lin- tiv über die bürgerliche Selbstverwaltung in ken“ und dem „linken Zentrum“ bis 1904 Hamburg. Die soziale Wirklichkeit sah al- eine der drei dort vertretenen Fraktionen – lerdings anders aus: Diejenigen, die ein po- doch täuschen die Namen: Sie bezogen sich litisches Ehrenamt hätten übernehmen kön- damals auf die Sitzordnung im Parlament, nen, drückten sich häufig hiervor, während nicht auf die politischen Positionen.375 Von diejenigen, die politisch interessiert waren, den Notabeln gewählt, der kleinsten und oftmals zum Großteil der Hamburger ge- einflussreichsten Klasse im Hamburger hörten, die von der politischen Teilhabe aus- Dreiklassenwahlrecht,376 war er 26 Jahre bis geschlossen waren.379 zu seinem Tod 1918 Parlamentsmitglied. Er ··································································· kandidierte also nicht – anders als z. B. Max Wo ist Edmund Siemers nun im politi- Warburg seit 1910 – bei den allgemeinen schen Spektrum des Deutschen Kaiserreichs Wahlen für die Hamburgische Bürgerschaft. anzusiedeln? ··································································· ··································································· Siemers war in der Bürgerschaft „einer der Seine Enkelin Toni Schlingloff schreibt, er treuesten Besucher der Sitzungen“, jedoch habe den amerikanischen Staatsmann und kein großer Redner und ergriff das Wort Reformer Carl Schurz verehrt.380 Dieser nur, „wenn er es für nötig hielt, in wichti- hatte als radikaldemokratischer Revolutio- gen Entscheidungen Zeugnis abzulegen; när 1849 am badischen und pfälzischen Auf- und dann sprach er nur wenige Minuten. Er stand teilgenommen, musste dann aus verfocht dabei immer den Standpunkt des Deutschland fliehen und wanderte schließ- alten Kaufmannstums, der selbstständigen lich 1852 in die USA aus, wo er zu einer Entschließung und des wagemutigen Un- wichtigen Figur in der damals aufstreben- ternehmens“, so die „Hamburger Nachrich- den Republikanischen Partei wurde, bei der ten“.377 Als ältestes Mitglied eröffnete er am sich die Gegner der Sklaverei sammelten. Im 7. März 1913 die neu gewählte Bürgerschaft. amerikanischen Bürgerkrieg kämpfte er für In seiner Rede blickte er auf die „großartige die Unionsarmee und wurde später US-In- Entwicklung“ Hamburgs der letzten 50 nenminister. Jahre zurück: „Sie ist zuzuschreiben der Tat- ··································································· kraft, dem Fleiß der Hamburger und der Der Hinweis von Schlingloff lässt sich glücklichen Zusammensetzung unserer Ver- nicht näher belegen. Gegen ihn spricht, fassung. Senat und Bürgerschaft neben ei- dass Edmund Siemers zu nationalliberalen nander, das gibt jedem die Initiative, dasje- Reichstagsabgeordneten in Berlin gute Kon- nige zu tun, was für Hamburg erforderlich takte pflegte und in der Hamburgischen ist, und so kann ein jeder für Hamburg wir- Bürgerschaft der Fraktion der Rechten an- ken. (Bravo!) Überall, auch in den Deputa- gehörte, die sich 1916 in Nationalliberale tionen, sitzen unsere Bürger und sie arbei- Fraktion umbenannte381 – und diese stand

| 118 | nicht in der Tradition der Demokraten von gleich auch bei ihm gewisse Feudalisierungs- 1848/49.382 Insofern ist auch die Äußerung tendenzen in späteren Lebensjahren zu be- von Hans-Edmund Siemers problematisch, obachten sind. Als engagierter Hamburger Edmund Siemers’ Mutter habe diesem als Bürger war er zeitweise in der „Verwaltungs- Berlinerin Hoffnung und Begeisterung für Abteilung für das Militairwesen“ aktiv, was eine nationalliberale demokratische Ent- sich durchaus mit einer kritischen Haltung wicklung in die Wiege gelegt. Edmund Sie- gegenüber dem Militarismus „von oben“ mers war kein Demokrat wie etwa Carl vereinbaren ließ. Wahrscheinlich standen Schurz. Als solcher hätte er sich 1906 nicht ihm die weniger martialischen Aufzüge des für den „Wahlrechtsraub“ ausgesprochen Bürgermilitärs näher als Wachablösung, und sich auch nicht 26 Jahre lang als Vertre- Zapfenstreich, paradierende Truppen, bun- ter der Notabeln in die Hamburgische Bür- te Uniformen und Militärmusik.385 gerschaft wählen lassen. ··································································· ··································································· Bei seinen Kindern sah das schon anders Weitaus zutreffender ist eine andere Be- aus: Der älteste Sohn war Königs-Ulan und merkung von Hans-Edmund Siemers über Dragoner in Oldenburg und Hannover, er- seinen Großvater: „Als erfolgreicher Unter- warb ein Landgut außerhalb Hamburgs und nehmer verehrte er den Realpolitiker Bis- heiratete in zweiter Ehe eine Adlige; die marck. (…) Edmund J. A. Siemers miss- Töchter ehelichten keine Kaufmänner, son- traute wie Bismarck dem nationalen Chau- dern (nacheinander) einen preußischen Ge- vinismus und dem protzigen Militarismus, neralleutnant. Edmund Siemers konnte mit der nach Entlassung Bismarcks im März diesem Berufsstand wenig anfangen – und 1890 den neuen außenpolitischen Kurs machte daraus auch keinen Hehl. In seinem mehr und mehr bestimmte.“383 Allerdings Tagebuch weist er beispielsweise auf die bedarf diese Einschätzung der näheren Er- „Einseitigkeit des dortigen Lebens“ hin und läuterung: Edmund Siemers stand dem Mi- auf die „Gefahr, daß die Töchter nur (…) litarismus „von oben“ der traditionellen noch vornehmlich Militär kennen und preußischen Eliten des Kaiserreichs fern, sollte einmal eine Verheiratung kommen, welcher zwischen 1890 und 1905 die deut- dann wünschte ich vor allen Dingen einen sche (Militär-)Politik dominierte. Daneben Mann, der wie der Großkaufmann die größ- gab es jedoch, wie der Historiker Stig Förs- te Selbstständigkeit besitzt und nicht immer ter in seinem Buch „Der doppelte Militaris- nach oben zu schauen braucht“.386 mus“ dargelegt hat, auch einen bürgerli- ··································································· chen, historisch jüngeren Militarismus „von Trotz dieser kritischen Worte war Siemers unten“, der nach 1905 immer mehr an Bo- intensiv an der Gründung des Hamburger den gewann und sich schließlich durch- Landesverbandes des Deutschen Wehrver- setzte.384 Und dieser Spielart des Militaris- eins beteiligt, der mit seinem Konzept der mus stand Edmund Siemers weitaus weni- Massenmobilisierung ein Paradebeispiel für ger kritisch gegenüber. den Militarismus „von unten“ ist.387 Am 6. ··································································· April 1912 schrieb er seiner Schwiegertoch- Wie schon erwähnt, führte er einen ausge- ter Ilona: „Ich habe für Hamburg den Wehr- sprochen bürgerlichen Lebensstil – wenn- verein in die Hand genommen, was mich

| 119 | colossal viel Zeit & Arbeit kostet aber für einen Vortrag des Gründers und geschäfts- Deutschland eine sehr wichtige gute Sache führenden Vorsitzenden des Deutschen ist.“388 Wehrvereins, Generalmajors a. D. Keim, zu ··································································· hören. (…) Auch Bürgermeister O’Swald Auslöser für die Gründung des Vereins wohnte dem Vortrage bei. (…) Herr Ed- war die Zweite Marokkokrise 1911 gewesen, mund Siemers begrüßte die Anwesenden, deren Ausgang von vielen als „zweites Ol- wies auf den großartigen Aufschwung hin, mütz“, als diplomatische Niederlage emp- den das Vaterland genommen hat, und be- funden wurde. Heinrich Class, Vorsitzender zeichnete es als eine Begleiterscheiung, daß des Alldeutschen Verbandes – welcher vom Nachbarvölker einen gewissen Neid emp- Historiker Thomas Nipperdey einmal als fänden und darauf bedacht seien, Deutsch- „Kernorganisation des Radikalnationalis- land seine Errungenschaften zu rauben oder mus“ bezeichnet worden ist389 –, entwi- zu schmälern.“ Danach sprach Keim und ckelte daraufhin zusammen mit General- warf der Regierung vor, „daß sie Deutsch- major August Keim den Plan, eine Organi- land nicht zur alten militärischen Höhe em- sation nach dem Vorbild des Deutschen porgeführt habe. Sie müsse dem Reichstag Flottenvereins ins Leben zu rufen. Deren die Verantwortung überlassen und ihn nach Ziel sollte sein, sich für die Stärkung der Hause schicken, wenn er versage (Lebhafter deutschen Heeresrüstung stark zu machen, Beifall). Deutschland müsse seine militäri- da die Krise gezeigt habe, dass Frankreich sche Vormachtstellung wieder erlangen. aufgrund des schwachen deutschen Heeres Den patriotischen Geist zu stärken, sei auch nicht zum Einlenken bereit gewesen sei. Im die deutsche Frau berufen. Zum Schluß Januar 1912 gegründet, wurde der Deutsche streifte der Redner die politischen Verhält- Wehrverein binnen kurzer Zeit unter Keims nisse Deutschlands und erklärte, uns fehlten Vorsitz zum zweitgrößten Agitationsverein die großen Tatenmenschen wie die Staats- im Kaiserreich.390 In Hamburg entstand und Kriegshelden früherer Jahrzehnte. Das eine der größten Ortsgruppen.391 Bei Aus- deutsche Volk verliere sich in Sentimentali- bruch des Ersten Weltkrieges gehörten dem täten und vergesse, daß nicht Gold, sondern Wehrverein rund 360.000 individuelle und Eisen entscheide. General Keim schloß mit korporative Mitglieder an, nur der 1898 ge- dem Wahlspruch Moltkes: Stets treu bereit gründete Deutschen Flottenverein konnte für des Reiches Herrlichkeit. Brausender mehr aufweisen.392 Beifall folgte diesen Worten. Herr Siemers ··································································· dankte darauf dem Redner herzlich für sei- Am 12. April 1912 fand in Sagebiels Fährhaus nen Vortrag.“393 eine Zusammenkunft statt, über die der ··································································· „Hamburgische Correspondent“ einen Tag Noch einen Schritt weiter ging General- später ausführlich berichtete: leutnant Alfred von Wrochem, Vorstands- ··································································· mitglied des Deutschen Wehrvereins, als er „Der Hamburgische Landesverband des sich zu dessen Aufgaben im März 1913 auf ei- Deutschen Wehrvereins hatte seine Mitglie- ner Sitzung des Alldeutschen Verbandes äu- der sowie alle national gesinnten Vereine ßerte und dabei ganz offen völkische Ideale und Kreise Hamburgs (…) eingeladen, um zum Ausdruck brachte: „Ein vorwärtsstre-

| 120 | bendes Volk wie wir, das sich so entwickelt, größerung der Friedenspräsenzstärke des braucht Neuland für seine Kräfte, und wenn Heeres um 117.267 Mann hatte zur Folge, der Friede das nicht bringt, so bleibt schließ- dass dort der Anteil der bürgerlichen Offi- lich nur der Krieg. Dieses Erkennen zu we- ziere stieg, was wiederum den feudalen Cha- cken, sei der Wehrverein berufen.“394 rakter des deutschen Offizierkorps beein- ··································································· trächtigte.399 Auch dies war sicherlich ganz Um es klar zu stellen: Edmund Siemers im Sinne von Siemers – bei allen Vorbehal- teilte – wie die Mehrheit der Vereinsmitglie- ten, die er gegenüber diesem Berufsstand der – solche völkischen Positionen nicht, die hegte. Hatte der Militarismus „von oben“ im Vorstand des Deutschen Wehrvereins doch darauf abgezielt, den Prozentsatz der weit verbreitet waren.395 Er blendete sie – adligen Offiziere bei etwa 60 Prozent festzu- wie viele andere im Hamburger Bürgertum schreiben,400 was zweifelsohne die „Einsei- – einfach aus. Seinem Engagement im tigkeit“ beförderte, die Siemers in seinem Wehrverein lagen andere Motive zugrunde. Tagebuch kritisierte. Welche, das verdeutlicht ein Blick in sein ··································································· Tagebuch. Dort schreibt er über die Grün- Festzuhalten bleibt: Edmund Siemers dung des hamburgischen Landesverbands: verkannte bei seinen Bestrebungen, den „Ich freue mich, sagen zu können, es war das Frieden zu erhalten, die programmatische Richtige zur rechten Zeit, Deutschland war Ausrichtung und Ideologie des Deutschen zurückgeblieben und musste sich stärken. Wehrvereins, dessen Führung die Notwen- Der Erfolg ist die jetzige Wehrvorlage sei- digkeit und Unvermeidbarkeit des Krieges tens der Regierung, die zum großen Teil auf als Faktor der Reinigung propagierte.401 Mit das Bestreben des Wehrmachtsvereins (sic) seinem Engagement für diesen nationalisti- hinzuführen ist. Nur durch eine starke Wehr schen Agitationsverein leistete er dem Mili- ist, soweit es überhaupt möglich, den Frie- tarismus „von unten“ im Deutschen Kaiser- den (sic) zu erhalten.“396 reich Vorschub. ··································································· ··································································· Wie die meisten anderen Mitglieder des Wenngleich bei Weitem nicht so radikal Deutschen Wehrvereins nahm Siemers an, wie beim Deutschen Wehrverein, so wan- dass dessen Aufgaben erfüllt seien, nachdem delten sich nach Ausbruch des Ersten Welt- der Deutsche Reichstag im Juni 1913 ein Ge- krieges auch Edmund Siemers’ politische setz zur Erhöhung der Armeestärke verab- Positionen. schiedet hatte.397 So verwundert kaum, dass ··································································· er seine Aktivitäten für den Verein komplett Besonders deutlich wurde dies, als er mit einstellte, wie überhaupt dessen Bedeutung 200 namhaften Hamburger Persönlichkei- vorübergehend abnahm. Bei Ausbruch des ten und Firmen den Aufruf „England ist un- Ersten Weltkrieges trat der Deutsche Wehr- ser Feind“ unterzeichnete, der am 26. Sep- verein dann allerdings wieder mit umso ra- tember 1916 im „Hamburgischen Corres- dikaleren antisemitischen und rassistischen pondent“ abgedruckt wurde und in dem es Positionen auf den Plan.398 heißt: ··································································· ··································································· Die in der Wehrvorlage vorgesehene Ver- „England hat jahrelang zur Vernichtung

| 121 | Deutschlands seine Netze gesponnen. Eng- die britisch-deutschen Beziehungen schon land hat zur Vernichtung Deutschlands seit Längerem nicht den Charakter eines selbst zu den Waffen und zu den zweifelhaf- auf beiden Seiten anerkannten friedlichen testen wirtschaftlichen Mitteln gegriffen Wettbewerbs gehabt hätten, sondern vom und England bereitet zu unserer immer voll- „rücksichtslosen englischen Vernichtungs- ständigeren Vernichtung die Welt planmä- willen“ gekennzeichnet gewesen seien.404 ßig auf den Wirtschaftskrieg im Frieden ge- ··································································· gen Deutschland vor. Das konsequente, Kirchliches Engagement in der seiner Tradition getreue England wird auf Tradition der lutherischen einen Frieden auf anderer Basis als unserer Orthodoxie Vernichtung bzw. – was auf dasselbe hinaus- ··································································· kommt – unserer wirtschaftlichen Lahmle- Auch beim kirchlichen Engagement trat gung und Knechtung nur dann zusteuern, Edmund Siemers in die Fußstapfen seines wenn es in weiser Abschätzung seiner selbst- Vaters. 1869 wurde er, gerade einmal 29 erkannten Schwäche sich dazu gezwungen Jahre alt, von den Diakonen in St. Jacobi sehen sollte. Daher gibt es für uns nur eine zum Adjunkten gewählt, avancierte also Losung: durchzuhalten in der klaren Er- zum Gemeindevorstand.405 Dies geschah in kenntnis, daß England unser Feind ist, den „vordemokratischer Praxis“,406 denn die es niederzuringen gilt, wenn unsere bisheri- Verfassung der evangelischen Landeskirche gen Opfer an Gut und Blut nicht umsonst wurde in Hamburg erst am 9. Dezember gezahlt sein sollen. Wir geben diese Erklä- 1870 verkündet. Seit 1871 war Siemers Ge- rung ab im vollen Bewusstsein, daß das In- meindeverordneter, bevor er 1883 Kirchen- teresse an der baldigen Wiederkehr friedli- vorsteher und 1904 schließlich Gemeindeäl- cher Zustände nirgendwo ausgeprägter sein tester von St. Jacobi wurde. Dieser übte kann als in der als Ueberseehandelsplatz „diejenigen Verwaltungen, welche früher durch die Absperrung besonders schwer lei- dem Oberalten zustanden“, aus.407 denden, auf Kriegswirtschaft nur wenig ein- ··································································· gestellten Hansestadt.“402 Auch als Stifter tat sich Edmund Siemers ··································································· in St. Jacobi hervor. 1885 erklärte er sich be- Dieser Text, der auf Initiative Henry P. reit, der Kirche eines der gemalten Glasfens- Newmans erschien,403 war in einem für das ter für den Chorraum zu schenken: „Für die anglophile Hamburg ungewöhnlichen Ton Fenster einigte man sich auf eine Symboli- verfasst. So bemerkte denn auch die „Deut- sierung der drei christlichen Hauptfeste sche Tageszeitung“ am 27. September: „Wer [Weihnachten, Ostern und Pfingsten, JG] die Hamburger Verhältnisse kennt, weiß, wie und schneller, als es damals zu vermuten viele und wie starke Verbindungen seit Gene- war, sollten sich diese weitaussehenden rationen (…) zwischen der Hansestadt und Pläne verwirklichen, denn die von der kö- Großbritannien (…) bestanden haben (…). niglichen bayrischen Hofglasmalerei-An- Es ist uns besonders interessant, daß man stalt von Zettler in München eingesandten jetzt auch in Hamburg den politischen Inhalt Vorschläge und Farbenskizzen gefielen so der Jahre vor dem Kriege so beurteilt, wie wir allgemein, daß der Stifter sich die Über- ihn immer beurteilt haben“ – nämlich, dass schreitung der anfangs von ihm in Aussicht

| 122 | St. Jacobi Hamburg im Jahr 1894 – gezeichnet von Julius Faulwasser genommenen Summe bereitwillig gefallen im Altar,409 außerdem die Kronleuchter im ließ.“408 Das Motiv des von ihm gestifteten Hauptschiff.410 Fensters bildete die Geburt Christi. Später ··································································· dann – nach 1894 – stiftete Siemers noch die Leider lassen sich all diese Stiftungen beiden Holzstatuen des Paulus und Moses heute nicht mehr in Augenschein nehmen,

| 123 | Der Chorraum von St. Jacobi – 1885 stiftete Edmund Siemers das Weihnachtsfenster (links)

| 124 | da sie 1943/44 zerstört wurden.411 Was heute von dort aus nach Jerusalem, und schließ- noch an die Familie Siemers erinnert, befin- lich von Jaffa aus über Haifa, Athen und det sich im Herrensaal der Jacobi-Kirche: Neapel zurück nach Genua.417 Mit dem Bau das Familienwappen auf einem Glasfenster der Erlöserkirche wollte der deutsche Kaiser sowie die Wappen von Rudolph, Edmund ein Zeichen evangelischer Einheit setzten und Kurt Siemers auf der Wappentafel Nr. und sich als neuer Konstantin inszenieren, 6 und von Johannes Siemers auf der Tafel der 1.500 Jahre zuvor die benachbarte Gra- Nr. 8. beskirche hatte errichten lassen.418 ··································································· ··································································· Nach dem Ausstieg aus dem Petroleumge- Zehn Jahre später, 1908, reiste Edmund schäft weitete Edmund Siemers seine Akti- Siemers zusammen mit einer anderen Dele- vitäten im kirchlichen Bereich aus und be- gation von Geistlichen und Laien aus gann, sich auch außerhalb von St. Jacobi zu Deutschland vom 26. Mai bis zum 3. Juni engagieren: 1890 wurde er Mitglied der eine Woche lang nach London. Der Besuch Beede, also des Finanzausschusses, zwei ist vor dem Hintergrund der zweiten Haa- Jahre später Mitglied der Synode.412 Diese ger Friedenskonferenz von 1907 zu sehen, bestand aus gewählten Laien und Geistli- die einberufen worden war, um Grundsätze chen, welche die Gesamtheit der Kirchen- für die friedliche Beilegung internationaler mitglieder repräsentierten, und war allein Konflikte zu entwickeln. Über vier Monate berechtigt, allgemein verbindliche kirchli- tagten Delegierte aus 44 Staaten, womit fast che Verordnungen und Gesetze zu erlas- alle zu diesem Zeitpunkt als selbstständig sen.413 Dem Kirchenrat, der höchsten Kir- anerkannten Staaten der Erde vertreten wa- chenbehörde Hamburgs, gehörte er seit ren.419 Die Ergebnisse der langen Beratun- 1897 an.414 Dieser setzte sich als Aufsichts- gen waren „dürftig“.420 Es kamen zwar „be- und Verwaltungsbehörde aus neun Mitglie- achtliche Erfolge bei der Kodifizierung des dern zusammen, von denen vier – darunter Kriegsrechts“ zustande, also in Hinblick auf auch Siemers – von der Synode gewählt eine Einhegung des Krieges, jedoch „kaum wurden.415 nennenswerte bei der Verabschiedung des ··································································· Friedensrechts“421 – was vor allem dem Als Vertreter der hamburgischen Landes- Deutschen Reich zuzuschreiben ist, das sich kirche nahm Edmund Siemers auf Ein- strikt gegen die Einführung der obligatori- ladung von Georg Behrmann – dem Haupt- schen Schiedsgerichtsbarkeit aussprach.422 pastor an St. Michaelis, der seit 1894 als Der beherrschende Einfluss der Konferenz, Senior sämtlichen Hamburger Geistlichen so schrieb der britische Delegierte Sir Eyre vorstand – an einer Reise teil, die ihm „un- Crowe, übrigens ein Ururgroßonkel des endlich viel hochinteressante Eindrücke“ Verfassers dieser Biographie, sei „die Furcht brachte:416 der Festfahrt zur Einweihung der vor Deutschland“ gewesen.423 Erlöserkirche in Jerusalem durch Wilhelm ··································································· II., die am 31. Oktober 1898, dem Reforma- Dennoch – oder: vielleicht gerade des- tionstag, stattfand. Sie begann am 17. Okto- halb? – luden nach der Friedenskonferenz ber in Genua. Per Schiff ging es zunächst die Oberhäupter der anglikanischen Kir- nach Alexandria, dann weiter nach Jaffa, chengemeinschaft, Randall Thomas David-

| 125 | Wappentafel aus dem Herrensaal von St. Jacobi mit den Namen von Rudolph (zweite Reihe, vierter von links), Edmund (dritte Reihe, zweiter von links) und Kurt Siemers (vierte Reihe, vierter von links)

| 126 | son, und der katholischen Kirche von Eng- durch sich selbst versucht, dessen Stärke land und Wales, Francis Alphonsus Bourn, wurzelt in der Selbstsucht und wird zur auf Anregung des Präsidenten der Londoner Rauheit und zum Unheil. Das lehrt auch Freikirchenvereinigung, Joseph Allen Baker, keine Weisheit der Welt und leistet keine Er- deutsche Christen zu einem Besuch in die ziehung: hier sind die Grenzen ihres Vermö- englische Hauptstadt ein. Es ging darum, gens, die sie nicht überschreiten können. „herzliche Beziehungen zwischen den briti- Stärke ist von Gott und kommt von Gott: schen und deutschen Religionsgemeinschaf- durch die Gnade Gottes in Christo Jesu.“426 ten anzuknüpfen und dadurch zu ihrem ··································································· Teile dazu beizutragen, die Gefahr kriegeri- Seit 1897 war Edmund Siemers Mitglied scher Verwicklungen zwischen europäischen des Patronats der Paßmannschen Schule, Großmächten zu beschwören“. Schon bald 1904/05 wurde ihm deren Jahresverwaltung nach der Rückkehr von der Insel bildete übertragen.427 Als Siemers Patron wurde, sich ein deutsches Komitee „mit einer unter durchlebte die altehrwürdige Lehranstalt, Vorsitz von Edmund Siemers stehenden die sich bei der kleinen St. Michaeliskirche Hamburger Ortsgruppe (…), das den eng- befand und 1682/83 von dem Prediger Hie- lischen Herren eine Einladung zugehen ließ, ronymus Pasman und dem Syndikus Wol- im Frühjahr 1909 Deutschland zu besu- der Scheele gegründet worden war,428 gerade chen“. Bei ihrer Ankunft am 9. Mai 1909 einen grundlegenden Wandel: Erfolgte doch „wurden sie von Edmund Siemers an der 1896/97 der Neubau des Schulhauses und Spitze des hiesigen Ortskomitees empfan- gleichzeitig der Ausbau zu einer achtstufigen gen und mit einer Ansprache begrüßt, die Schule mit den Lehrzielen der Mittelschule. mit den Worten schloß: ‚Church and peace ··································································· shall be our motto.‘“424 An den folgenden Ungefähr zur selben Zeit, 1896, wurde beiden Tagen fanden u.a. Festakte in St. Ni- Edmund Siemers auch Vorsteher des Klos- kolai und im Hamburger Rathaus statt; da- ters St. Johannis und dessen Unterrichtsan- nach fuhren die Gäste über Berlin weiter stalten.429 Das Kloster war 1529 in ein evan- nach Potsdam, wo sie Wilhelm II. im Mar- gelisches Damenstift umgewandelt worden morsaal des Neuen Palais empfing; schließ- und wurde seit den Tagen der Reformation lich besuchten sie Eisenach und die von durch ehrenamtlich tätige Patrone und Vor- Bodelschwinghschen Anstalten in Bethel, steher verwaltet. Die Unterrichtsanstalten bevor sie am 19. Mai in ihre Heimat zurück- wurden 1872 gegründet. Sie bestanden aus kehrten. einer höheren Mädchenschule, einem Semi- ··································································· nar für Lehrerinnen sowie einem Kindergar- Edmund Siemers’ kirchliches Engagement ten und befanden sich seit 1874 am Holz- macht deutlich, dass die Religion in seinem damm.430 Als Vorsteher wirkte Edmund Leben eine wichtige Rolle gespielt hat. Die Siemers beim Verkauf des alten Klosterge- Triebkraft seines Wesens, so Johannes Hein- bäudes am Klosterwall, das 1836 bezogen rich Wilhelmi, Pastor zur St. Jacobi, seien worden war, sowie beim Grunderwerb und Arbeitsfreudigkeit und ein demütiger reli- dem Neubau des neuen Klosters St. Johan- giöser Sinn gewesen.425 Bei der Taufrede für nis an der Heilwigstraße 162 mit,431 wo sich seinen Enkel Egon betonte Siemers: „Wer es bis zum heutigen Tag das Damenstift befin-

| 127 | det.432 Hier agierte er auf einem Gebiet, das beiden Richtungen bildeten im 19. und frü- ihm wohlvertraut war. Denn der Umzug des hen 20. Jahrhundert die führenden theolo- Klosters war wegen der Sanierung der süd- gischen und kirchenpolitischen Richtungen lichen Altstadt notwendig geworden. 1911 innerhalb der evangelischen Kirche.437 Sie- erwarb der Hamburger Senat das alte Klos- mers, dies schrieben die „Hamburger Nach- tergrundstück zwischen Klosterwall, Stein- richten“ am 21. November 1918 rückbli- straße, Schützenstraße und Bahnhofsplatz ckend, sei ein „kirchlich konservativer mit einer Gesamtfläche von 6.014 Quadrat- Mann“ gewesen.438 Gerade in St. Jacobi war metern für rund 2,5 Millionen Mark. Mit diese Richtung stark vertreten:439 Arthur diesem Erlös kaufte die Klosterverwaltung von Broecker – seit 1883 Pastor und seit 1897 das Terrain an der Heilwigstraße, da sich Hauptpastor an St. Jacobi und mit Siemers dort bereits andere Grundstücke von St. Jo- gut befreundet – war theologisch „positiv“ hannis befanden.433 eingestellt.440 ··································································· ··································································· Nicht unerwähnt soll in diesem Zusam- Als Vorsteher des Klosters St. Johannis war menhang bleiben, dass die Sanierung der Edmund Siemers maßgeblich daran betei- nördlichen Altstadt auch für St. Jacobi gra- ligt, dass in dessen Unterrichtsanstalten dem vierende Folgen hatte: Durch den Bau der dortigen Oberlehrer Ulrich Peters untersagt Durchbruchstraße wurden 30.000 Men- wurde, weiterhin Religion zu unterrichten. schen bzw. fünf Sechstel aller Gemeindemit- Peters war Mitherausgeber der Schriften- glieder vertrieben und weder Verwaltung reihe „Bausteine für den Religionsunter- noch Politik kümmerten sich sonderlich um richt“441 und Autor des dort erschienenen die Interessen der Betroffenen.434 Da sich Heftes über Jesus. Siemers übersandte es im Edmund Siemers ausgerechnet als Gemein- Februar 1913 Bürgermeister William Henry deältester von St. Jacobi in dieser Gegend an O’Swald, der dem Kuratorium der Unter- Grundstücksspekulationen beteiligte – wie richtsanstalten angehörte, was zur Folge übrigens auch andere Mitglieder des Kir- hatte, dass Peters zu dessen Sitzung am 27. chenvorstandes, z. B. der Weinhändler Ju- Februar 1913 vorgeladen wurde. Dort gab er lius Timm435 –, liegt die Vermutung nahe, zu Protokoll, dass er im Inhalt einen „stark dass es zu Interessenkonflikten kam. kritisch-liberalen Standpunkt“ vertrete. Das ··································································· Kuratorium sprach daraufhin die Ansicht Im theologischen und kirchenpolitischen aus, „dass Herr Dr. Peters in seinem Unter- Spektrum ist Edmund Siemers bei den „Po- richt einseitig den kritisch-liberalen Stand- sitiven“ anzusiedeln, die in der Nachfolge punkt vertreten habe und den berechtigten der lutherischen Orthodoxie standen und Anforderungen positiv gerichteter Häuser betonten, dass in der Bibel und in den Be- und Kinder nicht die nötige Rücksicht- kenntnisschriften allein das göttliche Wort nahme habe zuteil werden lassen. Es wird läge.436 Dem gegenüber standen die Libera- alsdann beschlossen: dem Oberlehrer Dr. len, welche sich dem Erbe der Aufklärung Peters den Religionsunterricht zu entzie- verpflichtet fühlten, für einen Pluralismus hen.“442 in der Kirche eintraten und die individuelle ··································································· Freiheit im Glauben hervorhoben. Diese Besonders spannend erscheint in diesem

