Hermann Franz Matthias Mutzenbecher

Ein Hamburger Versicherungsunternehmer

Hermann Franz Matthias Mutzenbecher

Ein Hamburger Versicherungsunternehmer von Hans Joachim Schröder Mäzene für Wissenschaft

hg. von Ekkehard Nümann

Gefördert von Frau Monika Hanke

Den Familien gewidmet, die durch ihre hochherzigen Stiftungen vor 100 Jahren die Gründung der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung ermöglicht und den Grundstein dafür gelegt haben, dass die Stiftung auch heute noch Forschung, Lehre und Bildung fördern kann.

Inhalt

Vorwort des Herausgebers ...... S. 3 1. Voraussetzungen ...... S. 4 2. Vorfahren ...... S. 6 3. Geburt, Kindheit, Jugendzeit ...... S. 9 4. Erste Berufsjahre, Heirat ...... S. 18 5. Aus dem „großen“ Tagebuch ...... S. 23 6. Der Mutzenbecher-Konzern ...... S. 32 7. Das Europahaus ...... S. 42 8. Franz Matthias Muthenbecher ...... S. 47 9. Die letzten Lebensjahre von H. F.M. Mutzenbecher ...... S. 53 10. Anhänge ...... S. 59 11. Literatur ...... S. 62 Vorwort des Herausgebers

Im Jahr 2007 feierte die Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung ihr 100- jähriges Jubiläum. Der vorliegende Band ist Teil der zu diesem Anlass ins Leben gerufenen Schriftenreihe „Mäzene für Wissenschaft“. In ihr wird die Geschichte der Stiftung dargestellt; außerdem werden Stifterpersönlich- keiten und Kuratoriumsmitglieder in Einzelbänden gewürdigt.

Die Absicht, diese Reihe ins Leben zu rufen, entspricht dem dankbaren Gefühl den Personen gegenüber, die vor mehr als 100 Jahren den Mut hatten, die Stiftung zur Förderung der Wissenschaften in zu gründen und erreichten, dass Hamburg eine Universität erhielt. Verknüpft damit ist die Hoffnung und Erwartung, dass nachfolgende Generationen sich hieran ein Beispiel nehmen mögen.

Ekkehard Nümann

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Voraussetzungen

Warum ist es sinnvoll und lohnend, über über Hermann Franz Matthias Mutzen- den Hamburger Versicherungsunternehmer becher gibt.2 „HFM“, wie er von vielen Na- Hermann Franz Matthias Mutzenbecher, hestehenden genannt wurde3 und wie er der von 1855 bis 1932 lebte, eine Biographie auch hier genannt werden soll, kann dem- zu schreiben? Der äußere Anstoß geht von nach innerhalb Deutschlands, nicht nur in- dem Anliegen aus, wie es Ekkehard Nü- nerhalb Hamburgs als eine Persönlichkeit mann als Herausgeber der Reihe „Mäzene von herausragender Bedeutung gelten. für Wissenschaft“ im Vorwort beschreibt: ··································································· Von den Stifterpersönlichkeiten, die durch Was die Frage des methodischen Zugriffs ihr Engagement und ihre finanzielle Unter- angeht, so soll von einem programmati- stützung auf entscheidende Weise mithal- schen Aufsatz ausgegangen werden, in dem fen, die Universität Hamburg zu gründen, der bekannte Historiker Volker Ullrich im soll mehr sichtbar werden und erhalten blei- Jahre 2007 die Voraussetzungen benennt, die ben als der bloße Name, der in Urkunden erfüllt sein müssen, damit eine „gute histo- oder auf einer Gedenktafel1 verzeichnet ist. rische Biographie“ zustande kommt.4 Ull- ··································································· rich orientiert sich in seinen Darlegungen Von dem Wunsch abgesehen, die Erinne- hauptsächlich an den Lebensbeschreibun- rung wachzuhalten oder überhaupt erst zu gen von historischen Gestalten, die wie etwa ermöglichen, ist es auch aus methodischen Caesar, Friedrich II., Thomas Mann oder Gründen nicht nur für interessierte Außen- auch Adolf Hitler epochenbestimmenden stehende, sondern auch für Geschichtsfor- Einfluss ausgeübt haben. Im Vergleich zu die- scher und im Besonderen für Kulturwissen- sen „Großformaten“ mit einer mittlerweile schaftler aufschlussreich, sich der Lebensge- breiten Wirkungsgeschichte ist die Aus- schichte eines Mannes zuzuwenden, der gangssituation zur Erschließung des Lebens zwar nicht vergessen, wohl aber bisher nir- von HFM eine völlig andere. Allein durch gends ausführlicher gewürdigt worden ist. die Quellenlage, die im Fall dieses Mannes Bevor jedoch im Folgenden auf einige Pro- dem Biographen erhebliche Beschränkun- bleme zur Methode kurz eingegangen wird, gen auferlegt, können die idealtypischen – sei vorab darauf hingewiesen, dass es im dabei ausgesprochen konventionellen – An- 1997 erschienenen achtzehnten Band der sprüche, die Ullrich an eine überzeugende Neuen Deutschen Biographie, einem re- Biographie stellt, nicht erfüllt werden. Im nommierten Standardwerk, einen Artikel Gegenteil, diese Ansprüche gilt es zu proble-

| 4 | matisieren und zu relativieren, damit ein wünschenswerten Eigenschaften, er spricht den Quellen gemäßes, gleichwohl nicht außerdem von einer „Kultur des Erzählens“ langweilig werdendes Lebensbild entsteht. – und hier lässt er offen, wodurch sie ge- ··································································· kennzeichnet ist. Über die Frage, ob und Einige Erklärungen Ullrichs leuchten un- wieweit ein talentiertes, sensibles, einfühlsa- mittelbar ein, insbesondere wenn man sie mes, phantasievolles Erzählen notwendiger- nicht auf die „Großformate“ bezieht: „Kurz- weise fiktionale Gestaltungselemente auf- um, gelungen ist eine Biographie gerade weist, ob und wieweit dadurch der quellen- dann, wenn sie nicht vorgibt, alles zu wis- geleitete, faktenorientierte Diskurs „mehr sen.“ Diesem Satz vorgeschaltet ist die Be- oder weniger“ weitgehend durch einen aus- merkung, der Biograph könne „in der Regel schmückenden, spekulierenden, fabulieren- nicht mehr erreichen als mehr oder weniger den, mit einem Wort: fiktionsgesättigten große Annäherungen“ an die Lebenswirk- Diskurs modifiziert oder auch ersetzt wird – lichkeit des Dargestellten. So zutreffend diese diese Frage wird mit keinem Wort berührt. Bemerkung allemal ist, so vage wird sie durch ··································································· das eingeschobene „mehr oder weniger“, Im Unterschied zur Programmatik Volker denn damit öffnen sich weite Ermessens- Ullrichs, soweit sie dem konventionellen spielräume. Auf das Leben von HFM bezo- Ideal der runden, geschlossenen, Zusam- gen kann die Annäherung nur punktuell menhänge stiftenden Erzählung verpflichtet gelingen, muss also in entscheidenden Er- ist, soll im Folgenden nicht der Eindruck er- fahrungsbereichen fragmentarisch bleiben – weckt werden, das Leben von HFM lasse der Voraussetzung entsprechend, dass der sich zu einem homogenen Gesamtbild zu- Biograph nicht vorgibt, alles zu wissen. sammenfügen.5 Vielmehr sollen die Leer- ··································································· stellen sichtbar bleiben, so dass der Leser er- Mit dem Bekenntnis zur Lücke und dem kennen kann, was der Biograph, wie gesagt, Mut dazu – da die Quellen zum Leben von nicht weiß. Da dieser Biograph sich im Üb- HFM etwas anderes als eine lückenhafte Be- rigen eher als Kulturwissenschaftler, nicht schreibung gar nicht zulassen – wird eine primär als Historiker versteht – was beides Hauptforderung Ullrichs zweifelhaft, näm- höchstens graduell, keinesfalls prinzipiell lich die nach einer Form des Erzählens, die unterschieden ist –, kann er sich offenhal- „von ihrem Autor eine hohe Kunstfertig- ten für Phänomene des Alltäglichen, schein- keit“ verlangt. Was ist damit gemeint? Ull- bar Nebensächlichen, das heißt zum Beispiel rich spricht von „Erzähltalent, sprachli- auch für die „Anmutungsqualitäten“ einzel- che(r) Sensibilität, auch Einfühlungsvermö- ner Quellen, die für die Annäherung an das gen und Fantasie“, lauter wichtigen und Leben von HFM besonders wichtig sind. ·············································································································································· 1 Siehe dazu Gerhardt, Begründer, S. 21: In der Mitte der Gedenktafel im linken Bild erscheint der Name Hermann Mutzenbecher. 2 Neue Deutsche Biographie 18, S. 660 f. Verfasser des Artikels ist Peter Koch. 3 Siehe Mutzenbecher, Versicherer, S. 15. 4 Ullrich, Königsdisziplin. 5 Zur „Fiktion einer geschlossenen Form“ vgl. Alt, Mode, S. 25. Dazu auch ebd., S. 32 f. ··············································································································································

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Vorfahren

Betrachtet man die genealogischen Über- Widerständen von seiten der Kieler Zünfte blicksdarstellungen, dazu einzelne aus- im Jahre 1652 zum Quartierherr, d. h. Bür- schnitthafte Schilderungen, die es zur Fami- germeister in einem der vier Bürgerquartiere lie Mutzenbecher in ihrer Gesamtheit gibt, von Kiel aufstieg.8 Ein Sohn von Lorenz, so ist die Quellenlage nicht schlecht. Der Matthias (geboren 1653), begab sich 1669 1922 geborene, bis heute produktive Schrift- nach Hamburg, wo er sich in einer Sozietät steller Geert-Ulrich Mutzenbecher, ein En- der Lakenhändler und Gewandschneider kel des Bruders von HFM, hat zwei Bücher vom Lehrling zum selbstständigen und geschrieben, die es erlauben, sich einmal erfolgreichen Kaufmann emporarbeiten von der Frühzeit der Familie Mutzenbecher, konnte.9 Im Jahr 1679 wurde Matthias Mut- zum anderen auch von HFMs Bruder Franz zenbecher Hamburger Bürger.10 Drei Jahr- ein anschauliches Bild zu machen.6 Dane- zehnte später, 1710, wurde er ins Oberalten- ben gibt es eine zweibändige, mit zahlrei- Kollegium und in den Senat gewählt.11 (Als chen „kommentierenden“ Dokumenten Oberalte bezeichnete man die Mitglieder versehene Genealogie der Familie, die eine des höchsten Bürgerausschusses eines unentbehrliche Hilfe ist, wenn man sich Kirchspiels, die, zwischen Bürgerschaft und über das bis in die Gegenwart hineinrei- Rat vermittelnd, mit umfangreichen politi- chende Geflecht der verwandtschaftlichen schen und sozialen Aufgaben betraut wa- Beziehungen Klarheit verschaffen will.7 ren.) ··································································· ··································································· Das Buch „Die Mutzenbechers“, verfasst Senator Matthias Mutzenbecher, der 1735 von dem eben genannten Nachfahren Geert- starb, kann als Gründerpersönlichkeit gel- Ulrich, schildert auf eingängige und oftmals ten, die der Familie in Hamburg zu Rang amüsante Weise in romanhafter Ausgestal- und Ansehen verhalf, bis in die Gegenwart tung Episoden aus der Frühzeit der Familie hinein.12 Für die weitere genealogische Ent- Mutzenbecher. Die ersten urkundlich nach- wicklung, die zu HFM hinführt, ist aller- weisbaren Mutzenbechers gelangten zu Be- dings ein älterer Bruder von Matthias na- ginn des Dreißigjährigen Krieges von Süd- mens Georg Hinrich von Belang. Unter den deutschland kommend nach Kiel, wo ein Nachkommen Georg Hinrichs erscheint Lorenz Mutzenbecher, von Beruf Schnei- vier Generationen später der Großvater vä- der, ausgestattet mit guten Verbindungen terlicherseits von HFM, Franz Matthias zum herzoglichen Hof, nach anfänglichen Mutzenbecher (1779–1846). Dieser Vorfahre

| 6 | Johanneum in Hamburg, war anschließend von 1838 bis 1841 Lehrling in der väterlichen Firma, reiste für mehrere Jahre ins Ausland und gründete 1845 die Firma H. Mutzenbe- cher & Co. Im öffentlichen Leben Ham- burgs übernahm er – wiederum ähnlich wie sein Vater – vielerlei Aufgaben, etwa 1854 als Provisor (Verwalter) am Armenhaus und Deputierter beim Niedergericht.15 – Diese wenigen Andeutungen mögen genügen, um deutlich zu machen, dass die Familie Mut- zenbecher unter den oftmals „jungen“ Hamburger Familien zu denen gehört, die man als besonders „alt“ ansehen muss. Seit mehreren Jahrhunderten zählt sie durch Verheiratungen und ihren gesellschaftlichen Umgang zum gehobenen Bürgertum – eine Zuordnung, die von den Vertretern der han- seatischen Familien vielleicht akzeptiert wird, wohingegen man es offensichtlich Hermann und Emma Mutzenbecher (geb. Schlüter), nicht besonders schätzt, wenn von „Groß- um 1900 bürgertum“ die Rede ist: „Man war Ham- erwarb 1807 das Bürgerrecht in Altona, ver- legte seinen Wohnsitz nach Hamburg und gründete dort 1818 die Firma F.M. Mutzen- becher.13 Unter den elf Kindern des Franz Matthias und seiner Frau Friederica – Toch- ter des Bürgermeisters Johann Arnold Heise (1747–1834) – ist das neunte Kind Hermann von Bedeutung, geboren 1819, gestorben 1906. Hermann Mutzenbecher heiratete nach dem Tod seiner ersten Frau in zweiter Ehe 1853 Emma Maria Schlüter;14 mit Her- mann und Emma als den Eltern von HFM gelangt man an den Anfang der Biographie des späteren Versicherungsunternehmers. ··································································· Bevor auf diesen Anfang näher eingegan- gen wird, müssen zum Leben des Vaters Hermann einige Daten ergänzt werden. Hermann Mutzenbecher (1819‒1906), Hermann besuchte wie schon sein Vater das Staatsarchiv Hamburg

| 7 | burger Bürger – nicht mehr und nicht we- renden, den Insider; der Außenstehende niger.“16 Dieses Selbstverständnis des Un- braucht zusätzliche Orientierungen. derstatements kennzeichnet den Dazugehö-

·············································································································································· 6 Mutzenbecher, Mutzenbechers; ders., Versicherer. 7 Stammbaum, 2 Bände. Vgl. auch Deutsches Geschlechterbuch 19, S. 265-311 (dazu die Hinweise von Gerhardt, Begründer, S. 53). 8 Mutzenbecher, Mutzenbechers, S. 54. 9 Ebd., S. 65 ff. 10 Ebd., S. 112. 11 Ebd., S. 203. 12 Zu den Namensträgern, „die einstmals Hamburg und damit Deutschland in der Welt bekannt gemacht haben“, zählt Gobert (Zwiebelfisch, S. 280) u. a. die Mutzenbechers. 13 Stammbaum I, S. 153 f. 14 Vgl. dazu Mutzenbecher, Versicherer, S. 11: „Die Schlüters zählten zu den alten, angesehenen Hamburger Kaufmannsfamilien.“ Emma Maria Mutzenbecher lebte von 1826 bis 1916. 15 Stammbaum I, S. 231 f. 16 Vorwerk, Ambiente, S. 175. Vgl. Merck, Hamburg, S. 33: „Selbst Amtsbezeichnungen verabscheute man als unhamburgisch. Man war Herr Soundso und ließ sich allenfalls mit dem redlich erworbenen Doktortitel an- reden.“ ··············································································································································

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Geburt, Kindheit, Jugendzeit

Unter den Quellen, die über das Leben von worden war – diese (und weitere) Notizen HFM einigen Aufschluss geben, sind zwei sollen ausführlich zitiert werden: handgeschriebene Tagebücher von besonde- ··································································· rer Wichtigkeit; zunächst muss das erste „Am 28ten Mai ward bei Emma der kleine Tagebuch genauer betrachtet werden. Die Adolph am 7ten Juni Hermann geb. Es war bereits erwähnte Emma Mutzenbecher, geb. ein sehr heißer Tag (wichtige Bürgerschaft). 1 Schlüter, die am 3. März 1853 Hermann Mama war den ganzen Tag bei mir. Bis 7 ⁄2 Mutzenbecher geheiratet hatte, machte in war ich im Lusthaus, um 9 Uhr ward Her- den Jahren 1852 bis 1876 chronologisch ge- mann geboren (Fr. Meyer). Den 3ten Tag ordnete Aufzeichnungen.17 In einem dicke- Eppendorfer Markt, schrecklicher Lärm. ren, eher unscheinbar gebundenen Heft, das Hermann war ein sehr kleines Kind bekam man auch als schmales Buch ansehen kann, auch eine Entzündung am Nabel; auch lieferte sie in kleiner, sehr zarter, dabei kla- durch Erkältung ein schlimmes Auge, aber rer, gut leserlicher deutscher Schrift für die es ging schnell vorüber. Er erholte sich bald Zeit zwischen 1853 bis 1859 auf neun Seiten u. ward sehr kräftig.“ Jahresüberblicke, danach werden die Noti- ··································································· zen ausführlicher.18 Insgesamt enthält das Hier wird vieles kurz angesprochen, dem Diarium 51 dicht beschriebene Seiten; die man mit aufwendigen Recherchen erläu- anschließenden Blätter sind leer gelassen. ternd und verifizierend nachgehen könnte. ··································································· Wer neben der Tagebuchschreiberin eine Bereits während der ersten Jahre sind die zweite Emma und der kleine Adolph waren, Angaben immer wieder mit genauen Daten was an dem heißen Tag in der Bürgerschaft versehen. Nach einigen knappen Bemer- verhandelt wurde, wie es mit dem Marktle- kungen zum Jahr 1852 beginnen die Auf- ben in Eppendorf bestellt war, all das soll zeichnungen auf Seite 1 mit Hinweisen zum nicht weiter geprüft werden. Bemerkens- Tag der Heirat; dieses Datum markiert den wert ist zuallererst das Nebeneinander dis- Anfang der Eintragungen. Bereits zwei Sei- parater Andeutungen, die in ihrer Knapp- ten später befindet man sich im Jahr 1855. heit oder trotz der Knappheit ein durchaus Die Notizen zum 7. Juni dieses Jahres, dem lebendiges Bild ergeben. Man erfährt, die Tag, an dem Hermann Franz Matthias Mut- Mutter hielt sich bis zum frühen Abend im zenbecher zur Welt kam, in einem Haus in Lusthaus, einem für die Gegend Hamburgs Eppendorf, das im Frühjahr 1855 bezogen typischen Gartenhaus auf. Der Name Meyer

