ISSN0042-384X N 20196 F

ZEITSCHRIFT FÜR DIE VEREINTEN NATIONEN UND IHRE SONDERORGANISATIONEN BONN 24. OKTOBER 1985 33. JAHRGANG PREIS 7,- DM VEREINTE NATIONEN

WIR, DIE VOLKER DER VEREINTEN NA TIONEN - FEST ENTSCHLOSSEN, künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren, die zweimal zu unseren Lebzeiten unsagbares Leid über die Menschheit gebracht hat, unseren Glauben an die Grundrechte des Menschen, an Würde und Wert der menschlichen Persönlichkeit, an die Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie von allen Nationen, ob groß oder klein, erneut zu bekräftigen...

HERAUSGEBER: DEUTSCHE GESELLSCHAFT FUR DIE VEREINTEN NATIONEN (DGVN]

VERLAG: MÖNCH-VERLAG KOBLENZ POSTFACH 15G0 INHALTSVERZEICHNIS 5-6/85 DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR DIE VEREINTEN NATIONEN BONN 40 Jahre Weltorganisation: Mit den Vereinten Nationen auf dem Weg in eine bessere Welt . . . 137 von Präsidium: Dr. , MdB Der unvollendete Entwurf zum Frieden Prälat Heinz-Georg Binder, Die UN-Charta zwischen San Franzisko und den Erfordernissen des Bevollmächtigter der EKD in Bonn 21. Jahrhunderts 137 , MdB, Vorsitzender von Carlos Romulo der SPD, Bundeskanzler a. D. Ernst Breit, Vorsitzender des DGB Die Vorgeschichte 138 Dr. Johannes Joachim Degenhardt, Erzbischof von Paderborn Störmanöver in San Franzisko Dr. , Erinnerungen eines sowjetischen Diplomaten 142 Erster Bürgermeister, von Alexej Rostschin Dr. , Bundesminister a. D. Die nächsten 40 Jahre Prof. Dr. Iring Fetscher Das Werk von San Franzisko in der Sicht eines Mitglieds der Delega• Dr. Katharina Focke, MdEP, Bundesministerin a. D. tion der Vereinigten Staaten 146 Hans-Dietrich Genscher, MdB, von Harold E. Stassen Bundesminister des Auswärtigen Dr. Wilfried Guth, Aus dem Stassen-Entwurf 148 Vorstandsmitglied der Deutschen Bank Der Schock kam zwischen beiden UNO-Daten 149 Karl Günther von Hase Dr. , MdB, von Heinz Brandt Vorsitzender der CDU, Bundeskanzler 10-24-1945: Ein Tag in den Rüben 150 Dr. Hanna-Renate Laurien, MdA, Senatorin, Berlin von Rüdiger Freiherr von Wechmar Prof. Dr. Martin Löffler, Rechtsanwalt UN-Gründung: Hoffnung für die Kolonialvölker 151 Wolfgang Mischnick, MdB, von Taslim Olawale Elias Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion Prof. Dr. Hermann Mosler Die ersten Gehversuche der UNO in den Notizen eines Augenzeugen 152 Prof. Dr. Karl Josef Partsch, von Hans Steinitz Mitglied des CERD , MdB, Von der Skepsis zur Mitwirkung 153 Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages von Robert Muller , MdB, Bundeskanzler a.D. Möglichkeiten und Grenzen der Internationalen Organisation . . . 154 Lothar Späth, MdL, von Ernst-Otto Czempiel Ministerpräsident, Baden-Württemberg Dr. h. c. Alfred Toepfer Rüstungsbegrenzung und Abrüstung Dr. Hans-Jochen Vogel, MdB, 40 Jahre Anstrengungen der Vereinten Nationen 158 Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion von Jan Martenson Dr. Jürgen Warnke, MdB, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit Der Beitrag zu wirtschaftlicher Zusammenarbeit und Entwicklung . 162 Rüdiger Freiherr von Wechmar, Botschafter von Hans W. Singer

Über Menschenrechte Ehrenvorsitzender: Persönliche Erinnerungen an eine internationale Entwicklung . . . 166 Prof. Dr. Eduard Wahl t von Karl Josef Partsch

Der historische Imperativ der Entkolonisierung 170 Vorstand: von Yassin El-Ayouty Dr. Helga Timm, MdB, (Vorsitzende) 40 Jahre Vereinte Nationen — 25 Jahre Erklärung zur Entkolonisierung 172 , MdB, Neuenkirchen (Stellv. Vorsitzende) Zur Entwicklung des Völkerrechts durch die Vereinten Nationen . . 174 Prof. Dr. Klaus Hüfner, Berlin von Hermann Mosler (Stellv. Vorsitzender) Dr. Wilhelm Bruns, Wachtberg-Niederbachem Die >Deutsche Liga für Völkerbund^ — ihrer Zeit weit voraus . . . 179 Prof. Dr. Friedemann Büttner, Berlin von Martin Löffler Dr. Mir A. Ferdowsi, München Unvergessenes Genf Wolfgang Lüder, Berlin Ein Jahrzehnt im Internationalen Arbeitsamt 180 Prof. Dr. Peter J. Opitz, Wolfratshausen von Walter Reichhold Prof. Dr. Christian Tomuschat, Bonn Karsten D.Voigt, MdB, Frankfurt Das UNESCO-Institut der Jugend — eine Brücke zur Welt 182 Prof. Dr. Rüdiger Wolfrum, Kiel von Helga Timm