| 128 | theologischen und kirchenpolitischen Kon- Musikfreunde. Dessen Vorsitz hatte bis 1915 text, dass die neuere Forschung davon aus- der Bankier Rudolph Petersen inne, Ed- geht, die Übergänge zwischen kirchlichem mund Siemers wurde auf der ersten Vor- und politischem Liberalismus seien fließend standssitzung am 13. Juni 1896 zum „Cassi- gewesen – und dies treffe gleichermaßen für rer“ gewählt, übte dieses Amt allerdings nur die Gegenseite zu: Der theologische Konser- zwei Jahre aus.445 Die Vereinigung brachte vatismus habe sich schon frühzeitig mit dem einen Großteil der benötigten Mittel für die politischen verbunden.443 Dieser Befund er- Finanzierung eines ständigen – also saison- scheint für Edmund Siemers auf den ersten unabhängigen – Hamburger Sinfonieor- Blick verwunderlich. Schließlich bezeich- chesters, das es zuvor in der Hansestadt nete man in der Hansestadt preußische nicht gegeben hatte, aus privater Hand Adlige als konservativ, Hamburger Bürger auf.446 Wirkliches Interesse an Musik hätten sich selbst kaum so charakterisiert. scheint Edmund Siemers allerdings nicht Er wird jedoch bei einem situationsspezi- besessen zu haben, zumindest gibt es keine fischen Verständnis von Konservatismus einzige Quelle, die darauf hinweist. Auch plausibel. Denn es ist wenig ergiebig, Kon- bei ihm ging es wohl eher um das, was Al- servatismus an eine soziale Trägerschicht win Münchmeyer (der Jüngere) einmal fol- (Adel) zu binden oder auf bestimmte gendermaßen beschrieben hat: „Ein rechter „ewige“ Werte (Ordnung, Tradition etc.) zu Hanseat hatte seine gesellschaftlichen Ver- reduzieren. Wer wann wo mit welchen be- pflichtungen. Montags traf man sich im stimmten und angebbaren Vorstellungen philharmonischen Konzert. Die Liebe zur konservativ handelt, das hängt vielmehr von Musik spielte dabei die geringste Rolle. Es der konkreten Situation ab.444 So vertritt der gehörte sich einfach, dort gesehen zu wer- Soziologe Karl Mannheim die These, liberal den. Wer in der Pause nicht grüßend durch und konservativ seien als unterschiedliche die Halle wanderte und mit einigen anderen Antworten auf „gesellschaftliche Struktur- Kaufleuten angelegentlich die Tee- und Kaf- probleme“ zu verstehen. Und Siemers’ Ant- feepreise verglich, setzte seine Zugehörigkeit wort auf eines der grundlegenden Struktur- zur Kaufmannselite aufs Spiel.“447 probleme im Hamburg des beginnenden ··································································· 20. Jahrhunderts – die Demokratisierung – 1903 wurde Siemers in die Kommission für war, wie bereits letzten Abschnitt in den das Museum für Kunst und Gewerbe ge- Ausführungen zur Revision des Wahlrechts wählt, der Werner von Melle vorstand, und erwähnt, konservativ. fungierte dort als Revisor.448 Deren Haupt- ··································································· aufgabe bestand darin, „die Zwecke des Mu- Edmund Siemers, die Geschichts- seums und dessen Gedeihen zu fördern und politik und sein Verhältnis den Director mit ihrem Rathe zu unterstüt- zu Kunst und Künstlern zen“. Zu den wichtigsten Aufgaben der ··································································· Kommission gehörte die Kontrolle des Anders als sein Vater engagierte sich Ed- Rechnungswesens einschließlich der Bud- mund Siemers auch im kulturellen Bereich. getberatung und Geldverwaltung.449 Sie- Von 1896 bis zu seinem Tod 1918 war er Vor- mers hatte also ein wichtiges Amt inne, ver- standsmitglied des Vereins Hamburgischer fügte er doch alleine über das Bankguthaben

| 129 | des Museums. Schon 1905 erklärte er aller- nerung an die Wirksamkeit des Fürsten Bis- dings „in Folge eines Wunsches der Finanz- marck, beschließt die Bürgerschaft, den Se- deputation, daß deren Mitglieder nicht nat um eine Vorlage zur Errichtung eines gleichzeitig anderen Behörden angehören Bismarck-Denkmals zu ersuchen.“ Der An- möchten, seinen Austritt“.450 trag wurde allerdings vorübergehend von ··································································· der Tagesordnung gestrichen.453 Fünf Jahre später, 1910, wurde Siemers ··································································· Mitglied des Kuratoriums der Emilie Wüs- Als am 30. Juli der ehemalige Reichskanz- tenfeld Stiftung und gleichzeitig als solches ler starb, gründete sich bereits wenige Tage in den Vorstand der Emilie Wüstenfeld- später unter dem Vorsitz von Bürgermeister Schule delegiert, einer privaten „Höheren Johann Georg Mönckeberg ein Komitee zur Mädchenschule in 10 Jahreskursen“, welche Errichtung eines Monumentes, das für die- 1912 die staatliche Anerkennung als „Ly- sen Zweck im Hamburger Bürgertum eine zeum“ erhielt.451 Die Stiftung unterstütze ei- halbe Million Mark sammelte.454 Edmund nen Teil der moderaten, bürgerlichen Strö- Siemers war einer derjenigen, die am 11. Au- mung der Frauenbewegung, dem es primär gust im „Hamburgischen Corresponden- um Verbesserung der weiblichen Erziehung ten“ zu Spenden für den Bau des Denkmals und den Zugang zu bestimmten Berufen aufriefen. Er selbst stiftete 5.000 Mark.455 ging. „Insbesondere auf die Förderung der Neben dem Komitee wurde ein engerer weiblichen Sozialarbeit als spezifisch weib- Ausschuss gewählt, dem die Erledigung der lich angesehene Tätigkeit richtet (sic) sich laufenden Geschäfte übertragen war und an dieser Flügel der Frauenbewegung aus, wes- dessen Spitze der Bürgermeister Johannes halb er auch von vielen Männern des Bür- Versmann stand. Insgesamt umfasste dieser gertums mitgetragen wurde.“452 Ausschuss 34 Personen, darunter auch Ed- ··································································· mund Siemers.456 Allerdings tagte er nicht Besonders engagiert war Edmund Sie- allzu häufig, denn die Hauptarbeit lag bei ei- mers in einem Bereich, der sich wohl am nem „Ausführungscomité“, das mit der treffendsten mit Geschichtspolitik um- Durchführung der Beschlüsse betraut war, schreiben lässt. So zählte er 1898 zu denjeni- die der engere Ausschuss gefasst hatte.457 gen Hamburgern, die sich besonders für die Auch diesem Gremium gehörte Edmund Errichtung eines Bismarck-Denkmals ein- Siemers an, zusammen mit Johann Georg setzten. Schon vor dem Tod des „weißen Re- Mönckeberg, Alfred Lichtwark, Justus volutionärs“ hatten am 13. April 1898 acht Brinckmann, Martin Haller und einigen an- Abgeordnete der Hamburgischen Bürger- deren.458 schaft, darunter Siemers, die Initiative er- ··································································· griffen und einen Antrag folgenden Wort- Die Diskussion über das Denkmal zog sich lauts gestellt: „In Erwägung, daß über die eine ganze Weile hin, da man sich zunächst Errichtung eines Kaiser Wilhelm Denkmals nicht über den Standort einigen konnte. zwischen Senat und Bürgerschaft nunmehr Erst 1901 votierte der Senat zugunsten der Uebereinstimmung hergestellt ist, sowie fer- Elbhöhe am Hamburger Hafen und noch ner in Erwägung, daß das Andenken Kaiser im selben Jahr wurde der Wettbewerb aus- Wilhelm I. eng verbunden ist mit der Erin- geschrieben. Anfang 1902 stand dessen Ge-

| 130 | winner fest. Die Mehrheit des engeren Aus- Siemers wenige Jahre später auch bei einem schusses, auch Siemers, sprach sich „für die anderen Projekt. Im Winter 1909 schrieb er: Wahl des von dem Preisgerichte mit dem „Ich darf wohl sagen, die Idee des Möncke- ersten Preise bedachten Entwurfs“ aus.459 Es berg-Denkmals und die weiteren Maßnah- handelte sich um den Entwurf des Bildhau- men der Sammlung des Fonds dafür, sind ers Hugo Lederer und des Architekten Ernst mein Werk.“463 Der Bürgermeister – von Schaudt – eine symbolische, die Gesichts- den Hamburgern „Löwe“ genannt – war im züge Bismarcks tragende Ritterfigur „auf ei- März 1908 gestorben. Edmund Siemers war nem geschickt gestaffelten Unterbau, der einer der Ersten, die sich dafür stark mach- das zeitgemäße Repertoire abstrakt-archai- ten, ihn öffentlich zu würdigen. Im Zuge scher Architekturformen wirkungsvoll zu- der Arbeiten an der Durchbruchstraße, die sammenführte“.460 ja auf eine Idee von Johann Georg Möncke- ··································································· berg zurückging, war an der Einmündung Die Grundsteinlegung fand dann am 24. von Spitalerstraße und Lilienstraße ein klei- April 1903 statt, und nach dreijähriger Bau- ner Dreiecksplatz entstanden, und Baudi- zeit wurde das Denkmal am 2. Juni 1906 rektor Fritz Schumacher entwickelte 1914 eingeweiht. Es war schon damals nicht un- den Plan, hier ein Ensemble aus Möncke- umstritten. Weite Teile der Hamburger Ar- bergbrunnen und einem kleinen Sandstein- beiterschaft lehnten es ab. Viele standen Bis- bauwerk zu errichten. Die Brunnenanlage marck – dem Vater des Sozialistengesetzes, sollten zwei menschliche Bronzefiguren mit welches die politische Arbeit der offiziell als Seelöwen und eine von einem Löwen ge- reichsfeindlich, antinational und umstürzle- krönte Stele zieren, das Bauwerk sollte als risch geltenden Sozialdemokraten unter- öffentliche „Volkslesehalle“ genutzt werden. drückt hatte – äußerst kritisch gegenüber Edmund Siemers war inzwischen Vorsitzen- und vertraten darüber hinaus die Auffas- der des Denkmalkomitees geworden, wel- sung, dass das Geld besser für die Förderung ches das gesamte Ensemble der Stadt öffentlicher Einrichtungen hätte verwendet schenkte – ausdrücklich mit dem Verbot werden sollen. Durch seine mythische späterer Veräußerung.464 Übersteigerung – 34 Meter Gesamthöhe – ··································································· ist das Monument Ausdruck des Bismarck- Fertig gestellt wurde die Anlage erst nach Kults im wilhelminischen Zeitalter des Im- dem Ersten Weltkrieg, im Jahr 1926. Nach- perialismus.461 Wilhelm II., der Bismarck dem die Bücherhalle lange Zeit als Filiale 1890 entlassen hatte, nahm übrigens nicht einer Fastfood-Kette zweckentfremdet war, an den Einweihungsfeierlichkeiten teil, da- wurde hier 2009 im Zuge einer umfangrei- für jedoch die Hamburger Ortsgruppe des chen Restaurierung der Brunnenanlage das „Alldeutschen Verbandes“, die das Komitee Kulturcafé Elbphilharmonie eingerichtet, in „in Anerkennung seiner rastlosen Bemü- dem sich Hamburger und Touristen über hungen, das Andenken an den Schöpfer des das Konzert- und Kulturangebot in der Reiches im Volke wach zu halten“ eingela- Hansestadt informieren können. Das Ober- den hatte.462 geschoss des Gebäudes dient inzwischen als ··································································· Dependance einer amerikanischen Kaffee- Eine bedeutende Rolle spielte Edmund hauskette.

| 131 | seine Wohltaten gerne öffentlich machte – anonym bleiben, wurde jedoch von diesem als Spender genannt.467 Der Vorstand des Museums, Oskar von Miller, schrieb am 12. Juli 1916 an das Kuratorium der Hambur- gischen Wissenschaftlichen Stiftung: „Wir freuen uns, dass durch Ihre gütige Stiftung das Denkmal von Hertz für alle Zeiten bekunden wird, welch hohes Verständnis die grundlegenden Arbeiten von Heinrich Hertz in den wissenschaftlichen Kreisen sei- ner Vaterstadt gefunden haben.“468 Noch heute steht die Büste im Ehrensaal des Mu- seums. ··································································· Wie sah es mit Edmund Siemers’ Verhält- nis zur Kunst und zu den Künstlern aus? ··································································· Er, der keinen Bezug zur zeitgenössischen Literatur des Realismus hatte und vor allem Die Heinrich Hertz-Büste im Ehrensaal Klassiker las, bevorzugte zeitlebens konser- des Deutschen Museums im München – 1916 fertigte vative Maler; so wie die meisten anderen sie der Bildhauer Erwin Kurz nach einem Angehörigen des Hamburger Großbürger- Gips-Modell von Mathilde Hertz an tums. Nur wenige – zumeist Familien mit jüdischem Hintergrund, ansatzweise noch ··································································· Henry P. Newman – sammelten Werke von Außerhalb Hamburgs war Edmund Sie- Edvard Munch, Emil Nolde, Erich Heckel mers ebenfalls aktiv: Zusammen mit Her- oder Ernst Ludwig Kirchner.469 Siemers för- mann Blohm stiftete er 1916/18 dem Deut- derte in erster Linie Künstler wie Valentin schen Museum in München eine Heinrich Ruths, Henry Geertz oder Hugo Schnars- Hertz-Büste. An deren Gestaltung war – auf Alquist. Diese malten vornehmlich Land- besonderen Wunsch Blohms – die Bild- schafts-, See- und Schiffsbilder, außerdem hauerin Mathilde Hertz, eine Tochter des noch Bilder, die engagierte Privatleute oder bedeutenden Hamburger Physikers, betei- politische Würdenträger aus Hamburg por- ligt; die Ausführung in Marmor übernahm trätierten und deren Bedeutung für das städ- der Münchener Bildhauer Erwin Kurz.465 tische Gemeinwohl herausstellten.470 Da laut den Statuten des Museums direkte ··································································· Schenkungen von Privatpersonen ausge- Es war vor allem Henry Geertz, den Sie- schlossen waren, ließ Siemers 5.000 Mark mers protegierte. So schenkte er der Haupt- durch die Hamburgische Wissenschaftliche kirche St. Michaelis Geertz’ Porträt von Se- Stiftung übermitteln.466 Blohm wollte ei- nior Georg Behrmann, der dort seit 1890 gentlich – im Unterschied zu Siemers, der Hauptpastor war. Das Gemälde befindet

| 132 | Der Maler Otto Eckmann – dieses Gemälde von Lovis Corinth schenkte Edmund Siemers 1915 der Hamburger Kunsthalle

| 133 | Dieses Ganzkörperporträt von Edmund Siemers malte Bernhard Pankok im September 1911 in der Hamburger Kunsthalle – erworben wurde es aus Mitteln, die Alfred Beit dem Museum hinterlassen hatte

| 134 | Bernhard Pankoks zweites Porträt entstand im Oktober 1912 als Auftragsarbeit von Alfred Lichtwark

| 135 | sich noch immer im Kirchenschiff am lin- stand im Oktober 1912, heute hängt es als ken Aufgang zum Altarraum. Und 1912 gab Behördenleihgabe der Kunsthalle im Sit- Siemers zusammen mit Oscar Ruperti und zungssaal B der Bürgerschaft im Hamburger Max Schinckel bei Geertz ein Porträt des Rathaus. Bürgermeisters Johann Heinrich Burchard ··································································· für das Hamburger Rathaus in Auftrag.471 Widmete Edmund Siemers ansonsten den Dort hängt es bis heute im Kaisersaal. von ihm initiierten Stiftungen von Anfang ··································································· an sein volles Interesse, so gibt es keine Gleich zweimal ist der Name Edmund Quellen, die darauf hinweisen, dass dies bei Siemers auf den Stiftertafeln in der Rotunde der Genese der von ihm in Auftrag gegebe- der Hamburger Kunsthalle verzeichnet: nen Bildern der Fall gewesen wäre. Sein En- 1903 schenkte er dem Museum Hugo kel Hans-Edmund kommt denn auch zu Schnars-Alquists Gemälde „Der Postdamp- dem Schluss – für den einiges spricht –, Ed- fer Phoenizia bei Nordwest“, 1915 dann „Der mund Siemers habe zu den „Schönen Küns- Maler Otto Eckmann“ von Lovis Corinth. ten“ keinen Bezug gehabt.474 So verwundert Gerade dies ist erwähnenswert, handelte es wenig, dass sich Siemers’ Zusammenarbeit sich hier doch um einen Künstler von ganz mit Künstlern anscheinend nicht ganz un- anderem Format als die eben Genannten, problematisch gestaltete. um einen Maler, der als Schlüsselgestalt der ··································································· Klassischen Moderne in Deutschland gilt. Zumindest deutet dies die folgende Epi- ··································································· sode an, die Gustav Schiefler in seiner Kunsthallendirektor Alfred Licht- „Hamburgischen Kulturgeschichte“ schil- wark bemühte sich darum, dem Museum in dert. Er berichtet dort über den expressio- der Hamburger Öffentlichkeit eine mög- nistischen Maler Franz Nölken, zeitweilig lichst große Präsenz zu verschaffen. Er setzte Mitglied der „Brücke“, der 1915 auf Schief- deshalb mit den „Bildern aus Hamburg“ ei- lers Vorschlag hin Edmund Siemers radieren nen Schwerpunkt in der Sammlung des sollte. Nölken sei zu ihm, Schiefler, „in ei- Hauses und vergab an verschiedene Künst- ner drolligen Verzweiflung“ gekommen: ler Aufträge, die hamburgische Landschaft, ··································································· den Hafen, die Stadt, ihre Kirchen und be- „Er habe getan, was er gekonnt habe, be- deutende zeitgenössische Hanseaten zu ma- zweifle aber, ob die Arbeit gelungen sei. Ge- len.472 Gleich zweimal – 1911 und 1912 – ließ fiele sie uns nicht, dann müsse er zurücktre- Lichtwark Siemers porträtieren, und zwar ten; der Mann sei ihm zu unsympathisch, vom Stuttgarter Maler Bernhard Pankok. als daß er über sich gewinnen könne, einen Am 14. August 1912 schrieb Lichtwark: „Lie- neuen Versuch zu machen. Und nun er- ber Herr Siemers, ich habe mit Pankok cor- zählte er seine Erlebnisse: wie Siemers in ei- respondiert, er ist frei von der Mitte des Sep- nem Nebenzimmer einen offenbar von ihm tember und steht mit Vergnügen zur Verfü- irgendwie abhängigen Mann, dessen sil- gung, wenn es Ihnen passt. Er meinte schon berne Hochzeit bevorgestanden, bearbeitet damals, er müsste ein paar Jahre haben, um habe, einem gleichfalls anwesenden Maler, Sie auch noch in andern Auffassungen ma- dem von ihm protegierten Geertz, einen len zu können.“473 Das zweite Porträt ent- Portraitauftrag zu erteilen; wie ihm selbst im

| 136 | Ein Halunke? – 1915 radierte Franz Nölken Edmund Siemers

Wartezimmer bei Siemers eine Broschüre lieber Edmund?‘ Mit einer Art mephisto- ‚Der Carnegie Hamburgs‘ in die Hand ge- phelischen Lachens fügte er [Edmund Sie- drückt sei; wie endlich über der Arbeit die mers, JG] hinzu: ‚Aber das ist ja ein Ha- Gattin sich eingefunden und vorwurfsvoll lunke‘. Der Augenschein des radierten gefragt habe: ‚Das sollst doch nicht Du sein, Blattes, das wir gut fanden und abnahmen,

| 137 | bewies, dass diese Beurteilung nicht ohne größeres finanzielles Engagement im Zu- Einfluß auf den Blick geblieben war, den er sammenhang mit der neuen Stiftung nahe seinem Opfer gegeben hatte.“475 zu legen – etwa in der Dimension der zwei ··································································· Millionen Mark des Diamantenkönigs Al- „Brauchen Sie nicht ein fred Beit. Vielmehr dürfte er von Beginn an Vorlesungsgebäude?“ die Strategie verfolgt haben, Siemers dafür ··································································· zu gewinnen, ein Vorlesungsgebäude zu stif- Im ersten Band seiner 1923 publizierten Er- ten. Auf diese Weise sollte das bürgerschaft- innerungen berichtet Werner von Melle, liche Engagement für die Wissenschaften in Edmund Siemers sei im Juli 1907 „ganz der Hansestadt eine doppelte Wucht be- überraschend“ zu ihm gekommen und habe kommen. gefragt: „Brauchen Sie nicht ein Vorlesungs- ··································································· gebäude?“476 Einiges spricht dafür, dass es Zunächst hielt sich Edmund Siemers sich hierbei um eine stilisierte Schilderung noch bedeckt – so stellt es zumindest Wer- handelt und der Senator im Juli 1907 nicht ner von Melle dar –, informierte sich bei wirklich von der Siemersschen Frage über- ihm über den bisherigen Stand der Planun- rascht gewesen ist. gen und sprach einige Zeit später davon, es ··································································· „sei nicht unmöglich, daß Freunde des Vor- Bereits 1905 hatte Werner von Melle zu- lesungswesens, die sich für den Bau interes- sammen mit seiner rechten Hand in der sierten, diese Kosten ganz oder teilweise Oberschulbehörde, dem Regierungsrat Max übernähmen“.480 Es ist allerdings nahezu Förster, sowie mit Max Warburg und dem auszuschließen, dass der Senator nicht so- Rechtsanwalt Otto Dehn einen Entwurf fort ganz genau wusste, was sich hinter die- von Bestimmungen ausgearbeitet, die später sen Andeutungen verbarg. Am 16. Septem- mit nur geringen Abänderungen die Statu- ber 1907 schrieb er an Siemers: „Würde ein ten der Hamburgischen Wissenschaftlichen solches Gebäude von Gönnern des Vor- Stiftung werden sollten.477 Die Satzung war les[un]swesens geschenkt, wie Sie als nicht wohldurchdacht. Von Anfang an enthielt unmöglich bezeichnet[en], so würde das ei- sie – bis heute übrigens – den Passus, dass ne nicht dankbar genug anzuerkennende die Errichtung von Neubauten für die wis- großartige Unterstütz[un]g der wissenschaftl. senschaftlichen Institute nicht unter die Bestreb[un]gen H[am]b[ur]gs sein.“481 Aufgaben der Stiftung fallen solle.478 Ed- ··································································· mund Siemers beteiligte sich am 19. März An dieser Stelle sei auf die zeitliche Nähe 1906 mit 50.000 Mark – also einer für seine zweier Ereignisse verwiesen, welche auffällt: Verhältnisse relativ geringen Summe – am Am 24. Juli 1907 sprach Edmund Siemers Gründungskapital der Stiftung.479 Gleich- zum ersten Mal überhaupt öffentlich davon, wohl zeigte er von Beginn an lebhaftes In- er habe überlegt, eine Million Mark für den teresse an ihrer Arbeit und war seit der Erweiterungsbau der Kunsthalle zu stif- Stiftungsgründung am 12. April 1907 bis zu ten.482 Und ungefähr zur gleichen Zeit, im seinem Tod Kuratoriumsmitglied und Schatz- Juli 1907, stellte er Werner von Melle die meister. All dies lässt vermuten, dass von ominöse Frage wegen des Vorlesungsgebäu- Melle gar nicht beabsichtigte, Siemers ein des. Dass diese „ganz überraschend“, quasi

| 138 | aus dem Nichts kam, wie es der Senator in keit, der sich der Historiker stellen muss.486 seinen Erinnerungen darstellt, daran wur- Im Kern geht es bei ihnen um böse Ge- den bereits Zweifel angemeldet. Eher ist mit rüchte, Edmund Siemers habe nur „mehr dem Historiker Gerhard Ahrens zu vermu- und weniger freiwillig“ das Vorlesungs- ten, dass von Melle Siemers einen „Finger- gebäude gestiftet487 – und den Entschluss zeig“ für dessen Stiftung gab483 – und auf nicht „aus freier Initiative“ gefasst, wie Wer- diese Weise die Million, die seit dem 24. Juli ner von Melle in seinen Erinnerungen ei- im Raum stand, „umlenkte“. gens betont.488 ··································································· ··································································· Dass der Anstifter Werner von Melle und Wie immer dem auch sei: Der Begriff der der Stifter Edmund Siemers zu dieser Zeit „Freiwilligkeit“ ist ein schillernder, denn die in engem Kontakt standen, fiel auch dem freie Willensentscheidung wird durch Kon- Kunsthallendirektor Alfred Lichtwark auf. ventionen, soziale Erwartungen und politi- Am 17. September 1907 wandte er sich an sche Erfordernisse eingeschränkt.489 Dies Bürgermeister Otto Stammann in „einer gilt es gleichermaßen zu berücksichtigen bei Angelegenheit, die die Kunsthalle sehr nahe der Frage nach den Motiven, warum Ed- berührt (und sehr schmerzlich), und deren mund Siemers das Vorlesungsgebäude stif- Ausgang uns Erwägungen und Entschlüsse tete. Denn es ist nun einmal nicht zu leug- nahe legt“. Beinahe drohend schloss Licht- nen, dass er im November 1905 „heftig ins wark seinen Brief mit dem Satz, dass der Gerede gekommen war“,490 dass er just im ganze Vorgang [also die bereits erwähnte, Juli 1907 zu einer Aussage vor den ersten nicht zustande gekommene Siemerssche „Untersuchungsausschuss“ der hamburgi- Stiftung an die Kunsthalle, JG] für die Be- schen Parlamentsgeschichte vorgeladen war willigung des Neubaus [seitens der Stadt, und dass er schließlich – wenn auch etwas JG] „ein sehr schweres Gewicht“ in die verklausuliert – in dessen Abschlussbericht Schale lege.484 vom August 1908 in seiner Eigenschaft als ··································································· Mitglied der Finanzdeputation für etwas Werner von Melle war es offenbar gelun- kritisiert werden sollte, was heutzutage als gen, Edmund Siemers davon zu überzeu- Insiderhandel bezeichnet wird und unter gen, dass das Vorlesungsgebäude als „Soli- Strafe gestellt ist.491 tär“485 eine ganz andere Wirkung entfalte als ··································································· ein Erweiterungsbau der Kunsthalle. Wie er Die Anekdoten rund um die Stiftung des dies zustande brachte – was es also mit dem Vorlesungsgebäudes lassen sich noch um „Fingerzeig“ auf sich hatte, den von Melle jene Episode fortsetzen, die Edmund Sie- gab – das lässt sich aus den Quellen nicht mers’ Enkel Kurt-Hartwig 1977 in einer mehr rekonstruieren. So verwundert auch Rede schilderte: „Wenn ich auf meinen nicht, dass sich hierum zahlreiche Anekdo- Großvater noch einmal zurückkommen ten ranken. Sie lassen sich nicht belegen; darf, so war mein Verhältnis zu ihm aus frü- gleichwohl besitzen sie ihre eigene Faszina- hesten Kindheitserlebnissen mit der Uni- tion. Denn sie sind Teil des „kollektiven Ge- versität verbunden (…). Es fing schon an im dächtnisses“ der Universität Hamburg und Kinderwagen, und zwar damit, dass meine damit Teil der gesellschaftlichen Wirklich- Mutter mich im Kinderwagen über die

| 139 | „Umschlagplatz Wissen“ – das 1907 von Edmund Siemers gestiftete Vorlesungsgebäude

Moorweide schob, und da wurden die ers- zende Bestätigung nicht nur althanseati- ten Grundfesten für das Vorlesungsgebäude schen Gemeingeistes, sondern auch altham- der späteren Universität gerammt. Dieses burgischer Liebe zur Wissenschaft“.493 Die- Geräusch erschreckte mich. Ich heulte und ser funktionale Aspekt494 der Siemersschen meine Mutter soll zu mir gesagt haben: Stiftung sei ausdrücklich betont: Ohne je- ‚Mein Junge, wein’ mal nicht, hier wird nur den Zweifel war Edmund Siemers ein dein Erbteil verpufft.‘“492 Freund und Förderer der Wissenschaften ··································································· in der Hansestadt, der fest mit von Melles Unstrittig ist, dass Edmund Siemers mit „Interessen & Bestrebungen sympatisier- der Stiftung des Vorlesungsgebäudes eine (t)e“.495 Dies zeigte denn auch die weitere bis dahin beispiellose Pioniertat in der Entwicklung. Vor allem drei Punkte ma- Hamburger Wissenschafts- und Bildungs- chen dies deutlich: geschichte vollbracht hat. So bezeichnete ··································································· Werner von Melle in seiner Rede vor der 1.) Edmund Siemers stiftete das Vorle- Hamburgischen Bürgerschaft am 2. Okto- sungsgebäude nicht nur, sondern begleitete ber 1907 „die großartige Schenkung des in der Folgezeit als Bauherr intensiv das ge- Herrn Edmund Siemers als eine neue, glän- samte Bauvorhaben mit.