| 9 | der Hebamme wird extra vermerkt. Alle den Sommer hatten wir einen kl. offenen diese Angaben sind offensichtlich nur für Wagen mit einem Pferd. Im October zogen den Ehemann und engste Angehörige, viel- wir ins Stadthaus, das durch Verlegung der leicht fast nur für die Schreibende selbst be- Wohnzimmer nach der Sonnenseite sehr an stimmt. Deshalb bedarf es keiner Erläute- Gemüthlichkeit gewonnen hatte.“20 Die rungen für Außenstehende; die Verfasserin Sommermonate verbrachten die gutsituier- „weiß, wovon sie spricht“. ten Hamburger Familien in umliegenden, ··································································· noch nicht von der Stadt vereinnahmten Das Zitat verrät nichts über das Befinden Dörfern, während man zur Winterzeit im der Mutter, wohl aber lässt es deutlich wer- Stadthaus lebte. – Mit seinem gutgehenden den, wodurch die ersten Lebenstage und Geschäft geriet der Vater Hermann 1855 in -wochen von HFM gekennzeichnet waren. Schwierigkeiten, weil eine „allgemeine Wirt- Ob die Entzündungen am Nabel und am schaftskrise“ eingetreten war; das Geld wur- Auge zu Besorgnis Anlass gaben, bleibt wie- de knapp, Kredite wurden gekündigt.21 Das derum offen. Das Wenige, was man erfährt, Jahr der Geburt von HFM war also nicht so besitzt dennoch einen hohen Zeugniswert, unbeschwert, wie das Tagebuch der Mutter nicht nur für die Mutter und den Neuge- vermuten lässt. Darin heißt es, von der Krise borenen, sondern in diesem Fall für den scheinbar unberührt: „Am 30 July sollte Biographen und die späteren Leser. In sehr Hermanns Taufe sein, doch Tante Marian- vielen Lebensgeschichten bleibt von dem nes Krankheit und ihr Tod am 30 July ver- Elementarereignis der Geburt nicht mehr hinderte es.22 Er ward am 30 Septbr. getauft; erhalten als das Datum; im Blick auf HFM, durch Pastor John, seine Gevatter, Papa, Dr. der zur Beschreibung seines Lebens selbst Mutzenbecher,23 A. Wagner, Emilie Meyer; nichts hinterlassen hat, gewinnt man von deren Stelle ich vertrat. Es war ein sehr schö- seiner Geburt und der allerersten Lebenszeit ner Herbsttag.“ aufgrund einer eher zufälligen Quellenlage ··································································· eine anschauliche Vorstellung. Immer wieder begegnet man vielen Namen, ··································································· deren Träger zu ermitteln zu weit führen Im Jahre 1855 gab es nicht nur einzelne würde. Entscheidend ist es, was die Namen schöne Tage, sondern insgesamt einen sehr signalisieren: Die Mutzenbechers sind, wie schönen Sommer. Ergänzend dazu wird in wohl mehr oder weniger alle Familien der einer anderen Quelle vermerkt, dass der Va- „besseren Hamburger Gesellschaft“, fest ter Hermann Mutzenbecher „ein gutgehen- eingebunden in ein dichtes Netz aus nahen des Übersee-Geschäft“ hatte, außerdem „ein und fernerstehenden Verwandten; dieses Haus mit Speicher in der Reichenstraße so- Netz ist oftmals der zentrale Kosmos, in wie ein Landhaus in Eppendorf“.19 Wenn dem die Beteiligten leben. Verwandtschaft- Emma Mutzenbecher den „Umzug“ ins Ep- liche Bande und Beziehungen bestimmen pendorfer Haus erwähnt, so ist damit die keineswegs ein vom Beruflichen oder Ge- alljährliche Verlagerung des Wohnschwer- schäftlichen abgespaltenes „intimes“ Leben. punktes vom Zentrum Hamburgs (Rei- Vielmehr durchdringen sich Berufs- und chenstraße) an die Peripherie des damaligen Familienleben, indem die Familien in re- Hamburg (hier: Eppendorf) gemeint. „Für lativ geschlossenen Zirkeln untereinander

| 10 | Aus dem Tagebuch der Emma Mutzenbecher, Notizen zur Geburt von HFM, Staatsarchiv Hamburg

| 11 | heiraten, sich gegenseitig regelmäßig zu ren.“ – 1860: „7ten Juni Hermanns 5ter Ge- Treffen oder Festen einladen, und indem burtstag. Es war kalt u. regnicht, Werner u. gern Verwandte herangezogen werden, da- Toni von Melle waren bei uns.“ Die Kinder mit sie in den Firmen verantwortungsvolle, „waren sehr wohl. Mitte Sommer bekamen leitende Funktionen übernehmen. sie Unterricht in HeilGymnastik von Fr. ··································································· Gramkow. […] Am 4ten October geht Her- Im Folgenden werden Zitate aus den Auf- mann zuerst in die Schule bei M. Prell holl zeichnungen Emma Mutzenbechers, soweit Brook,26 wo er sehr gerne war.“ Im Novem- sie die ersten zehn Lebensjahre von HFM ber sind Emilie, Hermann und Gertrud betreffen, ohne zusätzliche Kommentare ne- „alle abwechselnd erkältet; u. mussten sie bis beneinander gerückt.24 Vorweg sei lediglich Neujahr das Haus hüten. Den 13t. Dec. Fa- angemerkt, dass HFM Emmas zweites Kind miliengesellschaft bei uns […] Den 12ten war; vor ihm wurde die Schwester Emilie hatten wir schon Weihnacht bei meinen El- und nach ihm die Schwester Gertrud gebo- tern gehabt, unser kl. Hermann blieb wegen ren;25 der Bruder Franz kam als „Nach- Erkältung mit Minna zu Hause.“ – 1861: kömmling“ erst 1869 zur Welt. Außerdem „Bei gutem Wetter durften die Kinder hin- muss man wissen, dass Kinderbetreuerinnen aus; u. Ende Februar trat solches Frühlings- „Kleinmädchen“ genannt wurden. Emma wetter bei 12 Grad Wärme ein daß sie fast Mutzenbecher schreibt: „Ich nährte Her- den ganzen Tag im Garten waren. […] Der mann bis Ende Jan [1855]; Ende December kleine Hermann durfte wieder zur Schule bekam er den ersten Zahn, zugleich einen nachdem er 3 Monate wegen des Keuch- Ausschlag im Gesicht u. auch am Arm, der hustens gefehlt hatte. […] Hermann hatte bis zum Frühjahr währte. […] Im April den ganzen Sommer in Eppendorf gymnas- [1856] zogen wir nach Eppendorf. […] Es tische Stunden. […] Am 17ten October zie- war ein sehr schlechter Sommer immer reg- hen wir zur Stadt Ferdinandstraße 10.27 […] nicht und kalt. Die Kinder waren alle ge- Hermann bleibt von 9–3 in der Schule“; sund. Hermann ward geimpft, lernte Mitte dazu hat er abends noch „Schreibstunde“. – Sommer gehen. Im October zogen wir zur 1862: „D. 9ten [Januar] kommt unser neues Stadt. […] Am 10ten December, als wir Kleinmädchen Johanna. […] Den 11 April Abends einige Freunde bei uns hatten, be- zogen wir nach Eppendorf wo wir den an- kam Hermann einen Krampfanfall beim deren Morgen Schneewetter hatten. Ende Durchbruch der Zähne. Dr. Schmidt war April bis Anfang Juni sehr warmes Wetter. bei uns u. leistete uns die erste Hülfe.“ Den 14ten Mai neues Kleinmädchen.“ – ··································································· 1863: „Der kl Hermann fährt zuerst allein im 1 Zum Jahr 1859: „Wir hatten einen besonders Dampfboot, Mittags um ⁄4 vor 4 Uhr. […] milden schönen Winter, im Februar schon Den 30sten October ziehen wir zur Stadt. Frühlingstage. Die Kinder waren sehr viel Die Kinder bleiben gottlob sehr gesund. draußen. […] Die Kinder waren [im Sep- Hermann erste Clavierstunde bei F. Wag- tember] etwas unwohl gewesen, blieben ner.“ – 1864: „Wir melden Hermann bei 3 aber den Herbst u. den ganzen Winter sehr [dem Lehrer] Doctor Bülau an;28 er ist 8 ⁄4 wohl. Viele Masern u. Blattern in Ham- Jahre alt; Palmsonntag examinirt Dr. Bülau burg. […] Hermann fängt an zu buchstabie- ihn […]. Der kl Hermann erkältet sich hef-

| 12 | tig den Unterleib gebraucht dafür Abrei- derum war eine Schwester Emil von Melles bung, Sitzbad; Nachts eine naße Leibbinde. (1822–1891), des Vaters einmal von Antonie, Hermann Violinstunde von Weihnacht an.“ die Toni genannt wurde (geb. 3. Januar 1851), – 1865: „[…] Himmelfahrtstag, Hermann zum anderen des für die spätere Univer- wird etwas roth; Freitag ist es schlimmer; sitätsgründung entscheidenden Initiators Emilie Meyer fährt Morgens zur Stadt; wäh- Werner von Melle (1853–1937). Über letzte- rend dem zeigen sich bei Hermann die Ma- ren braucht hier nichts Näheres gesagt zu sern; […] Hermann hat die Masern tüchtig werden, da seine Verdienste andernorts aus- stark; den 9ten Tag darf er aufstehen. […] führlich gewürdigt worden sind.30 Hermann Violinstunde von Hr Risch.“ ··································································· ··································································· Es ist also festzuhalten, dass HFM ein na- Was hier an Zitaten zum Leben von HFM her Verwandter Werner von Melles war. In zusammenmontiert ist, bezeichnet in weit- seinen „Jugenderinnerungen“ weiß Melle, gehender Vollständigkeit das, was die Mut- was naheliegend ist, nichts von dem vierten ter zu den ersten zehn Lebensjahren ihres Geburtstag des knapp zwei Jahre jüngeren Sohnes aufgeschrieben hat. Auf die Gesamt- HFM, wohl aber berichtet er ausführlich menge der Notizen bezogen, die vor allem von der Schulfreundschaft, die ihn mit dem immer wieder der Registrierung von Besu- nur zwei Tage älteren Walther Mutzenbe- chen und Besuchernamen sowie der Be- cher verband, einem Sohn des eben erwähn- schreibung des Wetters dienen, sind die Er- ten Arztes Franz Matthias Mutzenbecher.31 klärungen zum Heranwachsen der Kinder, Wahrscheinlich gibt es keine schriftlichen im Besonderen HFMs, eher spärlich. Durch Zeugnisse, die Aufschlüsse liefern könnten die Montage erhält man jedoch ein sozusa- über die Motive, die HFM später veranlass- gen authentisches Bild von der frühen Le- ten, sich als Donator für die Hamburgische benszeit des Knaben, soweit sie in der Über- Wissenschaftliche Stiftung einzusetzen. Die lieferung heute noch greifbar ist. direkte Verwandtschaft mit Werner von ··································································· Melle lässt aber den Schluss zu, dass hier Da die Lebensgeschichte von Hermann eine „unmittelbare“ Verbindung gegeben Franz Matthias Mutzenbecher, wie eingangs war, die wahrscheinlich eine Überzeugungs- erläutert, nicht allein um ihrer selbst willen, arbeit vonseiten Melles nicht erforderlich sondern vor allem auch in ihrer Bedeutung machte.32 für die Gründung der Universität Hamburg ··································································· rekonstruiert wird, muss auf die Erwähnung Zurück zum Tagebuch der Emma Mutzen- der Namen Werner und Toni von Melle be- becher. Neben den häufigen Verweisen auf sonders hingewiesen werden; etwas weiter das Wetter und auf wechselnde Gäste, das unten erwähnt Emma Mutzenbecher zu- wird überaus deutlich, gilt der Gesundheit sätzlich „M. von Melle“. Zur Familie von der Familie die besondere Aufmerksamkeit. Melle bestanden engste verwandtschaftliche Emma verzeichnet jedoch nicht nur die Beziehungen: Der Arzt Dr. Franz Matthias Krankheiten ihrer Kinder, sondern äußert Mutzenbecher, ein Bruder des Vaters von sich immer wieder auch über ihr eigenes HFM,29 war verheiratet mit Adele Theo- Wohlbefinden. Dies ist in zweierlei Hin- dora, geb. von Melle (1826–1895). Diese wie- sicht bemerkenswert. Zum einen erfährt

| 13 | man nur im Hinblick auf die körperliche Frömmcke 14 Tage bei mir). Dr. Mutzenb. Verfassung überhaupt etwas „Persönliches“ reiste die Woche darauf fort. Ich war die er- über die Tagebuchschreiberin; es schickt sten 5 Wochen recht wohl darauf bekam ich sich ansonsten nicht, so scheint es, eigene einen Rückfall der mich wieder ans Bett u. Befindlichkeiten zur Sprache zu bringen. lange oben [im Haus] fesselte. Die Kinder Zum anderen ist vorstellbar, dass das häufige waren sehr wohl. […] In meiner langen Kranksein der Mutter – darum geht es – Krankheit besuchte mich M. von Melle fast Auswirkungen auf das Leben des kleinen täglich.“34 Hermann gehabt hat, auch wenn er ständig ··································································· von „Kleinmädchen“ umsorgt war. Die Pro- Auch Weihnachten 1862 ist Emma „nicht bleme, mit denen die Mutter zu tun hatte, ganz wohl“ und muss jeden Besuch absagen. sollen – wiederum ohne Kommentar – Mit alldem erweist es sich, dass HFM im durch einige Zitate gekennzeichnet werden, ganzen ohne ernste Gefährdungen in einem weil sie zweifellos etwas Zeittypisches offen- behüteten Elternhaus aufwuchs, dass seine baren und weil sie für die Kindheit des Soh- Kindheit durch das häufige Unwohlsein der nes nicht gleichgültig gewesen sein kön- Mutter aber nicht völlig unbeschwert war. nen.33 Darüber hinaus kam es im Jahr 1865 zu wei- ··································································· teren erheblichen Schwierigkeiten. Emma In den Notizen zum Jahr 1858 heißt es: „An- berichtet im Tagebuch: „Die Kinder sind fang August fing meine schlimme Krankheit wohl, bis zum 21ten März, wo Emilie sich an; ich mußte viel liegen. […] Tags darauf erkältet, das Haus hüten muß u. nun 5 [d. h. am 24. August] legte ich mich u. Monate die Schule versäumt. Sie nimmt mußte 14 Tage das Bett hüten; kam abwech- Chinientropfen, gegen ihren regelmäßig selnd nachher noch hinunter [in die Gesell- Abends kommenden Husten. Hermann u. schaftsräume im Erdgeschoss des Hauses], ich sind voll Angst u. Sorge um sie; u. noch bis ich am 28 October ganz zu Bett bleiben viel schwere Sorge haben wir um [das] Ge- mußte. […] Ich hatte sehr traurige Wochen schäft. Den 4ten März haben wir den letz- im Bett, durfte die Kinder auch nur wenig ten vergnügten Ball bei Westphals mit sehen.“ Am 25. November stirbt die Schwie- Alida.35 Tags darauf noch eine Gesellschaft germutter. „Es waren schreckliche Tage. Am bei meinen Eltern. Am 6ten März trifft wie- Sonntag Morgen d. 28sten ward ich von ei- der ein schwerer Verlust das Geschäft; es nem todten Mädchen entbunden (Fr. West- thürmen sich die Sorgen immer schwerer ring). Am Donnerstag darauf war Mutters […]; es zieht sich alles schwerer u. schwieri- Beerdigung. […] Ich mußte mich sehr ru- ger um uns zusammen bis am 27 März der hig halten, durfte fast Niemanden sehen.“ – entsetzliche Tag der Stockung eintritt. […] Zwei Jahre später: „ Freitag nach Pfingsten, Von nun an unendlich kummervolle Tage den „1 Juni fuhr ich zum letzten Mal zur und Nächte. Viele Besuche, ich ging wo- Stadt; wenige Tage darauf ward ich unwohl chenlang nicht aus dem Hause.“36 u. verließ Eppendorf erst am 7ten October ··································································· wieder. […] Ich war sehr oft unwohl; u. Der Begriff „Stockung“ bezeichnet die Zah- trübe gestimmt. Den 6ten July hatte ich lungsunfähigkeit der Firma H. Mutzenbe- ein fausse-couche [eine Fehlgeburt]. (Fr. cher & Co.37 In den Aufzeichnungen zum

| 14 | Jahre 1867 erklärt Emma – erneut in der für tung zum Examen 8 März Mittags 5 Uhr sie charakteristischen Verknüpfung dispara- hatte er das Examen bestanden (Grad gut).“ ter Einzelheiten –, wie sich die Erwerbs- Danach wird HFM Lehrling in der Ham- situation ihres Mannes weiterentwickelte: burger Export- und Importfirma Ad. Tes- „Wir hatten den ganzen Sommer fast ohne dorpf & Co. des Senators Tesdorpf.38 Ausnahme regnichtes kaltes Wetter. Ich war ··································································· sehr oft unwohl; u. sehr melancholisch ge- Von den verstreuten Hinweisen abgesehen, stimmt. Hermann faßt den Entschluß das die Emma Mutzenbecher zur Schulerzie- Zigarrengeschäft aufzugeben u. Assecura- hung und zum Schulabschluss ihres Sohnes deur zu werden. Mit großer Mühe u. An- macht, weiß man nichts über diesen wich- strengung beginnt er im Septbr. die Actien- tigen Lebensabschnitt von HFM. Über- samml. u. ist Mitte Jan. glücklich damit zu haupt gilt für das gesamte Leben dieses Stande.“ An dieser Stelle erfährt man, dass Mannes, dass die für ihn selbst charakteris- in der Firma H. Mutzenbecher & Co. mit tische Sichtweise auf das, was ihm begeg- Zigarren gehandelt wurde. Außerdem er- nete, weitgehend im Dunkeln bleibt. Was fährt man von einer Wende, die für das HFM während seiner Kindheit und Schul- Leben von HFM von grundlegender Be- zeit oder während seines späteren Lebens deutung war: Der Vater wurde Assecura- selber dachte, erlebte, erfuhr oder erinnerte, deur, d. h. Versicherungskaufmann. ist kaum jemals zu ermitteln. Insofern kann ··································································· die Beschreibung seines Lebens nicht mehr Für die Zeit zwischen 1865 und 1875, im- als ein „Außen-Bild“ liefern, als Nachzeich- merhin zehn lange, zweifellos entscheidende nung dessen, was Nahestehende oder Dritte Jahre, können dem Tagebuch der Emma über ihn berichten. Diese Berichte lassen zu- Mutzenbecher zum Leben des heranwach- weilen Rückschlüsse auf das Verhalten, das senden HFM insgesamt nur wenige Einzel- Selbstverständnis und die innere Befindlich- heiten entnommen werden. Zu seiner Aus- keit von HFM zu, jedoch nur ausnahms- bildung vermerkt die Mutter 1867: „Her- weise und höchst fragmentarisch. mann fängt im Herbst griechisch u latein ··································································· bei Hr Wedde an. Abends 3mal die Woche So ist auch nichts darüber bekannt, welche draußen, später zum Sommer den Unter- Erfahrungen der Heranwachsende während richt in der Stadt.“ – Im Winter 1870/71 ha- seiner Lehrzeit gemacht hat. Was die Berufs- ben Hermann und seine ältere Schwester und Geschäftswelt der Männer anging, so Emilie Konfirmandenunterricht bei einem blieb diese Sphäre der Wahrnehmung der Pastor Röße von der Kirche St. Jacobi; zum Frau zwar sicherlich nicht ganz entzogen, Unterricht gehört es, dass die Konfirman- wohl aber gehörte sie offensichtlich nicht in den einmal in der Woche einen Aufsatz ihr „Ressort“, wurde jedenfalls nicht Ge- schreiben müssen. Am 30. März 1871 werden genstand ihres Schreibens. Die Sphären wa- die beiden vom selben Pastor konfirmiert. ren getrennt, die Rollenverteilung war ein- Was die schulische Ausbildung angeht, so deutig. Höchstens im Katastrophenfall, kommt HFM in die Selecta (eine Klasse von wenn das Geschäftliche ins Familiäre be- Auswahlschülern) bei Dr. Bülau. Zum Jahr drohlich hineinwirkte, geriet es der Frau 1872 heißt es weiter: „Hermann Vorberei- deutlich in den Blick.

