ISSN0042-384X N20196F

ZEITSCHRIFT FÜR DIE VEREINTEN NATIONEN UND IHRE SONDERORGANISATIONEN BONN APRIL 1986 34. JAHRGANG • PREIS 3,50 DM VEREINTE NATIONEN

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HERAUSGEBER: DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR DIE VEREINTEN NATIONEN (DGUN)

VERLAG: MÜNCH-VERLAG KOBLENZ POSTFACH 1560 INHALTSVERZEICHNIS 2/86 DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR DIE VEREINTEN NATIONEN BONN Abrüstung und Entwicklung

Die Herausforderung an die internationale Gemeinschaft Präsidium: im Jahr des Friedens 45 Dr. Hans Arnold von Dr. , MdB Heinz-Georg Binder 1986: Internationales Friedensjahr 47 Paul Bocklet Willy Brandt, MdB Neue Ansätze bei den Abrüstungsstudien der Vereinten Nationen . . 49 Ernst Breit von Friedrich Ruth Dr. Johannes Joachim Degenhardt Dr. Klaus von Dohnanyi, MdBü Abrüstung in Europa als Beitrag zum internationalen Frieden Dr. Erhard Eppler Die Bedeutung atomwaffenfreier und chemiewaffenfreier Zonen . . 53 Prof. Dr. Iring Fetscher von Dr. Katharina Focke, MdEP Dr. Walter Gehlhoff Atomwaffenfreie Zonen — Versuch einer kritischen Würdigung . . 57 Hans-Dietrich Genscher, MdB von Hans Klein Dr. Wilfried Guth Karl Günther von Hase Gewissen und Gewalt Dr. , MdB Das Recht auf Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen Dr. Hanna-Renate Laurien, MdA Dr. Hans-Werner Lautenschlager in der internationalen Diskussion 60 von Asbjorn Eide Prof. Dr. Martin Löffler Wolfgang Mischnick, MdB Über unwillkommene Nachrichten Prof. Dr. Hermann Mosler Prof. Dr. Karl Josef Partsch Der Beitrag der Friedens- und Konfliktforschung zur Sicherung , MdB des Friedens und zur Überwindung von Gewalt 64 , MdB von Karlheinz Koppe Kurt Seinsch Lothar Späth, MdL Die Kriege der Nachkriegszeit Dr. , MdB Interne und internationale bewaffnete Konflikte von 1945 bis 1985 Dr. Hans-Jochen Vogel, MdB von Ulrike Borchardt, Georgios Kaouras, Anja Malanowski und Ursula Niebling Dr. Jürgen Warnke, MdB Rüdiger Freiherr von Wechmar Aus dem Bereich der Vereinten Nationen: Günther van Well Herbe Kritik eines Insiders an den Vereinten Nationen (7), Golfkrieg im sechsten Jahr (8), Nichtverbreitungsvertrag (9), Weltraumfragen (10), >Bonner Konvention* schützt bestimmte Tierarten (11), Anti-Apartheid- Vorstand: Konvention (12), Washington nimmt IGH-Unterwerfung zurück (13), Dr. , MdB, Darmstadt IGH verwirft einen Wiederaufnahmeantrag (14), Söldnerunwesen (15), (Vorsitzende) Völkerrechtsentwicklung (16), Internationales Handelsrecht (17) . . . 75 Leni Fischer, MdB, Neuenkirchen (Stellv. Vorsitzende) von Klaus Hüfner, Andreas Käde, Martina Palm-Risse, Horst Risse, Wilfried Skupnik, Prof. Dr. Klaus Hüfner, Berlin Kurt Wockenfoth und Rüdiger Wolfrum (Stellv. Vorsitzender) Oskar Bartheis, Leinfelden-Echterdingen Dokumente der Vereinten Nationen: Dr. Mir A. Ferdowsi, München Irak-Iran 82 Wolfgang Lüder, Berlin Prof. Dr. Volker Rittberger, Tübingen Literaturhinweise 83 Dr. Konrad Stollreither, München von Rüdiger Wolfrum und Redaktion Prof. Dr. Christian Tomuschat, Bonn Karsten D. Voigt, MdB, Frankfurt Die Mitgliedschaften in UN-Organen im Jahre 1986 (Tabelle) 84 Prof. Dr. Rüdiger Wolfrum, Kiel

VEREINTE NATIONEN • Zeitschrift für die Vereinten Nationen, ihre Sonderkörperschaften und Sonderorganisationen. — Begründet von Kurt Seinsch. Landesverbände: ISSN: 0042-384X Wolfgang Lüder Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN), Bonn. Vorsitzender Landesverband Berlin Chefredakteur: Dr. Volker Weyel, Simrockstraße 23, 5300 Bonn 1,

Die Herausforderung an die internationale Gemeinschaft im Jahr des Friedens WILLY BRANDT

OHNE FRIEDEN IST ALLES ANDERE NICHTS ben. Aber man muß auch sehen, daß etliche Regierungen, die sich um grundsätzliche Reformen und Veränderungen im In• In den vergangenen Jahren hat sich die Rüstungsspirale immer nern bemühten, von der Oberschicht im eigenen Land und vom schneller gedreht. Dadurch hat sich die Gefahr für den Weltfrie• Ausland als >pro-kommunistisch< verteufelt wurden und keine den erhöht, ohne daß sich an der grundsätzlich prekären Unterstützung fanden. Ein klassischer Fall dieser Art war die Gleichgewichtslage zwischen Ost und West etwas geändert hät• Agrarreform der seinerzeitigen chilenischen Regierung, die von te. Allerdings hat die jüngste Entwicklung sehr viel deutlicher den genannten Kräften erfolgreich untergraben wurde. werden lassen, wie sehr auch die wirtschaftlich stärksten Natio• Auch international geht es um mehr Gerechtigkeit, und es wäre nen unter dem Druck der Rüstungsausgaben leiden. Es steht eine Illusion, die Minderung der Spannungen in der Welt allein jetzt völlig außer Frage, daß der Rüstungswettlauf aus wirt• von besserer Rüstungskontrolle zu erwarten. Nur wenn das schaftlichen Gründen nicht endlos weitergehen kann, auch grundlegende Ungleichgewicht in der Welt verändert wird, wenn es rein technisch die Möglichkeit gibt, noch immer neue, kann man die hieraus resultierenden Spannungen vermindern. verfeinerte Vernichtungssysteme zu entwickeln — wobei deren Nur wenn wir es schaffen, das System so zu ändern, daß kein Wert sich aber kaum noch ermitteln läßt, weil sie nur in der einzelnes Land — und keine einzelne Gruppe von Ländern — praktischen Anwendung wirklich erprobt werden könnten. dominiert und wir das Problem der bestehenden Ungleichheit Gegenwärtig scheint die Politik — die Sicherheitspolitik im gemeinsam angehen, nur dann wird man die Aussichten auf engeren Sinne, die Außenpolitik, die Entwicklungspolitik — im• Frieden wirklich verbessern können. mer mehr zum Gefangenen der Technologie zu werden. Doch gibt es auch Anzeichen dafür, daß allmählich Zweifel an der Richtigkeit des bisherigen Kurses der Supermächte und der NEUES VERSTÄNDNIS VON SICHERHEIT Blöcke auftreten. So findet man jetzt in offiziellen sowjetischen Man muß erkennen, daß unsere Welt in einem starken Wandel Verlautbarungen zum ersten Mal Hinweise auf den Zusammen• ist und wir vermutlich nicht viel Zeit haben, den Prozeß wenig• hang zwischen Rüstung und Entwicklung. Das erscheint mir stens teilweise zu steuern. Die überall feststellbaren Schwierig• wichtig. Und es bleibt zu hoffen, daß in dieser Richtung auch keiten des sozialen Umbruchs sind ein klares Zeichen: Der Ver• Verhandlungen und Gespräche zwischen den beiden Super• lust der nationalen Souveränität im Bereich der grenzüber• mächten geführt werden. Denn es besteht kein Zweifel darüber, schreitenden Wirtschaft, der verfehlte Versuch verstärkter Hin• daß alle Bemühungen im Rahmen der Vereinten Nationen ohne wendung zu nationalen und bilateralen Bemühungen um Kon- eine Annäherung zwischen den Supermächten in diesen Fragen nicht vorankommen können. Ohne gewisse Fortschritte in die• ser Richtung wird auch die von den Vereinten Nationen für die zweite Julihälfte nach Paris einberufene internationale Konfe• renz über den Zusammenhang zwischen Abrüstung und Ent- Autoren dieser Ausgabe wicklung< ohne Ergebnisse enden. Ulrike Borchardt, geb. 1952, Georgios Kaouras, geb. 1952, Anja Bei dieser Sachlage darf nun aber nicht übersehen werden, daß Malanowski, geb. 1960, und Ursula Niebling, geb. 1956, gehö• für den größeren Teil der Menschheit die europäische Sicht des ren der von Professor Gantzel geleiteten Arbeitsgemeinschaft Sicherheitsproblems mehr oder weniger irrelevant geworden Kriegsursachenforschung an der Universität Hamburg an. ist. Die Dritte Welt vor allem hat in den Jahren seit dem Zwei• ten Weltkrieg unter den seither ausgetragenen oder noch an• Willy Brandt, MdB, geb. 1913, ist Träger des Friedensnobelprei• dauernden, in diesem Heft aufgelisteten 160 Kriegen mit soge• ses (1971). 1969-1974 Bundeskanzler, 1966-1969 Bundesminister nannten konventionellen Waffen zu leiden gehabt. Und dabei ist des Auswärtigen. Vorsitzender der Unabhängigen Kommission nicht zu übersehen, welche verheerende Wirkung auch diese für internationale Entwicklungsfragen und der Sozialistischen Waffen haben. Die meisten dieser Kriege sind die direkte oder Internationale. mittelbare Folge der bestehenden Verhältnisse, der herrschen• Dr. Asbjorn Eide, geb. 1933, ehemaliger Direktor des Internatio• den Ungerechtigkeit, des Hungers, der Armut und der unvor• nalen Friedensforschungsinstituts Oslo (PRIO), war Berichter• stellbaren allgemeinen Misere. Und Leute, die von dort kom• statter der Menschenrechts-Unterkommission über das Recht men, sagen uns wohl mit Recht: Die Menschen, die so leben und auf Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen. so leiden, verstehen es überhaupt nicht, wenn sie von uns hören, Friede sei wichtiger als Ungerechtigkeit. Der Kampf um mehr Hans Klein (München), MdB, geb. 1931, ist außenpolitischer Gerechtigkeit, ob in Südafrika, in Afghanistan oder in Mittel• Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Journalist; von amerika, wird nicht deshalb aufhören, weil er möglicherweise 1959-1964 Presseattache an verschiedenen Botschaften. 1965 zu einem Konflikt zwischen den Supermächten, zwischen Ost pressepolitischer Referent bei Bundeskanzler Erhard. und West werden könnte. Diese Sorge liegt den aus Verzweif• lung Kämpfenden sehr fern. Ich glaube, das darf man nicht ver• Karlheinz Koppe, geb. 1929, ist Leiter der Arbeitsstelle Frie• gessen — auch wenn man aus einer umfassenderen Sicht sagen densforschung Bonn (AFB). 1972-1983 Vorstand der Ende 1983 kann: Ohne Frieden ist alles andere nichts. aufgelösten Deutschen Gesellschaft für Friedens- und Konflikt• Deshalb geht es neben der dringend erforderlichen Verständi• forschung (DGFK). gung zwischen den Supermächten vor allem auch um die Lö• Dr. Friedrich Ruth, geb. 1927, Botschafter im Auswärtigen Amt, sung der Probleme des Hungers, der Armut, der Ungerechtig• ist Beauftragter der Bundesregierung für Fragen der Abrüstung keit — also um Entwicklung — in der Dritten Welt. Denn diese und Rüstungskontrolle. Seit 1983 ist er Mitglied des Beirats des Probleme sind die Wurzel so vieler Auseinandersetzungen und UN-Generalsekretärs für Abrüstungsstudien. Spannungen, die wiederum von den Supermächten ausgebeutet werden können, solange die sich nicht verständigen. Karsten Voigt, MdB, geb. 1941, ist außenpolitischer Sprecher Dabei geht es keineswegs nur um die Minderung der Armut der SPD-Bundestagsfraktion. 1969-1972 Bundesvorsitzender der und Not in den einzelnen Ländern. Es ist keine Frage, daß viele Jungsozialisten, 1971-1973 Vizepräsident der Internationalen Länder ungenügende eigene Anstrengungen unternommen ha- Union sozialistischer Jugend.

Vereinte Nationen 2/86 45 trolle über einen Bereich, der so objektiv nicht kontrolliert wer• Aufgabe des Staates beziehungsweise der Staaten anerkannt den kann — das ist wohl das klarste Zeichen der gegenwärtigen ist. Dies wiederum hängt ab vom allgemeinen Verständnis der weltweiten politischen Verwirrung. Bisher fehlt uns eine Ant• Bürger und was sie für wichtig und richtig halten. In diesem wort auf diese politische Herausforderung. Die Sozialwissen• Zusammenhang sind natürlich auch die Gründe wichtig, die den schaften scheinen noch nicht einmal eine angemessene theore• einzelnen veranlassen, etwas für wichtig zu halten. Und jeder• tische Lösung gefunden zu haben. Und die Politik versucht es mann weiß, daß es hierüber auch unterschiedliche Ansichten wie so oft mit den Rezepten von vorgestern. geben kann. Zu den vordringlichen Aufgaben einer konstruktiven interna• Ich glaube, daß in unserem hier betrachteten Zusammenhang tionalen Politik gehört es darum, ein neues, umfassenderes Ver• zwischen Rüstung beziehungsweise Abrüstung und Entwick• ständnis von Sicherheit zu gewinnen. Dazu auch die Einsicht, lung nun allerdings kein Unterschied über das Ziel bestehen daß ein rein militärisches Verständnis von Sicherheit bei wei• kann. Denn alle wollen mehr Sicherheit, nicht weniger. Alle tem nicht ausreicht, wenn die heutigen und die voraussehbaren sagen, sie wollen mehr Gerechtigkeit, nicht weniger. Anders Probleme gelöst werden sollen. Weltweit kann wirkliche Sicher• steht es mit dem Weg dorthin. Hier gibt es weiterhin unter• heit nur gewonnen werden, wenn in einer gemeinsamen An• schiedliche Ansichten und ein ganz fundamentales Dilemma. strengung nicht nur der Anhäufung von Waffen ein Ende ge• Denn weil weder die grundsätzliche Debatte über Sicherheit macht wird, sondern wenn auch die anderen und für viele Men• noch die Kenntnis der Lage in der Dritten Welt eine einfache schen in vielen Ländern wichtigeren Ursachen der Spannungen Sache ist, haben viele Menschen kaum die Möglichkeit zu ei• und Konflikte beseitigt werden. Das Überleben der Menschheit nem abwägenden Urteil aufgrund ihrer Kenntnisse der Tatsa• hängt gewiß nicht allein von militärischem Gleichgewicht, son• chen, sondern sind angewiesen auf simple Thesen und Gefühle, dern ebenso von einer Minderung der weltweit bestehenden wobei oft eine allgemeine Angst das Hauptmotiv ist. Ungerechtigkeit ab. Unter solchen Umständen ist so etwas wie die Rüstungsspirale Viel von der Unsicherheit in der Welt steht in unmittelbarem verständlich, ja sie erscheint durchaus logisch. Und erst, wenn Zusammenhang mit den krassen Unterschieden zwischen rei• die Angst überwunden werden kann, gibt es einen Ausweg aus chen und armen Ländern, und unerträgliche Ungerechtigkeit dem Dilemma. Leicht kann offenbar die Vorstellung bei vielen und Massenhunger sind die Wurzel der Instabilität. Gleichzeitig erzeugt werden, daß man sich gegen einen gefährlichen Feind werden unvorstellbare Summen für Rüstung und Militär aufge• schützen müsse und daß ein gefährlicher Feind auch existiere. wendet, werden die besten Köpfe in den Industrieländern in der Denn haben wir (Deutsche, Franzosen, Amerikaner etc.) nicht Erforschung und Entwicklung neuer Waffen beschäftigt. Eine immer Feinde gehabt? Dagegen steht nun aber, daß wir heute Kontrolle der sogenannten Verteidigungsausgaben und die Ver• weder Frankreich als Feind betrachten, noch uns selber als wendung eines Teils der eingesparten Mittel für die Entwick• angriffswillig sehen. Das war früher anders. Die einen wie die lung würde die Sicherheit in der Welt weit mehr erhöhen als die anderen sahen im jeweiligen Nachbarn den Feind und waren militärische Verwendung der Mittel. Für die Masse der Mensch• deshalb gewillt, sich auf Krieg — die Fortsetzung der Politik heit, von deren Lebensqualität und Befriedigung der Grundbe• mit anderen Mitteln — vorzubereiten. (Ohne Scheu nannte man dürfnisse zu reden ein reiner Hohn ist, wäre dies endlich ein ja auch Kriegsministerium, was inzwischen überall Verteidi• Funken Hoffnung auf ein etwas erträglicheres Dasein. gungsministerium heißt — und eben nicht einfach im Sinne von Natürlich stellt sich immer wieder die Frage, wer denn diesen Orwell.) offensichtlichen Wahnsinn organisiert, wer ihm ein Ende berei• Das ist heute ganz anders. So wird berichtet, daß vor einiger ten kann, und wie das geschehen könnte. Denn jede recht will• Zeit in der Sowjetunion eine Propagandakampagne der politi• kürlich zusammengestellte Liste von Tatsachen, die irgendje• schen Führung keineswegs zu dem gewünschten Ziel führte. Es mand zu verantworten hat, zeigt unmittelbar das ganze Ausmaß zeigte sich nämlich, daß die Frauen und Mütter angesichts der des gegenwärtigen Widersinns auch für den, der vielleicht noch Behauptung der angeblich sehr gestiegenen Gefahr von seiten nicht von der Forderung nach mehr Gerechtigkeit überzeugt ist. des Feindes in große Sorge gerieten; sich sorgten um ihre Män• Man muß sich immer wieder vorstellen, was das bedeutet, ner und Söhne, die sie keineswegs in den glorreichen Kampf wenn schicken wollten; vielmehr baten sie mit Tränen in den Augen > etwa ein Fünftel aller Wissenschaftler und Techniker der die Abgesandten der politischen Führung, alles nur Mögliche zu Welt in der militärischen Forschung und Entwicklung tätig tun, um das Schlimmste zu verhindern, nur ja Frieden zu be• ist (und dabei handelt es sich vielfach um die fachlich besten wahren. Leute); Wenn das so ist — und das läßt sich ja durchaus prüfen —, dann > wenn seit 1945 in 160 Kriegen mehr als 20 Millionen Men• gilt eben die These nicht, daß man von früher so einfach auf schen getötet wurden, darunter 95 Prozent Zivilisten (zum heute und morgen schließen kann und muß. Und wer bei uns im Vergleich: im Ersten Weltkrieg 10 Millionen Tote, davon 5 Lande würde sich denn nicht ganz entschieden dagegen weh• Prozent Zivilisten; im Zweiten Weltkrieg 55 Millionen Tote, ren, daß wir unabänderliche Militaristen und Expansionisten davon 50 Prozent Zivilisten); seien? > für vier Milliarden Dollar — die weltweiten Militärausgaben So sehe ich denn eine Verbindung entstehen zwischen der Ein• von wenig mehr als einem Tag — innerhalb von zehn Jahren sicht, die sich unter den Experten ausbreitet, und dem allmäh• sauberes Trinkwasser für alle Menschen zur Verfügung ge• lich überall feststellbaren Wunsch der Menschen und ihrem stellt werden könnte; wachsenden Verständnis davon, daß heute Sicherheit nicht > die zur Zeit vorhandenen rund 50 000 atomaren Sprengköpfe mehr gegeneinander, sondern nur noch gemeinsam gewonnen etwa 20 Milliarden Tonnen herkömmlichen Sprengstoffs werden kann. Aber auch, daß eine kleine reiche Minderheit sich (TNT) entsprechen: das ist beinahe siebentausendmal so viel auf Dauer nicht in einem Meer der Armut und der Not gleich• wie der gesamte im Zweiten Weltkrieg eingesetzte Spreng• sam wie auf einer Insel behaupten kann. Und wenn es mir stoff (3 Millionen t). dabei nicht so sehr darauf ankommt, ob das aus wirtschaftli• Weder schön und schon gar nicht gut, wird man sagen; aber was chen oder moralischen Gründen nicht funktionieren kann, so soll man tun? Da muß ich immer an einen Ausspruch meines möchte ich doch einen zusätzlichen Hinweis nicht außer acht Freundes Peter Ustinov denken, der einmal sagte: lassen. »Ich bin noch nie aufgefordert worden, Geld für den Unterhalt von Sol• daten zu spenden, weil der Staat ja dafür Sorge trägt. Ich werde aber laufend aufgefordert, Geld für Arme, für Menschen in der Dritten Welt GEGEN ARMUT, HUNGER, UNGERECHTIGKEIT zu spenden, weil der Staat für sie offenbar nicht sorgt.« Der Staat und die internationale Staatengemeinschaft sorgen Wir neigen dazu, die Welt aus dem europäischen Blickwinkel zu aber nur für das, was allgemein als wichtig und richtig und als sehen. Das ist natürlich. Aber es ist auch gefährlich. Man redet

46 Vereinte Nationen 2/86 1986: Internationales Friedensjahr

GENERALVERSAMMLUNG —- Gegen• chung der Ziele des Internationalen vertrauensbildende Maßnahmen, Abrü• stand: Internationales Friedensjahr. Friedensjahres zu unterstützen; stung, die Erhaltung des Weltraums für — Resolution 40/3 vom 24,Oktober 3. ersucht den Generalsekretär, für eine friedliche Nutzungszwecke, die Entwick• 1985 möglichst weite Verbreitung dieser lung, die Förderung und Ausübung der Proklamation Sorge zu tragen. Menschenrechte und Grundfreiheiten, Abstimmungsergebnis: Ohne förmliche die Entkolonisierung nach dem Grund• Die Generalversammlung, Abstimmung angenommen. satz der Selbstbestimmung, die Beseiti• — unter Hinweis auf ihre Resolution gung von Rassendiskriminierung und 37/16 vom 16. November 1982, in der Apartheid, die Steigerung der Lebens• sie das Jahr 1986 zum Internationa• qualität, die Befriedigung menschlicher ANHANG len Friedens] ahr erklärte, Bedürfnisse und den Schutz der Umwelt — in der Erkenntnis, daß das Interna• zum Ziel haben, tionale Friedensjahr wegen seiner Proklamation des da die Völker in Frieden miteinander le• Bedeutung und seiner Verknüpfung Internationalen Friedensjahres ben und Toleranz üben müssen und da mit dem vierzigjährigen Bestehen Bildung, Information, Wissenschaft und der Vereinten Nationen dazu dienen Da die Generalversammlung einmütig Kultur anerkanntermaßen einen Beitrag muß, den Schwerpunkt der Bemü• beschlossen hat, am 24. Oktober 1985, hierzu leisten können, hungen der Vereinten Nationen und dem Tag der Feier des vierzigjährigen da von dem Internationalen Friedens• ihrer Mitgliedstaaten auf die Förde• Bestehens der Vereinten Nationen, feier• jahr ein rechtzeitiger Anstoß zu erneu• rung und Verwirklichung des Frie• lich das Internationale Friedensjahr zu ter, auf die Förderung des Friedens ge• densideals mit allen nur erdenkli• verkünden, richteter Reflexion und Aktion ausgeht, chen Mitteln zu legen, was ja auch da die Feier des vierzigjährigen Beste• da das Internationale Friedensjahr den das Hauptziel der Charta ist, hens der Vereinten Nationen eine ein• Regierungen, den zwischenstaatlichen und nichtstaatlichen Organisationen — in der Erwägung, daß die Bemühun• zigartige Gelegenheit zur erneuten Ver• und anderen Gelegenheit bietet, dem al• gen und Aktivitäten zur Herbeifüh• pflichtung auf die Ziele und Grundsätze len Völkern gemeinsamen Streben nach rung positiver Ergebnisse in der in• der Charta der Vereinten Nationen bie• Frieden auf konkrete Weise Ausdruck zu ternationalen Zusammenarbeit zur tet, verleihen, Förderung des Friedens während des da der Friede ein universelles Ideal dar• Jahres selbst und für alle Zeiten da• stellt und die Förderung des Friedens da das Internationale Friedensjahr nicht nach intensiviert werden müssen, das Hauptziel der Vereinten Nationen nur Anlaß zu feierlichem Gedenken ist, 1. billigt die Proklamation des Interna• ist, sondern auch Gelegenheit zu schöpferi• tionalen Friedens] ahres, deren Wort• da die Förderung des Friedens und der scher und systematischer Reflexion und laut im Anhang zu dieser Resolution internationalen Sicherheit seitens der Aktion zur Verwirklichung der Ziele der enthalten ist; Staaten und Völker kontinuierliche und Vereinten Nationen bietet, 2. bittet alle Staaten, alle Organisatio• konstruktive Maßnahmen erfordert, die > erklärt die Generalversammlung das nen im System der Vereinten Natio• die Verhütung des Krieges, die Beseiti• Jahr 1986 daher feierlich zum Inter• nen und die interessierten nichtstaat• gung verschiedener Bedrohungen des nationalen Friedensjahr und fordert lichen Organisationen, die Organisa• Friedens — einschließlich der nuklearen alle Völker auf, sich gemeinsam mit tionen in den Bereichen Bildung, Bedrohung—, die Achtung des Grund• den Vereinten Nationen entschlossen für die Sicherung des Friedens und Wissenschaft, Kultur und Forschung satzes der Nichtanwendung von Gewalt, der Zukunft der Menschheit einzu• sowie die Nachrichtenmedien, den die Beilegung von Konflikten und die setzen. Generalsekretär bei der Verwirkli• friedliche Regelung von Streitigkeiten,

oft von Bevölkerungsexplosion und Entwicklungsproblemen ungeheuren technischen Möglichkeiten, die wissenschaftlichen mit einem eher unbewegten Gemüt, so als handle es sich um ein Erkenntnisse, die neuen Wege der Nachrichtenübertragung und Problem der anderen. Selten nimmt man wirklich zur Kenntnis, die neuen Verkehrsmittel zum Nutzen verwenden wollen oder was es bedeutet, daß die Welt demnächst über sechs Milliarden zum Schaden. Diese Entscheidung ist noch nicht endgültig ge• Einwohner haben wird und daß der Zuwachs in der Dritten troffen, und sie ist auch nicht vorherbestimmt. Wir sind nicht Welt erfolgen wird. Schon heute lebt jeder zweite Mensch in mit Notwendigkeit Gefangene unbestimmter, unpersönlicher Asien und jeder achte in Afrika. Wie steht es da mit unseren Entwicklungen, die den Mißbrauch von Wissenschaft und Tech• Grundsätzen? Was heißt da Solidarität? Und wie stehen wir da nik notwendig herbeiführen und das Wettrüsten unausweich• im Vergleich zu der von uns mit Recht angeprangerten Apart• lich machen. heid der Weißen in Südafrika? Verteidigen wir etwa auch eine Und ich glaube, es gibt überall in der Welt Anzeichen dafür, daß Art feudaler Lage, in der weltweit die reiche Minderheit im Nor• die Jüngeren dabei sind, sich für einen neuen Weg zu entschei• den der wachsenden armen Mehrheit im Süden Gerechtigkeit den. Man hat gesagt, die absolute Überzeugung von der Richtig• und Gleichberechtigung, ja selbst ein auch nur annähernd men• keit der eigenen Auffassung sei die Wurzel der Konflikte. Und schenwürdiges Dasein versagt? Mir scheint, hier ist eine ge• deshalb sei die Überwindung des Freund-Feind-Denkens und naue Prüfung der bestehenden Verhältnisse angebracht. Da Anerkennung der Daseinsberechtigung des anderen ebenso muß man genau auf das hören, was uns etwa von den Kirchen, wichtig wie der Abbau der Waffenarsenale. Vielleicht haben wir nicht nur denen in Lateinamerika, gesagt wird. Oder was Min• Anlaß zur Hoffnung auch, weil bei den Jüngeren auf der ganzen derheiten bei uns im Norden aus eigener Erfahrung an Rat• Welt Bluejeans >in< sind. Mir scheint, sie sind in zunehmender schlägen geben können. Zahl auch davon überzeugt, daß Atomraketen nicht mehr >in< Ich gehöre nicht zu denen, die jede Hoffnung schon aufgegeben sind. Der Kampf gegen Armut, Hunger und Ungerechtigkeit haben. Die glauben, die Umweltzerstörung schreite bereits so dagegen ist >in<. schnell fort, daß es den Atomkrieg gar nicht mehr brauchen Natürlich kann niemand leugnen, daß wir auch Zeugen entsetz• wird. Ich meine, wir haben noch eine Chance. Aber ich fürchte, licher Rückfälle in das Denken von vorgestern sind. Daß hier sie könnte schnell verspielt werden. Noch haben wir, haben die und da Nationalismus und Großmachtsucht, aber auch der An• Jüngeren die Wahl: sie können noch entscheiden, ob sie die spruch auf die absolute Wahrheit noch einmal in Mode gekom-

Vereinte Nationen 2/86 47 men sind. Doch kann man das wohl für ein nochmaliges Auf• Kennern vertrauten Besonderheit und dem Vetorecht, das be• bäumen alter Kräfte halten, ehe sie verschwinden — oder alles kanntlich nur einigen Mitgliedern zusteht). mit sich reißen. Noch schwieriger wird die Sache dadurch, daß sich einige Son• Nun verliert sich die Diskussion über Rüstung und Entwicklung derorganisationen der Vereinten Nationen, die im Entwick• allzu leicht in punktuelle Auseinandersetzungen über zwar lungsbereich eine besondere Rolle spielen, dadurch auszeich• wichtige, aber zunächst eher am Rande liegende Fragen. Sie nen, daß die Sowjetunion und einige andere Länder des Rates werden im wesentlichen von drei verschiedenen Gruppen vor• für gegenseitige Wirtschaftshilfe ihnen nicht angehören. Wenn gebracht. Da sind zunächst jene Experten, die sich gern als Rea• man also darauf besteht, bestimmte Fragen etwa nur im Rah• listen bezeichnen, für die Abrüstung und Entwicklung nicht men des Internationalen Währungsfonds zu behandeln, bedeu• miteinander verknüpft werden sollten, weil sie angeblich ganz tet das praktisch den Ausschluß jener Länder von diesen Bera• eigenständige Bereiche für sich sind. Dann gibt es jene, die tungen. In der Vergangenheit, als sich die Sowjetunion in die• immer von den anderen — sei es die andere Supermacht, das sen Fragen für nicht zuständig erklärte und als man den Zu• andere Bündnis, die Dritte Welt, das konkurrierende Land oder sammenhang zwischen Rüstung und Entwicklung weithin nicht das Konkurrenzunternehmen — den ersten Schritt fordern. zur Kenntnis nehmen wollte, mag dies kein wichtiges Problem Und schließlich kommt die Gruppe derjenigen, die immer neu gewesen sein. Das hat sich inzwischen geändert. Und jetzt sind behaupten, es käme nicht oder jedenfalls nicht zuerst aufs Geld zumal diejenigen gefordert, die früher mit besonderem Nach• an, sondern auf irgendwelche sonstigen Veränderungen. druck die Beteiligung der Ostblockländer an verstärkten Ent• Die letzte Gruppe — das zeigte sich etwa bei der Kritik am wicklungshilfeleistungen zu fordern pflegten. ersten Bericht der von mir geleiteten Kommission, der Anfang Es gibt genügend Vorschläge zur Verbesserung der Arbeit und

1980 veröffentlicht wurde1 — übersieht regelmäßig zwei Dinge. der Verfahrensweise der Vereinten Nationen und ihrer Sonder• Erstens geht es bei all diesen Erörterungen nicht darum, ob mit organisationen. Ich kann hier die detaillierten Empfehlungen (mehr) Geld allein Verbesserungen zu erreichen sind. Das wird der beiden Berichte meiner Kommission nicht wiederholen2. in aller Regel nicht behauptet oder gemeint, wenn eine Erhö• Sie behalten ihre Gültigkeit und sind angesichts der inzwischen hung des Aufwandes für einen bestimmten Zweck gefordert eingetretenen Entwicklung noch dringlicher geworden. Neuere wird. Vielmehr handelt es sich darum, daß auch die kleinste Berichte aus den Vereinten Nationen selbst bestätigen im übri• Maßnahme etwa in der Entwicklungsförderung Geld kostet. gen unsere frühere Kritik3. Daraus folgt unmittelbar, daß jeder, der mehr tun will — und Daraus ergibt sich, daß die Bundesrepublik Deutschland als der eine möglichst wirksame Verwendung der bereits zur Ver• Mitglied der Vereinten Nationen sich mit diesen Fragen intensi• fügung stehenden Mittel als selbstverständliches, wenn auch ver befassen und zukunftsweisende Vorschläge unterbreiten natürlich nicht überall schon erreichtes Ziel ansieht — auch sollte. Statt dessen bestand und besteht die Neigung, sich hinter den vermehrten Einsatz von Geldmitteln fordern muß. Anders• anderen westlichen Ländern gewissermaßen zu verstecken — herum gilt für den Rüstungsbereich, daß auch hoher Mittelein• wobei es nicht ausbleibt, daß abrupte Kurswechsel (wie etwa in satz die Rüstungsspirale nicht weiter drehen würde, wenn sich der Schuldenfrage) erst mit einem eher peinlichen Abstand die Menschen, einschließlich jener Techniker und Wissen• nachvollzogen werden. schaftler, der entsprechenden Betätigung verweigern wür• Aber die Bundesrepublik kann selbstverständlich auf bestimm• den ... ten Gebieten viel mehr tun, ohne erst auf Vereinbarungen Die zweite Gruppe, die eine Erörterung von Rüstung und Ent• innerhalb der Vereinten Nationen zu warten. Nichts kann uns wicklung auf ein Nebengleis schieben möchte, sind diejenigen, daran hindern, bestimmte Prinzipien jedenfalls in unserem ei• die gern den Finger erheben, auf andere >Sünder< verweisen, genen Fall anzuwenden. Wir können durch eigene Entschei• und auf alle Argumente mit einem entschiedenen >Ja, aber< ant• dung unsere Waffenexporte drastisch verringern, wie das unter worten. Ich brauche das wohl nicht an Beispielen zu verdeutli• anderem von den Kirchen gefordert wird. Wir können bei uns chen. selbst damit anfangen, die Rüstungsausgaben zugunsten der Die Gruppe, die keinen Zusammenhang zwischen den beiden Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit einzuschränken. Bereichen der Rüstung und der Entwicklung herstellen will, Und niemand hindert uns, darüber nachzudenken, ob wir nicht besteht zum einen aus Experten, die auf rein technischem in bestimmten Bereichen unseren Lebensstil und unseren Auf• Wege, durch Raketenzählen, wie man etwas abschätzig gesagt wand, öffentlich und privat, zugunsten verstärkter Investitionen hat, zur Abrüstung kommen wollen. Sie sitzen schon seit langer in der Dritten Welt einschränken sollten. Zeit an den verschiedenen Verhandlungstischen und haben bis• Es kann heute nicht mehr bestritten werden, daß es nicht nur her wenig Fortschritte erzielt. Es gehören in diese Gruppe dann geboten, sondern auch klüger ist, für die Zukunft und in Ent• auch diejenigen, die in den für Weltentwicklung wichtigen Fra• wicklungsvorhaben zu investieren, als die zukünftigen Folgen gen gern auf klarer Kompetenztrennung bestehen, weil angeb• von andauernder Unterentwicklung und Ungerechtigkeit zu be• lich eine Verknüpfung verschiedener Fragen allein in diesem kämpfen, was nicht zuletzt durch Waffenexporte und Militär• Bereich schon nicht zu vertreten sei. Alles kann nach dieser hilfe geschieht. Dabei ist auch jener Streit überflüssig und gera• Ansicht nur schwieriger werden, wenn man nun auch noch dezu unsinnig, der immer wieder darüber entbrennt, ob mehr Rüstung und Entwicklung zusammenbringt. private oder mehr öffentliche Investitionen in der Dritten Welt erforderlich sind. Beides ist dringend nötig. Ja, schon vor Jahr• zehnten war der Aufwand in beiden Bereichen viel zu gering. WAS WIR TUN KÖNNEN Experten beklagten damals, daß die gesamte Entwicklungshilfe Leider vermischen sich hier nun ganz verschiedene Probleme. pro Kopf der Bevölkerung in der Dritten Welt (damals etwa 1,2 Da sind einerseits die >globalen Sachfragen<, wie ich das einmal Milliarden Menschen) sich auf nur 20 US-Cents jährlich belief. nennen möchte. Angelegenheiten, die alle betreffen und ange• Heute schätzt man die Aufwendungen auf etwa 5 US-Dollar pro hen, bei denen alle gleichberechtigt mitreden sollten und die Kopf und Jahr — oder bei Berücksichtigung der Inflation auf miteinander verknüpft sind. Diese globalen Sachfragen zeich• den mit dem damaligen Betrag vergleichbaren Satz von nicht nen sich zudem auch dadurch aus, daß sie nur durch gemein• ganz 1,50 Dollar (bei einer Bevölkerung der Dritten Welt von sam erarbeitete und allgemein akzeptierte Antworten gelöst jetzt 3,6 Milliarden). werden können. Und schon vor drei Jahrzehnten sagten Fachleute, daß die gei• Die gemeinsame Suche nach Lösungen wird nun dadurch er• stige Hilfe<, wie man es nannte — nämlich die Hilfe zu verbes• schwert, daß oft unter gleichberechtigtem Mitreden nichts an• serter Ausbildung, zur Alphabetisierung, die Übertragung von deres verstanden wird, als das Prinzip >ein Land, eine Stimme<, Kenntnissen — von entscheidender Bedeutung sein werde. Da• wie es in den Vereinten Nationen gilt (abgesehen von einer den neben aber müsse die materielle Hilfe vervielfacht werden,

48 Vereinte Nationen 2/86 wenn der Kreislauf der sich reproduzierenden Armut durchbro• riellen Möglichkeiten, sondern nur eine Frage unseres Verstan• chen werden soll. Das ist bisher so wenig Wirklichkeit gewor• des oder unserer politischen Moral: den wie jene andere große Hoffnung, die sich darauf stützte, »Wenn die Ausgaben für Rüstungen auch nur um ein Viertel vermindert daß werden und wenn von diesem Viertel wiederum auch nur ein Viertel für »gerade die höchsten Militärs der westlichen Welt... zu der Erkenntnis den Kampf gegen den Hunger ausgegeben wird, so wird ein völlig neuer Abschnitt der Menschheitsgeschichte beginnen.«6 gekommen (sind), daß es seit der Erfindung der Atomwaffen nur noch Das gilt auch heute noch. ein einziges wirksames Mittel der Verteidigung gibt, nämlich die allge• meine Abrüstung, und es sieht so aus, als ob die hohen Militärs in der Wir haben viel Zeit verloren und sehr viel Geld verschwendet. östlichen Welt mit ihnen darin übereinstimmen.«4 Aber wir haben noch immer die Chance zur Umkehr. Von deut• Vor jenem Hintergrund wurde auch damals schon gesagt, es schem Boden, von dem nie wieder ein Krieg ausgehen darf, liege nahe, einen Teil des Volkseinkommens, der bisher für könnte heute, da wir wirtschaftlich so viel stärker sind, ein ent• Rüstungen ausgegeben wurde und der durch Rüstungsbe• scheidender Schritt zu Frieden und Entwicklung erfolgen, wie schränkungen frei werde, zur Verstärkung des Kampfes gegen er damals versäumt worden ist. den Hunger in der Welt einzusetzen. So schrieb der erste Gene• raldirektor der Welternährungsorganisation (FAO): »Die USA und die Sowjetunion mit ihren Satelliten oder Verbündeten, je Anmerkungen nach der Blickrichtung, könnten die Welt davon überzeugen, daß sie es mit ihrem erklärten Ziel, die Wohlfahrt der Menschheit zu fördern, auf• 1 Willy Brandt (Hrsg.), Das Überleben sichern. Gemeinsame Interessen der richtig meinen. ... Dazu brauchte nur einer dieser Staaten ein klar Industrie- und Entwicklungsländer (Bericht der Nord-Süd-Kommission), umrissenes Angebot zur Zusammenarbeit innerhalb einer internationa• Köln 1980. (Nachdruck unter dem Titel >Der Brandt-Report — Das Überle• ben sichern«, Ullstein Taschenbuch Nr. 34102.) — Siehe auch meinen Beitrag len Behörde zu machen, die die Interessen aller Nationen vertritt, und er in dieser Zeitschrift: Neustrukturierung der internationalen Beziehungen müßte sich bereit erklären, der Behörde zehn oder auch nur fünf Prozent statt >Hilfe<. Die Vereinten Nationen und der Bericht der Unabhängigen des sonst für Rüstungen verwendeten Geldes unter der Voraussetzung Kommission für internationale Entwicklungsfragen, VN 1/1980 S. lf. zur Verfügung zu stellen, daß alle zum Beitritt bereiten Länder den 2 Ders., Hilfe in der Weltkrise. Ein Sofortprogramm (Der 2. Bericht der Nord- Süd-Kommission), Reinbek (rororo aktuell Nr. 5238) 1983. gleichen prozentualen Beitrag leisten.«5 3 Maurice Bertrand, Some Reflections on Reform of the United Nations (UN- Ahnliche Gedanken wurden schon damals auch von anderen Doc. JIU/REP/85/9), Genf 1985. Siehe auch die Darstellung S. 75f. dieser Ausgabe. ausgesprochen. Und schon damals kam man zu dem Schluß, 4 Fritz Baade, Welt-Ernährungswirtschaft, Hamburg (rde Bd. 29) 1956, S. 154. daß diese Idee von einer geradezu bestechenden Logik sei. Wie 5 John Boyd Orr (in Zusammenarbeit mit David Lubbock), Werden nur die wohlhabend die Welt in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts Reichen satt? Des weißen Mannes Schicksalsstunde, Düsseldorf 1954, S. 113. werden könne, so sagte man, sei nicht eine Frage unserer mate- 6 Baade (Anm. 4), S. 155.