| 140 | ··································································· Siemers, sodass „die Hoffnung auf die durch 2.) 1908 bewilligte er „mit schnellem Ent- ihn vorzunehmende Erweiterung“ zerstört schlusse“496 eine Steigerung der Baukosten wurde.501 Er konnte nicht mehr erleben, wie des Vorlesungsgebäudes von einer Million Hamburg seine Universität „als Kind der auf anderthalb, als nach der Gründung des demokratisch gewendeten Revolution“ end- Hamburgischen Kolonialinstituts zusätzli- lich im März 1919 erhielt.502 cher Raumbedarf entstand und die ur- ··································································· sprünglichen Pläne der Architekten überar- Zum Schluss dieses Abschnitts sei noch ein- beitet werden mussten.497 Die Errichtung mal festgehalten: Die Motivlage bei Stiftern des Instituts war für Werner von Melle ein ist kein einfach zu erklärendes Phänomen, weiterer wichtiger Baustein für seine Ham- denn eine Stiftung geschieht aus ganz unter- burger Universitätspläne. Gleichzeitig stand schiedlichen Gründen. Und für die Be- sie – anders als das Allgemeine Vorlesungs- schreibung des Verhaltens von Werner von wesen und die Hamburgischen Wissen- Melle gegenüber Edmund Siemers bei den schaftlichen Anstalten – im Kontext natio- Vorgängen rund um die Stiftung des Vorle- naler (Wissenschafts-)Politik, geschah sie sungsgebäudes seien drei Zeilen aus Goethes doch „im Einvernehmen mit dem Reichsko- Ballade „Der Fischer“ in leicht abgeänderter lonialamt“.498 Insofern atmet Edmund Sie- Form zitiert: „Er sprach zu ihm, er sang zu mers’ Zustiftung um eine halbe Million ihm; Da war’s um ihn geschehn; Halb zog Mark nicht mehr nur den von von Melle er ihn, halb sank er hin.“ apostrophierten „althanseatischen Gemein- ··································································· geist“, sondern weist bereits Ansätze einer „Der Forschung, der Lehre, „Nationalisierung des Gemeinsinns“ auf. So der Bildung gewidmet“ – die spiegeln sich einmal mehr in seinem stifte- Errichtung und Einweihung rischen Handeln größere Entwicklungsli- des Vorlesungsgebäudes nien des Stiftungswesens seiner Zeit wider – ··································································· denn just in jenen Jahren begannen sich be- Für seine Stiftung forderte Edmund Sie- deutende Stifter zunehmend in der nationa- mers einen „für sich selbst und vollends im len Sozial- und Wissenschaftspolitik zu en- städtischen Kontext“ bedeutenden Platz gagieren.499 ein503 – die Moorweide. Sie war Vorbild für ··································································· den 1914 eröffneten Stadtpark und andere 3.) 1912 – das „Gerede“ über die Grund- Grünanlagen in Hamburg. Eine „Spiel- stücksgeschäfte war schon längst vorbei – er- wiese“, wie Alfred Lichtwark sie nannte, die klärte Siemers, „daß er bereit sei, für den Fall dem Großstadtbewohner die Freiheit zur der Genehmigung unseres Universitätsan- kulturellen Selbstfindung eröffnen und ihm trages, die er auf das lebhafteste wünsche, das Grün zur gesundheitlichen Erholung das Vorlesungsgebäude so wie es durch die bereitstellen sollte.504 Werner von Melle for- Universität erforderlich wäre, auf seine Kos- muliert es in seinen Erinnerungen wie folgt: ten zu erweitern.“500 Hierzu kam es jedoch „Die Hergabe gerade dieses Platzes macht nicht mehr: Erst wurde die Universitätsvor- der Schenkgeber zur unumstößlichen Be- lage 1913 abgelehnt, dann kam der Welt- dingung der Schenkung, da ihm der Platz krieg, und im Herbst 1918 verstarb Edmund neben seiner hervorragend günstigen zen-

| 141 | tralen Lage um deswillen für ein derartiges men. Das Curatorium wird z. B., glaube ich, Gebäude ganz besonders geeignet erscheint, Wert darauf legen, dass ein Sitz[un]gs- weil ein dort errichtetes monumentales Ge- zim[m]er ihm gehört u. dass es überhaupt bäude einen großen Teil der Bevölkerung nicht nur in dem Gebäude geduldet ist, son- täglich an die idealen Aufgaben, denen es zu dern auch etwas in ihm mitzusagen hat.“508 dienen bestimmt ist, erinnern wird.“505 Sinn und Zweck dieser zweiten Bedingung ··································································· liegen nahe: Die neugegründete Stiftung Hinter dieser „unumstößlichen Bedin- sollte von Beginn an räumlich und in äu- gung“ steckte jedoch vor allem einer: Wer- ßerst repräsentativer Weise mit dem Staat ner von Melle. Ihm war klar, dass sein und der Wissenschaft in Verbindung tre- Wunsch nach einem solch exklusiven Stand- ten.509 ort ohne weitere Unterstützung keine Mehr- ··································································· heit im Senat finden würde. Deshalb spielte Beide Bedingungen finden sich dann auch er über Bande und sprach sich mit Edmund in der Mitteilung des Senats an die Bürger- Siemers ab, sodass alle Versuche Johann schaft Nr. 198. Dieser bewilligte am 27. Sep- Georg Mönckebergs, dem Stifter einen we- tember 1907 Werner von Melles „Antrag, niger prominenten Platz für das Gebäude betreffend Ausweisung eines Bauplatzes an schmackhaft zu machen, scheiterten.506 Der der Grindelallee für ein Vorlesungsge- Präses der Finanzdeputation bemerkte bäude“510 – und das, obwohl er gegen den schließlich resignierend – und wahrschein- geltenden Bebauungsplan verstieß.511 In der lich auch leicht säuerlich, da sich Werner Anlage der Mitteilung heißt es: „Herr Ed- von Melle einmal mehr als „Nervensäge“ er- mund J. A. Siemers (…) ist (…) geneigt, wiesen hatte –: „Die Wiese ist nun einmal dem hamburgischen Staate ein monumen- von Melle verfallen.“507 tales Gebäude zu schenken (…), und zwar ··································································· unter folgenden Bedingungen: 1.) daß der Doch damit nicht genug. Siemers’ Schen- Staat bereit ist, den erforderlichen Bauplatz kung war an eine weitere Bedingung ge- auf der Moorweide an der Grindelallee (…) knüpft, die ebenfalls auf Werner von Melle unentgeltlich und lastenfrei zur Verfügung zurückgeht. Am 16. September 1907 hatte er zu stellen (…); 2.) daß der Staat sich ver- Edmund Siemers geschrieben, dass die pflichtet (…) der Hamburgischen Wissen- Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung schaftlichen Stiftung die für ihre Vorlesun- bestrebt sei, „in dem neuen Vorles[un]gsge- gen und Übungen, ihre Dozenten, ihre bäude eine möglichst selbstständige Rolle zu sonstigen wissenschaftlichen Aufgaben und spielen. Sollte daher dieses Gebäude ge- ihre Verwaltung erforderlichen Räume mit schenkt werden, so wäre wohl zu erwägen, Heizung, Licht und Bedienung unentgelt- ob, wenn, wie ich annehme, die Schenkung lich zur Verfügung zu stellen.“512 Wenige an den Staat erfolgt, d[ie]ser nicht ausdrück- Tage später, am 2. Oktober 1907, nahm die lich verpflichtet werden sollte, in dem Ge- Bürgerschaft den Senatsantrag einstimmig bäude für alle Zeit der Stiftung die für sie „unter dem Ausdruck des Dankes an Herrn vorgesehenen Räume zu gewähren u. ihr Siemers“ an.513 Werner von Melle erinnert auch die Hörsäle u.s.w. für die von ihr zu sich: „Als sich bei der Abstimmung das veranstaltenden Vorles[un]gen einzuräu- ganze Haus, freudig erregt, wie ein Mann er-

| 142 | hob, in der Mitte der mit seinem dichten Teilnehmerzahl erklärt sich dadurch, dass weißen Haar aus den Reihen der Kollegen nicht alle Teilnehmer Architekten waren. hervorleuchtende Edmund Siemers, auf den Auch Hamburger Bürger anderer Berufs- alle Augen gerichtet waren, – da hatte ich sparten fühlten sich bemüßigt, Entwürfe den lebhaften Eindruck eines außergewöhn- einzureichen.521 Die Architekten des Preis- lich schönen geistigen Erlebnisses.“514 gerichts, die „zur konservativen Créme ··································································· deutscher Architektur um die Jahrhundert- Einen Monat später unternahm Edmund wende“ gehörten,522 entschieden sich schließ- Siemers zusammen mit drei weiteren Kura- lich einstimmig für den Entwurf mit dem toren der Hamburgischen Wissenschaftli- für Wissenschaften zweckadäquaten Kenn- chen Stiftung, Werner von Melle, Gottfried wort „Licht“. „Erwartungsvoll“, so Werner Holthusen und Julius Engel, sowie dem Re- von Melle, „öffneten wir den beigefügten gierungsrat und Sekretär der Stiftung Max Briefumschlag, der die Namen Hermann Förster eine Informationsreise, die zur Han- Distel und August Grubitz enthielt. Keiner delshochschule in Köln, zum Jügelhaus in von uns, auch nicht der Baudirektor, wußte Frankfurt und zur Technischen Hochschule etwas von den nunmehr Preisgekrönten.“523 in Darmstadt führte.515 Diese hatten sich während ihres Studiums ··································································· an der Technischen Hochschule in Stuttgart Um dem neuen Vorlesungsgebäude eine sei- kennengelernt und 1905 ein Architektur- ner Funktion und seinem Ort angemessene büro in Hamburg eröffnet. Sie waren noch Qualität zu sichern, setzte sich Siemers da- relativ jung, 1875 bzw. 1876 geboren, und für für ein, einen Architektenwettbewerb mit sie bedeutete der erste Preis in diesem Wett- einem überregional besetzten Preisgericht bewerb den Durchbruch in der Hanse- auszuloben.516 Am 14. Dezember 1907 wur- stadt.524 Von nun an waren sie als Architek- de eine Konkurrenz ausgeschrieben, an der ten gefragt und avancierten sogleich zu den sich nur „die in Hamburg ansässigen oder in „Hausarchitekten“ von Edmund Siemers. Hamburg geborenen Architekten“ beteili- Hatte Martin Haller für ihn 1898 bzw. 1902 gen konnten517 – übrigens mit einem Text, noch das Thekla- und Hans-Haus der Lun- der stark an den des Preisausschreibens für genheilstätte Edmundsthal-Siemerswalde das Bismarck-Denkmal erinnerte.518 Offen- errichtet, so waren es Distel und Grubitz, bar hatte Edmund Siemers auf Unterlagen die dort ab 1910 das Susannen-Haus bau- zurückgegriffen, die er seinerzeit als Mit- ten.525 glied des Ausschusses für die Errichtung des ··································································· Denkmals erhalten hatte.519 Im Ausschrei- Über den Entwurf der beiden hatte das bungstext wurden Entwürfe für ein Ge- Preisgericht geschrieben, dass er „die hervor- bäude „in vornehmen monumentalen For- ragendste Arbeit des Wettbewerbs sowohl in men“ gefordert, „wobei auf schöne Verhält- Bezug auf die Zweckmäßigkeit und die nisse und eine schöne Gebäudeumrißlinie Raumbildung, wie auf die Gruppierung der ganz besonderer Wert zu legen ist“.520 Baumassen“ sei. „Der ganze Baugedanke ist ··································································· groß und hoheitsvoll gelöst, das Gebäude Bis zum Bewerbungsschluss am 1. Mai 1908 wird einen mächtigen Eindruck machen. gingen insgesamt 86 Entwürfe ein. Die hohe Die Möglichkeit einer zukünftigen Erweite-

| 143 | Motto: „Das Licht“

| 144 | | 145 | Die Haupttreppenhalle im ersten Obergeschoss

| 146 | Farbrekonstruktionsversuch der Haupttreppenhalle (Katharina Baark)

| 147 | rung ist gewahrt, die Anlage wird vor wie überhaupt erhielt es eine einheitliche, far- nach der Erweiterung einen geschlossenen bige Innenausstattung.531 Dies betraf sämt- Charakter aufweisen.“526 Architektonisch liche Wände des Treppenhauses, der Flure stellte das Vorlesungsgebäude eine Verbin- und der Wandelhalle, der Hörsäle und der dung barocker Schlossfassaden – vor allem Seminarräume. Verantwortlich hierfür zeich- das Schloss Bruchsal hatte Pate gestanden527 nete der Maler Otto Fischer-Trachau, von – mit der zeitgenössischen amerikanischen dem folgender Ausspruch stammt: „In Ham- „Campus-Kuppel“ dar. Materiell war es ein burg herrschte Farbangst, die vornehmste moderner Eisenbetonbau, der erste in Ham- und immer passende ‚Farbe‘ war Grau.“532 burg überhaupt, und auch die Gebäude- Bei der Wahl der Farbtöne wurde, so die technik – die Heizungs-, Lüftungs- und Be- Kunsthistorikerin Katharina Baark, „alle leuchtungsanlage, die Fernsprech-Zentrale Zurückhaltung aufgegeben“.533 Durch die und die synchronisierte Uhranlage – war auf Farbe war die wichtigste Forderung des Ju- dem neuesten Stand.528 gendstils von der Architektur als Gesamt- ··································································· kunstwerk erfüllt, wobei er sich im Inneren Diese Melange aus Tradition und Moderne des Gebäudes mit barocken Elementen in macht das Vorlesungsgebäude aus, wobei Form der Ornamentik überlagerte.534 letztere nach außen hin camoufliert wird – ··································································· tritt das Haus doch bis hin zu den imitier- Nach dem Besuch der Kunstakademie in ten Fugen als verputzter Mauerwerksbau Dresden war Fischer-Trachau 1907 nach mit Werksteingliederung auf.529 Der Kunst- Hamburg gekommen. Seit 1909 arbeitete historiker Hermann Hipp beschreibt es als er eng mit Baudirektor Fritz Schumacher einen Schlüsselbau für die Baukunst seiner zusammen, der sich bei Amtsantritt freie Zeit, „einzuspannen in das Koordinatensys- Hand in der Wahl seiner künstlerischen tem ihrer Grundprobleme – 1. hochmodern Mitarbeiter ausbedungen hatte.535 Fischer- in Bautechnik, Material und Konstruktion Trachau gestaltete zahlreiche öffentliche Ge- – 2. Distanziert von jener Begeisterung an bäude in der Hansestadt farbig aus, außer- historischen Vorbildern, die bis dahin die dem entwarf er Glasfenster, Mosaiken, Großstädte mit Neugotik und Neorenais- Fußböden, Wandmalereien für Kirchen- sance füllten. – 3. Erschrocken über die ra- und Profanbauten. Das meiste hiervon ist dikale Avantgarde, die sich im schon wieder heute nicht mehr erhalten, sodass er kaum überlebten Jugendstil zuerst, in modernen noch bekannt ist.536 Auch seine gut erhalte- Industrie- und Geschäftsbauten aber mit nen Malereien im Vorlesungsgebäude ver- ökonomisch radikalisiertem Verzicht auf schwanden nach dem Zweiten Weltkrieg.537 Dekor äußerte. – 4. Kulturkritisch erhofft es ··································································· sich zugleich die Erlösung von den Konflik- Fischer-Trachau klagte hierüber in sei- ten der Moderne durch Rekurs auf alte Tra- nen Erinnerungen: ditionen.“530 ··································································· ··································································· „Weder künstlerisch noch historisch u. da Nach außen Camouflage, im Inneren bunt die Malereien an d. Decke waren u. die Be- – so kam das Vorlesungsgebäude daher. Als sucher durch Bazillen nicht gefährdeten, lag erstes öffentliches Bauwerk in Hamburg eigentl. aus hygienischen Gründen kein An-

| 148 | Geschmackvoll eingerichtet – von links oben im Uhrzeigersinn: Zimmer des Vorsitzenden des Professorenrats (heute Raum 107), Dozentensprechzimmer (heute Raum 109 ⁄110), Präsidialzimmer (heute Raum 133 ⁄134) und Vorstandszimmer (heute Raum 240)

| 149 | Heute nach dem Vater der Kulturwissenschaften Ernst Cassirer benannt – Hörsaal A (Aufnahme von 1911)

| 150 | Otto Fischer-Trachaus farbiger Entwurf für den Hörsaal A lass vor, sie zu beseitigen. Wahrscheinlich ohne Rücksicht auf einen künstl. od. histor. genügte ein pflichtbewusster Baubeamter Wert.“538 seiner Aufgabe: ‚Decken u. Wände sind tur- ··································································· nusgemäß neu zu streichen.‘ – So ver- Auch die Kunstverglasungen im vorderen schwanden die kl. Malereien, die die Kasset- Mittelbau stammten von Fischer-Trachau. ten-Decke der Treppenhalle im I. Stock Sie stellten den Born der Weisheit dar, dem zierten: Jede einzelne Kassette zeigte eine die Menschheit zustrebt, und waren ein Ge- kl. Figur in ein Blattornament eingefügt. schenk von Edmund Siemers, seiner Frau Desgl. gedankenlos ja rigoros wurde die De- und seinen Kindern. Im Zweiten Weltkrieg cke des Hörsaales ‚A‘ überstrichen, u. der ur- fiel diese Fensterfront den Bomben zum sprünglich dekorative Schmuck durch die Opfer. Siemers’ Enkel und Urenkel setzten Leistung eines Dekorationsmalers ersetzt.“ dann beinahe 100 Jahre später die Stiftertra- Und weiter: „Die dek. Ausschmückg. wurde dition fort und übernahmen die Kosten für überstrichen. Nur im Hörsaal ‚A‘, im Sinne neue Fenster an derselben Stelle. Sie wurden des Dekorationsmalers erneuert. Die 1910 im November 2003 eingepasst und sind reich bemalte Decke in d. Trepppenh. des I. nach einem Entwurf der Hamburger Male- Stock – die Kassettenfelder waren m. orna- rin Beate Wassermann gestaltet.539 mental-figurativen Motiven geschmückt u. ··································································· sehr gut erhalten – wurde überstrichen, Blickt man von außen auf den vorderen

| 151 | Born der Weisheit und modernisierte Tradition – die alten und neuen Kunstverglasungen im vorderen Mittelbau

| 152 | Die handschriftliche Widmung von Edmund Siemers

Mittelbau, so fällt die Inschrift „Der For- umfassenden Sinn (…) als Medium der Ver- schung, der Lehre, der Bildung“ ins Auge. ständigung über die zentralen und wesent- Als ihr Erfinder gilt Edmund Siemers, der lichen Fragen, von denen die Stadt berührt als erster den Wunsch nach einem Motto wird.“543 Siemers’ Inschrift habe also auf die äußerte.540 Werner von Melle war zunächst Ablösung von der reinen Gelehrtenkorpora- dagegen, wie Max Förster schreibt: „Zum tion und die Öffnung der Universität in das Teil sind die Gegengründe meines Herrn Gemeinwesen gezielt. Dass das Siemerssche Chefs ästhetischer Art; er hält es nicht für ar- Motto bis heute nichts von seiner Aktuali- chitektonisch, Inschriften an Gebäude zu tät verloren hat, zeigt sich darin, dass die setzen und meint, diese müssten durch sich Universität Hamburg „im Anschluss (…) an selbst ohne einen begleitenden Text wirken. diese Widmung (…) ein Konzept nachhal- Herr Siemers dagegen steht auf dem Stand- tiger Wissenschaft (verfolgt)“.544 Deshalb punkt, daß eine Inschrift wünschenswert wurde auch im Oktober 2010 das Univer- sei.“541 sitätslogo weiterentwickelt und das Motto ··································································· „Der Forschung, der Lehre, der Bildung“ Als das Vorlesungsgebäude eröffnet wurde, hinzugefügt. hatte Hamburg noch keine Universität. Also ··································································· musste sich die Inschrift an allgemeine Mo- Zurück zu den bereits erwähnten Feier- tive und Topoi halten.542 Dennoch – oder lichkeiten zur Einweihung des Vorlesungs- besser: gerade deswegen – wurde in der tria- gebäudes: Nach knapp zweieinhalbjähriger dischen Ordnung der Begriffe bereits die Bauzeit war es am 12. Mai 1911 soweit. Auf moderne Funktion der Universität ange- einer kleinen Feier wurde eine Marmorbüste zeigt. Traditionellen Formen der Selbstbe- von Edmund Siemers enthüllt. Sie stammte schreibung der Universität, so der Bildungs- aus der Hand des Bildhauers Wilhelm forscher Heinz-Elmar Tenorth, seien zuvor Kumm und war am 12. März 1910 „von 52 immer dual gewesen (Forschung und Leh- angesehenen Mitbürgern Hamburgs“, da- re). „Hier, in Hamburg, findet sich die runter 11 der 18 amtierenden Senatoren, an- Zäsur, anzeigend, dass Bildung selbst ein lässlich des 70. Geburtstages von Edmund Thema ist (…). ‚Bildung‘, das dritte Glied Siemers gestiftet worden. „Geladen waren der Trias, gewinnt darin ihren neuen und zu der Feier außer den Stiftern der Büste

| 153 | | 154 | Abbilder – die Büsten Edmund Siemers’ und Werner von Melles in der Wandelhalle

| 155 | natürlich vor allem Herr Edmund J. A. Sie- Lernender dieses Gebäude betritt“, so von mers mit seiner näheren Familie, das Kura- Melle weiter, „soll von vornherein darauf torium der Hamburgischen Wissenschaftli- hingewiesen werden, daß wir diese neue chen Stiftung und die Architekten des Ge- Stätte hamburgischer und deutscher Kultur bäudes.“545 Werner von Melle hielt eine der Einsicht, dem Patriotismus und der Ansprache und hob die Verdienste hervor, Opferwilligkeit eines unserer besten Bürger die sich Siemers „um das aufstrebende Geis- verdanken.“546 tesleben Hamburgs“ erworben hätte. Die ··································································· Büste hätten sich die Stifter als „einen orga- Die Enthüllung der Büste markierte den nischen Bestandteil des Gebäudes, als seinen Auftakt für die Aufstellung weiterer Büsten, eigentlichen Schlussstein und sein glückver- die zum Teil noch heute in der Wandelhalle heißendes Wahrzeichen“ gedacht. „Ein je- des Vorlesungsgebäudes stehen. So z. B. die der, der in Zukunft als Lehrender oder als Bronze Werner von Melles, die ihn als

| 156 | Die erste Sitzung des Kuratoriums der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung – Gemälde von Henry Geertz (1911)

Amtsträger darstellt – als Bürgermeister, in Hier präsentierte Edmund Siemers den seiner für die Universität entscheidenden Gästen ein monumentales Wandgemälde, Funktion des homo politicus. Sie wurde „das die eine Schmalwand des Sitzungssaals 1925 vom Verleger Alfred Broschek gestiftet. oberhalb des Präsidentenplatzes ganz aus- Aufgestellt wurde sie allerdings erst unter füllt“.548 Der Gedanke, „dem Sitzungszim- dem Rektorat Werner Ehrlichers, also zwi- mer der Wissenschaftlichen Stiftung eine schen 1967 und 1969.547 dauernde Erinnerung zu geben durch Stif- ··································································· tung eines großen Bildes, die erste Sitzung Nach der Enthüllung der Siemersschen [des Kuratoriums am 16. April 1907 im Büste begab sich die Festgesellschaft in den Phönixsaal des Hamburger Rathauses, JG] Sitzungssaal der Hamburgischen Wissen- darstellend“, war ihm im Winter 1909 ge- schaftlichen Stiftung, der sich im Erdge- kommen.549 Und so beauftragte er seinen schoss des östlichen Seitentrakts befand. Protegé Henry Geertz, „diesen (…) histori-

| 157 | schen Moment zu fixieren“550 – zum Miss- die seinem künstlerischen Ordnungssinne fallen Gustav Schieflers, der es als „Beweis alle Ehre macht, zugleich aber auch als eine seiner Ahnungslosigkeit in künstlerischen porträtistische Leistung einwandlose Aner- Dingen“ bewertete, dass Siemers ausgerech- kennung heischt. (…) Heute kann jedoch net Geertz, den Schiefler abschätzig als schon ausgesprochen werden, daß das schö- „Schaumschläger“ titulierte, mit dieser ne Kunstwerk, das als ein, das einträchtige wichtigen Arbeit betraut hatte.551 Zusammenwirken von Wissen und kauf- ··································································· männischer Energie betonendes Dokument Das Gemälde zeigt in der Tradition altnie- sich darstellt, des Rahmens nicht unwert er- derländischer Regentenstücke sämtliche scheint, in den es eingefügt werden soll.“554 Mitglieder des ersten Stiftungskuratoriums ··································································· überwiegend sitzend um einen Tisch ver- Die eigentliche Einweihungsfeier fand dann eint. Edmund Siemers ist in nachdenklicher am 13. Mai 1911 statt. An ihr nahm jeder teil, Pose dargestellt. Als Werner von Melle das der in Hamburg Rang und Namen hatte – Gemälde zum ersten Mal sah, äußerte er das anwesend war die gesamte politische, kauf- heute noch gern wiedergegebene Bonmot, männische und akademische Elite der Han- „daß Herr Siemers nach seiner Haltung auf sestadt.555 Edmund Siemers übergab Wer- dem Bilde offenbar gerade in dem Moment ner von Melle einen „goldenen“ Schlüssel, dargestellt sei, in dem er während der Sit- der später – sehr hamburgisch – bei der zung der Hamburgischen Wissenschaftli- Übernahme durch die Kassenverwaltung chen Stiftung den Gedanken an die Stiftung gewogen und als „lediglich vergoldet“ be- des Vorlesungsgebäudes gefaßt habe“.552 funden wurde.556 Bürgermeister Max Pre- Ansonsten äußerte sich von Melle diploma- döhl begrüßte die Gäste und machte ein tisch-zurückhaltend: Das Gemälde zeige Versprechen, das die meisten seiner Amts- „die durchweg wohlgetroffenen Bildnisse nachfolger leider nicht eingehalten haben: der (…) neunzehn ersten Mitglieder des Ku- „Im Namen unseres Staates, den wir mit ratoriums und des Sekretärs der Stiftung“.553 Liebe und mit Stolz die Freie und Hanse- Deutlich positivere Worte fanden die „Ham- stadt Hamburg nennen, nehme ich von burger Nachrichten“: Ihnen, geehrter Herr Siemers, freudig be- ··································································· wegten Herzens diesen Schatz entgegen. Ich „Die enorme Schwierigkeit, größere Grup- gelobe ihm namens unserer Stadt treue pen zu Bildniszwecken auf der Malleinwand Hege und Pflege, ihm und den in ihm ver- solcherart unterzubringen, daß von den Dar- körperten Gedanken und Bestrebungen.“557 gestellten jeder Einzelne porträtistisch zu ··································································· seinem Rechte kommt, ohne dass die An- Danach bekamen die Gäste einen Vortrag ordnung in Steifheit und Unnatur verfiele, vom Historiker Erich Marcks zu hören, für die erst in den letzten Jahren, gelegentlich den die Hamburgische Wissenschaftliche der Ausstellung des Hugo Vogelschen Se- Stiftung wenige Jahre zuvor, 1907, eine Stif- nats- und, näher an uns heran, nach Vollen- tungsprofessur eingerichtet hatte. Ganz be- dung des vieldiskutierten Professorenbildes wusst übrigens auf geisteswissenschaftli- von Max Liebermann erörtert worden ist, chem Gebiet, gab es doch im naturwissen- hat Herr Geertz in einer Weise überwunden, schaftlichen Bereich, dessen „Nützlichkeit“

| 158 | Titelblatt der Festschrift von 1911, die unmittelbar nach der Einweihungsfeier von Edmund Siemers verschickt wurde

| 159 | Die Hamburgische Universität symbolisiert durch das Vorlesungsgebäude – Kupfertiefdruckbeilage im Hamburger Fremdenblatt vom 9. April 1919 selbst einem Hamburger Kaufmann unmit- „etwas (…), das dem städtischen Leben telbar einleuchten mochte, trotz des Fehlens Hamburgs fremd war“ dar, versuchte jedoch einer Universität in der Hansestadt schon zugleich, diese seinen Zuhörern „innerlich relativ viele Institute. In seinen Ausführun- nahe (zu) bringen“.558 Eine solche Vermitt- gen über „Bismarck und die 48er Revolu- lung war ganz im Sinne des anwesenden Pu- tion“ stellte Marcks die reaktionären politi- blikums. schen Einstellungen des jungen Bismarck als ···································································

| 160 | Die Stiftung des Vorlesungsgebäudes wirk- ··································································· te über die Grenzen Hamburgs hinaus und Nach der Beendigung des Vortrages ließ brachte Edmund Siemers sogar in die Nähe sich der Monarch dann Bilder des Malers des kaiserlichen Hauses. Denn bereits im Vogel von der Südsee-Expedition der Ham- folgenden Jahr, am 19. Oktober 1912, be- burgischen Wissenschaftlichen Stiftung zei- suchte Wilhelm II. das Hamburgische Ko- gen. lonialinstitut. ··································································· ··································································· Für Edmund Siemers – ebenso wie für Die „Neue Hamburger Zeitung“ berich- Werner von Melle – war völlig klar, dass aus tete: dem Vorlesungsgebäude früher oder später ··································································· eine Universität werden würde.560 Und so „Bald nach 12 Uhr traf der Kaiser, geleitet kam es denn auch am Ende eines langen von den Bürgermeistern Dr. Schröder und Weges: Als die Hamburgische Bürgerschaft Dr. Predöhl und Senator Dr. v. Melle, im im März 1919 die Einrichtung einer Univer- Vorlesungsgebäude ein, wo er von den Her- sität in Hamburg beschloss, wurde das Vor- ren Geheimrat Stuhlmann, Prof. Warburg lesungsgebäude ganz selbstverständlich zu und Edm. J. A. Siemers empfangen wurde. dem, als was es von Anfang an konzipiert Im großen Hörsaal (A), wo eine auserlesene war – „die Universität“.561 Bis heute ist das Gesellschaft, bestehend aus Kolonial- und so geblieben.562 Seine Architektur wird so- Konsularkreisen und Freunden und Ange- fort als die einer Universität wahrgenom- hörigen des Instituts das Auditorium bil- men, nicht nur in Hamburg, sondern auch dete, nahm dann der Monarch, von den außerhalb der Stadtgrenzen.563 Der Auszug Anwesenden durch Erheben von den Sitzen des Universitätspräsidiums in einen ge- begrüßt, zwischen den Hamburgischen s(ch)ichtslosen Bau, der sich am Mittelweg Bürgermeistern Platz. Sofort begann dann 177 befindet – seit Ende 2012 auch die offi- Prof. D. Meinhof über ‚Die Bedeutung der zielle Adresse der Universität Hamburg –, experimentellen Phonetik für die Erfor- offenbart ein bedauernswertes Maß an Ge- schung der afrikanischen Sprachen‘ vorzu- schichtsvergessenheit. Allen „Leuchttür- tragen, unterstützt von seinem Mitarbeiter men“ zum Trotz scheint die Orientierung Herrn Dr. Panconcelli-Calzia bei den Licht- verloren gegangen zu sein – nur so lässt sich bilderdemonstrationen. Der Vortrag gab der Schluss erklären, das Hauptgebäude der eine kurze Einführung in das genannte wis- Universität Hamburg sei „kaum über Ham- senschaftliche Spezialgebiet.“559 burg hinaus bekannt“.564

| 161 | Nächtliches Fest in Sikawa auf Neu-Guinea – eine der Zeichnungen, die Hugo Vogel auf der großen Südsee-Expedition anfertigte, die die Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung 1908 ⁄10 finanzierte

| 162 | | 163 | ·············································································································································· 302 Tagebuch (1906⁄07), S. 10 (Archiv ESST). 303 Kocka, Bürgertum, S. 27. 304 Tagebuch (April 1912), S. 21 (Archiv ESST). 305 Kocka, Bürger, S. 34. 306 Ahrens, Kaufmannschaft, S. 230; Münkler, Anstifter, S. 38. 307 Reemtsma, Legitime Willkür, S. 84 f. 308 Tagebuch (1906⁄07), S. 11 ff. 309 Kocka, Bürgertum, S. 34; Frey, Macht, S. 13; Münkler, Anstifter, S. 31. 310 Kraus, Richesse, S. 37. 311 Albrecht, Beit, S. 104. 312 So Kraus, Richesse, S. 38. 313 Pielhoff, Paternalismus, S. 327, 338; Hein, Stiftungswesen, S. 90. 314 Pielhoff, Paternalismus, S. 572; Frey, Gemeinwohl, S. 287; Lingelbach, Wissenschaftsförderung S. 44. 315 Hein, Stiftungswesen, S. 92. 316 So sein Enkel Hans-Edmund Siemers in einem Brief an Margarete Kausch vom 19. Januar 1978: Archiv ESST. 317 Werner, Stiftungsstadt, S. 108, 110. 318 Goetz, Geschichte. 319 Auszug aus dem Protokoll des Senats, 12. Mai 1911: StA Hbg., 111-1 Senat, Cl. VII Lit. He Nr. 1 Vol. 63 Fasc. 18, Inv. 7. 320 Werner, Stiftungsstadt, S. 109. 321 Edmund Siemers an Adolf Schaer, 14. März 1888: Privatbesitz Hans-Gerd Kausch. 322 Tagebuch (Winter 1910), S. 19 (Archiv ESST). 323 Abgedruckt im Hamburger Fremdenblatt Nr. 61 ( 13. März 1910). 324 Werner, Stiftungsstadt, S. 108; Stiftung Hamburgisches Krankenhaus Edmundsthal-Siemerswalde (Hg.): Edmundsthal-Siemerswalde 1898–1947: Erinnerungen und Erfahrungen von Prof. Dr. med. Johannes Ritter, Chefarzt in Edmundsthal-Siemerswalde 1899–1947 (Aus dem Nachlaß), Geesthacht 1989 [unver- öffentlicht], S. 147 (Archiv ESST). 325 Stenographische Berichte 1907, S. 836. 326 Krause, Wiese, S. 37. 327 Edmund Siemers an den Oberregierungsrat der Finanzdeputation Johann Daniel Krönig, 26. Juni 1914: StA Hbg., 111-1 Senat, Cl. IV Lit. B No. 4 Vol. 2d Fasc. 4, Inv. 31b sowie Auszug aus dem Protokoll der Baudeputation, 2. Juli 1914: ebd. 328 Eduard Westphal an Werner von Melle, 9. Oktober 1915: Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky: NvM: HJ Westphal, Eduard. 329 Schiefler, Kulturgeschichte, S. 355. 330 Art. Nabob, S. 355. 331 Siehe S. 136 ff. 332 Sodemann-Fast, Art. Siemers, S. 313. 333 Melle, Jahre 2, S. 47. 334 Tagebuch (Winter 1909), S. 17 (Archiv ESST). 335 Ebd.