| 15 | ··································································· einer solchen Gelegenheit trat ihr Sohn als In den Bereich, für den die Frau „zuständig“ Mohrenkönig auf. war, gehörten immer wieder die Initiativen ··································································· im Rahmen des gesellschaftlichen Lebens, Im Lebenslauf von HFM, wie ihn der kom- an erster Stelle die Unternehmungen inner- mentierte „Stammbaum“ wiedergibt, er- halb der Familie, dann diejenigen im Kreis scheint zum Jahr 1875 die lapidare Feststel- von Verwandten, Freunden und Bekannten, lung: „Einjähriger i. Feldart. Reg. 60, schließlich auch die Aktivitäten in bestimm- Schwerin“. Ein paar Zeilen weiter folgt er- ten Vereinigungen. Im Dezember 1868 no- gänzend: „1880 Sec. Lt. i. Feldart. Reg. 9, It- tiert die Mutter: „Alida u Herm. traten in zehoe“.40 (Kaum ausführlicher und auf das den Bieberclubb.“ Etwa ein halbes Jahr spä- Jahr 1881 bezogen registriert das „Geschlech- ter heißt es: „Den 16 Mai Pfingstsonntag, terbuch“ denselben Tatbestand: „Second- Hermann macht eine Tour mit dem Bieber- Leutnant d. Res. Feldartill.-Rgts Nr. 9 zu It- clubb von Sonnabend bis Dienstag Abend.“ zehoe“.41) Zur ersten Militärzeit ihres Sohns – 1871: „Im October große Aufführung im macht Emma Mutzenbecher immerhin ei- Bieber Clubb mit Dr. Bieber, Hermann nige Bemerkungen: „Den 28 Septbr. [1875] Mohrenkönig.“ Über den Bieber-Klub ist geht unser Hermann nach Schwerin. Papa Näheres durch den späteren Hamburger u. Gertrud begleiten ihn nach Lübeck.“ Bürgermeister Carl August Schröder zu er- Weihnachten, dann auch Pfingsten 1876 hat fahren, der wie HFM dem Geburtsjahrgang HFM einige Tage Urlaub. Kurz danach wird 1855 angehört: „Ein junger Philologe, Dr. zu diesem Lebensabschnitt nur noch erklärt, Theodor August Bieber, der […] einen dass der Sohn an einer dreiwöchigen Schieß- Singklub gegründet hatte, den er Euthymia übung in der Nähe von Itzehoe teilnahm; nannte, hatte nach Rückkehr von der Uni- zum Schluss heißt es: „Am 14 Aug. bis 21. versität im Jahre 1865 diesen Klub als Euthy- Rückmarsch nach Schwerin.“ Abgesehen von mia rediviva wieder ins Leben gerufen […]. einem allerletzten Satz zur Hochzeit einer Wir waren damals [1867] im ganzen wohl Verwandten oder Freundin endet mit dieser 30–40 Klubmitglieder, etwa 12–15 Herren Eintragung das Tagebuch der Emma Mut- und ca. 20 Knaben.“ Zu den Herren zählte zenbecher auf abrupte Weise. Im Unterschied HFMs Vater Hermann,39 zu den Knaben zu einem zweiten Tagebuch, von dem noch seit 1868 dieser selbst. Wie Emma Mutzen- ausführlich die Rede sein wird, ist nicht zu er- becher für das Jahr 1871 andeutet, kam es bei kennen, warum die Notizen an dieser Stelle Dr. Bieber auch zu Aufführungen, und bei plötzlich nicht mehr weitergeführt werden.

| 16 | ·············································································································································· 17 Staatsarchiv Hamburg, Bestand 622-1⁄408 Familie Mutzenbecher. Ablieferung 1998. Standort M1, 109A, 01, 01. Verzeichnis lfd. Nr. 108. Alle Zitate aus handschriftlichen Originalen erscheinen ohne Verbesserung der Orthografie. 18 Grundsätzlich wäre zu erwägen, ob Emma Mutzenbecher im „eigentlichen“ Sinn Tagebuch geführt oder ob sie in größeren Zeitabständen retrospektiv ihre vielleicht auf Zetteln gesammelten Notizen ins „Tage“-Buch über- tragen hat. 19 Aufzeichnungen von Franz Mutzenbecher, HFMs Bruder, zitiert nach Mutzenbecher, Versicherer, S. 11. 20 Tagebuch Emma Mutzenbecher, S. 4. Nachfolgend werden die Zitate, die dieser Quelle entnommen sind, nicht mehr einzeln durch Seitenangaben nachgewiesen. 21 Wie Anm. 19. 22 Dem „Stammbaum“ zufolge (Bd. 1, S. 161; siehe auch Deutsches Geschlechterbuch 19, S. 276) starb Maria (Marianne) Catharina Mutzenbecher (geb. 1783, eine Schwester des Großvaters Franz Matthias Mutzenbecher) nicht am 30., sondern am 22. Juli 1855. 23 Gemeint ist ohne Zweifel der praktische Arzt Dr. med. Franz Matthias Mutzenbecher (1817‒1891), ein Bru- der des Vaters von HFM. 24 Hinweise, die nicht in Anführungszeichen erscheinen, sowie Hinweise in eckigen Klammern stammen vom Verfasser. 25 Bertha Emilie Mutzenbecher lebte von 1854 bis 1934, Laura Gertrud von 1857 bis 1909. 26 Marianne Prell gründete 1832 eine Elementarschule für Knaben im Hause ihrer Eltern, Holländische Reihe Nr. 19. 1859 wurde die Schule verlegt „nach dem Holländischen Brook 26“. (Bertheau, Chronologie, S. 172). 27 Zum Jahr 1858 heißt es im Tagebuch: „Mitte July verkaufte [Vater] Hermann das Stadthaus.“ In den frühen Lebensjahren von HFM waren die Eltern offensichtlich immer wieder damit beschäftigt, ihre Wohnsituation zu ändern und zu verbessern. 28 Vgl. Bertheau, Chronologie, S. 171: „1830‒79. Dr. Bülau leitet eine der angesehensten Knabenschulen.“ 29 Siehe Anm. 23. 30 Siehe etwa Gerhardt, Begründer, vor allem S. 86 (ebd. mit weiterführender Literatur). 31 Melle, Jugenderinnerungen, S. 76 f, 80 ff. 32 HFM gehörte dem Verein für Hamburgische Geschichte an und zählte zu den 14 Donatoren und Mitglie- dern des ersten Stiftungskuratoriums der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung. Gerhardt, Begründer, S. 15. Vgl. ebd. S. 24, wo es heißt, Melle hätte um 1905 „die undankbare Aufgabe“ übernommen, „,wie der Agent einer Versicherungsgesellschaft‘ umherzulaufen“, um Geldbeträge für die zu errichtende Stiftung einzuwerben. 33 Vgl. Melle, Jungenderinnerungen, S. 72: „Meine Kindheit wäre eine besonders glückliche gewesen, wenn nicht die […] häufig wiederkehrende Nervenkrankheit meiner Mutter jedesmal einen ernsten Schatten auf unser Haus geworfen hätte.“ 34 Bei M. von Melle handelt es sich mit großer Sicherheit um Maria Elisabeth von Melle, geb. Geffcken (1827‒ 1912), also um die Mutter von Antonie und Werner von Melle. 35 Alida (1848‒1874) ist eine Tochter aus der ersten Ehe Hermann Mutzenbechers. Zur Familie Westphal vgl. Gerhardt, Begründer, S. 91. Ebd. weiterführende Literaturangaben. 36 Die zuletzt zitierten Sätze sind auch wiedergegeben in Stammbaum 1, S. 234. 37 Mutzenbecher, Versicherer, S. 12. 38 Stammbaum 2, S. 43. Gerhardt, Begründer, S. 53. 39 Schröder, Blütezeit, S. 13. 40 Stammbaum 2, S. 43. 41 Deutsches Geschlechterbuch 19, S. 286. ··············································································································································

| 17 | [4]

Erste Berufsjahre, Heirat

Durch das Tagebuch seiner Mutter gewin- 1872 wieder hohe Verluste eintraten, sank nen die ersten zwanzig Lebensjahre von der Kurs der im Winter 1867/68 gesammel- HFM immerhin eine gewisse Kontur. Über ten Aktien so tief, dass von den Aktionären die nächsten zehn Lebensjahre von ihm lässt am 21. März 1873 die Liquidation beschlos- sich dagegen nur wenig sagen. Dem „Stamm- sen wurde. „Gleichzeitig wurde aber vom baum“ ist zu entnehmen, dass HFM von Directorium der liquidirenden Gesellschaft 1877 bis 1880 Angestellter in seiner Lehr- eine Fortsetzung durch Neugründung unter firma „Ad. Tesdorpf & Co., London“ war.42 der Firma Versicherungs-Gesellschaft von 1873 Diese Firma hatte ihren Sitz nicht nur in in Aussicht genommen. Am 11. Juni 1873 Hamburg, sondern auch in London; dem- waren 150 Actien à M 7500 mit einem Ein- nach wird HFM sich für mehrere Jahre in schuß [d. h. einer Anzahlung] von 20 % un- London aufgehalten haben, vielleicht ab- tergebracht. Die Geschäfte hatten bei der wechselnd in Hamburg und London. Mit neuen Gesellschaft im Anfang mehr Er- dem Ende seiner Beschäftigung in der Firma folg.“44 Was die schwierigen Jahre zwischen Ad. Tesdorpf & Co., also 1880, trat er in die 1865 und 1873 angeht, so ist es nicht verwun- Versicherungs-Gesellschaft von 1873 ein. An derlich, wenn der 1869 geborene Sohn Franz dieser Stelle muss zurückgeblendet werden in einem späteren Lebensrückblick erklärt, zur Kaufmannstätigkeit seines Vaters Her- wie sich der Vater mit seiner Familie in die- mann. Dessen 1865 in finanzielle Schwierig- ser Zeit „durchgeschlagen“ habe, wisse er keiten geratene Handelsfirma musste drei nicht.45 Jahre später liquidiert werden. 1867 hatte ··································································· Hermann sich aber dem Versicherungsge- Das Versicherungsgeschäft blieb für Her- schäft zugewendet, und ein Jahr später war mann mühsam: „Nach einigen günstigen er „Gründer und Bevollmächtigter der ,Ver- Jahren folgten allerdings wieder schlechte, sicherungsgesellschaft v. 1868‘“ geworden.43 Mutzenbecher verstand es aber, sich zu be- ··································································· haupten, und so wurde nach zehnjährigem Die Geschäfte in dieser zuerst gegründeten Bestehen, im Jahre 1883, die Gesellschaft Versicherungsgesellschaft entwickelten sich prolongirt.“ Im Jahre 1880 war, wie gesagt, anfangs ungünstig, „denn bei respectablen HFM in die Firma seines Vaters eingetreten. Versicherungssummen blieb der Gewinn Zur weiteren Geschäftsentwicklung sei da- aus“. Auch in den Folgejahren konnten her Zusätzliches zitiert: „Trotz vielfacher keine Gewinne erzielt werden; als im Jahre Deckung durch Reassecuranz hatte die Ver-

| 18 | sicherungs-Gesellschaft häufig umfangrei- ber 1861 bis 7. September 1948). Deren Va- che Totalverlüste, die in manchem Jahre den ter, der in Hamburg 1825 geborene Kauf- Gewinn erheblich schmälerten, wenn nicht mann Peter Siemsen, war mit Susanne He- ganz aufhoben. Vom Jahre 1890 an wurde lene Amsinck (1834–1911) verheiratet. Die auf Grundlage neuer Statuten die Gesell- Amsincks zählten zu den „ersten“ Familien schaft in eine dauernde umgewandelt […]. Hamburgs, so dass sich einmal mehr er- Gleichzeitig ging die Gesellschaft eine Ver- weist, wie eng die Mutzenbechers in das einbarung mit der ,Royal Exchange Assecu- Netz der führenden Familien eingebunden rance Corporation‘ von 1720 dahin ein, daß waren. diese die Hälfte der Actien übernahm. […] ··································································· Durch die Verbindung mit der ,Royal Ex- Ein für das Hochzeitspaar, vor allem aber change‘ entwickelte sich die Gesellschaft in für spätere Nachfahren besonders wertvolles erfreulichem Umfang. […] Am Schlusse des Geschenk bildete ein üppig ausgestattetes, Jahrhunderts befand die Gesellschaft sich in dickes, in braunes Leder gebundenes Buch gesicherter Lage bei dauernd wachsenden mit leeren Seiten, das ohne Zweifel von Reserven.“46 vornherein dazu bestimmt war, in tagebuch- ··································································· artiger Form das Leben der Neuvermählten Mit dem letzten Satz wird dem, was HFM zu dokumentieren.49 Es wäre lohnend zu seit 1880 widerfuhr, weit vorgegriffen. Wel- prüfen, wieweit es im gehobenen Hambur- che Initiativen er in den ersten Jahren im ger Bürgertum eine Tradition des Tagebuch- Geschäft seines Vaters entwickelte, wie die schreibens gab; in der Familie Mutzenbe- Zusammenarbeit zwischen beiden sich ge- cher jedenfalls war diese Tradition durch die staltete, was im Einzelnen unternommen Schreibtätigkeit der Mutter von HFM ein- wurde: Das alles muss offen bleiben. Immer- geführt und verankert. Die Ausstattung des hin vermerkt das „Geschlechterbuch“ für Tagebuchs, dessen Eintragungen über die das Jahr 1881: „Selbständiger Agent für ver- ersten Jahre hin offensichtlich noch nicht schiedene Versicherungsgesellschaften, be- von Anna, sondern von HFM selbst vorge- gründete 1881 die Firma ,H. F.M. Mutzen- nommen worden sind, sorgt für symboli- becher‘, in die 1894 auch sein Bruder Franz sche Überhöhung und eine gewisse patheti- eintrat“.47 Die Tätigkeit als Versicherungs- sche Würde: Der Ledereinband zeigt in auf- agent dürfte eine wesentliche Voraussetzung wendiger Reliefprägung ein rundbogiges, dafür gewesen sein, dass es HFM im Lauf von Säulen flankiertes, mit reichen Orna- der Jahre gelang, „durch seine weit verzweig- menten umgebenes Portal, in der eine be- ten Assecuranz-Verbindungen nach auswärts“ helmte Artemis mit Speer und Schild steht. für eine beachtliche Expansion seiner Ge- Die Göttin Artemis, lateinisch Diana, galt schäfte zu sorgen.48 nicht nur als Herrin der Natur und Helfe- ··································································· rin der wilden Tiere, sondern auch als Be- In der Mitte der achtziger Jahre findet sich schützerin des Nachwuchses der Menschen, dann ein einschneidendes lebensgeschicht- weshalb sie als „Geburtsgöttin“ angesehen liches Datum: Am 22. April 1885 heirateten wurde. In diesem Sinn wird ihre Bedeutung Hermann Franz Matthias Mutzenbecher für das Tagebuch zu verstehen sein. Dass und Anna Margaretha Siemsen (25. Septem- Artemis eine direkte Schutzgöttin für das

| 19 | Aktienschein der Versicherungs-Gesellschaft von 1873 aus dem Jahre 1890

| 20 | Hermann Franz Matthias und Anna Mutzenbecher als Brautpaar, 1885

| 21 | ··································································· Dem eindrucksvollen Äußeren des Tage- buchs entspricht auch sein Inhalt: Über viele hundert Seiten hin – seit Juli 1929 fort- geführt in einem schmaleren, unscheinba- ren Buch – hat Anna Mutzenbecher mit staunenswerter Beharrlichkeit und Gewis- senhaftigkeit Jahr für Jahr alle ihr wichtig er- scheinenden Einzelheiten festgehalten, so dass ein in seiner Art „vollständiges“ Lebens- protokoll für die Zeit von 1885 bis 1932 ent- standen ist. Bis zum Jahr 1899 sind in die- sem „großen“ Tagebuch die Seiten nur rechts, seit 1900 dann beidseitig beschrieben. ··································································· Der Schluss des Tagebuchs im Folgeband, das sei hier vorweggenommen, ist von be- sonderer Art. Anders nämlich als bei ihrer Schwiegermutter Emma, deren Tagebuch an zufälliger Stelle abbricht, endet das Tage- buch Annas prononciert mit dem Tod des Ehemannes. Indem der Mann starb, ver- schwand für Anna der entscheidende Le- Bilanz-Buch der H. F.M. Mutzenbecher G.m.b.H. bensmittelpunkt und Adressat; im Jahr 1932 war sie überdies 71 Jahre alt, die Kinder junge Ehepaar sein sollte, bezeugt der Schild, waren längst erwachsen und lebten in ihren auf den sie sich stützt: In der Form eines eigenen Familien. Damit hat sich Annas Wappens gebildet, trägt er die verschlunge- Tagebuch zur lückenlosen „Chronik einer nen Initialen H (Hermann), A (Anna) und Ehe“ entwickelt, für einen Zeitraum von 48 M (Mutzenbecher); darunter ist die Jahres- Jahren. zahl 1885 eingeprägt.