Vom Katzentisch an die Prominententafel

Die Beobachtermission am Sitz der UNO 183 Landesverbände: von Johannes Haas-Heye Wolfgang Lüder Vorsitzender Landesverband Berlin Deutschland und die Vereinten Nationen Oskar Bartheis Vom Feindstaat Deutsches Reich zur gleichberechtigten Mitwirkung Vorsitzender Landesverband Baden-Württemberg beider deutscher Staaten 185 Prof. Dr. Peter J. Opitz von Jost Delbrück Vorsitzender Landesverband Bayern

Wir brauchen einen neuen Geist in den Vereinten Nationen Rede des Bundesaußenministers vor der 40. UN-Generalversammlung Generalsekretariat: (26.September 1985) 191 Joachim Krause, Generalsekretär von Hans-Dietrich Genscher Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen Simrockstraße 23, 5300 Bonn 1 Jahresinhaltsverzeichnis 1985 195 Fernruf (02 28) 21 36 46 40 Jahre Weltorganisation: Mit den Vereinten Nationen auf dem Weg in eine bessere Welt

Sind wir das tatsächlich, wie das von der DN-Generahrersammlung verkündete Jubiläums-Motto glauben machen will? Wurde denn die Organisation den Hoffnungen und Erwartungen gerecht, die seinerzeit - am Ende des bislang schrecklichsten Krieges der Menschheitsgeschichte - in sie gesetzt worden waren? Dieses Heft wird mit den Beiträgen von drei Zeitzeugen eröffnet, die in San Franzisko dabei waren. In ihnen klingt Skepsis an, deutlich wird, daß mitnichten alle Träume von damals verwirklicht wurden. Aber - und auch das ist ihnen gemeinsam - es wird zugleich faßbar, welche Bedeutung die Vereinten Nationen dafür haben, daß ein dritter Weltkrieg in den vergangenen vier Jahrzehnten vermieden werden konnte. Mögen die Erwartungen unterschiedlich und die in diesem Heft geäußerten Reformvorschläge sogar unvereinbar sein - Einigkeit besteht darüber, daß trotz aller Unzulänglichkeiten die Vereinten Nationen in mancher Hinsicht sogar über den in San Pranzlsko gezogenen Rahmen hinausgegangen sind: Abrüstungsdiskussion, Entkolonisierung und friedenssichernde Operationen sind hier die wichtigsten Stichworte. Anspruch und Realität der Weltorganisation werden auch in den anderen Beiträgen dieser Ausgabe gegeneinander abgewogen, in den persönlichen Erinnerungen des befreiten KZ-Häftlings, des kriegsgefangenen Wehrmachtsoffiziers, des afrikanischen Studenten, des staatenlosen jüdischen Flüchtlings, des vormaligen Resistance-Kämpfers ebenso wie in den Analysen ausgewiesener Sachkenner, die als Wissenschaftler und/oder Praktiker eine Summe der bisherigen Erfahrungen, Erfolge und Rückschläge der Vereinten Nationen auf ihren zentralen Tätigkeitsfeldern ziehen Dieser wertenden Analyse folgt ein eingehender Blick auf das Verhältnis der Deutschen zur Weltorganisation, verbunden auch mit einem Rückblick in die Völkerbundzeit und einer Beschreibung der ersten Schritte der noch jungen Bundesrepublik Deutschland im Bereich der Vereinten Nationen.

Der umfassende Ansatz dieses Heftes erlaubt es dem Leser, so meine ich, ein begründetes und faires Urteil über die bisherigen Leistungen der UNO zu fällen Aus Sicht der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen, einer Nichtregierungsorganisation, finde ich bestätigt, daß berechtigte Kritik an Einzelphänomenen niemals als Vorwand dafür dienen darf, den multilateralen Ansatz zu untergraben oder die internationale Zusammenarbeit im Rahmen der Vereinten Nationen und ihrer Sonderorganisationen zu beeinträchtigen Das klar zu machen, ist ein wichtiges Ziel unseres Wirkens in der Öffentlichkeit. Dazu gehört auch, daß wir unsere Erwartungen formulieren: Wir erwarten, daß die Vereinten Nationen in die Lage versetzt werden, zur Lösung der politischen Krisen der Welt - zur Beseitigung des Apartheidsystems in Südafrika, zum beiden Seiten, Israelis und Palästinensern; gerecht werdenden Ausgleich im Nahen Osten, zum Abzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan - Entscheidendes beizutragen und die Ansätze zur weltweiten Abrüstung wirkungsvoller als bisher zu verfolgen. Wir erwarten, daß der Nord-Süd- Dialog intensiviert, der Menschenrechtsschutz ausgebaut, die Entkolonisierung auch in ökonomischer, geistiger und kultureller Hinsicht gefördert, Im Völkerrechtsbereich die Kodifikationsarbeit zügig fortgesetzt wird.

Derlei Erwartungen richten sich freilich mehr als an die Organisation selbst an ihre Mitglieder, die Staaten, deren vielbeschworener >politischer Wille< Voraussetzung für ein wirkungsvolles Handeln der Vereinten Nationen 1st. So bleibt es unsere Aufgabe, die Öffentlichkeit über die UNO zu informieren, für die Unterstützung ihrer Ziele zu werben und gleichzeitig die UN-Politik der jeweiligen Bundesregierung kritisch zu begleiten Wenn wir als einzelne, wenn wir als Staat etwas dafür tun, die Ziele der Weltorganisation zu verwirklichen, dann haben wir tatsächlich die ersten Schritte auf dem Weg in eine bessere Welt schon zurückgelegt.