| 164 | 336 Zitiert nach: Hauschild-Thiessen, Bürgerstolz, S. 97. 337 Krieger, Hahnekamp, S. 270–304. 338 Stiftungs-Urkunde, S. 3. 339 Stiftung Hamburgisches Krankenhaus Edmundsthal-Siemerswalde (Hg.): Edmundsthal-Siemerswalde 1898–1947: Erinnerungen und Erfahrungen von Prof. Dr. med. Johannes Ritter, Chefarzt in Edmunds- thal-Siemerswalde 1899–1947 (Aus dem Nachlaß), Geesthacht 1989 [unveröffentlicht], S. 21 (Archiv ESST); siehe S. 25 f. 340 Pieper, Sozialstruktur, S. 226. 341 Stiftung Hamburgisches Krankenhaus Edmundsthal-Siemerswalde (Hg.): Edmundsthal-Siemerswalde 1898–1947: Erinnerungen und Erfahrungen von Prof. Dr. med. Johannes Ritter, Chefarzt in Edmunds- thal-Siemerswalde 1899–1947 (Aus dem Nachlaß), Geesthacht 1989 [unveröffentlicht], S. 21 (Archiv ESST). 342 Fischer-Appelt; Siemers, Leben, S. 19 f. 343 Grundmann, 150 Jahre, S. 34; Pieper, Sozialstruktur, S. 84, nennt folgende Zahlen: Zwischen 1872 und 1895 seien allein in Hamburg insgesamt 46.380 Menschen an Tuberkulose gestorben. 344 Archiv ESST, Ordner „Unterlagen aus der Klinik Edmundsthal-Siemerswalde“. 345 Ritter, Festschrift, S. 3. 346 Hamburger Nachrichten Nr. 119 (12. März 1910). 347 G. J. H. Siemers & Co. Hamburg (Archiv ESST). 348 Prüß, Heimatbuch, S. 79 f. 349 Stiftung Hamburgisches Krankenhaus Edmundsthal-Siemerswalde (Hg.): Edmundsthal-Siemerswalde 1898–1947: Erinnerungen und Erfahrungen von Prof. Dr. med. Johannes Ritter, Chefarzt in Edmunds- thal-Siemerswalde 1899–1947 (Aus dem Nachlaß), Geesthacht 1989 [unveröffentlicht], S. 20 (Archiv ESST). 350 Werner, Stiftungsstadt, S. 60. 351 Hamburgisches Tuberkulosekrankenhaus, S. 181; Stiftung Hamburgisches Krankenhaus Edmundsthal- Siemerswalde (Hg.): Edmundsthal-Siemerswalde 1898–1947: Erinnerungen und Erfahrungen von Prof. Dr. med. Johannes Ritter, Chefarzt in Edmundsthal-Siemerswalde 1899–1947 (Aus dem Nachlaß), Geest- hacht 1989 [unveröffentlicht], S. 24 (Archiv ESST). 352 Ebd., S. 39. 353 Prüß, Heimatbuch, S. 79. 354 Ebd., S. 78. 355 Hamburgisches Tuberkulosekrankenhaus, S. 181. 356 Archiv ESST, Ordner „Unterlagen aus der Klinik Edmundsthal-Siemerswalde“. 357 Die Reden, S. 98. 358 Frey, Gemeinwohl, S. 289. 359 Ebd., S. 290. 360 Grawitz, Gedächtnissrede, S. 10; Zinn, Gerhardt, S. 375; Stiftung Hamburgisches Krankenhaus Ed- mundsthal-Siemerswalde (Hg.): Edmundsthal-Siemerswalde 1898–1947: Erinnerungen und Erfahrungen von Prof. Dr. med. Johannes Ritter, Chefarzt in Edmundsthal-Siemerswalde 1899–1947 (Aus dem Nach- laß), Geesthacht 1989 [unveröffentlicht], S. 57 ff. (Archiv ESST). 361 Ebd., S. 96 f. 362 Ebd., S. 35. 363 Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft, Drucksache 18⁄850 vom 7. September 2004 (http://www.buer- gerschaft-hh.de/parldok; 13. April 2013). 364 Schulz, Weltbürger, S. 669. 365 Die Reden, S. 100. 366 Lippmann, Leben, S. XVII. 367 Bohnsack, Finanzverwaltung, S. 193 f.

| 165 | 368 Lippmann, Leben, S. XVIII. 369 Vgl. die entsprechenden Jahrgänge im Hamburgischen Staats-Kalender bzw. ab 1897 im Hamburgischen Staatshandbuch. 370 Tagebuch (April 1907), S. 14 (Archiv ESST); Wagner, Wiese 2, S. 11. 371 Lippmann, Leben, S. XVIII f. 372 Tagebuch (April 1907), S. 14 (Archiv ESST). 373 Eckardt, Herrschaft, S. 40. 374 Schiefler, Kulturgeschichte, S. 360; Dahms, Gängeviertel, S. 108; Krause, Forschung, S. 50. 375 Guhl, Lattmann, S. 78. 376 Sie stellten nach der Verfassungsreform von 1879 40 der insgesamt 160 Abgeordneten der Hamburgischen Bürgerschaft, und zwar diejenigen, „welche durch direkte Wahl mit geheimer Stimmabgabe von denjeni- gen Bürgern erwählt werden, welche Richter, Handelsrichter, Mitglieder der Vormundschaftsbehörde, bürgerliche Mitglieder der Verwaltungsbehörden, der Handels- und Gewerbekammer sind oder gewesen sind“ (Wiegand, Notabeln, S. 147). 377 Hamburger Nachrichten Nr. 594 (21. November 1918). 378 Stenographische Berichte 1913, S. 347. 379 Eckardt, Herrschaft, S. 38, 44. 380 So eine Notiz im Archiv ESST, Ordner „Presse“. 381 Edmund Siemers an Ilona Siemers, 9. März 1918: ebd., Ordner „Ilona Siemers“. Dort heißt es: „Ich habe hier neulich ein sehr nettes Zusammensein mit der nationalliberalen Reichstagsfraction gehabt, ich hatte sie zum Empfang zum Frühstück ins Atlantic eingeladen, du kannst Dir denken, dass nachdem ich an- fangs die Begrüßungsrede gehalten, nachher noch viel Reden geschwungen wurden. Noch jetzt bekomme ich viel Dank für den Aufenthalt hier.“ 382 Grundlegend hierzu Siemann, Nationalversammlung. 383 Hans-Edmund Siemers: Nachwort, in: Edmund J. A. Siemers: Tagebücher und Lebenslauf, Privatdruck 1996 (Archiv ESST). 384 Förster, Militarismus; vgl. Ferguson, Krieg, S. 129. 385 Elsner, Kaisertage, S. 19, 29. 386 Tagebuch (April 1913), S. 22 (Archiv ESST). 387 Vgl. z. B. Wehler, Gesellschaftsgeschichte, S. 1079, der darauf hinweist, dass der Deutsche Wehrverein in seiner Hochphase in verblüffend kurzer Zeit eine erfolgreiche „Pressure Group“ organisierte, die radikal- nationalistische Impulse und militärstaatliche Traditionen zusammenführte. 388 Edmund an Ilona Siemers, 6. April 1912: Archiv ESST, Ordner „Ilona Siemers“. 389 Nipperdey, Geschichte, S. 603. 390 Shevin-Coetzee, Wehrverein S. 366. 391 Fischer, Krieg, S. 162. 392 Shevin-Coetzee, Wehrverein, S. 366 f., 374; Wehler, Gesellschaftsgeschichte, S. 1079. 393 Hamburgischer Correspondent Nr. 187 (13. April 1912). 394 Zitiert nach Fischer, Krieg, S. 162. 395 Shevin-Coetzee, Wehrverein, S. 374. 396 Tagebuch (April 1913), S. 23 (Archiv ESST). 397 Shevin-Coetzee, Wehrverein, S. 374. 398 Ebd., S. 373. 399 Fischer, Krieg, S. 160. 400 Ferguson, Krieg, S. 129. 401 Shevin-Coetzee, Wehrverein, S. 373. 402 Hamburgischer Correspondent Nr. 491 (26. September 1916). 403 Busold, Newman, S. 57. 404 Deutsche Tageszeitung Nr. 487 (27. September 1916).

| 166 | 405 Hamburgischer Staats-Kalender 1869, S. 19. 406 Stolt, Protestantismus, S. 30. 407 So § 19 der Kirchenverfassung von 1896, zitiert nach Schade, Eintracht, S. 156. 408 Faulwasser, Jacobi-Kirche, S. 58. 409 Ein genaueres Datum der Stiftung konnte nicht ermittelt werden, in der 1894 erschienenen Schrift von Faulwasser heißt es jedoch, dass sich an den Seiten des Altars „Nischen für zwei Figuren befinden, die noch ihres Stifters harren“ (ebd., S. 58 f.). 410 Der St. Jakobi-Kirchenbote Nr. 6, 34 (21. Mai 1911), S. 3. – Die 1918 erschienene Schrift „G. J. H. Sie- mers & Co. Hamburg“ (Archiv ESST) berichtet außerdem, Edmund Siemers habe St. Jacobi auch ein Altarbild gestiftet. Hierfür ließen sich allerdings keine weiteren Belege finden. 411 Auskunft von Heino Hauschildt am 21. September 2011. 412 Hamburgischer Staats-Kalender 1890 und 1892, S. 31 und 28. 413 Hering, Protestantismus, S. 55. 414 Hamburgisches Staatshandbuch 1897, S. 159. 415 Hering, Protestantismus, S. 55. 416 Tagebuch (1906⁄07), S. 12 (Archiv ESST). 417 Vgl. die Schilderung der Reise bei Behrmann, Erinnerungen, S. 414–433. 418 Krüger, Rom, S. 97, 189 ff. 419 Dülffer, Regeln, S. 300. 420 So das Resümee von Dülffer (ebd., S. 335). 421 Ebd., S. 326. 422 Das deutsche Delegationsmitglied, der Wirkliche Geheime Legationsrat Johannes Kriege, formulierte es am 6. August 1907 folgendermaßen: „Die deutsche Delegation kann ihre Zustimmung zu keinem der Pro- jekte geben, die sich auf obligatorische und weltweite Schiedssprechung in allen juristischen Fragen oder solchen, die sich auf Vertragsinterpretation beziehen.“ (Zitiert nach ebd., S. 317). 423 Eyre Crowe an William Tyrrell, 11. Oktober 1907: zitiert nach ebd., S. 320. 424 Schröder, Siemers, S. 13. 425 Rede bei der Trauerfeier für Herrn Edmund J. A. Siemers am 23. November 1918 gehalten von J. H. Wil- helmi, Pastor zu St. Jacobi: Archiv ESST. 426 Edmund Siemers, Taufrede für Egon Siemers, ohne Datum (wahrscheinlich Sommer 1911): Archiv ESST, Ordner „Reden bei Taufen, Hochzeiten, Jubiläen, Festlichkeiten, Grabreden“. 427 Verwaltungsjahr 1896⁄97: StA Hbg., 362-6⁄1 Paßmannsche Schule, B II 2 c, Bl. 113; 16. März 1904: ebd., Bl. 124, 126. 428 Art. Pasman, S. 193; Neddermeyer, Statistik, S. 401., berichtet, dass 1847 etwa 280 Schüler die Stiftungs- schule besuchten. 429 Sitzungsprotokolle des Kuratoriums der Unterrichtsanstalten des St. Johannis-Klosters, Sitzung des Kura- toriums, 19. September 1896: StA Hbg., 611-1 St. Johannis-Kloster, 2436. Dort heißt es: „Der Herr Vorsit- zende theilt mit, dass an Stelle des zum Senator erwählten Herrn Holthusen Herr Edmund Julius Arnold Siemers zum Vorsteher erwählt worden ist und begrüßt den heute zum ersten Male an der Sitzung theil- nehmenden Herrn Vorsteher Siemers.“ 430 1923 wurden sie der Oberschulbehörde übereignet, die das Gymnasium Klosterschule einrichtete. Heute befindet sich am Holzdamm die Berufliche Schule an der Alster, vormals Staatliche Handelsschule, vgl. Berufliche Schule an der Alster (http://www.bs-alster.hamburg.de/index.php/article/detail/1252; 23. Juli 2013). 431 Zur Mitwirkung Siemers’ beim Wettbewerb für die Neubauten des Klosters St. Johannis unter den Mit- gliedern des Architekten- und Ingenieur-Vereins zu Hamburg vgl. vor allem die Protokolle der Sitzungen des Preisrichterkollegiums vom 4. und 5. Oktober 1912: StA Hbg., 611-1 St. Johannis-Kloster, 2430. 432 Bestimmt ist es für alleinstehende Damen ab dem 60. Lebensjahr, vgl. Kloster St. Johannis (http://www.klosterstjohannis.de/aufnahme.html; 24. Juli 2013).

| 167 | 433 Hamburgischer Correspondent Nr. 331 und 348 (3. und 12. Juli 1914). 434 Reincke, Geschichte, S. 51; Dahms, Gängeviertel, S. 180. 435 Aussage Julius Timm am 10. Januar 1908: Erster Bericht, S. 152 (StA Hbg., 111-1 Senat, Cl. VII Lit. Ff No. 4 Vol. 30 Fasc. 1, Inv. 73). 436 Jessen, Aufklärung, S. 190. 437 Hering, Protestantismus, S. 66. 438 Hamburger Nachrichten Nr. 594 (21. November 1918). 439 Reincke, Geschichte, S. 51; Stolt, Protestantismus, S. 37. 440 Ebd., S. 129; Schröder, Siemers, S. 8; Hering, Protestantismus, S. 62. 441 Deren Ziel formulierten die Herausgeber wie folgt: „Die Religion wird sachlich betrachtet, d. h. es wird geschildert, wie sie in den Menschen und Gemeinschaften Gestalt gewonnen hat, sie wird in den scharf gezeichneten Hintergrund ihrer zeitlichen und örtlichen Bedingtheit gestellt.“ (Meyer, Jesaja). 442 Sitzungsprotokolle des Kuratoriums der Unterrichtsanstalten des St. Johannis-Klosters, Sitzungen des Ku- ratoriums, 22. und 27. Februar 1913: StA Hbg., 611-1 St. Johannis-Kloster, 2438. 443 Hering, Protestantismus, S. 66; Stolt, Protestantismus, S. 34. 444 Hierzu ausführlich Gerhardt, Landtag, S. 21–26. 445 Sitzung des Vorstandes am Sonnabend, den 13. Juni 1896: StA Hbg., 614-1⁄26 Philharmonische Gesell- schaft und Verein Hamburgischer Musikfreunde, 7a Bl. 4; Sitzung des Vorstandes am Donnerstag, den 5. Mai 1898: ebd., Bl. 37. 446 Schiefler, Kulturgeschichte, S. 162 f.; Verg, Hamburg, S. 24, 50. – Vereinszweck war, „die Pflege und Ver- breitung guter Musik in den weitesten Kreisen unserer Vaterstadt zu fördern. (…) Dieser Zweck soll ins- besondere erreicht werden durch Heranbildung und Unterhaltung eines ständigen, künstlerisch leistungs- fähigen Orchesters.“ (Statuten des Vereins Hamburgischer Musikfreunde in Hamburg: StA Hbg., 614-1⁄26 Philharmonische Gesellschaft und Verein Hamburgischer Musikfreunde, 7a). – Später, 1934, fusionierte dieses Philharmonische Orchester dann mit dem des Hamburgischen Stadttheaters zum Philharmoni- schen Staatsorchester. 447 Pörtner, Kindheit, S. 310. 448 Protokoll der 100. Sitzung der Kommission für das Museum für Kunst und Gewerbe am 21. November 1903: Archiv des Museums für Kunst und Gewerbe. 449 Klemm, Museum, S. 65. 450 Protokoll der 101. Sitzung der Kommission für das Museum für Kunst und Gewerbe am 31. Dezember 1903 und Protokoll der 104. Sitzung der Kommission für das Museum für Kunst und Gewerbe am 27. Mai 1905: Archiv des Museums für Kunst und Gewerbe. 451 Sitzung des Kuratoriums der Emilie Wüstenfeld Stiftung Sonnabend, den 26. Februar 1910, nachmittags 1 2 ⁄2 Uhr im Sitzungssaale der Oberschulbehörde, Dammthorstrasse 25: StA Hbg., 611-19⁄197 Emilie Wüstenfeld-Stiftung, I; Hamburg, Dezember 1910, Emilie Wüstenfeld-Schule. Schulordnung: ebd.; Emilie-Wüstenfeld-Gymnasium, Zur Geschichte der Schule (http://www.ewg-hamburg.de; 10. Dezember 2013). 452 Werner, Stiftungsstadt, S. 51 f. 453 Protokolle und Ausschuß-Berichte, S. 115 und 121. 454 Hering, Art. Bismarck-Denkmal, S. 94 f. 455 Hamburgischer Correspondent Nr. 365 und 371 (7. und 11. August 1898). 456 Hamburger Nachrichten Nr. 179 (3. August 1898⁾; vgl. auch das Verzeichnis des engeren Ausschusses im Hamburgischen Correspondenten Nr. 389 (21. August 1898). 457 Erste Sitzung des Ausführungscomités für Errichtung eines Bismarck-Denkmals in Hamburg, 1. Oktober 1898: StA Hbg., 622-1⁄68 Familie Mönckeberg, 21b, Bl. 10. 458 Hamburger Nachrichten Nr. 22 (26. Januar 1902). 459 Sitzung des engeren Ausschusses für die Errichtung eines Bismarck-Denkmals, 25. Januar 1902: StA Hbg., 622-1⁄68 Familie Mönckeberg, 21b, Bl. 59.

| 168 | 460 Afflerbach; Schilling, Bismarckdenkmal, S. 4. 461 Hering, Art. Bismarck-Denkmal, S. 95. 462 Hamburger Nachrichten Nr. 381 (1. Juni 1906). 463 Tagebuch (Winter 1909), S. 17 (Archiv ESST). 464 Hipp, Saxa, S. 6. 465 G. J. H. Siemers & Co. Hamburg; Wolf, Hertz, S. 262 f. 466 Im Verwaltungsarchiv des Deutschen Museums befinden sich einige Briefe, aus denen hervorgeht, dass die Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung im Frühjahr 1918 5.000 Mark an das Museum überwies: Deut- sches Museum, Archiv, VA 2165 und VA 0058⁄2. 467 So Hermann Blohm an das Deutsche Museum, 11. Mai 1916: Ebd., VA 2165. 468 Zitiert nach Wolf, Hertz, S. 263. 469 Busold, Newman, S. 36. 470 Pielhoff, Stifter, S. 38 f. 471 Tagebuch (Sommer 1915), S. 24 (Archiv ESST). 472 Alfred Lichtwark zum 150. (http://www.hamburger-kunsthalle.de/archiv/seiten/lichtwark.html; 20. August 2013). 473 Alfred Lichtwark an Edmund Siemers, 14. August 1912: SUB Hamburg, Handschriftenlesesaal, LA: Lichtwark, Alfred, Bl. 150 f. 474 Hans-Edmund Siemers: Anmerkung zu dem Buch „Eine Hamburgische Kulturgeschichte von 1890–1920“ von Gustav Schiefler, in: Edmund J. A. Siemers: Tagebücher und Lebenslauf, Privatdruck 1996 (Archiv ESST). 475 Schiefler, Kulturgeschichte, S. 117 f.; vgl. auch Edmund Siemers an Gustav Schiefler, 16. Juni 1915: SUB Hamburg, Handschriftenlesesaal, NGS: B: 31. 476 Melle, Jahre 1, S. 422. 477 Gerhardt, Begründer, S. 24. 478 Loose, Troste, S. 78. 479 Archiv HWS, Hauptbuch 1906⁄1914. 480 Melle, Jahre 1, S. 423. 481 Werner von Melle an Edmund Siemers, 16. September 1907: StA Hbg., 361-5 I Hochschulwesen, 1327, Heft 2, Bl. 1 f. 482 Siehe S. 74. 483 Ahrens, Kaufmannschaft, S. 230. 484 Alfred Lichtwark an den Ersten Bürgermeister, 17. September 1907: Archiv der Hamburger Kunsthalle, Slg. 504, Ordner O-S Siemers. 485 Krause, Wissenschaft, S. 26. 486 Ders., Forschung, S. 50; Nottscheid; Richter, Germanistik, S. 281. 487 So etwa im Hamburger Abendblatt Nr. 109 (11.⁄12. Mai 1994). 488 Melle, Jahre 2, S. 44. – Schon die Tatsache, dass dies überhaupt erwähnt wird, lässt den Leser aufhor- chen. 489 Münkler, Anstiften, S. 33. 490 Krause, Forschung, S. 28. 491 Siehe S. 76. 492 Fischer-Appelt; Siemers, Leben, S. 25. 493 Förster, Entstehungsgeschichte, S. 24. 494 Siehe S. 96. 495 Edmund Siemers an Werner von Melle, 11. Januar 1916: SUB Hamburg, NvM: HKa: Siemers, E. J. A.: 4–5. 496 Distel, Baugeschichte, S. 54. 497 Krause, Forschung, S. 32. 498 Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft, 25. März 1908, Antrag betreffend Errichtung eines Kolonialin-

| 169 | stituts in Hamburg im Anschluß an die Wissenschaftlichen Anstalten und das Vorlesungswesen (Verhand- lungen 1908, S. 145). 499 Frey, Gemeinwohl, S. 278. 500 Melle, Jahre 2, S. 177. 501 Ebd., S, 562. 502 Krause, Wissenschaft, S. 30. 503 Hipp, Saxa, S. 8. 504 Ebd. 505 Melle, Jahre 1, S. 424. 506 Krause, Forschung, S. 26. 507 Zitiert nach Melle, Jahre 1, S. 443. 508 Werner von Melle an Edmund Siemers, 16. September 1907: StA Hbg., 361-5 I Hochschulwesen, 1327, Heft 2, Bl. 1 f. 509 So Werner, Stiftungsstadt, S. 84. 510 Verhandlungen 1907, S. 929–931. 511 Krause, Wiese, S. 37. 512 Verhandlungen 1907, S. 931. 513 Stenographische Berichte 1907, S. 836. 514 Melle, Jahre 1, S. 427. 515 Baark, Vorlesungsgebäude, S. 130. 516 Krause, Gebäude, S. 33. – Details zum Wettbewerb bei Förster, Entstehungsgeschichte, S. 27–35. 517 Zitiert nach ebd., S. 27. 518 Baark, Vorlesungsgebäude, S. 85. 519 Siehe S. 130 f. 520 Zitiert nach Förster, Entstehungsgeschichte, S. 28. 521 Baark, Vorlesungsgebäude, S. 87. 522 Ebd., S. 90. – Neben Edmund Siemers, Werner von Melle, Gottfried Holthusen und Julius Engel gehör- ten der Jury folgende Personen an: der Hamburger Baudirektor Carl Johann Christian Zimmermann, Prof. Theodor Fischer aus Stuttgart, der Geheime Baurat Dr. Ludwig Hoffmann aus Berlin, der Geheime Oberbaurat Prof. Karl Hofman aus Darmstadt, der Geheime Regierungsrat Prof. Dr. Alfred Messel aus Berlin und Prof. Dr. Gabriel von Seidl aus München. 523 Melle, Jahre 1, S. 442. 524 Baark, Vorlesungsgebäude, S. 120. 525 Ebd., S. 108. 526 Zitiert nach Förster, Entstehungsgeschichte, S. 36. 527 Baark, Vorlesungsgebäude, S. 146. 528 Krause, Forschung, S. 32; Holtmann, Universität, S. 51. 529 Hipp, Saxa, S. 9 f. 530 Ebd., S. 14. 531 Baark, Vorlesungsgebäude, S. 167. 532 Zitiert nach ebd., S. 161. 533 Ebd., S. 76. 534 Ebd., S. 152 und 166. 535 Bruhns, Bauschmuck, S. 43. 536 Vgl. die Kurzbiographie bei dies., Kunst, S. 128–130. – Ende 2008 präsentierte die Hamburger Sparkasse in ihrer Galerie am Großen Burstah anlässlich des 50. Todestages die Ausstellung „Otto Fischer-Trachau (1878–1958): Leben und Werk. Eine Annäherung.“ 537 1980 kam es zu einer teilweisen Rekonstruktion der Farbigkeit der ursprünglichen Wandbemalung. Die Restaurierung und Modernisierung des Vorlesungsgebäudes 2004 nahm dann allerdings diesen histori-

| 170 | schen Bezug nicht auf, sondern rekurrierte auf die architektonische Grundidee des Gebäudes (Krause, Gebäude, S. 47). 538 StA Hbg., 622-1⁄176 Familie Fischer-Trachau, 3: 50 Jahre künstlerisches Schaffen in Hamburg, o. D. (um 1957). 539 Pust, Farbenspiel, S. 61. 540 Brandstädter, Schätze, S. 69. 541 Max Förster an Erich Marcks, 8. Oktober 1910: StA Hbg., 361-5 I Hochschulwesen, 1330, Heft 8, Bl. 1. 542 Baark, Vorlesungsgebäude, S. 63. 543 Tenorth, Universität, S. 34 f. 544 UHH Newsletter 19, Oktober 2010 (http://www.uni-hamburg.de/newsletter/archiv/Oktober-2010-Nr- 19/Weiterentwicklung-des-Universitaetslogos.html; 10. Dezember 2013). 545 Hamburger Nachrichten Nr. 222 (12. Mai 1911). 546 Die Reden, S. 73 f. 547 Sie wurde 1977 von demonstrierenden Studierenden demontiert, unter den Augen der Polizei gestohlen und anschließend von der dem Kommunistischen Bund Westdeutschland nahestehenden Sozialistischen Studentengruppe auf einem „Solidaritätsfest“ in der Mensa zertrümmert und zugunsten des bewaffneten Befreiungskampfes des Volkes von Zimbabwe öffentlich versteigert. Mitglieder der Universität Hamburg veranlassten mit Unterstützung der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung einen Neuguss der Büste, die 1979 am alten Platz in der Wandelhalle wieder aufgestellt wurde (Ahrens, Melle, S. 63, 93). 548 Melle, Jahre 1, S. 444. 549 Tagebuch (Frühjahr 1910), S. 18 (Archiv ESST). 550 Die Reden, S. 75. 551 Schiefler, Kulturgeschichte, S. 119. 552 Die Reden, S. 76. 553 Melle, Jahre 1, S. 444. 554 Hamburger Nachrichten Nr. 62 (6. Februar 1911). – Liebermann hatte seit 1900 zahlreiche Porträtauf- träge für die Sammlung der Hamburger Kunsthalle bekommen, gekrönt vom „Großauftrag“ des Ham- burgischen Professorenkonvents 1905, vgl. Selbstbildnisse, Familienbilder und Bildnisse (http://www.ham- burger-kunsthalle.de/index.php/max-liebermann-materielien/articles/max-liebermann-selbsbildnisse.html; 14. Januar 2014). – Das Geertz-Gemälde wurde im Sommer 1943 zerstört, als die beiden Geschäftszim- mer der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung im Dornbusch 12/kl. Johannisstr. 19‒23 vollständig niederbrannten; siehe S. 65. 555 Vgl. die Einladungsliste: StA Hbg., 361-5 I Hochschulwesen, 1334, Heft 1, Bl. 5 ff. 556 Krause, Wissenschaft, S. 30; Oberschulbehörde, Sektion für die wissenschaftlichen Anstalten, 1. Oktober 1915: StA Hbg., 361-5 I Hochschulwesen, 1327, Heft 2, Bl. 31. 557 Die Reden, S. 79. 558 Ebd., S. 92. 559 Neue Hamburger Zeitung Nr. 493 (19. Oktober 1912). 560 Hipp, Saxa, S. 18. 561 Krause, Wissenschaft, S. 30; Lüthje; Siemers, Hauptgebäude, S. 12. 562 Zuletzt Heinz-Elmar Tenorth in seinem Festvortrag anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Einwei- hung des Vorlesungsgebäudes am 13. Mai 2011: „Das Vorlesungsgebäude stiftet damit die Einheit in der Trias – in der Wahrnehmung der Zeitgenossen und bis heute stellt es ‚die Universität‘ dar.“ (Tenorth, Universität, S. 35). 563 So hat die SPD 1997 eine Luftaufnahme des Gebäudes in einer bundesweiten Broschüre zur Hochschul- politik verwendet und die ZEIT annoncierte ihren periodischen Sonder-Anzeigenteil zum Hochschulbereich jedes Mal wieder mit einem Foto des Eingangsbereichs an der Edmund-Siemers-Allee (Krause, Wiese, S. 64). 564 Hamburger Abendblatt Nr. 194 (20. August 2012). ··············································································································································