Neue Ansätze bei den Abrüstungsstudien der Vereinten Nationen FRIEDRICH RUTH

Die Studien zu Abrüstungsthemen gehören zu dem weitge• Voraussetzung dafür ist abschließender Konsens der beteiligten spannten rüstungskontrollpolitischen Instrumentarium der Experten; wichtig ist auch der nachfolgende Konsens der Gene• Vereinten Nationen. Damit ist auch schon gesagt, daß diese Stu• ralversammlung, auch wenn er nicht ausschlaggebend für das dien keine rein akademischen Arbeiten im Dienste wissen• Zustandekommen einer UN-Studie ist. Die Experten sind heute schaftlicher Wahrheitsfindung, sondern von Hause aus politi• durchweg von den Regierungen benannte Sachverständige. Die scher Natur sind. Seit der ersten Expertenstudie der Weltorga• Zusammensetzung der Expertengremien soll grundsätzlich re• nisation über >Wirtschaftliche und soziale Folgen der Abrü- gional — also für die drei großen Gruppierungen der Abrü• stung< von 1962 sind zahlreiche weitere Studien oder Experten• stungsdebatte: West, Ost, Ungebundene — repräsentativ sein. In berichte zu Themen der Abrüstungsdiskussion in den Vereinten der Generalversammlung können die UN-Mitgliedstaaten ihre Nationen abgeschlossen und von der Generalversammlung an• Haltung zu einem Studienprojekt durch ihr Stimmverhalten, genommen worden. Ihre zunehmende Bedeutung ergibt sich durch Erklärungen zur Abstimmung und schließlich durch be• daraus, daß ihre Zahl bis zur historischen ersten Sondergene• sondere Staatenstellungnahmen zum Ausdruck bringen. Dies ralversammlung über Abrüstung 19781 nur zwölf betrug, in den bedeutet: Während durch die Studien einerseits die Grundlagen noch nicht einmal acht seither vergangenen Jahren jedoch auf für die Verständigung in der Abrüstungsdebatte erweitert wer• 33 anstieg. den sollen, sind sie auch Meinungsspiegel der Abrüstungsdis• Nachdem diese Zeitschrift den UN-Abrüstungsstudien immer kussion und zugleich politische Instrumente globaler Mei• wieder Beiträge gewidmet hat2, möchte ich mich auf die jüng• nungsbildung von entsprechendem politischen Interesse für die sten Studien konzentrieren. Angesichts des begrenzten Raums verschiedenen Gruppierungen. werde ich mich auf einige wichtige Aspekte beschränken und Aus dieser für die Vereinten Nationen typischen Problematik dabei Tendenzen herauszuarbeiten suchen, die zugleich für den erklären sich die Schwierigkeiten, die der erfolgreichen Ausar• Stand der Abrüstungsdiskussion in den Vereinten Nationen ins• beitung von UN-Studien entgegenstehen. Zu Beginn der meist gesamt aufschlußreich sind. zweijährigen und relativ aufwendigen Projekte ist gerade bei politisch umstrittenen Themen das Ergebnis schwer vorausseh• bar. Aus dem Scheitern einer Studie droht nicht zuletzt Kritik Bedeutung und Aufgabenstellung am Verfahren der Weltorganisation. Zu der Reihe institutionel• Studien der Vereinten Nationen im Abrüstungsbereich sollen ler Neuregelungen, die von der ersten Sondergeneralversamm• im Vorfeld und zugleich in Erweiterung der Debatte im lung über Abrüstungsfragen 1978 getroffen wurden (so die 1.Hauptausschuß der Generalversammlung Tatsachen und Zu• Schaffung einer eigenen Abrüstungsabteilung des UN-Sekreta• sammenhänge feststellen, Auffassungen klären und die erreich• riats), gehört deshalb die Einrichtung des Beirats für Abrü• ten Ergebnisse in möglichst allseitig annehmbaren Formulie• stungsstudien. Der vom Generalsekretär berufene Beirat, beste• rungen festhalten. Sie sollen die Basis der gemeinsam getrage• hend aus derzeit 24 hochrangigen Experten, die zweimal jähr• nen Auffassungen verbreitern urd vertiefen, dadurch zum Fort• lich zusammentreten, soll über neu zu beschließende Studien, schritt der Debatte beitragen und, wenn möglich, auch Verhand• vor allem aber auch über grundsätzliche Probleme der Konzep• lungsprozesse fördern. tion von UN-Studien beraten. Seit 1983 gehört ihm auch der

Vereinte Nationen 2/86 49 Beauftragte der Bundesregierung für Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle an. Der Beirat fungiert zugleich als Auf• sichtsgremium des ebenfalls in der Folge der Sondergeneral• versammlung von 1978 geschaffenen UN-Instituts für Abrü• stungsforschung (UNIDIR), einer autonomen, aber mit der Ab• rüstungsabteilung des UN-Sekretariats eng verbundenen Insti• tution. Auch vom UNIDIR werden Studien zu Abrüstungsthe• men erarbeitet. Hier soll jedoch nur von den UN-Studien in engerem Sinne die Rede sein, die von der Generalversammlung selbst beschlossen und verabschiedet werden. Im folgenden erläutere ich einige für die Studienpraxis charak• teristische Beispiele aus neuerer Zeit.

Konventionelle Abrüstung (1984) Die Tatsache, daß mit dieser Studie erstmals das zentrale Thema der konventionellen Rüstungskontrolle behandelt wur• de, zeigt, daß die UN-Studien insgesamt Spiegelbilder der Abrü• stungsdebatte in den Vereinten Nationen sind, wo unter dem Einfluß der Mehrheit aus Osten und starken Kräften der Unge• bundenen das Thema der nuklearen Abrüstung dominiert. Gegen die Einführung des Studienvorhabens durch Dänemark auf der 35. Generalversammlung 1980 stimmten der Osten, aber auch Indien und Brasilien; weitere 27 ungebundene Staaten enthielten sich der Stimme. Als die 36. Generalversammlung im Jahr darauf dann die Durchführung beschloß, waren allerdings die Bedenken gegen die Studie schwächer geworden: es gab nur noch 27 Enthaltungen östlicher und ungebundener Staaten, keine Nein-Stimme mehr. Wolfgang H. Rudolph aus der Bundesrepublik Deutschland ist seit Ende Okto• An der 22köpfigen Expertengruppe waren für den Westen die ber 1985 Direktor des Informationsdienstes der Vereinten Nationen in Wien. Der Wiener Informationsdienst wurde 1984 neu organisiert, um Öffentlich• Vereinigten Staaten, Großbritannien, Italien und wir selbst be• keitsarbeit für die Einheiten des UN-Sekretariats in Wien zu betreiben und teiligt, für den Osten die Sowjetunion, die DDR und die Tsche• um seinen deutschsprachigen Dienst als für die Bundesrepublik Deutschland choslowakei, für die Ungebundenen unter anderem Indien, Bra• und Österreich zuständiges Informationszentrum der Vereinten Nationen ver• stärken zu können. — Wolfgang H. Rudolph, der am 18.Februar 1936 in Berlin silien, Argentinien und Algerien. Die erheblichen Divergenzen geboren wurde, war nach juristischen und politikwissenschaftlichen Studien zwischen den beteiligten Gruppierungen traten schon bei der 1968 in den Auswärtigen Dienst getreten und hat dort verschiedene Aufgaben• bereiche wahrgenommen; unter anderem war er während seiner Tätigkeit im einleitenden Erörterung in der allen UN-Mitgliedern offenste• Planungsstab einer der Redenschreiber des Bundesaußenministers. An der henden Abrüstungskommission (UNDC) zutage, die von der Ge• Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei den Vereinten Na• neralversammlung mit der Erarbeitung von Leitlinien für die tionen in New York war er insgesamt fünf Jahre als Botschaftsrat tätig. Jour• nalistisch hat Rudolph für Presse und Funk gearbeitet. Er hat auch eine Reihe Durchführung der Studie beauftragt worden war. Nach der un• von Gedichten in verschiedenen Literaturzeitschriften und in einer unlängst gewöhnlich hohen Zahl von sieben Sitzungsperioden erreichten erschienenen Anthologie veröffentlicht. Die meisten seiner Veröffentlichun• gen erfolgten unter Pseudonym. die Experten einen Konsens, der jedoch unüberbrückbare Mei• nungsunterschiede bestehen ließ. Der Osten lehnte beispiels• »Wenngleich die Angst vor Kernwaffen angesichts ihrer möglichen ver• weise die westliche Forderung ab, die Studie mit konkreteren heerenden Auswirkungen auf die ganze Welt uns immer gegenwärtig ist, Rüstungsdaten auszufüllen. Die Ungebundenen wandten sich so sind es doch die konventionellen Waffen, die jeden Tag unzählige dagegen, den Staaten der Dritten Welt eine Teilverantwortung Menschenleben fordern.«4 für das weltweite Wachstum der konventionellen Potentiale zu• Wichtig ist auch, daß von Peru in der 40. Generalversammlung zuschreiben. eine Resolution über >Konventionelle Abrüstung auf regionaler 1984 wurde die Studie dennoch von der Generalversammlung Ebene< eingebracht wurde. Damit wurde das Thema auch hin• im Konsens verabschiedet. Für den Westen blieb sie unbefriedi• sichtlich seiner regionalen Aspekte in die Debatte eingeführt. gend, weil seine Bemühungen, die Notwendigkeit stärkerer Einseitige nukleare Abrüstungsmaßnahmen (1984) Transparenz zu verankern, nur geringen Fortschritt erbracht hatten. Dennoch hat er den Konsens im Hinblick darauf mitge• Diese Studie griff ein besonders umstrittenes Thema der Abrü• tragen, daß es durch die Studie zu einem neuen Einstieg in die stungsdebatte auf. Einseitige Zurückhaltung hinsichtlich kon• Diskussion des für uns zentralen Bereichs der konventionellen kreter Rüstungsentscheidungen kann die Auslösung destabili• Waffen gekommen war. Die westlichen Vorbehalte wurden von sierender Entwicklungen verhindern und kann im Einzelfall den Zehn in ihrer von Irland abgegebenen gemeinsamen Erklä• auch mehr Vertrauen schaffen. Es läßt sich jedoch nicht sicher• rung im 1. Hauptausschuß am 9. November 1984 zum Ausdruck stellen, daß es zu wechselseitigen Schritten und damit zu einem gebracht. Sie betonten darin, daß der Rüstungswettlauf bei den stetigen Prozeß der Vertrauensbildung kommt, weil einseitige konventionellen Potentialen ein weltweites und nicht nur ein Maßnahmen jederzeit zurückgenommen werden können. West-Ost-Problem sei. Wir selbst wiesen zusätzlich darauf hin, Die Studie beruht auf einer von Mexiko bei der 38. Generalver• daß die Studie den vielfältigen Spannungen und Konflikten in sammlung eingebrachten Resolution, der der Westen nicht zu• verschiedenen Teilen der Welt als den eigentlichen Ursachen stimmen konnte. In der nur vierköpfigen Studiengruppe mit des konventionellen Wettrüstens zu wenig Aufmerksamkeit einjährigem Mandat waren daher außer Mexiko nur Pakistan, widme. Dasselbe gelte von der Problematik des internationalen Ägypten und Österreich vertreten. Waffentransfers und den Vorschlägen zur Schaffung verbesser• In Übereinstimmung mit dem Schlußdokument der Sonderge• ter Transparenz in diesem Bereich . neralversammlung von 1978 kam das Expertengremium zu dem Es kann als Erfolg der durch die Studie akzentuierten westli• Ergebnis, daß angesichts der schwer überwindbaren Hinder• chen Bemühungen um verstärkte Aufmerksamkeit für das Pro• nisse in den laufenden Verhandlungen der Großmächte einsei• blem der konventionellen Waffen angesehen werden, daß der tige Schritte, die zur Verbesserung der Atmosphäre beitrügen, UN-Generalsekretär 1985 in seinem Bericht an die Generalver• sowie Erwiderung durch die andere Seite und schließlich Inter• sammlung feststellte: aktion möglich machten, für neue Impulse sorgen könnten.

50 Vereinte Nationen 2/86 Auch bei der Verabschiedung der Studie durch die 39. General• versammlung konnten sich die meisten westlichen Staaten Die Abrüstungsstudien der Vereinten Nationen nicht zu einer Ja-Stimme entschließen. Die Vorbehalte des We• stens waren bereits durch die thematische Beschränkung auf Nach dem (in deutscher Ubersetzung und teils in Kurzfassung wiedergegebenen) Gegenstand wird jeweils die Nummer des UN- nukleare Abrüstung vorgegeben. Darüber hinaus wurde von Dokuments genannt. Eine hinter der Jahreszahl erscheinende Zif• westlicher Seite auf die einseitige positive Hervorhebung der fer bezieht sich auf die Nummer der Studie in der von der Haupt• verschiedenen östlichen Vorschläge zur nuklearen Abrüstung abteilung Abrüstungsfragen (bzw. früher vom Abrüstungszen• trum) des UN-Sekretariats herausgegebenen Studien-Serie. hingewiesen. Bestimmte Elemente des in der Studie entwickel• ten Unilateralismus — wie Reziprozität und Berücksichtigung 1. Wirtschaftliche und soziale Folgen der Abrüstung der Sicherheitsinteressen — wurden dagegen von westlicher E/3593/Rev.l, 1962 2. Auswirkungen des möglichen Einsatzes von Kernwaffen und Seite als positiv anerkannt . die sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Implikationen ihres Erwerbs und ihrer Weiterentwicklung Sicherheitskonzeptionen (1985) A/6858, 1967 3. Chemische und bakteriologische (biologische) Waffen und die Die Studie stellt eine Fortsetzung des Berichts der Unabhängi• Auswirkungen ihres möglichen Einsatzes gen Kommission für Abrüstungs- und Sicherheitsfragen unter A/7575/Rev.l-S/9292/Rev.l, 1969 dem Vorsitz von Olof Palme im UN-Rahmen dar. Die schwedi• 4. Wirtschaftliche und soziale Folgen des Wettrüstens A/8469/Rev.l, 1971 sche Initiative von 1983, mit der die Generalversammlung auf• 5. Abrüstung und Entwicklung gefordert wurde, die Vorschläge eines außerhalb des UN-Be• ST/ECA/174, 1972 reichs stehenden Gremiums zum Gegenstand eigener Diskus• 6. Napalm und andere Brandwaffen A/8803/Rev.l, 1972 sion zu machen, stieß bei zahlreichen westlichen Staaten auf 7. Reduzierung der Militärhaushalte der Ständigen Mitglieder Bedenken. Eine ausgewogene Zusammensetzung der Gruppe des Sicherheitsrats um 10 Prozent von 13 Experten unter schwedischem Vorsitz kam nicht zustan• A/9770/Rev.l, 1974 (8. Militärische Präsenz der Großmächte im Indischen Ozean de. Für den Osten waren die Sowjetunion, die DDR und Rumä• A/AC.159/l/Rev.l-A/9629 (Annex), 1974) nien, für die Ungebundenen unter anderem Algerien, Argenti• 9. Kernwaffenfreie Zonen nien, Indien und Jugoslawien beteiligt, für den Westen lediglich A/10027/Add.l, 1975 10. Reduzierung der Militärhaushalte: Australien. Berechnung und internationales Berichtssystem Die westlichen Bedenken richteten sich in der Substanz gegen A/31/222/Rev.l, 1976 die durch den Bericht der Palme-Kommission vorgezeichnete 11. Wirtschaftliche und soziale Folgen des Wettrüstens A/32/88/Rev.l, 1977 Kritik am Verteidigungskonzept des Westens. Ungeachtet die• 12. Reduzierung der Militärhaushalte: ser Bedenken trug er im letzten Herbst in der 40. Generalver• Verfeinerung und Erprobung des Berichtssystems sammlung den Konsens zu dieser Studie mit, nachdem sie A/32/194 mit Add.l, 1977 13. Umfassendes Verbot von Kernwaffenversuchen durch die inzwischen in Angriff genommene neue Studie zum A/35/257, 1980 Thema der Abschreckung, über die noch gesondert zu berichten 14. Umfassende Studie über Kernwaffen ist, an Bedeutung verloren hatte. Auch der sowjetische Vertre• A/35/392, 1980 (1) 15. Nukleare Kapazität Südafrikas ter im 1.Hauptausschuß sah sich zu kritischen Anmerkungen A/35/402, 1980 (2) veranlaßt und kündigte eine ausführliche Darlegung der sowje• 16. Regionale Abrüstung tischen Einwände im Rahmen der im Frühjahr 1986 vorzulegen• A/35/416, 1980 (3) 17. Reduzierung der Militärhaushalte: den Staatenstellungnahmen an. internationales Berichterstattungsinstrument (abgeschlos sene Erprobung) Reduzierung der Militärhaushalte (1985) A/35/479, 1980 (4) 18. Zusammenhang zwischen Abrüstung und Entwicklung Das Thema der Verringerung der Militärausgaben war 1973 von A/36/356, 1981 (5) der Sowjetunion in die Generalversammlung eingeführt wor• 19. Nukleare Rüstung Israels den: Die fünf Ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats sollten A/36/431, 1981 (6) 20. Vertrauensbildende Maßnahmen ihre Militärhaushalte um 10 vH kürzen und einen Teil der ein• A/36/474, 1981 (7) gesparten Mittel für Entwicklungshilfezwecke verfügbar ma• 21. Zusammenhang zwischen Abrüstung und internationaler Si• chen. Westliche Staaten hielten dem entgegen, daß angesichts cherheit A/36/597, 1981 (8) der unterschiedlichen Praxis der Staaten bei Aufstellung und 22. Internationale Satelliten-Überwachungsagentur Veröffentlichung ihrer Verteidigungshaushalte zunächst für de• A/AC.206/14, 1981 (9) ren Transparenz und Vergleichbarkeit gesorgt werden müsse. 23. Institutionelle Regelungen für den Abrüstungsprozeß A/36/392, 1981 Es kam darauf zu der ersten Expertenstudie von 1974, in der die 24. Weltabrüstungskampagne komplexe Natur der Problematik — beginnend mit der Schwie• A/36/458, 1981 rigkeit der Definition von Militärausgaben und -haushalten — 25. Untersuchung von Berichten über den angeblichen Einsatz von chemischen Waffen dargelegt wurde. Bis 1980 folgten drei weitere Studien, deren A/36/613, 1981 Ergebnis die Einführung des seither gültigen Standardisierten 26. Verringerung der Militärhaushalte: Berichtssystems der Vereinten Nationen für Militärausgaben Verfeinerung des Berichtssystems und Vergleichbarkeit der Militärausgaben war. A/S-12/7, 1982 (10) Die östlichen Staaten (mit Ausnahme Rumäniens), gefolgt von 27. Wirtschaftliche und soziale Folgen des Wettrüstens den meisten Ungebundenen, haben sich diesen Bemühungen A/37/386, 1982 (11) 28. Untersuchung von Berichten über den angeblichen Einsatz bis heute mit dem Argument widersetzt, diese seien überflüssig von chemischen Waffen und lediglich zur Ablenkung von der eigentlichen Reduzie• A/37/259, 1982 rungsaufgabe bestimmt. Auch 1985 übermittelten nur 23 über• 29. Konventionelle Abrüstung A/39/348, 1984 (12) wiegend westliche Staaten dem Generalsekretär ihre Zahlen im 30. Einseitige nukleare Abrüstungsmaßnahmen Rahmen des Berichtssystems. Gleichwohl trat die Mehrheit in A/39/516, 1984 (13) der Generalversammlung, angeführt vom Westen, weiter für 31. Sicherheitskonzeptionen A/40/553, 1985 (14) Transparenz und Vergleichbarkeit der Militärausgaben ein. Auf 32. Reduzierung der Militärhaushalte: Transparenz der weltweiten Rüstungsaufwendungen zielen Preisindizes und Kaufkraftparitäten zur Vergleichbarma- auch unsere Vorschläge, zusätzlich zum Standardisierten Be• chung von Militärausgaben A/40/421, 1985 (15) richtssystem zwei weitere Register anzulegen: eines, das die 33. Wettrüsten zur See Entwicklungshilfeleistungen und die Rüstungsausgaben der In• A/40/535, 1985 (16) dustrieländer enthält, und eines, das die Waffenimporte und

Vereinte Nationen 2/86 51 -exporte aller Staaten aufführt. Diese Vorschläge sind auf östli• Als Ergebnis enthält die Studie erwartungsgemäß einen breiten che Ablehnung gestoßen. Überblick, aber kaum neue Aufschlüsse. Da auf eine Analyse Die Experten, die — traditionell unter schwedischem Vorsitz — der politisch-militärischen Ursachen und Zusammenhänge des die weitere Studie von 1982 vorlegten, kamen zu dem Schluß, Wachstums der Seerüstungen verzichtet worden war, enthalten daß die technischen und die politischen Aspekte der Problema• auch die zusammenfassenden Schlußfolgerungen in den letzten tik auf das engste miteinander verflochten seien. Die politische beiden Kapiteln nur sehr allgemein gehaltene Aussagen. Gegen Bereitschaft der Staaten zur Kooperation sei entscheidend. Die die Stimme der Vereinigten Staaten, bei drei Enthaltungen, Experten empfahlen sodann die Aufstellung von geeigneten wurde die Studie von der 40. Generalversammlung verabschie• Preisindizes für den Militärbereich sowie von Kaufkraftpari• det. In der Debatte im 1. Hauptausschuß hatte der sowjetische täten. Vertreter zuvor erklärt, die Studie sei in vielen Punkten unaus• Dies war das Thema der neuen Studie zur Aufstellung von gewogen, ungerecht gegenüber der Sowjetunion und ungenau Preisindizes und Kaufkraftparitäten zur Vergleichbarmachung in ihren Daten. Die Sowjetunion sehe sich »durch diese Studie von Militärausgaben, die von der Generalversammlung 1982 be• in keiner Weise gebunden« und werde das Thema in der Abrü• schlossen und 1985 verabschiedet wurde, jeweils gegen die stungskommission neu aufnehmen6. Stimmen des Ostens (ohne Rumänien) und bei Enthaltung ei• ner Reihe von ungebundenen Staaten. Die 7köpfige Experten• Neuer Ansatz mit Dissens-Studien gruppe, in der außer Schweden Indonesien, Italien, Nigeria, Peru, Rumänien und die Vereinigten Staaten vertreten waren, Die 40. Generalversammlung mußte erstmals das Scheitern bestätigte in den Schlußfolgerungen ihres Berichts die grund• gleich zweier UN-Studien am Dissens der Experten zur Kennt• sätzliche Notwendigkeit und Realisierbarkeit der in Aussicht nis nehmen. genommenen Schritte zur technischen Verfeinerung des Sy• 1982 hatte die Generalversammlung auf finnische Initiative ge• stems, betonte aber auch erneut die enge Verknüpfung der poli• gen die Stimme Indiens eine neue Studie über alle Aspekte der tischen und der technischen Aspekte. Frage kernwaffenfreier Zonen auf der Grundlage der älteren Studie von 1975 beschlossen. An der ausgewogen zusammenge• Wettrüsten zur See (1985) setzten Expertengruppe mit 21 Teilnehmern unter finnischem Mit der Initiative über die Seerüstungen wurde 1983, wiederum Vorsitz war auch ein Experte der Bundesregierung beteiligt. von Schweden, ein bisher unbehandelter Bereich in die Debatte Trotz Verlängerung des Studienmandats 1984 konnten sich die der Generalversammlung eingeführt und zum Thema einer UN- Experten nicht auf einen gemeinsamen Gesamttext einigen und Studie gemacht. Resolution 38/188G, mit der die Studie initiiert mußten ihr Mandat an die Generalversammlung zurückgeben. wurde, sah einerseits eine umfassende Beschreibung der Seerü• Ursache des Scheiterns war die strikte Ablehnung des Kon• stungen — einschließlich der seegestützten Nuklearwaffen — zepts kernwaffenfreier Zonen durch Indien, Argentinien und sowie ihrer Entwicklung, ihres Einsatzes und ihrer Operations• Kuba. Kritik der nuklearen Schwellenländer, vor allem Indiens, weise vor; andererseits sollten die Auswirkungen auf interna• an der Rolle und Politik der Nuklearmächte und am Nichtver• tionale Sicherheit, Freiheit der Meere, Seeverkehr und Nutzung breitungsvertrag spielten ebenfalls eine maßgebliche Rolle. Ins• der Meeresressourcen untersucht werden, und zwar als Beitrag gesamt erscheint es danach zweifelhaft, ob in absehbarer Zeit zur Erkundung der spezifischen Möglichkeiten zur Abrüstung in den Vereinten Nationen eine Grundsatzdebatte über das und Vertrauensbildung im maritimen Bereich. Konzept der kernwaffenfreien Zonen mit Aussicht auf Erfolg Der Westen sah angesichts dieser Aufgabenstellung voraus, daß geführt werden kann. die Studie bei der gegebenen Interessen- und Mehrheitskonstel• Mit Zielrichtung gegen »die qualitativen Aspekte« des Wettrü• lation in der Generalversammlung keine wirkliche Analyse der stens hatte die 37. Generalversammlung eine Umfassende Stu• politisch-militärischen Ursachen und Hintergründe des Wett• die über die militärische Nutzung von Forschung und Entwick• rüstens zur See< erbringen würde. In einer lediglich deskripti• lung auf Initiative Schwedens — das dann auch den Vorsitz in ven Darstellung ohne gleichzeitige Analyse der geostrategi- der 14köpfigen Expertengruppe führte — beschlossen. Das schen, historischen, politischen und wirtschaftlichen Bedingt• weitgespannte Vorhaben scheiterte — nach Verlängerung des heiten mußte das Bild der ausgedehnten westlichen Flottenprä• Mandats der Expertengruppe 1984 — an Meinungsverschieden• senz auf den Meeren zu Ungunsten des Westens einseitig sein. heiten der Sachverständigen über einige zentrale Fragen, ins• Dagegen fürchtete der Osten, daß die Studie ihm unerwünschte besondere am Widerstand der Sowjetunion gegen einen Kom• Zahlen und Fakten enthalten würde, mochten sie auch längst promißtext zur Weltraumforschung. anderweitig veröffentlicht sein. Der Osten (außer Rumänien) Angesichts dieser jüngsten Erfahrungen verstärkte sich im Bei• und zahlreiche westliche Staaten stimmten deshalb der Ent• rat für Abrüstungsstudien die Entschlossenheit zu wirksamerer schließung 38/188G nicht zu. An der 7köpfigen Expertengruppe Einflußnahme — unbeschadet des souveränen Vorschlags• waren Indonesien (Vorsitz), China, Frankreich, Gabun, die Nie• rechts der UN-Mitglieder — auf die der Generalversammlung derlande, Peru und Schweden beteiligt. Auch die Sowjetunion zu unterbreitenden Studienvorschläge7. In dieser Entwicklung und Bulgarien entsandten zunächst Experten, zogen sie dann wurde gleichzeitig deutlich, daß die großen Themenbereiche, aber wieder zurück. die sich für UN-Studien — und das hieß bislang: für Konsens• Als Reaktion auf die schwedische Studieninitiative brachte Bul• studien — eignen, erschöpft zu sein scheinen. Als Konsensma• garien auf der 38. Generalversammlung eine Resolution ein, mit terie bieten sich weder weitere Einzelthemen innerhalb dieser der der Osten für umgehende Verhandlungen und Konsultatio• Bereiche noch neue wichtige Themenkomplexe an. Der Beirat nen zur Einschränkung der maritimen Aktivitäten eintrat. Als zog darauf eine neue Konsequenz aus dem politischen Charak• Verfahren schlug er eine Erörterung durch die Abrüstungskom• ter der UN-Studien: Er erkannte an, daß die Studien unter mission vor. Mit dieser Präjudizierung der schwedischen Studie Umständen gerade auch konträre politische Auffassungen der stieß er jedoch auf starken Widerstand gerade auch bei den beteiligten Parteien widerspiegeln werden, unter Verzicht auf Ungebundenen. Die von Bulgarien initiierte Resolution 38/188F Bemühungen um Harmonisierung und inhaltlichen Konsens. wurde von der Generalversammlung daher mit nur sehr schwa• Das — beizubehaltende — Konsens-Erfordernis würde sich in cher Mehrheit angenommen, desgleichen die Nachfolgeresolu• solchen Fällen nicht auf den Studieninhalt als solchen, sondern tionen in der 39. und 40. Generalversammlung. Als Folge der öst• nur auf den Expertenbericht erstrecken. Damit war der Weg zu lichen Initiative steht die Thematik jedoch seither auf der Ta• Dissens-Studien als einem neuen Typ von UN-Studien grund• gesordnung der UN-Abrüstungskommission. Auf ihrer Jahres• sätzlich frei. tagung im Mai 1986 wird die eigentliche Diskussion begin• In der Praxis hat der Beirat schon 1984 die Konsequenzen gezo• nen. gen, und zwar durch seine Richtlinien für die von Indien vorge-

52 Vereinte Nationen 2/86 schlagene und anschließend in der 39. Generalversammlung ini• gerade im Bereich der Abrüstung und Rüstungskontrolle erfah• tiierte Studie zu dem in der UN-Abrüstungsdebatte besonders rungsgemäß nur sehr behutsam wächst. So liegt der Fortschritt,

kontroversen Thema der Abschreckung6. Zunächst wurde die der in der UN-Debatte hinsichtlich der konventionellen Abrü• Aufgabenstellung durch den Beirat deutlich erweitert: »Ab• stung zuletzt erreicht wurde, wesentlich in der Tatsache be• schreckung: ihre Bedeutung für die Abrüstung und den Rü• gründet, daß es überhaupt zu einer Studie zu diesem Thema stungswettlauf, vertraglich vereinbarte Reduzierungen von gekommen ist. Waffen und die internationale Sicherheit sowie andere ver• Aus diesen Überlegungen läßt sich folgern, daß das Nebenein• wandte Bereiche«. Sodann wurde ausdrücklich festgelegt, daß ander von Konsens- und Dissens-Studien eine wichtige Ent• in der Studie die für den Westen, den Osten und die Gruppe der wicklung darstellt, die die zunehmende Bedeutung der Verein• Ungebundenen charakteristischen Auffassungen in vollem Um• ten Nationen im Bereich der Abrüstung und Rüstungskontrolle fang zur Geltung kommen müßten. Die Expertengruppe sollte unterstreicht. schließlich »so klein wie möglich« und nach dem bewährten Die dritte Sondergeneralversammlung über Abrüstung ist Schlüssel der Genfer Abrüstungskonferenz für die Beteiligung heute nicht mehr fern. Voraussichtlich wird sie 1988 stattfinden. der drei großen Gruppierungen besetzt sein (im Ergebnis Entsprechende Beschlüsse sind von der 41.Generalversamm• 2 + 2 + 4 = 8). lung in diesem Herbst zu erwarten. Bei den Vorarbeiten, die Die Studiengruppe hat ihre Arbeiten kürzlich abgeschlossen. danach bald beginnen werden, lassen sich die Erkenntnisse Zu der Studie haben die beiden westlichen Vertreter in der nutzen, die die neu in Gang gekommene Diskussion über die Sachverständigengruppe — je ein Experte der USA und der Konzeption von UN-Studien vermittelt. Bundesrepublik Deutschland — insbesondere eine gemeinsame Darstellung des Abschreckungsprinzips aus der Sicht des west• Anmerkungen lichen Verteidigungsbündnisses beigetragen. Damit ist das 1 Die lO.Sondertagung der UN-Generalversammlung (23.5.-30.6.1978) war zu• westliche Konzept der Kriegsverhütung durch Abschreckung gleich die erste der Abrüstungsthematik gewidmete. Über ihren Verlauf und Verteidigungsfähigkeit in Gegenüberstellung zu den Auf• wurde in VN 4/1978 S.129ff. berichtet; Text des Schlußdokuments: VN 5/1978 S.171ff. Die 12. Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen, die fassungen des Ostens und in der Dritten Welt erstmals in einem zweite über Abrüstung (7.6.-10.7.1982, Bericht: VN 5/1982 S.1711), vermochte UN-Dokument ausführlich und objektiv dargestellt. kaum neue Anstöße zu vermitteln. 2 Zuletzt: Kurzbericht über die Studie zum angeblichen Einsatz von chemi• Welche Bedeutung ist nun generell der Einführung von Dis• schen Waffen (VN 3/1984 S.98f.) sowie Lutz Köllner, Entwicklung durch sens-Studien beizumessen? Auch in Zukunft wird es Konsens• Abrüstung? Bemerkungen zu vier internationalen Gutachten, VN 1/1983 studien geben. Dissens-Studien leisten einen Beitrag zur Kon• S.7ff. Eine umfassende Übersicht über die früheren Studien vermittelt Joa• chim Krause, Expertenwissen im Dienste der Abrüstung. Die Abrüstungs• kretisierung der Debatte und ihrer Angleichung an die Realitä• studien der Vereinten Nationen, VN 1/1980 S.13ff. ten. Umfassende und unpolemische Offenlegung bestehender 3 UN-Doc. A/C.1/39/PV.42 v. 23.11.1984; vgl. A/40/486 v. 7.8.1985 (Staatenstel• lungnahmen). Gegensätze ist zudem unentbehrlich, wenn es darum geht, die 4 VN 1/1986 S.26. Basis für konstruktiven, informierten Dialog und für die Suche 5 A/C.1/39/PV.44 v. 23.11.1984. Zu unserer Haltung zu >alternativen< Rüstungs• kontrollvorschlägen vgl. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung nach kooperativen Regelungen zu erweitern. Auf diese Weise (Hrsg.), Bericht zur Rüstungskontrolle und Abrüstung 1985, Bonn 1985, können Dissens-Studien dazu beitragen, den Boden für wirkli• S.44ff. che Abrüstungsschritte zu bereiten. 6 A/C.1/40/PV.40 v. 25.11.1985. 7 A/40/744 v. 15.10.1985. Dabei darf nicht übersehen werden, daß die Übereinstimmung 8 A/39/549 v. 4.10.1984.

Abrüstung in Europa als Beitrag zum internationalen Frieden

Die Bedeutung atomwaffenfreier und chemiewaffenfreier Zonen KARSTEN VOIGT

Militärisch verdünnte Zonen: beschäftigt sich zu Recht gleichermaßen mit den regionalen Beitrag zum Abbau globaler Konfliktpotentiale Konflikten in Zentralamerika und im Nahen und Mittleren Osten. In ihrem Blickfeld liegt vorrangig das Spannungs- und Die Vereinten Nationen haben das Jahr 1986 zum Internationa• Konfliktpotential, das sich aus den ungleichen ökonomischen len Friedensjahr erklärt. Der Zeitpunkt hätte nicht besser ge• Beziehungen zwischen den hochindustrialisierten Staaten und wählt sein können. Nach Jahren massiver Aufrüstung und be• den sich entwickelnden Ländern der Dritten Welt ergibt. drohlicher Konfrontation zwischen den nuklearen Weltmächten Die Ursachen dieser Spannungsfelder sind vielfach andere als hat dieses Jahr mit einem neuen Abrüstungsdialog zwischen die des Ost-West-Konfliktes. Trotzdem ist eine Parallelität zwi• Moskau und Washington begonnen. Die Sowjetunion hat durch schen der Krise der Entspannungspolitik seit Mitte der siebzi• Generalsekretär Gorbatschow nach dem Genfer Gipfeltreffen ger Jahre und einer verschärften Zunahme regionaler Kon• einen umfassenden Abrüstungsplan mit dem Ziel der stufen• flikte in weltweitem Maßstab unübersehbar. Die zunehmenden weisen Abschaffung aller Nuklearwaffen vorgelegt. Präsident Spannungen zwischen der Sowjetunion und den USA haben die Reagan hat hierauf mit einem Teilvorschlag geantwortet. Beide politische Neigung zur Übertragung des Ost-West-Konfliktes bekennen sich zum Ziel der nuklearen Abrüstung. Aufgabe der auf Konflikte in der Dritten Welt verstärkt. Sie haben gleichzei• Europäer ist es nun, Vorschläge vorzulegen, die darauf abzielen, tig die Fähigkeit der beiden nuklearen Weltmächte verringert, dem Ziel der nuklearen Abrüstung auch regional näherzukom• gemeinsam zu friedlichen Konfliktlösungen beizutragen. Ge• men. Angesichts der geographischen und der militärstrategi• lingt es ihnen jedoch jetzt, wieder gemeinsame Grundlagen für schen Asymmetrien beider Bündnissysteme erfordern Schritte eine zweite Phase der Entspannungspolitik zu finden, dann sind zur nuklearen Abrüstung in Europa parallel Überlegungen zur positive Auswirkungen auch auf regionale Konflikte außerhalb Verringerung auch der konventionellen Kriegsrisiken. Europas zu erwarten. Eine politische Verständigung zwischen Das von den Mitgliedern der Vereinten Nationen proklamierte den nuklearen Weltmächten über regionale Konflikte begün• Internationale Jahr des Friedens greift natürlich weiter. Die stigt politisch den Einigungsprozeß über Abrüstungsverhand• Vereinten Nationen können nicht nur den Macht- und System• lungen und umgekehrt. Nord-Süd-Konflikt und Ost-West-Kon• konflikt zwischen Ost und West und die sich daraus ergebende flikt sind heute wie durch ein System kommunizierender Röh• nukleare Bedrohung im Auge behalten. Die Weltorganisation ren politisch miteinander verbunden. Indem Europäer für eine

Vereinte Nationen 2/86 53 zweite Phase der Entspannungspolitik zwischen Ost und West A Die politische Kontrolle des Einsatzes von nuklearen Ge- werben, wollen sie gleichzeitig politisch und finanziell den Frei• • fechtsfeldwaffen ist unter Kriegsbedingungen technisch raum für friedliche Konfliktlösungen in der Dritten Welt ver• und administrativ nur schwer zu gewährleisten. Die unter• größern. schiedlichen Freigabeverfahren für nukleare Gefechtsfeldwaf• Militärisch verdünnte Zonen sind ein Beitrag zur Verringerung fen, deren Trägersysteme sich im Besitz der Vereinigten Staa• von Spannungen und Kriegsrisiken zwischen potentiellen Geg• ten befinden (im Unterschied zu den Nuklearwaffen, deren Trä• nern. Das Konzept militärisch verdünnter Zonen findet in den gersysteme sich in der Verfügung von nicht-kernwaffenbesit• Vereinten Nationen breite Unterstützung. Es hat zum Vertrag zenden Verbündeten befinden) komplizieren Entscheidungspro- über eine atomwaffenfreie Zone in Lateinamerika geführt. Nur zesse. Wenn die innerhalb des Bündnisses für den Einsatz von auf der Grundlage dieses Konzeptes können die Wiener Ver• nuklearen Gefechtsfeldwaffen vereinbarten Konsultationsver• handlungen über beiderseitige ausgewogene Truppenverminde• fahren im Kriegsfalle nicht zur bloßen Farce herabgewürdigt rungen in Europa (MBFR) zu einem Erfolg geführt werden. werden sollen, wird ein der militärischen Lage angemessener Die Forderung nach der Vereinbarung von atomwaffenfreien Einsatz dieser Waffen zusätzlich erschwert. Aus diesem Grunde und chemiewaffenfreien Zonen sind waffenspezifische Ausfor• wachsen in der Bevölkerung der europäischen NATO-Staaten mungen des allgemeinen Konzeptes der Förderung von Ver• die Zweifel, ob im Konfliktfalle Entscheidungen über den Ein• trauen und der Verringerung von Spannungen und Kriegsrisi• satz der sich in der Verfügung der Vereinigten Staaten befin• ken durch militärisch verdünnte Zonen. denden und nahe der Grenze zum Warschauer Pakt stationier• ten Nuklearwaffen tatsächlich die Konsultationsrechte und die Atomwaffenfreie Zonen: neun Thesen Überlebensinteressen der Verbündeten ausreichend berück• Mit der Entwicklung der Nuklearwaffen ist eine qualitative Ver• sichtigen würden. änderung des Kriegswesens verbunden. Atomwaffen gefährden nicht nur das Überleben einzelner Menschen, von Armeen oder r Das Risiko der nuklearen Vernichtung durch die Vereinba- von einzelnen Völkern. Sie bedrohen das Überleben der rung von atomwaffenfreien Zonen zu verringern, ist in Eu• Menschheit insgesamt. Die Erfindung der Atomwaffen erfor• ropa eine bisher noch unrealistische politische Forderung aus dert ein neues Denken und ein qualitativ verändertes friedens• der Friedensbewegung und von vorwiegend linken politischen politisches Handeln. Parteien. In Lateinamerika ist diese Forderung durch die Ver• einbarung von Tlatelolco bereits weitgehend Realität geworden. -t Die Bildung atomwaffenfreier Zonen ist eine regionale Teil- Die Absicht der südpazifischen Staaten, ihre Region zu einer antwort auf die atomare Gefahr. Die Forderung nach kern• atomwaffenfreien Zone zu erklären, orientiert sich an dem la• waffenfreien Zonen wurzelt in der Nachkriegstradition der eu• teinamerikanischen Beispiel. ropäischen und deutschen Friedensbewegung. Sie ist inzwi• Lateinamerika und der Südpazifik sind nicht in gleicher Weise schen zu einer politischen Forderung auch von vielen Parteien wie Europa in den Ost-West-Konflikt eingebunden. Dies neh• und Regierungen geworden, die weltweit erhoben wird. Sie wird men Kritiker zum Anlaß, die Vereinbarung atomwaffenfreier gerade auch von denjenigen Parteien und Regierungen aufge• Zonen für Europa prinzipiell abzulehnen. Dies ist eine falsche griffen, die zu einem Ende des weltweiten Wettrüstens durch Schlußfolgerung. Solange Europa vom Gegensatz der beiden eigene regionale Initiativen beitragen wollen. Bündnissysteme, NATO und Warschauer Pakt, geprägt wird ri Die Forderung nach atomwaffenfreien Zonen findet heute und solange die Führungsmächte dieser Bündnissysteme land-, mehr Unterstützung als noch vor zehn oder zwanzig Jahren. see- und luftgestützte Nuklearwaffen von auch interkontinenta• Diese Entwicklung ist verständlich, denn immer mehr Bürgern ler Reichweite besitzen, bleibt zwar prinzipiell das Risiko beste• werden die Folgen des Konzeptes der nuklearen Abschreckung hen, daß jeder Krieg zwischen Ost und West in Europa zu einem im Falle ihres Versagens bewußt: Das Versagen der nuklearen Nuklearkrieg eskalieren könnte. Das Risiko eines Nuklearkrie• Abschreckung bedeutet die eigene Vernichtung. Das Bewußt• ges in Europa verringert sich aber und das wechselseitige Ver• sein dieses Risikos verstärkt die selbstabschreckende Wirkung trauen und die Sicherheit in Europa nehmen zu, wenn die Ver• im System der wechselseitigen nuklearen Abschreckung. Das einbarung atomwaffenfreier Zonen von stabilisierenden Schrit• System von Abschreckung und Selbstabschreckung ist militä• ten im Bereich der konventionellen Militärpotentiale begleitet risch und politisch-psychologisch instabil. Die Entwicklung wird. neuer Waffentechnologien verleiht dem System der wechselsei• tigen Abschreckung und dem Wettrüsten eine politisch bisher / Die 1982 vorgelegten Vorschläge der Unabhängigen Kom- nicht kontrollierte Dynamik. Immer kleinere und zielgenauere ^ mission für Abrüstungs- und Sicherheitsfragen (Palme- Waffen und immer kürzere Vorwarnzeiten geben berechtigten Kommission) verbinden das Ziel einer atomwaffenfreien Zone Anlaß zur Sorge, daß in Krisensituationen unter zeitlichem in Europa mit der Forderung nach stabilisierenden Maßnah• Streß Politiker zu Fehlentscheidungen neigen und ein Automa• men im Bereich der konventionellen Potentiale. Die von den tismus anläuft, der nicht mehr zu stoppen ist und der mit dem Vereinten Nationen eingerichtete und vom Ende Februar 1986 nuklearen Holocaust enden könnte. ermordeten schwedischen Ministerpräsidenten Palme geleitete Die Stationierung und die Einsatzplanung der in Europa Kommission empfiehlt, mit der Schaffung einer von nuklearen ^ gelagerten nuklearen Gefechtsfeldwaffen stellt nicht nur Gefechtsfeldwaffen freien Zone zu beginnen, die von Mitteleu• die Europäer, sondern auch die Regierung der USA vor erhebli• ropa bis in die äußersten nördlichen und südlichen Flanken der che Probleme. Die Stationierung von nuklearen Gefechtsfeld• beiden Bündnisse reicht. Die geographische Ausdehnung der waffen soll die Bereitschaft zur nuklearen Eskalation im Falle Zonen sollte Gegenstand von Verhandlungen sein und wichtige eines größeren sowjetischen Angriffs — auch falls dieser nur örtliche Gegebenheiten berücksichtigen. Die Kommission regt mit konventionellen Waffen vorgenommen würde — demon• an, zunächst einen Korridor von 150 Kilometern Breite beider• strieren. Aber da die Nuklearwaffen im Vergleich zu den USA seits der Grenzen der Bundesrepublik Deutschland zur DDR und der Sowjetunion in unverhältnismäßig dichter besiedelten und CSSR, der frei ist von diesen nuklearen Gefechtsfeldwaf• Gebieten lagern und da die Trägersysteme für Nuklearwaffen fen, zu vereinbaren. Eine gemeinsame Arbeitsgruppe der SPD- in auch konventionell kämpfende Einheiten integriert sind, las• Bundestagsfraktion und der SED versucht gegenwärtig, die sen sich nur schwer Situationen vorstellen, in denen die Ab• Vorschläge der Palme-Kommission so sehr zu konkretisieren schreckungswirkung dieser Waffen nicht durch die selbstab• und zu präzisieren, daß hierauf aufbauend die Regierungen schreckende Wirkung ihres potentiellen Einsatzes aufgewogen relativ schnell zu bindenden Vereinbarungen gelangen könn• würde. Der militärische Nutzen von nuklearen Gefechtsfeldwaf• ten. fen wird deshalb zunehmend zweifelhaft. Die Palme-Kommission verlangt nur eine von nuklearen Ge-

54 Vereinte Nationen 2/86 fechtsfeldwaffen freie Zone. Ihr ging es darum, das Risiko zu Auch die Schaffung eines insgesamt kernwaffenfreien Europa verringern, daß Kernwaffen frühzeitig zum Einsatz kommen. wäre keine Garantie dagegen, daß unser Kontinent direkt oder Sie wollte durch eine geographische nukleare Entflechtung den indirekt unter den Folgen eines Nuklearkrieges zwischen den Zwang zur frühzeitigen nuklearen Eskalation beseitigen. Ein USA und der UdSSR zu leiden hätte. Ein atomwaffenfreies direktes Verbot verlangte die Kommission nur für die Lagerung Europa könnte allerdings zum Schutz davor beitragen, daß in von Atomsprengköpfen sowie für die Vorbereitung zur Statio• Europa ein regional begrenzter atomarer Krieg beginnt, der die nierung atomarer Sprengsätze und die Lagerung derartiger Territorien der USA oder der UdSSR von der Anwendung ato• Waffen innerhalb des vorgeschlagenen Korridors. Die Einhal• marer Waffen verschont. tung eines derartigen Lagerungsverbotes erfordert eingrei• fende Verifikationsmaßnahmen an Ort und Stelle. Verdachts• Q Die Schaffung atomwaffenfreier Zonen in Europa enthält kontrollen müssen auch gegen den Einspruch der des Vertrags• " auch keine Garantie gegen kriegerische Auseinanderset• bruches verdächtigen Seite möglich sein. zungen, die mit konventionellen Waffen ausgetragen werden. Damit nukleare Abrüstung nicht zur konventionellen Aufrü• Da viele Waffensysteme gleichzeitig Träger nuklearer wie auch stung führt, damit unter den Bedingungen einer schrittweisen konventioneller Sprengköpfe sein können, empfiehlt es sich im geographischen Entnuklearisierung konventionelle Kriege Zusammenhang mit einer Vereinbarung über einen atomwaf• nicht wahrscheinlicher werden, sollte die Schaffung kernwaf• fenfreien Korridor entsprechend dem Vorschlag der Palme- fenfreier Zonen von abrüstungs- und rüstungskontrollpoliti• Kommission auch, militärisch relevante vertrauensbildende schen Maßnahmen begleitet sein, die die Wahrscheinlichkeit Maßnahmen zum Problem der bisher sowohl nuklear wie kon• auch von konventionellen Kriegen in Europa verringern. Die ventionell nutzbaren Trägersysteme vorzusehen. Sobald Ver• Erfüllung dieser Forderung liegt im Interesse der beiden deut• einbarungen zum Problem der mehrfach nutzbaren Trägersy• schen Staaten, aber auch der Tschechoslowakei. Ein längerer, steme abgeschlossen werden, ist es erforderlich, den Bereich mit modernen konventionellen Waffen geführter Krieg würde der konventionellen Militärpotentiale durch parallele Schritte für die Staaten beiderseits der Grenzen von NATO und War• zu stabilisieren. schauer Pakt ähnliche Verwüstungen wie ein auch mit atoma• Ein diesem Kriterium entsprechender Vertrag über einen atom• ren Gefechtsfeldwaffen geführter Krieg anrichten. Deshalb waffenfreien Korridor in Europa würde aufgrund der mit ihm liegt es im Interesse beider Seiten, daß in den Gesprächen der verbundenen militärisch stabilisierenden und politisch das Ver• gemeinsamen Arbeitsgruppe von SPD-Bundestagsfraktion und trauen fördernden Maßnahmen nicht nur das Risiko eines früh• SED über einen nuklearwaffenfreien Korridor auf begleitende zeitigen Einsatzes von Nuklearwaffen, sondern das Risiko auch konventionell stabilisierende Maßnahmen Wert gelegt wird. eines konventionellen Krieges in Mitteleuropa verringern.