·············································································································································· 42 Stammbaum 2, S. 43. 43 Stammbaum 1, S. 232 f. Zum „Directorium“ der Versicherungs-Gesellschaft von 1868 gehörte auch die Firma A. Tesdorpf & Co. (Plaß/Ehlers, Geschichte, S. 749). 44 Ebd., S. 466 f. 45 Mutzenbecher, Versicherer, S. 12. 46 Plaß/Ehlers, Geschichte, S. 467 f. 47 Deutsches Geschlechterbuch 19, S. 286. Vgl. Gerhardt, Begründer, S. 53. 48 Plaß/Ehlers, Geschichte, S. 496. 49 Im Privatbesitz. Alle nachfolgend wiedergegebenen Zitate lassen sich mit den Datumsangaben im Original, das nicht paginiert ist, leicht auffinden. ··············································································································································

| 22 | [5]

Aus dem „großen“ Tagebuch

Die ersten Eintragungen – wie gesagt von gewisse gleichbleibende Schreibgepflogen- HFM geschrieben – gelten in bewusster In- heiten zugrunde, Konventionen, die eher szenierung dem Tag der Heirat. In der ersten selten zugunsten spontanerer, „persönli- Zeile erscheint ein Wort aus der Bibel: cher“ Notizen durchbrochen werden. Das „Friede sei mit Euch.“ Zur Erklärung folgt Protokoll dient in erster Linie der kontinu- in den Zeilen 2 und 3: „Hochzeitsspruch am ierlichen Registrierung „äußerer“ Vorgänge, Mittwoch, 22 April 1885. Hauptpastor Dr. sei es der Nennung von Verwandten, Be- Kreußler.50 St. Petri Kirche.“ Danach wer- kannten und Freunden anlässlich häufiger den die Brautjungfern aufgezählt: Ida und Besuche und Familientreffen – sog. Famili- Magdalene Siemsen, Laetitia Amsinck, Em- entage –, sei es dem Vermerk von Aufent- my Ruperti, Charlotte de Chapeaurouge – haltsorten. Drittens – und damit zusam- wiederum lauter Mitglieder der „ersten“ menhängend – wird das Leben von HFM Hamburger Familien. Weiter ist festgehal- immer wieder nur in seiner „Außenkontur“ ten: „Wir feierten eine sehr fröhliche Hoch- sichtbar, z. B. als Verweis auf die zahlreichen zeit im Siemsenschen Hause; mit zahlrei- Geschäftsreisen, die er unternimmt, oder cher Familie u. vielen Freunden u. Freun- auch als Verweis auf Freizeit- und Urlaubs- dinnen.“ Die Hochzeitsreise führte per aktivitäten. Das Tagebuch hat in dieser Bahn am 23. April zunächst nach Köln, Hinsicht über weite Passagen fast den Cha- dann am Folgetag nach Paris, womit sich rakter eines Anschreib-Buchs, in dem stich- eine „besonders freundliche Erinnerung“ wortartig bestimmte „Rahmendaten“ fest- verband. Weiter ging es nach London und gehalten werden. auf die Isle of Wight. Die Rückkehr nach ··································································· Hamburg erfolgte am 17. Mai abends: An- Davon abgesehen enthält aber das Tage- kunft „Lohmühlenstr. 54. Alles festlich er- buch der Anna Mutzenbecher eine Vielzahl leuchtet.“ aufschlussreicher Einzelheiten, von denen ··································································· dem chronologischen Schema des Tage- Im Folgenden können nur noch einzelne buchs folgend zumindest einzelne in wech- Auszüge und Zusammenfassungen aus dem selnder Reihenfolge benannt werden sollen. Tagebuch wiedergegeben werden, vor allem Für den 1. bis 9. Juli 1885 ist eine Geschäfts- aus drei Gründen: Zum einen ist das Ganze reise von HFM nach London und Liverpool zu umfangreich, um es im Detail nachzu- verzeichnet. Anna reist einen Monat später zeichnen. Zum anderen liegen den Notizen nach Bad Pyrmont, wohin ihr der Ehemann

| 23 | eignis: „Hermann geboren, große Freude.“ Der Sohn Hermann arbeitet später an lei- tender Stelle in der Firma seines Vaters. Für HFM ereignet sich schließlich am 29. No- vember 1888 noch etwas Bemerkenswertes: „Bismarck in Friedrichsruh gesehen.“ Meh- rere verstreute Tagebucheintragungen lassen erkennen, dass der Reichskanzler und eben- so Kaiser Wilhelm II. dem Ehepaar Mutzen- becher nicht gleichgültig waren. So schreibt Anna 1894: „Juni 26 Dienstag Herm. wieder nach Kiel zur Regatta mit dem Kaiser.“ – 1895: „Am 26. März Hermann nach Fried- richsruh, um den Kaiserbesuch und die vom Kaiser abgehaltene Parade anzusehen. Erhe- bende Feier.“ Knapp drei Monate später: „19. [Juni] Mittwoch Kaiserbesuch in Ham- burg. Eröffnung Kaiser Wilhelm Kanal. Morgens Frühstück der Fürstlichkeiten im Zoologischen Garten. Festdiner im Rath- haus, Hermann mit 20 anderen Herren […] Anna Mutzenbecher, geb. Siemsen, Sommer 1894 zum Empfang der Fürstlichkeiten.“ Der Bau und die Eröffnung des nachmaligen vierzehn Tage später folgt; „Glückliche Nord-Ostsee-Kanals war ein vielbeachtetes Tage“ heißt es dazu. Im Sommer 1886 ru- Unternehmen nicht nur in technischer, son- dern und segeln die beiden viel auf der Al- dern auch in politisch-wirtschaftlicher Hin- ster. Am 22. August 1886 kommt die Toch- sicht. Neben dem Suez- und Panamakanal ter Alida zur Welt, und ziemlich genau ein ist der Wasserweg „eine der wichtigsten Jahr später die zweite Tochter Margaretha. Weltseeverkehrsstraßen. […] Durch ihn Im November 1886 wird das Haus An der wurde Hamburg auch zum wichtigsten dt. Alster 66 gekauft. Zum Jahr 1887 notiert Ostseehafen.“51 HFM: „Anfang des Jahres verschiedene klei- ··································································· ne Diners bei uns.“ Am 21. April erfolgt der Das Tagebuch, das HFM bis zum Sommer Umzug ins Haus An der Alster. Vier Zeilen 1892 in Form von Jahresüberblicken führt, weiter wird resümiert: „Ruhiger Sommer, enthält daneben wiederholt Andeutungen abends viel gesegelt.“ In das Jahr 1888 fallen zum Berufsleben des Versicherungskauf- Reisen nach Berlin, London und Amster- manns. Im September 1889 wird vermerkt: dam. Vor allem London ist auch in den Fol- „Geschäft[lich] viel neues unternommen.“ gejahren ein ständiges Reiseziel. Zum Jahr 1890 heißt es: „Ich war sehr viel ··································································· auf Geschäfts Reisen; 1 x in Berlin (mit Im Jahr 1888 gibt es außerdem am 28. Au- Anna) im Januar, 4 x in London, 3 x nach gust ein für die junge Familie wichtiges Er- Frankfurt, nach Leipzig.“ Am Jahresende er-

| 24 | Anna Mutzenbecher mit ihren Kindern. Von links nach rechts: Alida, Margaretha, Ellen; auf dem Schoß der Mutter Laetitia; vorn Hermann; rechts eine Hausangestellte. Etwa 1896 scheint als Fazit: „Das Jahr 1890 war ein sehr ··································································· arbeitsvolles, aber es ist mir auch vieles Gu- Die ersten Eintragungen von Anna, begin- tes gelungen. 1873 Ges. durch Royal über- nend mit dem 18. August 1892, verdienen es, nommen.“ Hier verweist HFM in Stich- zitiert zu werden, weil sich in ihnen sogleich worten auf den bereits beschriebenen Um- ein Perspektivenwechsel ankündigt: „18. stand, dass die Versicherungs-Gesellschaft Hermann nach London. Anfang der Cho- von 1873 eine vorteilhafte Verbindung mit lera. 28. Sonntag Hermann’s Rückkehr. Kin- der Royal Exchange Assurance Corporation der verschiedentlich unwohl, sonst gnädig eingegangen war. – Im Herbst 1891 gibt es, behütet.“ Wichtiger als alles andere ist die nach einem knappen Hinweis auf die Ge- Gesundheit. Die Cholera – gemeint ist der burt der Tochter Ellen am 1. Oktober, den Ausbruch der Krankheit in Hamburg, nicht Vermerk „mancherlei geschäftliche Sorgen“, in London52 – könnte der Familie gefährlich doch dann folgt, teilweise gleichlautend wie werden, und so ist es beruhigend, dass es im Vorjahr, das Resümee: „Das Jahr 1891 den Kindern gut geht. Anna nennt im Übri- war ein sehr arbeitsvolles aber der liebe Gott gen ihren Mann stets „Hermann“, „Herm.“ hat uns im Hause u. im Geschäft reich ge- oder „H.“, nicht „HFM“, wie es in dieser segnet.“ Biographie der Deutlichkeit halber ge-

| 25 | schieht; manchmal ist es nicht einfach, zwi- derte, war 1891 ins Versicherungsgeschäft schen den verschiedenen Hermanns zu un- eingestiegen und hatte sehr bald ungeahn- terscheiden. ten Erfolg gehabt.53 Zu den Geschäften von ··································································· Franz und HFM sowie zur wechselvollen Am 21. Juni 1893 wird auf einen für die Fa- Beziehung zwischen den beiden wird im milie sehr wichtigen Umstand aufmerksam Folgekapitel noch Ausführliches gesagt. gemacht, und zwar mit dem Hinweis „Ab- ··································································· fahrt nach Timmendorf“. Etwa zwei Jahre Zunächst sollen weitere Zitate aus dem später, am 2. Juli 1895 wurde anlässlich der Tagebuch der Anna Mutzenbecher folgen, Taufe der Tochter Maria Laetitia das Haus nunmehr auch mit größeren Zeitsprüngen in Timmendorf eingeweiht. Dieses nahe am weit ins zwanzigste Jahrhundert hinein. Strand der Ostsee gelegene Haus wurde Dass die Fahrten mit der „Atalanta“ oftmals während der Sommermonate vor allem für ein ungeteiltes Vergnügen sein konnten – Anna und die Kinder viele Jahre lang zu ei- und zugleich ein zeittypisches Bild liefern –, ner Art zweitem Wohnsitz; HFM pendelte soll eine detaillierte Schilderung Annas be- viel zwischen Hamburg und Timmendorf legen. Am Mittwoch, dem 27. Juli 1898 fuhr hin und her. Von dem Ferienort aus wurden sie mit HFM und dem Ehepaar Nolte – von mit dem großen Segelboot „Atalanta“ weite dem Verwandten Dr. Gustav Nolte wird Fahrten unternommen. Dazu heißt es am noch die Rede sein – „per Dampfschiff von 30. August 1896: „Sonntag. Atalantafahrt n. Lübeck nach Kopenhagen. Daselbst 28. An- Neustadt [in Ostholstein]. Kaffee u. Tanz. – kunft Donnerstag Morgen 7 Uhr, wo uns Abends können wir wegen starker Bran- die Atalanta erwartet. Hermann macht Ge- dung nicht in T[immendorf] landen u. schäftsbesuche, Nolte’s […] und ich bese- müssen noch 3 Std. – Travemünde segeln hen die Stadt.“ Es folgen Notizen zu ausge- (Mademoiselle Gretel und ich seekrank). dehnten Tagesausflügen. Abends „herrliche Kehren um 11 Uhr per Wagen zurück.“ Ähn- Rückfahrt nach Kopenhagen per Dampf- liches wird unter dem Datum des 12. Sep- schiff im Mondschein. – Wir schlafen auf tember 1897 festgehalten: „Sonntag unru- der Atalanta. 29. 5 Uhr Morgens Abfahrt hige Atalantafahrt, Kinder seekrank.“ (Das nach Timmendorf bei wundervollem Wet- Kindermädchen heißt nicht mehr wie bei ter, die Brise war aber so schwach, der Wind der Schwiegermutter „Kleinmädchen“, son- direkt südlich und eine starke südliche Strö- dern „Mademoiselle“.) mung, sodaß schon bei Trekronen [?] zu ··································································· Anker gegangen wurde. Im Laufe des 29ten Auf der „Atalanta“ konnte es aber auch ge- wurde ab und zu ein wenig in der Enge von ruhsam und entspannt zugehen. Zum 15. Middelgrund gekreuzt, übrigens aber bei August 1897 notiert Anna: „Sonntag mit strahlendem Sonnenschein geankert und Franz u. Elsa auf der Atalanta zu Mittag ge- mit photographiren, turnen, scheibenschie- gessen.“ HFMs vierzehn Jahre jüngerer Bru- ßen, lesen etc. die Zeit angenehm vertrie- 1 der Franz Ferdinand hatte am 25. Juli 1894 ben. […] Am 30. Juli morgens ⁄2 5 Uhr An- Elsa von der Meden geheiratet. Franz, der ker auf und bei ganz leichter westlicher Brise sich mit seinem älteren Bruder in diesen und strahlendem Sonnenschein südlich ge- Jahren sehr gut verstand und den er bewun- segelt. Uns passirt zunächst die belgische

| 26 | Aus dem Tagebuch der Anna Mutzenbecher

| 27 | Yacht Clementine mit dem König auf der den Tod Bismarcks – nur in Ausnahmefäl- Brücke, der unsern Salut erwiedert. Mittags len zu sprechen, es sei denn, sie begegnet ei- passirt uns die neue russische Kaiseryacht nem prominenten Repräsentanten aus der Standart mit der Kaiserin Wittwe an Bort Nähe, so wie am 16. Juni 1899: „Freitag H. begleitet von einem Panzer und einem Tor- und ich im Ruderboot bei der Rabenstr. [in pedo. Abends 8 Uhr wundervoller Sonnen- Hamburg] um den Kaiser in einer Barkasse untergang grade über Mœn. Die Brise abfahren zu sehen.“ Fünfzehn Jahre später wurde stärker, dabei stand eine kollossale gelangt die „große“ Geschichte dann aber See aus Südosten, sodaß die Atalanta die doch verstärkt in den Blick der Tagebuch- Nacht über furchtbar stampfte und mit dem schreiberin: „28. [Juli 1914] Kriegserklärung Bugspriet beständig tief im Wasser lag. Es Oesterreichs an Serbien. – 1 Aug. Mobilma- wurde deshalb die Stenge heruntergeholt, chung des deutschen Heeres.“ Der Sohn Besahn und Clüwer hineingenommen und Hermann begibt sich „nach Wandsbek zu das Großsegel doppelt gerefft, so daß der den 15ten Husaren.“ – 29. August: „Beendi- Aufenthalt während der Nacht auf dem gung der 9tägigen Schlacht bei Tannenberg Schiffe sehr unangenehm war. Juli 30. Da- (Generaloberst von Hindenburg).“ – 9. Ok- für lief die Atalanta aber gut und trotz der tober: „Abends 10 Uhr erfahren wir daß geringen Segelfläche trafen wir schon am Antwerpen von den Deutschen genommen 3 Sonntag Morgen um ⁄4 10 in Travemünde ist“. – 16. November: „Hermann jr. erzählt ein. Nolte’s blieben am Sonntag noch in uns die Abende seines Hierseins sehr inter- Timmendorf, wo wir die Nachricht von essant von seinen Kriegserlebnissen.“ Das dem Tode Bismarck’s, am Abend des 30ten klingt noch frohgemut-harmlos und ver- Juli, erhielten.“ weist auf eine ungebrochene „nationale Ge- ··································································· sinnung“. Ganz harmlos ist die Situation je- In die Zeit der Jahrhundertwende fiel eine doch nicht mehr. 12. November: „Hermann bedeutsame Veränderung der Wohnsitua- hat viele Sorgen im Geschäft und wir rüsten tion. Der obligatorische jährliche Wechsel uns immer mit neuer Zuversicht je mehr der zwischen Stadt- und Landhaus fand nicht Krieg sich in die Länge zieht.“ mehr wie früher zwischen Hamburg und ··································································· Eppendorf statt; vielmehr wurde, vom Gut zwei Jahre später, im Winter 1916/17, Wohnsitzwechsel zwischen Hamburg und hat das Kriegsgeschehen inzwischen katas- Timmendorf abgesehen, im Jahr 1900 ein trophale Auswirkungen auf die Lebensver- größeres Anwesen in Niendorf gekauft. hältnisse im Inneren Deutschlands, so teil- Anna vermerkt dazu beispielsweise am 1./2. weise auch, wie Annas Tagebuch für den Mai 1902: Umzug „in unser Niendorfer Januar 1917 bezeugt, auf die wohlhabende Haus.“ Ein Jahrzehnt später, 1912, erwei- Bevölkerung Hamburgs: „30. Dienstag terte HFM seinen Niendorfer Besitz durch abends 8 Uhr Mutzenbecherscher Familien- den Ankauf des angrenzenden „Königsgehe- abend bei uns mit Bridge. Zum letzten Male ges“, einem großen Waldgebiet.54 sind unsere unteren Wohnräume geheizt, ··································································· da in Folge der schon seit 4 Wochen anhal- Auf Ereignisse der reichsdeutschen Politik tenden Kälte (13–14°) und der mangelnden kommt Anna – etwa mit dem Hinweis auf Transportmittel eine große Kohlennot ein-

| 28 | Das Haus von H. F.M. Mutzenbecher in Niendorf, 1918 getreten ist. Wir bewohnen nur noch meine tag mit den Töchtern. Beginn der Unruhen Wohnstube u. das Billiardzimmer im ersten in Kiel durch die Matrosen. 6. Am Mitt- Stock. Die Bevölkerung lebt in diesem Win- woch greift die Bewegung nach Hamburg ter fast nur von Steckrüben und auch wir über. Einsetzung des Arbeiter und Soldaten- müssen sehr mit unsern Vorräthen haushal- rates. 9. Abdankung des Kaisers u. aller ten. Alle wichtigen Nahrungsmittel wie Bundesfürsten. Bei dem plötzlichen Wech- Kartoffeln, Milch, Brot, Butter, Fleisch etc. sel der Dinge herrscht große Unruhe und sind nur auf Karten zu haben und gleichmä- Sorge.“ Auffällig ist immer wieder die ßig auf den Kopf der Bevölkerung verteilt.“ Nüchternheit, mit der Anna Tatbestände ··································································· nahezu ohne Kommentar verzeichnet. Die Einzelne Ereignisse der letzten Kriegsmo- Bemerkungen zur Politik sind dabei über- nate werden wiederholt im Tagebuch festge- gangslos in das fortlaufende Protokoll der halten, so Ende Oktober 1918: „Aufregende Familienaktivitäten eingefügt: Am 6. Fe- und traurige Zeiten beim Hinblick auf un- bruar 1919 schreibt sie: „Wir erleben sehr ser armes Vaterland.“ Zum 3. November schwere Wochen während der traurigen Waf- und den Tagen danach heißt es: „Familien- fenstillstandsbedingungen und der Furcht

| 29 | die konservativ-nationale Grundeinstellung ausgeprägt, allerdings ausgesprochen mode- rat, ohne Ereiferungen. Ob Annas Haltung Rückschlüsse auf diejenige ihres Mannes zu- lässt, ist nicht mit Sicherheit zu sagen; je- denfalls gibt es nirgends Hinweise, die ver- muten lassen, HFM sei anderer Meinung gewesen als seine Frau. ··································································· Eine grundsätzliche Übereinstimmung zwi- schen den beiden ist auch in religiöser Hin- sicht zu vermuten, wobei Anna möglicher- weise das Christentum etwas ernster nahm als HFM. Wiederholt verzeichnet sie den gemeinsamen Besuch von Abendmahlsgot- tesdiensten.55 In späteren Jahren, so am 11. März 1925, schreibt sie: „Ich habe in diesem Winter wieder dienstags meine schönen Bi- belstunden.“ Auch in den folgenden Jahren wird auf die Teilnahme an Bibelstunden hingewiesen. Am 23. November 1927 hört Anna „einen sehr interessanten Vortrag von Dr. Heise über ,Das Christusbild im Wan- del der Generationen‘“. Darüber hinaus wird dem gesamten Tagebuch – und damit Anna Mutzenbecher, 1927 dem darin beschriebenen Leben – ein christ- licher Rahmen gegeben, indem sowohl am vor Ausbreitung der Revolution im Inneren. Anfang als auch am Ende ein Vers aus der Nach den blutigen Straßenkämpfen in Ber- Bibel erscheint. lin wird ein Freikorps in Hamburg gesam- ··································································· melt bei dem auch Oswald am Dienstag den Zusammenfassend sei noch einmal betont, 11ten März eintritt.“ (Der Sohn Oswald, das dass das allermeiste, was Anna zu den Ereig- sei an dieser Stelle nachgetragen, ist als der nissen in ihrer Familie aufschreibt, hier Jüngste von sechs Kindern am 17. Juni 1900 nicht zur Sprache kommt. Vor allem die – geboren.) oft schwer zu entziffernden – Namen der ··································································· zahlreichen Besucher, die in den Mutzenbe- Das meiste von dem, was Anna zum politi- cherschen Häusern ein- und ausgingen, blei- schen Geschehen notiert, ist in Geschichts- ben unerwähnt. Auf die sportlichen Aktivi- büchern ohne weiteres wiederzufinden; den täten von HFM, etwa seine langen Ausritte Äußerungen zur Politik soll deshalb hier in weit entfernte Ortschaften, kann ebenso- nicht weiter nachgegangen werden. Deut- wenig eingegangen werden wie auf die häu- lich erkennbar, und nicht überraschend, ist figen Besuche kultureller Veranstaltungen;

| 30 | H. F.M. Mutzenbecher (rechts), 1929 am 20. März 1925 z. B. hörten Anna und gangenen hinreichend gekennzeichnet; im HFM Beethoven-Symphonien „unter Furt- Blick auf die Geschäfte und die Gesundheit wänglers glänzender Leitung“. Andererseits HFMs wird auch im Folgenden immer wie- sind wichtige Aspekte mit dem Vorange- der aus dem „großen“ Tagebuch zitiert.