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Die letzten Jahre

Das 100-jährige Jubiläum von G. J. H. Sie- den Krieg eintrat. Dieser Verlust bedeutete mers & Co. und die Einweihung des Vor- einen Schaden von etwa 350.000 Mark.567 lesungsgebäudes im Mai 1911 mögen für Allerdings hatte das Salpetergeschäft bereits Edmund Siemers der Höhepunkt eines er- am Vorabend des Ersten Weltkrieges – mit füllten Lebens gewesen sein. Drei Jahre spä- Beginn der industriellen Produktion von ter kam es zu dem, was der amerikanische Ammoniak nach dem Haber-Bosch-Verfah- Diplomat und Historiker George Kennan ren, welches sich die BASF 1910 hatte paten- einprägsam als „Urkatastrophe des 20. Jahr- tieren lassen – an Bedeutung zu verlieren be- hunderts“ bezeichnet hat.565 Er umschreibt gonnen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass damit den Ersten Weltkrieg als eine Epo- Edmund Siemers diese Entwicklung früh- chenwende und lenkt zugleich das Augen- zeitig erkannte. Vor diesem Hintergrund merk auf das spektakuläre Moment des sind auch seine Grundstücksgeschäfte in je- Kriegsausbruches im Juli 1914. Dieser hatte nen Jahren zu sehen. auch für die Firma G. J. H. Siemers & Co. ··································································· – wie sollte es für ein weltweit agierendes In der Kriegszeit wandte sich die Firma G. Handelsunternehmen und eine Reederei J. H. Siemers & Co. verstärkt dem Finanz- anders sein – gravierende Auswirkungen. und Bankgeschäft zu: Sie betrieb den An- ··································································· und Verkauf von Effekten und Devisen, ver- Zunächst einmal personell, wurde doch waltete Wertpapiere und finanzierte Bank- ein Großteil der Mitarbeiter, darunter auch kredite.568 Außerdem stellte Edmund Sie- der Juniorchef Kurt Siemers, einberufen. mers – und hier bewies er in geschäftlichen Dennoch bezogen sie alle, auch die Familien Dingen zum ersten Mal keine glückliche der Schiffskapitäne, ihr volles Gehalt weiter; Hand – dem hamburgischen Staat gegen außerdem wurden die rekrutierten Ange- Schatzwechsel fortlaufend Geld zur Verfü- stellten auf Kosten der Firma in eine Extra- gung, insgesamt rund 12 Millionen Mark. Kriegsunfallversicherung aufgenommen.566 Zwar wurden diese nach dem Krieg zurück- ··································································· gezahlt, allerdings in entwerteter Wäh- Der Salpeterimport, Hauptbetätigungsfeld rung.569 von G. J. H. Siemers & Co., musste mit Be- ··································································· ginn des Krieges eingestellt werden, später Edmund Siemers unterstützte während des verlor die Firma auch noch ihre Läger in Krieges verstärkt soziale Einrichtungen, vor Brasilien, das 1917 auf Seite der Entente in allem Milchküchen. Ihr Zweck war es, durch

| 172 | die Bereitstellung von frischer und vor allem schlechterte sich im Laufe des Novembers sauberer Milch die Säuglingssterblichkeit zu seine gesundheitliche Lage dramatisch: Zu senken. Sie gingen auf eine Anregung von dem Karbunkel, an dem er zunächst litt, tra- Georg Herman Sieveking aus dem Jahr 1904 ten Komplikationen wie Kopfrose und Ve- zurück. Mit Unterstützung der Patrioti- nenentzündung.577 schen Gesellschaft, in der beide aktiv waren, ··································································· hatte Sieveking 1904 einen Verein gegrün- Carl August Schröder schreibt in seiner det, der in verschiedenen Stadtteilen frische Lebensskizze über Edmund Siemers, dass Milch in Flaschen für die Säuglingsernäh- ihn ein zuerst harmlos erscheinendes Leiden rung anbot.570 Bereits drei Jahre später, befallen habe, „gegen das seine noch immer 1907, stiftete Siemers die zweite Milchküche ungemein kraftvolle Natur anfänglich mit in der St. Georger Stiftstraße 15/17571 – eine, großer Energie ankämpfte. Auf die Dauer so das „Hamburger Echo“, „wirklich ge- aber war der 78-jährige dem Ansturm der meinnützige Einrichtung (…), von der ein Krankheit nicht mehr gewachsen. Bei völli- erheblicher Einfluß auf die Säuglingssterb- ger Geistesklarheit las er noch die Bekannt- lichkeit zu erwarten ist“.572 Die Milch- machung des Arbeiter- und Soldatenrats küchen blieben bis 1922 bestehen, mussten vom 12. November 1918, nach der Senat und dann allerdings wegen finanzieller Probleme Bürgerschaft nicht mehr beständen und im Zuge der Inflation geschlossen wer- Hamburg, das aufgehört habe, ein selbst- den.573 ständiger Bundesstaat zu sein, ein Teil der ··································································· großen deutschen Republik geworden sein Inzwischen über 75 Jahre alt, war Edmund sollte. Diese Bekanntmachung erschütterte Siemers auch in diesem hohen Alter in gu- den seiner Vaterstadt so treu anhängenden ter körperlicher Verfassung – sieht man ein- Mann auf das tiefste, seine Lebenskraft mal von Magenschmerzen ab, die ihn über brach zusammen und am 20. November Jahrzehnte chronisch plagten.574 So schrieb 1918 [dem Buß- und Bettag, JG] verschied seine Frau Susanne im Frühjahr 1917 an ihre er sanft, umgeben von seiner Familie, in sei- Schwiegertochter Ilona: „Papa waltet immer nem Hause an der Flottbekerchaussee.“578 in derselben Frische, radelt jetzt immer wie- ··································································· der morgens um die Aussenalster.“575 Mit Das Pathos in Schröders Darstellung steht dem Fahrrad um die Alster zu fahren – das in Kontrast zu einer überlieferten Familien- war zu dieser Zeit für einen Hamburger anekdote: Edmund Siemers, der sich Zeit Großkaufmann, vorsichtig gesagt, unge- seines Lebens sozial engagiert hatte, ärgerte wöhnlich. Edmund Siemers tat es trotzdem. sich über die Hamburger Novemberrevolu- ··································································· tionäre und kratzte sich so sehr, dass er an Sein plötzliches Ende ging – wie bei Albert einer Sepsis starb. Ballin – mit dem Zusammenbruch der al- ··································································· ten Ordnung einher. Zeigte er sich noch am Am 23. November 1918 fand das Begräbnis 21. Oktober 1918, leicht erkrankt, voller Ta- statt. Der „Hamburger Nachrichten“ be- tendrang und schrieb an Johannes Ritter, richteten am nächsten Tag: dass er voraussichtlich nur „noch 3 Wochen ··································································· das Haus werde hüten“ müssen,576 so ver- „Eine gewaltige Trauerversammlung schar-

| 173 | Das noch von Edmund Siemers eingerichtete Familiengrab auf dem so genannten „Millionenhügel“ des Ohlsdorfer Friedhofs te sich gestern Vormittag um 10 1/2 Uhr in Professorenrates, der Oberschulbehörde, der 8. Kapelle des Ohlsdorfer Friedhofes um des Kolonialinstituts, der Wissenschaftli- den Sarg des am 20. November nach kurzem chen Anstalten und der Wissenschaftlichen schweren Leiden sanft aus dem Leben ge- Stiftung, des Kirchenvorstandes von St. Ja- schiedenen Herrn Edmund J. A. Siemers. cobi, vieler wohltätiger Stiftungen, der Unter den Anwesenden bemerkte man die Kunstkreise, der Kaufmannschaft und zahl- Bürgermeister Dr. von Melle, Dr. Schröder reiche persönliche Freunde des Entschlafe- und Dr. Predöhl, die Senatoren Sander, Dr. nen.“579 Schaefer und Dr. Diestel, sowie Senator ··································································· Holthusen, den Präsidenten der Bürger- Am Sarg des Verstorbenen ist das Bibelwort schaft Dr. Schön mit vielen weiteren Mit- aus dem Hohelied der Liebe, 1. Korinther 13, gliedern dieser Körperschaft, Vertreter des angebracht: „Die Liebe höret nimmer auf.“580

| 174 | ·············································································································································· 565 Zitiert nach: Ullmann, Kaiserreich, S. 227. 566 G. J. H. Siemers & Co. Hamburg (Archiv ESST). 567 Grundmann, 150 Jahre, S. 19 f. 568 An die Reichsbank-Hauptstelle, Hamburg, ohne Datum: Archiv ESST, Ordner „Firma G. J. H. Siemers“. 569 Ebd., Ordner „Abrechnungsunterlagen Schlingloff“. 570 Schambach, Gegenwart, S. 143. 571 Vgl. Kröger, Siemers, S. 1454. 572 Hamburger Echo Nr. 170 (24. Juli 1907). 573 Sieveking, Milchküchen, S. 217. 574 Tagebuch (1881⁄82), S. 4 (Archiv ESST). 575 Susanne Siemers an Ilona Siemers, 25. März 1917: Archiv ESST, Ordner „Ilona Siemers“. 576 Edmund Siemers an Johannes Ritter, 21. Oktober 1918: Stadtarchiv Geesthacht, 6, Edmundsthal. 577 Neue Hamburger Zeitung Nr. 594 (21. November 1918). 578 Schröder, Siemers, S. 13 f. 579 Hamburger Nachrichten Nr. 599 (24. November 1918). 580 Hamburgischer Correspondent Nr. 598 (23. November 1918). ··············································································································································

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Epilog

Die Firma G. J. H. Siemers & Co. mögenswert, praktisch ohne Entschädigung bis 1963 an die Siegermächte ausgeliefert werden.581 ··································································· ··································································· Mit dem Tod von Edmund Siemers und Dennoch führte Edmund Siemers’ zwei- dem Untergang des Deutschen Kaiserrei- ter Sohn Kurt die Firma alleine als Privat- ches brachen für die Firma G. J. H. Siemers bank und Reederei fort. Der Neuanfang in & Co. schwere Zeiten an. War der Salpeter- der Schifffahrt war – wie kaum anders zu er- import bereits mit Beginn des Ersten Welt- warten – schwer. Den Anfang machten Küs- krieges eingestellt worden, so musste nun- tensegler, die vermutlich in der Nord-Ost- mehr die Siemerssche Flotte, der größte Ver- seefahrt eingesetzt wurden. Für die Große

Die Probefahrt des Dampfers „Edmund Siemers“ am 21. Juni 1921

| 176 | Plakat aus den 1920er Jahren

| 177 | Fahrt stellte die Firma im Juni 1921 den Herbert Siemers ist später Vorbild für die Dampfer „Edmund Siemers“ (5.968 BRT) Figur Flemming in Lothar-Günther Buch- in Dienst, geliefert von der Hamburger Vul- heims Roman „Das Boot“ geworden.584 kanwerft, der jedoch bereits nach elf Mona- ··································································· ten an die Hamburg Süd verkauft wurde. Nach diesem Unglück nahm Kurt Siemers 1923/24 folgten die drei Schwesterschiffe ab dem 1. Januar 1943 seinen zweiten Sohn „Olga Siemers“ (3.347 BRT), „Ilona Sie- Kurt-Hartwig in die Firma auf. Dieser stand mers“ (3.343 BRT) und „Ursula Siemers“ schon bald – als sein Vater am 14. Mai 1944 (3.347 BRT), die von den Nordseewerken in im Alter von 70 Jahren starb – vor einer Emden gebaut wurden. Geplant war, einen wahrhaft bedrückenden Situation: Er selbst Liniendienst vom Kontinent in die Levante war als Gebirgsjäger in Nordlappland sta- einzurichten. Dieser hatte jedoch keinen tioniert, sein Bruder anderthalb Jahre zuvor längeren Bestand.582 aus dem Leben geschieden und der Vater ge- ··································································· storben – gerade einmal fünfzehn Monate Der Beginn des Zweiten Weltkrieges zer- nachdem er ihn dazu auserkoren hatte, das störte alle Pläne für den Wiederaufstieg des gewaltige Erbe des traditionsreichen Hauses Hauses G. J. H. Siemers & Co. Hinzu kam zu übernehmen. Unterstützung fand Kurt- eine persönliche Tragödie für Kurt Siemers: Hartwig Siemers bei Waldemar Weidehaas, Am 4. Oktober 1942 schied sein ältester seit 1903 Mitarbeiter und langjähriger Pro- Sohn Herbert, den er erst zu Beginn des Jah- kurist in der Firma G. J. H. Siemers & Co. res als Teilhaber in die Firma aufgenommen Beide übernahmen unter kommanditisti- und die Leitung der Reederei übertragen scher Beteiligung von Kurt-Hartwigs Mut- hatte, aus dem Leben. Als Sonderführer der ter Olga Siemers, geb. Donner die Firma. Marineartillerie an der Küste Frankreichs Sie beschränkten sich auf den bankgeschäft- eingesetzt, war er nach Glückstadt abkom- lichen Zweig und verzichteten nach dem mandiert worden, wo er – so der in der Krieg auf den Wiederaufbau der Reederei – Firma G. J. H. Siemers & Co. tätige Proku- musste doch die Firma erneut ihre Schiffe rist und Sekretär der Hamburgischen Wis- den Siegermächten übergeben.585 senschaftlichen Stiftung Friedrich Lübbren ··································································· am 21. Oktober 1942 – „in die Hände eines Auch dem Enkel gelang es nicht, an die ge- sehr rauen Unteroffiziers (geriet). Herr Sie- schäftlichen Erfolge von Edmund Siemers mers fühlte sich fortan sehr unglücklich und anzuknüpfen – im Gegenteil: Die Firma seine Nerven wurden über die Gebühr be- schrieb zu Beginn der 1960er Jahre so große ansprucht. Vor einiger Zeit wurde er dann Verluste, dass 1962/63 Siemers und Weide- nach einem abendlichen Ausgang in der Ka- haas als Gesellschafter ausschieden, nach- serne vermisst und Mitte der vorigen Woche dem das Bankhaus Lücke & Lemmermann ist seine Leiche im Glückstädter Hafen ge- aus Hannover alle Geschäftsanteile über- funden worden. Das ist alles, was wir bisher nommen hatte. Damit endete die Geschich- über seinen Tod wissen. Verschiedene Indi- te des Hauses G. J. H. Siemers & Co.586 zien lassen auf einen Unfall schließen, der Kurt-Hartwig Siemers – der von sich selbst ihm in seiner durch die Umstände gesteiger- einmal sagte, er sei nie ein großer Banker ten Nervosität zugestoßen sein mag.“583 gewesen, sondern habe sich nur Mühe ge-

| 178 | geben, etwas vom Erbe der Väter wieder zu Wirtschaftlich büßte die Firma G. J. beleben, was dann leider durch unglückli- H. Siemers & Co. mit dem Tod von Ed- che Umstände wieder verloren gegangen mund Siemers ihre herausragende Stellung sei587 – hatte an diesem Misserfolg schwer zu für immer ein. Mit Hilfe seiner Stiftungen tragen. schuf Siemers jedoch außerhalb der ökono- ··································································· mischen Welt „dynastische Ämter“, die sei- Wesentlich erfolgreicher als im kauf- ner Familie Stabilität in ihrem gehobenen männischen Bereich gestaltete sich sein sozialen Status verschaffte.591 Wirken für die Hamburgische Wissen- ··································································· schaftliche Stiftung: Er folgte den Fußstap- Noch zu Lebzeiten hatte er seine größte fen seines Vaters, welcher 1935 in der Nach- Einzelstiftung, die Siemers-Stiftung, konzi- folge Werner von Melles deren Präsident piert und vorausgeplant.592 Das dieser Stif- geworden war und dieses Amt bis zu seinem tung zugewiesene Vermögen betrug rund 10 Tod ausgeübt hatte. Mitten in schwerer Millionen Mark, auf die restlichen drei Vier- Zeit, am 14. August 1944, wurde Kurt-Hart- tel des Vermögens bezogen sich die übrigen wig Siemers ins Kuratorium gewählt, 1947 Bestimmungen des Testaments,593 wobei übernahm der den Posten des Schatzmeis- festgelegt war, dass die Erbteile der beiden ters, und 1951 trat er die Nachfolge Kurt Sie- Kinder Hans und Thekla bis zu deren Able- vekings, der damals deutscher Gesandter in ben in der Verwaltung von Testamentsvoll- Stockholm wurde, als Vorsitzender der Stif- streckern bleiben sollten594 – ein Indiz für tung an.588 Mit Recht kann Kurt-Hartwig das Misstrauen des Vaters gegenüber seinem Siemers nach Werner von Melle als der ältesten Sohn. Gemäß dem letzten Willen „zweite Gründer“ der Hamburgischen Wis- von Edmund Siemers wurden nach seinem senschaftlichen Stiftung bezeichnet werden: Tod – neben 2 Millionen Mark und Antei- Ohne sein Engagement und Wirken hätte len an einer Bodengesellschaft – vor allem die Stiftung – wie viele andere auch – die die umfangreichen Ländereien, die er in Nachkriegsjahre nicht überlebt. Langenhorn, Hummelsbüttel und Garstedt ··································································· erworben hatte, in die Stiftung eingebracht Die Siemers-Stiftung mit dem Zweck, „die Grundstücke (…) zur ··································································· Bebauung mit Einzel-Wohnhäusern oder Edmund Siemers hinterließ einen Besitz Mehr-Wohnungshäusern (zu erschließen), im Wert von rund 40 Millionen Mark. wobei auch, soweit tunlich, für die Herstel- Welch gewaltige Summe dies war, macht lung von Arbeiterwohnungen gesorgt wer- folgender Vergleich deutlich: 1905 beliefen den soll“.595 Insgesamt handelte es sich um sich die Baukosten für die gesamte Stadt- einen Grundbesitz von über 8 Millionen und Vorortsbahn in Hamburg in etwa auf Quadratmetern, „der zum grössten Teil auf diese Höhe.589 Ein Jahr zuvor, 1904, war hamburgischem Gebiet liegt“.596 Wilhelm Martin von Godeffroy gestorben, ··································································· der mit einem Vermögen von knapp 50 Mil- Die Errichtung als Siemers-Stiftung er- lionen Mark als einer der reichsten Männer folgte am 12. Februar 1919. Ihrem ersten des Deutschen Reiches galt.590 Vorstand gehörten der Senator und spätere ··································································· Bürgermeister Arnold Diestel, der spätere

| 179 | Präsident des Hanseatischen Oberlandesge- Bleichen 23/27 befand und von 1907 bis richts Wilhelm Kiesselbach und Kurt Sie- 1909 bebaut worden war, gleich nach dem mers an. Die Stiftung war nicht gemeinnüt- Ersten Weltkrieg weit unter Wert in Papier- zig, es handelte sich um eine Familienstif- geld verkauft worden. Im Siemersschen tung, deren Erträge die Deszendenz von Testament war es noch mit einem deutlich Edmund und Susanne Siemers – genauer höheren Wert von 3 Millionen Goldmark gesagt: ihre Enkel und deren Nachkommen taxiert worden.597 – versorgen sollten. Dies war der entschei- ··································································· dende Impuls für die Gründung der Stif- Doch damit nicht genug: Die Firma G. J. tung, wobei sich Edmund Siemers’ Zeitho- H. Siemers & Co., die in diesen Jahren rund rizont – heute sehr ungewöhnlich – gleich 120 Angestellte beschäftigte, steckte in ernst- über mehrere Generationen erstreckte. haften wirtschaftlichen Schwierigkeiten – ··································································· wenig verwunderlich, war es doch für Kurt Schon bald zeigte sich jedoch die Kehrseite Siemers eine Herkules-Aufgabe, das Unter- dieses langfristigen Denkens in Form der nehmen zu Zeiten der Weltwirtschaftskrise „Diktatur der toten Hand“. Stiftungen pri- über Wasser zu halten, zumal später im vilegieren den Willen eines Menschen über nationalsozialistischen Deutschland die Zei- dessen Tod hinaus – und das kann proble- chen der Zeit nicht auf Globalisierung, matisch werden, wenn sich die Rahmenbe- sondern auf Rüstungswirtschaft und Autar- dingungen ihrer Tätigkeit infolge tiefgrei- kie standen.598 Um finanziellen Spielraum fender Ereignisse dramatisch ändern, in die- zu gewinnen, musste es Darlehen bei der sem Fall gleich drei: der Zusammenbruch Siemers-Stiftung aufnehmen. Erschwerend des Kaiserreichs 1918, die Inflation 1923 und kam hinzu, dass Hans Siemers der Ansicht die Weltwirtschaftskrise 1929. Hatte Hans war, „mit dem von ihm für nötig erachteten Siemers ohnehin von Beginn an für die Vi- Aufwand eine Pflicht gegen (…) den Na- sion seines Vaters wenig übrig gehabt, im men Siemers zu erfüllen“, und permanent Norden Hamburgs einen neuen Stadtteil zu über seine Verhältnisse lebte.599 Dadurch ge- bauen, so kam es spätestens seit 1929 zu riet er „in eine schwierige geldliche Lage“ ernsthaften Auseinandersetzungen über die und häufte Schulden an.600 Allein im Bilanz- Siemers-Stiftung, bei denen er im Zentrum entwurf der Firma G. J. H. Siemers & Co. stand. stand er 1929 mit einem Debet von 117.000 ··································································· Mark.601 Ursprünglich war nur ein Viertel des ge- ··································································· samten Nachlasses von Edmund Siemers in Im September 1929 forderten Hans und die Familienstiftung geflossen. Dieses Kurt Siemers sowie August Schlingloff, der (Grundstücks-)Vermögen hatte Revolution Schwiegersohn von Thekla Schaer, von den und Inflationszeit weitgehend unbeschadet Testamentsvollstreckern Wilhelm Kiessel- überstanden, während der den drei Kindern bach und Hans Albrecht Bollmann, dass zugedachte Teil des restlichen Erbes erheb- „ein entsprechender Teil des der Siemers- lich zusammengeschmolzen war. So war, um Stiftung zugewiesenen Vermögens aus dieser nur ein Beispiel zu nennen, das Grundstück wieder herausgenommen“ werde.602 Kiessel- Kaisergalerie, welches sich in den Großen bach äußerte zwar Verständnis dafür, „daß

| 180 | die Erben oder ein Teil der Erben ein von ih- men der Bestrebungen der nationalen Re- rem Standpunkt aus berechtigtes Interesse gierung, veraltete Einrichtungen abzuän- daran haben, die Stiftung zu beseitigen, da- dern und so zu gestalten, dass sie wieder der mit das Stiftungsvermögen den jetzt leben- Allgemeinheit Nutzen bringen“.604 den Erben dienstbar gemacht werden ··································································· kann“, betonte jedoch demgegenüber seine Es liegt nahe, dass dieses bemerkenswerte Pflicht, den Willen des Erblassers „nach Dokument vor dem Hintergrund der Maßgabe des Testaments und des Gesetzes grundlegend gewandelten politischen Ver- zu verteidigen“. Er sah vor allem Hans Sie- hältnisse zu sehen ist: Dem NS-Regime war mers als treibende Kraft, die alles tue, die an der Fortexistenz von unabhängigen Stif- Siemers-Stiftung zu liquidieren.603 tungen nicht gelegen. Hans Siemers und die ··································································· anderen Familienmitglieder unterwarfen Vier Jahre später, am 25. Oktober 1933, sich dem repressiven „Maßnahmenstaat“, legte Kiesselbach – der aus seiner kritischen nutzen zugleich aber auch dessen Instru- Haltung gegenüber den NS-Machthabern mente zur Durchsetzung ihrer (unterschied- keinen Hehl gemacht und von diesen schon lichen) eigenen Interessen.605 bald als Präsident des Hanseatischen Ober- ··································································· landesgerichts entlassen wurde – seine Äm- Wie die Verhandlungen zwischen dem Vor- ter als Testamentsvollstrecker und Vor- stand der Siemers-Stiftung, den Erben und standsmitglied der Siemers-Stiftung nieder. den staatlichen Stellen im Einzelnen verlau- Wenige Wochen zuvor, am 30. September fen sind, lässt sich nicht mehr vollständig re- 1933, hatten die Erben von Edmund und Su- konstruieren.606 Das geforderte Gesetz wur- sanne Siemers eine Eingabe an den Ham- de jedenfalls nicht erlassen,607 gleichwohl burger Senat eingereicht, in der sie anregten, änderte der Vorstand die Satzung, und mit „in Hamburg ein Gesetz zu erlassen, wie es Bescheid der Landesjustizverwaltung vom bereits in Preussen besteht, das den Vor- 30. Januar 1934 wurde es möglich, Stiftungs- stand einer Stiftung ermächtigt, mit Zu- erträge auch an die drei Kinder von Ed- stimmung der staatlichen Aufsichtsbehör- mund und Susanne Siemers auszuschüt- den die Satzungen und insbesondere die ten.608 Zugleich erhielt der Vorstand die Bezugsberechtigten den Verhältnissen ent- „Befugnis“, vom Grundbesitz der Stiftung sprechend zu ändern und ferner einer sach- eine Fläche bis zu 500.000 Quadratmeter gemässen Aenderung der Satzungen zuzu- unentgeltlich an den hamburgischen Staat stimmen“. In dem Gesuch erklärten sich die abzutreten. Hierbei handelte es sich in Erben „ebenso wie der Stiftungsvorstand be- Wahrheit um eine Gegenleistung für die reit, ein Gelände von etwa 500.000 qm dem Zustimmung der neuen Machthaber zur Hamburger Staat unentgeltlich zu Zwecken Neuregelung der Ertragsverteilung.609 Im des allgemeinen Nutzens zu überlassen, falls April 1935 schenkte dann die Stiftung der dieser Anregung entsprechend ein Gesetz Stadt Hamburg 500.000 Quadratmeter ih- erlassen und eine Aenderung der Stiftungs- res in Langenhorn gelegenen Grundbesit- satzungen vorgenommen wird, die erst die zes.610 rechtliche Möglichkeit hierfür schafft“. Das ··································································· geforderte Gesetz liege „durchaus im Rah- Ganz einvernehmlich scheint unter den

| 181 | Erben der Zugriff auf einen Teil der mate- Stiftungen im NS-Staat beginnt die eigent- riellen Basis der Siemers-Stiftung nicht ab- liche Geschichte der Siemers-Stiftung erst gelaufen zu sein, denn bereits auf einer Sit- nach dem Zweiten Weltkrieg. 1952/53 baute zung des Stiftungsrates im Dezember 1933 die Siemers-Stiftung den Klinkerbau Ecke war es zu einer scharfen Auseinandersetzung Grindelberg/Schlankreye wieder auf, eine zwischen Kurt Siemers auf der einen und Wohnanlage, die von 1925 bis 1929 vom Ge- Hans Siemers und August Schlingloff auf werbe-Bauverein errichtet worden war. Sie der anderen Seite gekommen.611 Wilhelm war 1942/43 – nur wenige Monate vor ihrer Kiesselbach sprach einen Monat später von teilweisen Zerstörung durch Bomben – an „Animositäten“, die die beiden letzteren ge- die Siemers-Stiftung veräußert worden, die gen Kurt Siemers hegen würden.612 den Erwerb aus Erlösen finanzierte, die sie ··································································· beim eben erwähnten Verkauf von Grund- Warum, ließe sich fragen, sind die Vorgän- besitz in Langenhorn und Hummelsbüttel ge um die Siemers-Stiftung in den Jahren erzielt hatte.614 Seit Ende der 1950er Jahre 1933 bis 1935 so detailliert darzustellen? entstand dann auf den Grundstücken, die ··································································· der Stiftung nach den umfangreichen Ge- Zum einen verdeutlichen sie besonders an- ländeverlusten in Langenhorn geblieben schaulich die Rechtspraxis im NS-Regime. waren – 1950 waren dies noch 404.594 Qua- Dieses war unter tatkräftiger Mithilfe der dratmeter615 –, die Gartenstadt „Langen- meisten Juristen bemüht, sich als Rechts- horn-Heidberg“. Sie umfasste 200 Eigen- staat zu gerieren, wobei Recht und Gesetz heime, 380 Wohnungen, 180 Garagen, ein durch „unbegrenzte Auslegung“ immer Ladenzentrum, ein Altersheim, ein Kinder- mehr zur Fassade wurden, hinter der die tagesheim und mehrere Spielplätze.616 1970 Durchsetzung nationalsozialistischer Staats- war der letzte Bauabschnitt fertig gestellt.617 und Gesellschaftsideen stattfand. Zum an- Fünf Jahre später, Ende 1975, verfügte die deren – und vor allem – ist folgender Ge- Siemers-Stiftung insgesamt über einen Be- sichtspunkt zu nennen: Mag Edmund Sie- stand von 1.820 Wohnungen, 67 gewerb- mers zu Lebzeiten für seine Spekulationen lichen Objekten sowie 427 Garagen auf mit Grundstücken in der Kritik gestanden Grundstücken in Eimsbüttel, Harveste- haben, so gingen diese größtenteils seit 1935 hude, Langenhorn und Reinbek, deren Wert schrittweise wieder in staatlichen Besitz sich auf 71,7 Millionen Mark belief.618 Diese über. Die eben geschilderten Vorgänge stel- Zahlen führen den außergewöhnlichen Bei- len dabei den „Dammbruch“ dar. Waren trag vor Augen, den sie nach dem Zweiten es 1935 noch vergleichsweise bescheidene Weltkrieg zum Aufbau Hamburgs leistete, 500.000 Quadratmeter, mussten 1942 die indem Hans-Edmund Siemers innerhalb Erben von Edmund Siemers rund 4,6 Mil- der Familienstiftung ein umfangreiches Ver- lionen Quadratmeter des Grundbesitzes in mögen im Rahmen des sozialen Wohnungs- Langenhorn und Hummelsbüttel für 6,76 baus schuf.619 Insgesamt entstanden hierbei Millionen Mark an den Staat abtreten.613 von 1946 bis 1993 mehr als 4.000 Wohnun- ··································································· gen und Eigenheime in verschiedenen Aufgrund der Streitigkeiten unter den Er- Hamburger Stadtteilen.620 ben und den besonderen Bedingungen von ···································································

| 182 | Hans-Edmund Siemers kann als derje- die Integration der mittel- und osteuropä- nige Nachfahre von Edmund Siemers gel- ischen Staaten in die Europäische Union ten, der dessen ursprüngliche Vision, im fördert; zudem setzt sie sich für die Integra- Norden Hamburgs einen neuen Stadtteil zu tion gesellschaftlicher Randgruppen und bauen, verwirklicht hat – oder zumindest Minderheiten im Rahmen der kommunalen das, was sich von ihr nach den Geschichts- Gemeinwesen- und Jugendarbeit ein. Ein läuften des 20. Jahrhunderts noch verwirk- weiteres Anliegen ist der Natur- und Gewäs- lichen ließ. Er war es auch, der Ende 1995 die serschutz, vor allem im Bereich der Elbe Auflösung der Familienstiftung initiierte, und ihrer Nebenflüsse. Im Bereich des För- um „zeitgemäße Ziele“ für die nächste Ge- derschwerpunktes „Kunst in der Natur“ be- neration zu formulieren und dieser die treibt die Stiftung den im Jahr 2000 von Chance zu geben, „anstatt wie bisher von Hans-Edmund Siemers zugestifteten Land- der Familienstiftung Renten zu beziehen, schaftspark Schmokbachtal bei Buchholz- nunmehr unternehmerisch im Sinne der Sprötze, wo Veranstaltungen zur Förderung Philosophie von Edmund J. A. Siemers tä- des Kunst- und Umweltbewusstseins der tig zu werden: ‚Mit Wagemut etwas unter- Bevölkerung stattfinden.623 nehmen, die Bildung seiner Mitmenschen ··································································· zu fördern und in dem Gemeinwesen, in Last but not least kooperiert die Edmund dem der Unternehmer verdient, Verantwor- Siemers-Stiftung seit vielen Jahren erfolg- tung in der Verwaltung zu übernehmen und reich mit der Hamburgischen Wissenschaft- zum Wohle seiner Mitbürger zu investie- lichen Stiftung im Bereich der Wissen- ren.‘“621 Ungefähr zwei Drittel des Stif- schaftsförderung und schreibt mit dieser tungsvermögens wurden an die Nachkom- jährlich alternierend den Kurt-Hartwig-Sie- men von Edmund Siemers ausgeschüttet, mers-Wissenschaftspreis und den Werner- während das restliche Drittel Grundlage der von Melle-Preis aus. Bis heute – und damit neu gegründeten gemeinnützigen Edmund soll diese Biographie enden – wirkt also das Siemers-Stiftung wurde.622 Erbe von Edmund Siemers in der engen ··································································· und fruchtbaren Zusammenarbeit dieser Seitdem engagiert sich diese für Bildung beiden Stiftungen fort, die sich seinem und Erziehung, indem sie das Zusammen- Motto „der Forschung, der Lehre, der Bil- wachsen der beiden Teile Deutschlands und dung“ verpflichtet fühlen.

| 183 | ·············································································································································· 581 Vgl. Archiv ESST, Ordner „Abrechnungsunterlagen Schlingloff “, wo auf diese beiden Probleme hinge- wiesen wird: „Verlust der Dampfer ca. 50000 tons, ersetzt werden nur ca. 8000 tons. (…) Aufgabe des Salpetergeschäfts, welches der Haupthandelsartikel der Firma war.“ 582 Detlefsen, Reedereien, S. 19. 583 Friedrich Lübbren an Kapitän Walter Loff, 21. Oktober 1942: Archiv ESST, Ordner „Korrespondenz der Firma G. J. H. Siemers & Co.“. 584 Buchheim, Das Boot, S. 529 f. 585 Grundmann, 150 Jahre, S. 29. 586 Der Firmenname wurde allerdings erst 1994 aus dem Handelsregister Hamburg gelöscht (Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1994, S. 970). 587 Fischer-Appelt; Siemers, Leben, S. 21. 588 Vgl. die entsprechenden Protokolle: Archiv HWS, Kuratorium, Sitzungen, 1945–1960. 589 Vgl. z. B. Hamburger Echo Nr. 221 (21. September 1905). 590 Wilhelm Martin von Godeffroy (http://h-w-s.org/maezaene/die-donatoren/1/64; 21. Februar 2014). 591 Werner, Stiftungsstadt, S. 127. 592 Grundmann, 150 Jahre, S. 36; Werner, Stiftungsstadt, S. 11, 239. 593 Hans Siemers, Kurt Siemers und August Schlingloff an Wilhelm Kiesselbach und Hans Albrecht Boll- mann, 14. September 1929, S. 1: StA Hbg., 611-19⁄163 Siemers-Stiftung, 3, Band 2. 594 Eingabe der Erben der Eheleute Siemers „An Einen Hohen Senat der Freien und Hansestadt Hamburg z. Zt. der Finanzdeputation“, 30. September 1933: Ebd. 595 §§ 2 und 5 der Satzung der Siemers-Stiftung: Archiv ESST, Ordner „G. J. H. Siemers“. 596 Eingabe der Erben der Eheleute Siemers „An Einen Hohen Senat der Freien und Hansestadt Hamburg z. Zt. der Finanzdeputation“, 30. September 1933, S. 1: StA Hbg., 611-19⁄163 Siemers-Stiftung, 3, Band 2.