Dr. Helga Timm, MdB • Vorsitzende der DGVN •

Der unvollendete Entwurf zum Flieden Die UN-Charta zwischen San Franzisko und den Erfordernissen des 21. Jahrhunderts CARLOS ROMULO

Bilanz der ersten 40 Jahre Dies nur, um anzudeuten, daß ich einiges über die nunmehr vier Jahrzehnte bestehenden Vereinten Nationen zu sagen habe. Mein lieber Freund Douglas MacArthur sagte einmal: »Alte Sol• Dieses Jubiläum aber veranlaßt mich zu zwei Fragen. Die erste daten sterben nicht, sie schwinden allmählich dahin.« Ich ist: Was durften wir vernünftigerweise von der Organisation würde hinzufügen: »Alte Diplomaten sterben nicht. Sie schrei• erwarten, die wir 1945 geschaffen haben? Und zweitens: Was ben eben ihre Memoiren und halten Vorträge.« Alte Diploma• hätten wir von einer anderen und besseren UNO erwarten kön• ten, wie die Elefanten, vergessen auch nie. Da ich sowohl Soldat nen? Gleich eine erste Antwort: Wir erhielten von den Vereinten als auch Diplomat bin, habe ich ein langes Gedächtnis. Natür• Nationen viel mehr, als wir eigentlich erwarten durften; und lich auch, was die Vereinten Nationen angeht. Ich nahm an der gleichzeitig bin ich sehr enttäuscht davon und glaube, daß die Konferenz teil, die die Vereinten Nationen entwarf und ihre Weltorganisation einer ernstlichen Reform bedarf. Charta annahm, die ich mit unterzeichnet habe. 24mal habe ich Was ist damit gemeint, daß wir mehr von den Vereinten Natio• die Delegation meines Landes zur Generalversammlung gelei• nen erhielten, als wir berechtigterweise erwarten konnten? tet; ich hatte die Ehre, der Generalversammlung als Präsident > Erstens waren die Vereinten Nationen einer der Schlüssel• zu dienen, und ich war viermal Präsident des Sicherheitsrats. faktoren bei der Verhinderung eines nuklearen dritten Welt-

Vereinte Nationen 5-6/85 137 Die Vorgeschichte

14. August 1941 Chinas, Großbritanniens und der Vereinigten Staaten; dieses Ver• Präsident Roosevelt und Premierminister Churchill geben die als fahren wurde gewählt, um der Neutralität der Sowjetunion im Atlantik-Charta bekanntgewordene Erklärung über die Grund• Krieg gegen Japan Rechnung zu tragen. Am 9. Oktober werden sätze, »auf denen sie eine bessere Zukunft der Welt aufzubauen die Vorschläge von Dumbarton Oaks zur Errichtung einer Allge• hoffen«, ab. meinen Internationalen Organisation veröffentlicht.

1. Januar 1942 4.-11. Februar 1945 In der in Washington abgegebenen Erklärung der Vereinten Natio• Auf der Krim-Konferenz verständigen sich Roosevelt, Churchill nen (der von Präsident Roosevelt geprägte Begriff wird hier und Stalin in der Frage des Abstimmungsverfahrens im Sicher• erstmals gebraucht) verpflichten sich 26 Regierungen auf die Prin• heitsrat der neuen Organisation, über die in den Gesprächen von zipien der Atlantik-Charta sowie dazu, den Krieg gegen die Dumbarton Oaks kein Einverständnis erzielt wurde. In Jalta wird Mächte des Dreierpaktes fortzuführen und keinen Separatfrieden auch Ort und Datum der Gründungskonferenz festgelegt. zu schließen. 30. Oktober 1943 25. April-26. Juni 1945 Die Moskauer Erklärung (Vier-Mächte-Erklärung über Allgemeine Auf der Konferenz der Vereinten Nationen über die Internationale Sicherheit) der Außenminister Großbritanniens, der Sowjetunion Organisation in San Franzisko arbeiten die Vertreter von 50 Staa• und der Vereinigten Staaten sowie des chinesischen Botschafters ten die Satzung der neuen Organisation aus. Am 26. Juni unter• in Moskau bekräftigt die Notwendigkeit der alsbaldigen Schaffung zeichnen sie die Charta sowie eine Vereinbarung über die Errich• einer allgemeinen internationalen Organisation. tung der Vorbereitungskommission der Vereinten Nationen; letz• tere tritt erstmals am 27. Juni zusammen. 21. August-7. Oktober 1944 Die Gespräche von Dumbarton Oaks über die Weltorganisation 24. Oktober 1945 werden in Washington abgehalten. In der ersten Phase (21.8- Nach Ratifizierung durch 29 Staaten (einschließlich Chinas, 28. 9.) nehmen die Vertreter Großbritanniens, der Sowjetunion Frankreichs, Großbritanniens, der Sowjetunion und der Vereinig• und der Vereinigten Staaten teil, in der zweiten (29. 9.-7. 10.) die ten Staaten) tritt die Charta der Vereinten Nationen in Kraft.