Trotz dieser stabilisierenden Wirkung einer Verwirklichung Q Gespräche und Verhandlungen über einen nuklearwaffen- 7 der Vorschläge der Palme-Kommission darf bei der Diskus• ' freien Korridor können auf den Ergebnissen eines Vor• sion über atomwaffenfreie Zonen in Europa dieses nicht verges• schlages zur Bildung einer von chemischen Waffen freien Zone sen werden: Solange es auf der Welt Kernwaffen gibt, besteht in Europa, der von einer gemeinsamen Arbeitsgruppe der SPD- auch die Gefahr von Kriegen, in denen atomare Waffen verwen• Bundestagsfraktion und der SED vorgelegt wurde, aufbauen — det werden. Aufgrund der internationalen Reichweite der Trä• ohne diese Vorschläge allerdings zu imitieren. Im Völkerrecht gersysteme für atomare Waffen kann Europa auch dann Ziel besteht in bezug auf chemische Waffen eine andere Lage als bei dieser Waffen bleiben, wenn in Europa selbst keine Nuklear• Kernwaffen, denn ein Ersteinsatz chemischer Waffen ist völ• waffen mehr gelagert würden. Die Hoffnung, daß atomwaffen• kerrechtlich verboten. Chemische Waffen spielen in der Ab• freie Zonen deshalb kein Ziel von Angriffen mit Nuklearwaffen schreckungsstrategie der NATO eine unvergleichlich geringere seien, weil dort keine Atomwaffen lagern, ist also nur zum Teil Rolle als Nuklearwaffen. Schon aus diesen Gründen ist es we• berechtigt. Atomwaffen der Sowjetunion wie auch der Vereinig• sentlich schwieriger, einen seriösen konkreten Vorschlag für ten Staaten zielen in Europa nicht nur auf Atomwaffenlager, eine Vereinbarung über einen atomwaffenfreien Korridor zu sondern auch auf Häfen, Brücken, Flughäfen, sonstige Ver• erarbeiten. Trotzdem lohnen sich derartige Gespräche und Ver• kehrsknotenpunkte sowie auf wichtige Kommandozentralen, handlungen schon allein deshalb, weil sie das Bewußtsein für Industriegebiete und auch auf Städte. die spezifischen sicherheits- und abrüstungspolitischen Interes-

Allein die strategischen Atomwaffen reichen aus, um die Erde mehrmals zu vernichten. Auch die zahlreichen taktischen Waffen von den Kurz• streckenraketen bis zur atomaren Artillerie können nicht mehr gutzu• machende Verwüstungen anrichten. So liegt es nahe, daß in der interna• tionalen Gemeinschaft immer wie• der die Forderung nach umfassen• der nuklearer Abrüstung artikuliert wird. Die Verheerungen in den 160 bewaffneten Konflikten der Nach• kriegszeit freilich gehen auf den Ein• satz konventioneller Waffen zurück. Der Hinweis darauf nimmt aller• dings der Bedrohung der gesamten menschlichen Gattung durch das an• gehäufte Atomwaffenarsenal nichts von ihrem Schrecken.

Vereinte Nationen 2/86 55 sen der Staaten beiderseits der Grenzen von NATO und War• günstig beeinflussen. Diese Auffassung der SPD wurde früher schauer Pakt schärfen. Die Entwicklung dieses Bewußtsein ist auch noch vom CDU-Bundestagsabgeordneten Todenhöfer un• Voraussetzung einer künftigen Sicherheitspartnerschaft im terstützt. Er erklärte am ö.April 1984: Ost-West-Konflikt. Wer sein gegenwärtiges Handeln aber be• »Die Schaffung eines überprüfbar von chemischen Waffen freien Europa reits heute am Ziel einer künftigen Sicherheitspartnerschaft könnte ein Beitrag auf dem Wege zu einer weltweiten Bannung aller C- orientiert, ist politisch auch in der Lage, den legitimen Sicher• Waffen sein.« heitsinteressen beider Seiten ausreichend Rechnung tragende Regionale Maßnahmen können leichter realisiert werden, weil Vorschläge für einen atomwaffenfreien Korridor vorzulegen. weniger Staaten in einem begrenzten geographischen Raum betroffen sind. Sie erweisen sich auch für die schrittweise Er• >Chemiewaffenfreie Zone<: ein Modell weiterung des regionalen Rahmens in Richtung auf ein welt• Im Juni des vergangenen Jahres konnte eine Arbeitsgruppe der weites Verbot als besonders förderlich, wenn — wie in bestimm• SPD-Bundestagsfraktion und der SED einen gemeinsamen Vor• ten Teilen Europas — besonders große Mengen von C-Waffen schlag für eine chemiewaffenfreie Zone in Europa vorlegen. Mit gelagert sind. diesem gemeinsamen Vorschlag wurde ein abrüstungspoliti• Nach der Vereinbarung einer Chemiewaffenfreien Zone in Eu• scher Durchbruch erreicht, und zwar in dreifacher Hinsicht: ropa könnten sich die Genfer Verhandlungen auf die sicher- • Es wurde abrüstungspolitisches Neuland betreten; denn bis• heits- und rüstungskontrollpolitischen Probleme der Staaten, her wird nirgendwo über die Schaffung chemiewaffenfreier Zo• die über chemische Waffen verfügen, und auf das Problem der nen verhandelt. chemischen Waffen in der Dritten Welt (die dort, wie der Krieg • Es handelt sich um ein Modell für eine wirkliche Abrüstung zwischen dem Iran und dem Irak zeigt, sogar zum Einsatz kom• in Europa; denn es sollen chemische Waffen aus dem vereinbar• men) konzentrieren. Insofern wäre eine Vereinbarung über ten Raum völlig abgezogen und nicht wieder neu hineinge• eine chemiewaffenfreie Zone in Europa ein erster Schritt auf bracht werden. dem Weg zu einem globalen Verbot. Dieser Schritt macht Genf • Es ist das erste Mal, daß Politiker aus beiden deutschen Staa• nicht überflüssig, sondern er gibt für Genf einen neuen An• ten im Geiste des Grundlagenvertrages gemeinsam so umfas• stoß. sende und konkrete abrüstungspolitische Vorschläge erarbeitet Regionale Maßnahmen gestatten es im Vergleich zum globalen haben. Verbot, sich auf den Abzug und das Freihalten der Zone von Der Durchbruch war möglich, weil beide Seiten angesichts vor• chemischen Waffen zu konzentrieren. Bei einer globalen Ver• handener und vielleicht neuer chemischer Waffen Gefährdun• einbarung ist vor allem die Vernichtung der chemischen Waffen gen in der Mitte Europas verringern wollten. Dabei hatte die ein langwieriger Prozeß. Deshalb machen es regionale Maßnah• Arbeitsgruppe es zugleich leichter und schwerer als die Teil• men möglich, die Entfernung und das Freihalten der entspre• nehmer der Genfer Abrüstungskonferenz. Sie hatte es leichter, chenden Zonen von C-Waffen leichter und in kürzeren Fristen weil sie eine Regelung für den vollständigen Abzug, nicht aber kontrollierbar zu verwirklichen. eine Regelung für die weltweite Vernichtung chemischer Eine Zone beiderseits der Trennlinie von NATO und War• Kampfstoffe erarbeiten wollte. Sie hatte es schwerer, weil jede schauer Pakt würde auch dann die Einsatzbereitschaft von che• regionale Lösung vorsehen muß, daß außerhalb der Zone vor• mischen Waffen in Europa insgesamt erheblich herabsetzen, handene C-Waffen nicht in diese Zone hineingebracht werden. wenn sie in ihrer geographischen Ausdehnung vorläufig be• Die Arbeitsgruppe ist nach dem Prinzip verfahren, daß eine grenzt bleibt. Der von der SPD-Bundestagsfraktion und der vollständige Beseitigung der C-Waffen eine dem Vertragsziel SED gemeinsam erarbeitete Vorschlag sieht vor, daß alle euro• entsprechende vollständige Kontrolle verlangt. päischen Staaten dem Vertragswerk beitreten können. Sie un• Ziel der Gespräche war es, ein Modell auszuarbeiten, das zeigt, terwerfen sich mit dem Beitritt den vorgesehenen vertraglichen daß mit dem Konzept der Sicherheitspartnerschaft und der Ent• Verpflichtungen, aber sie erwerben auch das Recht zur Inspek• spannung eine Lösung bislang kontroverser sicherheitspoliti• tion der gesamten chemiewaffenfreien Zone. Dieses Recht ist scher Fragen prinzipiell möglich ist. Um dies zu zeigen, mußte ein wichtiger Anreiz für alle Staaten Europas inklusive der das Modell nicht alle Fragen und alle Einzelheiten enthalten — Sowjetunion und der USA, auch die konkreten Pflichten des aber es mußte ausreichend präzise sein, um deutlich machen zu Vertrages zu unterstützen und ihre Einhaltung zu gewährlei• können, daß bisherige Sackgassen von Rüstungskontrollver• sten. handlungen tatsächlich überwindbar sind, und daß bei einem Eine Opposition kann nur so weit gehen, Vorschläge zu erarbei• konstruktiven Herangehen an Rüstungskontrollfragen auch ten. Wenn dies mit verantwortlichen Vertretern der anderen schwierige Probleme, darunter nicht nur die Kontrollfrage, ein• Seite geschieht, haben solche Vorschläge ein besonderes Ge• vernehmlich geregelt werden können. Mit einer Mischung aus wicht. Es bleibt jedoch den Regierungen vorbehalten, solche nationalen und internationalen Kontrollverfahren, die auch das Initiativen und Anregungen in praktische Regierungjspolitik Prinzip der Verdachtskontrolle an Ort und Stelle enthält, wurde und zu verbindlichen Verträgen umzusetzen. Durch die Bereit• eine Lösung gefunden, die über den Stand der Genfer Verhand• schaft zu Verhandlungen über einen atomwaffenfreien Korri• lungen hinausgeht. dor und über eine chemiewaffenfreie Zone könnte die Bundes• Das Arbeitsergebnis ist ein Stück praktizierter Verantwor• regierung dem Sinne des Grundlagenvertrages entsprechen tungsgemeinschaft. Es stützt sich auf gemeinsame Interessen und im Interesse der Gestaltung eines dauerhaften Friedens in zur Reduzierung von Spannungen, zu größerer Sicherheit in Europa weitere Felder des Gespräches und der Zusammenar• Europa, also darauf, was im Artikel 5 des Grundlagenvertrages beit mit der DDR in Fragen der Sicherheit und der Abrüstung zwischen den beiden deutschen Staaten festgelegt ist. Chemi• eröffnen. sche Waffen gehören unbestreitbar zu den im Grundlagenver• Die Bundesregierung könnte zum Erfolg der Genfer Chemie• trag erwähnten Massenvernichtungswaffen. Indem in Ausfül• waffen-Verhandlungen am besten dadurch beitragen, indem sie lung des Grundlagenvertrages beide deutschen Staaten die In• parallel zum Drängen auf ein weltweites Verbot chemischer itiative für Verhandlungen über eine von derartigen Waffen Waffen entsprechend den Vorschlägen der gemeinsamen Ar• freien Zone in Europa ergriffen, wurden sie der deklarierten beitsgruppe der SPD-Bundestagsfraktion und der SED zugleich Verpflichtung gerecht, daß vom deutschen Boden kein Krieg regionale Schritte auf dem Weg zu diesem Endziel unterstützt mehr, sondern vom deutschen Boden Frieden ausgehen soll. und fördert. Die Gespräche zwischen den Botschaftern der Bun• Regionale Schritte zur chemischen Abrüstung können und sol• desrepublik Deutschland und der DDR und der CSSR am len die im Zusammenhang mit einem globalen Verbot erarbei• Rande der Genfer Abrüstungsverhandlungen sind ein positiver teten Vorarbeiten nutzen. Die gesammelten Erfahrungen kön• Schritt in diese Richtung. Weitere Schritte sind möglich, aber nen umgekehrt die Verhandlungen über ein weltweites Verbot auch geboten.

56 Vereinte Nationen 2/86 Atomwaffenfreie Zonen - Versuch einer kritischen Würdigung HANS KLEIN

Atomwaffenfreie Zonen in den Vereinten Nationen über Abrüstung, Rüstungskontrolle und Vertrauensbildung. Der

Jahr für Jahr verabschiedet die Generalversammlung der Ver• KSZE-Prozeß hat bewiesen, daß gerade auf dem politisch und einten Nationen die verschiedensten Resolutionen über die psychologisch so wichtigen Gebiet der Vertrauensbildung ein Schaffung atomwaffenfreier Zonen in verschiedensten Teilen regionaler Ansatz erfolgversprechend sein kann. Es ist sicher der Welt. Jahr für Jahr handelt es sich dabei um nahezu identi• kein Zufall, daß von allen zur Zeit laufenden Verhandlungen die sche Texte. Diese Meisterwerke diplomatischer Formulierungs• Aussichten der Stockholmer Konferenz über Vertrauensbil• kunst und politischer Akribie sind oft das Ergebnis der Suche dung und Abrüstung in Europa am weitesten fortgeschritten nach einem gemeinsamen Nenner für in den meisten Fällen sind. unvereinbare Standpunkte: sie spiegeln oft wochen- oder mona• Auch vom Verhandlungstisch über gegenseitige und ausgewo• telanges zähes diplomatisches Ringen, sind Frucht ausgiebiger gene Truppenreduzierung in Zentraleuropa (MBFR) kann man bilateraler oder multilateraler Demarchen rund um den mit Fug und Recht behaupten, daß er ein nützlicher regionaler Erdball. Ansatz ist. Zwar ist MBFR ins zweite Jahrzehnt gegangen, ohne zu einem formellen Abkommen geführt zu haben, aber eine Die Texte dieser Entschließungen sind — obschon man es ih• Reihe von bedeutenden prinzipiellen Annäherungen konnte er• nen nicht ansieht — das Endprodukt eines hohen Maßes an reicht werden. MBFR hat zudem im Laufe der vergangenen Arbeit, politischem und moralischem Engagement, aber auch Jahre so etwas wie die Funktion eines — wenn auch nur partiel• hintergründiger politischer Intentionen und eifrigen Bemü• len — Gedankenaustausches über das Thema Strategie zwi• hens, sich vom Gegner nicht den Schwarzen Peter zuschieben schen den beiden großen Militärallianzen erfüllt. MBFR war zu lassen. Alle diese Resolutionen, ihre Entstehungsgeschichte und ist ein stabilisierender Faktor im Ost-West-Verhältnis. und ihre Materialien würden, trüge man sie geschlossen zusam• Schließlich sind auch die Chancen, zu einem ersten Zwischen• men, dickleibige Bände füllen. Würden sie gar verwirklicht, abkommen zu gelangen, nicht zuletzt aufgrund des jüngsten hätte der größte Teil des Globus den — vermeintlich glückver• westlichen Vorschlages gestiegen. Festzuhalten bleibt bei heißenden — Status einer atomwaffenfreien Zone. Ganz Latein• MBFR jedenfalls, daß bereits die gegenseitige Einigung auf amerika, das ganze Afrika, der Nahe Osten, Südasien, der Indi• Prinzipien wie Parität, gemeinsame — und nicht nationale — sche Ozean und — im Blick auf die Initiative der Rarotonga- Höchststärken, Anerkennung der geographischen Disparität zu Gruppe — der Südpazifik würden sich des Status nuklearer Lasten des Westens wichtige Bausteine für die Struktur des Jungfräulichkeit erfreuen. Hinzu kämen noch die Gebiete, die Ost-West-Dialogs sind. Gegenstand ähnlicher Initiativen waren und sind, die jedoch weniger in den Gremien der Vereinten Nationen behandelt wer• Was diese beiden Beispiele von den Vorschlägen atomwaffen• den, wie Skandinavien, der Balkan oder auch Mitteleuropa. freier Zonen verschiedenster Couleur unterscheidet, ist ihr um• Die Lektüre der entsprechenden Texte, insbesondere der Reso• fassenderer Ansatz. Bei der Vereinbarung von Maßnahmen, die lutionen der Vereinten Nationen, mag für den Fachmann faszi• den Abbau von Mißtrauen durch größere Transparenz des mili• nierend sein, kann doch schon die Veränderung eines einzigen tärischen Verhaltens auf beiden Seiten bewirken und die Wortes die Nuance einer Sinnverwandlung in dieser oder jener Furcht vor Überraschungsangriffen beheben sollen, wie auch Richtung signalisieren. Der politisch interessierte Laie fragt bei den Bemühungen um eine ausgewogene und verifizierbare jedoch, was bewirkt wurde. Er vermag daher mit diesen unter Verminderung der Truppenstärken im Reduzierungsgebiet, so vielen Geburtswehen zustande gekommenen Dokumenten geht es um mehr als nur um die Eliminierung dieser oder jener wenig anzufangen. In der Tat läßt sich nicht bestreiten, daß den Waffengattung aus einem bestimmten Gebiet. Letztere läßt — meisten UNO-Unternehmungen auf diesem Gebiet der Ruch ob von ihren Initiatoren gewollt oder ungewollt — wesentliche des Rituals anhaftet. Und es nimmt auch nicht wunder, daß die sicherheitspolitische Aspekte außer acht, die, wie beispielsweise Bemühungen der Vereinten Nationen in der Öffentlichkeit we• die Einflüsse auf Strategie und Kräftegleichgewicht oder das nig Widerhall finden. Waffenmix, auf keinen Fall übergangen werden dürfen, will man seriöse Abmachungen erreichen, welche die sicherheitspo• Es liegt mir fern, die Motive und den guten Willen der Autoren litische Stabilität erhöhen und die Krisenanfälligkeit verrin• dieser deklamatorischen und in der Praxis wenig relevanten gern sollen. Texte in Zweifel zu ziehen. Sie mögen als Instrumente des mul• tilateralen oder regionalen politischen Dialogs von Staaten und Der Vollständigkeit halber möchte ich auf ein weiteres, in der Staatengruppierungen mit unterschiedlichen Sicherheitsinter• internationalen Diskussion nur wenig beachtetes erfolgreiches essen durchaus nützlich sein. Es wäre aber intellektuell un• Projekt eines regionalen rüstungskontrollpolitischen Ansatzes redlich, wenn man behaupten würde, daß diese Aktivitäten den hinweisen: den Antarktisvertrag, dem gleichfalls ein umfassen• Ruf der Vereinten Nationen als einer effizienten und in der Tat des Konzept und nicht nur die bloße Eliminierung der einen für die Bewahrung des Weltfriedens unerläßlichen Organisa• oder anderen Waffengattung eigen ist. Das Übereinkommen tion stärkten. Nur en passant soll daher bemerkt werden, daß verbietet jedwede militärische Nutzung bis hin zum Manöver die laufenden Bemühungen der Vereinten Nationen um eine oder zur Lagerung von Waffen in der Region. Reform an Haupt und Gliedern auch dieses Thema nicht aus• Von allen diesen Beispielen erfolgreicher regionaler Rüstungs• sparen sollten. Es wäre indes falsch, allein den Vereinten Natio• kontrolle unterscheiden sich die Projekte (atom)waffenfreier nen den Mißerfolg der folgenlosen Beschlüsse zu atomwaffen• Zonen daher grundlegend durch ihre simplifizierende Betrach• freien Zonen anzulasten. Es stellt sich vielmehr die Frage, ob tungsweise. Sie stellen auf eine bestimmte Waffengattung ab, nicht das all diesen Vorschlägen zugrunde liegende Konzept ohne umfassende Berücksichtigung der Sicherheitsbedürfnisse waffenfreier Zonen versagt hat. So gesehen, wären die verbalen der anderen Seite. Es fehlt jedes Beispiel dafür, daß Projekte Einigungen im Rahmen der Vereinten Nationen nicht als Fehl• waffenfreier Zonen sich für die Bemühungen um weltweite schlag, sondern als begrenzter Erfolg zu werten. oder regionale Rüstungskontrolle als hilfreich erwiesen hätten. Bleibt doch — auch ungeachtet aller ernsthaften aktuellen Null- lösungs-Hoffnungen — der unbestreitbare Tatbestand, daß die Atomwaffenfreie Zonen — ein Beitrag zu den Bemühungen zahlreichen Kriege seit 1945 ausschließlich gegen Staaten ge• um regionale Rüstungskontrolle und Vertrauensbildung? führt wurden, die sich nicht unter einem Schirm nuklearer Einem Mißverständnis sei von vorneherein vorgebeugt: Auf Abschreckung befanden. Und das Beispiel von Nagasaki und dem Prüf stand steht nicht das Prinzip regionaler Abmachungen Hiroshima, wo die Nuklearenergie als unfaßbare Zerstörungs• vereinte Nationen 2/86 57 vorausgesehen und deshalb zusätzlich einen Behelf eingebaut: Sie formulierten zunächst eine Bestimmung, nach der der Tla• telolco-Vertrag nur dann automatisch in Kraft tritt, wenn alle lateinamerikanischen Republiken — natürlich auch Kuba — ihn ratifiziert haben. Havanna verweigert den Beitritt mit dem wenig überzeugenden Hinweis auf die amerikanische Militär• basis in Guantanamo. Doch die USA haben beide Zusatzproto• kolle zu dem Lateinamerikavertrag ratifiziert. Diese besagen, daß Kernwaffenmächte den nuklearfreien Status der Region anerkennen und daß Mächte mit territorialem Besitzstand in der Region keine Atomwaffen in ihren Besitzungen lagern dür• fen. Hätten es die Väter des Tlatelolco-Vertrages bei dieser Bestim• mung über das Inkrafttreten des Vertrages belassen, hätte die Verweigerungshaltung Kubas sogar verhindert, daß aus dem Vertragswerk wenigstens noch ein Torso wurde. Sie haben aber in einer weiteren Bestimmung festgelegt, daß die jeweiligen lateinamerikanischen Staaten auf das Erfordernis der Ratifika• tion durch alle lateinamerikanischen Republiken verzichten und den Vertrag für sich in Kraft setzen können. Diesen Rechtsbehelf haben Staaten wie Mexiko, Venezuela und Ko• lumbien genutzt, allerdings nicht die in diesem Zusammenhang als nukleare Schwellenmächte relevanten drei Staaten Brasi• lien, Argentinien und Chile. Aber selbst wenn alle diese Hindernisse eines fernen Tages überwunden werden sollten, würde Lateinamerika keineswegs von jeder nuklearen Bedrohung frei. Die Sowjetunion erklärte Der steigenden Bedeutung des »insularen Amerika< im Rahmen der einschlä• gigen Regionalorganisationen hat die in Santiago ansässige Wirtschaftskom• bei Hinterlegung ihrer Ratifikationsurkunde zu dem sie als mission der Vereinten Nationen Rechnung getragen: sie heißt seit 1984 >Wirt- Kernwaffenstaat betreffenden Zusatzprotokoll, daß sie bei je• schaftskommission für Lateinamerika und die Karibik< (Economic Commis• sion for Latin America and the Caribbean, ECLAC). Neuer Exekutivsekretär dem — also auch konventionellen — Angriff einer Macht aus im Range eines Untergeneralsekretärs der Vereinten Nationen ist seit dem dieser Region sich ihre Reaktion — also auch den Einsatz von l.März 1985 Norberte Gonzalez aus Argentinien; an führender Stelle innerhalb Kernwaffen — vorbehalte. Fazit: Selbst dieses in der Tat in vie• der Kommission stand er bereits seit 1979 als für Wirtschafts- und Sozialent• wicklung zuständiger Stellvertretender Exekutivsekretär. Gonzalez, der 1925 ler Hinsicht als Modell vorzeigbare Vertragswerk hat nur teil• in Buenos Aires geboren wurde, studierte zeitweise an der >London School of weise Wirkung gehabt. Ein bezeichnendes Licht auf die prakti• Economics< und erwarb seinen wirtschaftswissenschaftlichen Doktorgrad an der Universität Buenos Aires, wo er auch als Hochschullehrer tätig wurde. sche Relevanz des Vertrages wirft auch eine Äußerung von Nicaraguas Präsident Daniel Ortega. Zu Pressemeldungen über gewalt in das Bewußtsein der Menschheit trat, belegt doch eine geplante Stationierung sowjetischer Kernwaffen in Nica• ebenfalls, daß Atomwaffenfreiheit keinen A-priori-Schutz vor ragua befragt, meinte der damalige Juntavorsteher: Wenn die einem Atomwaffenangriff bietet. Im Gegenteil. Der 40jährige Sowjets um eine Stationierung nachsuchten, werde man diese Friede in Europa dagegen beweist, daß auch keineswegs jedes Frage prüfen. Diese Antwort hätte Ortega gar nicht geben dür• einzelne des atomaren Schutzes bedürfende Land über ein eige• fen, denn Nicaragua hatte — schon unter der Somoza-Diktatur nes Nuklearpotential zu verfügen braucht. — den Tlatelolco-Vertrag ratifiziert und für sich in Kraft ge• Nun zu den Vorschlägen zur Errichtung atomwaffenfreier Zo• setzt. nen im einzelnen. Ob derartige Verträge im Zeitalter der Interkontinentalraketen und der auf allen Weltmeeren präsenten U-Boote zu größerer 1. Der Tlatelolco-Vertrag sicherheitspolitischer Stabilität in den internationalen Bezie• Beginnen wir mit dem allgemein als besonders erfolgreich an• hungen beitragen, sei deshalb dahingestellt. Zu ihren Gunsten gesehenen Projekt, dem sogenannten Lateinamerikavertrag, läßt sich nur anführen, daß sie das Regime des Atomwaffen• oder wie er nach dem Ort seiner Entstehung auch genannt wird, sperrvertrages stärken. Vertrag von Tlatelolco. Diesem umfangreichen Vertragswerk, als dessen geistiger Vater der Friedensnobelpreisträger und 2. Atomwaffenfreie Zonen in der übrigen Dritten Welt frühere mexikanische Außenminister Garcia Robles zu gelten Alle anderen Versuche der Errichtung einer atomwaffenfreien hat, muß man als völkerrechtliche und diplomatische Konstruk• Zone haben — mit Ausnahme des Vertragsentwurfs der Raro- tion zunächst einmal Bewunderung zollen. Das Vertragswerk tonga-Gruppe — nicht den Reifegrad einer Vertragsausarbei• stellt einen komplizierten, in sich ausgewogenen Mechanismus tung erreicht. Die meisten außereuropäischen Projekte sind in dar, der den Sicherheitsinteressen der Staaten der Region, de• der Regel Initiativen seitens besorgter Nachbarn, die durch ein nen der raumfremden Mächte, die dort territorialen Besitz ha• solches Zonenprojekt gewisse Staaten festlegen wollen, die dem ben, wie auch denen der Kernwaffenmächte gerecht zu werden Atomwaffensperrvertrag nicht beigetreten sind. Es sind also versucht. Insofern wird dieser Vertrag zu Recht von allen Be• Aktionen, um diese Staaten doch noch dazu zu bewegen, auf fürwortern von Projekten atomwaffenfreier Zonen als Modell eine potentielle nukleare Option offiziell zu verzichten. gepriesen. So hat die Rarotonga-Staatengruppe des Südpazifik Dies ist beispielsweise der Fall bei dem von Pakistan betriebe• für ihren auf eine atomwaffenfreie Zone Südpazifik abzielen• nen Projekt zur Schaffung einer atomwaffenfreien Zone Süd• den Vertragsentwurf — über dessen Zukunftsaussichten zu ur• asien. Bezweckt werden soll, daß der Nachbar Indien, der den teilen es zu früh ist — denn auch den Tlatelolco-Vertrag weitge• Beitritt zum Atomwaffensperrvertrag beharrlich als >diskrimi- hend übernommen und fortentwickelt. nierend< ablehnt, auf diese Weise entsprechend gebunden wird. Bei der Frage, was denn der Tlatelolco-Vertrag effektiv bewirkt Ähnliches gilt für Resolutionen über ein nuklearfreies Afrika hat, verliert das Modell jedoch viel von seinem Glanz und ent• (mit Stoßrichtung auf Südafrika, das dem Nichtverbreitungs• puppt sich als ein eher notleidender Torso. Es ist kein bloßer vertrag gleichfalls ferngeblieben ist) und zur Gründung einer Schönheitsfehler, daß Fidel Castros Kuba nicht unterschrieben atomwaffenfreien Zone Naher Osten (mit Stoßrichtung auf Is• hat. Die Väter des Tlatelolco-Vertrages hatten Entsprechendes rael, gleichfalls nicht Vertragspartei des Atomwaffensperrver-

58 Vereinte Nationen 2/86 trags). Alle diese Versuche sind mithin auch am Widerstand der die Problematik hinwegsehen, daß die Verbannung von Nukle• betroffenen Länder gescheitert. An dieser Stelle sei die Frage arwaffen aus einem Teil des Bündnisgebietes eben auf diesem erlaubt, ob es nicht der politischen Ökonomie besser entspro• Gebiet das Risiko eines konventionellen Konflikts erhöht. Für chen hätte, das Ziel >Beitritt zum Nichtverbreitungsvertrag< uns als den exponiertesten Bündnispartner an der Ost-West- nicht auf einem Umweg, sondern in offener international-kon• Trennungslinie im Herzen Europas muß es das vitale Interesse zertierter Aktion zu betreiben. sein, jedweden Konflikt — sei er nuklear oder auch >nur< kon• Einen Sonderfall stellt das jahrelange diplomatische Tauziehen ventionell — zu verhüten, da er die Existenz unseres Volkes um die Schaffung einer — natürlich atomwaffenfreien — Frie• aufs Spiel setzen würde. denszone Indischer Ozean dar. Sein Hauptbefürworter Indien Für den Westen kommt das Probien der geographischen Dispa• verfolgte damit als Hauptziel, die Flotten der Großmächte aus rität hinzu. Die Führungsmacht der Atlantischen Allianz, die dem Indischen Ozean zu verbannen. Das hätte den sicher nicht USA, ist von ihren europäischen Bündnispartnern — im Gegen• ungern gesehenen Nebeneffekt gehabt, Indien den Status einer satz zur Vormacht des Ostens — durch ein Weltmeer getrennt. militärischen Hegemonialmacht in diesem Raum zu verleihen. Da sich in Europa auf absehbare Zeit ein militärisches Kräfte• Das Projekt stieß bei den seefahrenden Nationen des Westens gleichgewicht nur durch einen substantiellen Beitrag der USA schon deswegen auf Bedenken, weil seine Realisierung mögli• erreichen läßt, bedarf es der physischen Präsenz der nordame• cherweise eine Verletzung des völkerrechtlichen Prinzips der rikanischen Verbündeten. Damit das nordamerikanische Enga• Freiheit der Meere bedeutet hätte. gement glaubwürdig ist, muß die physische Präsenz der USA Mit Recht haben aber die USA noch auf ein anderes fundamen• alle Komponenten des Verteidigungsbeitrags glaubwürdig ab• tales Bedenken aufmerksam gemacht: Zumindest seit dem Auf• decken. Die für uns lebenswichtige Glaubwürdigkeit der Strate• wuchs der sowjetischen SS-20-Mittelstreckenraketen in Sibi• gie der Kriegsverhütung macht es daher unerläßlich, daß unser rien würde die nukleare Bedrohung der Region keinesfalls ge• Territorium keinen sicherheitspolitischen Minderstatus im Ver• bannt, selbst wenn man sich auf eine atomwaffenfreie Frie• gleich zu anderen Bündnispartnern erhält. Diese Grundeinsich• denszone Indischer Ozean verständigt hätte, wie sie Indien und ten haben den Standpunkt aller deutschen Bundesregierungen einer Reihe von Anrainerstaaten vorschwebte. Wie wenig effi• und vor allem der CDU/CSU zu den verschiedenen östlichen zient das ganze Unternehmen war, geht schon aus der Tatsache Vorschlägen der Errichtung einer kernwaffenfreien Zone in hervor, daß der von den Vereinten Nationen eingesetzte Ad-hoc- Mitteleuropa (Rapacki-Plan) geprägt. Denn eine solche Zone Ausschuß für den Indischen Ozean mit fast 50 Mitgliedern aus wäre der erste Schritt zur Abkoppelung Westeuropas von der Ost, West und aus der Region sich trotz jahrelanger Debatten Sicherheitsgarantie der Vereinigten Staaten von Amerika. Zu• nicht einmal über die geographischen Grenzen dieser Zone eini• gleich würde es für die Nuklearmächte bedeuten, daß ihr eige• gen konnte. An Substanz gewann die Diskussion in diesem oft nes Territorium zu einem nuklearen Sanktuarium würde und vom Auseinanderbrechen bedrohten UN-Gremium, als man auf daß sich das Risiko konventioneller Konflikte in Mitteleuropa westlichen Vorschlag hin beschloß, sich Gedanken über einen erhöhen würde. Prinzipienkatalog für das Verhalten der Staaten in der Region Im Ost-West-Zusammenhang spricht ein weiteres grundlegen• nach Art der KSZE-Schlußakte zu machen; mit anderen Wor• des Argument gegen waffenfreie Zonen: Sie leisten nicht nur ten: als man sich vom Konzept waffenfreier Zonen löste und keinen Beitrag zu den Bemühungen um Rüstungskontrolle und einen umfassenderen regionalen Ansatz in den Mittelpunkt Abrüstung, sondern sie unterlaufen diese dadurch, daß sie ein stellte. ungerechtfertigtes Sicherheitsgefühl schaffen. Sie beseitigen ja Bisweilen hat es Versuche gegeben, die schon an geographi• nicht eine einzige Atomwaffe, und sie mindern den Rüstungs• schen Gegebenheiten scheiterten. So war eine Zeitlang das zwi• aufwand nicht um einen einzigen Rubel oder Dollar. Beide Sei• schen seinen übermächtigen Nachbarn Indien und China einge• ten sollten daher ihre Energien darauf konzentrieren, zu sub• klemmte Nepal bemüht, sich seinen neutralen Status durch stantiellen Vereinbarungen zu gelangen, die das Niveau der einen zusätzlichen Titel >Friedenszone Nepal< abzusichern. Kernwaffenarsenale auf beiden Seiten auf ein neues, spürbar Dem wurde allseits mit dem Hinweis begegnet, eine Zone von geringeres Gleichgewicht absenken. sicherheitspolitischer Relevanz müsse mehr als nur ein Land Die europäischen Nichtkernwaffenstaaten sind (bis auf Alba• umfassen. nien) Vertragsparteien des Atomwaffensperrvertrages. Die eu• Die Bundesregierungen — nicht nur die CDU/CSU-geführten — ropäische Problematik liegt aber darin, daß trotz dieser Rechts• haben alle diese Unternehmungen mit distanziertem Wohlwol• lage in Europa die höchsten Kernwaffenbestände lagern. Diese len verfolgt. Denn einerseits wäre die Unterstützung, die das Realität weist jedoch auch den Weg zu einer wirksameren Al• Regime des Atomwaffensperrvertrages durch die Einbeziehung ternative: nachhaltige Bemühungen beider Seiten, durch Ver• etlicher NichtVertragsparteien in atomwaffenfreie Zonen erhal• handlungen die Zahl der Kernwaffen in Europa drastisch zu ten würde, ein Gewinn an internationaler Stabilität gewesen. verringern — und sie nicht nur um ein paar hundert Kilometer Auf der anderen Seite war der Mißerfolg dieser Anstrengungen zu verschieben. programmiert. Denn die gleichen Motive, die einen Staat davon Dies gilt auch für den jüngsten Vorschlag einer atomwaffen• abhalten, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten, verhindern freien Zone in Mitteleuropa. Die Palme-Kommission plädiert natürlich auch das Zustandekommen eines Zonenprojekts. So dafür, beiderseits der Ost-West-Trennungslinie in Mitteleuropa einen jeweils 150 Kilometer breiten Gebietsstreifen frei von sind auch die drei südamerikanischen Länder, die den nuklearen Gefechtsfeldwaffen zu halten. Alois Mertes hat in Tlatelolco-Vertrag zwar unterschrieben, aber nicht ratifiziert einem Vortrag in Stockholm dazu folgendes gesagt: beziehungweise für sich in Kraft gesetzt haben, auch keine »Die Einhaltung der vereinbarten Abzüge und Stationierungsverbote Vertragsparteien des Atomwaffensperrvertrages. wäre nicht verläßlich überprüfbar. Selbst wenn es gelänge, die mit der Errichtung eines Verifikationssystems verbundenen Probleme — zum 3. Projekte atomwaffenfreier Zonen in Europa Beispiel die Unterscheidung nuklearer von konventionellen Sprengköp• fen — technisch und verhandlungsmäßig zu lösen, wäre die Durchfüh• Nach ganz anderen Kriterien sind Anstrengungen zu beurtei• rung der erforderlichen Verifikationsmaßnahmen besonders in Krisen• len, Teile des europäischen Kontinents zu einer atomwaffen• zeiten nicht gewährleistet. Nukleare Gefechtsfeldwaffen, vor allem freien Zone zu machen. In Europa muß schon deswegen etwas Sprengköpfe, könnten jedoch in einer Krise in kürzester Zeit zurückver• anderes gelten als für die übrige Welt, weil hier die Stationie• bracht werden. Die Vereinbarung einer solchen Zone wäre deshalb eher geeignet, ein falsches Gefühl der Sicherheit zu vermitteln. Für die nuk• rung von Atomwaffen seit Jahrzehnten einen essentiellen Teil leare Bedrohung ist nicht ausschlaggebend, wo eine Kernwaffe statio• der Sicherheitsstruktur bildet. Aus atlantischer wie auch aus niert ist, sondern welche Ziele sie militärisch und dadurch politisch errei• speziell deutscher Sicht ist die nukleare Komponente des Ab• chen kann. Auch rein konventionelle Streitkräfte und wichtige zivile Ein• schreckungskonzepts das Herzstück unserer Kriegsverhü• richtungen wie Verkehrsknotenpunkte könnten Ziele nuklearer Angriffe tungsstrategie. Kein deutscher Sicherheitspolitiker kann über sein. Das Ziel einer wirksamen Verringerung der nuklearen Bedrohung

Vereinte Nationen 2/86 59 ist deshalb realistischerweise nicht über nuklearwaffenfreie Zonen in Zone verbracht werden. Diese Mechanismen braucht man für Teilen Europas zu erreichen, sondern nur durch vereinbarte Verminde• die weitergehende echte Abrüstungsmaßnahme >Weltweites C- rung und Begrenzung der Waffensysteme unter Berücksichtigung der Waffen-Verbot< nicht. Eine chemiewaffenfreie Zone, die ja nicht strategischen Zusammenhänge mit dem Ziel eines stabilen Gleichge• eine einzige C-Waffe beseitigt, erfordert einen wesentlich höhe• wichts auf möglichst niedrigem Niveau.« Dem ist nichts hinzuzufügen. ren Verifikationsaufwand als ein weltweites Verbot. Wahrlich Diese Sicht der Dinge war bis 1982/83 im wesentlichen Gemein• ein Widersinn! gut der großen demokratischen Parteien in der Bundesrepublik Übrigens gilt auch hier, was Alois Mertes zum Vorschlag der Deutschland. Bedauerlicherweise haben die Sozialdemokraten Palme-Kommission über eine gefechtsfeldwaffenfreie Zone im Zuge ihrer umfassenden Abkehr vom sicherheitspolitischen ausgeführt hat: Die Bedrohung durch C-Waffen besteht auch in Konzept des früheren Bundeskanzlers Schmidt auch diese Posi• der chemiewaffenfreien Zone fort, da man von außerhalb der tion verlassen. Sie >verhandeln< statt dessen mit der machtha• Zone jederzeit C-Waffen in ihr einsetzen kann. benden SED über ein solches Zonenkonzept, nachem sie bereits Alle diese Einwände zeigen, daß in Europa, sei es in seiner Mit• über ein ähnliches Projekt, das chemische Waffen betrifft, >ver- te, sei es im Norden oder im Süden, eine (atom)waffenfreie handelt< haben. Gerade dieser letztere Vorschlag demonstriert Zone nicht mehr, sondern weniger Sicherheit und Stabilität ad oculos, wie wenig Projekte über >waffenfreie< Zonen echten bringen würde. Abrüstungsbemühungen dienlich sind: Das Hauptproblem für Das Auflaufen eines sowjetischen — möglicherweise sogar nuk• ein umfassendes C-Waffen-Verbotsabkommen über eine welt• leargerüsteten — U-Boots in den Hoheitsgewässern des neutra• weite Null-Lösung auf diesem Gebiet, zu der sich Ost und West len Schweden ist ein >schlagender< Beweis für die Untauglich- bekennen, stellt die Verifikationsfrage dar. Diese ist aber für keit solcher Zonenkonzepte auf unserem Kontinent. Es geht um den Fall einer chemiewaffenfreien Zone erheblich schwerer lös• die Verhinderung jeder Art von Krieg. Und dazu gehört eben bar als für ein weltweites Abkommen über die Abschaffung mehr als nur die selektive und regional begrenzte Ausmerzung aller C-Waffen. Denn man müßte zusätzliche Mechanismen ent• eines Waffentyps, noch dazu, wenn sie einer Seite womöglich wickeln, die sicherstellen, daß keine C-Waffen in die vereinbarte strategische Vorteile verschafft.