| 184 | 597 Archiv ESST, Ordner „Abrechnungsunterlagen Schlingloff“; § 3 Testament der Eheleute Julius Arnold Siemers und Susanna Margaretha geb. Eckmeyer: StA Hbg., 351-8 Aufsicht über Stiftungen (Siemers- Stiftung), B 872. – Derzeit wird das Gebäude, in dem jahrzehntelang das Ohnsorg-Theater residierte, in eine Einkaufspassage mit Büroflächen umgebaut, die wieder den ursprünglichen Namen Kaisergalerie tragen soll, vgl. Hamburger Abendblatt Nr. 209 (7. September 2011). 598 Bajohr, Hamburg, S. 22. 599 Wilhelm Kiesselbach an Kurt Siemers, 16. Juni 1930: StA Hbg., 611-19⁄163 Siemers-Stiftung, 3, Band 1. 600 Wilhelm Kiesselbach an Kurt Siemers, 28. November 1930: Ebd. 601 Wilhelm Kiesselbach an Kurt Siemers, 11. Juni 1930: Ebd. 602 Hans Siemers, Kurt Siemers und August Schlingloff an Wilhelm Kiesselbach und Hans Albrecht Boll- mann, 14. September 1929: Ebd. 603 Wilhelm Kiesselbach an G. F. Baur, 8. Juli 1931: Ebd. 604 Eingabe der Erben der Eheleute Siemers „An Einen Hohen Senat der Freien und Hansestadt Hamburg z. Zt. der Finanzdeputation“, 30. September 1933, S. 1: Ebd., Band 2. 605 Vgl. Werner, Stiftungsstadt, S. 289. 606 So auch Werner (ebd., S. 290), der jedoch auf die wichtigste noch überlieferte Quelle, die weiter oben zitierten Handakten Wilhelm Kiesselbachs (StA Hbg., 611-19⁄163 Siemers-Stiftung, 3, Band 1 und 2), nicht zurückgreift. 607 Zumindest findet es sich nicht im Hamburgischen Gesetz- und Verordnungsblatt für 1933 und 1934 – und am 5. Dezember 1934 trat an die Stelle der Hamburger Landesjustizverwaltung, welche die allgemeine Aufsicht über Stiftungen seit 1920 wahrgenommen hatte, auf Grund des Gesetzes zur Überleitung der Rechtspflege auf das Reich vom 5. Dezember 1934 der Reichsminister der Justiz. 608 Kurt Siemers an August Schlingloff, 27. April 1942: Archiv ESST, Ordner „Abrechnungen der Siemers- Stiftung ab 1925 bis 1949“. 609 So Werner, Stiftungsstadt, S. 290. 610 Hamburger Fremdenblatt Nr. 99 (9. April 1935). 611 Hans Albrecht Bollmann an Wilhelm Kiesselbach, 27. Dezember 1933: StA Hbg., 611-19⁄163 Siemers- Stiftung, 3, Band 2. 612 Handschriftliche Notiz Wilhelm Kiesselbach vom 16. Januar 1934: Ebd. 613 Siehe S. 80. 614 Harms; Schubert, Wohnen, S. 172 ff.; Dres. Schön und Pflüger an die Senatskanzlei Hamburg, 24. Mai 1950: StA Hbg., 351-8 Aufsicht über Stiftungen (Siemers-Stiftung), B 872. 615 Aufstellung über den Grundbesitz der Siemersstiftung in Langenhorn und Fuhlsbüttel, 28. November 1950: Archiv ESST. 616 Grundmann, 150 Jahre, S. 36; Wagner, Wiese 5, S. 9; Hans-Edmund Siemers: Anmerkung zu dem Buch „Eine Hamburgische Kulturgeschichte von 1890‒1920“ von Gustav Schiefler, in: Edmund J. A. Siemers: Tagebücher und Lebenslauf, Privatdruck 1996 (Archiv ESST). 617 Die Welt Nr. 234 (7. Oktober 1972). 618 So die Zahlen bei: Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen E. V. Hamburg, gerichtliche Stellung- nahme über die in Aussicht genommene Sachgründung einer gemeinnützigen Aktiengesellschaft vom 9. März 1977: StA Hbg., 351-8 Aufsicht über Stiftungen (Siemers-Stiftung), B 872. 619 Art. Siemers, S. 283. 620 Welt am Sonntag Nr. 19 (12. Mai 1996); Lokal-Anzeiger Nr. 35 (15. Februar 1997). 621 Hans-Edmund Siemers an Dr. Andreas Graf Wass de Czege, 24. Januar 1996: Archiv ESST; abgedruckt als Nachwort. 622 Welt am Sonntag Nr. 19 (12. Mai 1996). 623 Edmund Siemers-Stiftung, Förderbereiche (http://www.edmundsiemers-stiftung.de/index.php?id=10; 21. Juli 2014). ··············································································································································

| 185 | Nachwort Hans-Edmund Siemers (1996)

Am 29. November 1995 wurde die gemeinnützige Edmund Siemers-Stiftung mit Zustimmung der Familie errichtet und durch den Hamburger Senat am 13. De- zember 1995 genehmigt. In der Präambel der Satzung heißt es: „In Würdigung des gemeinnützigen Wirkens des Kaufmanns und Mäzens Edmund J. A. Siemers vor dem Ersten Weltkrieg zum Wohle der Freien und Hansestadt Hamburg und seines Enkels, des Kaufmanns Hans-Edmund Siemers und dessen Wirken nach dem Zweiten Weltkrieg, mit der Schaffung von sozialen Wohnungen und Ein- richtungen für das Gemeinwesen als Beitrag zum Wiederaufbau Hamburgs und seiner Randgemeinden, haben sich die Destinatäre der Siemers-Stiftung, einer Familienstiftung, entschlossen, folgende gemeinnützige Stiftung mit dem Namen ,Edmund Siemers-Stiftung‘ zu errichten.“

Die Reform der Familienstiftung hatte ich seit mehr als 20 Jahren in meinem Kopf. Sie wurde am 29. November 1995 vom Vorstand beschlossen und durchge- führt. Das materielle Erbe ist an die Familie verteilt, das ideelle liegt in dem in- haltlichen Konzept der gemeinnützigen Stiftung. Ihre Ziele und ihr Zweck stehen im Zusammenhang mit der deutschen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts und den Biographien der Handelnden in dieser Zeit.

Das Leben meines am 12. März 1840 geborenen Großvaters ist mit der deutschen und europäischen Geschichte des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts – dem deutschen Freiheitskrieg, dem Aufstand des liberalen Bürgertums gegen die Herr- schaft der Fürsten und Könige, der Nationalversammlung für eine Reichsver- fassung in der Paulskirche 1848, der Reichsgründung 1871 durch Bismarck bis zum Ersten Weltkrieg – verbunden. In diese Zeit fällt der Aufstieg der Firma Georg Johann Heinrich Siemers in Hamburg – getragen von drei Generationen –, der durch den Zusammenbruch des 1918 besiegten Kaiserreiches sein jähes Ende fand.

Mein Großvater, Edmund J. A. Siemers, gehörte zu den nationalliberalen und weltoffenen Unternehmerpersönlichkeiten, die im konjunkturellen Aufwind der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ihre Chance wahrnahmen und durch ihre

| 186 | Tätigkeit im Handel und in der Industrie das junge kaiserliche Deutschland zur wirtschaftlichen Weltmacht führten. Sie förderten Wissenschaft und Forschung und sorgten für Bildung aller Bevölkerungsschichten, Edmund Siemers insbeson- dere für junge Kaufleute, die das „know-how“ in das Ausland und die deutschen Kolonien tragen sollten. Die Botschafter dieses jungen neuen Deutschlands – so verstand es Edmund Siemers – waren seine Schiffe, die auf allen Weltmeeren fuh- ren und insbesondere die Häfen Englands, Südamerikas und der Vereinigten Staaten anliefen.

Vergessen ist oft, dass am Anfang des 20. Jahrhunderts das kaiserliche Deutschland in Auseinandersetzung der reaktionären Kräfte des privilegierten Adels beim Hof und beim Militär mit den Liberalen und Führern der Sozialdemokraten und Ge- werkschaften zu einem modernen parlamentarischen Staat wuchs. Vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges war die SPD die stärkste Partei im Reichstag mit 120 Sitzen von insgesamt 400. Auch in kultureller Hinsicht gab es mit Max Reinhardt am Theater in Berlin, mit der „Brücke“ in Dresden, dem „Blauen Reiter“ in Mün- chen, dem Architekten Henry van de Velde in Weimar hoffnungsvolle Ansätze, die den Grundstein für die intellektuelle Vitalität der Weimarer Republik in Berlin, Dessau und München in den zwanziger Jahren legten. Ähnliche Entwicklungen gab es auch in Österreich/Ungarn – in Wien mit den Architekten Otto Wagner und Adolf Loos, mit den Malern Gustav Klimt, Egon Schiele und Oskar Kokoschka. In Russland haben Malewitsch und Kandinsky es verstanden, moderne europäische Kunstrichtungen mit traditioneller russischer Malerei, u. a. auch der Ikonenkunst, zu verbinden. Tschechows Stücke waren Weltliteratur.

Die liberalen Kräfte und die Sozialdemokraten konnten nicht verhindern, dass die deutschen, österreichischen und russischen Monarchen und die um ihr Pres- tige fürchtenden Militärs ihre Völker, die sich in einem Modernisierungsprozess befanden, leichtfertig in den Krieg trieben. Die Folge war der Zusammenbruch der alten Ordnungen in Europa und in 30 Jahren 60 Millionen Tote aus den Katastrophen zweier Weltkriege, mehrerer Revolutionen, der 12-jährigen Hitler- diktatur mit dem Holocaust und des Bolschewismus unter Stalin. Danach ver- gingen weitere 45 Jahre, bis 1989 die Geschichte durch die „Wende“ ohne Blut- vergießen den Anschluss an die Entwicklung von 1914, die durch die leicht- fertigen Entscheidungen dereuropäischen Staatsmänner unterbrochen war, wiederherstellte.

1 Ich wurde im Jahre 1920, 1 ⁄2 Jahre nach dem Tode meines Großvaters in eine Zeit hineingeboren, die von den Auseinandersetzungen der bolschewistischen Idee der Weltrevolution, ausgehend von Russland, und der nationalsozialistischen Ideologie in Deutschland sowie der faschistischen in Italien geprägt war. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges führte Stalin das 1920 begonnene sozialistische Ex-

| 187 | periment in seinem Machtbereich, in Russland und den Ländern des Ostblocks weiter. Dem entgegen stand das atlantische Bündnis der westlichen Demokra- tien mit freien Wahlen, uneingeschränkter Meinungsbildung und privater Marktwirtschaft.

An meinem 70. Geburtstag im Jahr 1990 war das Experiment beendet und der reale Sozialismus mit seiner Staatswirtschaft und Bevormundung des Einzelnen im gesamten Ostblock verschwunden.

Die Teilung Deutschlands – zur Erhaltung des europäischen Gleichgewichts über 45 Jahre existent – wurde mit dem Fortfall der Mauer, der Währungsunion, der Auflösung der DDR und dem Anschluss der deutschen Ostprovinzen an die BRD am 3. Oktober 1990 beendet. Ein Friedensvertrag – kein Diktat wie Versailles – wurde mit allen ehemaligen Gegnern und ein umfassender Freundschaftsvertrag mit den Russen geschlossen. Die deutsch-russischen Beziehungen erhielten eine neue Qualität und knüpfen an alte Traditionen im Geiste Bismarcks an.

Die Weltkriege und die 70-jährige Staatswirtschaft des totalitären Sozialismus haben in den östlich angrenzenden Nachbarstaaten marode Wirtschaften, zer- störte Landschaften und Kulturen, eine Unzahl von Kleinstaaten ohne die Ord- nung des alten Europas hinterlassen.

In diese 70 Jahre fällt die Zeit meines Lebens: Jugendbewegt als Pfadfinder in der Bündischen Jugend – 1934 zwangsüberführt in die Hitlerjugend –, als Schüler in Neubeuern, einem Internat der Landschulheimbewegung mit einem humanisti- schen und englisch-demokratischen Erziehungsideal – 1942 aufgelöst durch die Gauleitung in München –, als Soldat der Wehrmacht von 1935‒1945, verführt durch die nationalpatriotischen Parolen Hitlers zum Kriegseinsatz bis zum bitteren Ende – das 1871 von Bismarck gegründete Reich lag zweigeteilt in Trüm- mern –, ab 1946 als Unternehmer, beteiligt an der Beseitigung dieser Trüm- mer und dem wirtschaftlichen Aufschwung – dem Wirtschaftswunder – der Adenauerrepublik.

Seit fast 50 Jahren bin ich Bürger eines Staates mit einer Verfassung, die 1949 von der Generation der Weimarer Politiker in den Länderparlamenten ratifiziert wurde. Als Heimkehrer in eine nicht befriedete Welt, Gegner von Krieg und Gewalt, mit Zweifel an allen politischen Positionen, geriet ich bereits 1956 durch die von Aden- auer durchgesetzte Änderung des Grundgesetzes zur Einführung der Bundeswehr und Aufrüstung Deutschlands in meinem ersten Gewissenskonflikt.

In den folgenden 40 Jahren wurde ich zum kritischen Begleiter der Auseinan- dersetzung des Staates mit der Friedensbewegung, mit den Gegnern der Statio-

| 188 | nierung von Atomwaffen auf deutschem Boden, mit revoltierenden Studenten der 60er Jahre gegen den „Status quo“ der Wohlstandsgesellschaft, mit der Pro- testbewegung der 70er und 80er Jahre gegen die industrielle Ausbeutung der Ressourcen unserer Erde mit der Zerstörung von Natur und Umwelt, der Ein- richtung von Atomkraftwerken und Endlagern des Mülls.

Immer wieder wurde von beiden Seiten die Grundwerte der Demokratie – Frei- heit des Individuums und die gewaltlose Auseinandersetzung mit Andersdenken- den – auf den Prüfstand gestellt. Wächter waren eine freie Presse, eine kritische parlamentarische und außerparlamentarische Opposition und das Bundesverfas- sungsgericht. Die Argumente der Protestbewegung trugen dazu bei, allmählich die öffentliche Meinung zu verändern. Sie fanden Eingang in die Programme der Parteien und öffneten die Möglichkeiten für Alternativen und Reformen in Deutschland und in Europa.

1990 war Deutschland in einer Republik vereinigt und in die miteinander fried- lich lebende Völkergemeinschaft Westeuropas integriert … für mich ein emotio- nales Erlebnis. Die Verfassung von 1949 blieb ungetastet.

Meine Lebenserfahrung mit zwei Diktaturen und zwei Republiken haben mich überzeugt, dass unsere demokratische Gesellschaftsordnung die beste ist, die es in Deutschland je gegeben hat. Sie ist das Ergebnis leidvoller deutscher und euro- päischer Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Das Vermächtnis der 60 Millio- nen Toten in Europa aber erfordert Wachsamkeitgegen linke und rechte Aben- teurer und Extremisten.

Meine Biographie ist u. a. auch mit der Siemers-Stiftung verbunden, vom Tage ihrer Einrichtung im Februar 1919, mit der Erfüllung des Stiftungszwecks durch die Investition im sozialen Wohnungsbau, bis hin zu ihrer Auflösung im Dezember 1995.

Mit dem Aufbau wurde 1946 begonnen. 1970 war der 90-prozentige Verlust des Stiftungsvermögens – der durch satzungswidrige Entnahme der Vätergeneration und durch Kriegseinwirkung entstanden war – in etwa wieder ausgeglichen. Mit den von Jahr zu Jahr gestiegenen Erträgen wurde nach dem Kriege die Existenz und die Altersversorgung der Enkelgeneration des Stifters gesichert.

Die Stiftung als Zweck, die Versorgung geborener und ungeborener Urenkel in das 21. Jahrhundert weiterzuführen, erschien mir unsinnig. Die Verkehrswerte des allmählich gewachsenen Vermögens waren erheblich gestiegen. Die Zeit für eine Re- form der Stiftung und Formulierung zeitgemäßer Ziele für die nächste Generation sah ich 1990 mit der politischen Wende in Deutschland und Europa gekommen.

| 189 | Seitdem bemühe ich mich um die Auflösung der Familienstiftung mit der Über- tragung des Vermögens auf die Urenkelgeneration des Stifters und der Gründung einer tatsächlich gemeinnützigen Stiftung, mit dem Namen „Edmund Siemers- Stiftung“. Im Dezember 1992 erhielt der Vorstand den Auftrag, die Voraus- setzungen für die Auflösung der Stiftung zu schaffen. Die Auflösung wurde am 29. November 1995 vom Vorstand mit Zustimmung der Familie beschlossen. Der Hamburger Senat hat diese am 13. Dezember 1995 genehmigt.

Die mir folgende Generation erhält damit die Chance, anstatt wie bisher von der Familienstiftung Renten zu beziehen, nunmehr unternehmerisch im Sinne der Philosophie von Edmund J. A. Siemers tätig zu werden: „Mit Wagemut etwas unternehmen, die Bildung seiner Mitmenschen zu fördern und in dem Gemein- wesen, in dem der Unternehmer verdient, Verantwortung in der Verwaltung zu übernehmen und zum Wohle seiner Mitbürger zu investieren.“

Die Vereinigung der Deutschen ist ein Geschenk der Geschichte, das nachträg- lich noch verdient werden muss. Deutschland ist mit seiner um die Ostprovin- zen erweiterten Republik aus der westlichen Nische wieder in die Mitte Europas gerückt.

Hieraus ergeben sich neue Verantwortungen. Gefragt ist der zukunftsorientierte, sozial und ökologisch verantwortlich denkende Unternehmer, der nachstehende Ziele der gemeinnützigen Edmund Siemers-Stiftung in ideeller und materieller Hinsicht fördern könnte.

1. Das Zusammenwachsen der beiden Teile Deutschlands mit europäischer Integration der osteuropäischen Staaten

Dazu gehört die Förderung einer Marktwirtschaft, die wirklich sozial ist. Diese kann nur in einer offenen Gesellschaft entstehen, so wie der englische, vor kurzem verstorbene Philosoph Karl Popper als Emigrant während des Krieges im Schat- ten der Diktaturen formuliert hat („Offene Gesellschaft, offenes Universum“. Franz Kreuzer im Gespräch mit Karl R. Popper).

Bei der Förderung von Projekten, gerade in Ländern des ehemaligen Ostblocks, sollte hieran ohne Bevormundung der Bürger des betreffenden Staates gedacht werden. Die „offene Gesellschaft“ ist eher eine Art des Zusammenlebens, die erfahren werden muss, als eine Staatsform.

Hierauf bin ich im Nachwort zu den „Erinnerungen Ilona Siemers“ mit folgen- den Worten eingegangen: „Wer die Vergangenheit der oft verwirrenden und leid- vollen Geschichte dieses Landes kritisch betrachtet, weiß, dass in Zukunft nur in

| 190 | einer offenen demokratischen Gesellschaft, die die Minderheiten und Schwachen schützt, ein friedliches Zusammenleben der Ungarn und Rumänen in Sieben- bürgern möglich sein wird. Eine solche tolerante Gesellschaft als Gegenmodell zu dem in Süd- und Osteuropa wieder erwachenden Sozialismus und Revanchismus zu fördern, sollte auch Anliegen der Nachkommen Wass sein.“

2. Gemeinwesenarbeit und Jugendförderung

Auf diesem Gebiet habe ich seit 1970 im Bereich der offenen Jugendarbeit in Langen- horn, Glinde und Schwerin praktische Vorarbeit geleistet. Gemeinwesenarbeit mit Jugendfürsorge und Jugendarbeit wird gerade in dem kommunalen Gemeinwesen, in dem die Unternehmer als Investoren tätigsind, zur sozialen Verpflichtung.

3. Natur- und Umweltschutz im Bereich der Elbe und ihrer Nebenflüsse

Durch intensive Nutzung der Landschaft sind in den vergangenen Jahrzehnten weltweit – auch in dem Raum Este und Wümme, in dem ich auf dem Neddern- hof lebe – Lebensräume für Pflanzen und Tiere zerstört worden. Der Tod vieler Arten hängt mit dem Austrocknen und der Überflutung von Nährstoffen und Pflanzengiften durch eine intensive Landwirtschaft zusammen.

Aus dieser Erkenntnis heraus haben die in der Region lebenden Naturschützer das Projekt „Este-Wümme“ entwickelt. Die Este und Wümme sind Heide- und Neben- flüsse der Elbe, die über ihre ländlichen Einzugsgebiete vernetzt werden sollen. Da- durch entstehen wieder Lebensräume für Mensch und Natur. Gleichzeitig sollen die Trinkwasserressourcen für die Großstadt Hamburg geschützt werden.

Seit 25 Jahren wohne ich auf dem Neddernhof an der Este – eine Oase der Natur, durch die der Schmokbach in die Este fließt. Der Neddernhof liegt 40 km vom Gut „Gothard“, in der Nähe von Rotenburg an der Wümme, das mein Vater 1911 für seine Familie gekauft und nach „Szentgothárd“, dem 800-jährigen Be- sitz der Grafen Wass in Siebenbürgen, der Familie meiner Mutter, benannt hatte. Der Besitz wurde 1945 zerstört und 1946von den Rumänen enteignet.

4. Verantwortung in der Verwaltung der Hansestadt Hamburg

Der Oberalte Georg J. H. Siemers, geboren am 18. Februar 1794 und gestorben am 18. Juni 1876, war in der Hamburger Verwaltung und im Rat der Kirchen, insbesondere St. Jacobi, ehrenamtlich tätig. Er bat seinen Sohn Edmund, ihm gleichzutun und dieser wieder seinen Sohn Kurt. In dieser Tradition wirkte auch der im Bereich der Kunst und Wissenschaft vielseitig interessierte Kurt-Hartwig Siemers nach 1945, der letzte Inhaber der Firma G. J. H. Siemers & Co. Hier-

| 191 | für wurde er mehrfach geehrt, u. a. wird in jedem zweiten Jahr von der Wissen- schaftlichen Stiftung ein „Kurt-Hartwig-Siemers-Preis“ ausgeschrieben, der an junge Wissenschaftler vergeben wird. Ich schlage vor, der Wissenschaftlichen Stif- tung in dem betreffenden Jahr eine Spende zukommen zu lassen, in dem der „Kurt-Hartwig-Siemers-Preis“ übergeben wird. Damit möchte ich seiner hin- gebungsvollen Tätigkeit nach 1945 gedenken.

Ich hoffe sehr, dass diejenigen, die den Namen „Siemers“ tragen, insbesondere die Söhne, nicht nur tüchtige Unternehmer werden, sondern auch diese Tradition fortsetzen und u. a. auch Ämter in der gemeinnützigen Stiftung übernehmen. Sie würden dazu beitragen, das Ansehen des Namen „Siemers“ in unserer Vater- stadt zu erhalten und zu vermehren.

5. Förderung der Künste

Die Förderung der Künste als Stiftungszweck ist in der Präambel der Satzung nicht mehr erwähnt, da dieser für zu allgemein gehalten und von der genehmi- genden Behörde gestrichen wurde. Die Auseinandersetzung mit der Kunst war ür mich immer Hilfe in einer Zeit der Orientierungslosigkeit.

Werke der eingangs erwähnten Künstler und Architekten der Jahrhundertwende verbanden ungeachtet des Völkerstreites die russische, deutsche und französische Kultur. Diese Werke waren Vorboten eines friedlichen Europasohne Grenzen, das heute erst im Entstehen begriffen ist.

Die Werke der Künstler unserer Zeit sollten auch die Projekte unserer Stiftung wie bisher begleiten.

Mein Großvater, Edmund J. A. Siemers, war Hamburger Patriot in einem impe- rialistischen Deutschland mit rasantem wirtschaftlichen Aufstieg, begleitet von so- zialen Veränderungen. Mit 75 Jahren als tüchtiger Kaufmann und Mäzen – in sei- ner Vaterstadt hoch angesehen – feierte er mit seiner geliebten Susanne im Kreise seiner Familie am 26. August 1915 das Fest der goldenen Hochzeit. Dieser Tag war der Höhepunkt eines erfüllten Lebens. Nur drei Jahre danach erfuhr er in der ers- ten Hälfte des Novembers 1918 – zu dieser Zeit lag er bereits im Krankenbett – vom Aufstand der Matrosen in Kiel, der Flucht des Kaisers nach Holland, der Revolu- tion in München und Berlin und dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches. Am 20. November ahnte er in seiner Todesstunde, dass auch sein Lebenswerk im Chaos der Revolutionen und der dann folgenden Jahre zerfallen würde.

Ohne das Jahr 1914 hätte es das Jahr 1933 mit der Machtergreifung Hitlers und der dann folgenden Apokalypse nicht gegeben. Die Jugend meiner Generation

| 192 | wurde im Zweiten Weltkrieg spätes Opfer des nationalstaatlichen Imperialismus des 19. Jahrhunderts. Sie wurde in die Verbrechen der 12-jährigen Hitlerdiktatur verstrickt, die durch das Schweigen ihrer Väter legalisiert worden waren.

Die Zeit nach 1945 war geprägt von der Angst vor einem Dritten Weltkrieg, vor Vernichtung der Menschheit von Atom- und Umweltkatastrophen.

Zum Ende des 20. Jahrhunderts scheinen sich die Spannungen zwischen den bei- den Weltmächten durch Abrüstung zu lösen. Die Einstellung der europäischen Großmächte zum Krieg und zum Sinn und Zweck zwischenstaatlicher Bezie- hungen hat sich seit dem Ersten Weltkrieg grundsätzlich gewandelt. Über Part- nerschaft und Weltfrieden wird heute konkret verhandelt. Auch beginnen die Menschen, ihr Verhältnis zur Umwelt neu zu definieren.

So stehen wir – trotz der an den Grenzen schwelenden nationalen und ethni- schen Konflikte – an einer Zeitenwende. Mit heute 75 Jahren habe ich für meine Kinder und Enkelkinder die ängstliche Zukunftshoffnung auf ein menschenwür- diges Leben in einer friedlichen Völkergemeinschaft. Ich denke auch, dass die Vision, Kreativität und Vernunft des Menschen in letzter Minute obsiegen und der Zerstörung unserer Erde Einhalt gebieten wird.

Einen bescheidenen Beitrag kann dazu unsere gemeinnützige Stiftung mit dem Namen „Edmund Siemers-Stiftung“ leisten. Sie ist zur richtigen Zeit errichtet und ergänzt die Schenkungen und Stiftungen meines Großvaters.

Vor dem Hintergrund dieses Rückblicks auf Geschichte und Biographien werden erst die Unternehmensphilosophie meines Großvaters und meine Lebenserfah- rungen, die ich gerne an die jüngere Generation vermitteln möchte, verständ- lich. Mir ist das geistige Erbe und damit die Haltung wichtig, mit der die Ver- antwortlichen der neuen Stiftung das inhaltliche Konzept für das jeweils zu fördernde Projekt festlegen.

Ich bin sicher, dass in jeder Generation die Fragen anders gestellt und die Ziele neu formuliert werden müssen.

Mit Beginn des 21. Jahrhunderts könnte ein neues Kapitel der Familiengeschichte geschrieben werden.