kriegs. Sie haben viele Male dazu beigetragen, die Flammen machten, daß sieh die Sieger des Zweiten Weltkriegs mit einem eines regionalen und potentiell weltweiten Konflikts zu dämp• >Veto< die tatsächliche Macht in den Vereinten Nationen si• fen und oft sogar zu ersticken. chern und sich mit der ständigen Mitgliedschaft im Sicherheits• > Zweitens haben die Vereinten Nationen den im allgemeinen rat ausstatten sollten, wo über Fragen von Krieg oder Frieden friedlichen Übergang von der Kolonialzeit zur Ära der unab• entschieden werden sollte. Unnötig zu sagen, daß Stalin Chur• hängigen Nationalstaaten durch die Entkolonisierung zustan• chill und Roosevelt bereitwillig zustimmte, das Veto in der degebracht. Beinahe zwei Drittel der Länder, die jetzt Mitglie• Charta festzuschreiben. Als wir Delegierten zur Gründungskon• der der UNO sind, sind aus diesem Prozeß hervorgegangen. Ich ferenz in San Franzisko eintrafen, um die Charta auszuarbei• bin stolz darauf, daß der Beitrag der Philippinen zur UN-Charta ten, wußten wir nicht, daß die Frage des Vetos bereits im voraus das Wort >Unabhängigkeit< als ein erklärtes Ziel des UN-Treu• entschieden worden war, und einige von uns kämpften ener• handsystems war (Artikel 76). gisch dagegen, bis es klar wurde, daß weder die Vereinigten > Drittens haben die Vereinten Nationen die Menschenrechte Staaten noch die Sowjetunion der Organisation ohne die Auf• und Grundfreiheiten im globalen Rahmen kodifiziert. nahme des Vetorechts beitreten würden. > Viertens haben die Vereinten Nationen die Antworten der Die durchgängige und bedenklichste Auswirkung des Vetos ist Weltgemeinschaft auf die gemeinsamen weltumspannenden die, daß die Bemühungen um die Sicherung des Friedens in der Probleme formulieren können: Ernährung, Alphabetisierung, Welt unglaubwürdig gemacht wurden. Es ist natürlich von je• Umwelt, Ressourcen der Meere und des Meeresbodens, dem der Ständigen Mitglieder schon in Angelegenheiten von menschlicher Siedlungsraum, Ausbreitung der Wüsten, Verfüg• geringerer Bedeutung bemüht worden. Als die Vereinigten barkeit von Wasser und Brennstoffen, weltweite Auswirkungen Staaten über eine automatische Mehrheit verfügten, war es die unbekümmerten menschlichen Wirtschaftens. Auch legten sie Sowjetunion, die auf das Veto zurückgriff. Jetzt, da dies nicht den Grund für eine friedliche Nutzung des Weltraums und der länger der Fall ist, haben die USA die frühere Rolle der UdSSR Antarktis. durch zunehmenden Gebrauch des Vetos übernommen. Der > Fünftens haben die Vereinten Nationen, ob dies den wohlha• Wille und die Absichten der großen Mehrheit der Mitgliedschaft benden Industrienationen gefällt oder nicht, den Dialog zwi• werden damit negiert. schen dem Süden und dem Norden über Teilhabe und Fairneß Das Veto ist jedoch einfach ein Ausdruck dessen, was dahinter• in der Weltwirtschaft eingeleitet. steht: Die Großmächte hatten nie die Absicht, die Macht bei der Ich habe hier einfach einmal aufgelistet, was ich für einige der Führung der Nachkriegswelt wirklich zu teilen. Sie wollten den zentralen Errungenschaften der Vereinten Nationen halte. Polizisten für uns alle spielen; durch Dekret, nicht durch einen Wenn ich sage, daß dies mehr ist, als wir erwarten durften, demokratischen Prozeß. Der Leser möge sein Exemplar der meine ich damit, daß die UNO ja schließlich hinsichtlich ihrer Charta zur Hand nehmen und nachsehen. Kann er zu einem Hauptfunktion — den »Weltfrieden und die internationale Si• anderen Schluß kommen? Vielleicht glaubt er, daß dies der cherheit zu wahren« — in ihren Möglichkeiten unvollkommen beste Weg war. Ich nicht. Ich behaupte, daß die Zeit mir un• und beschränkt in die Welt gesetzt worden war. Wir hatten auch glücklicherweise recht gegeben hat: Ein Mächtekonzert kann nicht erwartet, daß sie so weitgehend in der Lage sein würde, auf keinen Fall die moderne Welt überwachen — noch nicht eine wichtige Rolle im wirtschaftlichen und sozialen Bereich zu einmal, wenn sich jene Großen einigen könnten, was sie natür• spielen. lich nicht getan haben und auch nicht tun. Es gibt zwei völlig verschiedene Gründe, weshalb Regierungen Die Großmächte und das Veto und Öffentlichkeit der Großmächte von den Vereinten Nationen Bekannt ist, daß sowohl die Vereinigten Staaten als auch Groß• enttäuscht sind. Die Öffentlichkeit wurde glauben gemacht, daß britannien auf dem Treffen mit Stalin in Jalta den Vorschlag die UNO den Frieden in der Welt genauso erhalten könnte und