Gewissen und Gewalt Das Recht auf Militärdienstverweigerung aus Gewissengründen in der internationalen Diskussion ASBJORN EIDE

I. Menschenrechte und Militärdienstverweigerung konfrontiert, und in verschiedenen anderen Teilen der Welt sind die Umstände ähnlich. Ein weltweites Problem Von höchster Aktualität ist dieses Problem ebenfalls in Südafri• Einige spannungsreiche Tage lang beobachtete die Welt im Fe• ka, denn dort widerstrebt immer mehr Soldaten — schwarzen bruar 1986 ein Volk, das am Rande eines Blutbades stand. Es wie weißen gleichermaßen — die Teilnahme an bewaffneten war ein Konflikt, der sich zur Erleichterung von fast jedermann Aktionen, die die Beibehaltung der von der ganzen Welt verur• friedlich auflöste. Dieser wundersame Ausgang war teilweise teilten Apartheid sowie die Aufrechterhaltung der illegalen Be• auf einen massiven Akt der Gewaltlosigkeit seitens der Zivilbe• setzung Namibias zum Ziel haben. völkerung und zum Teil darauf zurückzuführen, daß einige mili• tärische Befehlshaber sowie ihre Untergebenen Tötungsbefeh• Die UN-Studie über Militärdienstverweigerung len nicht Folge leisteten. Diese Begebenheit trug sich während als Menschenrecht der letzten wenigen Tage des Regimes von Präsident Marcos Als die Vereinten Nationen den Beschluß faßten, eine Studie zu. Beinahe jedem war bewußt, daß die Herrschaft von Marcos über Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen als nicht länger legitim war (sofern sie das nach Einführung des Menschenrecht durchzuführen, kamen diese Fragestellungen Ausnahmezustandes im Jahre 1974 jemals gewesen war). Hier• zu der bis dahin schon vertrauten Diskussion um die Kriegs• aus die moralischen Konsequenzen zu ziehen, ist für einen Offi• dienstverweigerung hinzu. Die Studie war das Resultat vieler zier mit Befehlsgewalt freilich alles andere als eine leichte Jahre beharrlicher Bemühungen seitens einiger Regierungen Sache. und insbesondere einer Anzahl von Nichtregierungsorganisa• In Situationen wie dieser den Befehl verweigern zu können — tionen; so registriert Amnesty International eine ganze Anzahl und möglicherweise sogar zu müssen — stellt sich als ein in von Gewissensgefangenen in verschiedenen Weltgegenden, die vielen Teilen der Welt immer drängender werdendes Problem aufgrund ihrer Weigerung, in den Streitkräften zu dienen, in• heraus. Dennoch handelt es sich hierbei nicht um das, woran haftiert sind. Ihren Ursprung hatte die Studie unter anderem man normalerweise denkt, wenn in Westeuropa von Militär• auch im Bestreben, die religiöse Toleranz zu fördern, aber es dienstverweigerung aus Gewissensgründen die Rede ist. gab noch weitere Anliegen. So war sie ebenfalls als ein Beitrag Nichtsdestoweniger gehört das Beispiel der Philippinen zu de• zum Internationalen Jahr der Jugend 1985 konzipiert und fußte nen, die mitberücksichtigt werden sollten, wenn diese Thematik außerdem auf Gedankengut, das aus dem Kampf gegen die aus menschenrechtlicher Sicht untersucht wird. Es gibt noch Apartheid stammt. andere Fälle, in denen offenbar wurde, daß dies ein brennendes 1981 hatte die Menschenrechtskommission ihre Unterkommis• Problem war und immer noch ist. Was seine Kontroll- und Re• sion zur Verhütung von Diskriminierung und für Minderheiten• pressionsmöglichkeiten anging, hing das argentinische wie das schutz mit der Untersuchung der Frage der Verweigerung aus uruguayische Militärregime der jüngsten Vergangenheit von Gewissensgründen im allgemeinen beauftragt. Eingehend über• der Folgebereitschaft seiner Soldaten ab. Hier — bei brutalen prüft werden sollte dabei die Umsetzung der Resolution 33/165 Akten der Unterdrückung gegen die Zivilbevölkerung — zu der Generalversammlung aus dem Jahre 1978, in der die Ver• gehorchen, war für einige dieser Soldaten schmerzlich, doch sammlung das Recht aller Personen, den Dienst in Militär- oder war die Möglichkeit der Verweigerung kaum gegeben. Mit der Polizeieinheiten zu verweigern, die zur Durchsetzung der gleichen Lage sehen sich die chilenischen Soldaten heute noch Apartheid eingesetzt werden, anerkannt und die Staaten aufge-

60 Vereinte Nationen 2/86 fordert hatte, denen Asyl zu gewähren, die aufgrund ihrer Wei• Quäkern und der Internationalen Jugend- und Studentenbewe• gerung, solchen Truppen anzugehören, ihr Land verlassen müs• gung für die Vereinten Nationen (ISMUN). sen. Bekanntlich ist die Entwicklung zur Anerkennung der Militär• Die Durchführung dieser Studie wurde mir und meinem sambi• dienstverweigerung langsam vonstatten gegangen. In der Ver• schen Kollegen, Herrn Chama Mubanga-Chipoya, als Mitglie• gangenheit wurden im Krieg Tausende hingerichtet, weil sie dern der aus Sachverständigen bestehenden, bereits genannten sich weigerten, zu kämpfen. So sollen in Deutschland und Menschenrechts-Unterkommission übertragen. Sie wurde 1983 Österreich unter dem Hitlerregime 24 559 Kriegsdienstverwei• fertiggestellt und 1985 kurz in der Menschenrechtskommission gerer einzig und allein aus diesem Grunde exekutiert worden erörtert; es gab jedoch keine hinreichende Übereinstimmung sein, und mit Sicherheit wurden in anderen Teilen der Welt über die in der Studie enthaltenen Empfehlungen, und so wurde ebenfalls einige tausend Hinrichtungen vollstreckt. Aus der von die Angelegenheit auf 1987 verschoben (Conscientious Objec• uns durchgeführten Studie geht jedoch klar hervor, daß das tion to Military Service, UN-Doc. E/CN.4/Sub.2/1983/30/Rev.l, Recht auf Militärdienstverweigerung immer mehr Anerken• UN Publ. E.85-XIV.1). nung findet. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es in der Bun• desrepublik Deutschland zum wesentlichen Bestandteil des Moral und Tötungsverbot Grundrechtskatalogs. Die nordischen Länder haben dieses Das Gewissen des einzelnen stellt einen der bedeutendsten Recht bereits seit langem anerkannt, ebenso die Beneluxstaa- Werte einer jeden Gesellschaft dar. Das, was eine humanisti• ten. Andere folgen diesem Beispiel, auch wenn erhebliche Un• sche von einer barbarischen Gesellschaft unterscheidet, ist das terschiede im einzelnen bestehen. Gewissen, die dem anderen entgegengebrachte Achtung und Die Streitfrage der Verweigerung tritt hauptsächlich dann auf, das Gefühl der gemeinsamen Verantwortung für das Schicksal wenn in dem betreffenden Land Wehrpflicht (Verpflichtung zur des Mitmenschen. Ableistung des Militärdienstes) besteht. Am weitesten verbrei• Ein wesentlicher Bestandteil des Sozialisationsprozesses ist die tet war die Wehrpflicht in West- und Osteuropa, Nordamerika Herausbildung und Förderung des Gefühls für Gut und Böse sowie Australien, Neuseeland und Südafrika. In der Dritten beim Individuum, ohne welches Zivilisation undenkbar wäre. Welt — von Lateinamerika und der Karibik bis Afrika und Das zentrale Element dieses Vorgangs bildet die Entstehung Asien — haben mehr als die Hälfte der Länder Militärdienst• des Bewußtseins und der Überzeugung beim Kinde, daß die pflicht; für den Rest stellt sich dieses Problem nicht in der Vernichtung anderer menschlicher Wesen in den meisten Fäl• gleichen Art und Weise. Einige Länder mit langer Wehrpflicht• len unmoralisch ist. In vielen Gesellschaften dauerte es eine tradition haben sie im Laufe der vergangenen beiden Jahr• lange Zeit, bis sich diese Erkenntnis fest einbürgerte: Fehden, zehnte abgeschafft. Dies gilt für die Vereinigten Staaten, Groß• blutige Kriege, Massaker sowie gewaltsame Eroberungen ha• britannien, Australien und Neuseeland. ben der Geschichte ihren Stempel aufgedrückt. Eine der we• Die Staaten lassen sich bezüglich Freiwilligkeit oder Pflicht in sentlichen Voraussetzungen des engagierten Einsatzes für den folgende Kategorien einteilen: weltweiten Schutz der Menschenrechte — eines der Hauptziele a) Zunächst die Staaten, in denen Wehrpflicht überhaupt nicht besteht: der Vereinten Nationen — ist die Verfestigung dieser grundle• bei 67 Ländern ist dies der Fall. b) Eine Handvoll Staaten (sechs nach unseren Erkenntnissen) haben genden moralischen Einsicht, nämlich, daß es falsch ist, ande• offiziell Wehrpflicht, setzen sie jedoch gegenüber denjenigen, die kei• ren Menschen das Leben zu nehmen, und zwar überall auf der nen Militärdienst ableisten wollen, nicht durch — welche Gründe sie Welt. Es gibt allerdings Ausnahmesituationen, angesichts derer auch immer angeben mögen. viele glauben, Gewaltanwendung ethisch rechtfertigen zu kön• c) In einigen Ländern (15 unseren Informationen zufolge) wird der Wehrpflichtzwang dadurch gemildert, daß das Gesetz einige begrün• nen. Dies trifft insbesondere auf das Recht zu, Gewalt dann zur dete Ausnahmen aus Gewissenserwägungen zuläßt. Selbstverteidigung einzusetzen, wenn es keine Alternative zu Wenn man diese drei Fallgruppen zusammenfaßt, wird offen• geben scheint. kundig, daß es Länder ohne Zwang zum Militärdienst gibt oder Verschiedene Individuen haben unterschiedliche Einstellungen, solche, die es offiziell und de facto dem Individuum gestatten, wie weit das Tötungsverbot gehen soll. Für jeden einzelnen aus Gewissensgründen zu verweigern. 88 Staaten fallen in diese spielen diverse Einflüsse bei der Bildung ebendieser individuel• Kategorie, also etwas mehr als die Hälfte der UN-Mitglieder. len Bewußtseinsinhalte zu jener äußerst wichtigen Frage eine d) Es gibt einige wenige Staaten, die die Wehrpflicht durchsetzen und Rolle. So sind sowohl persönliche Biographie als auch gesell• die Verweigerung des Dienstes mit der Waffe gesetzlich nicht gestat• schaftliche Entwicklung an diesem Prozeß beteiligt. Manche ten, jedoch in Einzelfällen den Dienst ohne Waffe zulassen. Da es sich hierbei aber nicht um ein formalisiertes Verfahren handelt, ist es Menschen vertreten die Meinung, Gewaltanwendung sei unter schwierig, zu diesem Thema zuverlässige Auskünfte zu erhalten; un• allen Umständen unmoralisch, andere akzeptieren sie nur unter seren Informationen zufolge geschieht es jedoch in sieben Ländern ganz spezifischen Bedingungen, während wieder anderen die hin und wieder. Wegnahme von Leben in einer größeren Zahl von Fällen ver• e) Zum Schluß die Länder, bei denen die Wehrpflicht am radikalsten durchgesetzt wird: Ungefähr 40 Länder haben Wehrpflicht und wen• tretbar erscheint. den sie auch an, erlauben weder Wehrdienstverweigerung noch waf• fenlosen Dienst. Sie machen etwa ein Viertel aller UN-Mitglieder aus. Zu dieser Kategorie gehören China, verschiedene lateinamerikani• II. Militärdienstverweigerung heute sche Länder wie Chile und Kuba, einige afrikanische Staaten sowie mehrere moslemische Länder Asiens, darunter Iran und Saudi-Ara• Die Studie enthält einen Überblick der aktuellen Lage in ver• bien. schiedenen Teilen der Welt. Sie stützt sich auf Informationen von Regierungen sowie zwischen- und nichtstaatlichen Organi• Für die restlichen 24 UN-Mitglieder liegen keine Informationen vor. sationen. Wir wollten folgendes in Erfahrung bringen bezie• hungsweise klären: welche Gründe für Militärdienstverweige• rung anerkannt werden, das Verfahren für die Zuerkennung III. Die juristische Perspektive des Status des Militärdienstverweigerers, di^- Frage des Alter• Vom Standpunkt der Menschenrechte aus gesehen, gibt es zwei nativdienstes, das Los derjenigen, denen dieser Status verwehrt zu berücksichtigende Aspekte, nämlich die Gewissensfreiheit blieb, und die Frage, ob denjenigen Personen, die ihr Land auf• und ihren Inhalt. Ausgangspunkt der Studie ist die Gewissens• grund ihrer Nichtanerkennung verlassen müssen, Asyl gewährt freiheit. wird. Einige Regierungen teilten Einzelheiten mit, andere rea• Die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit ist in der All• gierten gar nicht oder gaben nur sehr oberflächliche Kommen• gemeinen Erklärung der Menschenrechte in Artikel 18 sowie in tare zu diesen Fragen ab. Ein wesentlicher Teil der uns zur Ver• sämtlichen regionalen Instrumenten des Menschenrechtsschut• fügung stehenden Auskünfte wurde von nichtstaatlichen Orga• zes inklusive der Europäischen Menschenrechtskonvention nisationen bereitgestellt, etwa von Amnesty International, den (Art. 9) anerkannt. Welche Bedeutung hat nun diese Freiheit? Mit der Gewissensfreiheit ist es so eine Sache, da ein uneinge- Vereinte Nationen 2/86 61 schränktes Recht, gemäß dieser Freiheit zu handeln, nicht Das Übereinkommen über die Verhütung und Bestrafung des zwangsläufig daraus resultiert. Keine Gesellschaft kann dem Völkermordes von 1948 verbietet Zerstörungsakte gegen natio• einzelnen das unkontrollierte Ausleben dessen, was sein indivi• nale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppen und erklärt duelles Gewissen ihm sagt, gestatten. Jede Gesellschaft kann den Völkermord zu einem Verbrechen nach internationalem und muß bestimmte, andere gefährdende Handlungsweisen mit Recht. In diesen Fällen ist das Individuum nicht nur berechtigt, Verboten belegen. Die Gesellschaft hat ebenfalls die Berechti• sondern sogar verpflichtet, seine Teilnahme zu verweigern; an• gung, dem einzelnen die Erfüllung gewisser dem Allgemein• dernfalls würde es sich strafbar machen, selbst wenn es auf wohl dienender Verpflichtungen aufzuerlegen, selbst wenn das höheren Befehl handelte. Gewissen einer Einzelperson nicht ausgereift genug ist, um sich Überdies untersucht die Studie das Recht der Völker auf Selbst• diese Ziele der Gemeinschaft zu eigen zu machen. bestimmung und spricht sich für das Recht derjenigen Wehr• Falls zum Beispiel eine Religion ein Menschenopfer verlangt, dienstverweigerer aus, die es ablehnen, in Streitkräften zu die• ist selbstverständlich eine dieser Überzeugung entsprechende nen, die sich an Okkupations- oder Annexionsmaßnahmen und Handlungsweise unzulässig. Um daher beurteilen zu können, ob anderen Formen der Verweigerung des Selbstbestimmungs• eine Person berechtigt ist, gemäß ihrem Gewissen zu agieren, rechts beteiligen. muß man sich eingehender mit dem Gewissensinhalt und der Abschließend prüft die Studie das Problem grober Verstöße Art der in Erfüllung des Gewissenszwangs ausgeführten Akte gegen die Menschenrechte von seiten der Streitkräfte. Nationa• auseinandersetzen. les wie auch internationales Recht enthalten Regeln zur Ver• Dieser Gedankengang führt zu der anderen Seite der Studie, zu hinderung des Mißbrauchs von Gewalt durch staatliche Instan• einer Frage, die in der bisherigen Diskussion über das Recht zen, und für den Fall, daß bewaffnete Gewalt in Verletzung der auf Militärdienstverweigerung größtenteils übersehen wurde. Gesetze eingesetzt wird (wie dies bei Militärputschen oftmals Zu der Frage nämlich nach dem erwünschten Gewissensinhalt, gegeben ist), sollte die Weigerung einer Person, an einer derar• der eine Handlungsweise oder ihre Verweigerung legitimieren tigen Aktion teilzuhaben, anerkannt werden. kann. Durch das im Verband der Vereinten Nationen entwik- Dies also sind die Elemente internationalen und nationalen kelte moderne Völkerrecht versucht die internationale Gemein• Rechts, die einem Menschen als Richtlinie dienen sollten, eine schaft aktiv, die Bildung des sich auf humanitäre Prinzipien Grenze zwischen unvertretbarer und legitimer Anwendung von und globale Solidarität gründenden Gewissens zu fördern. Zu bewaffneter Gewalt zu ziehen. Dieser Rechtsgrund sollte der diesem Zweck wurde die UNO geschaffen. Andere im Interesse wesentliche Punkt bei der Gewissensbeurteilung eines Militär• dieser Gemeinschaft Handelnde, so das Internationale Komitee dienstverweigerers sein. vom Roten Kreuz, sind in ähnlicher Weise an der Humanisie• rung des Bewußtseins beteiligt, auch hinsichtlich bewaffneter IV. Die Empfehlungen und ihre Zukunft Konflikte, die ansonsten häufig in Barbarei ausarten. Die Studie hat verschiedene Entwicklungsstadien bei der Set• Innovativer Charakter zung von das menschliche Gewissen betreffenden Normen — Der innovative Aspekt dieser Studie liegt darin, daß sie bestrebt solchen, die sich auf den Schutz vor Gewaltanwendung, und sol• ist, die Konsequenzen aus den Bemühungen der Vereinten Na• chen, die sich auf die Wahrung der Menschenrechte erstrecken tionen um die Förderung einer größeren globalen Solidarität — auf internationaler Ebene untersucht. Der zentrale Gedanke und ihrem Eintreten für eine Beschränkung der Gewaltanwen• dabei ist das Recht auf Leben. dung in den nationalen und internationalen Beziehungen im Im Mittelpunkt sämtlicher Menschenrechtsinstrumente steht Hinblick auf Wehrdienstverweigerung und Gewissen insgesamt dieses Recht: siehe die Allgemeine Erklärung der Men- zu ziehen. schnrechte (Art.3), den Internationalen Pakt über bürgerliche Die Hauptempfehlung der Studie lautet, daß die Staaten gesetz• und politische Rechte (Art.6), die Europäische Konvention zum lich das Recht von Personen, die aus Gründen des Gewissens Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Art.2), die oder tiefer Überzeugung aufgrund religiöser, ethischer, morali• Amerikanische Erklärung zu den Rechten und Pflichten des scher, humanitärer oder ähnlich gelagerter Motive den Militär• Menschen (Art.1) sowie die Afrikanische Charta der Rechte des dienst verweigern, anerkennen sollen, von der Verpflichtung Menschen und der Völker (Art.4). Es ist von dem biblischen zum Dienst mit der Waffe befreit zu werden. Hierbei handelt es Gebot >Du sollst nicht töten< und ähnlichen Grundsätzen aller sich um eine äußerst allgemeingehaltene Formulierung, die die Zivilisationen inspiriert. eigentliche Frage, welche Überzeugung anerkannt werden soll• Im Kriege und bewaffneten Konflikt ist das Recht auf Leben in te, nach sich zieht. Die Studie empfiehlt, dieses Recht zumin• Frage gestellt; im modernen Völkerrecht haben sich aber beson• dest den Personen zuzugestehen, denen ihr Gewissen unter ders seit Gründung der Vereinten Nationen bedeutsame und allen Umständen verbietet, am Waffendienst teilzunehmen (die dynamische Entwicklungen ergeben. Heutzutage beschränkt pazifistische Haltung). Ob diese Position sich auf religiöse oder sich das Recht auf Gewaltanwendung hauptsächlich auf die andere ethische Überlegungen gründet, sollte unerheblich sein, Selbstverteidigung gegen bewaffnete Aktionen von außerhalb. sofern es um eine tiefempfundene Überzeugung geht. Die Studie geht diesen Entwicklungsprozessen im Völkerrecht Die Empfehlungen gehen jedoch noch um einiges weiter. In nach und folgert, daß die Verweigerung einer Person anerkannt Anlehnung an die Entschließung 33/165 der Generalversamm• werden sollte, die der Überzeugung ist, die Streitkräfte, in de• lung der Vereinten Nationen enthält die Studie den Rat, daß die nen sie Dienst tut, würden de facto oder aller Wahrscheinlich• Staaten gesetzlich das Recht auf Befreiung vom Dienst in keit nach zu aggressiven Zwecken in Verletzung der UN-Charta Streitkräften anerkennen sollten, die nach Meinung des Ver• mißbraucht, und diese Vorgehensweise würde auf eine illegale weigerers wahrscheinlich zur Durchsetzung der Apartheid ein• Vernichtung des Lebens anderer hinauslaufen. gesetzt werden. Diese Empfehlung hat zugegebenermaßen nur Weitere signifikante Entwicklungen im Völkerrecht gab es in begrenzte praktische Bedeutung. Es ist unwahrscheinlich, daß einem anderen Bereich, und zwar beim humanitären Recht im Südafrika unter seiner gegenwärtigen Regierung Militärdienst• bewaffneten Konflikt. Die Haager und Genfer Konventionen und verweigerung mit dieser Begründung akzeptieren würde, und Protokolle untersagen bestimmte Verhaltensweisen, zum Bei• ebensowenig wahrscheinlich ist es, daß die Streitkräfte anderer spiel die Tötung Gefangener, Terrorakte und die Anwendung Länder im Dienste der Apartheid eingesetzt werden. Dennoch von Mitteln und Methoden, die willkürlich sind oder unnötige ist sie doppelt bedeutsam: sie könnte zur Erleichterung der Leiden verursachen. Ein Mensch, der aus Gewissensgründen die Asylgewährung an diejenigen beitragen, die als Verweigerer Teilnahme an Handlungen ablehnt, die in seinen Augen die aus Südafrika fliehen müssen. Zudem wäre es ein wichtiger Grenze einer legitimierten bewaffneten Aktion überschreiten, Präzedenzfall bei der Durchsetzung des Prinzips, daß Militär• sollte von Rechts wegen vom Wehrdienst freigestellt werden. dienstverweigerung aus Gewissensgründen nicht nur auf strik-

62 Vereinte Nationen 2/86 Erneut wurden chemische Waffen im Golfkrieg eingesetzt (vgl. S. 76f. und S. 83 dieser Ausgabe); die UN-Sachverständigen stellten bei ihrem Besuch mehrerer Lokalitäten auf iranischer Seite (rechte Karte) die Anwendung von Giftgas durch den Irak fest.

tem Pazifismus beruhen muß, sondern sich auch auf eine Ver• Anerkennung zollen, wenn der Verweigerer der Überzeugung pflichtung zur Beachtung der völkerrechtlichen Grundsätze, ist, daß die betreffenden Streitkräfte wahrscheinlich auf Mas• etwa die Abschaffung des Rassismus, stützen kann. senvernichtungswaffen (oder solche, die völkerrechtlich aus• Außerdem rät die Studie zur gesetzlichen Anerkennung des drücklich verboten sind, beziehungsweise solche, die unnötige Rechtes zur Freistellung vom bewaffneten Dienst in solchen Leiden verursachen) zurückgreifen. Truppen, von denen der Militärdienstverweigerer annimmt, daß Die Ratschläge befassen sich außerdem mit Verfahrensfragen. ihr Einsatz auf einen Genozid hinausläuft oder ihm nahe• Haupterfordernis sind unabhängige Entscheidungsorgane, die kommt. Dies würde eine Verinnerlichung der völkerrechtlichen bestimmen, ob eine Militärdienstverweigerung unter nationa• Grundsätze beim einzelnen ebenfalls fördern. lem Gesetz im Einzelfall Berechtigung hat, und das Recht auf Die nächste Empfehlung verlangt von den Staaten die gesetzli• Berufung bei einem unabhängigen zivilen Rechtsgremium, falls che Anerkennung der Freistellung vom Einsatz in solchen der Anspruch auf den Militärdienstverweigerer-Status in der Streitkräften, die nach Auffassung des Militärdienstverweige• ersten Instanz abgelehnt wurde. rers wahrscheinlich zur illegalen Besetzung fremden Gebiets Zum Schluß wird die Empfehlung auf Schaffung eines für den benutzt werden. Auch hier würde es sich um einen weiteren Verweigerer sinnvollen Alternativdienstes ausgesprochen — Beitrag zur Achtung heutigen internationalen Rechts, wie es Sozialarbeit sowie Arbeit für Frieden, Entwicklung und interna• von den Vereinten Nationen entwickelt wurde, handeln. tionale Verständigung sollten erlaubt sein. Von großem praktischen Wert ist die folgende Empfehlung, der- zufolge die Staaten das Recht anerkennen sollten, vom Dienst Reaktionen auf die Empfehlungen mit der Waffe in einer Armee entbunden zu werden, die nach Erstmals wurden die Empfehlungen auf der letztjährigen Ta• dem Dafürhalten des Betreffenden de facto oder wahrschein• gung der Menschenrechtskommission kurz angeschnitten, die lich an groben Menschenrechtsverletzungen beteiligt ist. Wie Diskussion dann aber auf 1987 verschoben. Offensichtlich sind bereits eingangs aufgezeigt, gab es nicht nur in den letzten Jah• die UN-Mitglieder in diesen Fragen zutiefst gespalten. In zahl• ren, sondern gibt es auch heute noch zahlreiche Situationen, in reichen westlichen Ländern wurde der Grundsatz der Militär• denen die Anerkennung dieses Rechtes von größter Wichtigkeit dienstverweigerung akzeptiert, in den meisten dieser Länder wäre. Die Tatsache, daß an groben Verstößen beteiligte Regime jedoch lediglich die streng pazifistische Haltung. Aus diesem das Recht auf Verweigerung ebenfalls mißachten würden, läßt Grunde sind verschiedene dieser Empfehlungen selbst für ei• sich nicht leugnen, doch würde jedem einzelnen seine persönli• nige der westlichen Staaten noch nicht annehmbar. che ethische Entscheidungsfreiheit sowie seine Verantwortung In der Dritten Welt gehen die Meinungen hierüber weit ausein• bezüglich solcher Verletzungen bewußt. Die bedeutendste Aus• ander. Wie bereits aufgezeigt, haben viele dieser Länder keiner• wirkung könnte in dem vorbeugenden Effekt liegen, daß die lei Militärdienstpflicht; für sie schaffen die Empfehlungen Aufmerksamkeit des in Frage kommenden Soldaten auf die keine Probleme. Bei anderen, beispielsweise manchen der mos• Unzulässigkeit einer Teilnahme an groben und systematischen lemischen wie auch weiteren Ländern, findet Militärdienstver• Verstößen gegen die Menschenrechte gelenkt wird. weigerung heute unter keinen Umständen Zulassung, und so Schließlich wird die Empfehlung ausgesprochen, die Staaten schnell ist hier eine Änderung nicht zu erwarten. Im Islam gibt sollten dem Recht auf Befreiung von der Militärdienstpflicht es eine pazifistische Tradition, wie sie in einigen Strömungen

Vereinte Nationen 2/86 63 des Christentums und im Buddhismus anzutreffen ist, nicht. Unmittelbare Zukunft ungewiß, Verbreitet ist vielmehr die Tradition des >Heiligen Krieges<, langfristiger Fortschritt wahrscheinlich selbst wenn die Gewaltanwendung auch im Islam zahlreichen Es ist kaum anzunehmen, daß großartige Resultate erzielt wer• ethischen Beschränkungen unterliegt. den, wenn sich die Menschenrechtskommission 1987 erneut Die sozialistischen Länder Osteuropas legen bei der Anerken• dem Thema zuwendet. Bestenfalls werden die Mindestempfeh• nung des Gedankens der Militärdienstverweigerung ziemlichen lungen Unterstützung finden, aber hoffentlich in genügend all• Unwillen an den Tag, insoweit sie selbst davon betroffen sind. gemeingehaltenen Formulierungen, die im Laufe der Zeit eine Die meisten unter ihnen akzeptieren kein gesetzliches Recht erweiterte Interpretation ermöglichen. auf Militärdienstverweigerung (die DDR stellt eine der seltenen Wenn man jedoch einen längeren Zeitraum ins Auge faßt, so Ausnahmen dar, da sie einige wenige Gründe hierfür zuläßt). nehme ich an, daß viele der in den kühneren Empfehlungen Das bedeutet in der Praxis, daß einige dieser Staaten den Mili• enthaltenen Ideen der Studie akzeptiert werden. Im Rückblick tärdienstverweigerern im konkreten Fall den Wechsel zu einem wird klar, daß der langfristige Trend zu einer verstärkten Aner• waffenlosen Dienst innerhalb des Militärs genehmigen. Grund• kennung der Militärdienstverweigerung geht. Auch die Verein• sätzlich herrscht jedoch die Meinung, die Pflicht eines jeden sei ten Nationen würden sich schwertun, die Respektierung der es, dem sozialistischen Staate zu dienen; die Auffassung, der Menschenrechte und der internationalen Solidarität weiterhin einzelne könne Verständnis sowie Engagement für ein interna• zu fordern und zu fördern, wenn dies hinsichtlich der Gewis• tionales Recht zeigen, das von dem von der eigenen Regierung sensentscheidung des einzelnen jungen Menschen folgenlos gesetzten abweicht, trifft dort auf wenig Gegenliebe. bliebe.

Über unwillkommene Nachrichten Der Beitrag der Friedens- und Konfliktforschung zur Sicherung des Friedens und zur Überwindung von Gewalt KARLHEINZ KOPPE

Botenschicksal Agraringenieure bedenken, welche gesellschaftlichen und öko• logischen Konflikte ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse zeiti• Die Wissenschaft, die sich mit dem Phänomen des Friedens gen können? Wie ist es um den Forscher auf dem Gebiet der befaßt, fordert die Gesellschaft und die politisch Verantwortli• Mikroelektronik bestellt, dessen Tätigkeit unter Umständen chen in einem doppelten Sinne heraus: sie will Konfliktursa• Millionen Arbeitsplätze in Industriestaaten und Entwicklungs• chen aufdecken und Konfliktlösungen erarbeiten, die oft ganz ländern vernichtet, von der Perfektionierung der Waffen ganz neue Verhaltensweisen erfordern; sie muß aber zugleich Gesell• zu schweigen? schaft und Politik einer harten Kritik unterziehen, weil die Diese Komplexität und Vielfalt des Forschungsgegenstands schwelenden oder offenen Konflikte meist auf Mängel der Ver• bringt es mit sich, daß sich Friedens- und Konfliktforschung fassung einer Gesellschaft und auf politisches Fehlverhalten nicht als ein gesonderter wissenschaftlicher Fachbereich ver• ihrer Führungskräfte hinweisen. steht, etwa der Politikwissenschaft oder dem Völkerrecht ver• Diese kritische Funktion der Friedens- und Konfliktforschung gleichbar. Sie liegt gewissermaßen quer zu den üblichen Diszi• ist einer der Gründe für das Mißtrauen, das dieser Wissenschaft plinen und geht davon aus, daß ihre spezifische Fragestellung in der Öffentlichkeit, von vielen Politikern und oft von eigenen nach den Ursachen von Friedlosigkeit und Konflikten einer• Kollegen entgegengebracht wird. Der niederländische Friedens• seits und nach konfliktträchtigen Folgen gesellschaftlicher und forscher und Völkerrechtslehrer Bert Röling hat dafür eine ein• technischer Innovationen andererseits in nahezu allen wissen• leuchtende Erklärung: schaftlichen Disziplinen Platz hat. Die Zahl von etwa 150 Frie• »Wir wissen aus der psychologischen Forschung von den Abwehrmecha• densforschern in der Bundesrepublik — weltweit mögen es nismen gegen >kognitive Dissonanzen<, also von der Neigung, unwill• zwei- bis dreitausend sein — ist deshalb irreführend. Nicht kommene Informationen gar nicht erst zu empfangen oder jedenfalls nicht anzuerkennen.« weniger bedeutsam ist die Arbeit von Hunderten von For• Und wer hätte nicht schon selbst die Versuchung erfahren, schern, die ich als >stille Friedensforscher< bezeichne, weil sie unangenehme Wahrheiten zu verdrängen. In alten Zeiten ha• sich bei ihrer Forschung von eben dieser Fragestellung leiten ben Könige die Boten, die ihnen schlechte Nachricht brachten, lassen. Dennoch bleibt die Forderung nach einer Verstärkung erschlagen lassen. Heute läuft gelegentlich die Friedensfor• dieses Forschungsbereichs an Hochschulen und Instituten drin• schung Gefahr, für die schlechten Nachrichten, die sie über• gend und aktuell. Es fehlt insbesondere an systematischer Zu• bringt, zerschlagen zu werden. sammenführung der vereinzelten Forschungstätigkeit. Und nur Die Friedensforschung, wie sie sich heute darstellt, ist nach eine breit angelegte und über längere Zeiträume betriebene dem Ersten Weltkrieg aus den Staatswissenschaften als Krieg• Forschung schafft die Grundlage, auf der Erkenntnisse verall• sursachenforschung und aus der damals noch jungen Psycholo• gemeinert und auf aktuelle Situationen angewandt werden kön• gie als Aggressionsforschung hervorgegangen. Nach dem Zwei• nen. ten Weltkrieg erhielt sie einen entscheidenden Auftrieb aus den Theoriebildung Naturwissenschaften, vor allem von Physikern, die als erste die verheerende Zerstörungskraft der neuen atomaren Massenver• Die Verstärkung der wissenschaftlichen Kapazität der Frie• nichtungswaffen erkannten. Eines der frühen wissenschaftli• densforschung an Hochschulen und Instituten ist deshalb nach chen Manifeste stammt aus der Feder von Albert Einstein, der wie vor eine dringende Forderung, wenn diese Wissenschaft die theoretischen Grundlagen für die Beherrschung der Atom• (wie jede Wissenschaft) ihrer wichtigsten Aufgabe nachkom• kraft und damit auch für die Herstellung von Atomwaffen ge• men soll, nämlich möglichst sichere Grundlagen zu erarbeiten. schaffen hatte. Noch heute sind in der älteren Generation der Der Grundlagenforschung, der Hypothesenbildung, der Fakten• Friedensforscher — auch in der Bundesrepublik Deutschland analyse und schließlich der empirischen Überprüfung muß des• — Physiker bestimmend, etwa Carl Friedrich von Weizsäcker, halb ein breiter Raum gewährt werden. Dabei muß die Frie• um nur einen von vielen zu nennen. Und müssen nicht heute — densforschung mit den Erkenntnissen und Methoden fast aller und nicht erst seit heute — Maschinenbauer, Städtebauer, Wissenschaftszweige arbeiten. Dies ist erfahrungsgemäß eine

04 Vereinte Nationen 2/86 der größten Schwierigkeiten transdisziplinärer Forschung. In Praxisrelevanz der Kriegsursachenforschung beispielsweise sind Historiker, Völkerrechtler und Soziologen gleichermaßen gefordert. In an• Die nächste Frage, die man sich stellen muß, geht dahin, was deren Bereichen — ich denke an die Forschung über die Waf• diese Forschung überhaupt leisten kann, was ihre Ergebnisse fen- und Rüstungsindustrie — kommt man ohne die Hilfe von sind und wie sich diese in politisches und gesellschaftliches und Naturwissenschaftlern und Ökonomen nicht aus. auch individuelles Handeln umsetzen lassen. Diese Ergebnisse Noch umstrittener als das methodische Vorgehen ist freilich der münden, ähnlich wie bei der Zukunftsforschung, mit der die normative, das heißt der wertebezogene Anspruch der Friedens• Friedensforschung vieles gemeinsam hat, zunächst einmal in und Konfliktforschung, demzufolge es darum geht, Frieden Warnrufe. Die reine Faktenanalyse, beispielsweise in Hinblick durch Minderung von Gewalt bei gleichzeitiger Erhöhung von auf Rüstung, Überbevölkerung, Ressourcenverknappung und Gerechtigkeit zu sichern oder in vielen Fällen überhaupt erst Umweltzerstörung, deutet darauf hin, daß in absehbarer Zeit herbeizuführen. Der Wissenschaftler wird folglich nicht nur das die Konflikte weltweit und innerhalb von Staaten nicht ab-, son• Verhalten der an einem Konflikt beteiligten Akteure untersu• dern zunehmen werden. Trendberechnungen lassen eine Zu• chen, sondern auch die gesellschaftlichen Bedingungen, unter nahme von Kriegen oder kriegsähnlichen Konflikten in der denen es zu einem Konflikt gekommen ist, und gegebenenfalls Dritten Welt und von Spannungen im Ost-West-Verhältnis, im feststellen, daß diese Bedingungen verändert werden müssen, Nord-Süd-Verhältnis und innerhalb der beiden großen Militär• wenn der Konflikt auf Dauer geregelt, also Frieden hergestellt blöcke — NATO und Warschauer Pakt — erkennen. Durch die und gewahrt werden soll. Damit wird jeder Friedensforscher Aufhellung von Konfliktsituationen und ihren Ursachen sowie zum >kritischen< Forscher, auch wenn der Begriff >Kritische durch die Beschreibung von konfliktträchtigen Trends kann Friedensforschung< in der Regel auf Konzepte angewandt wird, erreicht werden, daß solche Maßnahmen ergriffen werden, die die bestehende gesellschaftliche Ordnungen und Systeme in die Trendkurven abschwächen. Die Rüstungskontrollverhand• Frage stellen, weil diese aufgrund von Beobachtungen für viele lungen sind dafür ein Beispiel. Sie haben nicht zur Einstellung Konflikte ursächlich sind. Das führt dann oft dazu, daß diese des Wettrüstens geführt, geschweige denn zu wirklicher Abrü• Wissenschaftler aus Gründen der politischen Opportunität ent• stung; aber ohne diese Verhandlungen wären heute die Rü• weder als >Systemveränderer< diffamiert oder als >Spinner< lä• stungslasten noch schwerer, als sie es sowieso schon sind. cherlich gemacht werden. Dessenungeachtet stimmen wohl alle Ich habe die Rüstungsproblematik als erstes genannt, weil sie Friedensforscher darin überein, daß es keinen statischen, ein nach wie vor die zentrale Fragestellung der Friedensforschung für alle Male verbindlichen Friedensbegriff geben kann, daß ist. Seit fast zwanzig Jahren untersucht beispielsweise das In• vielmehr die Bedingungen des Friedens infolge des ständigen ternationale Friedensforschungsinstitut in Stockholm die Ent• gesellschaftlichen Wandels sich laufend verändern und daher wicklung der Rüstung und des Rüstungsexports. Die Jahresbe• dynamische, anpassungsfähige Friedenssicherungsstrategien richte dieses Instituts haben in erheblichem Maße dazu beige• entwickelt werden müssen. Aus dieser Überlegung wurde der tragen, daß sich in der Weltöffentlichkeit ein immer schärferes zentrale Begriff des friedlichen Wandels< entwickelt, das heißt Bewußtsein hinsichtlich der Risiken und Folgen des Rüstungs• die unmittelbare Lösung eines akuten Konflikts durch die Be• wahnsinns entwickelt hat. Detaillierte Berichte über Rüstung reitschaft aller Konfliktpartner zu erleichtern, in ihrem eigenen und Streitkräfte aller Staaten der Erde veröffentlicht jährlich Bereich Konfliktursachen abzubauen. das Internationale Institut für Strategische Studien in London. Einzelstudien in diesem Bereich werden in zahlreichen anderen Bleiben wir noch einen Augenblick bei der Theoriebildung, die Instituten erstellt, in der Bundesrepublik bei der Hessischen nicht allein und auch nicht vorrangig daran gemessen werden Stiftung Friedens- und Konfliktforschung in Frankfurt, am In• darf, ob und wieweit sie sich direkt in politische Praxis umset• stitut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Uni• zen läßt. Sie hat zuallererst die Aufgabe, die Analyse, das Er• versität Hamburg und an anderen Orten. Untersucht werden kennen von Konflikten zu erleichtern. Das gilt ganz besonders unter anderem die Rahmenbedingungen für Rüstungspolitik in für den Begriff der strukturellen Gewalt<, der von der Frie• den wichtigsten Staaten, Zusammenhänge zwischen wirtschaft• densforschung (insbesondere von Johan Galtung) entwickelt lichen Interessen und Waffenproduktion, zwischen Rüstungsla• wurde. Die Erkenntnis, daß Gewalt mehr ist als offene perso• sten und Massenarmut in der Dritten Welt, oder auch Probleme nale Gewalttätigkeit oder Einsatz von Militär in internationalen wie die Verbreitung von Atomwaffen, die Technologisierung Konflikten, ist inzwischen zum Allgemeingut geworden auch konventioneller Waffen und die mögliche Umstellung von Rü• bei jenen, die Friedensforscher wegen der Operationalisierung stungsproduktion auf die Herstellung ziviler Güter. dieses Begriffes in die Nähe von >Systemveränderern< rücken. An zweiter Stelle steht die Erforschung des Nord-Süd-Konflikts Nach diesem Konzept sind soziale und politische Unterdrük- und seiner Überlagerung durch den Ost-West-Konflikt. Was kung ebenso wie wirtschaftliche Ausbeutung Anzeichen für das sind eigentlich die Ursachen für Unterentwicklung und die Ver• Vorhandensein solcher Gewalt. Bei der Beurteilung der Kon• schärfung des Gegensatzes zwischen reichen und armen Gesell• fliktbeziehungen zwischen den Industriestaaaten und Ländern schaften? Sind es die sogenannte Bevölkerungsexplosion oder der Dritten Welt wie auch innerhalb der Dritten Welt selbst die Inflation oder beide zusammen, die die geringen wirtschaft• oder auch innerhalb gesellschaftlicher Systeme ist dieses Kon• lichen Zuwächse immer gleich wieder aufzehren? Oder ist es zept von entscheidender Bedeutung und spielt bei der Gestal• vielleicht die Struktur der internationalen Arbeitsteilung, der tung der Nord-Süd-Beziehungen auch praktisch eine immer weltwirtschaftlichen Beziehungen zwischen Industriestaaten größere Rolle. und Entwicklungsländern, die Entwicklung selbst dann verhin• Ein Risiko besteht allerdings immer dann, wenn solche Theo• dert, wenn optimale Voraussetzungen gegeben sind? Wäre nicht rien einseitig und ausschließlich angewandt und andere Erklä• eine gewisse Eigenständigkeit, eine gewisse Abkoppelung von rungsmuster beiseite gelassen werden. Der Versuch, die parla• den Industriestaaten der bessere Weg? Wenn dem so wäre, wie mentarische Ordnung als strukturelle Gewalt< zu definieren, sind dann die Vertreter mächtiger Wirtschaftsinteressen und die eine von einer Mehrheit gewählte Regierung gegenüber der die von ihnen abhängigen Eliten in den Entwicklungsländern unterlegenen Minderheit ausübt, dürfte kaum geeignet sein, zu überzeugen, einen anderen Weg zu gehen? Es ist ohne Zwei• innenpolitische Konflikte regeln zu helfen. Ebensowenig ist es fel ein Verdienst der Friedensforschung, die Dimension der freilich hilfreich, wenn eine Regierung gewaltfreien Widerstand Nord-Süd-Beziehungen als Bestimmungsfaktor internationaler gegen bestimmte politische Entscheidungen — etwa gegen die Friedenspolitik in die Diskussion eingebracht zu haben. Stationierung der neuen Raketen oder gegen eine Beteiligung Ein weiterer aus der Sicht der Friedensforschung zu untersu• an der Strategischen Verteidigungsinitiative — ihrerseits als chender Konfliktfaktor ist die zunehmende Umweltzerstörung >Gewalt<, als Nötigung oder Lar dfriedensbruch, letztlich also — sei es, daß Rüstung und Unterentwicklung direkt schädliche auch als eine Form struktureller Gewalt< definiert.