·············································································································································· 50 Adolf Kreusler war von 1871 bis 1894 Hauptpastor an der Hamburger Hauptkirche St. Petri. 51 Der Große Brockhaus, Bd. 8, Wiesbaden 1955, S. 449. 52 Während der großen Choleraepidemie, die sich 1892 in Hamburg ausbreitete, starben mehr als 8.600 Perso- nen. Vgl. ausführlich Evans, Tod. 53 Mutzenbecher, [Rückblick 1941], S. 1 f.; Mutzenbecher, Versicherer, S. 29. 54 Stammbaum 2, S. 58. Ebd. S. 43 heißt es, das Niendorfer Gehölz sei 1911 angekauft worden. 55 So etwa am 17. April 1898 oder am 22. April 1900, also zur Osterzeit. Vgl. auch die Eintragung vom 13 April 1927: „Am Karfreitag und Ostersonntag erleben Hermann und ich schöne Gottesdienste in der Michaeliskirche.“ ··············································································································································

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Der Mutzenbecher-Konzern

Um die wichtige Frage zu beantworten, wie Franz Ferdinand Mutzenbecher (1869– sich das Leben von HFM in beruflicher 1960), über den sein Enkel Geert-Ulrich Hinsicht entwickelte – über die Anfänge Mutzenbecher unter dem Titel „Die Versi- war bereits einiges gesagt worden –, muss cherer“ eine ausführliche Biographie verfasst man ins Jahr 1880 zurückgehen. Damals war hat, muss eine außerordentlich willensstarke HFM in die von seinem Vater geleitete Ver- Persönlichkeit gewesen sein, selbstbewusst, sicherungs-Gesellschaft von 1873 eingetre- entschlossen und zupackend. Er zeigte, wie ten. Um 1880 herum, das sei am Rande ver- sein Enkel schreibt, „nicht nur Begabung merkt, konnte er durch die Vermittlung für Geschäfte, sondern auch das Talent, eines befreundeten Nachbarn, des Reeders Menschen für sich einspannen zu kön- Laeisz – zweifellos durch Carl Laeisz (1828– nen.“58 Franz selbst hat im Jahre 1941 in ei- 1901), der auch im Assekuranzgeschäft aktiv ner Broschüre einen detaillierten Rückblick war –,56 Agent der Züricher Eidgenössi- veröffentlicht, der ganz auf die Beschrei- schen Seeversicherungsanstalt werden,57 wo- bung seiner Geschäftstätigkeit ausgerichtet mit sich Gelegenheit ergab, zusätzliche Gel- ist, dabei jedoch auch Auskunft gibt über der einzunehmen und weitere Verbindun- seine Beziehung zu HFM und indirekt über gen zu knüpfen. seine Selbsteinschätzung. ··································································· ··································································· Im Jahr 1881, auch darauf war schon hinge- Zwischen den Brüdern muss sich im Lauf wiesen worden, kam es zur Gründung der der Jahre eine Rivalität entwickelt haben, Firma H. F.M. Mutzenbecher. Mit ihr ent- die immer wieder zu starken Spannungen, wickelten sich die Versicherungsgeschäfte aber auch zu Versöhnungen führte. Die zwi- offensichtlich positiv, wie das ebenfalls be- schen den beiden bestehende Konkurrenz, reits erwähnte, im „großen“ Tagebuch no- das ist familiengeschichtlich interessant, tierte Jahresfazit von 1891 vermuten lässt: setzt sich gewissermaßen bis in die Gegen- Der liebe Gott hat uns „im Geschäft reich wart fort in den Bildern, die die Nachfahren gesegnet“. Drei Jahre später, 1894, trat dann von ihren Großvätern entwerfen. In diesen der Bruder Franz in die Firma ein. Mit dem Bildern äußert man sich respektvoll, doch es Beginn der aktiven Geschäftstätigkeit des bleiben unterschwellig Vorbehalte: Franz Bruders wird es notwendig, diesen näher zu gilt als der „Dynamische“,59 so wie er sich kennzeichnen. ohne Zögern selber sieht. Die Broschüre ··································································· von 1941 dient nicht zuletzt dem Nachweis,

| 32 | Hermann Franz Matthias Mutzenbecher (rechts) mit seinem Bruder Franz, 1919 dass er, Franz, es gewesen ist – zusammen ··································································· mit dem Geschäftspartner und Freund Karl Auf den Beginn der Karriere von Franz soll Stahl –, der den Mutzenbecher-Konzern etwas näher eingegangen werden, weil da- aufgebaut hat. HFM erscheint aus dieser mit so etwas wie der Grundstein zum späte- Sicht als eine eher marginale, wenn nicht so- ren Konzern gelegt wurde. Im Jahr 1892 ge- gar die Geschäfte behindernde Figur. Dem- lang es Franz durch Empfehlungen seines gegenüber wird von der „Gegenpartei“ der Vaters und durch „Familien-Beziehungen Nachfahren betont, HFM sei ein überaus zu England“, ein höchst lukratives Geschäft liebenswerter, freundlicher Mensch gewe- zwischen der Schleswig-Holsteinischen Lan- sen. Dem Vorbild der Geschäftstüchtigkeit desbrandkasse in Kiel und zwei englischen steht das Vorbild der „Menschlichkeit“ ge- Versicherungsgesellschaften zu vermitteln. genüber. Wie auch immer die Einschätzun- Die Vorgehensweise des jungen Franz ist be- gen ausfallen mögen, HFM hat offensicht- zeichnend für die Art, wie vor ungefähr 110 lich nicht nur in seiner Familie, sondern Jahren in der Versicherungsbranche Ge- auch als Versicherungsunternehmer außer- schäfte getätigt wurden: „Ich bin damals ein ordentliche Verdienste und eine hohe Repu- halbes Jahr in England gewesen und bin von tation erworben. einer Versicherungs-Gesellschaft zur ande-

| 33 | Franz Ferdinand Mutzenbecher (links), 1926 ren gegangen in London, Liverpool, Edin- schäft konnte er mit einer jährlichen Provi- burgh, kurz zu allen Versicherungs-Gesell- sionseinnahme von 100.000 Goldmark schaften, die für die Verbindung mit der rechnen. Umgerechnet auf die Kaufkraft Kieler Anstalt in Frage kamen. Bei jeder Ge- im Jahre 1991, verdiente mein Großvater je- sellschaft ließ ich mich auf Grund von Ein- des Jahr an diesem ersten Geschäft DM führungsschreiben immer bei dem ersten 712.000,–. Damit war der Grundstock des Direktor melden. Abgesehen davon, daß ich Mutzenbecher-Konzerns gelegt.“61 auf diese Weise mein Schulenglisch verbes- ··································································· serte, lernte ich die meisten maßgebenden Unmittelbar im Anschluss daran berichtet Assekuranz-Männer in England kennen, ein Franz von der Gründung der Firma „H. Umstand, der mir später zu großem Vorteil Mutzenbecher jr.“ in Hamburg, und zwar gereichen sollte.“60 Vor allem ein Empfeh- „zu dem Zweck der ,Vermittlung von Feuer- lungsschreiben an Lord Rothschild, Vorsit- Rückversicherungs-Verträgen‘. Diese merk- zender der Alliance Assurance Corporation, würdige Firmen-Bezeichnung“, so fährt sollte, wie Franz erklärt, sein Glück werden. Franz fort, hätte HFM „sich ausgedacht, Dazu schreibt der Enkel Geert-Ulrich Mut- weil es dann nach außen so aussah, als ob zenbecher: „Das Unvorstellbare war dem dies eine Unterfirma seiner bestehenden 23jährigen gelungen. Durch ein einziges Ge- Firma H. F.M. Mutzenbecher sei.“62 Inha-

| 34 | Aktienschein der Versicherungs-Gesellschaft „Hamburg“, 1928 ber der neu gegründeten Firma waren Franz, nahme von Feuer-Rückversicherung, so- HFM und Karl Stahl. wie die Unfall- und Haftpflicht-Branche.“ ··································································· HFM gelang es, „seinem Unternehmen eine Im weiteren Verlauf der Initiativen von bedeutende Ausdehnung zu geben. Die Re- Franz kam es zu einer enormen Ausweitung sultate des ersten Geschäftsjahres waren der Geschäftstätigkeiten. Stets nach dem stark durch die unvermeidlichen Organisa- Muster des Knüpfens von Kontakten auf tions-Kosten beeinflußt, wohingegen im höchster Ebene wurden zahlreiche Firmen zweiten Jahre eine beginnende Krisis im in Russland, Frankreich, England, den USA Feuer-Versicherungs-Geschäft den geschäft- und weiteren Ländern gegründet.63 Wichtig lichen Erfolg beeinträchtigte.“64 Liest man für die Biographie von HFM ist die Grün- zu dieser moderat dargestellten Geschäfts- dung der Versicherungs-Gesellschaft „Ham- entwicklung die drastischen Erklärungen burg“, die von ihm am 6. Juli 1897 „mit ei- des Bruders Franz, so fällt das Urteil erheb- nem Grundkapital von M 4 000 000“ vor- lich negativer aus. Letzterer spricht davon, genommen wurde, „eingetheilt in 800 dass seit der Gründung 1897 „vier sehr un- Actien à M 5000 mit 25 % Einzahlung“. Das erfreuliche Jahre“ folgten, „soweit das per- „Erwerbsfeld“ der „Hamburg“ war neben sönliche Verhältnis meines Bruders zu Stahl der Transport-Versicherung „die Ueber- und mir in Frage kam.“ Als Direktor der

| 35 | decorirt. Viele Tischreden. Sehr vergnügte Stimmung.“ ··································································· Wie in den Jahren zuvor war HFM – nicht anders als sein Bruder Franz – auch 1899 ständig auf Reisen, um Geschäfte in die Wege zu leiten oder zu tätigen. Am 11. Ja- nuar vermerkt Anna die Abreise ihres Man- nes nach Petersburg; zwei Tage später kam er dort an. „Petersburger Reise für die Ham- burg unternommen zwecks Anbahnung von Verbindungen mit russischen Feuerversi- cherungsgesellschaften, welche sämmtlich besucht wurden. Keine augenblicklichen Erfolge aber viele persönliche Bekanntschaf- ten.“ Am 27. Januar reiste HFM weiter nach Moskau, wiederum zwei Tage später war er zurück in Petersburg. ··································································· Hermann Franz Matthias Mutzenbecher Ende April unternahm er eine seiner vielen Reisen nach London und Brüssel, und zwar „Hamburg“ schloss HFM Geschäfte ab, zusammen mit dem Verwandten Gustav ohne Franz um Rat zu fragen; seine Eigen- Nolte (1850–1912). Zu diesem für HFM ne- mächtigkeiten führten zu Transaktionen, ben dem Bruder Franz und dessen Partner die „schwere Verluste brachten. […] Im Karl Stahl wohl wichtigsten Geschäftsbera- Jahre 1901 stand die Hamburg vor dem ter und -mitarbeiter sei angemerkt, dass er Ruin, und die Generalversammlung sollte 1880 HFMs Schwester Laura Gertrud gehei- darüber entscheiden, ob die Gesellschaft in ratet hatte.66 Dr. jur. G. Nolte, von Beruf Liquidation treten sollte.“ Nunmehr wurde Rechtsanwalt, war Syndikus zahlreicher Franz um Rat gefragt – und selbstverständ- Banken und Gesellschaften, so auch der lich wusste er Rat.65 Versicherungs-Gesellschaft von 1873 und ··································································· der Versicherungs-Gesellschaft „Hamburg“. Aus der Sicht Anna Mutzenbechers er- – Kaum aus Brüssel zurückgekehrt, reiste scheint das Leben sehr viel unaufgeregter HFM mit seiner Frau nach Wien. Weiter und auch erfreulicher. Am 18. Juni 1898 no- ging es nach Budapest, wo Geschäftsbesu- tiert sie aus Anlass eines Jubiläums in ihrem che gemacht wurden. Wenn er mit seiner Tagebuch: „Feier von dem 25jährigen Beste- Frau auf Reisen war, wurde stets das Nütz- hen der 73ger Gesellschaft. Morgens An- liche mit dem Angenehmen verbunden; am sprache von meinem Schwiegervater an die 5. Mai 1899 waren Anna und HFM abends Herren vom Komptoir in seinem Hause. in einem Wiener Theater, tags darauf be- Abends Mittagessen mit Musik bei uns […]. suchten sie den Stephansdom. Der Wintergarten u. der Tisch mit Fahnen ···································································

| 36 | Zu Beginn des Jahres 1901, für die Zeit vom Einbruchdiebstahl-, Haftpflicht- und Un- 27. bis 29. Januar, findet sich im Tagebuch fallversicherung einer eigenen Gesellschaft der Anna Mutzenbecher eine entscheidende zu übertragen.68 Am 11. Februar 1901 ver- Eintragung: „Wir leben in diesem Winter schickte die „Hamburg“ ein Zirkular, in gesellschaftlich sehr ruhig, da Hermann ge- dem unter anderem festgelegt war: „Das schäftlich sehr viel Arbeit und Aufregung Grundkapital ist auf 2 000 000,– Mark, ein- hat wegen Errichtung der Albingia.“ Um geteilt in 800 Aktien zu 2 500,– Mark, fest- die Gründung dieser bedeutenden Gesell- gesetzt, worauf eine Einzahlung von 25 % schaft näher zu kennzeichnen, sollen einige geleistet werden soll.“ Vorstand der Gesell- Zitate aus einer unpaginierten, ohne Verfas- schaft wurde Hermann Franz Matthias sernamen publizierten Schrift zum 50-jäh- Mutzenbecher, „Kaufmann hier selbst“ in rigen Jubiläum der Albingia folgen. „Den Hamburg; zum Aufsichtsrat gehörte u. a. Namen ,Albingia‘“, so erfährt man, „erhielt Gustav Nolte.69 die Gesellschaft von dem Strom, an dessen ··································································· Ufern sie ihren Sitz nahm. Er stammt von Die Geschichte der Albingia kann hier Albis (d. h. Elbe); ,Albingia‘ bedeutet also nicht im Einzelnen nachgezeichnet werden. ,zur Elbe gehörig‘ oder ,an der Elbe gelegen‘. Erwähnt sei lediglich, dass die Erdbeben- Dieser Name war von vornherein richtung- katastrophe von San Francisco im Jahre weisend für die Aufgabe und Entwicklung 1906, bei der ganze Stadtviertel zerstört wur- der Gesellschaft. Gelegen an einem der gro- den und riesige Feuersbrünste entstanden, ßen Weltströme sollte sie deutsches Ver- der Albingia Vorteile brachte, was auf den sicherungsgeschäft überall dort betreiben, ersten Blick paradox erscheinen mag. Indem wo auch der hanseatische Kaufmann Han- die Gesellschaft die Bestände und die Or- del trieb, sollte sie Versicherungsschutz bie- ganisation von Feuerversicherungen über- ten für ihn und seine Handelsgüter in Über- nahm, die durch das Unglück im Osten der see und in der Heimat.“ Einführend wird USA in Geschäftsnot geraten waren und dazu erklärt: Mit den zahlreichen von HFM sanierungsbedürftig wurden, konnte sie und Franz Mutzenbecher gegründeten ihren Wirkungskreis beträchtlich erweitern. Unternehmen „entstand eine Gruppe von Auch wenn Rückschläge nicht ausblieben, Versicherungsfirmen und Versicherungsge- entwickelten sich die Geschäfte der Albin- sellschaften, die unter dem Namen ,Mut- gia innerhalb der Mutzenbecher-Gruppe zenbecher-Konzern‘ bekannt wurde. Die bis auf weiteres von Jahr zu Jahr erfolgrei- Geschichte der ,Albingia‘ von ihrer Grün- cher.70 dung bis zum Jahre 1932 ist nicht zu trennen ··································································· von der Geschichte dieses Konzerns, dem sie Eine einschneidende Veränderung für den während dieser Zeit angehörte.“67 Konzern ergab sich um die Jahreswende ··································································· 1911/12. Die in Mannheim 1899 gegründete Hintergrund für die Gründung der Albin- Vita Versicherungs-Aktiengesellschaft war gia war innerhalb der Versicherungs-Gesell- im Lauf der Jahre in zunehmende Schwie- schaft „Hamburg“ der Entschluss, nur noch rigkeiten geraten. Der Gründer der Gesell- das Rückversicherungsgeschäft zu betreiben schaft hatte, wie es in einem Rückblick zum und das „direkte“ Geschäft der Transport-, 50-jährigen Jubiläum der Hamburg-Mann-

| 37 | Partner die Versicherungsgesellschaft ,Ham- burg‘ in Hamburg auf, die im weitgehen- den Besitz des Herrn Franz Mutzenbecher war“ – eine Gesellschaft, die „sich in die Reihe der größten Rückversicherungsgesell- schaften emporgearbeitet hatte und die zu- dem an der ,Albingia‘ Versicherungs-AG. in Hamburg maßgebend beteiligt war.“71 ··································································· Franz Mutzenbecher konnte der Vita „ein den Umständen entsprechend recht günsti- ges Angebot“ machen. Daraufhin gab es für den Aufsichtsrat, der – das ist offensichtlich bezeichnend für die entschiedene Vorge- hensweise des Hamburgers – „zunächst über die schnelle und präzise Art betroffen war, in der der hanseatische Interessent ein bin- dendes Angebot abgab, die von seiner eige- nen bedächtigen und auf langes Aushan- deln eingestellten Art sich erheblich un- terschied, nur eine Entscheidung. Am 16. Oktober 1911 kam so die ,Vita‘ unter den be- herrschenden Einfluß der Versicherungsge- sellschaft ,Hamburg‘.“ Die Mannheimer Franz Ferdinand Mutzenbecher (links) Firma verlegte ihren Verwaltungssitz nach mit einem Geschäftspartner Hamburg und erhielt den neuen Namen „Hamburg-Mannheimer Versicherungs-Ak- heimer Versicherungsgesellschaft heißt, „die tien-Gesellschaft.“72 Härte des in der deutschen Lebensversiche- ··································································· rung herrschenden Leistungswettbewerbs Franz selbst sah offenkundig einen anderen unterschätzt“, so dass im Jahre 1905 trotz ge- Hauptgrund für die Fusion und die Ver- wisser Fortschritte die „Lage doch alles an- legung der badischen Gesellschaft in die dere als rosig“ war. Als vier Jahre später „ge- Hansestadt: Der Erwerb der Aktien-Majo- wisse Rückschläge in der Entwicklung ein- rität der „Vita“ durch die „Hamburg“, so traten“, gab der Aufsichtsrat der Vita „die schreibt er 1941, „gelang hauptsächlich des- Weisung, in vorsichtiger Form Fusionsver- halb, weil der Direktor der ,Vita‘, Herr Dr. handlungen“ mit anderen Versicherungsge- Oster, den Wunsch hatte, in Hamburg zu sellschaften zu führen. „Die nach verschie- leben“.73 In dem Rückblick, den die „Ham- denen Seiten geführten Verhandlungen zo- burg-Mannheimer“ 1949 veröffentlichte, gen sich mit wechselnden Aspekten in die findet der „Drang nach Norden“ eine Art Länge“ und waren schließlich Anfang 1911 offizieller Bestätigung: „Die Gesellschaft ganz festgefahren. Da „tauchte als neuer war mit einem Schlag aus den etwas engen

| 38 | Hermann Franz Matthias Mutzenbecher, Staatsarchiv Hamburg

| 39 | Franz Ferdinand Mutzenbecher und versicherungsfremden Mannheimer fruchtenden Kontakt mit anderen großen Verhältnissen in die sachliche Atmosphäre Versicherungskörpern.“74 der Hansestadt mit ihrem weiten Horizont ··································································· gebracht und aus der badischen Isoliertheit Die Geschäfte des Mutzenbecher-Konzerns herausgehoben in einen lebendigen, be- entwickelten sich optimal, allerdings kam es

| 40 | durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs rigkeiten,76 weshalb die Aktienmehrheit an 1914 zu starken Beeinträchtigungen. Franz die englische Guardian Assurance Com- spricht in seiner unverblümten und an die- pany Ltd. abgegeben werden musste.77 Das ser Stelle wohl übertreibenden Art davon, Todesjahr von HFM, 1932, war auch das mit dem Kriegsausbruch „gelang den Fein- Ende des Mutzenbecher-Konzerns. Franz den die Zerstörung des Mutzenbecher-Kon- war im Herbst 1931 an einer Depression er- zerns“.75 Der Verbund aus zahlreichen Ver- krankt, so dass er sich im Oktober 1931 ent- sicherungsgesellschaften blieb, mit man- schloss, sein Amt als Vorsitzender des Auf- cherlei Einbußen beispielsweise durch die sichtsrates der „Albingia“ niederzulegen. Inflation 1922, immerhin bis 1932 erhalten; Mit dem Verkauf der „Albingia“-Aktien an erst zu diesem Zeitpunkt geriet der Konzern die „Guardian“ war für ihn „im Sommer – ob es sich im strengeren Sinn um einen 1932 der Niederbruch des mit so großer Konzern handelte, sei dahingestellt – im Liebe aufgebauten Mutzenbecher Versiche- Gefolge der 1929 beginnenden schweren rungs-Konzerns besiegelt“.78 Weltwirtschaftskrise in wachsende Schwie-