138 Vereinte Nationen 5-6/85 würde, wie der Frieden in jeder Gesellschaft oder Gemeinschaft erhalten wird. Und sie ist enttäuscht, daß dies nicht der Fall ist. Aber die Regierungen der Großmächte sind heutzutage aus einem anderen Grund enttäuscht: ihr Einfluß in der Weltorgani• sation ist nicht mehr automatisch vorhanden und auch nicht mehr überwältigend groß. Ihr schwindendes Interesse spiegelt den Rückgang ihres Einflusses und ihrer Kontrolle wider. Die Öffentlichkeit in diesen Ländern hat eine entscheidende Tatsa• che nicht verstanden: Die Vereinten Nationen waren nie dazu bestimmt, das zu tun, was ebendiese Öffentlichkeit mit Recht erwartete — nämlich die Gewalt zwischen den Staaten zu zü• geln sowie friedliche Lösungen einzufordern und durchzufüh• ren. Der gesunde Menschenverstand erwartete genau das, was die Menschheit im Atomzeitalter zum Überleben braucht. Fairerweise muß gesagt werden, daß die Staatsmänner, die in Jalta zusammenkamen, zweifellos glaubten, daß sie die Charta langjähriger Außenminister der Philippinen (1950-1952 und nicht durch den Kongreß, das Parlament und das Politbüro 1969-1984), begann seine vielgestaltige Karriere — Professor, bekommen könnten, wenn das Veto darin nicht festgeschrieben Soldat, Diplomat, Parlamentarier — als Journalist; 1942 mit wäre. Die kleineren Staaten der Welt aber waren zutiefst ent• dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet. Im Zweiten Weltkrieg zu• täuscht; sie konnten schon das Zeichen an der Wand sehen: Es nächst als Major Adjutant des Oberbefehlshabers der alliierten würde die Vereinten Nationen geben, aber sie würden keine Streitkräfte im Südwestpazifik, General Douglas MacArthur; im Wirksamkeit entfalten können. Sie könnten mit der Zeit (und September 1944 zum Brigadegeneral befördert Mit MacArthur aus denselben Gründen) den Weg des Völkerbundes nehmen, nahm er an der Invasion Leytes und der Rückeroberung Mani• wenn sie nicht auf irgendeine Weise in der wichtigsten Sache — las teil 1945 leitete er die philippinische Delegation zur Grün• der Wahrung des Friedens — zu einer effektiven Organisation dungskonferenz der Vereinten Nationen in San Franzisko; bis aufgewertet würden. 1954 Ständiger Vertreter seines Landes bei der Weltorganisa• Die Hauptschuld an der Einbeziehung des Vetos in die UN- tion. Präsident der 4. UN-Generalversammlung. Leiter der phi• Charta muß jedoch nicht jenen Staatsmännern zugeschrieben lippinischen Delegationen unter anderem zur Konferenz über werden, sondern einer weit größeren Zahl einflußreicher Per• den Friedensvertrag mit Japan in San Franzisko 1954 und zur sönlichkeiten bei den Großmächten, die eine Weltorganisation asiatisch-afrikanischen Konferenz in Bandung 1955. haben wollten, in der die Karten von vornherein zu ihren Gun• Am 24,Oktober 1945 Vertreter (Resident Commissioner) des — sten verteilt waren; und dabei sollte es auch bleiben. Damit will noch nicht unabhängigen — Bundes der Philippinen in den ich nicht sagen, daß es so etwas wie eine umfassende Verschwö• Vereinigten Staaten. rung gegeben hätte, sondern vielmehr, daß die offizielle Mei• nung nicht bis zu dem Punkt fortgeschritten war, daß sie sich wirklich das Konzept einer internationalen Gemeinschaft zu ein zahnloser Tiger. Er kann »auffordern«, er kann »empfeh• eigen gemacht hätte — der Zugehörigkeit zum einen kleinen len«, er kann »untersuchen«. Er kann unter den Bestimmungen »Weltdorf«, in den Worten von Barbara Ward, das dieselben von Kapitel VI den Staaten aber nicht befehlen, einen Zwist zu Bedürfnisse und Probleme hat wie jede Gemeinschaft, in jedem den von ihm festgelegten Bedingungen beizulegen, wenn die Land. Sie sahen nicht, daß diese Probleme nunmehr gemeinsam Staaten selbst dazu nicht in der Lage sind. gelöst werden müssen. Da ihr Ausmaß weltweit ist, wäre keine Im Hinblick auf Aggressionsakte kann der Sicherheitsrat unter Nation oder Staatengruppe jemals wieder in der Lage, durch Kapitel VII seine Mitglieder »auffordern«, wirtschaftliche und einseitiges Vorgehen Lösungen zustandezubringen. So wie sich andere Sanktionen zu verhängen. Und er kann, theoretisch, die die Generäle auf den letztvergangenen Krieg vorbereiten — Übeltäter mit Krieg überziehen: und sie tun dies tatsächlich —, so schicken sich die Politiker an, So »kann er mit Luft-, See- oder Landstreitkräften die zur Wahrung oder die Probleme des letzten Jahrhunderts zu lösen. Die Bedürf• Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit nisse dieses und sicherlich die des 21. Jahrhunderts können erforderlichen Maßnahmen durchführen. Sie können Demonstrationen, freilich nur durch gemeinsame Entscheidungen befriedigt wer• Blockaden und sonstige Einsätze der Luft-, See- oder Landstreitkräfte den, die im Gemeinderat des >Weltdorfes< getroffen werden. von Mitgliedern der Vereinten Nationen einschließen.« (Art.42) Wer findet, daß diese Behauptung noch weit entfernt ist von Aber wenn die UN-Mitgliedstaaten sich weigern, Truppen zur dem Punkt, an dem wir uns jetzt befinden, hat gewiß recht. Wer Verfügung zu stellen, oder wenn die Aktion durch ein Veto ver• aber glaubt, daß wir uns durch die vielfältigen Gefahren und hindert wird, ist die Weltorganisation wieder einmal machtlos. Risiken des Atom- und Weltraumzeitalters durchwursteln kön• Tatsächlich haben die Vereinten Nationen ihre Kompetenz zu nen ohne kollektive Rüstungsregelung und Zurückdrängung militärischen Strafmaßnahmen erst einmal erfolgreich einge• unsozialen internationalen Verhaltens, der irrt. Da bin, verge• setzt: im Falle Korea. Doch teilen nicht alle die Auffassung, daß genwärtigt man sich die leidvollen historischen Erfahrungen es sich wirklich um eine Aktion der Vereinten Nationen — der Menschheit, wohl doch ich der Realist. unter deren Flagge die Truppen entsandt wurden — handelte. Und dieser Einsatz war nur möglich, weil die sowjetische Dele• gation die Vereinten Nationen damals boykottierte. Charta und Friedenssicherung Interessanterweise gibt es in der Charta keine Vorschrift zur Wie ist es mit der Rolle der Weltorganisation bei der Friedens• Abrüstung; eher beiläufig wird sie in Art. 11 der Charta erwähnt, wahrung bestellt? Unter den Bestimmungen der Charta ist die dahin gehend, daß sich die Generalversammlung »mit den all• Hauptverantwortung hierfür dem Sicherheitsrat zugewiesen. gemeinen Grundsätzen der Zusammenarbeit zur Wahrung des Die Charta wurde 1963 dahin gehend abgeändert, daß die Zahl Weltfriedens und der internationalen Sicherheit einschließlich der Mitglieder des Sicherheitsrats von 11 auf 15 erhöht wurde. der Grundsätze für die Abrüstung und Rüstungsregelung befas• Hinsichtlich der Befugnisse des Sicherheitsrats aber hat es in sen« kann. Der Sicherheitsrat wird lediglich damit beauftragt, der ganzen Zeit keine Änderungen oder Modifikationen der »Pläne auszuarbeiten, die den Mitgliedern der Vereinten Natio• Charta gegeben. nen zwecks Errichtung eines Systems der Rüstungsregelung Bezüglich der fiiedlichen Beilegung von Streitigkeiten ist der vorzulegen sind« (Art. 26). Im Hinblick darauf hat die Weltorga• Sicherheitsrat — und damit die UNO allgemein — so etwas wie nisation nicht stillgestanden. Es hat verschiedene wichtige