Vereinte Nationen 2/86 65 Atom-Explosionen seit 1945 Bekanntgewordene und vermutete bis Ende 1984 störanfälliger werden, ist Sicherheit unteilbar und erhält neben der traditionellen militärischen Dimension neue wirtschaftli• che, ökologische und soziale Dimensionen. • Sicherheit sowohl in dem umfassenden Sinne des ersten Sat• zes wie auch im engeren militärischen Sinne ist immer auch die Sicherheit des anderen. Aus beiden Überlegungen läßt sich ableiten, daß nicht die Ge• sellschaft überleben wird, die die bessere militärische Verteidi• gung organisiert, sondern jene, die in Kooperation mit anderen Gesellschaften die besseren wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Überlebensstrukturen aufbaut. Das bedeutet in letzter Konsequenz eine neue Verteilung der Ressourcen, einen Abbau des Drohsystems der Abschreckung und ein überzeugendes An• gebot wirtschaftlicher und ökologischer Kooperation an Part• ner und Gegner gleicherweise. Die Verwirklichung solcher langfristigen friedensfördernden Strategien ist freilich nur möglich, wenn es gelingt, gewonnene Erkenntnisse und Einsichten an die Betroffenen zu vermitteln. Betroffen sind einerseits die Menschen, die unter dem Zustand der organisierten Friedlosigkeit< leiden, wie Dieter Senghaas den heute noch vorherrschenden Zustand der internationalen Beziehungen nennt, andererseits die politischen Akteure in Parlamenten, Regierungen, Verwaltungen und gesellschaftli• chen Großgruppen, die Friedenshandeln beschließen und durchsetzen können. Die Verbindung zwischen beiden Katego• rien von Betroffenen ist dadurch gegeben, daß die Akteure vom Konsens der Bürger und Wähler abhängen, vor allem, wenn ein• schneidende Maßnahmen erforderlich werden. Friedensför• Fast 1 500 Atomsprengköpfe wurden bis Ende 1984 gezündet. Überwiegend dernde Maßnahmen, die von einer breiten Öffentlichkeit nicht unterirdisch, da sich die beiden größten Atommächte dem >Vertrag über das Verbot von Kernwaffenversuchen in der Atmosphäre, im Weltraum und unter verstanden werden, sind kaum durchzusetzen. Dazu bedarf es Wasser< von 1963 unterworfen haben. Eine Vereinbarung über einen umfas• der Darlegung wissenschaftlicher Erkenntnisse in verständli• senden Teststopp kam bislang nicht zustande. cher Sprache und der Bereitschaft zum Dialog zwischen For• schung und Politik, aber auch zwischen allen Betroffenen un• Auswirkungen auf die Umwelt haben, sei es, daß durch einsei• tereinander. tige Prioritätensetzung mit Blick auf militärische Friedenssi• cherung — also durch Mittelbindung durch Rüstung — indirekt Institutionalisierung die Abwehr ökologischer Bedrohungen behindert wird. Auch diese Forschung könnte an einer Fülle von Beispielen veran• Die ältesten, zum Teil noch heute aktiven Vereinigungen zur schaulicht werden, etwa mit der Feststellung, daß zur Zeit jähr• Förderung des Studiums von Friedensfragen gehen bis zum lich 200 000 Quadratkilometer Waldfläche durch Raubbau verlo• Anfang unseres Jahrhunderts zurück. 1910 wurde in den Verei• ren gehen (ich spreche nicht vom Waldsterben bei uns, das noch nigten Staaten die Stiftung Carnegie Endowment for Interna• hinzugerechnet werden müßte), das ist jeweils ein halbes Pro• tional Peace (New York) gegründet, ein Jahr später ebenfalls in zent der Weltwaldfläche. Außerdem dehnt sich die Wüstenflä• den USA die World Peace Foundation (Boston). Seit 1917 ist das che der Welt jährlich etwa um 2 vH aus, um 150 000 qkm, was American Friends Service Committee, eine Einrichtung der gut 60 vH der Gebietsgröße der Bundesrepublik Deutschland Quäker-Bewegung, in Philadelphia tätig. 1919 entsteht das erste entspricht. Ein Bruchteil der Rüstungsausgaben würde ausrei• Forschungsinstitut, die Hoover Institution on War, Revolution chen, um Abhilfe zu schaffen. Aber das Geld fehlt! and Peace an der Stanford-Universität in Kalifornien. Ihre mo• Schließlich werden friedenswahrende Strukturen einer Gesell• derne Ausprägung erhielt die Friedens- und Konfliktforschung schaft auch von der Art und Weise bestimmt, wie Konflikte im nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs durch den Zusammen• Nahbereich, im direkten Umfeld des einzelnen, geregelt werden fluß der Forschung über internationale Beziehungen, der psy• können: Wohnen und Arbeit, Bildung und Freizeit, Situation chologischen Aggressionsforschung und der von Physikern von Minderheiten und Randgruppen, Mensch und Bürokratie. (etwa Albert Einstein) begonnenen Forschung über Bedeutung Diese sogenannten innergesellschaftlichen Konflikte sind aus und Folgen der Atomwaffen. 1945 entstand in St. Louis das der Sicht der Friedensforschung deshalb so wichtig, weil ihr Peace Research Laboratory (heute in Dunedin, Florida) und Vorhandensein die Neigung zur gewaltsamen Lösung auch in• gleichzeitig in Frankreich das Institut Francais de Polemologie ternationaler Konflikte verstärkt und den Frieden innerhalb (Paris). (In Frankreich und den Niederlanden wird der Begriff eines Staates wie auch zwischen den Staaten zunehmend ge• >Polemologie< — griechisch >polemos<: Krieg, Widerstreit — sy• fährdet. nonym zu Konfliktforschung gebraucht.) 1951 folgte die Grün• dung des Institute of War and Peace Studies an der Columbia- Angesichts dieser Fülle von Konflikten hat die Friedensfor• Universität (New York). In den folgenden zwei Jahrzehnten schung einen neuen Begriff von Sicherheit entwickelt. Ich sehe wurden in den Vereinigten Staaten an fast allen wichtigen Uni• darin eine der großen Leistungen dieser Wissenschaft, die oft versitäten Institute für Friedensforschung sowie eine Reihe von übersehen wird, weil dieser Begriffswandel ganz allmählich wissenschaftlichen Gesellschaften gegründet, von denen nur ei• vonstatten gegangen ist. So wie Frieden längst nicht mehr nige der wichtigsten genannt werden können: Correlates of War allein das Schweigen der Waffen bedeutet — die Abwesenheit Project (Michigan-Universität, Ann Arbor), Institute of Behavio• von Krieg —, so bedeutet auch Sicherheit längst nicht mehr ral Science (Colorado-Universität, Boulder), Peace Studies Pro• allein den Schutz vor fremder militärischer Aggression. Dieser gram (Cornell-Universität, Ithaca, N. Y.), Center for Conflict Re• neue Sicherheitsbegriff, der inzwischen in die Politik Eingang solution (Madison, Wisconsin), Center for Nonviolent Conflict gefunden hat (auch wenn er noch lange nicht beherzigt wird), Resolution (Haverford College, Pennsylvania), Institute for läßt sich in zwei Formeln ausdrücken: World Order (New York), World Peace Through Law Center (Wa• • In einer Welt, in der die internationalen und innerstaatlichen shington), Consortium on Peace Research, Education and De- Wechselbeziehungen immer komplexer und zugleich immer

Vereinte Nationen 2/86 velopment (COPRED) (an verschiedenen Universitäten). In Friedensforschung (Mexiko-Stadt), eine Asian Peace Research jüngster Zeit sind in den USA kleinere Institute entstanden, die Association (Tokyo) und andere Institute in Australien, Frank• sich mit aktuellen Fragen der Abrüstung im allgemeinen und reich, Kanada, Neuseeland und der Schweiz. der atomaren Abrüstung im besonderen befassen, darunter das In der Bundesrepublik Deutschland kam es Anfang der achtzi• Center for Defense Information (Washington) und das Institute ger Jahre als Folge der Auflösung des Starnberger Max-Planck- for Defense and Disarmament Studies (Brookline, Massachu• Instituts zur Entstehung einer Reihe kleinerer Institute, darun• setts). ter des ausschließlich privat finanzierten Forschungsinstituts Von besonderer Bedeutung für die Friedensforschung sind Wis• für Friedenspolitik (Starnberg). Die bis 1983 von der DGFK senschaftlervereinigungen, die in den USA entstanden sind und betriebene Forschungsförderung wurde der Deutschen For• zum Teil erhebliche internationale Ausstrahlungskraft haben. schungsgemeinschaft (Bonn) übertragen. Aus der Erbmasse der An erster Stelle sind die 1957 von Albert Einstein und Bertrand DGFK blieb eine Arbeitsstelle Friedensforschung Bonn (AFB) Russell begründeten und nach dem ersten Konferenzort in Ka• erhalten, die für den Bereich der Friedensforschung Auskunfts• nada genannten Pugwash Conferences on Science and World und Koordinierungsaufgaben wahrnimmt. Affairs (mit Sitz in London und Genf) zu nennen. Zu dieser Die Übersicht macht deutlich, daß Friedensforschung vorrangig Gruppe von Institutionen gehören weiter das World Watch In• in Ländern der westlichen Welt betrieben wird, wobei ein zu• stitute (Washington), die Federation of American Scientists nehmendes Interesse in Ländern der Dritten Welt zu verzeich• (Washington) und die Union of Concerned Scientists (Cam• nen ist. Darüber hinaus bestehen Arbeitsbeziehungen zu poli- bridge, Massachusetts). tik- und sozialwissenschaftlichen Instituten in der Sowjetunion In Europa sind die ersten Institutionen — von dem bereits und den meisten osteuropäischen Ländern, insbesondere in Un• genannten Institut in Frankreich abgesehen, das inzwischen garn, wo die IPRA-Jahreskonferenz 1984 stattfand. In der So• nicht mehr besteht — Ende der fünfziger Jahre entstanden: wjetunion und in Polen sind interdisziplinäre Arbeitsgruppen 1957 das International Institute for Strategie Studies (IISS) >Friedensforschung< im Entstehen, die dem Selbstverständnis (London) und das Internationale Institut für den Frieden westlicher Friedensforschung entgegenkommen. (Wien), 1958 die Studiengesellschaft für Friedensforschung In der Zusammenführung der weltweiten Friedensforschung (München) und die Forschungsstätte der Evangelischen Stu• spielen vor allem die internationalen Organisationen eine Rolle, diengemeinschaft (FEST) (Heidelberg). Im Jahr darauf wurden sei es, daß sie Gutachten zu bestimmten Fragen anfordern, sei in Norwegen das Peace Research Institute Oslo (PRIO) und in es, daß sie internationale Konferenzen zu Kernproblemen die• der Bundesrepublik die Vereinigung Deutscher Wissenschaftler ser Forschung fördern oder wie die Organisation der Vereinten (VDW) (damals Hamburg, heute Bochum) gegründet. In den Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) sechziger Jahren folgten das Peace and Conflict Research Pro• Friedensforschungsvereinigungen beziehungsweise -institute gramme der Universität Lancaster (Großbritannien), das Pole- finanziell unterstützen. Die wichtigste Rolle spielen dabei die mologisch Instituut der Universität Groningen (Niederlande), Vereinten Nationen selbst. Viele der genannten Institute oder das Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) dort tätige Wissenschaftler haben zu Übersichten, Arbeitspapie• (Schweden), das Richardson Institute for Peace and Conflict ren und Memoranden beigetragen, die von der UN-Generalver• Research (Großbritannien) sowie eine Reihe weiterer Institute sammlung angefordert wurden, beispielsweise zum Programm an Universitäten in Belgien, Dänemark, Großbritannien, den der umfassenden und vollständigen Abrüstung, zum Stand der Niederlanden, Norwegen und Schweden. Einhaltung des Kernwaffen-Nichtverbreitungsvertrags, zum In diese Jahre fällt auch die Gründung der Canadian Peace Zusammenhang zwischen Rüstung und Entwicklung oder zur Research and Education Association (Dundas, Ontario) und des Konversion von Rüstungsproduktion in zivile Produktion. Ein Canadian Peace Research Institute (Oakville, Ontario) sowie Teil dieser Kooperationen läuft über das Ausbildungs- und For• mehrerer Gandhi-Institute in Indien. In Japan entstand 1966 schungsinstitut der Vereinten Nationen (UNITAR) und das In• eine erste Peace Research Group (Tokyo). stitut für Abrüstungsforschung (UNIDIR), mit Sitz in New York Angesichts dieser Fülle von Institutionen und Instituten lag beziehungsweise Genf. Doch auch andere Glieder des Verbands eine internationale Koordinierung nahe. Zu diesem Zweck der Vereinten Nationen wie die Organisation für industrielle wurde 1965 die International Peace Research Association Entwicklung (UNIDO) und die Handels- und Entwicklungskon• (IPRA) gegründet (mit wechselndem Sekretariat, zur Zeit in ferenz (UNCTAD) stützen sich oft auf die Expertise von Frie• Columbus, Ohio, USA). densforschern. 1970 begann der Aufschwung der Friedensforschung in der * Bundesrepublik Deutschland. Schon 1968 war die Arbeitsge• Mit diesen Überlegungen und Hinweisen habe ich die Frage meinschaft für Friedens- und Konfliktforschung (AFK) (mit nach Rang und Leistung der Friedens- und Konfliktforschung wechselndem Sekretariat, zur Zeit Hamburg) gegründet wor• nur anreißen können. Eine letzte Bemerkung noch: Friedens• den. 1970 wurde die (1983 von der Bundesregierung wieder auf• und Konfliktforschung steht zwischen zwei Fronten. Sie muß gelöste) Deutsche Gesellschaft für Friedens- und Konfliktfor• sich einerseits dem Zugriff von Kräften entziehen, die mit Frie• schung (DGFK) als Forschungsförderungseinrichtung ins Le• denswahrung lediglich die Erhaltung bestehender, meist unge• ben gerufen. Fast gleichzeitig entstanden die Hessische Stiftung rechter und dadurch konflikttreibender gesellschaftlicher Ord• Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) (Frankfurt) und das nungen meinen. Sie muß sich andererseits von den Kräften Max-Planck-Institut zur Erforschung der Lebensbedingungen abgrenzen, die bestehende Ordnungen mit allen Mitteln — ein• der wissenschaftlich-technischen Welt (Starnberg), das 1980 schließlich der Anwendung von Gewalt — beseitigen wollen in wieder aufgelöst wurde, und ein Jahr später das Institut für der Meinung, auf diese Weise Frieden herstellen zu können. Die Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Maxime, von der sich der Friedensforscher leiten lassen muß, Hamburg (IFSH) (Hamburg) und die Berghof-Stiftung für Kon• heißt >friedlicher WandeK Um solchen zu bewirken, ist die fliktforschung (München und Berlin). Erforschung von Daten und Zusammenhängen ebenso unab• Auch in anderen Ländern entstanden seit 1970 weitere Institute dingbar wie die Schaffung des Bewußtseins, daß allein gewalt• und Vereinigungen: das Inter-University Centre of Postgra• freie Konfliktaustragung das dem Menschen und seiner Würde duate Studies (IUC) (Dubrovnik, Jugoslawien), die Österreichi• angemessene Verhalten ist. sche Gesellschaft für Friedensforschung und das Universitäts• zentrum für Friedensforschung (beide in Wien) sowie das Öster• Hinweis reichische Institut für Friedensforschung (Burg, Stadtschlai- Die Anschriften aller in diesem Beitrag erwähnten Vereinigungen und Insti• tute können bei der Arbeitsstelle Friedensforschung Bonn (AFB), Theater• ning), das Friedensinstitut in Hiroshima und die Japanische platz 28, D-5300 Bonn 2, @ (02 28) 35 60 32, erfragt werden, die darüber hinaus Friedensforschervereinigung, der Lateinamerikanische Rat für zu Fragen dieses Forschungsbereichs Auskunft erteilt.

Vereinte Nationen 2/86 67 Die Kriege der Nachkriegszeit Interne und internationale bewaffnete Konflikte von 1945 bis 1985

ULRIKE BORCHARDT • GEORGIOS KAOURAS • ANJA MALANOWSKI • URSULA NIEBLING

Gerade im Internationalen Jahr des Friedens sollte nicht ver• grundsätzliche methodische Schwächen auf. Ihr liegen keine gessen werden, daß seit Beendigung des Zweiten Weltkrieges analytischen Kriterien zugrunde; dementsprechend ist sie auch weltweit 160 Kriege stattfanden, von denen mehr als 30 im Frie• auf der deskriptiven Ebene uneinheitlich: So ist zum Beispiel densjahr 1986 noch immer andauern. Dieses Jahr begann mit beim B-Typ das Kriterium faktischer Staatssouveränität teil• dem Ausbruch eines weiteren bewaffneten Konflikts (im Demo• weise maßgebend, beim C-Typ ausschließlich, während es beim kratischen Jemen im Januar). Die Mehrzahl dieser Kriege fan• A-Typ gar keine Rolle spielt. An einer analytischen Kriegstypo• den und finden in Ländern der sogenannten Dritten Welt statt. logie arbeiten wir zur Zeit. Angesichts dieses ungeheuerlichen Tatbestands nehmen sich Im folgenden legen wir zunächst die wichtigsten Ergebnisse der die bisherigen Ergebnisse der Kriegsursachenforschung trotz Auswertung der vorliegenden Liste dar und geben abschließend weltweiter Forschungsaktivitäten mager aus. einen Ausblick auf die weiteren Arbeitsschritte. Die statisti• Die hier vorgestellte >Kriegsliste< ist das erste Ergebnis eines schen Ergebnisse, auf die zurückgegriffen wird, umfassen nur längerfristigen Forschungsprogramms. Zunächst wird hierin die 159 Kriege, die bis Ende 1984 ausgebrochen waren. Die darin ein systematischer Überblick über die seit dem Zweiten Welt• erfaßten Trends haben aber auch durch die Ereignisse des Jah• krieg weltweit stattfindenden Kriegshandlungen, die beteilig• res 1985 nicht an Gültigkeit verloren. ten Akteure, ihre Ziele und die Kriegsergebnisse gegeben. Auch In der sogenannten Nachkriegszeit war die Welt insgesamt nur wird eine erste Annäherung zur qualitativen Erfassung des 26 Tage (im September 1945) kriegsfrei. Die Zahl der Kriegsto• jeweiligen Konfliktgegenstandes unternommen1. ten von 1945 bis Ende 1976 wurde von Kende auf 25 bis 30 Mil•

Die Arbeit an der Liste wurde angeregt von dem ungarischen lionen Menschen geschätzt6. Die Zahl der jährlich laufenden

Friedensforscher Istvän Kende2. 1982 wurde sie auf den neue• Kriege stieg überdies seit 1945 nahezu kontinuierlich an: waren sten Stand gebracht und durch eine Grobskizzierung der je• es 1945 noch drei Kriege, so 1955 schon 15, 1965 24, 1975 — nach weils beteiligten Kriegsparteien ergänzt3. Die Arbeitsgemein• dem Beginn der sogenannten Entspannungspolitik — immer schaft Kriegsursachenforschung an der Universität Hamburg noch 21, 1984 waren es schließlich 32 Kriege. unter Leitung von Klaus Jürgen Gantzel hat sowohl die Daten Schauplatz fast aller (94,3 vH) Kriege seit 1945 ist die Dritte dieser Liste überprüft, teilweise korrigiert, präzisiert, ergänzt Welt. Knapp drei Viertel sind sogar reine Dritte-Welt-Kriege. und bis einschließlich Dezember 1985 aktualisiert, als auch die Als besonders kriegsanfällig erwiesen sich dabei Schwarzafri• Liste um wesentliche Kategorien erweitert: So wurden entspre• ka, der Nahe und Mittlere Osten und Süd-/Südost-Asien. Die chend unserem Informationsstand4 Angaben über den haupt• restlichen 5,7 vH der Kriege (insgesamt neun) wurden auf euro• sächlichen Konfliktgegenstand, über die Kriegsbeendigung und päischem Boden ausgetragen, aber auch hier in Entwicklungs• die militärischen sowie politisch-gesellschaftlichen Kriegser• und Schwellenländern (Spanien, Griechenland, Irland, Ungarn gebnisse hinzugefügt (die an dieser Stelle allerdings nicht aus• und Zypern). geführt werden können). Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges fanden keine Kriege Auch der überarbeiteten Liste liegt die von Kende vorgeschla• auf den Territorien der entwickelten Industrienationen statt, gene Kriegsdefinition zugrunde: Als Kriege werden diejenigen aber in 44 Fällen (28 vH) haben Industriestaaten in der Dritten gewaltsamen Konfliktformen aufgefaßt, in denen zwei oder Welt Krieg geführt — als Kolonialmacht, als Intervenient oder mehr bewaffnete Streitkräfte an den Kämpfen unmittelbar be• als direkter Gegner in einem zwischenstaatlichen Krieg. Nach teiligt sind, wobei es sich mindestens auf einer Seite um regu• der Entkolonisierungsphase nach dem Zweiten Weltkrieg ging läre Streitkräfte (Militär, paramilitärische Verbände, Polizei• ihre direkte Kampfbeteiligung auffällig zurück. Dagegen inter• truppen) der Regierung handelt; in denen ein gewisses Mindest• venieren immer häufiger Entwicklungs- und Schwellenländer7 maß zentral gelenkter Organisation der Kriegführenden und in den laufenden Kriegen, während die Industriemächte heute des Kampfes auf beiden (!) Seiten gegeben ist; und in denen den ihre weltweiten Interessen tendenziell eher mit anderen Mit• bewaffneten Operationen Kontinuierlichkeit und planmäßige teln zu sichern versuchen. Die US-amerikanische Destabilisie- Strategie zugrunde liegen. Diese Kriegsdefinition schließt rungspolitik gegenüber Nicaragua ist ein beredtes Beispiel da• Staatsstreiche, Attentate und ähnliche Terrorakte aus, ebenso für. Die von uns noch nicht berücksichtigte indirekte Beteili•

spontane Aufstände5, Massaker, militärische Besetzungen oder gung an den Kriegen seit 1945, etwa durch Rüstungsexporte vereinzelte (Grenz-)Scharmützel. Des weiteren verzichten wir und logistische Unterstützung an Kriegführende, würde den in unserer Definition auf präzise quantitative Kriterien und oberflächlichen Eindruck wachsender Friedfertigkeit der Indu• Abgrenzungen nach Zahl der Opfer, Umfang der Streitkräfte, strienationen erheblich korrigieren. Dauer der Kämpfe etcetera. Zur Charakterisierung einzelner Besonders betroffen von ausländischer Intervention sind inner• Kriege sind diese quantitativen Merkmale wichtig, nicht jedoch staatliche Kriege, die seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges zur Definition, da eine Setzung jedweder Intensitätsschwelle 59 vH aller Kriege ausmachten und 72 vH der Drittbeteiligun• willkürlich bleibt, es uns ungerechtfertigt scheint, zwischen mi• gen auf sich zogen. Obgleich es sich höchst selten (in nur fünf litärischen und zivilen Opfern zu unterscheiden, und außerdem Fällen war eine der Kriegsparteien in Wort und Tat soziali• die verfügbaren Angaben über Zahlen der beteiligten Kämpfer stisch/kommunistisch orientiert) um eine Verlängerung des und Opfer oft zu ungenau sind. Ost-West-Konflikts in die Dritte Welt handelt, provozieren be• Bei der Aufstellung der Kriegstypen haben wir — mit einer sonders die Kriege, in denen es um Herrschaftssicherung oder Ausnahme — die Typenbildung von Kende beibehalten. Kende Systemumgestaltung innerhalb der Länder der Dritten Welt unterscheidet den Anti-Regime-Typ (Typ A), sonstige inner• geht, das militärische Eingreifen fremder Mächte. Wachsende staatliche Kriege (Typ B) und zwischenstaatliche oder Grenz• Komplexität, ausländische Intervention und Kriegsdauer ste• kriege (Typ C). Wir haben noch einen vierten Typ (Typ D) hin• hen in einem offensichtlichen Zusammenhang, doch können zugefügt, der die Entkolonisierungskriege umfaßt. Über direkte wir noch keine Aussagen über ihr inneres Verhältnis zueinan• Kampfbeteiligung von Drittländern gibt der an den Kriegstyp der machen. angefügte Zusatz 1 (mit Fremdbeteiligung) beziehungsweise 2 Eindrucksvoll ist aber, daß unter den 30 Kriegen, die bis Dezem• (ohne Fremdbeteiligung) Aufschluß. Diese Typologie weist noch ber 1984 nicht beendet werden konnten, zwei Drittel schon län-

68 Vereinte Nationen 2/86 ger als fünf Jahre andauern und nur einer dieser Kriege, näm• einen entscheidenden Hinweis auf die Funktionalität des Krie• lich der zwischen dem Irak und Iran (Listen-Nr. 148), als rein ges zumindest für die ihn initiierenden Akteure gibt. zwischenstaatlicher Krieg angesehen werden kann, dagegen Geht man davon aus — und nur unter dieser Voraussetzung ist 23 Kriege ausschließlich als innerstaatliche Kriege und sechs Kriegsursachenforschung mit praxisorientiertem Anspruch Kriege als Mischtypen in der Typologie erfaßt sind. Aber auch überhaupt sinnvoll —, daß kriegerisches Gewalthandeln aus der aus einer anderen Perspektive stellt der irakisch-iranische Sicht der es initiierenden Akteure zumindest in ihrer subjekti• Krieg eine Ausnahme dar: Während die meisten rein zwischen• ven Wahrnehmung zweckrationales Handeln im Sinne ihrer staatlichen Kriege binnen eines Jahres beendet werden konn• Interessen darstellt9, dann muß die Untersuchung dieser Inter• ten, zeichnet sich auch im sechsten Jahr des Golfkrieges weder essen im Mittelpunkt der Forschung stehen. Das bedeutet, daß eine Verhandlungslösung noch eine militärische Entschei• die strukturellen Rahmenbedingungen der am Krieg beteiligten dungsschlacht ab8. Gesellschaften, in die diese Interessen (und die sie vertretenden 90 der bis Dezember 1984 beendeten Kriege wurden durch gesellschaftlichen Gruppen und Klassen) eingebettet sind, einen militärischen Erfolg abgeschlossen. Dagegen konnten nur ebenso analysiert werden müssen wie die politischen Prozesse, 39 Fälle (30 vH) durch erfolgreiche Verhandlungen beendet wer• in denen Konfliktkonstellationen zum Krieg eskalieren. Erst den. Besonders die Entkolonisierungskriege nach dem Zweiten dann ist es beispielsweise auch möglich, den Stellenwert der Weltkrieg erwiesen sich als überproportional verhandlungsfä• Intervention Dritter (ob von kriegsverursachender, -eskalieren• hig. Aber auch die zwischenstaatlichen Kriege, in denen es zu der, -steuernder, -vermittelnder, lösungsverhindernder oder einer militärischen Pattsituation gekommen war, konnten mit -ermöglichender Bedeutung) zu bewerten. einigem Erfolg durch Vermittlung beendet werden. Dagegen Aus diesen Gründen steht die qualitative Erfassung des Kon• entziehen sich die innerstaatlichen Kriege fast vollständig der fliktgegenstandes der aufgeführten Kriege im Mittelpunkt un• internationalen Vermittlung. Diese Tatsache ist besonders be• serer derzeitigen Weiterarbeit an der >Kriegsliste<. Konkret drückend, eben weil die überwiegende Zahl aller Kriege inner• beinhaltet dies neben der Vertiefung der empirischen Informa• gesellschaftliche Kriege in der Dritten Welt sind, die zudem tionsbasis die Entwicklung eines methodischen Bezugsrah• durch Fremdbeteiligung einen hohen Internationalisierungs- mens, der analytische und systematische Kriterien der Zuord• grad aufweisen. nung dieses empirischen Materials an die Hand gibt. Die obigen Ergebnisse haben im wesentlichen noch den Cha• rakter systematisierter quantitativer Aussagen. Mit der Einbe• Anmerkungen ziehung der Kategorie hauptsächlicher Konfliktgegenstand< in die Liste wird der Versuch auch einer qualitativen Erfassung 1 Aus Platzgründen konnte die Darstellung der Kriegsergebnisse in nachfol• gender Liste keine Aufnahme finden. Der jeweilige hauptsächliche Kon• der den jeweiligen Kriegen zugrundeliegenden Interessen ein• fliktgegenstand kann nur plakativ charakterisiert werden. geleitet, obgleich diese in der hier vorgestellten vorläufigen 2 Istvän Kende, Twenty-five Years of Local Wars, in: Journal of Peace Rese• arch (Oslo), Bd.8 (1971), Nr.l, S.5-22. Ders., Wars of Ten Years 1967-1976, in: Form noch rudimentär ist. Unsere weitere Arbeit konzentriert Journal of Peace Research (Oslo), Bd.15 (1978), Nr.3, S.227-241. sich darauf, zu einer differenzierteren Analyse der Kriegsursa- 3 Istvän Kende/Klaus Jürgen Gantzel/Kai Fabig, Die Kriege seit dem Zwei• chen zu gelangen, weil nur deren Verständnis die Grundlagen ten Weltkrieg, in: Weltpolitik. Jahrbuch für Internationale Beziehungen, Bd.2, Frankfurt-New York 1982, S.106-118. dafür liefert, daß Friedensforschung stellungnehmend in krie• 4 Zu den benutzen Quellen vgl. Klaus Jürgen Gantzel/Jörg Meyer-Stamer gerische Auseinandersetzungen einzugreifen und Vorschläge (Hrsg.), Die Kriege nach dem Zweiten Weltkrieg bis 1984. Erste Daten und Analysen, München-London 1986. für Verhandlungs- und Friedenslösungsstrategien zu entwik- 5 Weswegen sich beispielsweise weder der 17Juni 1953 noch der Pariser Mai keln vermag, die die tatsächlichen Konfliktursachen berück• 1968 hier wiederfindet. 6 Istvän Kende, Kriege nach 1945. Eine empirische Untersuchung, in: Militär• sichtigen. politik Dokumentation, Heft 27, Frankfurt 1982. Die bisherige vergleichende Kriegsursachenforschung wird von 7 Während von 1955 bis 1964 die Fremdbeteiligung von Ländern der Dritten Welt an Kriegen in der Dritten Welt nur 20 vH betrug, stieg sie von 1975 bis quantifizierenden Verfahren dominiert, die Interessen der 1984 auf 46 vH. Kriegsparteien werden — von vereinzelten Studien abgesehen 8 Gerade an diesem Beispiel, wo eine Vielzahl innergesellschaftlicher Ursa• — nicht systematisch als Erklärungsfaktoren einbezogen. Dies chen zum zwischenstaatlichen Krieg geführt hat, wird die Unzulänglichkeit einer deskriptiven Typologie offensichtlich. — Zum aktuellen Stand und den ist um so erstaunlicher, als bereits der Klassiker der Kriegsfor• Vermittlungsbemühungen der Vereinten Nationen siehe S.76f. dieser Aus• schung, der 1831 verstorbene Carl von Clausewitz, mit seiner gabe. 9 Dies schließt selbstverständlich nicht aus, daß die Entwicklung der Kriegs• Definition des Krieges als »Fortsetzung der Politik mit anderen handlungen sich gegenüber den rationalen Kalkülen verselbständigt und Mitteln« beziehungsweise »mit Einmischung anderer Mittel« den rationalen Kalkülen selbst irrationale Momente unterliegen.

Krieg Land/Länder, Kriegführende: Angreifer // Angegriffene Zeitraum Kriegstyp Hauptsächlicher Konfliktgegenstand Nr. Kriegsname (direkte operative Kampfbeteiligung) bzw. Ziele der Angreifer

1 Griechenland 1944-45 A-1 Kommunistisch-sozialistische Guerilla // Sozialistische Revolution nach Abzug der republikanische Guerilla, Regierungstrup• deutsehen faschistischen Besatzung pen, britische Truppen 2 Algerien 1945 D-2 Französische Truppen, Polizei // algeri• Aufrechterhaltung der Kolonialherrschaft sche Unabhängigkeitsbewegung 3 Indonesien 1945-49 D-l Indonesische Befreiungsbewegungen / / Beseitigung der Kolonialherrschaft niederländische, japanische, britische Truppen 4 Spanien 1945-52 A-2 Kommunistische Guerilla // Regierungs• Wiederherstellung der bürgerlichen Repu• truppen und Guardia Civil blik 5 Iran (Kurdistan) 1946-17 B-2 Nationalistische Kurden // Regierungs• Staatsbildung durch kurdische Minderheit truppen 6 Griechenland 1946-49 A-1/ Kommunistische Guerilla, Revolutions• Sozialistische Revolution A-2 truppen / / Regierungs- und britische Truppen 7 China 1946-50 A-2 Bürgerlich-nationalistische Truppen (Kuo• Verhinderung eines kommunistischen Sy• mintang) / / kommunistische Truppen stems 8 Bolivien 1946-52 A-2 Populistisch-nationalrevolutionäre Gue• Sozialreformen und nationalistische Revolu• rilla / / Regierungstruppen tion 9 Indochina 1946-54 D-2 Kommunistische Guerilla // französische Beseitigung der Kolonialherrschaft, kommu• Truppen nistische Revolution 10 Philippinen 1946-52 A-2 Sozialistisch-kommunistische Bauerngue• Landreform und politische Partizipation, re• (Insel Luzon) rilla / / Regierungstruppen, Paramilitärs ale Unabhängigkeit von den USA

Vereinte Nationen 2/86 Krieg Land/Länder, Kriegführende: Angreifer // Angegriffene Zeitraum Kriegstyp Hauptsächlicher Konfliktgegenstand Nr. Kriegsname (direkte operative Kampfbeteiligung) bzw. Ziele der Angreifer

11 Paraguay 1947 A-2 Bürgerliche und kommunistische Milizen Herstellung bürgerlicher Demokratie gegen und oppositionelle Militärs / / Regierungs• Großgrundbesitz und Auslandskapital truppen 12 Madagaskar 1947-18 D-2 Unabhängigkeitsbewegung / / französi• Beseitigung der Kolonialherrschaft sche Truppen 13 Indien/Pakistan, 1947-49 C-2 Indische Streitkräfte // pakistanische Anschluß Kaschmirs an Indien /. Kaschmir-Krieg Streitkräfte 14 Costa Rica 1948 A-l Sozialdemokratische Truppen, zentral• Durchsetzung des sozialdemokratischen Mo• amerikanische Legionäre // Regierungs• dells gegen Staatsklasse und kommunisti• truppen und Arbeitermilizen schen Einfluß 15 Indien/ 1948 C-2 Indische Regierungstruppen / / haideraba- Anschluß Haiderabads an die Indische Haiderabad dische Regierungstruppen, moslemische Union Paramilitärs 16 Nicaragua/ 1948 AC-2 Costaricanische Exilantentruppe aus Ni• Restauration; Somoza-Diktatur: präventive Costa Rica caragua // costaricanische Regierungsmi• Herrschaftssicherung liz 17 Jemen 1948-49 AB-2 Truppen rivalisierender Herrscher Durchsetzung der Zentralgewalt, sektorale Reformen 18 Palästina/ 1948-19 C-l Truppen der Arabischen Liga, britische Territoriale Restauration Israel Offiziere // israelische Paramilitärs, briti• sche Offiziere 19 Kolumbien 1948-57 A-2 Liberale Milizen und kommunistische Liberale: Hegemonialkonflikt; Bauern: Herr• Bauernguerilla / / Regierungstruppen schaftskonflikt 20 Malaiischer Bund 1948-60 AD-1 Chinesische kommunistische Guerilla // Beseitigung der Kolonialherrschaft, kommu• britische, australische, neuseeländische nistische Revolution Truppen 21 Birma 1948-.. AB-2 Heterogene revolutionäre Guerilla und Guerilla: kommunistische Revolution; Min• ethnische Minderheiten // birmanische derheiten: Autonomie Regierungstruppen 22 VR China/ 1950 C-2 Chinesische Truppen // tibetische Regie• Eingliederung in den chinesischen Staats• Tibet rungstruppen und Guerilla verband 23 Indonesien 1950 B-2 Regierungstruppen / / südmolukkische Erhalt des kolonial ererbten Staatsgebietes (Südmolukken) Unabhängigkeitsbewegung 24 Nepal 1950 A-2 Militärischer Arm der Nepalesischen Kon• Sturz des Feudalregimes, Errichtung einer greßpartei / / Regierungstruppen parlamentarischen Demokratie 25 Nord-/Süd-Korea, 1950-53 C-l Nordkoreanische, später auch chinesische Beseitigung der Teilung des Landes und Koreakrieg Truppen // südkoreanische, UNO-, beson• Ausdehnung der Revolution ders US-Truppen 26 Indien (Nagas) 1950-64 B-2 Naga-Sezessionisten / / indische Regie• Gründung eines unabhängigen Naga-Staates rungstruppen durch Sezession Assams 27 Ägypten 1951-52 AD-1 Moslemische, nationalistische Guerilla // Beseitigung des Neokolonialismus, nationali• ägyptische, britische Truppen stische Systemreform 28 Tunesien 1952-54 D-2 Nationalistische Unabhängigkeitsbewe• Beseitigung der Kolonialherrschaft gung / / französische Kolonialtruppen 29 Kenia, 1952-56 D-2 Unabhängigkeitsbewegung / / Siedler, bri• Beseitigung der Kolonialherrschaft >Mau-Mau<-Aufstand tische Kolonialtruppen 30 Marokko 1952-56 D-2 Berber, marokkanische Nationalisten // Beseitigung der Kolonialherrschaft französische Kolonialtruppen 31 Guatemala 1954 A-l Rechtsgerichtete Militärs und US-Piloten Sturz der demokratischen Reformregierung; // Regierungstruppen USA: Hegemoniesicherung 32 VR China/Nationalchi• 1954 C-2 Truppen der VR China / / Truppen Natio• Eingliederung der nationalchinesisch be• na, /. Quemoy-Krise nalchinas herrschten Insel Quemoy in die VR China 33 VR China (Tibet) 1954/55 AB-2 Tibetische Autonomiebewegung / / chine• Sicherung des traditionellen Systems und -59 sische Truppen der Autonomie 34 Laos 1954-61 A-l Kommunistische Guerilla (Pathet Lao) Kommunistische Revolution durch Erobe• und nordvietnamesische Truppen / / laoti• rung der Staatsmacht sche Regierungstruppen 35 Algerien 1954-62 D-2/ Algerische Befreiungsarmee (FLN/ALN) Beseitigung der Kolonialherrschaft und Be• B-2 und radikalnationalistische Guerilla freiungsstrategie (MNA) / / französische Regierungs- und Kolonialtruppen und paramilitärische Ge• heimarmee der französischen Siedler (zeitweise auch: MNA / / FLN) 36 VR China/ 1955 C-2 Truppen der VR China / / Truppen Natio• Eingliederung der nationalchinesisch be• Nationalchina nalchinas herrschten Inseln Gikiagshan und Tachen in die VR China 37 Nicaragua/ 1955 AC-1 Costaricanische Exilanten und nicaragua- Destabilisierung der sozialdemokratischen Costa Rica nische Kampfflugzeuge / / costaricanische Herrschaft Regierungsmiliz 38 Zypern 1955-59 D-2/ Griechisch-zyprische Guerilla // britische Beseitigung der Kolonialherrschaft, An• B-l Truppen und türkisch-zyprische Polizei schluß Zyperns an Griechenland 39 Kamerun 1955-63 D-2/ Kamerunische Befreiungsbewegung / / Beseitigung der Kolonialherrschaft und So• A-2 französische Kolonialtruppen, später ka• zialrevolution merunische Regierungstruppen 40 Sudan 1955-72 B-2 Südsudanesische Teile der Armee und Autonomie, Verteilungskonflikt südsudanesische Rebellen // loyale Trup• pen der Zentralregierung 41 Südvietnam, 1955-75 A-l Kommunistische Guerilla, Revolutionsar• Nationale Wiedervereinigung und kommuni• Vietnamkrieg mee / / Regierungstruppen, US-Armee und stische Revolution andere