Hans-Edmund Siemers, Lenggries, 24. Januar 1996

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Anhänge

·············································································································································· Stammtafel (Auszug) ··············································································································································

Lion (Joshua)Georg Lewisohn Johann (um Heinrich 1783–?) SiemersOO Fanny (1763–1846 Haarbleicher) OO (1786–1857) 1791 Catharina ElisabethDer älteste Johanna Sohn istZastrow (1772–1854) 8 Kinder, darunter

Joachim Friedrich (Fritz) Siemers Georg Johannes Heinrich Siemers (1792–1863) OO 1818 (1794–1876) OO 1822 Emilie Sophie Buek (1798–1854) Lisette Amalie Schultz (1803–1876) 8 Kinder 7 Kinder, darunter

Georg Johann Rudolph Hermann Ernst Adolph Edmund Julius Heinrich Siemers Siemers Siemers Arnold Siemers (1824–1902) (1829–1892) (1836–1910) (1840–1918) OO 1865 Susanne Margarete Eckmeyer (1839–1920) 4 Kinder

Susanne Antonie Thekla Susanne Johann (Hans) Edmund Kurt Edmund Siemers (1866–1888) Siemers (1868–1954) Siemers (1872–1955) Siemers (1873–1944) OO 1887 Adolf Rudolf OO 1894 Adolf Rudolf OO 1901 Kathleen Alice Eva OO 1904 Olga Emilie Ernst David Schaer Ernst David Schaer Scott (1878–1906) Donner (1881–1965) (1853–1927) (1853–1927) OO 1910 Ilona Gräfin Wass 3 Kinder, darunter 5 Kinder, darunter de Czege (1884–1950) 6 Kinder aus zweiter Ehe, darunter

| 194 | Thekla Susanne Johann (Hans) Edmund Kurt Edmund Siemers OO Adolf Rudolf Siemers OO Ilona Gräfin Siemers OO Olga Emilie Ernst David Schaer Wass de Czege Donner

Toni Susanne Schaer Egon Edmund Siemers Herbert Edmund Albert (1894–1983) OO 1921 (1911–1916) Siemers (1905–1942) Wilhelm Heinrich Otto Schlingloff (1887–1977) Eva Ilona Ida Siemers Kurt-Hartwig Georg 2 Kinder (1914–1991) OO 1935 Siemers (1907–1988) Albert Graf Wass de OO 1931 Margot Margarete Emilie Czege (1908–1998) Elma Ruth Andersen Schaer (1899–1992) 6 Kinder (1909–2007) OO 1938 Rudolf Albert 1 Kind Ludwig Eduard Kausch Hans-Edmund Béla OO 1940 Gisela (1896–1985) Siemers (1920–2009) Hartmeyer (1911–1996) 3 Kinder OO 1947 Lieselotte 3 Kinder Gertrud Hildebrandt (1922–2009) 3 Kinder OO 1970 Gabriele Ottonie Freda von Loeper (geb. 1940) 2 Kinder

| 195 | ·············································································································································· Edmund Siemers’ Lebensdaten im Überblick ·············································································································································· 18. März 1840 Geboren in Hamburg 1862 Gründung der Firma Siemers & Hühne 1864 Teilhaber der Firma G. J. H. Siemers & Co. 1865 Heirat mit Susanne Eckmeyer 1876 Alleininhaber der Firma G. J. H. Siemers & Co. – diese konzentriert sich fortan fast ausschließlich auf die Einfuhr von Petroleum aus den USA 1887/89 Die Firma G. J. H. Siemers & Co. erwirbt drei Tankdampfer komplett aus eigenen Mitteln 1891 Die Deutsch-Amerikanische Petroleum-Gesellschaft übernimmt das Petroleumgeschäft der Firma G. J. H. Siemers & Co., die ihren Schwerpunkt fortan auf den Salpeterimport aus Chile legt und hierfür eine eigene Segelschiffs- und Dampferflotte aufbaut – Edmund Sie- mers beginnt, sich verstärkt in öffentlichen Ämtern zu engagieren 1896/99 Stiftung/Eröffnung der Lungenheilstätte Edmundsthal-Siemerswalde in Geesthacht 1907/11 Stiftung/Einweihung des Vorlesungsgebäudes auf der Moorweide seit 1908 Edmund Siemers wird in Langenhorn zum Großgrundbesitzer 1911 Mitwirkung bei der Gründung der Hamburger Luftschiffhallen GmbH 20. November 1918 Gestorben in Altona-Othmarschen

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Literatur und Bildnachweis

Unveröffentlichte Quellen: 622-1/94 Familie Roscher Es ist kein geschlossener Nachlass von Edmund 622-1/151 Familie Schramm Siemers erhalten.Unveröffentlichtes Quellenmate- 622-1/176 Familie Fischer-Trachau rial zu Edmund Siemers befindet sich zerstreut in ··································································· verschiedenen Archiven, vor allem im Archiv der Literatur und veröffentlichte Quellen: Edmund Siemers-Stiftung Hamburg, außerdem 1820–1995: Johann Vincent Wentzel. Wir erinnern im Staatsarchiv Hamburg, im Handschriftenlese- uns an unser 175jähriges Wirken in unserer Vater- saal der Staats- und Universitätsbibliothek Ham- stadt Hamburg, Hamburg 1995 burg, im Archiv der Hamburgischen Wissenschaft- Achilles, Lutz: Rund um die Ohlsdorfer lichen Stiftung, im Stadtarchiv Geesthacht, im Bahnhöfe. Hamburg 1986 (Verkehrshistorische Langenhorn-Archiv, im Archiv der Hamburger Reihe: Hamburger Nahverkehrsmittel; 10) Kunsthalle, im Archiv des Museums für Kunst Afflerbach, Florian; Schilling, Jörg: und Gewerbe Hamburg, im Verwaltungsarchiv Bismarckdenkmal, Hamburg 2012 (Hamburger des Deutschen Museums München und im Besitz Bauheft; 2) verschiedener Mitglieder der Familie Siemers. Für Ahrens, Gerhard: Hanseatische Kaufmann- die vorliegende Arbeit wurde in erster Linie auf schaft und Wissenschaftsförderung. Vorgeschich- Quellen aus dem Archiv der Edmund Siemers- te, Gründung und Anfänge der „Hamburgischen Stiftung zurückgegriffen, die vor allem Hans- Wissenschaftlichen Stiftung“ von 1907, in: Vier- Edmund Siemers geordnet und zum Teil auch teljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschich- transkribiert hat, außerdem auf Bestände des te 66, 2 (1979), S. 216–230 Staatsarchivs Hamburg, von denen folgende ver- Ders.: Werner von Melle und die Hamburgische wendet wurden: Universität, in: Zeitschrift des Vereins für Ham- 111-1 Senat burgische Geschichte 66 (1980), S. 63–93 351-8 Aufsicht über Stiftungen (Siemers-Stiftung) Ders.: Krisenmanagement 1857. Staat und Kauf- 353-1 Senats- und Bürgerschaftskommission für mannschaft in Hamburg während der ersten die Verbesserung der Wohnungsverhältnisse Weltwirtschaftskrise, Hamburg 1986 (Veröffent- 361-5 I Hochschulwesen lichungen des Vereins für Hamburgische Ge- 362-6/1 Paßmannsche Schule schichte; 28) 412-3 Landherrenschaft der Geestlande Albrecht, Henning: Alfred Beit. Hamburger 412-4/9 Gemeinde Langenhorn und Diamantenkönig, Hamburg 2011 (Mäzene 611-1 St. Johannis-Kloster für Wissenschaft; 9) 611-19/163 Siemers-Stiftung Architektonische Rundschau. Skizzen- 611-19/197 Emilie Wüstenfeld-Stiftung blätter aus allen Gebieten der Baukunst 26 614-1/26 Philharmonische Gesellschaft (und (1910) Verein Hamburgischer Musikfreunde) Art. Nabob, in: Meyers großes Konversations- 622-1/19 Familie Burchard Lexikon, Band 14: Mittenwald bis Ohmgeld, 622-1/68 Familie Mönckeberg Leipzig, Wien 61906, S. 355

| 197 | Art. Pasman, Hieronymus, in: Allgemeine Bruhns, Maike: Kunst in der Krise, Band 2: Deutsche Biographie. 25. Band. Auf Veranlassung Künstlerlexikon Hamburg 1933–1945, Hamburg Seiner Majestät des Königs von Bayern herausge- 2001 geben durch die historische Commission bei der Dies.: Bauschmuck bei Fritz Schumacher. Königl. Akademie der Wissenschaften, Berlin 1970 Ein Kaleidoskop der Künste, Hamburg 2013 (Neudruck der 1. Auflage von 1887), S. 192–194 (Schriftenreihe des Hamburgischen Architektur- Art. Siemers, in: Deutsches Geschlechterbuch. archivs; 30) Genealogisches Handbuch bürgerlicher Familien, Buchheim, Lothar-Günther: Das Boot, Band 210 (Hamburgisches Geschlechterbuch; 16), München 1973 Limburg 2000, S. 278–354 Busold, Stefanie: Henry P. Newman. Ham- Baark, Katharina: Das Vorlesungsgebäude in burger Großkaufmann und Mäzen, Hamburg Hamburg. Baugeschichte, Architekturentwürfe, 2011 (Mäzene für Wissenschaft; 12) Ausstattung, Magisterarbeit Hamburg 1983 Dahms, Geerd: Das Hamburger Gängeviertel. Bajohr, Frank:, Hamburg im „Dritten Reich“, Unterwelt im Herzen der Großstadt, Berlin 2010 in: Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Ham- Ders.: Gängeviertel, Specken-Häuser, Heuburg. burg (Hg.): Zeitgeschichte in Hamburg 2013, Vom Umgang mit historischen Unterschichten- Hamburg 2014, S. 15–33 quartieren in Hamburg, in: Hempel, Dirk; Schrö- Bauten von H. Distel/A. Grubitz, der, Ingrid (Hg.): Andocken. Hamburgs Kultur- Charlottenburg [o. J.] geschichte 1848 bis 1933, Hamburg 2012 (Beiträge Behrmann, Georg: Erinnerungen, Berlin 1904 zur Hamburgischen Geschichte; 4), S. 335–347 Berg, W.; Hein, H.: Siemershöhe, in: Heimat- Der St. Jakobi-Kirchenbote Nr. 6, 34 blatt für Langenhorn und Ochsenzoll 5 (Mai 1974), (21. Mai 1911): G. J. H. Siemers & Co., S. 3 S. 1–2 Detlefsen, Gert U.: Deutsche Reedereien. Bohnsack, Hans-Joachim: Die Finanzver- Band 30: Reederei G. J. H. Siemers & Co., Ree- waltung der Stadt Hamburg. Ihre Geschichte von derei Manfred Lauterjung, Sunship Schiffahrts- den Anfängen bis zum Ersten Weltkrieg, Ham- kontor KG, EL Reederei Erik Larsen, Beluga burg 1992 (Beiträge zur Geschichte Hamburgs; 43) Schipping GmbH, Schleppreederei J. Johannsen Borchardt, Knut: Globalisierung in histori- & Sohn, Bad Segeberg 2007 scher Perspektive: vorgetragen in der Gesamt- Deutsche Tageszeitung Nr. 487 (27. Sep- sitzung vom 1. Juni 2001, München 2001 (Sitzungs- tember 1916): Die Hamburger Kundgebung berichte Bayerische Akademie der Wissenschaf- Dewitz, Bodo von; Kempe, Fritz: Daguer- ten: Philosophisch-Historische Klasse; 2001, 2) reotypien. Ambrotypien und Bilder anderer Ver- Brack, Ulrich: Deutsche Erdölpolitik vor fahren aus der Frühzeit der Photographie, heraus- 1914. Eine Fallstudie zu den Problemen der gegeben vom Museum für Kunst und Gewerbe, Marktbeherrschung und Staatsintervention im Hamburg 1983 (Dokumente der Photographie; 2) wilhelminischen Deutschland, Dissertation Ham- Die Hamburger Woche Nr. 6, 20 (19. Mai burg 1977 1911): G. J. H. Siemers & Co., S. 5–6 Brahm, Felix: Art. Riedemann, Wilhelm Die Reden bei der Einweihung des Ge- Anton, in: Kopitzsch, Franklin; Brietzke, Dirk bäudes, in: Förster, Max (Hg.): Das Vorlesungs- (Hg.): Hamburgische Biografie. Personenlexikon, gebäude in Hamburg, gestiftet von Herrn Edmund Band 2, Hamburg 2003, S. 343–345 J. A. Siemers, dem Hamburgischen Staate über- Brandstädter, Heike: Schätze – Spuren – geben am 13. Mai 1911, Hamburg 1913, S. 73–100 Architexturen, in: Lüthje, Jürgen; Siemers, Hans- Diestel, Hans-Hermann: Schiffe im Sturm, Edmund (Hg.): Das Vorlesungsgebäude in Ham- Rostock 1990 burg 1911–2004, Hamburg 2004, S. 65–73 Distel, Hermann: Baugeschichte, in: Förster, Brennecke, Jochen: Windjammer: Der große Max (Hg.): Das Vorlesungsgebäude in Hamburg, Bericht über die Entwicklung, Reisen und Schick- gestiftet von Herrn Edmund J. A. Siemers, dem sale der Königinnen der sieben Meere, Hamburg Hamburgischen Staate übergeben am 13. Mai 1911, 41996 Hamburg 1913, S. 52–71

| 198 | Die Welt Nr. 234 (7. Oktober 1972): Spielhaus quo-Sicherung und Aggression 1890-1913, Stutt- für Hobbys, Unterschlupf und Kletterkünste gart 1985 (Veröffentlichungen des Instituts für Dülffer, Jost: Regeln gegen den Krieg? Die europäische Geschichte Mainz; 118) Haager Friedenskonferenzen von 1899 und 1907 Frey, Manuel: Macht und Moral des Schen- in der internationalen Politik, Berlin u. a. 1981 kens. Staat und bürgerliche Mäzene vom späten Eckardt, Hans Wilhelm: Von der privile- 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Berlin 1999 gierten Herrschaft zur parlamentarischen Demo- (Bürgerlichkeit, Wertewandel, Mäzenatentum; 4) kratie. Die Auseinandersetzungen um das all- Ders.: Vom Gemeinwohl zum Gemeinsinn. Das gemeine und gleiche Wahlrecht in Hamburg, Beispiel der Stifter und Mäzene im 19. und 20. Hamburg 22002 Jahrhundert, in: Münkler, Herfried; Bluhm, Edmund J. A. Siemers, in: DPWV-Nachrich- Harald (Hg.): Gemeinwohl und Gemeinsinn. ten 5, 4 (1955) hg. vom Vorstand des Deutschen Historische Semantiken politischer Leitbegriffe, Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin 2001 (Forschungsberichte der interdiszipli- Elsner, Tobias von: Kaisertage. Die Hambur- nären Arbeitsgruppe „Gemeinwohl und Gemein- ger und das Wilhelminische Deutschland im sinn“ der Berlin-Brandenburgischen Akademie Spiegel öffentlicher Festkultur, Frankfurt am Main der Wissenschaften; 1), S. 274–301 u. a. 1991 (Europäische Hochschulschriften: Reihe Gehrke, Franz: Die neuere Entwicklung des 3: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften; 471) Petroleumhandels in Deutschland, Tübingen Engel, Alexander: G. J. H. Siemers & Co., 1906 (Zeitschrift für die gesamte Staatswissen- Hamburg, in: Eckstein, Julius (Hg.): Historisch- schaft; Ergänzungsheft 20) biographische Blätter. Der Staat Hamburg. I. Lie- Gerdau, Kurt: Edmund J. A. Siemers. Der ferung, Berlin, Hamburg, Wien 1905 Petroleumkönig von Hamburg, in: Schiff und Faulwasser, Julius: Die St. Jacobi-Kirche in Zeit 15 (1982), S. 33–34 Hamburg, Hamburg 1894 Gerhardt, Johannes: Der Erste Vereinigte Ferguson, Niall: Der falsche Krieg. Der Erste Landtag in Preußen von 1847. Untersuchungen zu Weltkrieg und das 20. Jahrhundert, München einer ständischen Körperschaft im Vorfeld der 22002 Revolution von 1848/49, Berlin 2007 (Quellen Fischer, Fritz: Krieg der Illusionen. Die deut- und Forschungen zur Brandenburgischen und sche Politik von 1911 bis 1914, Düsseldorf 1969 Preußischen Geschichte; 33) Fischer-Appelt, Peter; Siemers, Kurt- Ders.: Die Begründer der Hamburgischen Hartwig: Ein Leben im Zeichen der Universi- Wissenschaftlichen Stiftung, Hamburg 2007 tät. Kurt-Hartwig Siemers zum siebzigsten Ge- (Mäzene für Wissenschaft; 1) burtstag am 30. Dezember 1977, zwei Reden, Ders.: Carl und Sophie Laeisz. Eine biographi- Hamburg 1982 (Hamburger Universitätsreden; 39) sche Annäherung an die Zeiten und Themen Fock, Gorch: Der Reeder, in: Die Braun- ihres Lebens, Hamburg 2007 (Mäzene für Wis- schweiger G-N-C-Monatsschrift 2 (1914), Sonder- senschaft; 2) nummer „Hamburg“, S. 190–195 Gesetzsammlung der freien und Hansestadt Förster, Anja; Kreuz, Peter: Different Hamburg. Amtliche Ausgabe, 22. Band: Jahrgang Thinking! so erschließen Sie Marktchancen mit 1886, Hamburg 1887 coolen Produkten und überraschenden Leistungs- Goetz, Adolf: Die Geschichte des Hauses angeboten, Frankfurt am Main 2005 G. J. H. Siemers & Co., Hamburg 1811–1911, Förster, Max E.: Die Entstehungsgeschichte Berlin 1911 des Vorlesungsgebäudes, in: Ders. (Hg.): Das Grawitz, E.: Gedächtnissrede auf Carl Ger- Vorlesungsgebäude in Hamburg, gestiftet von hardt, in: Gedächtnissfeier für Carl Gerhardt und Herrn Edmund J. A. Siemers, dem Hamburgi- Rudolf Virchow im Verein für innere Medizin zu schen Staate übergeben am 13. Mai 1911, Ham- Berlin am 27. Oktober 1902, Leipzig 1903, S. 4–12 burg 1913, S. 5–51 Grundmann, Günther: 150 Jahre G. J. H. Förster, Stig: Der doppelte Militarismus. Die Siemers & Co., Hamburg: 1811–1961, Hamburg deutsche Heeresrüstungspolitik zwischen Status- 1961

| 199 | Guhl, Anton F.: Johannes August Lattmann. (22. Oktober 1905): Zum Straßendurchbruch im Sozial und liberal im vordemokratischen Ham- Hamburger Stadtzentrum; Nr. 581 (14. November burger Senat, Hamburg 2013 (Mäzene für Wissen- 1905): Bürgerschaft, 33. Sitzung, Montag 13. No- schaft; 14) vember; ebd.: Tages-Neuigkeiten; Nr. 118 (6. März Hamburger Abendblatt Nr. 109 (11./12. Mai 1910): Tages-Neuigkeiten. Graf Zeppelin in Ham- 1994): Hamburg – die Stadt der Mäzene; Nr. 226 burg; Nr. 120 (7. März 1910): Tages-Neuigkeiten. (27./28. September 2003): Im Dienst von Kirche Zum Besuch des Grafen Zeppelin; Nr. 187 und Stadt; Nr. 224 (25./26 September 2010): (13. April 1912): Deutscher Wehrverein; Nr. 331 Ghetto, Geld und Gänge – ein Lehrstück; Nr. 209 (3. Juli 1914): Altes und neues St. Johanniskloster; (7. September 2011): Das neue Gesicht der Stadt; Nr. 348 (12. Juli 1914): Einweihung des neuen Nr. 194 (20. August 2012): Uni-Präsident wünscht St. Johannisklosters; Nr. 491 (26. September 1916): sich einen „Leuchtturm-Bau“ „England ist unser Feind“; Nr. 598 (23. November Hamburger Echo Nr. 221 (21. September 1918): Bestattungsfeier für Edmund Siemers 1905): Das neue Vorortsbahnprojekt; Nr. 246 Hamburgischer Staats-Kalender auf das (26. Oktober 1905): Tages-Bericht. Hamburger Jahr 1869, 1873, 1878, 1890 und 1892, Hamburg Bürgerschaft; Nr. 268 (15. November 1905): Tages- o. J. Bericht. Die Stadt- und Vorortsbahnvorlage in der Hamburgisches Staatshandbuch für 1897 Bürgerschaft; Nr. 170 (24. Juli 1907): Die zweite und 1899, Hamburg o. J. Säuglingsmilchküche der Patriotischen Gesell- Hamburgisches Gesetz- und Verordnungs- schaft; Nr. 112 (14. Mai 1911): Die Einweihung des blatt, hg. vom Senat der Freien und Hansestadt Vorlesungsgebäudes Hamburg, Hamburg 1933 Hamburger Fremdenblatt Nr. 61 (13. März Hamburgisches Gesetz- und Verordnungs- 1910): Edmund Siemers; ebd.: Zeppelinhalle in blatt, hg. vom Senat der Freien und Hansestadt Hamburg; Nr. 99 (9. April 1935): Große Gelände- Hamburg, Hamburg 1934 schenkung der Siemers-Stiftung Hamburgisches Gesetz- und Verordnungs- Hamburger Nachrichten Nr. 179 (3. August blatt, hg. von der Justizbehörde der Freien und 1898): Betreffs der Errichtung eines Bismarck- Hansestadt Hamburg. Teil 2: Amtlicher Anzeiger, Denkmals in Hamburg; Nr. 22 (26. Januar 1902): Hamburg 1994 Das Bismarck-Denkmal in Hamburg; Nr. 381 Hamburgisches Tuberkulosekranken- (1. Juni 1906): Das Komitee für die Errichtung haus Edmundsthal-Siemerswalde, in: Tuber- des Bismarckdenkmals; Nr. 585 (20. August 1908): kulose-Krankenanstalten im deutschen Bundes- Die Unregelmäßigkeiten der Vorortsbahnvorlage; gebiet, Düsseldorf 1952, S. 180–183 Nr. 110 (7. März 1910): Graf Zeppelin in Ham- Harms, Hans; Schubert, Dirk: Wohnen in burg; Nr. 119 (12. März 1910): Edmundsthal und Hamburg – ein Stadtführer zu 111 ausgewählten Vorlesungsgebäude; Nr. 62 (6. Februar 1911): Das Beispielen, Hamburg 1989 (Stadt Planung Ge- Kuratorium der hamburgischen Wissenschaftli- schichte; 11) chen Stiftung im Bilde; Nr. 222 (12. Mai 1911): Hauschild-Thiessen, Renate: Bürgerstolz Feierliche Übergabe der Siemersbüste im hambur- und Kaisertreue: Hamburg und das Deutsche gischen Vorlesungsgebäude; Nr. 225 (14. Mai 1911): Reich von 1871, Hamburg 1979 Ehrungen für Edmund J. A. Siemers; Nr. 594 (21. Hein, Dieter: Das Stiftungswesen als Instru- November 1918): Edmund Siemers †; Nr. 599 (24. ment bürgerlichen Handelns im 19. Jahrhundert, November 1918): Trauerfeier für Edmund Siemers in: Kirchgässner, Bernhard; Becht, Hans-Peter Hamburgischer Correspondent Nr. 365 (Hg.): Stadt und Mäzenatentum, Sigmaringen (7. August 1898): Aufruf zur Errichtung eines 1997 (Stadt in der Geschichte; 23), S. 75–92 Bismarck-Denkmals in Hamburg; Nr. 371 Hering, Rainer: Art. Bismarck-Denkmal, in: (11. August 1898): An Beiträgen für das Bismarck- Kopitzsch, Franklin; Tilgner, Daniel (Hg.): Ham- Denkmal in Hamburg sind eingegangen; Nr. 389 burg Lexikon, 3Hamburg 2010, S. 94–95 (21. August 1898): Aufruf zur Errichtung eines Ders.: Protestantismus vor der Moderne. Die Bismarck-Denkmals in Hamburg; Nr. 539 Hamburger Landeskirche 1860 bis 1933, in:

| 200 | Hempel, Dirk; Schröder, Ingrid (Hg.): Andocken. schaft. Eine geschichtliche und marktwirtschaft- Hamburgs Kulturgeschichte 1848 bis 1933, liche Untersuchung, Dissertation Stuttgart 1969 Hamburg 2012 (Beiträge zur Hamburgischen Karlsch, Rainer; Stokes, Raymond G.: Geschichte; 4), S. 52–74 „Faktor Öl“. Die Mineralölwirtschaft in Deutsch- Hieke, Ernst: Über den Anteil von Robert land 1859–1974, München 2003 Miles Sloman (jr.) am hamburgischen Petroleum- Klemm, David: Das Museum für Kunst und handel und seine Zusammenarbeit mit Edmund Gewerbe Hamburg. Herausgegeben von Wilhelm Siemers, in: Hamburger Wirtschafts-Chronik 2, 3 Hornbostel, Band 1: Von den Anfängen bis 1945, (1961), S. 269–277 Hamburg 2004 Ders.: Die Anfänge der Tankschiffahrt, in Tradi- Kocka, Jürgen: Bürgertum und Bürgerliche tion 8, 2 (1963), S. 70–83 Gesellschaft im 19. Jahrhundert. Europäische Ent- Ders.: Wilhelm Anton Riedemann: Anfang und wicklungen und deutsche Eigenarten, in: Ders. Aufstieg des deutschen Petroleumhandels in (Hg.): Bürgertum im 19. Jahrhundert. Deutsch- Geestemünde und Hamburg. 1860–1894, Ham- land im europäischen Vergleich, Band 1, Mün- burg 1963 (Veröffentlichungen der Wirtschaftsge- chen 1988, S. 11–76 schichtlichen Forschungsstelle e.V., Hamburg; 26) Ders.: Bürger als Mäzene. Ein historisches Ders.: Gründung, Kapital und Kapitalgeber der Forschungsproblem, in: Gaehtgens, Thomas W.; Deutsch-Amerikanischen Petroleum-Gesellschaft, Schieder, Martin (Hg.): Mäzenatisches Handeln. in: Tradition 16, 1 (1971), S. 16–48 Studien zur Kultur des Bürgersinns in der Gesell- Hipp, Hermann: Saxa loquuntur – Angebote schaft. Festschrift für Günter Braun zum 70. Ge- zum Nachdenken über ESA 1. Festvortrag aus burtstag, Zwickau 1998 (Bürgerlichkeit, Werte- Anlass der Neugestaltung des Universitäts-Haupt- wandel, Mäzenatentum; 1), S. 30–38 gebäudes am 10. Dezember 2004 im Ernst-Cassi- Kozian, Walter A.: Die Salpeterfahrt, in: rer-Hörsaal, Hamburg 2004 [Typoskript] Feldkamp, Ursula (Hg.): Rund um Kap Hoorn Hoffmann, Paul Th.: Die Elbchaussee: ihre mit Frachtseglern zur Westküste Amerikas, Landsitze, Menschen und Schicksale, Hamburg Bremen 2003, S. 62–75 91982 Kraus, Elisabeth: Richesse oblige. Zur Holtmann, Michael: Die Universität Ham- Geschichte von Stiftungswesen und Mäzenaten- burg in ihrer Stadt. Bauten, Orte und Visionen in tum in Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Unter in Wirtschaft & Wissenschaft 8 (2000), S. 37–43 Mitarbeit von Eckart Krause, Hamburg 2009 [als Krause, Eckart: Der freien Wissenschaft eine Manuskript gedruckt] freie Stätte, in: uni hh 32 (2001), S. 26–30 Jansen, Axel: Wissenschaftsförderung in einer Ders.: Auf von Melles Wiese: Universität zwi- sich formierenden Nation. John D. Rockefeller schen Aufklärung und Barbarei. Annäherungen und William Rainey Harper, in: Oevermann, an ein Gebäude und seinen „Standort“, in: Ulrich; Süßmann, Johannes; Tauber, Christine Lüthje, Jürgen (Hg.): Universität im Herzen der (Hg.): Die Kunst der Mächtigen und die Macht Stadt. Eine Festschrift für Dr. Hannelore und der Kunst. Untersuchungen zu Mäzenatentum Prof. Dr. Helmut Greve, Hamburg 2002, S. 34–69 und Kulturpatronage, Berlin 2007, S. 241–258 Ders.: Gebäude – Institution – Ikone. Anmer- (Wissenskultur und gesellschaftlicher Wandel; 20) kungen zu 85 Jahren Geschichte und Symbolik Jessen, Thorsten: Umstrittene Aufklärung – des Universitätsgebäudes, in: Lüthje, Jürgen; die theologischen Auseinandersetzungen um Siemers, Hans-Edmund (Hg.): Das Vorlesungs- die Altonaer Bibel, in: Mager, Inge (Hg.): Das gebäude in Hamburg 1911–2004. Festschrift aus 19. Jahrhundert. Hamburgische Kirchengeschich- Anlass der Neugestaltung des Hauptgebäudes der te in Aufsätzen, Teil 4, Hamburg 2013 (Arbeiten Universität Hamburg [Hamburg 2004], S. 32–47 zur Kirchengeschichte Hamburgs; 27), S. 181–204 Ders.: Der Forschung, der Lehre, der Bildung. Käppler, Klaus T.: Entwicklung und gegen- Facetten eines Jubiläums: Hundert Jahre Haupt- wärtige Stellung des unabhängigen Mineralöl- gebäude der Universität Hamburg, in: Nicolay- großhandels in der deutschen Mineralölwirt- sen, Rainer (Hg.): Das Hauptgebäude der Uni-

| 201 | versität Hamburg als Gedächtnisort. Mit sieben schaftsförderung in Hamburg, in: dies. (Hg.): Das Porträts in der NS-Zeit vertriebener Wissenschaft- Vorlesungsgebäude in Hamburg 1911–2004. Fest- lerinnen und Wissenschaftler, Hamburg 2011, schrift aus Anlass der Neugestaltung des Haupt- S. 25–55 gebäudes der Universität Hamburg [Hamburg Krieger, Hermann: Familie Hahnekamp 2004], S. 10–17 und ihr Freund Schnurrig. Die fröhliche Ge- Mansch, Dr. jur.: Verwaltungs-Archiv. Bio- schichte einer Befreiung, Hamburg, Braun- graphische Skizzen deutscher Zeitgenossen aus schweig 1912 dem Gebiete der Staats-, Provinzial- und Stadt- Kröger, Wm. C.: Edmund J. A. Siemers, der verwaltung, Berlin o. J. geniale Kaufmann und hochherzige Stifter, in: Mathies, Otto: Hamburgs Reederei 1814– Der Ansporn 23 (1933), S. 1449–1455 1914, Hamburg 1924 Krüger, Jürgen: Rom und Jerusalem. Kirchen- Matti, Werner: Bevölkerungsvorgänge in den bauvorstellungen der Hohenzollern im 19. Jahr- Hansestädten Hamburg und Bremen vom Anfang hundert, Berlin 1995 (Acta humaniora) des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg, LaFeber, Walter: The new empire: an inter- in: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische pretation of American expansion 1860–1898, Geschichte 69 (1983), S. 103–155 Ithaca 1998 Meineke, Stefan: Friedrich Meinecke. Persön- Landau, Fabian: Die Hamburgische Bürger- lichkeit und politisches Denken bis zum Ende des schaft, Hamburg 1898 Ersten Weltkrieges, Berlin, New York 1995 (Ver- Lichtwark, Alfred: Eine Sommerfahrt auf öffentlichungen der Historischen Kommission zu der Yacht Hamburg, Hamburg 1904 Berlin; 90) Ders.: Briefe an die Kommission für die Verwal- Meinel, Christoph: Die biographische Spur tung der Kunsthalle, 12. Band: 1904, Hamburg in der Kultur- und Wissenschaftsgeschichte, in: 1905 Zigman, Peter (Hg.): Die biographische Spur in Lingelbach, Gabriele: Private Wissenschafts- der Kultur- und Wissenschaftsgeschichte, Jena förderung, in: Kocka, Jürgen; Stock, Günter 2006, S. 5–8 (Hg.): Stiften, Schenken, Prägen. Zivilgesell- Melhop, Wilhelm: Historische Topographie schaftliche Wissenschaftsförderung im Wandel, der Freien und Hansestadt Hamburg von 1895– Frankfurt am Main 2011, S. 43–57 1920. Unter Benutzung amtlicher Quellen, I. Band: Lippmann, Leo: Mein Leben und meine amt- Mit Nachträgen bis 1923, Hamburg 1923 liche Tätigkeit. Erinnerungen und ein Beitrag zur Ders.: Historische Topographie der Freien und Finanzgeschichte Hamburgs. Aus dem Nachlaß Hansestadt Hamburg von 1895–1920. Unter Be- herausgegeben von Werner Jochmann, Hamburg nutzung amtlicher Quellen, II. Band: Mit Nach- 1964 (Veröffentlichungen des Vereins für Ham- trägen bis 1924, Hamburg 1925 burgische Geschichte; XIX) Melle, Werner von: Dreißig Jahre Hambur- Lokal-Anzeiger: Wochenblatt für Langen- ger Wissenschaft 1891–1921. Rückblicke und per- horn, Fuhlsbüttel, Hummelsbüttel, Ohlsdorf, sönliche Erinnerungen, erster Band, herausgege- Nr. 35, 7 (15. Februar 1997): Siemers-Stiftung ist ben auf Anregung der Hamburgischen Wissen- jetzt gemeinnützig schaftlichen Stiftung, Hamburg 1923 Loose, Hans-Dieter: Vom „Troste der Seele“ Ders.: Dreißig Jahre Hamburger Wissenschaft zum „gemeinen Besten“. Zur Geschichte des 1891-1921. Rückblicke und persönliche Erinnerun- Stiftungswesens in Hamburg, in: Initiativkreis gen, zweiter Band, herausgegeben auf Anregung Hamburger Stiftungen; Freie und Hansestadt der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung, Hamburg – Senatskanzlei – (Hg.): Bürger und Hamburg 1924 Gesellschaft. Stiftungen in Hamburg, Hamburg Meyer, Georg: Jesaja, Göttingen 1913 (Bau- 2003, S. 36–81 steine für den Religionsunterricht; I, 3) Lüthje, Jürgen; Siemers, Hans-Edmund: Münkler, Herfried: Anstifter, Unruhestifter Das Hauptgebäude der Universität Hamburg. – wie Stiftungen Veränderungen bewegen, in: Zeugnis und Herausforderung privater Wissen- ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius (Hg.):