Vereinte Nationen 5-6/85 139 Neuerungen durch die Vereinten Nationen gegeben. Seit den gegenwärtigen, daß sie für eine Zeit bestimmt war, in der es frühen sechziger Jahren ist die Generalversammlung immer noch keine Atombombe gab. Wir, die wir im Frühjahr 1945 in für »allgemeine und vollständige Abrüstung unter wirksamer San Franzisko anwesend waren, wurden in Unwissenheit über internationaler Überwachung« eingetreten. Dies war von den die Atombombe gelassen. Die Charta war deshalb überholt noch Gründern nicht vorgesehen. ehe die Tinte trocken war. Eine andere Neuerung von größter Bedeutung war die Entwick• Seit 1970 arbeitet eine reformerische Gruppe von Staaten gegen lung dessen, was ich >Friedenswahrung durch Dazwischentre• alle Widrigkeiten daran, die Organisation zu modernisieren. ten nennen möchte. Dies ist gleichbedeutend mit der Rolle des 1974 gelang es der Gruppe, ein Nebenorgan der Generalver• Polizisten in seinem Revier. Der Polizist erklärt denen, die sich sammlung zwecks Überprüfung der Charta einzurichten — ge• prügeln, nicht den Krieg, sondern versucht die Kämpfenden zu gen heftigen Widerstand der Vereinigten Staaten, der Sowjet• trennen oder die Übeltäter zu verhaften, um sie mit der ge• union, Frankreichs und Großbritanniens. Der von 47 Staaten ringstmöglichen Gewaltanwendung vor Gericht zu bringen. beschickte Sonderausschuß für die Charta der Vereinten Na• Diese Friedenswahrung dadurch, daß sich Dritte zwischen die tionen und die Stärkung der Rolle der Organisation hat sich Könfliktparteien stellen, wie dies die friedenssichernden Opera• seither jedes Jahr getroffen und hat ein umfängliches Dossier tionen der >Blauhelme< kennzeichnet, ist ein wichtiger Durch• von Änderungs- und Verbesserungsmöglichkeiten zusammen• bruch gewesen. Die den Friedenstruppen erteilten Mandate gestellt. Diesen ist jedoch in ersten Linie durch die eben ge• standen auf schwachem Grund; einige Länder, so Frankreich nannten Staaten im Ausschuß der Weg in die Generalversamm• und die Sowjetunion, haben es versäumt, ihr Teil zu den Kosten lung (zwecks Ausführung) verstellt worden. Nach vierzig Jahren beizutragen, aber trotzdem haben UN-Kontingente den Frieden ist für die UNO nicht nur eine Inspektion, sondern eine Gene• erfolgreich gewahrt — manchmal viele Jahre lang in span• ralüberholung fällig. Diese Überholung muß die eingebauten nungsreichen und schwierigen Gegenden. In letzter Zeit ist die Schwächen überwinden, an denen die Weltorganisation gegen• Auftragserteilung solider geworden, und die Staaten, auf deren wärtig leidet und die eine Welt enttäuscht haben, die sich nach Boden UN-Kontingente eingesetzt sind, können diese nicht Frieden sehnt. Die wichtigsten Reformen müssen daher darauf mehr auffordern, das Land zu verlassen. Sie können nur durch abzielen, daß den Vereinten Nationen die Mittel in die Hand Entscheid des Sicherheitsrats entfernt werden. Auf diesem Ge• gegeben werden, um die ihnen auferlegten Verpflichtungen er• biet, wie in anderen auch, haben wir von den Vereinten Natio• füllen zu können — in den Worten der Charta »die Wahrung des nen weit mehr erhalten, als wir erwarten durften. Diese Polizi• Weltfriedens und der internationalen Sicherheit«. Vierzig Jahre stenrolle der UNO war in der Charta überhaupt nicht vorgese• Erfahrung haben diesbezüglich die Unzulänglichkeit der UNO hen. gezeigt. Jahrzehntelang haben die Staaten jetzt schon über Ab• Dieser kurze Blick auf die Charta hat auch einige Defizite rüstung gesprochen. Aber es kann und wird keine Abrüstung zutage gefördert. Obzwar nicht viele, so haben diese doch die geben, bevor es nicht ein wirkungsvolles Sicherheitssystem der Verfassung der Welt nach dem Zweiten Weltkrieg bestimmt. Sie Vereinten Nationen gibt. Die Staaten können in dem gegenwär• haben den Staaten Wettstreit und Kampf sowie die Unterminie• tig bestehenden Vakuum von Gesetz und Ordnung in der Welt rung von Regierungen und Übergriffe auf die Gebiete von angesichts des völligen Mangels an Mitteln zur Garantie von Nachbarstaaten erlaubt. Diese zahnlosen