70 Vereinte Nationen 2/86 Krieg Land/Länder, Kriegführende: Angreifer / / Angegriffene Hauptsächlicher Konfliktgegenstand Zeitraum Kriegstyp Nr. Kriegsname (direkte operative Kampfbeteiligung) bzw. Ziele der Angreifer

42 Ägypten, 1956 C-2 Israelische, britische, französische Trup• Israel: Herrschaftsexpansion; Großbritan• Suez-Krieg, pen / / ägyptische Truppen nien, Frankreich: neokoloniale Einflußsiche• Sinai-Feldzug rung 43 Ungarn, 1956 A-1 Heterogene Opposition, Teile der Armee Widerstand gegen sowjetische Vorherr• Ungarn-Aufstand // Regierungstruppen und Sowjettruppen schaft; KP-interner Konflikt und Konterre• volution 44 Aden (Südjemen) 1956-58 B-1/ Truppen des Imam // Regierungs- und Beseitigung der Kolonialherrschaft, innen• D-2 britische Kolonialtruppen politischer Machtkampf 45 Kuba, Kubanische 1956--59 A-2 Revolutionäre antiimperialistische Gue• Sturz der Batista-Diktatur, für Strukturre• Revolution rilla / / Regierungstruppen formen und Unabhängigkeit 46 Nicaragua/ 1957 C-2 Nicaraguanische Truppen // hondurani• Konflikt um ressourcenreiches strittiges Honduras sche Truppen Grenzgebiet 47 Spanisch- 1957--58 CD-1 Groß-marokkanische Guerilla (Regie• Beseitigung der Kolonialherrschaft, Bildung Marokko rungstruppen?) // spanische, französische Groß-Marokkos Truppen 48 Maskat und Oman 1957--59 B-1 Separatistische omanische Guerilla / / bri• Restauration der Imam-Herrschaft, gegen tische und Sultanatstruppen Neokolonialismus 49 Libanon 1958 A-2 Christliche Milizen, kurz Regierungstrup• Verfassungsänderung zugunsten maroniti- pen // nichtchristliche Milizen scher Vormacht 50 VR China/Nationalchi• 1958 C-2 Truppen der VR China / / nationalchinesi• Eingliederung der nationalchinesisch be• na, 2. Quemoy-Krise sche Truppen herrschten Inseln Quemoy und Tangting in die VR China 51 Paraguay 1958--60 A-2 Guerillagruppen der heterogenen Opposi• Sturz der Stroessner-Diktatur und Demokra• tion / / Regierungstruppen tisierung 52 Indonesien 1958--61 AB-1 Westlich orientierte Separatisten // Re• Souveränität der Inseln und politisch-ökono• (Sumatra, Celebes) gierungstruppen und US-Kampfflugzeuge mische Restauration 53 Venezuela 1958-69 A-2 Guerilla der heterogenen Linksopposition Konflikt um Herrschaftsmodell nach Sturz / / Regierungstruppen der Jimenez-Diktatur 54 Dominikanische 1959 A-2 Exildominikanische Guerilla / / Regie• Sturz der dynastischen Trujillo-Diktatur und Republik rungstruppen Demokratisierung 55 Kongo-Kinshasa, 1960--64 A-1/ Ehemalige belgische Kolonialarmee und Sezession und Ressourcenkontrolle; Herr• Kongo-:Wirren<, B-1 heterogene Opposition / / Regierungs- und schaftskonflikte Katanga-Sezession (D-2) UN-Truppen 56 Guatemala 1960-72 A-2 Heterogene linksgerichtete Guerilla // Sturz der Militärdiktatur, Anknüpfung an Regierungstruppen und Paramilitärs die Reformpolitik der Zeit vor 1954 57 Tunesien, Bizerta- 1961 D-2 Tunesische Regierungstruppen // franzö• Endgültige Beseitigung der Kolonialherr• Krise sische Truppen schaft 58 Kuba, Schweinebucht- 1961 A-2 Exilkubaner und Söldner // Regierungs• Konterrevolution; USA: Hegemoniesiche• Invasion truppen und Volksmiliz rung 59 Indien/Portugal (Goa) 1961 D-2 Indische Regierungstruppen / / portugiesi• Endgültige Beseitigung der Kolonialherr• sche Kolonialtruppen schaft 60 Kolumbien 1961- -62 A-2 Regierungstruppen / / kommunistische Rückgewinnung kommunistisch kontrollier• Guerillaverbände ten Gebiets 61 Irak 1961-64 B-1 Irakische und syrische Regierungstrup• Autonomie wegen politischer und ökonomi• (Kurdistan) pen / / kurdische Guerilla scher Benachteiligung 62 Angola, Erster 1961- -75 D-1/ Heterogene Guerillagruppen / / portugie• Beseitigung der Kolonialherrschaft und Befreiungskrieg B-1 sische Kolonialarmee und zeitweise süd• Kampf um Systemumgestaltung Angolas afrikanische Truppen 63 Äthiopien, 1961- B-2 Separatistische Bewegungen in Eritrea / / Unabhängigkeit der Provinz Eritrea von Eritrea-Konflikt äthiopische Regierungstruppen Äthiopien 64 Indonesien 1962 CD-2 Indonesische Regierungstruppen // nie• Konflikt um die Entkolonisierung West-Pa• (West-Papua) derländische Kolonialtruppen puas bzw. West-Irians 65 Nepal 1962 A-2 Bewaffnete Kräfte der Nepalesischen Politische und soziale Reformen (Sturz der Kongreßpartei / / Regierungstruppen Monarchie) 66 China/Indien 1962 C-2 Chinesische Streitkräfte // indische Grenzkonflikt um die 1914 gezogene McMa- Streitkräfte hon-Linie im Himalaja 67 Brunei 1962 A-1 Antimonarchistische nationalistische Ar• Bildung eines unabhängigen Nordborneo mee / / britische und Sultanatstruppen statt Anschluß an Malaysia, Sturz des Sulta• nats 68 Jemen 1962--69 A-1/ Republikanische jemenitische und ägypti• Erhaltung des antiimperialistischen isla• (Arabische Republik) A-2 sche Truppen // jemenitische Truppen misch-demokratischen Systems des Imam 69 Haiti 1963 A-2 Exilhaitianer // Regierungstruppen und Sturz der dynastischen Diktatur Duvalier Polizei 70 Marokko/Algerien, 1963 C-2 Marokkanische Streitkräfte // algerische Grenzkonflikt und Ressourcenkontrolle Tindouf-Krieg Streitkräfte 71 Äthiopien 1963--64 BC-2 Somalische Regierungstruppen, Separati• Anschluß des Ogaden an (Groß-)Somalia (Ogaden)/Somalia sten / / äthiopische Regierungstruppen 72 Rwanda 1963--64 A-2 Batutsi-Krieger / / Regierungstruppen Restauration der Feudalherrschaft der Ba- tutsi 73 Zypern 1963-64 B-1 Griechisch-zyprische Regierungstruppen Verfassungsrevision zur Sicherung der grie• // türkisch-zyprische Regierungstruppen chisch-zyprischen Vorherrschaft 74 Indonesien/Malaysia, 1963--66 C-l Indonesische Regierungstruppen und Pa• Annexion Nordkalimantans, indonesische Konfrontation ramilitärs // malaysische, britische, au• Regionalhegemonie stralische, neuseeländische Truppen 75 Kenia, Shifta-Krieg 1963-67 B-2 Somalische Guerilla // kenianische Poli• Anschluß des von Somalis bevölkerten Ge• zei, Sondereinheiten biets in Nordkenia an Somalia 76 Laos 1963--73 A-1 Kommunistische Guerilla (Pathet Lao) Kommunistische Revolution und nordvietnamesische Regierungstrup• pen // laotische Regierungs-, thailändi• sche und US-Truppen

Vereinte Nationen 2/86 71 Krieg Land/Länder, Kriegführende: Angreifer // Angegriffene Hauptsächlicher Konfliktgegenstand Zeitraum Kriegstyp Nr. Kriegsname (direkte operative Kampfbeteiligung) bzw. Ziele der Angreifer

77 Guinea-Bissau 1963-74 D-2 Nationalrevolutionäre Befreiungsarmee, Beseitigung der Kolonialherrschaft und Kap Verde lokale Guerilla // portugiesische Koloni• alarmee 78 Kongo-Kinshasa 1964-67 AB-1 Heterogene Guerilla // Regierungstrup• Kampf um die Regierungsmacht und Parti• pen, Söldner, US- und belgische Truppen kularinteressen 79 Kolumbien 1964-72 A-2 Regierungstruppen // kommunistisch-so• Herrschaftssicherung; Wiederherstellung zialistische Guerillabewegungen (später der Zentralgewalt vereinigt) 80 Nordvietnam/USA 1964-73 C-2 Regierungstruppen Nordvietnams // US- Unterstützung im südvietnamesischen Revo• Streitkräfte (vor allem Bomber) lutionskrieg 81 Mosambik 1964-74 D-l Guerilla-Armee (FRELIMO) // portugiesi• Beseitigung der Kolonialherrschaft und so• sche Kolonialarmee, südrhodesische zialistische Umgestaltung Streitkräfte und (kleine) Einheiten Süd• afrikas 82 Indien/Pakistan 1965 C-2 Indische Streitkräfte // pakistanische Grenzkonflikt und Ressourcenkontrolle Streitkräfte 83 Dominikanische 1965 A-l Oppositionelle dominikanische Militärein• Sturz der konservativen Militärherrschaft; Republik heiten / / Regierungs- und US-Truppen USA: Hegemoniesicherung 84 Indien/Pakistan 1965 BC-2 Indische Regierungstruppen // mosle• Eingliederung ganz Kaschmirs in die Indi• 2. Kaschmir-Krieg misch-kaschmirische Guerilla und paki• sche Union stanische Armee 85 Irak (Kurdistan) 1965-66 B-2 Regierungstruppen / / Guerilla(-Armee) Verhinderung der Autonomierechte der Kurden 86 Peru 1965-66 A-2 Castristisch-antiimperialistische fokisti- Systemumgestaltung nach kubanischem sche Guerilla // Regierungstruppen Muster (aber ohne soziale Basis) 87 Aden (Südjemen) 1965-67 D-l Befreiungsfront des Südjemen // britische Beseitigung der Kolonialherrschaft Truppen 88 Oman 1965-75 B-1/ Nationalistische und kommunistische Sezession Dhofars, sozialistische Systemum• A-l Guerilla // britische, jordanische, irani• gestaltung in Oman sche Regierungstruppen 89 Thailand 1965-80 A-l Kommunistische Guerilla // Regierungs• Kommunistische Revolution truppen, US- und malaysische Truppen 90 Indien (Mizos) 1966 B-2 Bewaffnete Mizos, buddhistische Chak- Sezession der im hinduistischen Indien be• mas // indische Regierungstruppen nachteiligten Mizos 91 Südrhodesien, 1966-79 D-l Guerilla (ZANU, ZAPU), später auch Trup• Beseitigung der Kolonialherrschaft Chimurenga pen Mosambiks // Regierungs- und süd• afrikanische Truppen 92 Tschad 1966-.. A-l Nationalrevolutionäre und libysche Trup• Sturz der mit dem Neokolonialismus verbun• pen // tschadische Regierungstruppen, denen Regierung französische, zeitweise auch zairische Truppen 93 Namibia 1966-.. D-2 Unabhängigkeitsbewegung (SWAPO) // Beseitigung der Kolonialherrschaft Truppen Südafrikas 94 Bolivien 1967 A-2 Regierungstruppen / / revolutionärer Gue• Revolution nach kubanischem Muster (aber rillatrupp des Che Guevara ohne soziale Basis) 95 Israel/Arabische Liga, 1967 C-2 Israelische Truppen / / Truppen der Arabi• Militärstrategischer Präventivschlag, Expan• Sechs-Tage-Krieg schen Liga (besonders Ägypten, Syrien), sion PLO 96 Kongo-Kinshasa 1967 A-2 Söldner und oppositionelle Teile der Re• Sturz des Militärregimes Mobutu gierungstruppen // loyale Regierungs• truppen 97 Nigeria, Biafra-Krieg 1967-70 B-2 Separatistische Ibo-Bewegung // Regie• Sezession der ölreichen Provinz Biafra rungstruppen 98 Jemen 1968 A-l Südjemenitische Guerilla // Regierungs• Machtbeteiligung des radikalen Flügels der (Demokratischer) truppen, Milizen, Truppen der Arabischen Befreiungsbewegung Republik Jemen 99 Kambodscha 1968-75 A-l Rote Khmer, nordvietnamesische Trup• Kommunistische Revolution und militärstra• pen // Regierungs-, US-, südvietnamesi• tegischer Konflikt sche Truppen 100 El Salvador/Honduras, 1969 C-2 Salvadorianische Armee und Paramilitärs Ablenkung von aus Strukturkrisen resultie• Fußballkrieg // honduranische Armee renden inneren Spannungen 101 Jemen (Demokrati- 1969 AC-2 Truppen Südjemens // Truppen Saudi- Sicherung von System, Ressourcen und ter• scher)/Saudi-Arabien Arabiens ritorialer Integrität 102 Irak (Kurdistan) 1969-70 B-2 Irakische Regierungstruppen / / kurdische Verhinderung der Realisierung von Autono• Guerilla mierechten der Kurden 103 Ägypten/Israel, 1969-70 C-l Ägyptische Truppen, sowjetische Piloten Territoriale Restauration, Einflußsicherung A bnutzungskrieg // israelische Streitkräfte der UdSSR 104 Argentinien 1969-77 A-2 Linksperonistische und trotzkistische Antikapitalistische Revolution Guerilla // Regierungstruppen und Para• militärs 105 Großbritannien 1969- . B-2 Katholisch-republikanische Guerilla (IRA) Politische und soziale Reformen bzw. An• (Nordirland) / / protestantische Paramilitärs, britische schluß an die Republik Irland Truppen 106 Spanien (Basken) 1969-.. B-2 Baskische Guerilla (ETA) // Polizei, Re• Sezession und Systemumgestaltung gierungstruppen 107 Guinea 1970 A-l Heterogene Exilopposition und portugiesi• Sicherung der Kolonialherrschaft im an• sches Kolonialmilitär / / guineische Regie• grenzenden Portugiesisch-Guinea (Guinea- rungstruppen Bissau) 108 Jordanien 1970-71 A-l Regierungstruppen // Truppen der PLO, Herrschaftssicherung gegen antimonarchi• syrische Truppen stische Bestrebungen 109 Philippinen 1970-.. AB-2 Maoistisch-kommunistische Guerilla und Sturz des Marcos-Clans bzw. Autonomie des moslemische Guerilla // Regierungstrup• Südens (Mindanao) pen und Paramilitärs

72 Vereinte Nationen 2/86 Krieg Land/Länder, Kriegführende: Angreifer // Angegriffene Zeitraum Kriegstyp Hauptsächlicher Konfliktgegenstand Nr. Kriegsname (direkte operative Kampfbeteiligung) bzw. Ziele der Angreifer

110 Sri Lanka 1971 A-2 Maoistische Volksbefreiungsfront // Re• Revolution nach chinesischem Vorbild gierungstruppen und Polizei 111 Ostpakistan und In- 1971 AB-2/ Ostpakistanische Befreiungsarmee, Teile Souveränität Ostpakistans (Bangladesch) dien/(West-)Pakistan B-1/ der pakistanischen Armee, indische Re• und politische Neuordnung C-2 gierungstruppen / / (west)pakistanische Regierungstruppen 112 Uganda/Tansania 1971-72 A-1/ 1. Phase: Ugandische Regierungstruppen 1. Ablenkung von inneren Spannungen C-l / / tansanische Regierungstruppen 2. Phase: Exilguerilla (Obote) // ugandi• 2. Sturz der Amin-Diktatur sche Regierungstruppen (Idi Amin) 113 Burundi 1972 B-2 Bahutu-Guerilla // burundische Regie• Beseitigung der Batutsi-Herrschaft rungstruppen 114 Jemen (Arabische Re- 1972 AC-2 Nordjemenitische Truppen, südjemeniti• Gegenseitiger Sturz der Regierungen, Wie• publik)/Jemen (Demo• sche Guerilla // südjemenitische Truppen, dervereinigung kratischer) nordjemenitische Guerilla 115 Arabische Liga/Israel, 1973 C-2 Truppen der Arabischen Liga (besonders Territoriale Restauration Oktoberkrieg Ägypten, Syrien), PLO // israelische Trup• pen 116 Zypern 1974 B-1 Türkische Regierungstruppen und tür• Verhinderung des Anschlusses an Griechen• kisch-zyprische Paramilitärs / / grie• land durch Teilung der Insel chisch-zyprische und griechische Regie• rungstruppen 117 Irak (Kurdistan) 1974-75 B-2 Regierungstruppen // Truppen der kurdi• Niederschlagung der Autonomieforderung schen Autonomisten 118 Angola, Zweiter 1975-76 A-1/ Westlich orientierte Befreiungsbewegun• Verhinderung der sozialistischen Systemum• Befreiungskrieg C-2 gen (FNLA, UNITA), zairische Truppen, gestaltung Angolas Söldner, südafrikanische Truppen // so• zialistische Befreiungsbewegung (MPLA) und kubanische Truppen 119 Südrhodesien/ 1975-79 C-l Südrhodesische Regierungstruppen, Söld• Südrhodesien: Destabilisierung Mosambiks; Mosambik ner, südafrikanische Truppen / / mosambi- Mosambik: Unterstützung der simbabwi- kanische Regierungstruppen schen Befreiungsbewegung 120 Libanon 1975-.. ABC-1 Moslemische Milizen, PLO / / christliche Beseitigung der christlichen Vorherrschaft Milizen, israelisehe, syrische Truppen (politisches System), Bewahrung der territo• 1983/84 Einsatz »multinationaler Friedens- rialen Integrität truppe< westlicher Staaten. Seit 1978 UN- Friedenstruppe im Südlibanon (UNIFIL) 121 Indonesien 1975-.. B-2/ 1. Phase: Pro-westliche Befreiungsbewe• 1. Absicherung der westlichen Orientierung (Osttimor) C-2/ gung // sozialistische Befreiungsbewe• A-2 gung (FRETILIN); 2. Phase: Regierungstruppen // Truppen 2. Eingliederung in den indonesischen Staat der DVR Timor; 3. Phase: Regierungstruppen // FRETI- 3. Verhinderung der Autonomie LIN-Guerilla 122 Äthiopien, 1975-.. B-2 Autonomistische Befreiungsbewegung // Innere Autonomie der Provinz Tigray Tigray-Konflikt äthiopische Regierungstruppen 123 Westsahara 1975-.. B(DH Befreiungsbewegung (POLISARIO) und Verhinderung bzw. Rückgängigmachung der algerische Truppen // marokkanische, Annexion der Westsahara durch Marokko mauretanische Truppen 124 Südafrika/Angola 1976- . ACD-1 Südafrikanische Truppen, Guerilla Verhinderung bzw. Beseitigung des soziali• (FNLA, UNITA), Söldner // angolanische stischen Systems in Angola; Erhaltung der Regierungstruppen, kubanische Truppen Kolonialherrschaft in Namibia und namibische SWAPO-Guerilla 125 Südafrika 1976-.. A(D)-2 Guerilla der Widerstandsbewegung ANC Beseitigung des rassistischen Minderheits• / / Regierungstruppen, Polizei regimes 126 Irak (Kurdistan) 1976-.. AB-2 Kurdische Guerilla / / Regierungstruppen, Autonomie wegen Marginalisierung, Arabi- türkische Truppen sierung; politische Reformen 127 Äthiopien, 1976-.. BC-1 Somalische Regierungstruppen, westso• Anschluß des Ogaden an (Groß-)Somalia Ogaden-Krieg malische Guerilla // kubanische und Re• gierungstruppen 128 Zaire 1977 A-1 Guerilla // Regierungs- und marokkani• Sturz des Militärregimes Mobutu sche Truppen 129 Nicaragua 1977-79 A-1 Revolutionäre Guerilla (FSLN) // Regie• Heterogenes politisches Bündnis: Sturz der rungstruppen, zeitweise Einheiten aus Somoza-Diktatur; FSLN: Sozialrevolution Honduras und El Salvador 130 Indonesien 1977-.. B-2 Separatistische Guerilla (OPM) // Regie• Gründung eines unabhängigen Staates (West-Irian) rungstruppen West-Papua für die Urbevölkerung 131 Äthiopien, 1977-.. AB-2 Oromo-Guerilla / / Regierungstruppen Autonomie und Sturz der zentralistischen Oromo-Konflikt sozialistischen Militärjunta 132 Vietnam/ 1977-78 C-2 Vietnamesische Truppen // kamputsche- Grenzkonflikt, Ideologiekonflikt, Hegemo• Kamputschea anische Truppen niestreben 133 Zaire, Shaba II 1978 A-1 Guerilla / / französische, belgische, marok• Sturz des Militärregimes Mobutu kanische und gabunische Truppen 134 Uganda/Tansania 1978-79 CA-1 1. Phase: Ugandische Regierungstruppen 1. Absicherung des Amin-Regimes und terri• // tansanische Regierungstruppen; toriale Expansion 2. Phase: Tansanische Regierungstruppen 2. Sturz des Amin-Regimes und ugandische Guerilla // ugandische Regierungs- und libysche Truppen 135 Jemen (Demokrati• 1978-82 AC-2 Guerilla, südjemenitische Truppen / / Systemkonflikt und territoriale Restaura• scher)/ nordjemenitische Truppen und traditiona• tion Jemen (Arabische listische Paramilitärs Republik)

Vereinte Nationen 2/86 73 Krieg Land/Länder, Kriegführende: Angreifer / / Angegriffene Zeitraum Kriegstyp Hauptsächlicher Konfliktgegenstand Nr. Kriegsname (direkte operative Kampfbeteiligung) bzw. Ziele der Angreifer

136 Iran, 1978-82 A-2/ 1. Phase: Oppositionelle Teile der irani• 1. Sturz der Schah-Dynastie; Islamische Re• Islamische Revolution B-2 schen Armee und verschiedene Wider• volution standsgruppen / / Regierungstruppen 2. Phase: Orthodox-islamische Miliz // 2. Ausschaltung linker Revolutionäre linksgerichtete Milizen 3. Phase: Islamische Armee (Regierungs• 374. Verhinderung der Autonomie und truppen) und orthodox-islamische Miliz / / Durchsetzung der orthodox-schiitischen Autonomisten (Kurden und andere) und Richtung Anhänger der sunnitischen Richtung des Islam 4. Phase: Islamische Armee // Anhän• ger einer liberaleren Auslegung des Ko-

137 Kolumbien 1978-84 A-2 Regierungstruppen / / verschiedene links• Herrschaftssicherung gerichtete Guerillabewegungen 138 Südafrika/Mosambik 1978-.. CA-1 Südafrikanische Regierungstruppen, Re• Schutz der rassistischen Minderheitsherr• bellen bzw. Söldnereinheiten (RNM) von schaft in Südafrika; DeStabilisierung Mo• Mosambikanern und Portugiesen // mo- sambiks sambikanische und simbabwische Trup• pen 139 Kamputschea 1978- AC-1 1. Vietnamesische Truppen und kamput- 1. Beendigung des Terrorregimes der Roten (Vietnam/ scheanische EFKNR-Guerilla // kamput- Khmer Kamputschea), scheanische Regierungstruppen 3. Indochina-Krieg 2. Kamputscheanische Guerilla der Roten 2. Zurückdrängung des vietnamesischen Ein• Khmer, später auch bürgerliche und an• flusses dere Guerilla / / kamputscheanische Trup• pen der neuen Regierung, vietnamesische und laotische Truppen 140 El Salvador 1978-.. A-l Revolutionäre Guerilla / / Regierungstrup• Sturz des Machtblocks von Militär und pen und Paramilitärs, teilweise hondura• Agraroligarchie, Sozialrevolution nische Armee 141 Afghanistan 1978- .. A-l Islamische traditionalistische Guerilla // Gesellschaftliche Restauration, Kampf ge• Regierungstruppen, sowjetische Truppen gen hegemonialen Einfluß der UdSSR 142 China/Vietnam 1979 C-2 Chinesische Truppen // vietnamesische Entlastung der Widerstandsfront in Kamput• Truppen schea 143 Saudi-Arabien 1979- 80 AB-1 Saudiarabische Regierungstruppen und Sicherung von Monarchie und territorialer teilweise französische Einheiten // hete• Integrität rogene moslemische Gruppen 144 Iran (Kurdistan) 1979- .. AB-2 Regierungstruppen, Paramilitärs / / sozial• Unterbindung der nach dem Schah-Sturz be• demokratische und kommunistische Gue• gonnenen Autonomiepraxis der Kurden und rilla Herrschaftssicherung 145 Tunesien 1980 A-2 Prolibysche Widerstandsgruppe / / Polizei Sturz der Regierung Tunesiens und territo• Gafsa-Krise und Regierungstruppen riale Veränderung (Vereinigung mit Libyen) 146 Guatemala 1980- .. A-l Revolutionäre Guerilla / / Regierungstrup• Kampf gegen den repressiven militärisch- pen und Paramilitärs, zeitweise Truppen oligarchischen Machtblock und gegen Ras• aus Honduras und El Salvador sismus 147 Peru 1980 A-2 Regierungstruppen und Paramilitärs // Herrschaftssicherung, Zerschlagung der maoistisch-andinische Guerilla Guerilla 148 Irak/Iran 1980- .. C-2 Irakische Streitkräfte // iranische Streit• Grenzkonflikt, Vorherrschaft in der Golf-Re• kräfte und Paramilitärs gion und Herrschaftssicherung 149 Ecuador/Peru 1981 C-2 Streitkräfte Ecuadors // Streitkräfte Pe• Strittiges rohstoffreiches Grenzgebiet (auch rus Ablenkungsfunktion) 150 Gambia 1981 A-l Sozialistische Oppositionsbewegung / / Revolutionäre Umgestaltung Regierungs- und senegalesische Truppen 151 Nicaragua 1981- .. A-l Exilnicaraguanische Guerilla, Söldner, op• Konterrevolution; Hegemoniesicherung der positionelle Miskito-Indianer // Regie• USA; Indianer: Autonomie rungstruppen und Volksmilizen 152 Uganda 1981-.. A-2 Verschiedene Oppositions- und Befrei• Politische, soziale und ökonomische Refor• ungsbewegungen (vor allem NRM) // Re• men gierungstruppen 153 Syrien 1982 A-2 Muslimbruderschaft und abtrünnige syri• Islamische Revolution sche Truppen / / Regierungstruppen 154 Argentinien/ 1982 C-2 Argentinische Streitkräfte // britische Strittiger britischer Kolonialbesitz im Südat• Großbritannien, Streitkräfte lantik, vor allem Ablenkungsfunktion Falkland-(Malunnen-) Krieg

155 Indien (Sikhs) 1982-84 B-2 Autonomiebewegung der Sikhs // Regie• Gründung eines selbständigen Staates im rungstruppen und Polizei Pandschab 156 Grenada 1983 C-2 US-Streitkräfte unter nomineller Beteili• Hegemoniesicherung der USA bei interner gung ostkaribiseher Einheiten // Regie• Machtkrise der grenadischen Revolutionsre• rungstruppen gierung 157 Sri Lanka, 1983-.. B-2 Bewaffnete Kräfte der tamilischen Unab• Gründung eines unabhängigen Staates im Tamilen-Konflikt hängigkeitsbewegung (»Tamil Tigers<) / / Norden und Osten Sri Lankas Regierungstruppen und Polizei 158 Sudan 1983- . A-2 Loyale Regierungstruppen / / Guerilla Verhinderung der Autonomie, Herrschaftssi• (>Anya-Nya II<), Teile der im Südsudan cherung stationierten Regierungstruppen, Befrei• ungsbewegung (SPLA) 159 Türkei (Kurdistan) 1984-.. B-2 Guerilla der Kurdischen Arbeiterpartei Gründung eines kurdischen Staates (zusam• (PKK) // Regierungstruppen men mit den im Irak und Iran lebenden Kur• den) 160 Mali/Burkina Faso 1985 C(A)-1? Streitkräfte Burkina Fasos // Streitkräfte Zugang zu den Ölfeldern im Grenzbereich Malis

74 Vereinte Nationen 2/86 vor allem die >funktionalen< oder >techni- schen< Tätigkeiten der Organisation der oben genannten Kategorie 2 sowie die vom Aus dem Bereich der Vereinten Nationen UNRWA und dem UNHCR geleistete Flücht• lingshilfe, die insgesamt etwa ein Fünftel der Tätigkeiten • Nachrichten • Meinungen Ausgaben des Gesamtsystems ausmachen. Die anderen drei Tätigkeitsbereiche zeichnen sich durch einen sehr geringen Konsensus Allgemeines In seinem Bericht zählt Bertrand nur die Or• aus. Es handelt sich um ganisationen der Kategorien 1 und 2 zum a) Frieden und Sicherheit, Bertrand-Studie: Kritik eines Insiders — Verzette• UN-System und grenzt seine Analyse ent• b) Beiträge zur Entwicklung und lung der Aktivitäten, Mängel in der Qualifikation sprechend ein. c) Bereitstellung eines Forums für Diskus• des Personals? — Reformvorschläge (7) sionen, Forschung, Verhandlungen in be• Weltorganisation der dritten Generation Mühle und Mehl stimmten Bereichen (etwa Menschen• rechte und Völkerrecht). Auf Effizienz und Effektivität im UN-System Im zweiten Kapitel geht der Autor auf Schwä• soll die 1966 von der Generalversammlung chen des Managements und der Strukturen In diesen drei Tätigkeitsbereichen bedürfe es einer Analyse der Methoden und Strukturen gegründete, seit 1968 tätige Gemeinsame In• des UN-Systems ein. Seiner Meinung nach zur Zielerreichung, um verstehen zu können, spektionsgruppe (Joint Inspection Unit, JIU) sind die Ursachen dieser Systemschwächen warum und wie eine grundlegende Revision achten. Unvermutet wörtlich hat nun im Jahr vor allem struktureller Art. Diese können der Konzeption der Weltorganisation not• des UN-Jubiläums einer der elf Inspektoren nicht durch Verbesserungen des Manage• wendig ist. seinen Evaluierungsauftrag genommen und ments, sondern nur durch politische Ver• partielle Hinfälligkeit beim Geburtstagskind handlungen beseitigt werden. Dieser Analyse wendet sich Bertrand im vier• ten Kapitel zu. Seine Analyse der Tätigkeit diagnostiziert (Some Reflections on Reform Im einzelnen gilt seine Kritik folgenden Punk• des Sicherheitsrats fällt angesichts des Ost- of the United Nations, UN-Doc. JIU/REP/85/ ten: West-Gegensatzes und des Wettrüstens ne• 9). • Mangel an Koordinationsmöglichkeiten gativ aus. Er plädiert daher für einen funktio• Der Franzose Maurice Bertrand, der Ende und Prioritäten angesichts der außerordentli• nalem Ansatz zur Friedensherstellung, näm• 1985 nach langjähriger Dienstzeit in der JIU chen Komplexität des Systems (Bertrand lich durch wirtschaftliche Zusammenarbeit. pensioniert wurde, gehört zu den bestinfor• nennt als Näherungsvariable die Vielzahl der Allerdings spricht er sich gegen den sektora• mierten Insidern des UN-Systems. Die ge• rechtlich unabhängigen Einheiten bei den len Ansatz des UN-Systems auf weltweiter nannte Studie, die im Oktober 1985 bereits in Vereinten Nationen und einigen ihrer Sonder• Ebene aus, der zur Erhöhung der Komplexi• der Presse intensiv diskutiert wurde, bevor organisationen, die insgesamt über 100 be• tät und nicht zu ihrer Reduktion beiträgt. sie als offizielles UN-Dokument erschien, gilt trägt). Vielmehr plädiert er für einen regionalspezifi• als sein Vermächtnis. Man darf gespannt • Extreme Fragmentierung der operativen schen, integrierten Ansatz, um der Hauptauf• sein, wie der Generalsekretär der Vereinten Aktivitäten des UN-Systems (das Teilpro• gabe >Entwicklung< gerecht zu werden, der Nationen darauf schriftlich reagieren wird, gramm >Soziale Entwicklung< in den regiona• heute rund 70 vH aller Ausgaben des Sy• bevor der Bertrand-Bericht und die Antwort len Wirtschaftskommissionen beispielsweise stems gewidmet sind. Er fordert weiterhin, des Generalsekretärs der 41. Generalver• ist im Durchschnitt mit 2,3 Beamten besetzt; die Weltorganisation solle sich mit den mit• sammlung im Herbst 1986 zur Diskussion die Hilfe für ein Entwicklungsland kann von tel- und langfristigen Problemen befassen, vorgelegt werden. etwa 30 verschiedenen Institutionen des UN- da die Einzelstaaten diesen Weltproblemen Bereits heute kann gesagt werden, daß der Systems kommen). nicht die notwendige Aufmerksamkeit schen• Bertrand-Bericht die tagespolitische Diskus• • Ein unangemessen hoher Anteil der Ar• ken. sion zum 40jährigen Bestehen überdauern beitszeit sowohl der Delegationen als auch wird; es handelt sich um ein umfassendes des Sekretariats wird den Management- und Europäische Gemeinschaft als Modell? Dokument auf hohem intellektuellem Niveau, Organisationsproblemen gewidmet: »Die Art das nicht nur die Gemüter der Regierungen und Weise, wie die Mühle arbeitet, wird viel Bertrand entwickelt dann im fünften Kapitel erregen, sondern auch der wissenschaftli• wichtiger als die Qualität des Mehls, das sie seine Reformkonzeption einer Weltorganisa• chen Diskussion über die Zukunft internatio• erzeugt.« (S. 8) tion der dritten Generation. Er operiert — vor naler Organisationen wichtige Anregungen • Es bestehen zu viele mittelmäßige Out• dem Hintergrund des EG-Modells — mit ei• geben wird. puts des Systems — seien es Publikationen nem neuen integrativen Entwicklungsansatz Bertrand beginnt mit der These, daß es nach mit sehr niedrigen Verkaufsziffern, unzählige auf der regionalen Ebene, der zu Regionalen 40 Jahren Entwicklung des UN-Systems drin• analytisch schwache Dokumente oder die Entwicklungs-Agenturen< führen und damit gend notwendig sei, über eine Reform nach• Vielzahl sehr kleiner Projekte. die operativen Tätigkeiten des UN-Systems zudenken, welche nach Völkerbund und Ver• • Unangemessene Qualifikationen des Per• in Art, Umfang und Struktur erheblich verän• einten Nationen zu einer »Weltorganisation sonals: In den Vereinten Nationen besitzen dern würde. Das UN-Sekretariat und die Se• der dritten Generation« führen sollte. Weder allein 25 vH der Beamten im höheren Dienst kretariate der wichtigsten Sonderorganisatio• seien erfolgversprechende Versuche in keine Universitätsausbildung; bei UNICEF nen wären dann nicht mehr nach Sektoren Sicht, die Charta der Vereinten Nationen so waren es 1982 sogar 30 vH. über das Gesamtsystem weit verstreut, son• zu ändern, daß eine Reform von innen mög• Bertrand wirft den Mitgliedstaaten vor, daß dern durch ein zweistufiges System zu erset• lich ist, noch erscheine es denkbar, daß eine sie der Effizienz des Systems nur eine zweit• zen: an der Spitze ein interdisziplinär orien• Mobilisierung der öffentlichen Meinung die rangige Bedeutung beimessen, daß sie vor tiertes zentrales Sekretariat mit einem gro• Regierungen veranlassen könnte, radikale allem keine klaren Vorstellungen darüber be• ßen Mitarbeiterstab, ausgestattet mit unter• Reformmaßnahmen einzuführen. sitzen, welchen Zwecken eine Weltorganisa• schiedlichen sozialwissenschaftlichen Quali• In seiner ersten Anmerkung führt der Autor tion dienen könnte. fikationen, und auf der Ebene der Sonderor• eine Dreiteilung des UN-Systems ein, auf die Im dritten Kapitel kritisiert Bertrand, daß das ganisationen kleinere, nach Sektoren geglie• später noch zurückzukommen ist, nämlich Mandat des UN-Systems unrealistisch defi• derte Sekretariate. 1. Organisationen mit umfassenden Kompe• niert sei, daß Transmissionsriemen zwischen Entsprechend dem EG-Modell Rat/Kommis• tenzen (hierzu zählt er die Vereinten Na• den Vertretungen an den Hauptquartieren sion fordert Bertrand einen Wirtschafts-Si• tionen selbst und zahlreiche ihrer Spezi- und den verantwortlichen nationalstaatlichen cherheitsrat/, der aus 12 bis 23, höchstens alorgane sowie die Sonderorganisationen Verwaltungen fehlen, und daß die Unfähig• aber 37 Mitgliedern bestehen sollte, wobei FAO, ILO, UNESCO und WHO), keit, bescheidene Ziele zu formulieren, zu als Hauptkriterien das Bruttosozialprodukt 2. die >funktionalen< beziehungsweise Zweifeln führe, ob die Mehrzahl der Aktivitä• und die Bevölkerungsgröße heranzuziehen >technischen< Organisationen (die Son• ten überhaupt eine Beziehung zur Realität wären (ergänzend kämen Vertreter nach ei• derorganisationen IMO, ITU, UPU, WIPO besitzt. nem Regionalschlüssel hinzu). und WMO sowie die IAEA) und Der Autor zählt vier sehr unterschiedliche Tä• Die Staaten sollten bei der Weltorganisation 3. die >finanziellen< Organisationen, denen tigkeitsbereiche auf, wobei lediglich die erste durch je einen politischen und ökonomi• die Mehrzahl der sozialistischen Indu• Kategorie Management-Funktionen erfüllt, schem Botschafter vertreten sein. strieländer nicht angehört (IMF, Welt• für die zwischen den Mitgliedstaaten ein Bertrand ist sich bewußt, daß die Realisie• bankgruppe, GATT, IFAD). Konsensus vorhanden ist. Hierzu gehören rung seiner Vorschläge in Form eines >Über-

Vereinte Nationen 2/86 75 gangsplans< etwa ein Jahrzehnt in Anspruch sandt, die am 20. beziehungsweise 26. Juni ben — freiwillig, wie die irakischen Behörden nehmen würde. Verbunden mit seinen Reor• 1984 ihre Arbeit aufnahmen. behaupten. Obwohl die Mission nicht alle ganisationsvorschlägen wäre ein Abgehen Die Vereinbarung wurde anfangs von beiden Klagen verifizieren konnte, war sie aufgrund von den hohen Leitzielen der Charta zugun• Seiten respektiert. Die Kämpfe zwischen Irak der Besuche der Lager, der Gespräche mit sten realistischer, einlösbarer Teilziele, eine und Iran gingen zwar in dieser Zeit weiter offiziellen Stellen sowie mit einzelnen Gefan• Erhöhung des durchschnittlichen Qualifika• und es gab auch gelegentlich Angriffe auf genen in beiden Ländern in der Lage, eine tionsniveaus der Mitarbeiter sowie ein Trans• zivile Ziele (die aber wohl eher unabsichtlich allgemeine Einschätzung der Situation der fer der Finanzmittel für technische und Wirt• erfolgten, wie auch die Beobachtergruppen Kriegsgefangenen zu geben. Diese Einschät• schaftshilfe von den UN-Programmen (u. a. feststellten). Die gegenseitigen Beschuldi• zung fiel ausgesprochen deprimierend aus. UNDP, WFP, UNFPA, UNICEF) an die Regio• gungen, die Juni-Vereinbarung gebrochen zu Viele Gefangene sind schon mehrere Jahre nalen Entwicklungs-Agenturen<. Obwohl haben, hörten aber nicht auf. in Gefangenschaft, ohne Aussicht auf Besse• Bertrand eine Revision der Kapitel IX und X Am 12. Februar 1985 sah sich der Generalse• rung ihrer Situation. Die Umstände ihrer Ge• der UN-Charta lieber wäre, geht er auch von kretär der Vereinten Nationen veranlaßt, an fangenschaft, die Versorgung und die Be• der Möglichkeit aus, durch eine interne Um• beide Parteien zu appellieren, weiterhin zu handlung enstprechen aufgrund der Erkennt• strukturierung des UN-Systems sein Ziel zu ihrer Verpflichtung zu stehen, keine zivilen nisse der UN-Mission in beiden Ländern erreichen. Ziele anzugreifen. Dieser Appell schien noch nicht den Grundsätzen des humanitären Völ• bis Anfang März 1985 zu wirken, doch dann Niemand, der sich ernsthaft mit den gegen• kerrechts. Körperliche Mißhandlungen und bat der Präsident des Sicherheitsrats der wärtigen Struktur- und Funktionsschwächen Folter — die Mission benutzt allerdings die• Vereinten Nationen vergeblich beide Partei• des Systems der Vereinten Nationen befaßt, ses Wort nicht — scheinen nicht ungewöhn• en, sich an die Juni-Vereinbarung zu halten wird den Bertrand-Bericht als einen kon• lich zu sein. Dabei sind die körperlichen Miß• (S/17004; Text: S.82 dieser Ausgabe). Ähn• struktiv-kritischen Beitrag zum 40jährigen handlungen im Irak vorherrschend, während liche Appelle des Generalsekretärs vom Bestehen einfach zur Seite legen können, auf die Gefangenen in Iran offensichtlich 6. März 1985 und wiederum des Präsidenten ohne — und das gilt vor allem für die Regie• starker psychischer Druck ausgeübt wird, des Sicherheitsrats vom 15. März 1985 rungen der Mitgliedstaaten, die oft direkt im um sie auf die iranische Seite zu ziehen. (S/17036; Text: S.82 dieser Ausgabe) zeig• Bericht angesprochen werden — die Vor• Diese Politik hat zu tiefgreifende Parteiungen ten keine Wirkung mehr. schläge genauer zu analysieren und eine ent• in den Lagern geführt, die sich oft in massi• sprechende politische Einschätzung abzuge• ven Auseinandersetzungen unter den Gefan• ben. Dabei darf man jedoch nicht, wie Ber• Die Kriegsgefangenenfrage genen selbst entladen. trand es tat, die Zukunft der Organisationen Ein besonders schlimmes Kapitel im Krieg Wenn die Gefangenen nicht über Lautspre• der Kategorie 3 (d. h. IMF, Weltbankgruppe, zwischen Irak und Iran stellt die Behandlung cher ideologisch indoktriniert werden (oft GATT, IFAD) unberücksichtigt lassen. der Gefangenen dar, so daß sich das Interna• von morgens bis abends), haben sie fast Klaus Hüfner • tionale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) be• keine Möglichkeit, sich körperlich oder gei• reits früher in einem demonstrativen Schritt stig zu betätigen. Dieser Zustand hat nach Politik und Sicherheit gezwungen sah, die Weltöffentlichkeit auf Feststellungen der Untersuchungsmission diese Situation aufmerksam zu machen. bereits bei vielen Gefangenen zu manifesten Irak-Iran: Zivilbevölkerung bleibt nicht ausgespart In einem Schreiben vom 25. Oktober 1984 mentalen Störungen geführt. Die Isolation — UN-Mission in Gefangenenlagern — General• machte die irakische Regierung den General• und Hoffnungslosigkeit wird noch dadurch sekretär in Teheran und Bagdad — Irak am Pran• sekretär der Vereinten Nationen auf einen gefördert, daß — vor allem in Iran — die Post ger (8) Vorfall in dem iranischen Gefangenenlager häufig verspätet kommt oder völlig aus• Gorgan aufmerksam. Dort sollen am 10. Ok• bleibt. (Dieser Beitrag setzt den Bericht in VN 2/ tober 1984 iranische Soldaten in Anwesen• In bezug auf die Situation der iranischen Zivil• 1984 S.61ff. fort.) heit von Vertretern des IKRK das Feuer auf personen im Irak kam die UN-Mission auf• Zivile Ziele irakische Gefangene eröffnet und eine An• grund persönlicher Gespräche zu dem Er• Auf Antrag einiger Golf-Anrainer trat Ende zahl von ihnen getötet oder verletzt haben. gebnis, daß ein gewisser, von ihr in der Zahl Mai 1984 der Sicherheitsrat der Vereinten Der Irak forderte die Entsendung einer Mis• nicht abschätzbarer Teil unter Zwang in den Nationen zusammen, um über die iranischen sion der Vereinten Nationen, um diese Vor• Irak verbracht worden ist. Darüber hinaus be• Angriffe gegen Ölschiffe auf dem Weg zu fälle untersuchen zu lassen. Iran antwortete steht auch nach Ansicht der Mission der be• oder von kuwaitischen und saudiarabischen mit Gegenbeschuldigungen, war aber mit der gründete Verdacht, daß sich mindestens Häfen zu diskutieren. An der Debatte betei• Entsendung einer Mission einverstanden, die mehrere hundert iranische Gefangene, dar• ligten sich neben den unmittelbar betroffe• schließlich vom 11. bis 17. Januar 1985 den unter auch der iranische Erdölminister, in ge• nen Nachbarstaaten viele Vertreter anderer, Irak und vom 18. bis 25.Januar 1985 Iran heimen irakischen Lagern befinden. besuchte. Sie setzte sich zusammen aus den vielfach seefahrender Länder, die einmal die Im etwa 110 km westlich von Bagdad gelege• beiden Professoren Wolfram Karl (Öster• Freiheit der Schiffahrt beschworen und zum nen Lager Ramadi Nr.2, das unter dem Na• reich) und Torkel Opsahl (Norwegen) sowie anderen die Befürchtung äußerten, daß sich men >Kinderlager< bekannt ist, wurde Anfang Generalmajor Rafael Angel Vale Huerta (Ve• der Kriegsschauplatz durch solche Aktionen 1985 mit großem propagandistischen Auf• nezuela). auf gefährliche Weise ausdehnen könnte. wand unter anderem mit Unterstützung der Am I.Juni 1984 wurde die Resolution 552 Der Vorfall in Gorgan, fast 400 km nordöst• internationalen Hilfsorganisation >Terre des (Text: VN 5/1984 S.177f.) bei zwei Enthaltun• lich von Teheran gelegen, wirft ein bezeich• Hommes< eine Schule eingerichtet. gen (Nicaragua, Simbabwe) angenommen. nendes Licht auf einen Aspekt des Krieges, Beide Kriegsparteien erklärten zwar grund• Darin wird zwar auf den iranischen Angriff den man der psychologischen Kriegführung sätzlich ihre Bereitschaft, zur Lösung des Bezug genommen, dann aber werden »alle zuordnen kann. Nach dem Bericht der UN- Gefangenenproblems beitragen zu wollen, Staaten auf (gefordert), gemäß dem Völker• Mission (S/16962) kam es in dem Lager näm• die UN-Mission hat aber den Eindruck ge• recht das Recht der freien Schiffahrt zu re• lich zu einer Auseinandersetzung zwischen wonnen, daß die Gefangenen auf beiden Sei• spektieren«. Es werden »die jüngsten An• irakischen Gefangenen, die noch ihrem hei• ten als Werkzeuge und Propagandainstru• griffe auf Handelsschiffe« verurteilt und wei• matlichem Regime die Treue halten, und eini• ment im Kampf gegen den Feind mißbraucht tere Maßnahmen bei Nichtbefolgung der Re• gen anderen, die sich auf die iranische Seite werden. solution angekündigt. Nach einer Serie geschlagen haben. Als die Auseinanderset• Aufgrund des UN-Berichts über die Situation schwerer Luftangriffe beider Seiten auf zivile zungen sich ausbreiteten, schössen irani• der Kriegsgefangenen in beiden Ländern for• Ziele richtete der Generalsekretär der Ver• sche Wachmannschaften in die Streitenden. derte der Irak eine Sitzung des Sicherheits• einten Nationen am 9. Juni 1984 einen drin• Insgesamt wurden neun Gefangene getötet, rats, die am 4. März 1985 stattfand. Der iraki• genden Appeil an beide Länder, in Zukunft davon drei durch die internen Kämpfe, und sche Außenminister Aziz erklärte die Bereit• von Angriffen auf zivile Ziele abzusehen (UN- mindestens 47 so schwer verletzt, daß sie ins schaft seines Landes, auf der Grundlage des Doc. S/16611). Beide Seiten akzeptierten Krankenhaus eingeliefert werden mußten. Berichts der Mission an einer Lösung des den Vorschlag des Generalsekretärs, so daß Zur Zeit der Mission befanden sich aufgrund Gefangenenproblems mitzuwirken. Anschlie• am 12.Juni 1984 diese Vereinbarung in Kraft offizieller Angaben 9 206 iranische Kriegsge• ßend sprachen dann nur Vertreter einiger trat. Zur Überwachung dieses Moratoriums fangene im Irak und 46 262 irakische Gefan• arabischer Länder, welche die irakische Posi• wurden zwei Beobachtergruppen der Verein• gene in Iran. Dazu kommen noch rund 75 000 tion unterstützten. Der Sicherheitsrat ver• ten Nationen nach Bagdad und Teheran ent• iranische Zivilpersonen, die jetzt im Irak le• tagte sich ohne Beschluß.