·············································································································································· 56 Gerhardt, Laeisz, S. 24. 57 Mutzenbecher, Versicherer, S. 15. Plaß/Ehlers (Geschichte, S. 487) erklären, HFM sei seit 1883 der Hambur- ger Vertreter der „Eidgenössischen Transport-Versicherungs-Gesellschaft“ (Zürich) gewesen. 58 Ebd., S. 19. 59 Vgl. Cords, Hamburg, S. 16. 60 Mutzenbecher, [Rückblick 1941], S. 2. 61 Mutzenbecher, Versicherer, S. 29. 62 Wie Anm. 60. 63 Im Frühjahr 1896 wurde beispielsweise „die Firma Mutzenbecher & Stahl, London, gegründet“ (Mutzenbe- cher, Versicherer, S. 35). 64 Plaß/Ehlers, Geschichte, S. 496. 65 Mutzenbecher, [Rückblick 1941], S. 3 ff. 66 Vgl. Anm. 25. 67 [Anonym], „Albingia“. 68 Ebd., ferner Neue Deutsche Biographie 18, S. 660. 69 [Anonym], „Albingia“. 70 Ebd. 71 [Anonym], 50 Jahre, S. 20 f. 72 Ebd., S. 21. 73 Mutzenbecher, [Rückblick 1941], S. 12. 74 [Anonym], 50 Jahre, S. 21. 75 Mutzenbecher, [Rückblick 1941], S. 14. 76 Vgl. Stammbaum 2, S. 43: „1929 Beginn d. Auflösung d. Mutzenbecher Versicherungs-Konzerns […]“. 77 Vgl. Koch, Beitrag, S. 279. 78 Mutzenbecher, [Rückblick 1941], S. 32. ··············································································································································

| 41 | [7]

Das Europahaus

Den Zeiten der Rückschläge und des Nie- und Errichtung des Neubaus beteiligt war, dergangs gingen Zeiten der Prosperität und ist nicht festzustellen. Expansion voraus. In den Jahren nach 1901 ··································································· dehnte sich das Geschäft der Mutzenbecher- Die immerhin ein wenig detailliertere Be- Gruppe kontinuierlich aus. Dazu heißt es in schreibung aus dem eben erwähnten Rück- einem Rückblick: „Bei der ,Albingia‘ hatte blick der „Albingia“ soll ausführlich zitiert sich von Ende 1906 bis März 1908 die Zahl werden: „Das alte Hotel de l’Europe am Al- der Generalagenten verfünffacht, die Prämi- sterdamm 39 ging in den Mutzenbecher- eneinnahme verdoppelt. schen Besitz über. Franz Mutzenbecher ließ ··································································· das Hotel niederlegen und an seiner Stelle Dieser rasche Aufstieg ließ schon 1907 ein ein modernes, allen Anforderungen gerecht neues Problem auftauchen: Die räumliche werdendes Kontorgebäude errichten, dem Zusammenfassung des Konzerns in einem er in Erinnerung an das alte Hotel den Na- Gebäude. Nur so ließ sich manche inzwi- men ,Europahaus‘ gab. Der Bau, ausgeführt schen aufgetretene Unzulänglichkeit besei- von der Firma Boswau & Knauer, brachte tigen. Im Herbst 1907 konnte die Raum- technische Schwierigkeiten mit sich. Der frage zufriedenstellend gelöst werden.“79 moorige Untergrund trug nicht ohne weite- ··································································· res die Last großer Häuser. So waren um- Was sich um diese Zeit an einer der expo- fangreiche Fundamentierungsarbeiten not- niertesten Stellen der Hamburger Innen- wendig. Auf langen, starken, eingerammten stadt am Ufer der Binnenalster in nächster Pfählen ruht eine Betonplatte, auf der sich Nähe des Rathauses abspielte, wird in den das ,Europahaus‘ erhebt. Am 4. Januar 1910 Darstellungen zum Mutzenbecher-Konzern bezogen die 142 Angestellten der ,Albingia‘ nur sehr kursorisch beschrieben. In ge- gemeinsam mit den anderen Konzernfir- wohnt knapper, um nicht zu sagen herri- men das ,Europahaus‘, das in seiner reprä- scher Manier erklärt Franz Mutzenbecher: sentativen Form seit jenen Tagen eine „Im Jahre 1907 kaufte ich für die Firma ,H. Zierde des Alsterbeckens ist. Mit dem Ein- Mutzenbecher jr.‘ das alte Hotel de l’Europe zug in das eigene Haus begann die Glanzpe- am Alsterdamm, ließ es niederreißen und ei- riode des Mutzenbecher-Konzerns und der nen Neubau als Kontorhaus aufführen: das ,Albingia‘. Jene Jahre bis zum Kriegsaus- heutige Europahaus, Alsterdamm 39.“80 Ob bruch [1914] bedeuteten ja überhaupt den und wieweit auch HFM an der Planung Höhepunkt der wirtschaftlichen Entwick-

| 42 | Europahaus, 1910

| 43 | Europahaus lung Deutschlands, an der das Versiche- Abschnitten das Europa-Haus als modernes rungswesen nicht geringen Anteil hatte.“81 Kontorhaus erstellt. Im Juni 1943 wurde ein ··································································· großer Teil des Hauses bis zum 2. Stock Weitere spärliche Aufschlüsse über das herunter durch Brandbomben zerstört. Die Europahaus am Alsterdamm – letzterer Architekten Schramm und Elingius wurden wurde später in Ballindamm umbenannt – sofort mit der Durchführung der nötigen sind aus den Angaben baugeschichtlich und Schutzmaßnahmen beauftragt.“82 kunsthistorisch orientierter Fachleute zu ge- ··································································· winnen. So erklärt der bekannte Hambur- Damit wird deutlich, dass der von Radel ger Architekt und Bauhistoriker Gottfried entworfene Bau des Europahauses bis vor Schramm (1894–1982): „Vor dem Brand des wenigen Jahren nur noch in Fragmenten Jahres 1842 war der jetzt vom Europa-Haus existierte; seit 2003 wurde das Gebäude voll- in Anspruch genommene Platz Teil der Bin- ständig abgerissen, um der am 5. Oktober nenalster. Im November 1846 wurde an dem 2006 eröffneten Europa Passage Platz zu durch Brandschutzmassen angeschütteten machen, einer ehrgeizigen, von dem Archi- Alsterdamm das Hotel L’Europe eröffnet tekten Hadi Teherani entworfenen Anlage, […]. 1909/10 bzw. 1911 und 1913 wurde die die Innenstadtbereiche Binnenalster und durch den Architekten Georg Radel im Auf- Mönckebergstraße miteinander verbindet. trag von H. Mutzenbecher jr. in mehreren ···································································

| 44 | Sowohl der Ursprungsbau des Hotels de l’Europe als auch alle Folgebauten fügen sich sozusagen nahtlos in die einheitliche, Geschlossenheit stiftende Umbauung der Binnenalster ein, so dass die für das Zen- trum Hamburgs bestimmende Stadtsilhou- ette in ihrer traditionellen Form bis heute erhalten geblieben ist. Nur auf „maßvolle“ Weise sind die Fassaden der Einzelbauten individuell gestaltet. Vor allem die gleich- bleibende Dachhöhe der Häuser sorgt dafür, dass ein homogenes Stadtbild entsteht. Ra- del hatte dem Dachgeschoss des Europahau- ses einen breitgestreckten Flachgiebel vorge- blendet, was vielleicht aus der Ferne das einzige Merkmal war, das seiner ansonsten schlicht gehaltenen Fassade einen individu- ellen Ausdruck gab. ··································································· Zum Inneren des Radelschen Kontorhauses Aus dem Textbuch einer Aufführung zum kann kaum etwas gesagt werden. Aus den 70. Geburtstag von HFM, Juni 1925 Erklärungen G. Schramms geht hervor, dass es einen Paternoster besaß, und der Kunst- führten. Zur Feier seines 70. Geburtstages historiker Hermann Hipp merkte 1989 an, wurde am 6. Juni 1925 von Mitgliedern der das Haus besitze „im Innern noch die Familien Willink und Merck ein „Im Eu- schöne Treppenhalle“.83 Das „noch“ ver- ropahaus“ betiteltes Sechs-Personen-Stück weist offensichtlich zurück auf den Radel- dargeboten, in dem eine Telefonistin, eine schen Bau. Um aber eine ganz andere, amü- Stenotypistin, zwei Lehrlinge, ein Liftboy sante Vorstellung vom „inneren Leben“ des und ein Herr Meyer auftraten: Europahauses zu gewinnen, und um auch ··································································· den Bogen unmittelbar zu HFM zurückzu- „Telefonistin (ins Telefon) Herr H. M.84 ist schlagen, soll ein Abschnitt aus einer thea- noch nicht da! Einen Augenblick bitte. (zur tralischen Darbietung zitiert werden, aus Stenotypistin) Weißt du wann H. M. einem Familiengeschehen, das für das Pri- kommt? vatleben HFMs besonders typisch war. Im Stenotypistin Nein, H. M. war gestern mit Vorangegangenen war schon erwähnt wor- Herrn Preißter aus Kopenhagen zusammen, den, dass er während einer Aufführung bei und dann weiß man nie wann er kommt. Dr. Bieber einen Mohrenkönig spielte. Telefonistin Sind sie noch da? Herr Mutzen- HFM liebte es, sich an Einstudierungen becher hat Grippe. Er wird heute nicht im selbst zu beteiligen, teils als Reimeschmied, Büro sein; kann ich etwas bestellen? – Danke. teils als Schauspieler, und er liebte es, wenn 1. Lehrling (ist inzwischen eingetreten) (zur zu bestimmten Anlässen andere etwas auf- Stenotypistin:) Herr Mutzenbecher senior85

| 45 | läßt nach Herrn Olsen fragen. Ich kann ihn 1. Lhrl. Beerdigt Olaf schon wieder? Er war nirgends finden. Wissen Sie vielleicht wo doch erst gestern in Ohlsdorf! Olaf ist? Stnpt. Du mußt nicht soviel fragen, mein Stnpt Herr Olsen gibt heute einem Vetter 2. Junge. Es gehört zu den Einrichtungen des Grades von Herrn Mutzenbecher das letzte Hauses Mutzenbecher, daß Herr Olsen be- Geleit. erdigt; sehr oft – und sehr gerne.“86

·············································································································································· 79 [Anonym], „Albingia“. 80 Mutzenbecher, [Rückblick 1941], S. 5. 81 [Anonym], „Albingia“. 82 http://www.architekturarchiv-web.de/schramm.htm (Stand: 11. September 2007), Quelle: Bestand Schramm S 154. 83 Hipp, Hansestadt, S. 170. 84 Gemeint ist HFMs Sohn Hermann. 85 Das ist HFM. 86 In deutscher Schönschrift geschriebenes Textheft; in Privatbesitz. ··············································································································································

| 46 | [8]

Franz Matthias Mutzenbecher

Wenn der Name Mutzenbecher mit der selbst verfasst. Unter anderem erklärt er (in Gründungsgeschichte der Universität Ham- Er-Form), bis Ostern 1902 habe er in Ham- burg in Verbindung gebracht wird, darf ein burg die Gelehrtenschule des Johanneums ausdrücklicher Hinweis auf einen nahen besucht, „um dann nach bestandener Reife- Verwandten von HFM, und zwar auf den prüfung das Sommersemester und die an- Sohn Franz Matthias seines Vetters Mat- schließenden Ferien in Grenoble als Stu- thias, keinesfalls fehlen. Während es von dent der Rechte zu verbringen. Vom Herbst HFM so gut wie gar keine Zeugnisse gibt, 1902 bis Herbst 1903 war er in England, da- die es erlauben, ins „Innere“ dieses Mannes von die sechs Monate des akademischen zu blicken und sich beispielsweise von sei- Jahres in Cambridge und die letzten zwei ner Gedankenwelt eine deutlichere Vorstel- Monate im Settlement ,Cambridge House‘ lung zu machen, verhält es sich mit Franz in London. Vom 1. Oktober 1903 bis zum Matthias Mutzenbecher, der von 1884 bis 30. September 1904 diente er in Stendal im 1919 lebte, geradezu umgekehrt. Nicht nur Husaren-Regiment Nr. 10, verbrachte hier- in seiner juristischen Dissertation mit dem auf zwei Semester an der Universität Mün- Titel „Zur Lehre vom Persönlichkeitsrecht“ chen und sechs Semester an der Universität – 1909 bestand er in Heidelberg das Doktor- Berlin.“87 Weitere Lebensstationen sind Examen cum laude – hat er sich schreibend dem kommentierten „Stammbaum“ zu ent- geäußert, sondern auch in Zeitungsartikeln nehmen: 1914 bestand Franz Matthias Mut- und in einem von ihm selbst geführten Ta- zenbecher das Assessor-Examen in Ham- gebuch. Aus diesen Quellen soll nachfol- burg, 1915 wurde er „Rechtsanwalt bei Dr. gend ausführlich zitiert werden, da die Äu- Horwitz, Burchard, Krauel“, 1916 arbeitete ßerungen von Franz Matthias, indem sie er „im wirtschaftl. Nachrichtendienst d. seine persönlichen Anschauungen und seine Abt. IIIb d. Generalstabes“, und 1917/18 war Haltung kennzeichnen, zugleich ein spre- er als „Stellvertr. Zivilkommissar i. Charle- chendes Bild von durchaus typischen Denk- roi, Generalgouvernement Belgien“ einge- weisen und Wertvorstellungen der Zeit vor setzt.88 dem Ersten Weltkrieg liefern. ··································································· ··································································· Um sozusagen eine erste Vorstellung von Auch einen Abriss seines „äußeren“ Lebens der Denkungsart dieses Juristen zu gewin- hat Franz Matthias mit einem „Lebenslauf“, nen, sei auf Überlegungen verwiesen, die er der am Schluss seiner Dissertation erscheint, im März 1910 entwickelte, als Aufgabe und

| 47 | zu lassen.“ Dass dieser umfassende Plan bei der Beschreibung von Vorfahren vergange- ner Zeiten aus Mangel an Quellen nicht verwirklicht werden kann, gesteht Franz Matthias zu; die lebenden Angehörigen, so meint er, könnten aber durch das Sammeln von Aufzeichnungen, Briefen oder Fotos dazu beitragen, dass man sich dem „Ideal ei- ner Familiengeschichte“ annäherte als einer „Darstellung, die eine Geschichte des Vol- kes, oder wenigstens der Landschaft, unter dem Gesichtswinkel dieser Familie ist.“89 ··································································· Es ist ein Sechsundzwanzigjähriger, der sol- chermaßen zur Idee einer Archivgründung Stellung bezieht, und man ist versucht zu sagen, hier äußere sich ein ungebrochener, jugendlicher Überschwang. Manches von dem, was Franz Matthias vertrat, mag ju- gendlichem Idealismus geschuldet sein, ei- nem Traum von Lebenserneuerung, der für Ältere meistens ausgeträumt ist – doch ge- rade das Feuer, das dieser Mann offensicht- Franz Matthias Mutzenbecher lich in sich hatte und das als weltfremd oder als pathetisch abzutun verfehlt wäre, wirkt Ziel eines Mutzenbecherschen Familienar- in seiner Intensität beeindruckend. Franz chivs, dem er seine „besondere Liebe zuge- Matthias Mutzenbecher war im Übrigen al- wendet“ habe; die Zielsetzungen lesen sich les andere als ein Phantast. Das erweist sich fast wie eine Entsprechung zu den Leitwer- bereits in einem „Nachruf zu Lebzeiten“, den ten, die Volker Ullrich – siehe den Abschnitt er 1913 in der Zeitung über einen Staatsbe- „Voraussetzungen“ – für das Schreiben einer amten veröffentlichte, der sich in den Ruhe- Biographie zu Maximen erhebt: „Eine stand zurückzog. Mit der Wertschätzung so- blosse Ansammlung von ein paar Namen wohl „edler“ Tugenden als auch dem Lob und Ziffern hat keinen Wert; die darauf ver- der Nüchternheit wird ein Menschenbild ent- wendete Mühe wäre verschwendet. Unser worfen, von dem man annehmen kann, dass Streben muss dahin gehen, über den Einzel- es nicht nur den Charakterisierten, sondern nen so viel Material zusammenzutragen, auf vermittelte Weise gleichermaßen den dass es späteren Geschlechtern möglich Charakterisierenden selbst kennzeichnet: wird, ihn als Menschen von Fleisch und ··································································· Blut, Leidenschaften, Wünschen und Be- „Noch nicht ein Jahr nach Burchards To- fürchtungen, von geistigen Fähigkeiten und de90 ist die Nachricht gekommen, daß ein geistigen Grenzen vor ihrem Auge erstehen anderer feinsinniger Staatsmann, der durch