Bestimmungen der Sicherheit und Gerechtigkeit ihre Waffen nicht niederlegen. Charta haben in der internationalen Gemeinschaft tatsächlich Zu den Feldern der Vereinten Nationen, die am dringendsten das gesetzlose Verhalten legalisiert. Sie haben das Aufblühen der Reform bedürfen, zählen die Friedenswahrung und das der Verdächtigungen und des Mißtrauens beschleunigt, das Veto. Ich habe weiter oben die Entwicklung der friedenssi• zum Wettlauf der Rüstungen geführt hat; besonders der tödlich• chernden Operationen beschrieben. Dieser Aktivitätsbereich ste Rüstungswettlauf aller Zeiten, durch den die Auslöschung der Weltorganisation sollte in der Charta verankert werden, der menschlichen Gesellschaft droht, wurde durch sie ange• was jetzt nicht der Fall ist; er sollte überdies beträchtlich ausge• heizt. baut und gestärkt werden. Der Sicherheitsrat sollte das Recht erhalten, UN-Beobachtergruppen oder eine UN-Friedenssiche• Die Charta der Vereinten Nationen, die wir haben, mag damals rungstruppe einzusetzen, wann immer und wo immer er das für zwar die beste gewesen sein, die zu bekommen war, sie bietet nötig erachtet, um einen Konflikt zu verhindern oder zu been• heute aber nur den Rahmen für fortgesetzte internationale An• den. Zur Zeit ist die Zustimmung der Konfliktparteien erforder• archie, Streit und Konflikt, indem sie die Staaten, und beson• lich, wenn UN-Einheiten entsandt werden sollen; dies bedeutet ders die mächtigen unter ihnen, geradezu einlädt, sich weiter• in der Praxis, daß sie es sich leisten können, die UNO zu igno• hin nur um ihre kurzfristigen Interessen zu kümmern und nach rieren. Eine kleine Zahl von Einheiten, die aus verschiedenen kleinlichen Positionsgewinnen, die lediglich neue Zwietracht Nationalitäten zusammengesetzt und auf der Grundlage von heraufbeschwören, zu streben. Menschliche Wesen, unvollkom• Abkommen in verschiedenen Ländern stationiert sein könnten, men wie sie nun einmal sind, bleiben unfähig, sich an friedliche in einer Stärke bis zu 5 000 Mann, sollten in Bereitschaft gehal• und gesetzliche Praktiken zu halten, solange kein Erzwingungs• ten werden. Im Ernstfall könnten sie umgehend eingesetzt wer• stab vorhanden ist (auch wenn er vielleicht nur selten in Aktion den, womit die gegenwärtig auftretende Verzögerung durch die zu treten braucht). Diese Spielregel jeder menschlichen Gesell• jeweils erst erfolgende Aufstellung der Truppe vermindert wür• schaft ist nicht weniger notwendig in der größten Gesellschaft: de. Obwohl diese eigentlichen UN-Einheiten weiterhin klein an der der Nationalstaaten. Sie sind sogar noch dringender not• Zahl wären, könnten sie bei Bedarf durch die normalen Streit• wendig an dieser letzten >Wildwest<-Grenze zu Recht und Ord• kräfte der UN-Mitglieder unterstützt werden, unter Anwendung nung. Vigilanten und Freischaren sind nicht die Antwort. Wir der strengeren Vorschriften über Zwangsmaßnahmen im Kapi• brauchen den Sheriff und den Richter und einen funktionieren• tel VII der UN-Charta. den Gemeinderat. Wenn die Welt nicht fähig ist zur Domestizie• rung der Staaten, dann ist sie auch nicht fähig zum Überleben. Heutzutage haben die UN-Friedenstruppen sicherlich keine Chance, der massierten militärischen Macht größerer Länder gegenüberzutreten. Falls und wenn die Abrüstung jedoch tat• sächlich in Angriff genommen wird, werden die UN-Friedens• Reformvorschläge und Reformgegner truppen zunehmend wichtiger für die Wahrung von Stabilität Der 40. Jahrestag der Vereinten Nationen ist ein günstiger Zeit• und Frieden, und in einer abgerüsteten Welt werden sie der punkt, um einen prüfenden Blick auf die Organisation und ihre Schlüssel zu dauerhaftem Frieden sein. Keine Nation wird Satzung zu werfen. Beim Silberjubiläum 1970 nahmen meine heute abrüsten, da es keine tragfähige Alternative zur nationa• Delegation und einige andere das Vorhaben in Angriff, die len Wehr gibt. Wir müssen jetzt diese Alternative entwickeln, so Charta auf den neuesten Stand zu bringen. Man muß sich ver• daß die Nationen beginnen können, dem Gedanken der Abrü-