76 Vereinte Nationen 2/86 Vermittlungsbemühungen Giftgasopfer behandelt wurden. In seinem kument zu hinterlassen. Der Grund dafür lag des UN-Generalsekretärs Bericht kommt der Mediziner zu dem Ergeb• damals in der Problematik des Artikels VI des Nach einem Besuch Saudi-Arabiens und eini• nis, daß im März 1985 chemische Waffen in Vertrages, der die Mitgliedstaaten verpflich• ger Golfstaaten besuchte der Generalsekre• Form von Bomben durch die irakische Seite tet, »in redlicher Absicht Verhandlungen zu tär der Vereinten Nationen auch kurzfristig eingesetzt worden sind. führen über wirksame Maßnahmen zur Been• Teheran (778. April 1985) und Bagdad (8./ Aufgrund dieses Berichts sowie des Berichts digung des nuklearen Wettrüstens ... und 9.April 1985). Als Ergebnis seiner Reise des Generalsekretärs über seine Reise nach zur nuklearen Abrüstung«. konnte er aber auch nur feststellen, daß sich Teheran und Bagdad trat der Sicherheitsrat Diese Vorschrift hat in den vergangenen fünf die Positionen der beiden Länder nicht ver• der Vereinten Nationen am 25. April 1985 zu• Jahren gewiß nichts an Brisanz eingebüßt; ändert haben. Positiv wertete Perez de Cuel- sammen. In dieser Sitzung gab der Präsident die von ihr im Grunde allein Angesproche• lar, daß auf beiden Seiten dem Generalsekre• des Rates eine mit allen Mitgliedern abge• nen, Vereinigte Staaten und Sowjetunion, tär Vertrauen in seine Bemühungen um eine stimmte Erklärung (S/17130; Text: S.82 die• hatten auch seit 1980 kaum mehr zur Erfül• Beendigung des Krieges entgegengebracht ser Ausgabe) ab. Darin wird festgestellt, daß lung ihrer Verpflichtung getan als in dem werde. »im Krieg zwischen beiden Ländern im März Zeitraum vor der zweiten Überprüfungskon• ferenz. Die anderen Vertragsstaaten waren Die iranischen Forderungen für eine Beendi• 1985 chemische Waffen gegen iranische Sol• aber diesmal offenbar geneigt, sich darauf zu gung lauten: Verurteilung des Agressors Irak daten eingesetzt worden sind«. Dann wird beschränken, ihrem mehr oder minder gro• und Zahlung von Reparationen. Irak verlangt der Einsatz chemischer Waffen unter Hinweis ßen Unmut darüber, daß sich die Atomrü• ein Lösungspaket, das unter anderem den auf das Genfer Protokoll von 1925 verurteilt. Im Laufe des Jahres 1985 wurden von Iran stungsspirale wieder nur nach oben gedreht beiderseitigen Rückzug der Truppen, den mehrfach Vorwürfe gegen den Irak wegen hatte, Luft zu machen und ansonsten die Austausch der Gefangenen und die Wieder• des Einsatzes chemischer Waffen erhoben. Vorzüge und den Wert des Nichtverbrei• eröffnung der Häfen enthalten soll. Anfang 1986 erhob auch erstmals der Irak tungsvertrages hervorzuheben. Dies jeden• Insgesamt war das Jahr 1985 gekennzeich• derartige Beschuldigungen, ohne aber ge• falls war der Tenor der weitaus meisten Re• net durch die Versuche beider Parteien, auf nauere Angaben zu machen. Am 13. Februar debeiträge, wenn es auch nicht ausblieb, daß dem Gebiet der psychologischen Kriegfüh• eine Reihe von Delegationen aus der Dritten 1986 kündigte der iranische Außenminister rung Pluspunkte zu sammeln. Iran stellte die Welt den Supermächten — mangels ernst• Velayati neue Maßnahmen gegen den Einsatz irakischen Angriffe auf zivile Ziele sowie den hafter Bemühungen um nukleare Abrüstung chemischer Waffen an, was eventuell als An• Einsatz chemischer Waffen in den Vorder• — offen Vertragsbruch vorwarfen. kündigung des eigenen Einsatzes derartiger grund, während von irakischer Seite stets auf Waffen interpretiert werden könnte. den aggressiven Charakter des iranischen II. Andererseits hat das Vertragswerk in der Regimes hingewiesen wurde. Iran forderte auch den Generalsekretär der Tat gewisse Erfolge gebracht. Mit derzeit 130 Als Anfang Februar 1986 Iran eine neue mili• Vereinten Nationen auf, durch eine Experten• Mitgliedern — 127 Nichtkernwaffenstaaten gruppe, den neuerlichen Einsatz chemischer tärische Offensive einleitete, forderten na• und drei Atommächten (Großbritannien, So• Waffen untersuchen zu lassen. Diesem Ersu• mens der Arabischen Liga der Irak, Jemen wjetunion, Vereinigte Staaten) — ist es das chen kam der Generalsekretär am 25. Fe• am weitesten verbreitete Abkommen zur Rü• (Arabische Republik), Jordanien, Kuwait, Ma• bruar 1986 nach, als er — wie schon im März stungskontrolle. Sein Hauptzweck, die Ein• rokko, Saudi-Arabien und Tunesien am 1984 — eine kleine internationale Experten• dämmung des Kernwaffenbesitzes auf die 12. Februar 1986 dringend ein Zusammentre• gruppe nach Iran entsandte. Ein Besuch des zum Zeitpunkt seiner Aushandlung über ten des Sicherheitsrats der Vereinten Natio• Irak war nicht vorgesehen, da dieses Land Kernwaffen verfügenden Staaten, ist nach nen. Zwischen dem 18. und 24. Februar fan• kein entsprechendes Gesuch an die Verein• wie vor erfüllt. Natürlich boten Südafrikas den vier Sitzungen statt. Es sprachen fast ten Nationen gerichtet hatte. Die Mission und Israels (vermutete) Atomrüstungspoten• ausschließlich Vertreter der arabischen Staa• schloß ihren Bericht am 7. März ab. Der Be• tiale vielen der 98 nach Genf gereisten Dele• ten, welche die irakische Seite unterstützen; fund der Sachverständigen war eindeutig; sie gationen Grund zur Sorge. Es verwundert der Iran nahm an der Debatte nicht teil. Aus stellten wiederum den Einsatz chemischer auch nicht, daß der irakische Sprecher Israel dem Rahmen fiel der libysche Vertreter, der Waffen (konkret: von Senfgas, gelegentlich wegen der Attacke gegen den von der Inter• nicht zu dem aktuellen Konflikt sprach, son• auch von Nervengas) fest. In einer Erklärung nationalen Atomenergie-Organisation (IAEA) dern das System der Vereinten Nationen mit der Mitglieder des Sicherheitsrats vom kontrollierten Reaktor Osirak im Jahre 1981 Vetorecht der Großmächte im Sicherheitsrat 21.März (S/17932; Text: S.83 dieser Ausga• heftig angriff und die Widersprüchlichkeit der und Unverbindlichkeit der Beschlüsse der be) wurde erstmals der Irak als Anwender israelischen Position gegenüber der interna• Generalversammlung anprangerte und das chemischer Waffen ausdrücklich beim Na• tionalen Kontrollbehörde unterstrich. Einer• Ausscheiden seines Landes aus der Weltor• men genannt. seits wolle es sich von dieser nicht in die ganisation androhte, sollte dieses System Karten schauen lassen und sei nicht bereit, Diese angesichts der Fakten ohnehin längst nicht grundlegend zugunsten der kleineren dem Vertrag beizutreten, andererseits be• überfällige klare Aussage kommt iranischen Länder geändert werden. zweifele es die Effektivität der Kontrollen. Forderungen entgegen. Fraglich ist aber, ob Die am 24. Februar 1986 einstimmig gefaßte dies auch schon eine aufgeschlossenere Resolution 582 (Text: S.82f. dieser Ausgabe) III. Insgesamt wurde die Tätigkeit der IAEA Haltung Teherans gegenüber den Vermitt• fordert einen sofortigen Waffenstillstand, den sehr gelobt. Die Organisation kontrolliert die lungsbemühungen der Vereinten Nationen Austausch der Kriegsgefangenen und ein Verwendung bombenfähigen Materials in der nach sich zieht. Vermittlungsverfahren zur Beilegung des vom Nichtverbreitungsvertrag garantierten Konflikts. Iran kritisierte unter anderem des• Wilfried Skupnik • zivilen Nutzung der Kernenergie. Sie soll ver• halb die Resolution, da sie den Irak nicht als hindern, daß aus dem zivilen Bereich Material Aggressor verurteilt und nicht eindeutig ge• in den militärischen Sektor umgeleitet wird. nug gegen die chemische Kriegführung Stel• Nichtverbreitungsvertrag: Dritte Überprüfungs• In keiner der von der IAEA kontrollierten An• lung bezogen hat. konferenz — Konsens über Schlußerklärung — lagen konnten solche Vorgänge beobachtet Ruf nach umfassendem Teststopp (9) werden. Eine gewisse Stärkung hat das Kriegführung mit chemischen Waffen lAEA-Überwachungssystem auch dadurch (Dieser Beitrag setzt den Bericht in VN 5/ Anfang März 1985 brach das Moratorium erfahren, daß auch die Atommächte USA, vom Juni 1984 zusammen und die Kämpfe 1980 S.179f. fort.) Großbritannien und Frankreich sowie neuer• flammten ohne Rücksicht auf die Zivilbevöl• I. Ganz im Gegensatz zu den Erwartungen dings, hinsichtlich eines Teiles ihrer Anlagen, kerung mit großer Heftigkeit wieder auf. Am vieler Beobachter endete die dritte Überprü• auch die Sowjetunion sich dem Kontrollver• 26. März 1985 und am 12. April 1985 brachte fungskonferenz der Mitgliedstaaten des Ver• fahren freiwillig unterworfen haben. Der Ver• Iran Beschwerden bei den Vereinten Natio• lages über die Nichtverbreitung von Kern• trag sieht derartiges nur für Nichtkernwaffen• nen gegen den Irak wegen des Einsatzes waffen (27.8.-21.9.1985 in Genf) mit der ein• staaten vor. chemischer Waffen vor. mütigen Verabschiedung einer auf die Sub• Im Zusammenhang mit der zivilen Nutzung Der Generalsekretär schickte darauf einen stanz des Vertrages eingehenden Schlußer• der Atomenergie führten einige Schwellen• spanischen Professor der Medizin, Manuel klärung. Damit war etwas gelungen, was fünf länder Klage darüber, daß der in dem Vertrag Dominguez, nach Europa, der zwischen dem Jahre zuvor auf der Vorgängerveranstaltung vorgesehene nukleare Technologietransfer 1. und 5.April 1985 Krankenhäuser in Bel• nicht erreichbar gewesen war; die zweite keineswegs in dem beschworenen positiven gien, der Bundesrepublik Deutschland und Überprüfungskonferenz war auseinanderge• Geist erfolge. Der türkische Delegierte wies Großbritannien besuchte, in denen iranische gangen, ohne ein substantielles Abschlußdo• auf die Gefahr hin, daß zu große Zurückhal-

Vereinte Nationen 2/86 77 tung der Lieferländer bei manchem Staat den gie zugunsten der Entwicklungsländer stand zur Verhinderung des Wettrüstens im Welt• Wunsch nach nuklearer Eigenständigkeit bei den Beratungen durchaus mit im Vorder• raum eingesetzt (vgl. VN 1/1986 S.35). wecken könnte. Hier ist auch ein zweites grund. Rüdiger Wolfrum • Problem angesiedelt: die Frage nämlich, ob Weltraumanwendungsprogramm: Das Welt• Vertragsstaaten Nukleartechnologie in Nicht- raumanwendungsprogramm zielt darauf ab, Wirtschaft und Entwicklung vertragsstaaten liefern dürfen, die sich der die Weltraumtechnologie vor allem bei den IAEA-Überwachung nicht in vollem Umfang Entwicklungsländern zu fördern. Es wurde UNEP: Erste Tagung der Vertragsstaaten der unterworfen haben. Die Bundesrepublik 1984 begonnen, wobei zunächst eine Be• Bonner Konvention — Bundeshauptstadt Konle• Deutschland und die Schweiz konnten sich standsaufnahme von Weltraumaktivitäten er• renzort (11) der Auffassung, daß der Vertrag solche Lie• folgte. 1985 wurden erstmalig Seminare in ferungen untersage, nicht anschließen. Entwicklungsländern gefördert. Mit diesen (Dieser Beitrag setzt den Bericht in VN 6/ IV. Unter dem Abrüstungsgesichtspunkt sollte ein Beitrag zur Meinungsbildung über 1983 S.195 fort.) ging es vornehmlich um die immer deutlicher Weltraumaktivitäten (vor allem aber über die I. An der vom Umweltprogramm der Verein• werdende Forderung vieler Nichtkernwaffen- Erderkundung vom Weltraum aus) geleistet ten Nationen (UNEP) einberufenen ersten länder nach einem umfassenden Teststopp. werden. Diese Tätigkeiten werden 1986 fort• Konferenz der Vertragsstaaten des Überein• Auch auf dieser Konferenz konnte die So• gesetzt. Seminare sind in Afrika, Asien, La• kommens zur Erhaltung der wandernden wjetunion mit ihrem einseitigen, befristeten teinamerika und der Karibik geplant. wildlebenden Tierarten (sogenannte Bonner Versuchsmoratorium gewisse atmosphäri• UNISPACE: Die Empfehlungen von 1982 be• Konvention), die vom 21. bis 28. Oktober sche Erfolge erzielen, insgesamt scheint die ziehen sich unter anderem auf die Erderkun• 1985 in Bonn tagte, nahmen außer Vertretern propagandistische Wirkung dieser Initiative in dung, den geostationären Orbit und den Sa- der Konventionsmitglieder Beobachter aus der Dritten Welt aber eher bescheiden gewe• tellitendirektfunk für Bildungszwecke. Sie 44 Staaten sowie von zahlreichen internatio• zielen auf eine stärkere Förderung der Ent• sen zu sein. Der Bonner Staatsminister Jür• nalen und nationalen Organisationen und In• gen Möllemann zweifelte den Wert des Mora• wicklungsländer in diesen Bereichen ab. Bis• stituten teil. In seiner Eröffnungsansprache toriums an und lobte dafür die vertrauensbil• her liegen allerdings erst Studien zu den ge• wies der Parlamentarische Staatssekretär im dende Wirkung der bedauerlicherweise aus• nannten Komplexen vor. Bundesministerium für Ernährung, Landwirt• geschlagenen US-Einladung an sowjetische Erderkundung: Der wissenschaftlich-techni• schaft und Forsten, , darauf hin, Experten, einem Atomtest in Nevada beizu• sche Unterausschuß konzentrierte sich bei daß bei der Behandlung von Artenschutz- wohnen. Frankreich, dem Vertrag bekannt• der Behandlung dieses Themas auf zwei problemen nicht nur Argumente wie ökologi• lich ebenso ferngeblieben wie China, stand Schwerpunkte: auf den freien Zugang aller sche Notwendigkeit, ästhetische Aspekte wegen seiner Atomversuche im Mittelpunkt Staaten zu den meteorologischen Daten so• und Erhaltung des genetischen Potentials zu der Kritik vor allem aus Neuseeland und Au• wie auf die Zusammenarbeit mit und die För• berücksichtigen seien, sondern daß hierbei stralien. Die Staaten des Südpazifik-Forums derung von Entwicklungsländern bei dem auch der Überzeugung zum Durchbruch ver• bemühen sich derzeit um die Schaffung einer Aufbau eines nationalen Erderkundungs- atomwaffenfreien Zone in der Region; der programms. Im Unterausschuß Recht wur• holten werden müsse, daß gefährdete Arten diesbezügliche Vertrag von Rarotonga liegt den die Arbeiten an einer Konvention zur aus ethischen und moralischen Gründen, seit dem 6.August 1985 vor. Erderkundung fortgesetzt. Diese Arbeiten also aus der Verantwortung gegenüber der erfolgten auf der Basis des 1984 vorgelegten Natur, zu erhalten sind. Die Einsicht in die V. Die AbSchlußerklärung war in drei Haupt• Vertragsentwurfs. Neue Vorschläge brachten Notwendigkeit und Bedeutung des Arten• ausschüssen vorbereitet worden. Sie enthält Frankreich, Brasilien, Chile und Kenia ein; al• schutzes und einer engen internationalen Zu• neben einem allgemeinen Bekenntnis zu dem lerdings war der Unterausschuß Recht nur in sammenarbeit bei dessen Durchführung sei Vertrag und seinen Zielen eine Reihe von der Lage, die französische Initiative im Detail in den letzten Jahren weltweit gestiegen. Aufrufen und Empfehlungen, die (um der zu diskutieren. Diese Entwicklung sei durch die von der In• Konsensbildung willen) meist entschärft for• ternationalen Union zur Erhaltung der Natur muliert worden sind. So trägt die Empfehlung Weltraumbeförderung: Im Vordergrund stand und der natürlichen Hilfsquellen (IUCN) 1980 zur nukleartechnischen Zusammenarbeit den hier eine Bestandsaufnahme von staatlichen erarbeiteten >Weltstrategie für die Erhaltung erwähnten Bedenken der Bundesrepublik Aktivitäten. Gewürdigt wurden die Raketen• der Natur< und die von der Generalversamm• Deutschland Rechnung, und Israel wird im starts Chinas, Japans, der Sowjetunion und lung der Vereinten Nationen 1982 beschlos• Zusammenhang mit dem Angriff auf fremde, der Vereinigten Staaten. sene >Weltcharta für die Natur< (Text: VN 1/ lAEA-überwachte kerntechnische Anlagen Geostationärer Orbit: Hinsichtlich dieses 1983 S.29ff.) sehr gefördert worden. Trotz• nicht namentlich genannt. Die Konferenz gab Komplexes stehen sich die Grundpositionen dem bleibe der Gefährdungsgrad der wildle• aber ihrer Besorgnis über die mögliche Mili• weiterhin unvereinbar gegenüber. Die Dis• benden Tiere und Pflanzen erschreckend tarisierung des Weltraums Ausdruck und be• kussionen haben jedoch an Schärfe verloren, hoch. Dies gelte im besonderen Maße von grüßte die Schritte zur Errichtung einer da festgestellt wurde, daß bislang jeder Staat Tieren, die aufgrund ihres saisonalen Verwei• atomwaffenfreien Zone im Südpazifik. in der Lage war, die von ihm gewünschte lens auf Gebieten mehrerer Staaten durch Die nächste Überprüfungskonferenz ist für Position zu besetzen. Im übrigen konzentrie• nationale Maßnahmen nur unzureichend ge• das Jahr 1990 geplant. Horst Risse • ren sich die Diskussionen zu diesem Thema schützt werden können. In diesem Zusam• primär im Rahmen der ITU. menhang appellierte der Staatssekretär an Verwendung nuklearer Energiequellen: Auch diejenigen Staaten, die bisher mit ihrem Bei• Weltraum: Kaum neue Akzente in der Diskussion insoweit sind die Arbeiten in den genannten tritt gezögert haben, diesen zu vollziehen, da — Interessen der Entwicklungsländer (10) Gremien nicht weiter fortgeschritten. Disku• das Übereinkommen nur dann den wandern• tiert wurden verhältnismäßig unstrittige (Dieser Beitrag setzt den Bericht in VN 6/ den Tieren einen wirksamen Schutz gewäh• Komplexe wie die Meldepflicht bei dem Wie• 1984 S.202 fort.) ren kann, wenn sich möglichst viele Staaten dereintritt von Satelliten in die Erdatmo• Mit Fragen der Weltraumnutzung und des zur Zusammenarbeit bereitfinden. sphäre sowie die gegenseitige Unterstüt• Weltraumrechts beschäftigten sich 1985 in Der Bonner Konvention sind bisher 18 Staa• zung, sollten Schäden auf der Erde eintre• New York der wissenschaftlich-technische ten und die EG beigetreten; in der Bundesre• ten. Unterausschuß des Ausschusses für die publik Deutschland ist sie seit dem I.Okto• friedliche Nutzung des Weltraums (11- Die 40. Generalversammlung der Vereinten ber 1984 in Kraft (BGBl 1984 II S.936). Von 22.2.), der Unterausschuß Recht (18.3.-4.4.), Nationen verabschiedete zwei Resolutionen ihren Nachbarstaaten sind zur Zeit erst Dä• der Ausschuß selbst (17.-28.6.), die General• zu Weltraumfragen. Ohne förmliche Abstim• nemark, Luxemburg und die Niederlande versammlung sowie — in Genf — die Abrü• mung angenommen wurde die Entschlie• dem Vertrag beigetreten. Weitere 14 Staaten stungskonferenz. Themen waren das Welt• ßung 40/162, mit der alle Staaten aufgefor• haben diesen zwar unterzeichnet, aber noch raumanwendungsprogramm, die Empfehlun• dert werden, ihre Anstrengungen in bezug nicht ratifiziert. gen der Konferenz >UNISPACE '82<, die Erd• auf eine friedliche Nutzung des Weltraums zu II. Auf der Konferenz ging es einmal um eine erkundung, die Weltraumbeförderung, der verstärken und den Rüstungswettlauf im Überprüfung der in den Anhängen zum Über• geostationäre Orbit und die Verwendung Weltraum zu verhindern. Zum letztgenannten einkommen aufgeführten Tierarten. Anhang I nuklearer Energiequellen im Weltraum. Auf• Thema erging bei Stimmenthaltung Grenadas (vom Aussterben bedrohte Tiere) wurde fallend ist, daß sich die gesamte politische und der USA mit 151 Ja-Stimmen noch Reso• durch die Aufnahme von 17 Tierarten ergänzt Stoßrichtung der Arbeiten etwas verschoben lution 40/87. Die Abrüstungskonferenz hatte (darunter mehrere Arten von Meeresschild• hat; eine Förderung der Weltraumtechnolo• am 29. März 1985 einen Ad-hoc-Ausschuß kröten) ; sechs Aufnahmeanträge wurden zu-

78 Vereinte Nationen 2/86 rückgewiesen. Zu Anhang II (in einer ungün• Der Deutschen Demokratischen Republik wurde, mitverantwortlich sein. Ein Recht auf stigen Erhaltungssituation befindliche Tiere, dankte das Dreiergremium für die substan• Entschädigung sei durch verschiedene UN- die weiträumige Wanderungen unternehmen) tielle materielle Hilfe, die sie nationalen Be• Resolutionen und das Dekret Nr.1 des UN- wurden zehn Aufnahmeanträge gebilligt, dar• freiungsbewegungen in ihrem Kampf gegen Rates für Namibia bestätigt worden. Die In• unter solche für Fledermäuse und bestimmte Apartheid zuteil werden ließ — auf 200 Mill itiativen einiger westlicher Länder hielt das Fische; ein Antrag wurde zurückgezogen. Mark beliefen sich freiwillige Beiträge der Gremium für unzureichend; der Sicherheits• Über die von deutscher Seite beantragte DDR-Bevölkerung allein im Jahr 1985; in den rat solle effektive Sanktionen beschließen. Aufnahme kleiner Wale in Anhang II soll auf letzten fünf Jahren wurden nach Angaben Bedauern zeigte das Gremium darüber, daß der nächsten Tagung entschieden werden. des Staatenvertreters Solidaritätslieferungen bis Ende 1985 nur 82 Staaten der Konvention Ferner wurde über die im Übereinkommen im Werte von mehr als 1 Mrd Mark insbeson• beigetreten waren und daß die Berichts• (Artikel IV) enthaltene, an die Mitgliedstaaten dere für Befreiungsbewegungen im Südli• pflicht oft vernachlässigt wird — im Februar gerichtete Aufforderung diskutiert, zum chen Afrika zur Verfügung gestellt. 1986 waren 136 Berichte überfällig. Abschlie• Schutz insbesondere der in Anhang II ge• Südafrika sei ein Militär- und Polizei-Regime, ßend wurden die Vertragsstaaten aufgerufen, in ihren Berichten die Individuen, Organisa• nannten Tiere Regionalabkommen abzu• dessen permanente Agressionsakte gegen tionen und Institutionen zu nennen, die für schließen. Das Sekretariat wurde angewie• die Frontstaaten den Weltfrieden bedrohten, verantwortlich gehalten werden im Hinblick sen, Entwürfe derartiger Übereinkommen im hob der tschechoslowakische Vertreter her• auf in Art.il der Konvention genannte Hand• Hinblick auf verschiedene Tierarten (Robben, vor. Nur die strikte Befolgung der entspre• lungen im Sinne der Apartheid, damit die Delphine, Störche und bestimmte Enten und chenden UN-Resolutionen und die Verwirkli• Gruppe ihre entsprechende Liste auf den Gänse) vorzubereiten. Diskussionen fanden chung des Aktionsprogramms gegen die neuesten Stand bringen kann. unter anderem über die Begriffe >wandernd<, Apartheid könnten dieses Problem lösen. >wildlebend< und >gefährdet< statt, ohne daß Dementsprechend hat die Tschechoslowakei Martina Palm-Risse • es zu Beschlüssen kam. Von deutscher Seite alle diplomatischen, wirtschaftlichen und kul• wurde bekanntgegeben, daß die Bundesre• turellen Beziehungen zu Südafrika abgebro• gierung plane, zusammen mit den Regierun• chen. Rechtsfragen gen Dänemarks und der Niederlande als Pi• Im Gegensatz zu dem wenig aufschlußrei• IGH: Vereinigte Staaten künftig nicht mehr der lotobjekt ein Regionalabkommen zur Erhal• chen Erstbericht Surinames, das auch keinen obligatorischen Jurisdiktion unterworfen — Klage tung der Seehunde im Wattenmeer abzu• Vertreter entstandt hatte, zeichnete der iraki• Nicaraguas als Hintergrund (13) schließen. sche Bericht in verständlicher und illustrati• Abschließend fand eine Aussprache über Or• ver Weise die Schritte nach, die das Land zur Am 7.0ktol»er 1985 haben die Vereinigten ganisations- und Budgetangelegenheiten Bekämpfung der Apartheid unternommen Staaten den Generalsekretär der Vereinten statt. Es wurde die in Artikel VIII und IX vor• hat. So beinhalten beispielsweise alle iraki• Nationen notifiziert, daß sie ihre Unterwer• gesehene Bildung eines Wissenschaftsrats schen Erziehungsprogramme Informationen fung unter die Rechtsprechung des Interna• und eines Ständigen Sekretariats beschlos• über das Problem der Apartheid. Ebenso wie tionalen Gerichtshofs (IGH) vom 26.August sen. Als Sitz für das Sekretariat wurde auf der irakische Vertreter hob auch der Vertre• 1946 zurücknähmen. Diese Erklärung trat am Vorschlag der Bundesregierung Bonn in ter Syriens hervor, daß die Operationen 7.April 1986 in Kraft. Davon wird allerdings Aussicht genommen. Kurt Wockenfoth • transnationaler Unternehmen das Verbre• nicht die weitere Verhandlung und Entschei• chen der Apartheid begünstigten. dung des IGH in bereits anhängigen Verfah• Die Verfassung und das Strafgesetzbuch Ga• ren berührt. Sozialfragen und Menschenrechte buns, so folgte aus dem Erstbericht dieses Die USA begründen ihren Schritt damit, daß Landes, verbieten jede rassische, etnische, bislang nur wenige Staaten die Jurisdiktion Anti-Apartheid-Konvention: 9.Tagung der Be• religiöse oder kulturelle Diskriminierung. Ga• des IGH anerkannt hätten. Nicht einmal ein richtsprüfer— Vertragsstaaten nachlässig (12) bun unterstützte aktiv den Solidaritätsfonds Drittel aller Staaten habe eine Unterwer• (Dieser Beitrag setzt den Bericht in VN 21 des OAU-Befreiungskomitees mit substan• fungserklärung gemäß Art.36 Abs.2 des IGH- 1985 S.69f. fort. Text des Übereinkommens: tiellen Zahlungen, erklärte die Vertreterin die• Statuts abgegeben, vor allem hätten sich we• VN 2/1975 S.57f.) ses Staates. Auch unterhalte Gabun weder der die Sowjetunion noch einer ihrer Alliier• diplomatische noch kulturelle Beziehungen ten der Rechtsprechung des IGH unterwor• Auf ihrer 9.Tagung, die vom 27. bis 31. Ja• zu Südafrika. fen. Wesentlich für die Entscheidung der nuar 1986 in Genf stattfand, lagen der Dreier• Die Dreiergruppe setzte ihre Untersuchung USA ist allerdings der Vorwurf, der IGH habe gruppe Berichte aus acht Ländern zur Über• der Frage, ob die Aktivitäten transnationaler sich durch Nicaragua — im Fall betreffend prüfung vor (UN-Doc. E/CN.4/1986/30 v. Unternehmen in Südafrika als >Verbrechen militärische und paramilitärische Aktivitäten 31.1.1986). Die Gruppe, deren Mitglieder die• der Apartheid< zu verstehen sind und ob auf in und gegen Nicaragua (Nicaragua gegen ses Jahr aus der DDR, Nicaragua und Sene• der Grundlage der Konvention rechtliche die Vereinigten Staaten von Amerika) (VN 1 / gal kamen, beurteilt gemäß Art. VII des Inter• Schritte dagegen ergriffen werden können, 1985 S.29f.) — als politische Waffe gegen die nationalen Übereinkommens über die Be• fort. Die Gruppe kam damit einem Ersuchen kämpfung und Ahndung des Verbrechens USA einsetzen lassen. Mit einer Entschei• der Apartheid die Bemühungen der berich• der Menschenrechtskommission (zuletzt Re• dung in dieser Streitigkeit überschreite das tenden Staaten, die Ziele der Konvention im solution 1985/10) nach. Die anhaltende Ko• Gericht seine Kompetenz. Der Konflikt zwi• Bereich ihrer Gesetzgebung, Verwaltung und operation einiger Staaten und transnationaler schen den USA und Nicaragua sei kein Kon• Rechtsprechung zu verwirklichen. Unternehmen mit Südafrika unterstütze die flikt, der juristisch gelöst werden könne, eine verabscheuungswürdige Politik der Apart• Lösung nur auf politischem Wege möglich. In Peru gilt Apartheid als Verbrechen gegen heid — diesen Standpunkt der Generalver• Damit wird praktisch der Vortrag der USA die Menschlichkeit, da die Konvention inner• sammlung machte sich auch die Dreier• gegen die Zulässigkeit der Klage Nicaraguas staatliche Geltung hat. Zudem verbieten die gruppe zu eigen. Die gegenteilige Ansicht, wiederholt. Im Grunde genommen handelt es Verfassung und andere nationale Gesetze daß eine Zusammenarbeit mit dem Apart• sich hier um den Versuch einer Anwendung jegliche Form von Diskriminierung. Handels• heidregime dazu beitrage, die Lage der Be• der >political question doctrine<, die in den beziehungen zwischen Peru und Südafrika völkerung dort zu verbessern und das Sy• USA für das Verhältnis von Regierung und bestehen nicht. Schärfstens, so hob der pe• stem dadurch menschlicher zu gestalten, Oberstem Gericht entwickelt worden ist. Ver• ruanische Vertreter hervor, verurteile sein lehnte die Gruppe als völlig unhaltbar ab. kannt wird dabei allerdings, daß das Zueinan• Land die Hinrichtung des schwarzen südafri• Ihrer Ansicht nach findet Art.l Abs.2 der Kon• der von Sicherheitsrat (dessen Einschaltung kanischen Dichters Benjamin Moloise, die vention auf transnationale Unternehmen und die USA akzeptieren würden) und IGH ganz trotz internationaler Appelle am 18. Oktober Banken Anwendung. Danach gelten auch Or• anderer Natur ist und vor allem die Grund• 1985 vollzogen wurde. ganisationen und Institutionen, die das Ver• sätze der Gewaltenteilung hierauf nicht an• Auch die Verfassung Ecuadors garantiert brechen der Apartheid begehen, als »verbre• wendbar sind. Rüdiger Wolfrum • Gleichheit und Nichtdiskriminierung. Bei Ver• cherisch«. Damit seien die betroffenen Un• stoß gegen eine Verfassungsbestimmung ternehmen als Mitschuldige anzusehen und IGH: Abweisung eines Wiederaufnahmebegeh• können die Betroffenen dagegen gerichtlich entsprechend zur Rechenschaft zu ziehen, rens — Doppelte Premiere (14) vorgehen oder den Rassendiskriminierungs• insbesondere sollten sie für den Schaden, ausschuß anrufen, dessen Zuständigkeit der dem südafrikanischen und namibischen (Dieser Beitrag setzt den Bericht in VN 4/ 1977 von Ecuador anerkannt wurde. Volk unter dem Apartheidregime verursacht 1982 S.143 fort.)