| 48 | Franz Matthias Mutzenbecher mit seiner Familie

| 49 | 15 Jahre hindurch Hand in Hand mit Bur- Hanseatische Klarheit und Weltoffenheit, chard gearbeitet hat, den Schauplatz verlas- zugleich Tatkraft und Vielseitigkeit werden sen will, auf dem er die Reichspolitik der hier auf eine Weise gelobt, die nach heuti- Hansestädte seit 1896 vertreten und oft be- gem Empfinden etwas Pathetisches an sich einflußt hat. Dr. Karl Klügmann will seinem haben mag, die aber gemessen an der wilhel- Alter Rechnung tragen und einem Jüngeren minisch-üblichen Neigung zu übersteiger- Platz machen auf dem Posten des Hanseati- tem (und dann hohltönendem) Pathos eher schen Gesandten in Berlin. moderat und verhalten wirkt. Franz Mat- ··································································· thias Mutzenbecher könnte ein „nüchterner Seine Stellung hat es mit sich gebracht, daß Idealist“ gewesen sein, ein Mann mit gro- die Oeffentlichkeit ihn kaum kennen ge- ßem Engagement und hochgesteckten Zie- lernt hat, aber er hat durch seine feine Klug- len, der aber die Möglichkeiten der Durch- heit, seine Treue und seinen stets auf das setzung sachlich beurteilte und der darüber Ganze und Große gerichteten Blick ver- hinaus einen scharfen, auch scharf kriti- dient, daß die Oeffentlichkeit sich vergegen- schen Verstand einsetzte. wärtigt, was sie an ihm gehabt hat. […] Er ··································································· war Staatsmann und Hanseat. Das ist kein Die Fähigkeit zur Kritik offenbart sich in romantischer Begriff, wenn man von Klüg- Tagebuchnotizen, die zur Zeit ihres Entste- mann redet, sondern kennzeichnet einen hens zweifellos nicht für die Öffentlichkeit ganz scharf geschnittenen Typus: Unser Ge- bestimmt waren, die aber den Spätergebo- sandter war gewöhnt, über die Interessen ei- renen einen gewissermaßen unverstellten nes einzelnen Kreises hinauszublicken bis Einblick in die Denkweise des Tagebuch- weit über die Grenzen des Reiches […]. So schreibers gewähren. Im Folgenden geht es wenig Klügmann Interessen-Vertreter eines um eine Akademiker-Versammlung – und Berufes war, so glänzend war er wenn er dem damit um ein zentrales Anliegen Franz Mat- Kaufmann zu seinem Recht verhalf. Die thias Mutzenbechers: um seine Entschlos- Größe des Kaufmannsberufes lebte in sei- senheit, die Gründung einer Universität in nem Kopfe nicht als Traum, sondern als klar Hamburg zielstrebig voranzutreiben. In sei- begriffene Wertung; er war mit allen Gedan- nem Tagebuch92 notiert er am 24. Novem- kengängen über die Stellung des Kaufmanns ber 1911: vertraut […]. ··································································· ··································································· „Abends mit Vater in der von den akademi- Neben all diesen ungeheuer vielseitigen und schen Alte-Herren-Verbänden einberufenen anstrengenden Betätigungen und Studien Akademiker-Versammlung zur Aussprache blieb ihm Kraft, sich mit künstlerischen und über die Hamburger Universitätsfrage. Es wissenschaftlichen Problemen auseinander- waren wohl fast 1000 Herren erschienen. zusetzen, ja sogar auf diesen Gebieten zu ar- Zuerst sprach Dr. med. Thost für die Uni- beiten. Das gab und erhielt ihm den hohen versität – eine jammervolle Rede, inhaltlich Schwung, der in ihm bei seiner politischen dummes Phrasen-Gewäsch, in der Form Arbeit lebte. Er war ein Mensch nach allen und im Vortrag völlig stümperhaft. Unbe- Seiten.“91 greiflich ist die Selbsttäuschung dieses doch ··································································· wohl 55–60jährigen Herren, eine solche

| 50 | Rede zu übernehmen; seinem Rufe und der und Diskussionsbeiträge wiedergegeben wer- verteidigten Sache schadet er! Gott bewahre den, bezeugt das außerordentliche Engage- mich vor meinen Freunden! Dann kam eine ment des Tagebuchautors; hinzu kommen gute Rede gegen die Universität von Rechts- die oftmals unverblümten Kommentare, die anwalt Dr. Geert Seelig; ich hätte, wenn ich dem Protokoll spontan hinzugefügt sind. 20 Jahre älter gewesen wäre, liebend gern so- Die abschließenden Bemerkungen zum 24. fort darauf erwidert! Nach den Aufzeich- November 1911 bieten noch eine besondere nungen, die ich mir während der Rede ge- Pointe: Einer vorletzten Wortmeldung des macht hatte, nahmen Seeligs Ausführungen Rechtsanwalts Dr. Otto Dehn94 folgte un- folgenden Verlauf: Das Bildungsbedürfnis mittelbar Lichtwark:95 „Grosse Spannung. in Hamburg richtet sich auf Weiterbildung Er tritt ans Rednerpult: ,Der kostspieligste und auf vertiefte Fachbildung – man kann Luxus, den sich eine Stadt leisten kann, ist von Auchstudierenden sprechen. Die Uni- Beschränktheit und Unwissenheit.‘ Kein versitätsfreunde aber wollen eine Jugend bil- Wort weiter; er steigt wieder hinunter. Ei- dungsstätte, also für Nurstudierende. Für nen Augenblick verblüffte Stille, dann to- die Aussichten der Universität legte der Red- sender Beifall!“ ner die (m. E. völlig schiefe) Praemisse zu ··································································· Grunde: Die Universität ist der Studenten Von verschiedenen Seiten wird bezeugt, wegen da. (Beifall im Saale.) Für die Studen- dass Franz Matthias Mutzenbecher sich ten wird Hamburg weder den Reiz der klei- nicht nur gedanklich oder argumentierend, nen noch die Anregung der grossen Univer- sondern auch praktisch mit großer Ent- sitäten bieten, denn es ist eine lustlose Ar- schiedenheit und Ausdauer für eine grund- beitsstadt. Die Lebensansprüche schrauben legende Verbesserung der Studienbedin- sich in Hamburg bald herauf, und der Ein- gungen in Hamburg eingesetzt hat. Nach- druck, den die Studenten heimtragen wer- dem er, viel zu jung für sein Alter, am 20. den, ist der Eindruck der auri sacra fames. Januar 1919 an den Folgen einer Krankheit Hier werden geistige Werte erst geschätzt, gestorben war, schrieb Professor Richard wenn sie sich in Geld umsetzen lassen (lebhaf- Salomon96 am 28. Februar 1919 an Land- ter Beifall!!! [unglaublich]93). Die Professo- gerichtsdirektor Gustav Schiefler97 einen ren finden hier auch nicht was sie suchen; Brief, in dem es heißt: „Zeugnisse für die Strassenbahn und Auto-Lärm, das ganze Art, wie er Anregungen auszustreuen ver- Hasten unserer Stadt ist nichts für den Ge- suchte, besitzt fast jedes unserer wissen- lehrten. […]“ schaftlichen Institute98 in einer Reihe von ··································································· ihm geschenkter Bücher. Er betrachtete die Dieser Exkurs im Exkurs soll nicht zu sehr Förderung wissenschaftlicher Tätigkeit in ausgeweitet werden. Franz Matthias Mut- einer höchst selten vorkommenden Weise zenbecher hat zu der Versammlung, die er als selbstverständliche Pflicht, für die er, was besuchte, noch viele weitere Einzelheiten der Öffentlichkeit nicht bekannt ist und notiert, so auch zu den Kosten, die mit der vielleicht auch nicht bekannt zu werden Gründung einer Universität angeblich auf braucht, materielle Opfer gebracht hat, die die Hansestadt zukämen. Allein die Aus- keineswegs leicht waren.“99 Entsprechendes führlichkeit, mit der die Inhalte der Reden bestätigt Werner von Melle im Blick auf den

| 51 | Umstand, dass Franz Matthias Mutzenbe- der Zeitschrift „Die Literarische Gesell- cher dem Seminar für Geschichte und Kul- schaft“ zufolge die Leidenschaft für eine tur des Orients100 Werke zur byzantinischen ernsthafte, gedankliche Auseinandersetzung Geschichte und Literatur geschenkt hatte: mit der Welt früh zum Vorschein kam: „Als „Der leider […] im jugendlichen Alter ver- Knabe wollte er Geistlicher werden.“ Dann storbene Schenker, der ein begeisterter faszinierte ihn der Gedanke, als Geschichts- Freund des Hamburger Universitätsgedan- professor Karriere zu machen. Immer, auch kens war, hat auch verschiedene andere Se- später als Jurist, lag ihm die Erweiterung minare wiederholt mit reichen Büchergaben und Vertiefung der Bildung besonders am bedacht. Die von ihm ersehnte Universität Herzen. Zusammenfassend wird dazu er- sollte er nicht mehr erleben.“101 klärt: „Das zeitgeschichtlich Auszeichnende ··································································· lag in Mutzenbechers Verhältnis zum ham- Abschließend sei erwähnt, dass bei Franz burgischen Universitätsgedanken.“102 Matthias Mutzenbecher einem Nachruf in

·············································································································································· 87 Mutzenbecher, Lehre, S. 66. 88 Stammbaum 2, S. 162. 89 Mutzenbecher, Eltern, S. 38. 90 Dr. Johann Heinrich Burchard (1852‒1912) war zwischen 1903 und 1912 wiederholt Erster Bürgermeister von Hamburg. 91 Mutzenbecher, Klügmann. 92 Dem Verfasser liegen Fotokopien des originalen Tagebuchausschnitts vor. 93 Einfügung in eckigen Klammern von Franz Matthias Mutzenbecher. 94 Otto Carl Isaac Dehn (1852‒1925). Siehe Gerhardt, Begründer, S. 80, auch S. 6 f., 24. 95 Alfred Lichtwark (1852‒1914), Kunsthistoriker und Kunstpädagoge, war – von 1886 bis zu seinem Tod – der erste Direktor der Hamburger Kunsthalle. Maßgebende Persönlichkeit des Hamburger Kulturlebens. Vgl. Groß- kopff, Lichtwark. 96 Richard (Georg) Salomon (1884‒1966), Slavist, seit 1914 Professor für Kultur und Geschichte Russlands am Kolonialinstitut in Hamburg; letzteres wurde 1919 Teil der Universität. Vgl. Nicolaysen, „Vitae“. 97 Gustav Schiefler (1857‒1935), Jurist, bedeutender Hamburger Kunstsammler und -förderer in enger Verbin- dung mit Alfred Lichtwark. Verfasser des Werks „Eine hamburgische Kulturgeschichte 1890‒1920. Beobachtungen eines Zeitgenossen“ (bearbeitet von Gerhard Ahrens u. a., Hamburg 1985). 98 Bereits vor der Eröffnung der Universität am 10. Mai 1919 gab es in Hamburg wissenschaftliche Institute. Siehe dazu etwa Jendrowiak, Forschung, S 27 ff., 90 f.; ferner Gerhardt, Begründer, S. 19. Vgl. auch unten Anm. 100. 99 Stammbaum 2, S. 164. 100 Zum Hamburger Kolonialinstitut, das am 20. Oktober 1908 eröffnet wurde, gehörte auch eine Professur für Geschichte und Kultur des Orients. Siehe Michael Friedrich, http://www.uni-hamburg.de/Wiss/FB/10/Ge- schichte.html (Stand: 17. Oktober 2007). 101 Melle, Dreißig Jahre 2, S. 450 f. 102 Damman, Mutzenbecher, S. 194 f. Vgl. auch Stammbaum 2, S. 164 f. ··············································································································································

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Die letzten Lebensjahre von H. F. M. Mutzenbecher

Wieweit es zwischen Franz Matthias Mut- des 9. September 1911 beweist: „Brautdiner zenbecher und dem um eine Generation äl- für Franz Matthias und Th. Wesselhoeft.“ teren HFM einen Gedankenaustausch in Am 14. März 1912 wird entsprechend festge- Bezug auf die angestrebte Hamburger Uni- halten: „Hochzeit von Franz Matthias und versitätsgründung gegeben hat, muss offen- Thesi Wesselhoeft.“ Anna Maria Theresia bleiben. Die beiden begegneten sich im Fa- (Thesi) Wesselhoeft (1888–1979) war die milienkreis, darüber hinaus kam es zu sozu- Tochter eines Versicherungsmaklers; ihre sagen offiziellen Treffen, wie das Tagebuch Mutter Anna Maria, geb. Petersen, stammte der Anna Mutzenbecher etwa zum Datum aus der Familie des Hamburger Bürgermeis-

Hermann Franz Matthias Mutzenbecher, Anna Mutzenbecher (links) mit ihrer Tochter Ellen, 1924(?) 1924

| 53 | H. F.M. Mutzenbecher in Niendorf, Juni 1930 ters Carl Friedrich Petersen (1809–1892).103 könnte so etwas wie eine annähernd lücken- ··································································· lose Lebensgeschichte der Krankheiten re- Das Thema Krankheit und Tod kann in konstruiert werden – die meisten Menschen einer Biographie, die sich an überlieferte haben, wenn sie genauer auf ihr Leben zu- Tatsachen hält, nicht ausgespart bleiben. Im rückblicken, immer wieder mit leichterer Vorangegangenen war dieses Thema mit oder auch schwerer Krankheit zu tun –, dem Verweis auf die Kränklichkeit der doch hier soll nur auf Einzelheiten einge- Emma Mutzenbecher, die Kinderkrankhei- gangen werden, die von Anna und HFM als ten HFMs und den frühen Tod des Franz schwerwiegend empfunden werden mussten. Matthias Mutzenbecher bereits verschie- ··································································· dentlich ins Blickfeld gerückt. HFM selbst Am 27. Februar 1908 schreibt Anna Mutzen- – ein sportlicher, im Reiten, Radfahren und becher: „Donnerstag stellt sich bei ärztlicher Segeln geübter Mann – hatte mit fortschrei- Untersuchung wegen einer Lebensversiche- tendem Alter zunehmend unter einer ange- rung heraus daß Hermann zuckerkrank ist. griffenen Gesundheit zu leiden. Mit Hilfe Bei strenger Diät wird die Krankheit in ei- des Tagebuchs der Anna Mutzenbecher nigen Wochen beseitigt.“ Tatsächlich scheint

| 54 | HFM nach einiger Zeit wieder ganz herge- zu kämpfen hatte. Am 30. Oktober 1920 stellt gewesen zu sein; unter dem Datum des heißt es im Tagebuch: „Hermann nimmt für 11. Juli 1908 notiert Anna, ihr Mann sei mit 8 Tage Ferien, da er wieder sehr an Zucker der Tochter Alida bis nach Bad Oldesloe ge- leidet.“ Zu einer dramatischen Zuspitzung ritten – in eine von Hamburg etwa vierzig kam es Anfang November 1923: „Hermann Kilometer entfernte Stadt –, „wo wir sie per fährt noch am 2ten Nov. in’s Kontor dann Auto abholen und zusammen nach Timmen- werden die Schmerzen im Fuß so stark, daß dorf fahren. Ankunft 4 Uhr Nachm.“ – An- wir eine Operation befürchten. Nach einer fang Mai 1911 entschloss HFM sich, da er „in Konsultation Dr. Prof. Brauers und Prof. letzter Zeit sehr angegriffen war“, für drei Ringels wird noch eine Woche gewartet und Wochen „nach Carlsbad zu reisen“. Zwei- am Freitag den 16. Nov. fahren Hermann, einhalb Jahre später, im Spätherbst 1913, Schwester Klara und ich um 11 Uhr in die 1 kam es zu ernsteren Beeinträchtigungen, so Hagedorn Klinik wo um 2 ⁄2 Uhr Prof. Rin- zunächst am 9. November: „Sonntag reise gel die Operation unternimmt. Hermann’s ich nach Wiesbaden. Bei trübem Wetter ver- linkes Bein wird bis überm Knie abgenom- bringen wir dort traurige Tage und Nächte, men. Hermann erholt sich bald u. gut und da Herm. immer starke Schmerzen im lin- empfängt viele Besuche.“ ken Bein hat. Die einzige Erheiterung bie- ··································································· ten abends die guten Theatervorstellungen.“ Der Verlust des linken Beins war ein schwe- Am 20. November kehrten Anna und HFM rer, lebensverändernder Eingriff, doch HFM nach Hamburg zurück. „Hier wird Herm. hat mit Entschlossenheit alles daran gesetzt, auf Dr. Luci’s Rat ganz in’s Bett gelegt. Nun die Behinderung zu meistern. Anna schreibt folgen lange Krankheitswochen mit entsetz- im Tagebuch am 15. Dezember 1923: „Herm. lichen Schmerzen und schlaflosen Nächten.“ lernt nach und nach auf Krücken gehen und Am 6. Januar 1914 ging HFM endlich „zum kommt am 23ten abends zum ersten Male ersten Male wieder in’s Theater ,Pygmalion‘.“ zum Abendessen hinunter.“ Zum Februar ··································································· 1924 heißt es: „Hermann bekommt in die- Die Behauptung, mit dem Tagebuch der ser Zeit sein Holzbein und übt sich mit zwei Anna Mutzenbecher könne, auf HFM be- Krücken die Treppe herauf und hinunter zu zogen, fast eine „annähernd lückenlose Le- gehen.“ Am 13. August desselben Jahres gibt bensgeschichte der Krankheiten rekonstru- es Erfreuliches zu berichten: „Hermann hat iert werden“, muss insofern relativiert werden, während meiner Abwesenheit große Fort- als Anna offensichtlich eine sehr beherrsch- schritte im Gehen gemacht und verschiedene te Frau war – von Nachfahren wird sie im Autofahrten mit Mercks104 und Gustav Siem- Vergleich zum liebenswerten, liebenswürdig sen in die Heide unternommen.“ Er konnte aufgeschlossenen HFM als eher kühl und sich wieder auf Reisen begeben und seinen zurückhaltend beschrieben –, eine Persön- Geschäften widmen; von einer Reise nach lichkeit, die sich zumal als Tagebuchschrei- London Anfang Dezember 1924 „kehrt er berin nicht bei jedem Wehwehchen aufhielt. gänzlich zuckerfrei zurück.“ Am 11. Septem- So wird jahrelang nichts zur Gesundheit no- ber 1925 fuhr er „per Auto nach Baden-Ba- tiert, obwohl man annehmen muss, dass den zu der jährl. Assecuranzversammlung.“ HFM immer von neuem mit Beschwerden ···································································

| 55 | H. F.M. Mutzenbecher mit seiner Tochter Ellen (Mitte) und der Schwägerin Lili Siemsen, 1929