| 202 | Gerd Bucerius zum 100. Geburtstag. Facetten Quellen und neuzeitlichen Darstellungen, Geest- seines Wirkens, Hamburg 2006, S. 27–45 hacht 1929 Neddermeyer, Franz H.: Zur Statistik und Pust, Jan: Farbenspiel im Treppenhaus. Wie das Topographie der Freien und Hansestadt Ham- Hauptgebäude zu seinen neuen Fenstern kam, in: burg und deren Gebietes, Hamburg 1847 Lüthje, Jürgen; Siemers, Hans-Edmund (Hg.): Neue Hamburger Zeitung Nr. 505 (27. Ok- Das Vorlesungsgebäude in Hamburg 1911–2004. tober 1905): Straßendurchbruchsprojekt Rathaus- Festschrift aus Anlass der Neugestaltung des markt-Schweinemarkt; Nr. 493 (19. Oktober Hauptgebäudes der Universität Hamburg [Ham- 1912): Der Kaiser im Hamburgischen Kolonial- burg 2004], S. 60–63 institut; Nr. 545 (19. November 1912): Die Besie- Reemtsma, Jan Philipp: Legitime Willkür. delung Langenhorns; Nr. 594 (21. November Über den sozialen Sinn des Stiftens, in: Mittelweg 1918): Edmund J. A. Siemers † 36. Zeitschrift des Hamburger Instituts für Sozial- Nipperdey, Thomas: Deutsche Geschichte forschung 21, 6 (2012), S. 80–86 1866–1918, Band 2: Machtstaat vor der Demokra- Reincke, Heinrich: Aus der Geschichte der tie, München 1992 Hauptkirche St. Jacobi zu Hamburg und ihres Nottscheid, Mirko; Richter, Myriam: Kirchspiels, in: 700 Jahre St. Jacobi zu Hamburg: Hamburger Germanistik und „Berliner Schule“. 1255-1955, Hamburg 1955, S. 23–52 Ulrich Pretzel und Hans Pyritz, in: dies. (Hg): Ritter, Johannes (Hg.): Festschrift zum 100 Jahre Germanistik in Hamburg. Traditionen 25-jährigen Bestehen der Hamburgischen Heil- und Perspektiven, Berlin, Hamburg 2011 (Ham- stätte Edmundsthal-Siemerswalde in Geesthacht, burger Beiträge zur Wissenschaftsgeschichte; 19), Hamburg 1924 S. 281–309 Rüdiger, Otto: Geschichte des Hamburgi- Pászthory, Emmerich: Salpetergewinnung schen Unterrichtswesens, Hamburg 1896 und Salpeterwirtschaft vom Mittelalter bis in die Schade, Herwarth von: „Zur Eintracht und Neuzeit, in: Chemie in unserer Zeit 29 (1995), Wohlfahrt dieser guten Stadt“. 475 Jahre Kolle- S. 8–20 gium der Oberalten in Hamburg, Hamburg 2003 Pielhoff, Stephen: Paternalismus und Stadt- Schade, Wilhelm: Langenhorn. Vergangenheit armut. Armutswahrnehmung und Privatwohl- und Gegenwart, Hamburg 1979 tätigkeit im Hamburger Bürgertum 1830–1914, Schambach, Sigrid: Aus der Gegenwart die Hamburg 1999 (Beiträge zur Geschichte Ham- Zukunft gewinnen. Die Geschichte der Patrio- burgs; 59) tischen Gesellschaft von 1765, Hamburg 2004 Ders.: Stifter und Anstifter. Vermittler zwischen Schiefler, Gustav: Eine hamburgische Kul- „Zivilgesellschaft“, Kommune und Staat im turgeschichte: 1890–1920. Beobachtungen eines Kaiserreich, in: Geschichte und Gesellschaft. Zeitgenossen. Bearbeitet von Gerhard Ahrens, Zeitschrift für Historische Sozialwissenschaft 33 Hans Wilhelm Eckardt und Renate Hauschild- (2007), S. 10–45 Thiessen, Hamburg 1985 (Veröffentlichungen des Pieper, Christine: Die Sozialstruktur der Vereins für Hamburgische Geschichte; 27) Chefärzte des Allgemeinen Krankenhauses Ham- Schlüter, Karl A.: Aus Langenhorns Vergan- burg-Barmbek 1913–1945. Ein Beitrag zur kollek- genheit, Hamburg 1932 tivbiographischen Forschung, Münster 2003 (Ver- Schramm, Percy E.: Zur Bildungsgeschichte öffentlichungen des Hamburger Arbeitskreises für Hamburger Kaufleute um 1860–1870: Die Lek- Regionalgeschichte; 16) türe junger Überseekaufleute, in Tradition 8, 1 Pörtner, Rudolf (Hg.): Kindheit im Kaiser- (1963), S. 1–14 reich. Erinnerungen an vergangene Zeiten, Ders.: Neun Generationen. Dreihundert Jahre München 1989 deutscher „Kulturgeschichte“ im Lichte der Protokolle und Ausschuss-Berichte der Schicksale einer Hamburger Bürgerfamilie Bürgerschaft 1898, Hamburg 1899 (1648–1948). Erster Band, Göttingen 1963 Prüß, M. (Hg.): Geesthachter Heimatbuch. Ders.: Neun Generationen. Dreihundert Jahre Unter Mitarbeit von Lehrern des Ortes nach alten deutscher „Kulturgeschichte“ im Lichte der

| 203 | Schicksale einer Hamburger Bürgerfamilie (1648– Siemann, Wolfram: Die Frankfurter National- 1948). Zweiter Band, Göttingen 1964 versammlung zwischen demokratischem Liberalis- Schröder, Carl August: Edmund J. A. mus und konservativer Reform. Die Bedeutung Siemers. Eine Lebensskizze von Bürgermeister der Juristendominanz in den Verfassungsverhand- D. Schröder. Sonderdruck aus: Die Brücke. Illus- lungen des Paulskirchenparlaments, Frankfurt am trierte Halbmonatsschrift 3, 1 (1924), S. 1–14 Main 1976. (Europäische Hochschulschriften; 3, 56) Schröder, Hans: Lexikon der hamburgischen Siemers, Edmund J. A.; Hübbe, Heinrich Schriftsteller bis zur Gegenwart, siebenter Band, W. C.: Stammbaum der Familie Siemers in Hamburg 1879 Hamburg. Nachträgliche Festgabe zum 75sten Schröder, Hans Joachim: Hermann Franz Jubeljahre des Handelshauses G. J. H. Siemers & Mutzenbecher. Ein Hamburger Versicherungs- Co. in Hamburg. Als Handschrift gedruckt, unternehmer, Hamburg 2007 (Mäzene für Schwerin 1889 Wissenschaft; 4) Siemers, Joachim F.: Nachrichten von den Ders.: Die Brüder Augustus Friedrich und Gus- Familien Siemers und Zastrow. Als Festschrift zur tav Adolph Vorwerk. Zwei Hamburger Kaufleute, Feier der goldenen Hochzeit von Georg Johann Hamburg 2009 (Mäzene für Wissenschaft; 5) Heinrich Siemers und Catharina Elisabeth Johan- Ders.: Heinrich Freiherr von Ohlendorff. Ein na, geb. Zastrow, am Montage, den 26. Juli 1841. Hamburger Kaufmann im Spiegel der Tagebücher Dargebracht von Ihrem Sohne, Dr. Siemers, seiner Ehefrau Elisabeth, Hamburg 2014 (Mäzene Hamburg 1841 für Wissenschaft; 15) Sieveking, Georg H.: Die Milchküchen der Schubert, Werner; Hommelhoff, Peter: Patriotischen Gesellschaft 1904–1922, in: Ge- Hundert Jahre modernes Aktienrecht. Eine schichte der Hamburgischen Gesellschaft zur Sammlung von Texten und Quellen zur Aktien- Beförderung der Künste und nützlichen Gewerbe rechtsreform 1884 mit zwei Einführungen, Berlin (Patriotische Gesellschaft), Teil II: Der innere 1985 (Zeitschrift für Unternehmens- und Gesell- Bau und das Wirken, Heft 2, Hamburg 1936, schaftsrecht: Sonderheft; 4) S. 214–217 Schuller, Alexander: Hamburgs Tor zum Sloman, Robert M.: Die Entwicklung der Himmel. 100 Jahre Hamburg Airport, Hamburg Hamburger Reederei. Zwanglose Erinnerungen. 2010 (Hamburger Abendblatt-Edition) Mit einer Vorrede von Ernst Hieke, in: Tradition Schulz, Andreas: Weltbürger und Geldaristo- 14, 2 (1969), S. 101–112 kraten. Hanseatisches Bürgertum im 19. Jahr- Slotta, Rainer: Chile und seine Salpeterindus- hundert, in: Historische Zeitschrift 259 (1994), trie. Bergbau, Aufbereitung, Export und Denk- S. 637–670 mäler, in: Der Anschnitt. Zeitschrift für Kunst Schulze, Bernd: Von der Wiese zur Villenko- und Kultur im Bergbau 58 (2006), S. 18–50 lonie – Die Gründung von Siemershöhe, Folge 1. Sodemann-Fast, Claudia: Art. Siemers, 1913: Boomtown Hamburg sucht neue Bauflächen, Edmund Julius Arnold, in: Kopitzsch, Franklin; in: Langenhorner Rundschau 3 (1992), S. 3–5 Brietzke, Dirk (Hg.): Hamburgische Biografie. Schumpeter, Joseph: Theorie der wirtschaft- Personenlexikon, Band 6, Göttingen 2012, lichen Entwicklung. Eine Untersuchung über Un- S. 311–313 ternehmergewinn, Kapital, Kredit, Zins und den Stegemann, Richard: Die Siemers – große Konjunkturzyklus, Berlin 51952 Kaufleute und große Menschen, in: Hansische Semper, Erwin; Michels: Die Salpeterindustrie Profile. Ansporn und Vorbild, Hamburg 1936, Chiles, Berlin 1904 (Sonderdruck aus der Zeit- S. 23–25 schrift für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen) Stenographische Berichte über die Sitzun- Shevin-Coetzee, Marilyn: Der „Deutsche gen der Bürgerschaft zu Hamburg im Jahre 1905, Wehrverein“, in: Puschner, Uwe; Schmitz, Walter; Hamburg 1906 Ulbricht, Justus H. (Hg.): Handbuch zur „Völki- Stenographische Berichte über die Sitzun- schen Bewegung“ 1871–1918, München u. a. 1996, gen der Bürgerschaft zu Hamburg im Jahre 1907, S. 366–375 Hamburg 1908

| 204 | Stenographische Berichte über die Sitzun- Ders.: Von der Wiese zur Villenkolonie – Die gen der Bürgerschaft zu Hamburg im Jahre 1908, Gründung von Siemershöhe, Folge 3, in: Langen- Hamburg 1909 horner Rundschau 5 (1992), S. 10–11 Stenographische Berichte über die Sitzun- Ders: Von der Wiese zur Villenkolonie – Die gen der Bürgerschaft zu Hamburg im Jahre 1913, Gründung von Siemershöhe – Folge 4. Der Ver- Hamburg 1914 trag vom 6. Juni 1913, in: Langenhorner Rund- Stiftungs-Urkunde und Satzungen der schau 6 (1992), S. 8–10 Heilstätte für unbemittelte Tuberkulose-Kranke Ders.: Von der Wiese zur Villenkolonie – Die [Stifter Edmund Julius Arnold Siemers], Ham- Gründung von Siemershöhe (Folge 5). Straßen- burg 1898 namen und eine Beleidigung, in: Langenhorner Stolt, Peter: Liberaler Protestantismus in Rundschau 7 (1992), S. 8–10 Hamburg im Spiegel der Hauptkirche St. Katha- Wehler, Hans-Ulrich: Deutsche Gesell- rinen, Hamburg 2006 (Arbeiten zur Kirchen- schaftsgeschichte, Band 3: Von der „Deutschen geschichte Hamburgs; 25) Doppelrevolution“ bis zum Beginn des Ersten Tenorth, Heinz-Elmar: Universität in der Weltkrieges 1849–1914, München 22006 Stadt – Wissenschaft für die Gesellschaft, in: Welt am Sonntag Nr. 19 (12. Mai 1996): Stif- Nicolaysen, Rainer (Red.): 100 Jahre Haupt- tung für Jugendarbeit, Umwelt und Europa-Politik gebäude der Universität Hamburg. Reden der Werner, Michael: Stiftungsstadt und Bürger- Festveranstaltung am 13. Mai 2011, Hamburg 2012 tum. Hamburgs Stiftungskultur vom Kaiserreich (Universitätsreden N. F.; 18), S. 19–43 bis in den Nationalsozialismus, München 2011 Trulsen, Gerd: Einhundert Jahre „Hamburgi- (Stadt und Bürgertum; 14) scher Verein Seefahrt“, Hamburg 2003 Wiegand, Frank-Michael: Die Notabeln. Ullmann, Hans-Peter: Das Deutsche Kaiser- Untersuchungen zur Geschichte des Wahlrechts reich 1871–1914, Frankfurt am Main 1997 und der gewählten Bürgerschaft in Hamburg Ullrich, Volker: Die schwierige Königsdis- 1859–1919, Hamburg 1987 (Beiträge zur Geschich- ziplin. Das biografische Genre hat immer noch te Hamburgs; 30) Konjunktur. Doch was macht eine gute histori- Wiese, Eigel: Männer und Schiffe vor Kap sche Biografie aus?, in: Die Zeit Nr. 15 (4. April Horn, Hamburg 1997 2007), S. 51–52 Wolff, Stefan L.: Die Familie Hertz – eine Verg, Erik: Hamburg philharmonisch. Eine nichtjüdische Wissenschaftlerfamilie mit jüdi- Stadt und ihr Orchester, Hamburg 1978 schem Namen, in: Wolfschmidt, Gudrun (Hg.): Verhandlungen zwischen Senat und Bürger- Heinrich Hertz (1857–1894) and the Development schaft im Jahre 1904, Hamburg 1905 of Communication. Proceedings of the Sympo- Verhandlungen zwischen Senat und Bürger- sium for History of Science. Hamburg, October schaft im Jahre 1905, Hamburg 1906 8–12, 2007, Norderstedt 2008 (Nuncius Hambur- Verhandlungen zwischen Senat und Bürger- gensis. Beiträge zur Geschichte der Naturwissen- schaft im Jahre 1907, Hamburg 1908 schaften; 10), S. 253–274 Verhandlungen zwischen Senat und Bürger- Wulff, Günter: Das Werden der Fritz-Schu- schaft im Jahre 1908, Hamburg 1909 macher-Siedlung 1919–1921. Erster staatlicher Volckens, Wilhelm: Die Landhäuser der Wohnungsbau in Hamburg, Hamburg 1986 Flottbeker Chaussee auf Othmarschener und Zinn, W.: Carl Gerhardt †, in: Zeitschrift für Övelgönner Gebiet im 19. Jahrhundert, in: Tuberkulose und Heilstättenwesen 3, 5 (1902), Mitteilungen des Vereins für Hamburgische S. 373–377 Geschichte 13,3 (1919), S. 199–220 ··································································· Wagner, Patrick: Von der Wiese zur Villen- kolonie – Die Gründung von Siemershöhe, Folge 2, in: Langenhorner Rundschau 4 (1992), S. 11–13

| 205 | Trotz sorgfältiger Nachforschungen konnten nicht dels in Geestemünde und Hamburg. 1860–1894, für alle Abbildungen die Rechteinhaber ermittelt Hamburg 1963 (Veröffentlichungen der Wirt- werden. Sollte jemand in urheberrechtlicher Be- schaftsgeschichtlichen Forschungsstelle e. V., ziehung Rechte geltend machen, so möge er sich Hamburg; Band 26) (S. 43, 48 f.) an die Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung Semper, Erwin; Michels: Die Salpeterindustrie wenden. Chiles, Berlin 1904 (Sonderdruck aus der Zeit- ··································································· schrift für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen) Bildnachweis: (S. 57 ff.) Architektonische Rundschau. Skizzenblätter aus Staatsarchiv Hamburg (S. 79, 137, 144 f.) allen Gebieten der Baukunst 26 (1910) (S. 151) Stadtarchiv Geesthacht (S. 104 f., 111) Archiv der Edmund Siemers-Stiftung Hamburg Trulsen, Gerd: Einhundert Jahre „Hamburgischer (restliche Bilder) Verein Seefahrt“, Hamburg 2003 (S. 114) Archiv der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung (S. 155, 156 f., 162 f.) Archiv Flughafen Hamburg (S. 68, 69) Baark, Katharina: Das Vorlesungsgebäude in Hamburg. Baugeschichte, Architekturentwürfe, Ausstattung, Magisterarbeit Hamburg 1983 (S. 147) Bauten von H. Distel / A. Grubitz, Charlotten- burg [o. J.] (S. 146, 149) Deutsches Museum Archiv München (S. 132) Dewitz, Bodo von; Kempe, Fritz: Daguerreoty- pien. Ambrotypien und Bilder anderer Verfahren aus der Frühzeit der Photographie, herausgegeben vom Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg 1983 (Dokumente der Photographie; 2) (S. 12, 26) Faulwasser, Julius: Die St. Jacobi-Kirche in Ham- burg, Hamburg 1894 (S. 123 f.) Förster, Max E.: Die Entstehungsgeschichte des Vorlesungsgebäudes, in: Ders. (Hg.): Das Vor- lesungsgebäude in Hamburg, gestiftet von Herrn Edmund J. A. Siemers, dem Hamburgischen Staate übergeben am 13. Mai 1911, Hamburg 1913 (S. 150, 152 oben, 154) Foto Adolph Kindermann (S. 45) Foto Till Leeser (S. 152 unten) Foto John Thiele (S. 106 f.) Foto Myriam Isabell Richter (S. 100) Franz Wilhelm Benque & Conrad Kindermann (S. 116 f.) G. J. H. Siemers & Co. Hamburg: Adolf Eck- stein’s Verlag, Berlin (1918) (S. 102 unten) Hamburger Kunsthalle/bpk, Foto: Elke Walford (S. 133 ff.) Hamburger Bibliothek für Universitätsgeschichte (S. 153, 160) Hauptkirche St. Jacobi Hamburg (S. 126) Hieke, Ernst: Wilhelm Anton Riedemann: An- fang und Aufstieg des deutschen Petroleumhan-

| 206 | [10]

Namensregister

Verzeichnet sind die Namen von natürlichen Broschek, Alfred 157 Personen, die in den Kapiteln 1 bis 7 (mit Aus- Buchheim, Lothar-Günther 178 nahme des Nachworts) genannt werden. An- Buchheister, Max Jürgen 49, 52 merkungen bleiben unberücksichtigt, ebenso der Burchard, Johann Heinrich 34, 67*, 114*, 136 Name Edmund Siemers. Ein * verweist darauf, Bülau, Ferdinand 23 dass auf der angegebenen Seite (auch) ein Bild der ··································································· jeweiligen Person bzw. der Name des Malers er- Class, Heinrich 120 scheint. Bei den Vornamen findet in den meisten Coppola, Francis Ford 60 Fällen eine Beschränkung auf den Rufnamen Cordts (Kaufmann) 54 statt. Corinth, Lovis 133*, 136 ··································································· Crasemann, Rudolph 25 Ahrens, Gerhard 139 Crowe, Sir Eyre 125 Amsinck, Susanne (geb. Berenberg-Gossler) 103 ··································································· Auerbach, Berthold 23 Dahms, Geerd 77 Auguste Victoria, Deutsche Kaiserin 32 Davidson, Randall Thomas 127 ··································································· Dehn, Otto 138, 156* Baark, Katharina 147*, 148 Diestel, Arnold 174, 179 Bach, Franz 76 Distel, Hermann 69, 141, 143, 156 Baker, Joseph Allen 127 Donner, Olga (siehe Siemers, Olga) Ballin, Albert 9, 63, 156*, 173 ··································································· Behrmann, Georg 125, 132, 157* Eckener, Hugo 32 Beit, Alfred 138 Eckmann, Otto 133*, 136 Bendixen, Friedrich 156* Eckmeyer, Dietrich 28 Bensch, Bruno 85 Eckmeyer, Friederike (geb. Kentzler) 28 Berenberg-Gossler, Johann Freiherr von 24*, 25 Eckmeyer, Susanne (siehe Siemers, Susanne) Berenberg-Gossler, John Freiherr von 103 Ehrlicher, Werner 157 Berenberg-Gossler, Susanne (siehe Amsinck, Embden, George Heinrich 23, 73 Susanne) Engel, Julius 32, 34, 143, 156* Bismarck, Fürst Otto von 119, 130, 131, 160 ··································································· Blohm, Hermann 132 Fischer-Trachau, Otto 148, 151* Bollmann, Hans Albrecht 180 Fock, Gorch 63 Borchardt, Knut 8 Förster, Max 138, 143, 153, 157* Böschke, Oskar 77 Förster, Stig 119 Bourn, Francis Alphonsus 127 Frey, Manuel 112 Braband, Carl 72, 73, 74, 76, 77 ··································································· Brinckmann, Justus 129, 130 Gaden, Henry 25 Broeker, Arthur von 128 Geertz, Henry 6 f.*, 132, 136, 156 f.*, 158

| 207 | Gerhardt, Carl 112 Lenhartz, Hermann 156* Goddefroy, Wilhelm Martin von 179 Lenz, Max 160* Goethe, Johann Wolfgang von 25, 141 Libby, William Herbert 53, 54 Goetz, Adolf 9 Lichtwark, Alfred 34, 130, 136, 139, 141 Gossler, Johann Berenberg (gen. John B.) (siehe Liebermann, Max 158 Berenberg-Gossler, Johann Freiherr von) Liebig, Justus von 56 Gossler, John (siehe Berenberg-Gossler, John Lübbren, Friedrich 178 Freiherr von) ··································································· Grotrian, Adolph 25 Mann, Thomas 103 Grubitz, August 69, 141, 143, 156 Mannheim, Karl 129 ··································································· Mansch (Dr. jur.) 59 Hachmann, Gerhard 25, 111 Marcks, Erich 158, 160 Hagedorn, Anton 55 Marx, Karl 96 Haller, Martin 130, 143 Meinhof, Carl 161 Heckel, Erich 132 Melhop, Wilhelm 78 Heinrich, Prinz von Preußen 67 Melle, Werner von 97, 101, 102, 129, 138, 139, 140, Hertz, Heinrich 132 141, 142, 143, 151, 153, 155*, 156, 157*, 158, 160*, 161, Hertz, Mathilde 132 174, 179 Heubel, Hermann Eduard 72 Merton, Wilhelm 111 Heydemarck, Johann Peter von 13 Miller, Oskar von 132 Himmelheber (Zeichner) 21 Moltke der Ältere, Helmuth von 120 Hinsch, Adolph 85 Mönckeberg, Johann Georg 32, 72, 73, 75, 110, Hipp, Hermann 82, 148 115, 130, 131, 142 Holthusen, Gottfried 114*, 143, 157*, 174 Munch, Edvard 132 Hühne, Wilhelm 25, 44 Münchmeyer, Alwin (der Jüngere) 129 ··································································· Münkler, Herfried 85 Jencquel, Gustav 25 Münzel, Robert 156* Jürgens, Christian 62 Mutzenbecher, Hermann 23 ··································································· ··································································· Karlsch, Rainer 49 Newman, Henry P. 122, 132, 156* Keim, August 120 Nipperdey, Thomas 120 Kennan, George 172 Nolde, Emil 132 Kentzler, Friederike (siehe Eckmeyer, Friederike) Nölken, Franz 136, 137* Kiesselbach, Wilhelm 180, 181 ··································································· Kirchner, Ernst Ludwig 132 Ohlendorff, Elisabeth Freifrau von 32 Knoblauch (Architekt) 81 Ohlendorff, Heinrich Freiherr von 34 Konstantin I., römischer Kaiser 125 Olga, Königin von Württemberg 29 Krieger, Hermann 103 O’Swald, William Henry 114*, 120, 128 Krogmann, Carl Vincent 78 Otten, Alwin 25 Krogmann, Hermann August 54 ··································································· Krönig, Johann Daniel 100 Panconcelli-Calzia, Giulio 161 Krüger (Architekt) 81 Pankok, Bernhard 134*, 135*, 136 Krüss, Hugo 156* Paridom Möller, Carl 72 Kumm, Wilhelm 153 Pasman, Hieronyus 127 Kümmell, Hermann 160* Perels, Kurt 160* Kurz, Erwin 132 Peters, Ulrich 128 ··································································· Petersen, Carl 25 LaFeber, Walter 53 Petersen, Rudolph 129 Lederer, Hugo 131 Predöhl, Max 32, 67, 111, 114*, 158, 161, 174

| 208 | ··································································· Siemers, Georg Johann Heinrich 12*, 13 Rabe, Paul 160* Siemers, Gustav 19, 20 Rathgen, Karl 160* Siemers, Hans 30, 36*, 37*, 38, 39, 40, 45, 100, Redlich, Karl 32, 44 119, 151, 179, 180, 181, 182 Reemtsma, Jan Philipp 95 Siemers, Hans-Edmund 9, 119, 136, 151, 182, 183 Riedemann, Wilhelm 9, 49, 50, 51, 53, 54, 55 Siemers, Herbert 178 Ritter, Johannes 103, 107*, 112*, 113, 173 Siemers, Hermann 12 Rockefeller, John 43, 52, 55 Siemers, Hinrich Christoph 12 Ruperti, Oscar 136 Siemers, Ilona (geb. Gräfin Wass de Czege) 38, Ruths, Valentin 132 39, 119, 120, 173 Rumpel, Theodor 103, 111 Siemers, Johannes 13, 15*, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 23, ··································································· 26, 44, 47, 101, 113, 114, 122, 125, 131 Sander, Heinrich Christian 174 Siemers, Kurt 30, 36*, 38, 65, 100, 125, 151, 172, Sanders, Ludwig 9, 53, 55, 56 176, 178, 179, 180, 182 Schaefer, Bruno 174 Siemers, Kurt-Hartwig 139, 178, 179, 180, 182 Schaer, Adolf 36 Siemers, Olga (geb. Donner) 139, 140, 178 Schaer, Antoni (geb. Siemers) 30, 36, 37*, 119 Siemers, Rudolph 19, 20, 44, 45, 47, 125 Schaer, Thekla (geb. Siemers) 30, 36, 37*, 100, Siemers, Susanne (geb. Eckmeyer) 27*, 28, 29, 30, 119, 151, 179 32, 34, 35*, 36, 37*, 39, 44, 100, 107*, 137, 151, 153, Scharff, Edwin 112 173, 180, 181 Schaudt, Ernst 131 Siemers, Thekla (siehe Schaer, Thekla) Scheele, Wolder 127 Sierich, Adolph 101 Schiefler, Gustav 101, 117, 136, 158 Sieveking, Ernst Friedrich 157* Schiller, Friedrich von 25 Sieveking, Georg Herman 173 Schinckel, Max (von) 34, 40, 136, 156* Sieveking, Kurt 179 Schlingloff, August 180 Sloman, Robert Miles (der Jüngere) 46 Schlingloff, Toni 118 Sperber, Ferdinand 74, 75, 81 Schnars-Alquist, Hugo 132, 136 Stahmer, Johann Friedrich Thomas 53 Schön, Alexander 174 Stallone, Sylvester 60 Schramm, Gustav 25 Stammann, Otto 139 Schramm, Percy Ernst 25 Stoppel, Johann Martin 12 Schröder, Carl August 25, 111, 114*, 161, 173, 174 Stuhlmann, Franz 161 Schröder, Johann Heinrich 101 ··································································· Schröder, Octavio Rudolph 26 Tenorth, Heinz-Elmar 153 Schultz, Amalie (siehe Siemers, Amalie) Tietgens, Adolph 114* Schultz, Johann Caspar 26 ··································································· Schumacher, Fritz 83, 131, 148 Ullrich, Volker 8 Schumpeter, Joseph 42 Unger, Eduard 25 Schurz, Carl 118, 119 Unger, Gustav 25 Schütte, Carl 51, 53 ··································································· Schütte, Franz Ernst 9, 51, 53 Versmann, Johannes 130 Scott, Kathleen 36, 38 Vogel, Hugo 161, 162 f.* Siemers, Adolph 19, 20, 23*, 44, 45, 47 Voller, August 156* Siemers, Amalie (geb. Schultz) 13, 15*, 18, 19, 20, ··································································· 26*, 28, 47, 119 Warburg, Aby 161 Siemers, Antonie (siehe Schaer, Antonie) Warburg, Max 32, 118, 138 Siemers, Catharina Elisabeth (geb. Zastrow) 12* Warburg, Moritz 157* Siemers, Egon 39* Wass de Czege, Gräfin Ilona von (siehe Siemers, Siemers, Friedrich 16, 19, 20, 21, 22, 26 Ilona)

| 209 | Wassermann, Beate 151 Weber, Max 10 Weidehaas, Waldemar 178 Wentzel, Wilhelm Johannes 71, 72, 73 Werner, Michael 8, 77, 98 Westphal, Eduard 101, 156* Westphal Otto Eduard 114*, 157* Wiegand, Heinrich 53 Wilbrand, Wilhelm 71, 75, 76, 80 Wilhelm I., Deutscher Kaiser 130 Wilhelm II., Deutscher Kaiser 32, 63, 97, 119, 125, 127, 131, 158, 161 Wilhelmi, Johannes Heinrich 127 Winkler, Hans 160* Woermann, Adolph 156* Wrochem, Alfred von 120 ··································································· Zastrow, Catharina Elisabeth (siehe Siemers, Catharina Elisabeth) Zastrow, Joachim 12 Zeppelin, Graf Ferdinand von 32, 67* Zettler, Franz Xaver 122

| 210 | | 211 | Impressum Bedanken möchte ich mich bei denjenigen, die das Manuskript oder Teile davon gelesen und wichtige Bibliografische Information der Deutschen Hinweise gegeben haben: Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Nationalbibliothek Peter Fischer-Appelt, Prof. Dr. Ludwig Gerhardt, Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet Renate Gerhardt, Anton F. Guhl, Axel Kausch, Eck- diese Publikation in der Deutschen National- art Krause, Prof. Dr. Hans-Dieter Loose, Myriam bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind Isabell Richter, Prof. Dr. Barbara Vogel und im Internet über https://portal.dnb.de abrufbar. Dr. Andreas Graf Wass de Czege. Alle dennoch im Die Online-Version dieser Publikation ist auf der Text verbliebenen Fehler und Irrtümer sind selbst- Verlagswebsite frei verfügbar (open access). Die verständlich mir zuzuschreiben. Herr Singkha Deutsche Nationalbibliothek hat die Netzpubli- Grabowsky hat wichtige Recherchearbeiten im kation archiviert. Diese ist dauerhaft auf dem Staatsarchiv und der Staats- und Universitäts- Archivserver der Deutschen Nationalbibliothek bibliothek Hamburg für mich übernommen. Auch verfügbar. hierfür danke ich herzlich. Und schließlich gilt mein besonderer Dank dem Herausgeber der Reihe, Frei verfügbar über die folgenden Webseiten: Dr. Ekkehard Nümann, der seit nunmehr 10 Jahren Hamburg University Press – http://hup.sub.uni- den Vorsitz der Hamburgischen Wissenschaftlichen hamburg.de Stiftung innehat. Die gemeinsame Arbeit in dieser http://hup.sub.uni-hamburg.de/purl/Hamburg Zeit ist mir immer eine große Freude und Inspira- UP_MfW16_Siemers tion gewesen. Ich widme dieses Buch meinen Eltern, Renate und Ludwig Gerhardt, ohne deren wunder- Archivserver der Deutschen Nationalbibliothek – bare Unterstützung dies alles nicht möglich wäre. Recherche und Zugriff über https://portal.dnb.de (JG)

ISBN 978-3-943423-16-7 Hamburgische Wissenschaftliche ISSN 1864-3248 Stiftung Edmund-Siemers-Allee 1, Raum 113 © 2014 Hamburg University Press, Verlag der 20146 Hamburg Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg http://h-w-s.org Carl von Ossietzky, Deutschland

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