Vereinte Nationen 2/86 79 Unter vorrangiger Berücksichtigung von Bil• zelner Delegationen stoßen —, wurde aber unterscheiden. Einzelne Delegationen möch• ligkeitsgesichtspunkten hatte am 24. Februar von der Generalversammlung als Grundlage ten den Umfang des finanziellen Vorteils, 1982 der Internationale Gerichtshof den für die weiteren Verhandlungen des Aus• durch den der Söldner zu seinem Tun be• Festlandsockelstreit zwischen Tunesien und schusses akzeptiert. stimmt wird, möglichst niedrig ansetzen, um Libyen entschieden. In einem Antrag vom Dementsprechend nahm das Gremium seine den Anwendungsbereich der Konvention so 27. Juli 1984 hat dann Tunesien die Wieder• Tätigkeit wieder auf und trat vom 8. April bis breit wie möglich zu machen. In Frage ge• aufnahme des Verfahrens gemäß Artikel 61 zum 3. Mai 1985 am Sitz der Weltorganisation stellt wird nun auch, ob es wirklich abge• des IGH-Statuts sowie die Interpretation des zu seiner 5.Sitzungsperiode zusammen, zu stimmter, einen gewissen Umfang anneh• Urteils gemäß Art.60 beantragt. Ferner be• der nun auch Kuba einen Konventionsent• mender Gewalttätigkeiten bedarf, oder ob gehrte es eine Fehlerberichtigung sowie eine wurf vorlegte. nicht auch der einzelne Saboteur ein Söldner Expertenüberprüfung. Das Begehren Tune• Generell stehen die Arbeiten im Schatten sein kann. Solche Überlegungen lassen den siens wurde durch einstimmige Entschei• weltpolitischer Differenzen, vor allem dem Söldnerbegriff immer mehr an Kontur verlie• dung des Gerichts vom 10. Dezember 1985 des Ost-West-Konflikts. So wurden im Laufe ren, was angesichts der Tatsache, daß an ihn entweder als unzulässig oder als unbegrün• der Beratungen von einigen Delegationen die Strafvorschriften anknüpfen sollen, einer all• det zurückgewiesen. Contras in Nicaragua ebenso zu Söldnern er• gemeinen Akzeptanz der zukünftigen Kon• Ein Wiederaufnahmebegehren kann gemäß klärt wie die Widerstandskämpfer in Afghani• vention nicht zuträglich sein kann. Art.61 nur darauf gestützt werden, daß nach stan. III. Abgesehen von den Definitionsproblemen Urteilsfällung entscheidungsrelevante Fakten II. In der Substanz geht es nach wie vor ist in weitem Umfang nach wie vor offen, was bekannt werden, die bei der Entscheidungs• zunächst um die Bestimmung des Söldner• im Zusammenhang des Söldnertums alles findung weder dem Gericht noch dem An• begriffs. Der 1984 erarbeitete Text enthielt verboten sein soll. Es deutet sich aber auch tragsteller bekannt waren. Als ein derartiges hierzu zwei Definitionen. Die erste sollte im nicht an, daß sich gegenüber den bisherigen Faktum stufte Tunesien die Entscheidung internationalen bewaffneten Konflikt gelten Überlegungen sehr viel ändern wird. So soll des libyschen Ministerrats vom 28. März 1968 und entsprach wörtlich der Begriffsbestim• es den Staaten untersagt sein, sich der Söld• ein, die die nordwestliche Grenze der Erdöl• mung in Art.47(2) des I. Zusatzprotokolls zu ner zu bedienen; es wird ihnen aufgegeben konzession Nr. 137 anders als im Prozeß vor• den Genfer Konventionen von 1949. Etwas werden, Strafvorschriften zu erlassen gegen getragen bestimmt habe. Das Gericht ver• vereinfacht bedeutete dies, daß Söldner ist, Personen, die Söldner anwerben, ausbilden, wies darauf, daß ihm diese Grenze bekannt wer als Fremder speziell für einen bewaffne• finanzieren oder gebrauchen, und solche, die gewesen sei und sie deshalb auch Tunesien ten Konflikt angeworben wird, daran tatsäch• selber als Söldner tätig werden. Wer dabei bekannt gewesen sein müsse^ Zumindest lich teilnimmt und im wesentlichen durch besondere Gewaltakte (etwa Vergewalti• habe Tunesien die Möglichkeit gehabt, ent• persönliches Gewinnstreben motiviert ist, gung, Folter, Plünderung, Zerstörung von Ei• sprechende Kenntnis zu erlangen. Darüber was (auch) darin zum Ausdruck kommt, daß gentum, Mord) verübt, soll nochmals geson• hinaus verneint der IGH mit eingehender Be• ihm ein deutlich höherer Sold als in ver• dert zur Verantwortung gezogen werden. gründung, daß der exakte Verlauf der Kon• gleichbarem Rang stehenden regulären Sol• Strafbar werden wohl auch Versuch und Bei• zessionsgrenze entscheidungserhebllch ge• daten des Entsendestaates versprochen ist. hilfe werden. Besonders umstritten war im wesen sei. Aus beiden Gründen wurde der In einem zweiten Artikel wurde der Söldner• Ausschuß, ob Anwerbung, Gebrauch, Finan• Wiederaufnahmeantrag — der erste in der begrifffür die Situation des internen Konflikts zierung und Ausbildung von Söldnern in den Geschichte des IGH — als unzulässig abge• und für Friedenszeiten festgelegt. Erfaßt wa• Katalog der Verbrechen gegen den Frieden wiesen. ren dann Personen, die um ihres persönli• und die Sicherheit der Menschheit aufge• chen finanziellen Vorteils willen gewaltsam nommen werden soll, mit dessen Ausarbei• Für zulässig hielt das Gericht die beiden In• gegen eine (fremde) Regierung vorgehen. tung die Völkerrechtskommission der Verein• terpretationsanträge, wenn auch in beiden Diese beiden Definitionen sind auf der 5.Ta- ten Nationen derzeit befaßt ist. Fällen die Interpretation Tunesiens verworfen gung scheinbar zu einer zusammengeführt wurde. Weitere Teile der Konvention haben Pro• worden. Dabei wurde aber das Konzept, für Als nicht entscheidungserheblich sah das bleme der Strafverfolgung und der Ausliefe• die Situation des internationalen Konflikts Gericht die von Tunesien begehrte Korrektur rung zum Gegenstand. Während hier schon eine besondere Begriffsbestimmung vorzu• an. Aus dem gleichen Grunde wurde eben• in gewissem Umfang Einigkeit besteht, ist nehmen, beibehalten, so daß sich an der falls abgelehnt, eine Expertise erstellen zu nach wie vor umstritten, welche Behand- Struktur nicht viel geändert hat. Für die inter• lassen. lungs- und Verfahrensgarantien mutmaßli• nationalen Konflikte ist es bei dem aus Als Ad-hoc-Richter gemäß Art.31 des IGH- chen Söldnern zustehen sollen. Strittig ist Art.47(2) des I.Zusatzprotokolls stammen• Statuts hatte Libyen den Uruguayer Eduardo auch, ob ausdrücklich festgehalten werden den Text geblieben, für Friedenszeiten und Jimenez de Arechaga benannt, Tunesien die soll, daß die Verletzung von Verpflichtungen internen Konflikt dagegen ist eigentlich noch Französin Suzanne Bastid. Mit ihr, einer ehe• aus dem zukünftigen Übereinkommen ein alles offen. Der Ausschuß hat sich vorläufig maligen Präsidentin des UN-Verwaltungsge• zum Schadensersatz verpflichtendes völker• lediglich darauf verständigen können, daß als richts, nahm erstmals eine Frau auf der rechtliches Delikt darstellt, und ob eine Un- Söldner anzusehen sein soll, wer an abge• Richterbank des IGH Platz. berührtheitsklausel für das (humanitäre) stimmten gewaltsamen Aktionen teilnimmt, Kriegsvölkerrecht Eingang in die Konvention Rüdiger Wolfrum • die unter anderem auf den Sturz einer Regie• finden wird. Schließlich enthält der konsoli• rung gerichtet sind. Welche feindseligen Ge• dierte Text eine Schiedsklausel, die aber waltakte sonst noch die Qualifikation ihrer durch einen entsprechenden Vorbehalt aus• Söldner-Konvention: Konsolidierte Fassung eines Teilnehmer als Söldner begründen sollen, ist geschlossen werden können soll. Entwurfs vorgelegt — Trotzdem kaum substan• ebenso unklar wie der Umfang, den der die tielle Fortschritte (15) Motivation ausmachende finanzielle Vorteil IV. Insgesamt ist der Ausschuß in den ver• erreichen muß. gangenen zwei Jahren also kaum weiterge• (Dieser Beitrag setzt den Bericht in VN 21 kommen. Trotz gewisser Fortschritte in 1984 S.67 fort.) Sowohl die Diskussion im Ad-hoc-Ausschuß Randbereichen ist vor allem anderen zu ver• I. Als wesentlichstes Ergebnis der 4. Tagung als auch die auf dessen Bericht basierenden zeichnen, daß die Staaten das Definitions• des Ad-hoc-Ausschusses zur Ausarbeitung Beratungen im 6. Hauptausschuß der 40. Ge• problem noch immer nicht haben lösen kön• einer internationalen Konvention gegen die neralversammlung haben darüber hinaus nen. Damit ist nach wie vor offen, wohin ge• Anwerbung, den Einsatz, die Finanzierung deutlich gezeigt, daß noch weitere substan• nau die Stoßrichtung der projektierten Kon• und die Ausbildung von Söldnern (30.7- tielle Meinungsunterschiede zwischen den vention zielen soll. Wenn der Ausschuß also 24.8.1984 in New York) war ein verhand• Staaten bestehen. So war bislang unbestrit• in Erledigung seines mit Resolution 40/74 lungstechnischer Fortschritt zu verzeichnen. ten, daß ein Söldner begriffsnotwendig ein der Generalversammlung vom 11. Dezember Es gelang, die vorliegenden Entwürfe (aus fremder Staatsangehöriger ist, der an dem 1985 verlängerten Mandats Mitte Juni erneut Nigeria, Frankreich und Mexiko) und die Er• jeweiligen Konflikt allenfalls ein finanzielles zusammentreten wird, wird seine Aufgabe gebnisse der Diskussionen im Ausschuß und Interesse hat. Nunmehr wird dagegen des kaum leichter sein als sie es in den vergan• seinen zwei Arbeitsgruppen zu einem Text• öfteren gefordert, daß auch Personen, die genen Jahren war. Horst Risse • entwurf zusammenzufassen. Dieser enthielt gegen ihr eigenes Land vorgehen, unter den zwar eine große Zahl eckiger Klammern — Söldnerbegriff fallen können sollen. Dagegen Völkerrechtskommission: Einige Artikelentwürfe Zeichen dafür, daß die dazwischen stehen• wird eingewandt, es sei dann kaum mehr vor dem Abschluß — Umfang des Arbeitspro• den Textpassagen noch auf Vorbehalte ein• möglich, Freiheitskämpfer und Söldner zu gramms erfordert klare Prioritäten (16)

80 Vereinte Nationen 2/86 (Dieser Beitrag setzt den Bericht in VN 21 Konflikten im Zusammenhang mit der Durch• Wasserwege: Da durch die Berufung des 1985 S.73 fort.) führung solcher Gegenmaßnahmen gewid• bisherigen Berichterstatters an den Interna• met sein soll. Nach dem Vorschlag des Be• tionalen Gerichtshof die Bestimmung eines Mit der Aufgabe, künftige internationale Kon• richterstatters kämen obligatorische Streit• Nachfolgers notwendig geworden war, wur• ventionen vorzuberaten und detaillierte Ent• beilegungsverfahren, möglicherweise auch den inhaltliche Fortschritte bei diesem würfe auszuarbeiten, ist die aus 34 Sachver• vor dem Internationalen Gerichtshof, in Be• Thema nicht erzielt. Die Kommission be• ständigen bestehende, von der Generalver• tracht. Da tiefgreifende Kontroversen über grüßte die Absicht des neuen Berichterstat• sammlung jeweils für eine fünfjährige Amts• den Inhalt des zweiten Teils nicht mehr be• ters, die Arbeiten an diesem weit fortge• zeit berufene Völkerrechtskommission der stehen, wird eine Annahme der betreffenden schrittenen Projekt im Sinne seines Vorgän• Vereinten Nationen (Zusammensetzung: VN Artikelentwürfe in erster Lesung für 1986 er• gers zügig einem Abschluß zuzuführen. 4/1985 S.136) betraut. Bis auf das Kodifika• wartet. tionsvorhaben bezüglich der Ersatzpflicht für Andreas Käde • Schäden aus nichtrechtswidrigem Verhalten Status des diplomatischen Kuriers und des diskutierte die Kommission auf ihrer 37. Ta• unbegleiteten Diplomatengepäcks: Die vom Internationales Handelsrecht: Mustergesetz zum gung (6.5.-26.7.1985 in Genf) alle Projekte Berichterstatter mit seinem sechsten Bericht Schiedsverfahren — Zahlungsverkehr und Daten• ihres umfangreichen Arbeitsprogramms. Im teilweise in überarbeiteter Fassung vorgeleg• verarbeitung (17) Hinblick auf den sehr unterschiedlichen ten acht Artikelentwürfe sowie die Diskus• (Dieser Beitrag setzt den Bericht in VN 2/ Stand der einzelnen Kodifikationsvorhaben sion hierüber machten erneut die Schwierig• 1985 S.73f. fort.) sowie die 1986 auslaufende Mitgliedschafts• keit deutlich, gemeinsame Spezialvorschrif• ten für ein Sachgebiet aufzustellen, das be• periode wurde dabei den am weitesten fort• Im Vordergrund der 18. Tagung der Kommis• reits in vier multilateralen Konventionen teil• geschrittenen Entwürfen ein Vorzug in der sion der Vereinten Nationen für internationa• weise geregelt ist. Der Grundgedanke eines Beratung eingeräumt. Trotz teilweise unter• les Handelsrecht (UNCITRAL; bis Mitte Juni weitestmöglichen Schutzes der Kommunika• schiedlicher Grundsatzpositionen — insbe• 1986 gültige Zusammensetzung: VN 5/1983 tion zwischen Entsendestaat und diplomati• sondere zur Staatenverantwortlichkeit — S.168) vom 3. bis 21. Juni 1985 in Wien stand scher Mission führte hierbei zu Regelungen, wurde der größte Teil der zu diesen Entwür• die Annahme eines Mustergesetzes zur in• die den Pflichtenkreis von Empfangs- und fen vorgesehenen Artikel angenommen oder ternationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit. Durchgangsstaaten gegenüber den bisheri• an den Redaktionsausschuß verwiesen. Nach der Verabschiedung der UNCITRAL- gen Konventionen deutlich vergrößern, bei• Schiedsregeln 1976 leistete die Kommission, spielsweise im Falle des unbedingten Öff- die 1966 von der Generalversammlung zur Entwurf für einen Kodex der Verstöße gegen nungs- und Überprüfungsverbots hinsicht• Förderung der Harmonisierung des interna• den Frieden und die Sicherheit der Mensch• lich des Diplomatengepäcks (Art.36). Der tionalen Handelsrechts eingesetzt worden heit: Nachdem die Völkerrechtskommission Begriff des Diplomatengepäcks ist darüber war, einen weiteren wichtigen Beitrag zur die Arbeiten an diesem Konventionsentwurf hinaus in Art.25 Abs.1 recht weit gefaßt. Vereinheitlichung von Streitbeilegungsvor• nach 28jähriger Unterbrechung 1982 wieder Nachdem acht weitere Artikel von der Kom• schriften im internationalen Handel. Das Mu• aufgenommen hatte, legte der Berichterstat• mission vorläufig angenommen und neun stergesetz soll den Staaten zur Annahme an ter 1985 mit seinem dritten Bericht erstmals dem Redaktionsausschuß überwiesen wur• Stelle ihrer eigenen Gesetzgebung zur ein mit Artikelentwürfen versehenes Gesamt• den, könnte auch dieses Kodifikationsvorha• Schiedsgerichtsbarkeit empfohlen werden. konzept vor. Hiernach soll der Entwurf Be• ben auf der nächsten Tagung insgesamt an• Mit seinen auf den modernen Welthandel zu• stimmungen enthalten über den Anwen• genommen werden. dungsbereich (Art.1), den erfaßten Perso• geschnittenen Verfahrensvorschriften und nenkreis (Art.2), eine allgemeine Definition Staatenimmunität: Gegenstand des siebten -grundsätzen, die auch die Gleichbehandlung eines Vergehens gegen den Frieden und die Berichts und der Diskussion der Kommission der Parteien sowie die Anerkennung und Sicherheit der Menschheit (Art.3) sowie eine war der Entwurf eines aus vier Artikeln be• Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche Aufzählung von Akten, die ein solches Ver• stehenden Teils IV dieses Kodifikationsvor• umfassen, dürfte das Mustergesetz bei wei• gehen begründen (Art.4). Sowohl der Be• habens, der der Immunität von Staatseigen• testmöglicher Verbreitung insbesondere den richterstatter wie auch die Kommission be• tum vor Beschlagnahme und Vollstreckung Handelsverkehr der westlichen Welt mit Ent- fürwortete eine Begrenzung des Anwen• gewidmet ist. In seiner vorgeschlagenen wicklungs- und Staatshandelsländern er• dungsbereichs auf natürliche Personen. Die Form beschränkt sich sein Anwendungsbe• leichtern. schon auf der letzten Tagung kontrovers dis• reich auf Maßnahmen gerichtlicher Sicherung Die der Kommission zugegangenen Stellung• kutierte Frage einer strafrechtlichen Verant• oder Vollstreckung (Art.21), wobei von der nahmen der Staaten sowie die Äußerungen wortlichkeit von Staaten wurde mit Rücksicht Immunität Staatseigentum in rein kommer• im 6. Hauptausschuß der Generalversamm• auf das laufende Kodifikationsvorhaben zur zieller Nutzung ausgeschlossen ist (Art.22), lung lassen eine weithin positive Aufnahme Staatenverantwortlichkeit vorläufig ausge• was besonders den Widerspruch der Ent- des Mustergesetzes erwarten. Mit Resolu• klammert. Meinungsunterschiede gab es wicklungs- und Staatshandelsländer hervor• tion 40/72 vom 11. Dezember 1985 empfahl auch hinsichtlich der Notwendigkeit und des rief. Auch in Teil IV ist die Möglichkeit eines die Generalversammlung allen Staaten, das Inhalts einer allgemeinen Vergehensdefini• Verzichts auf die Geltendmachung der Immu• Mustergesetz bei der eigenen Handelsge• tion, so daß zwei Alternativentwürfe an den nität vorgesehen. Ein Vorschlag, gewisse setzgebung gebührend in Erwägung zu zie• Redaktionsausschuß überwiesen wurden. Güter etwa kulturellen, militärischen oder di• hen. Hinsichtlich der geplanten Liste von Einzel• plomatischen Charakters mit unverzichtbarer Im Rahmen ihrer Bemühungen um eine Ver• akten beschränkte sich die Kommission zu• Immunität zu versehen, fand in der Kommis• einheitlichtung des internationalen Zahlungs• nächst auf die Erörterung von Verstößen ge• sion keinen Anklang. verkehrs befaßte sich die Kommission wie gen den Frieden wie Aggression, Interven• schon im Vorjahr mit einem Konventionsent• tion und Terrorismus. Es handelt sich im we• Beziehungen zwischen Staaten und interna• wurf zur Regelung des internationalen Wech• sentlichen um aktualisierte Tatbestände aus tionalen Organisationen: In diesem Bereich selrechts sowie mit dem Entwurf eines Leit• Art.2 des Entwurfs von 1954. setzt die Kommission eine Arbeit fort, die fadens über den elektronischen Zahlungs• Staatenverantwortlichkeit: Der Berichterstat• bereits 1975 zu einer multilateralen Konven• verkehr. Nachdem die mit dem Entwurf der ter legte mit seinem sechsten Bericht neben tion geführt hat, nämlich dem Wiener Über• Scheckrechts-Konvention betraute Arbeits• einer überarbeiteten Fassung aller Entwurfs• einkommen über die Vertretung von Staaten gruppe einige Streitfragen klären konnte, artikel des zweiten Teils ein Konzept für die in ihren Beziehungen zu internationalen Or• etwa hinsichtlich der Stellung des Inhabers in einen dritten Teil aufzunehmenden Imple• ganisationen mit universellem Charakter (UN- und der Haftung bei Übertragung, wurde sie mentierungsvorschriften vor. Die Kommis• Doc.A/CONF.67/16). Der nunmehr in Angriff von der Kommission beauftragt, zur näch• sion nahm nach weiteren ausgedehnten De• genommene zweite Teil des Themenkomple- sten Tagung einen vollständigen Entwurf vor• batten den umstrittenen Art.5 über den ver• x"s umfaßt die Vorrechte und den Status der zulegen. Konkretere Fortschritte erzielte die letzten Staat vorläufig an und überwies Art.7 internationalen Organisationen gegenüber Kommission in Fragen des elektronischen bis 16 an den Redaktionsausschuß. Diese Ar• den Staaten. Nachdem die Kommission nicht Zahlungsverkehrs. Der inzwischen fertigge• tikel beschreiben im einzelnen die Möglich• zuletzt zur Sammlung von Informationen stellte Entwurf des Leitfadens soll den Staa• keiten der Reaktion von Staaten auf einen über die umfangreiche Rechtspraxis das ten zugeleitet und unter Berücksichtigung völkerrechtswidrigen Akt gegen den Einzel• Thema bisher zurückgestellt hatte, begann ihrer Stellungnahmen auf der 19. Tagung der staat oder die Völkergemeinschaft, während sie 1985 mit dem Vorschlag eines ersten Ent• Kommission beraten und möglicherweise an• der dritte Teil des Projekts der Löoing von wurfsartikels ihrer Kodifikationsarbeit. genommen werden. Besondere Beachtung Nichtschiffahrtliche Nutzung internationaler

Vereinte Nationen 2/86 81 widmete die Kommission in diesem Zusam• gruppe zur neuen internationalen Wirt• sion begrüßte diese Bemühungen und emp• menhang der Frage der rechtlichen Bedeu• schaftsordnung legte einen weiteren Bericht fahl ihre Fortsetzung unter Berücksichtigung tung computergespeicherter Daten. Ange• über ihre dem Abschluß zustrebende Arbeit auch der Empfehlungen regionaler Organisa• sichts der international uneinheitlichen Ge• am Entwurf eines Leitfadens für Verträge tionen. setzgebung insbesondere zum gerichtlichen über Industrieanlagen vor. Ergänzend hierzu Eine weitere Arbeitsgruppe legte einen er• Beweiswert solcher Daten forderte die Kom• informierte das Sekretariat über erste Ent• sten Bericht über die Entwicklung einheitli• mission die Staaten auf, ihre Gesetzgebung würfe von Anhängen zu diesem Leitfaden, in cher Regeln für die Haftung der Betreiber unter dem Gesichtspunkt der steigenden Be• denen Spezialprobleme, etwa Gemein• von Umschlaganlagen (transport terminals) deutung gespeicherter Daten für den Wirt• schaftsunternehmen (joint ventures) oder die vor; das Vorhaben befindet sich noch im Sta• schaftsverkehr zu überprüfen. Angebotsausschreibung für Industrieanla• dium der Informationsbeschaffung. Die von der Kommission eingesetzte Arbeits• gen, behandelt werden sollen. Die Kommis• Andreas Käde •

Dokumente der Vereinten Nationen Irak-Iran

SICHERHEITSRAT — Erklärung des Präsi• Irak und Iran< abgehaltenen 2 576. Sitzung — nach Behandlung der Frage >Die Lage denten des Sicherheitsrats (UN-Doc. S/ des Sicherheitsrats vom 25.April 1985 verlas zwischen dem Irak und Iran<, 17004 vom 6. März 1985) der Präsident des Sicherheitsrats folgende — unter Hinweis darauf, daß der Sicher• Erklärung: heitsrat mit der Frage der Lage zwi• Der Präsident des Sicherheitsrats gab nach schen dem Irak und Iran seit nahezu »Die Mitglieder des Sicherheitsrats haben am 5. März 1985 abgehaltenen Konsultatio• sechs Jahren befaßt ist und daß Be• mich ermächtigt, in ihrem Namen folgende nen des Rates folgende Erklärung ab: schlüsse dazu gefaßt worden sind, Erklärung abzugeben: »Als Präsident des Sicherheitsrats halte ich — ernstlich besorgt über das Andauern des >Die mit dem fortdauernden Konflikt zwi• es für meine Pflicht, der Besorgnis über Be• Konflikts zwischen den beiden Ländern, schen! dem Irak und Iran befaßten Mitglie• richte Ausdruck zu geben, denen zufolge die der zu schweren Verlusten an Men• der des Sicherheitsrats sind bestürzt dar• Regierungen der Islamischen Republik Iran schenleben und erheblichen Sachschä• über, daß gemäß den Schlußfolgerungen im und des Irak zivile Bereiche angreifen oder den führt und den Frieden und die Si• Bericht des vom Generalsekretär ernannten Angriffe vorbereiten. Ich fordere beide Re• cherheit gefährdet, medizinischen Sachverständigen (S/17127 gierungen auf, Zurückhaltung zu üben und mit Add.l) im Krieg zwischen beiden Län• — unter Hinweis auf die Bestimmungen weiterhin ihre dem Generalsekretär im letz• dern im März 1985 chemische Waffen gegen der Charta und insbesondere darauf, daß ten Juni gemachten Zusicherungen einzu• iranische Soldaten eingesetzt worden sind. alle Mitgliedstaaten verpflichtet sind, halten, daß sie keine zivilen Ziele angreifen Sie erinnern an die vom Präsidenten des ihre internationalen Streitigkeiten mit werden, was bis jetzt tausende unschuldige Sicherheitsrats am 30. März 1984 im Namen friedlichen Mitteln und auf eine Weise Leben gerettet hat.« der Ratsmitglieder abgegebene Erklärung beizulegen, daß der Weltfrieden, die in• (S/16454). Sie verurteilen nachdrücklich den ternationale Sicherheit und die Gerech• erneuten Einsatz chemischer Waffen in dem tigkeit nicht gefährdet werden, SICHERHEITSRAT — Erklärung des Präsi• Konflikt sowie jedweden zukünftigen Ein• — in Anbetracht dessen, daß sowohl der denten des Sicherheitsrats am 15. März 1985 satz derartiger Waffen. Sie fordern erneut Irak als auch Iran Vertragsstaaten des (UN-Doc.S/17036) zur strikten Einhaltung des Genfer Proto• Genfer Protokolls vom 17. Juni 1925 über das Verbot der Verwendung von erstik- Im Anschluß an Konsultationen mit den kolls von 1925 auf, demzufolge der Einsatz kenden, giftigen oder ähnlichen Gasen Ratsmitgliedern veröffentlichte der Präsi• chemischer Waffen im Kriege verboten und sowie von bakteriologischen Mitteln im dent des Sicherheitsrats am 15. März 1985 zu Recht von der internationalen Gemein• Kriege sind, im Namen der Ratsmitglieder folgende Er• schaft verurteilt worden ist. klärung: Die Ratsmitglieder verurteilen alle Verlet• — unter Hervorhebung des Grundsatzes zungen des humanitären Völkerrechts und der Unzulässigkeit der gewaltsamen Ge• »Die Mitglieder des Sicherheitsrats äußern bitten beide Parteien eindringlich, die für bietsaneignung, ihre tiefe Besorgnis angesichts des Um- bewaffnete Konflikte geltenden, allgemein — Kenntnis nehmend von den Vermitt• fangs der Feindseligkeiten, die im Konflikt anerkannten Grundsätze und Regeln des lungsbemühungen des Generalsekre• zwischen dem Irak und Iran erneut ausge• humanitären Völkerrechts einzuhalten und tärs, brochen sind und die zum Nachteil des Frie• die Verpflichtungen zu erfüllen, die sich für 1. beklagt die ersten Handlungen, die den dens und der Sicherheit in der Region zu sie aus den internationalen Konventionen Konflikt zwischen dem Irak und Iran einer besorgniserregenden Zuspitzung der zur Verhinderung bzw. Linderung des durch ausgelöst haben, und beklagt das Andau• Lage zwischen den beiden Ländern geführt Krieg verursachten menschlichen Leids er• ern des Konflikts; haben. geben. Gleichzeitig dringen sie auf eine 2. beklagt ferner die Eskalation des Kon• Sie sind der Auffassung, daß Kombattanten Einstellung der Feindseligkeiten und sind flikts, insbesondere die Gebietsübergrif• und Zivilpersonen leiden werden, so lange nach wie vor davon überzeugt, daß eine für fe, die Bombardierung rein ziviler Bevöl• der Konflikt, der von den beiden Ländern beide Seiten annehmbare, schnelle, umfas• kerungszentren, die Angriffe auf bereits große Opfer an Menschenleben und sende, gerechte und ehrenhafte Regelung neutrale Schiffe bzw. Zivilflugzeuge, die Sachwerten gefordert hat, andauert. Sie be• unbedingt erforderlich ist und im Interesse Verstöße gegen das humanitäre Völker• tonen erneut die dringende Notwendigkeit des Weltfriedens und der internationalen Si• recht und andere für bewaffnete Kon• einer Einstellung der Feindseligkeiten und cherheit liegt. flikte geltende Rechtsvorschriften und zuallererst der Einhaltung des Moratoriums insbesondere den Einsatz chemischer Die Ratsmitglieder danken dem Generalse• für Angriffe auf rein zivile Bevölkerungs• Waffen entgegen den Verpflichtungen kretär voller Anerkennung für seinen in Do• zentren, damit so eine friedliche, im Ein• gemäß dem Genfer Protokoll von 1925; kument S/17097 enthaltenen Bericht und klang mit der Charta der Vereinten Natio• 3. fordert den Irak und Iran auf, sofort ei• nen und dem Völkerrecht stehende und für sagen ihm ihre uneingeschränkte Unter• stützung zu. Sie sind bereit, zum geeigneten nen Waffenstillstand einzuhalten, sämtli• beide Parteien annehmbare Beilegung des che feindseligen Handlungen zu Lande, Konflikts erreicht werden kann. Zeitpunkt beide Parteien zur Teilnahme an einer erneuten Untersuchung sämtlicher zur See und in der Luft einzustellen und Die Mitglieder des Sicherheitsrats haben unverzüglich sämtliche Streitkräfte an beschlossen, aktiv mit der Angelegenheit Aspekte des Konflikts einzuladen. Sie rufen die Parteien auf, den Sicherheitsrat und den die international anerkannten Grenzen befaßt zu bleiben und Konsultationen mit zurückzuziehen; den beiden Parteien und dem Generalsekre• Generalsekretär bei ihren Bemühungen um 4. bittet eindringlich darum, daß kurze Zeit tär fortzuführen, um einen Ausweg aus die• die Wiederherstellung des Friedens für die nach der Einstellung der Feindseligkei• sem tragischen Konflikt zu finden, der Völker des Irak und Iran zu unterstüt• ten in Zusammenarbeit mit dem Interna• schon viel zu lange andauert.« zen/ « tionalen Komitee vom Roten Kreuz ein Austausch sämtlicher Kriegsgefangener durchgeführt wird; SICHERHEITSRAT — Erklärung des Präsi• 5. fordert beide Parteien auf, sämtliche denten des Sicherheitsrats am 25.April 1985 SICHERHEITSRAT — Gegenstand: Die Aspekte des Konflikts sofort der Ver• (UN-Doc.S/17130) Lage zwischen dem Irak und Iran. — Re• mittlung bzw. jedweder anderen Form solution 582(1986) vom 24. Februar 1986 Auf der im Zusammenhang mit der Behand• der friedlichen Beilegung von Streitig• lung des Punktes >Die Lage zwischen dem Der Sicherheitsrat, keiten zu unterstellen;

82 Vereinte Nationen 2/86 6. ersucht den Generalsekretär, die von mich ermächtigt, in ihrem Namen folgende das Andauern des Konflikts, der weiterhin ihm unternommenen Bemühungen fort• Erklärung abzugeben: zu schweren Verlusten an Menschenleben zusetzen, die beiden Parteien bei der >Die mit dem fortdauernden Konflikt zwi• und erheblichen Sachschäden führt und den Durchführung dieser Resolution zu un• schen dem Irak und Iran befaßten Mitglie• Frieden und die Sicherheit in der Region terstützen und den Rat auf dem laufen• der des Sicherheitsrats haben den Bericht gefährdet. den zu halten; behandelt, den die vom Generalsekretär zur Sie äußern ihre Besorgnis über die Gefahr 7. fordert alle anderen Staaten auf, größt• Untersuchung des angeblichen Einsatzes einer Ausweitung des Konflikts auf andere mögliche Zurückhaltung zu üben und chemischer Waffen im Konflikt zwischen Staaten in der Region und fordern die bei• jedwede Handlung zu unterlassen, die zu dem Irak und der Islamischen Republik den Seiten auf, die territoriale Integrität al• einer weiteren Eskalation und Auswei• Iran entsandte Sachverständigendelegation ler Staaten, so auch der nicht an den Feind• tung des Konflikts führen könnte, und erstellt hat (S/17911 mit Add. 1). seligkeiten beteiligten Staaten, zu achten. auf diese Weise die Durchführung dieser Zutiefst besorgt über die übereinstimmende Die Mitglieder des Rates bekräftigen die Resolution zu erleichtern; Feststellung der Sachverständigen, daß ira• Resolution 582 (1986) des Sicherheitsrats 8. beschließt, mit dieser Angelegenheit be• kische Streitkräfte bei vielen Gelegenheiten und stellen fest, daß die Regierung des Irak faßt zu bleiben. — und zuletzt im Laufe der zur Zeit auf ira• ihre Bereitschaft erklärt hat, der Forderung kischem Hoheitsgebiet stattfindenden irani• Abstimmungsergebnis: Einstimmige Annah• nach einer unverzüglichen Einstellung der schen Offensive — chemische Waffen gegen Feindseligkeiten Folge zu leisten. Sie unter• me. iranische Streitkräfte eingesetzt haben, ver• streichen die dringende Notwendigkeit ei• urteilen die Mitglieder des Rates mit Nach• ner uneingeschränkten Einhaltung dieser SICHERHEITSRAT — Erklärung des Präsi• druck diesen fortdauernden Einsatz chemi• Resolution durch beide Parteien, die den denten des Sicherheitsrats am 21.März 1986 scher Waffen, der in flagranter Weise gegen Weg für eine rasche, umfassende, gerechte (UN-Doc. S/17932) das Genfer Protokoll von 1925 über das Ver• und ehrenhafte Beilegung des Konflikts er• bot des Einsatzes chemischer Waffen im öffnen würde. Auf der im Zusammenhang mit der Behand• Kriege verstößt. Die Ratsmitglieder stellen fest, daß sich lung des Punktes >Die Lage zwischen dem Sie erinnern an die Erklärungen des Präsi• beide Parteien bereit erklärt haben, mit Irak und Iran< abgehaltenen 2667. Sitzung denten des Sicherheitsrats vom 30. März dem Generalsekretär in seinen stetigen Be• des Sicherheitsrats vom 21.März 1986 gab 1984 (S/16454) und 25.April 1985 (S/17130) mühungen um die Wiederherstellung des der Präsident des Sicherheitsrats folgende und fordern erneut die strikte Einhaltung Friedens für die Völker des Irak und Iran Erklärung ab: der Bestimmungen des Genfer Protokolls. zusammenzuarbeiten, und erklären, daß sie »Die Mitglieder des Sicherheitsrats haben Gleichzeitig verurteilen die Ratsmitglieder diese Bemühungen unterstützend «

in der Teheraner Geisel-Affäre, vor allem Streitschlichtungssystemen im regionalen Literaturiiinweise aber im Streitfall Nicaragua/USA. Man muß Bereich — gemessen werden. sich fragen, ob die Differenzierung nach der Abgesehen von dieser generellen Kritik ent• 'Justiziabilität überhaupt fruchtbar ist. In hält das Werk aber doch eine präzise Dar• Escher, Regina: Friedliche Erledigung aller Regel wird nämlich jede einen Streit• stellung des Streitschlichtungssystems der von Streitigkeiten nach dem System der fall auslösende Handlung völkerrechtlich Vereinten Nationen, wobei allerdings den Vereinten Nationen begründet, so daß es in der Praxis kaum Wertungen in Einzelpunkten nicht immer nichtjustiziable Streitigkeiten geben wird. gefolgt werden kann. Rüdiger Wolfrum • Zürich: Schulthess Polygraphischer Ver• Die Besonderheit des Streitschlichtungssy• lag (Schweizer Studien zum internatio• stems der Vereinten Nationen liegt darin, nalen Recht, Bd. 40) 1985 daß es nebeneinander die Möglichkeit einer 205 S., 40,- Fr. juristischen, diplomatischen oder politi• Claus, Burghard: Berufschancen für schen Streiterledigung eröffnet, wobei diese deutsche Hochschulabsolventen in der Das Werk sollte mit dem von Claude Honeg- Verfahren eng miteinander verzahnt sind. ger (Friedliche Streitbeilegung durch regio• Dem wird das vorliegende Werk nicht ge• Entwicklungszusammenarbeit nale Organisationen) zusammen gesehen recht. Der Grund für die oft beklagte Ineffi- werden, das 1983 in der gleichen Reihe er• zienz — wobei deren Ausmaß noch zu hin• Berlin: Deutsches Institut für Entwick• schienen ist. Die vorliegende Arbeit hat es terfragen wäre — liegt nicht in den Verfah• lungspolitik 1985 sich zum Ziel gesetzt, die Funktionsweise ren, sondern in der Zurückhaltung der Par• 44 S., 5,-DM der Streitbeilegung des UN-Systems darzu• teien, sich ihrer zu bedienen. Die Funktions• erhältlich beim DIE, Fraunhoferstraße stellen und nach Gründen dafür zu suchen, fähigkeit des Sicherheitsrats wird zudem 33-36, D-1000 Berlin 10 »warum das System so viele schwerwie• von den Vetorechten seiner Ständigen Mit• gende zwischenstaatliche Konflikte nicht zu glieder beeinträchtigt, was auch von der Immer mehr Studenten interessieren sich lösen vermochte«. Dabei nimmt das Pro• Verfasserin angesprochen wird. Gerade des• für eine Berufsperspektive auf dem Gebiet blem, inwieweit eine Rechtspflicht zur fried• wegen geht ihre Kritik (S.167L) an dem Ver• der multilateralen oder bilateralen Entwick• lichen Streiterledigung besteht, einen gerin• fahren vor dem Rat an der Sache vorbei. Als lungszusammenarbeit. Häufig werden dabei geren Raum ein. Die Verfasserin kommt je• politisches Gremium ist dieser, kraft Natur die Zahl der in diesen Bereichen überhaupt doch auf diesen Gesichtspunkt in ihren 'An• der Sache, zu einer einem Urteil ähnlichen zur Verfügung stehenden Stellen und die derungsvorschlägen zurück, wobei sie sich Entscheidung außerstande. Es wäre auch Einsatzmöglichkeiten kraß überschätzt, die an die Vorschläge von Clark/Sohn (World nicht sinnvoll, den Sicherheitsrat in diesem qualitativen Anforderungen an die Bewer• peace through world law) aus dem Jahre Sinne umzustrukturieren, denn gerade die ber dagegen eher unterschätzt. 1960 anlehnt. Insgesamt konzentriert sich Parallelität der angebotenen Verfahren ga• In der hier angezeigten Schrift gibt Claus das Werk stärker auf die politischen Verfah• rantiert zumindest theoretisch einen größe• zunächst einen Überblick über das sehr he• ren der Streitbeilegung (Sicherheitsrat, Ge• ren Anwendungsbereich. Eine stärkere Ver- terogene Berufsfeld Entwicklungszusam• neralversammlung und Generalsekretär) rechtlichung der Verfahren vor dem Sicher• menarbeit, stellt die wichtigsten bilateralen als auf den Internationalen Gerichtshof heitsrat würde nach dem derzeitigen Stand Institutionen und den internationalen Be• (IGH), dem nur 24 Seiten gewidmet werden. von der Staatengemeinschaft nicht akzep• reich — Verband der Vereinten Nationen, Diese Gewichtung beruht wohl zum Teil tiert werden. Gerade die Erfahrungen des OECD und EG — vor und erläutert dann darauf, daß nach Ansicht der Verfasserin IGH sollten hier zur Vorsicht mahnen. den Personalbestand und -bedarf, die quali• der IGH auf die Entscheidung >justiziabler Schließlich muß aber auch die Ausgangs• tativen Anforderungen an neue Mitarbeiter Fälle< beschränkt ist. Gemeint sind damit prämisse der Arbeit in Zweifel gezogen wer• und die Personal- und Rekrutierungspoli• Streitigkeiten, »deren Ursache in der unter• den, wonach das Streitschlichtungssystem tik. der Vereinten Nationen als ineffektiv einge• schiedlichen Interpretation von bestehen• Im Anschluß daran werden Empfehlungen stuft wird. Hier wie auch bei anderen Dis• dem Recht durch die Parteien liegt«. Es gegeben, wie Studierende ihr Studium aus• kussionen über die Wirksamkeit internatio• wird zwar hinzugefügt, daß NichtJustiziabi• richten und welche Fähigkeiten, Kenntnisse naler Organisationen fehlt es an der Bil• lität nicht mit >politisch< gleichzusetzen ist, und Erfahrungen, die an der Universität we• dung von realisierbaren Vergleichssyste• dennoch besteht wohl ein gewisses Ver• niger vermittelt werden, sie mitbringen soll• men. Die Streitschlichtung zwischen souve• ständnis für Bestrebungen, Entscheidungen ten, um in diesem Berufsfeld eine Chance ränen Staaten mit unterschiedlichen Gesell• des IGH in sogenannten politischen Fällen zu haben. Die Informationsschrift schließt schaftssystemen darf nicht an nationaler zurückzudrängen. Dieser Tendenz ist der sodann mit einer Reihe nützlicher prakti• Gerichtsbarkeit — noch nicht einmal an den IGH stets zu Recht entgegengetreten — so scher Hinweise. Redaktion •

Vereinte Nationen 2/86 83 Die Mitgliedschaften in UN-Organen im Jahre 1986

Sicherheitsrat (15) Treuhandrat (5) Gremium hochrangiger Persönlich• keiten zur Vorbereitung der Interna• Australien China (nichtteilnehmend) tionalen Konferenz über den Zusam• Bulgarien Frankreich menhang zwischen Abrüstung und China Großbritannien Entwicklung (15) Dänemark Sowjetunion Frankreich Vereinigte Staaten Ibrahim Hilmy Abdel-Rahman, Ghana Ägypten Großbritannien Tamas Bacskai, Ungarn Internationaler Gerichtshof (15) Kongo Gamani Corea, Sri Lanka Madagaskar Roberto Ago, Italien Edgar Faure, Frankreich Sowjetunion Mohammed Bedjaoui, Alfonso Garcia-Robles, Mexiko Thailand Algerien Lawrence Klein, Trinidad und Tobago Taslim Olawale Elias, Nigeria Vereinigte Staaten Venezuela Jens Evensen, Norwegen Pei Monong, China Vereinigte Arabische Emirate Robert Y. Jennings, Olusegun Obasanjo, Nigeria Vereinigte Staaten Großbritannien Raul Prebisch, Argentinien Guy Ladreit de Lacharriere, Eugen Primakov, Sowjetunion Frankreich Carlos Rafael Rodriguez, Kuba Wirtschafts- und Sozialrat (54) Manfred Lachs, Polen Walter Scheel, Ägypten Keba Mbaye, Senegal Deutschland, Bundesrepublik Argentinien Shigeru Oda, Japan Agha Shahi, Pakistan Jose Maria Ruda, Australien Janez Stanovnik, Jugoslawien Bangladesch Argentinien Inga Thorsson, Schweden Belgien Stephen M. Schwebel, Vereinigte Staaten Bjelorußland Gruppe hochrangiger Sachverständi• Jose Sette-Camara, Brasilien Brasilien ger zur Überprüfung der Effizienz der Nagendra Singh, Indien China administrativen und finanziellen Nikolai K. Tarasov, Costa Rica Funktionen der Vereinten Nationen Sowjetunion Deutsche Demokratische Republik (18) Deutschland, Bundesrepublik Ni Zhengyu, China Dschibuti Mark Allen, Großbritannien Finnland Abrüstungskonferenz (40) Maurice Bertrand, Frankreich Frankreich Bi Jilong, China Gabun Ägypten Lucio Garcia del Solar, Großbritannien Äthiopien Argentinien Guinea Algerien Ignac Golob, Jugoslawien Guyana Argentinien Natarajan Krishnan, Indien Haiti Australien Kishore Mahbubani, Singapur Indien Belgien Hugo B. Margain, Mexiko Indonesien Birma Elleck Mashingaidze, Irak Brasilien Simbabwe Island Bulgarien Fakreddin Mohamed, Sudan Italien China Ndam Njoya, Kamerun Jamaika Deutsche Demokratische Republik Vasily S. Safronchuk, Japan Deutschland, Bundesrepublik Sowjetunion Jugoslawien Frankreich Shizuo Saito, Japan Kanada Großbritannien Edward O. Sanu, Nigeria Kolumbien Indien David Silveira da Mota, Marokko Indonesien Brasilien Mosambik Iran Jose S. Sorzano, Nigeria Italien Vereinigte Staaten Pakistan Japan Tom Vraalsen, Norwegen Panama Jugoslawien Layachi Yaker, Algerien Papua-Neuguinea Kanada Peru Kenia Gemeinsame Inspektionsgruppe (11) Philippinen Kuba Polen Marokko Alexander S. Efimov, Rumänien Mexiko Sowjetunion Rwanda Mongolei Enrique Ferrer Vieyra, Schweden Niederlande Argentinien Senegal Nigeria Alain Gourdon, Frankreich Sierra Leone Pakistan Richard V. Hennes, Peru Simbabwe Vereinigte Staaten Polen Somalia Toman Hutagalung, Indonesien Rumänien Sowjetunion M. Salah E. Ibrahim, Ägypten Schweden Spanien Nasser Kaddour, Syrien Sowjetunion Sri Lanka Ivan Kojic, Jugoslawien Sri Lanka Syrien Siegfried Schümm, Tschechoslowakei Türkei Deutschland, Bundesrepublik Ungarn Uganda Kabongo Tunsala, Zaire Venezuela Venezuela Norman Williams, Panama Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten Zaire Zaire (Wird fortgesetzt)

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Die wichtigsten Organe der Vereinten Nationen mit ihren Unterorganen: die - UN-Text 33 - Generalversammlung mit ihren Hauptausschüssen, Verfahrensausschüssen, Ständigen Ausschüssen, Nebenorganen und Ad-hoc-Körperschaflen, Regio• Teil 1/2. Aufl. nalgruppen und anderen Gruppen. Der Sicherheitsrat, der Wirtschafts- und Sozialrat mit seinen regionalen Wirtschaftskommissionen, tagungsgebundene Gremien und Ausschüsse, zwischenstaatliche Ad-hoc-Gremien, Sachverstän• erhältlich bei der digengremien, dem Wirtschafts- und Sozialrat nahestehende Körperschaften und Programme. Der Treuhandrat, der Internationale Gerichtshof, die Sonder• körperschaften, die Sonderorganisationen, regionale Entwicklungsbanken, Organe zur Durchführung von Verträgen, die Hauptabteilungen des Sekretariats DGVN und interinstitutionelle Körperschaften und sonstige Gremien. Übersetzungs• verzeichnis englisch-deutsch und deutsch-englisch, deutsch-englisches Ver• zeichnis der UN-Mitgliedstaaten mit Beitrittsdaten und Bezeichnung der Grün• Einzelpreis Simrockstraße 23 dungsmitglieder, Zuordnungsindex von Unterorganen zu Hauptorganen, Ver• zeichnis der Abkürzungen, Literaturhinweise und Organigramm. dm 13,50 5300 Bonn 1 Bernard & Graefe Verlag Karl-Mand-Straße 2 • 5400 Koblenz 1

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