| 56 | Wie HFM selbst mit seinen veränderten Le- bensumständen umging, ist einem Brief zu entnehmen, den er am 24. Januar 1924 sei- nem Vetter Matthias (dem Vater von Franz Matthias) schrieb: „Du hast Recht: bei dem großen Glück, das mich mein Lebelang be- gleitet hat, darf ich über meine Krankheit nicht klagen, im Gegenteil ein solcher We- cker kann nicht schaden, er erinnert uns, daß unser Leben in Gottes Hand steht.“105 Dies ist eines der wenigen Zeugnisse, in denen HFM selbst sich über seine eigene Befindlichkeit äußert, und nach allem, was über ihn zu erfahren ist, entspricht die „po- sitive Lebenseinstellung“, die er offenbart, nicht irgendwelchen Floskeln oder Konven- tionen, sondern sozusagen seinem Naturell. ··································································· Im Jahr 1927 kam es jedoch zu neuerlichen Beschwernissen. Zum 7. Februar dieses Jah- res erklärt Anna: „Am Montag legt Her- mann sich mit Grippe in’s Bett. Es entsteht eine Mittelohrentzündung bei hohem Fie- ber. Nachdem beide Trommelfelle durchsto- Anna Mutzenbecher, Dezember 1943 chen sind wird das Fieber schwächer und auch Zucker und Azeton verschwinden wie- perseite lähmt. Schwester Margareta aus Be- der. Am Mittwoch den 23ten steht H. zum thanien wacht des nachts bei Hermann. ersten Male auf. Schwester Helene von Be- Gottlob kann Hermann bald wieder die thanien wachte 10 Nächte bei Hermann.“ linke Hand gebrauchen und alleine an 2 Damit war es aber leider nicht genug; am 11. Stöcken gehen, er leidet aber sehr am Haut- Oktober desselben Jahres notiert Anna jucken und großer Müdigkeit. Er erholt sich Mutzenbecher nüchtern: „Hermann hat langsam.“ Das Hautjucken quälte HFM morgens einen ganz leichten Schlaganfall, auch in den Folgejahren immer wieder. Das der linke Arm ist einige Tage steif.“ – 23. No- Leben wurde für ihn zunehmend beschwer- vember: „Hermann leidet diese ganzen Mo- licher. Er musste Ärzte aufsuchen, sich ins nate sehr am Hautjucken, geht schließlich Krankenhaus oder in ein Sanatorium bege- zu Professor Arning der ihm endlich Linde- ben. Trotzdem reiste er auch in den Jahren rung verschafft.“ 1930 und 1931 noch einmal nach London. ··································································· Im Juli 1932 konnte er jedoch, wie Anna fest- Am 17. Januar 1928 schreibt Anna: „Diens- hält, nur mehr kurze Fahrten unternehmen. tag’s wacht Hermann morgens mit einem Schließlich muss sie am 29. September 1932 zweiten Schlaganfall auf, der die linke Kör- eine ihrer letzten Tagebucheintragungen

| 57 | machen: „Schwester Hedwig Schwerdtfeger hat Hermann morgens wie gewöhnlich massirt und frägt ob sie die Gardine schlie- ßen soll damit Hermann noch weiter schla- fen kann, darauf Hermann: ,Lassen Sie mich noch einmal die Sonne sehen.‘ Dies sind seine letzten Worte, dann atmet er noch dreimal schwer und schließt die ge- liebten Augen für immer.“ ··································································· Es folgt eine detaillierte Beschreibung der Trauerfeierlichkeiten. Die letzten Eintra- gungen des Tagebuchs, unter dem Datum des 3. Oktober 1932, lauten: „Dr. Schöffel spricht über den von Hermann gewählten Spruch, der auf seinem Sarge und auf dem Grabstein steht: ,Dein Reich komme‘. Zum Schluß werden 3 Verse von ,Lobe den Her- Hermann Franz Matthias Mutzenbecher ren‘ gesungen. In 4 Auto’s fahre ich mit Dr. Schöffel, den Kindern und Enkeln […] zum ristik seiner Nachfahren zurückgreifen: Er Friedhof. Bei unserer Ankunft bricht nach war eine allseits geschätzte, umgängliche, Regenschauern die Sonne durch und wir stets freundliche, von seinen Kindern ge- müssen am Grabe Abschied nehmen von un- liebte Persönlichkeit; sein strenger, eher serm geliebten teuren Mann u. Vater der die schwieriger Bruder Franz sah ihn als allzu Sonne unseres Hauses war. ,Der Herr segne freundlich und gutmütig an.106 Zum ande- deinen Hingang und Ausgang. Von nun an ren beschreibt den offenbar unverwüstli- bis in Ewigkeit‘.“ Hermann Franz Matthias chen Optimismus von HFM wohl am tref- Mutzenbecher fand nach einer Trauerfeier fendsten sein kaum fünfzehn Jahre alter im Haus der Familie auf dem Niendorfer Sohn Oswald während einer Tischrede an- Friedhof in Hamburg seine letzte Ruhestätte. lässlich einer Feier zum 60. Geburtstag: Der ··································································· Vater habe im Kriegsjahr 1915 viele Sorgen Bei dem abschließenden Versuch, H. F.M. gehabt, aber er sei „der Alte geblieben mit Mutzenbecher in einer seiner Haupteigen- der glücklichen Veranlagung, allen Lebens- schaften zu kennzeichnen, kann man zum lagen die hoffnungsvolle, sonnige Seite ab- einen auf die bereits erwähnte Charakte- zugewinnen.“107

·············································································································································· 103 Siehe Deutsches Geschlechterbuch 171, S. 285, 287. 104 HFMs Tochter Ellen hatte 1911 Carl Hermann Merck (1884‒1961) geheiratet. 105 Stammbaum 2, S. 47. 106 Vgl. Mutzenbecher, Versicherer, S. 47. 107 Festgehalten im Tagebuch der Anna Mutzenbecher unter dem Datum des 7. Juni 1915. ··············································································································································

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Anhänge

·············································································································································· H. F. M. Mutzenbecher, Lebensdaten im Überblick ·············································································································································· 1855 Geboren in Eppendorf bei Hamburg 1860–72 Schulzeit in Hamburg (Elementarschule Marianne Prell, Knabenschule Dr. Bülau) 1871 Konfirmation in der Kirche St. Jacobi, Hamburg 1872 Lehrling in der Firma Ad. Tesdorpf & Co., Hamburg 1875 Einjähriger im Feldartillerie-Regiment 60, Schwerin 1877–80 Angestellter in der Firma Ad. Tesdorpf & Co, Hamburg 1880 Eintritt in die Versicherungs-Gesellschaft von 1873 1880 (oder 1881?) Second-Leutnant des Reserve Feldartillerie-Regiments Nr. 9 zu Itzehoe 1881 Gründer und Inhaber der Firma H. F.M. Mutzenbecher 1890 Direktor der Versicherungs-Gesellschaft von 1873, neben seinem Vater 1893 Mitinhaber – neben seinem Bruder Franz Ferdinand – der Firma H. Mutzen- becher jr. 1897 Gründer und Vorstand der Versicherungs-Gesellschaft „Hamburg“ 1898 Mitinhaber der Firma F. Mutzenbecher & Stahl, London 1900 Ankauf eines Besitzes in Niendorf 1901 Gründer und Generaldirektor der Albingia Versicherungsgesellschaft 1907 Mitbegründer der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung 1908/10 Errichtung des Europahauses am Alsterdamm, Hamburg, durch die Firma H. Mut- zenbecher jr. 1923 Verstärktes Leiden an der Zuckerkrankheit; Amputation des linken Beins 1929 Beginn der Auflösung des Mutzenbecher-Konzerns 1932 Liquidation der Versicherungs Gesellschaft „Hamburg“ und Verkauf der Albingia Versicherungsgesellschaft 1932 Tod von Hermann Franz Matthias Mutzenbecher in Hamburg

| 59 | ·············································································································································· Übersicht über den Mutzenbecher-Konzern (H. F. M. und F. F. Mutzenbecher) 1901–1931108 ·············································································································································· Die Stammfirmen Versicherungs-Gesellschaft von 1873, Hamburg H. F.M. Mutzenbecher, Hamburg H. Mutzenbecher jr., Hamburg F. Mutzenbecher & Stahl, London Versicherungs-Gesellschaft „Hamburg“ A.G., Hamburg Albingia Versicherungsgesellschaft A.G., Hamburg ·············································································································································· Europa Edm. Godard, Paris Mutzenbecher & Clare (später Tottien), Petersburg Petersburger Versicherungsgesellschaft, Petersburg Wiener Rückversicherungsgesellschaft A.G., Wien Hamburg-Mannheimer Versicherungsgesellschaft A.G., Hamburg Hungaria, Allgemeine Assecuranz A.G., Budapest Bulgarische Phönix Versicherungsgesellschaft, Sofia Versicherungsgesellschaft Securitas, Bremen Die Danzig, Versicherungsgesellschaft A.G., Danzig Europäischer Lloyd, Versicherungsgesellschaft A.G., Hamburg Autofinanzierungs G.m.b.H., Berlin ·············································································································································· Nordamerika Mutzenbecher & Ballard, New York Meinel & Wempel, New York International Insurance Company, New York Hamburg-American Insurance Company, New York Mutzenbecher & Co., Incorporation, New York ·············································································································································· Südamerika Mutzenbecher & Cia El Fenix Sudamericano Compania Nacional de Reaseguros, Buenos Aires La Transandina Versicherungsgesellschaft, Valparaiso ·············································································································································· Außerdem Beteiligungen größeren Umfangs bei Salamandra Versicherungsgesellschaft, Petersburg Jacor Versicherungsgesellschaft, Petersburg 2. Russische Versicherungsgesellschaft, Petersburg Deutsche Rückversicherungsgesellschaft, Berlin

| 60 | ·············································································································································· Mutzenbecher-Konzern-Gesellschaften 1925–1931109 ·············································································································································· Gesellschaft Prämien-Einnahme Kapital und 1925 Reserven ·············································································································································· Versicherungs-Gesellschaft „Hamburg“, Hamburg, gegr. 1897 RM 1.186.894,00 RM 19.696.847,00 ·············································································································································· Albingia Versicherungsgesellschaft A.G., Hamburg, gegr. 1901 RM 32.118.510,00 RM 10.560.881,00 ·············································································································································· Hamburg-Mannheimer Versicherungsgesellschaft A.G., Hamburg, gegr. 1899 RM 6.377.235,00 RM 6.746.910,00 ·············································································································································· Europäischer Lloyd Versicherungsgesellschaft A.G., Berlin, gegr. 1923 RM 1.052.757,00 RM 1.077.530,00 ·············································································································································· Hamburg-American Insurance Company, New York, gegr. 1925 $ 0,00 $ 500.000,00 ·············································································································································· Die Danzig-Versicherungsgesellschaft A.G., Danzig, gegr. 1786 $ 2.662.051,00 $ 1.052.620,00 ·············································································································································· Wiener Rückversicherungsgesellschaft A.G., Wien, gegr. 1869 ö. Sch. 8.174.850,00 ö. Sch. 11.227.811,00 ·············································································································································· El Fenix Sudamericano Compania Nacional de Reaseguros, Buenos Aires, gegr. 1920 Peso 4.505.853,00 Peso 4.111.819,00 ·············································································································································· La Atlantica Sociedad Anonimade Seguros Generales, Buenos Aires, gegr. 1919 Peso 1.105.543,00 Peso 2.014.609,00

·············································································································································· 108 Nach Stammbaum 2, S. 44 f. 109 Nach Mutzenbecher, Versicherer, S. 147. In den Jahren 1901‒1925 fanden zahlreiche Firmenverkäufe und einzelne -zukäufe statt, so dass diese Übersicht mit der vorherigen keine Übereinstimmung aufweist. ··············································································································································

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Literatur

Zur Quellenlage: Cords, Herbert: Hamburg und Hamburger, Große Teile des Nachlasses der Familie Mutzenbe- in: Der Heimatbote, Bürger- und Heimatverein cher befinden sich im Staatsarchiv Hamburg. Nienstedten, Januar 1994, S. 15–16 Wichtig für die vorliegende Arbeit ist vor allem das Damman, Walter. H.: Franz Matthias Mutzen- dort befindliche handgeschriebene Tagebuch der becher, in: Die Literarische Gesellschaft 5 (1919), Emma Maria Mutzenbecher (Bestand 622–1/408, S. 192–196 Standort m1, 109a, 01, 01; Verzeichnis lfd. Nr. 108). Deutsches Geschlechterbuch, Genealogi- Aus Privatbesitz ist von besonderer Bedeutung das sches Handbuch bürgerlicher Familien, Band 19 zweibändige, ebenfalls handgeschriebene Tagebuch (Hamburger Geschlechterbuch, Band 2), hg. v. der Anna Margaretha Mutzenbecher. Dieses Doku- Bernhard Koerner, Görlitz 1911 ment sowie weitere Arbeiten, die im folgenden Ver- Deutsches Geschlechterbuch, Genealogi- zeichnis und in den Anmerkungen aufgeführt sind, sches Handbuch bürgerlicher Familien, Band 171 wurden dem Verfasser von den Besitzern großzügig (Hamburger Geschlechterbuch, Band 12), hg. v. zur Einsichtnahme überlassen, wofür ihnen an die- Hildegard von Marchtaler, Limburg a. d. Lahn 1975 ser Stelle herzlich gedankt sei. Evans, Richard J.: Tod in Hamburg. Stadt, ··································································· Gesellschaft und Politik in den Cholera-Jahren Quellen und Sekundärliteratur: 1830-1910, Reinbek bei Hamburg 1996 Alt, Peter-André: Mode ohne Methode? Über- Gerhardt, Johannes: Die Begründer der legungen zu einer Theorie der literaturwissenschaft- Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung, lichen Biographik, in: Klein, Christian (Hg.): Hamburg 2007 (Mäzene für Wissenschaft) Grundlagen der Biographik. Theorie und Praxis des Ders.: Sophie und Carl Heinrich Laeisz. Eine bio- biographischen Schreibens, Stuttgart, Weimar graphische Annäherung an die Zeiten und Themen 2002, S. 23–39 ihres Lebens, Hamburg 2007 (Mäzene für Wissen- [Anonym:] „Albingia“ 1901–1951, „Albingia“ Mo- schaft) natsblatt, Sondernummer zum 50jährigen Bestehen Gobert, Ascan K.: Der Zwiebelfisch. Berichte, der Gesellschaft, Hamburg 1951 [unpaginiert] Erzählungen und Feuilletons eines Hamburger [Anonym:] 50 Jahre Hamburg-Mannheimer Ver- Kultursenators. Herausgegeben von Helmut Stub- sicherungs-Aktien-Gesellschaft, in: 50 Jahre Ham- be-da-Luz, Helmut, Husum 2002 burg-Mannheimer Versicherungs-Aktien-Gesell- Grosskopf, Rudolf: Alfred Lichtwark, Ham- schaft Hamburg. 1899–1949, Hamburg 1949 (Mo- burg 2002 (Hamburger Köpfe) natsblätter der Hamburg-Mannheimer Versiche- Hipp, Hermann: Freie und Hansestadt Ham- rungs-Aktien-Gesellschaft; 4), S. 20–32 burg. Geschichte, Kultur und Stadtbaukunst an Bertheau, Franz R.: Chronologie zur Ge- Elbe und Alster, Köln 1989 schichte der geistigen Bildung und des Unterrichts- Jendrowiak, Silke: Der Forschung Der Lehre wesens in Hamburg von 831 bis 1912, Hamburg 1912 Der Bildung. Hamburg und seine Universität, Hamburg 1994

| 62 | Koch, Peter: Der hamburgische Beitrag zur Plass, F[riedrich], unter Mitarbeit von Fried- Entwicklung des Versicherungswesens in Deutsch- rich Robert Ehlers: Geschichte der Assecuranz und land, in: Versicherungswirtschaft 49 (1994), S. 274– der hanseatischen Seeversicherungs-Börsen Ham- 287 burg – Bremen – Lübeck, Hamburg 1902 Melle, Werner von: Dreißig Jahre Hamburger Schröder, Carl August: Aus Hamburgs Blü- Wissenschaft 1891–1921. Rückblicke und persönli- tezeit. Lebenserinnerungen, Hamburg 1921 che Erinnerungen, Band 2, Hamburg 1924 Stammbaum der Familie Mutzenbecher Ders.: Jugenderinnerungen. Mit einer familienge- 1636–1971, 2 Bände, Witzhave 1973 schichtlichen Einleitung, Hamburg, Braunschweig, Ullrich, Volker: Die schwierige Königsdiszi- Berlin o. J. [1928] plin. Das biografische Genre hat immer noch Kon- Merck, Heinrich: Vom gewesenen Hamburg. junktur. Doch was macht eine gute historische Bio- Nach eigenen Erinnerungen aufgezeichnet, Ham- grafie aus?, in: Die Zeit Nr. 15 (4. April 2007), burg 1953 S. 51–52 Mutzenbecher, Franz F[erdinand]: [Rück- Vorwerk, G. Adolph: Ein Hamburger Am- blick 1941], Plön i. H.: Hermann Sönksens Buch- biente, Hamburg 1991 druckerei u. Verlag (1941) [Broschüre aus Privatbe- sitz, vorderer Umschlag mit Titelangabe nicht er- halten.] Mutzenbecher, Franz Matthias: Zur Lehre ··································································· vom Persönlichkeitsrecht. Dissertation zur Erlan- Trotz sorgfältiger Nachforschungen konnten nicht gung der Doctorwürde an der Juristischen Fakultät für alle Abbildungen die Rechteinhaber ermittelt der Universität Heidelberg, Hamburg 1909 werden. Sollte jemand in urheberrechtlicher Bezie- [Ders.]: Dr. Klügmann, in: Hamburgischer Cor- hung Rechte geltend machen, so möge er sich an respondent Nr. 427 (23. August 1913), S. 1 [ohne An- die Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung wen- gabe des Verfassers] den. Mutzenbecher, Geert-Ulrich: Die Versi- ··································································· cherer. Geschichte einer Hamburger Kaufmanns- Bildnachweis: familie, Hamburg 1993 Historisches Archiv der AXA Konzern AG Ders.: Die Mutzenbechers. Roman einer hansea- Privatarchiv Monika Hanke tischen Familie 1619 bis heute, Hamburg 2000 Privatarchiv Almut Mutzenbecher Mutzenbecher, Heinrich: Unsere Eltern in- Privatarchiv Geert-Ulrich Mutzenbecher mitten ihrer Hamburger Umwelt 1883–1913. Erin- Staatsarchiv Hamburg, 215 Mu 462; 215 Mu 471; Be- nerungen und Aufzeichnungen eines Achtzigjähri- stand 622–1/408 Familie Mutzenbecher, lfd. Nr. gen, Hamburg 1968 [maschinenschriftliches Typo- 108 skript, 48 Seiten] Plass, F[riedrich], unter Mitarbeit von Friedrich Neue Deutsche Biographie, Band 18, Berlin Robert Ehlers: Geschichte der Assecuranz und 1997 der hanseatischen Seeversicherungs-Börsen Ham- Nicolaysen, Rainer: „Vitae, nicht vita“. Über burg – Bremen – Lübeck, Hamburg 1902 Vertreibung und Exil des Osteuropa-Historikers Richard Salomon (1884–1966), in: Hering, Rainer / Nicolaysen, Rainer (Hg.): Lebendige Sozialge- schichte. Gedenkschrift für Peter Borowsky, Wies- baden 2003, S. 633–659

| 63 | Impressum Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung Bibliografische Information der Deutschen Natio- Edmund-Siemers-Allee 1, Raum 113 nalbibliothek 20146 Hamburg Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese http://hmb-wiss-stift.de Publikation in der Deutschen Nationalbiografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Die Online-Version dieser Publikation ist auf der Verlagswebsite frei verfügbar (open access). Die Deutsche Nationalbibliothek hat die Netzpublika- tion archiviert. Diese ist dauerhaft auf dem Archiv- server der Deutschen Nationalbibliothek verfügbar.

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