140 Vereinte Nationen 5-6/85 stung auf einer realistischen Grundlage näher zu treten. Heute gen wird das Problem übertrieben. Warum, erstens, haben De• können sie ihn nicht ernst nehmen. mokratien Einwände gegen die Praktizierung der Demokratie Friedenssichernde Maßnahmen sollten weiterhin vom Sicher• im Haus des weltumfassenden Gemeinderats? Und zweitens ist heitsrat autorisiert werden und auch künftig dem UN-General• das Abstimmungsverhalten in der Generalversammlung in der sekretär unterstehen. Sie sollten von keiner >Troika< von Gene• Praxis nicht das Ergebnis festgefügter Mehrheiten. Sie erfolgt rälen oder durch andere Kunstgriffe behindert werden, die die vielmehr nach sorgfältigen Verhandlungen zuerst innerhalb Routineoperationen der Gefahr eines Vetos unterwerfen wür• und dann zwischen den Regionalgruppen. Es gibt natürlich den. Wenn es der Sicherheitsrat versäumte zu handeln, könnte einige Fragen, in denen die überwältigende Mehrheit der Staa• selbstverständlich die Generalversammlung gemäß ihrer wich• ten und die Weltöffentlichkeit glatt — und mit Recht — mit tigen Resolution 377(V) von 1950 (>Gemeinsames Vorgehen für einem, zwei oder drei Staaten nicht übereinstimmt. Worin be• den FriedenUniting for Peace<) die Verantwortung überneh• steht dann das Problem? Mit den Abstimmungsverfahren oder men. mit den Ansichten und Meinungen dieser wenigen Staaten? Es hat jedoch keinen Sinn, einen bewaffneten Streit ruhigzu• Ich möchte die Vereinigten Staaten, die Sowjetunion, Frank• stellen, wenn die Ursache, die ihm zugrundeliegt, unerledigt reich und Großbritannien ersuchen, ihre Einstellung zu den ver• bleibt. Dies haben wir aus bitterer Erfahrung gelernt — im schiedenen bedeutsamen Vorschlägen für eine Reform der Nahen Osten, in Asien und anderswo. Und dieser Bereich ist Weltorganisation zu überprüfen, die in dem erwähnten Sonder• der zweitschwächste der Charta. Sie sollte dahin gehend abge• ausschuß zur Charta-Reform gründlich erörtert worden sind. ändert werden, daß die bindende Verpflichtung enthalten ist, Ich denke hier nicht an Kosmetik, die den Anschein von Wandel einen Schiedsspruch oder die gerichtliche Beilegung von inter• erwecken soll, sondern an wirkliche, zeitgemäße und substan• nationalen Streitfällen zu akzeptieren, wo Verhandlungen, Ver• tielle Veränderungen. mittlung oder Schlichtung unzureichend sind. Von besonderer Bedeutung hierfür ist der philippinische Vorschlag für eine 1945 — 1985 — 1995 ständige Kommission der Vereinten Nationen zur Streitbeile• Wenn die Vereinten Nationen sich bis zu ihrem 50. Geburstag gung. Weltweit ist es allgemeine und anerkannte Praxis, sich an nur diese wenigen Änderungen zu eigen machen könnten, die einen Dritten um Hilfe im Fall von Streitigkeiten zu wenden, ich hier recht knapp skizziert habe, was könnte dies für die Welt die die Konfliktparteien selbst nicht lösen können. Nur auf der bedeuten! internationalen Ebene haben wir weiterhin geduldet und ent• Es würde erstens heißen, daß die internationale Gemeinschaft schuldigt, daß die Parteien selbst entscheiden, ob sie Hilfe bei den ersten und einzigen größeren Versuch unternommen hätte, ihren Streitfällen annehmen wollen oder nicht, ob sie die wohl• ein echtes weltweites System zur »Wahrung des Friedens und erwogenen Schlußfolgerungen eines kompetenten Schlichters der internationalen Sicherheit« zu schaffen. Heute gibt es kei• akzeptieren oder nicht. Jedes Versäumnis, hier zu verbindliche• nes. Der Plan einer Kollektiven Sicherheit, die vom Mächte• ren Regelungen zu gelangen, birgt in unserer modernen und konzert der Sieger des Zweiten Weltkriegs mittels der Verein• interdependenten Welt letztlich die Saat für einen Atomkrieg in ten Nationen gewahrt werden sollte, brach natürlich sofort zu• sich. sammen. Auch konnte ein solches Vorhaben nie wieder aufge• Weiter oben habe ich mich schon über die erfolglosen Bemü• nommen werden. Ferner ist seither nichts an seine Stelle getre• hungen geäußert, das Veto oder den >Grundsatz der Einstim• ten. Die Nationen können sich nicht vor dem Atomzeitalter migkeit der Ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats< aus der drücken. Sie können nicht zu kolonialen und vorkolonialen Zei• Charta zu entfernen. Das Veto macht die erklärten Ziele der ten zurückkehren, als die Entfernungen groß und eine Art Puf• Weltorganisation zunichte und unterminiert ihre Prinzipien. fer zwischen den Staaten waren. Heute sind die Puffer alle ver• Das Veto macht die Vereinten Nationen gerade in den Fragen schwunden: Ob uns dies nun gefällt oder nicht, wir sind in das mit der größten Bedeutung wirkungslos: bei der Wahrung des Zeitalter der Gemeinsamkeit geworfen worden. Friedens und der Streitbeilegung. Die Weltgesellschaft kann Wenn die Charta von vornherein die Bestimmungen enthalten nicht aus besonders privilegierten und unterprivilegierten Mit• hätte, die ich umrissen habe, dann wäre die Abrüstung inzwi• gliedern bestehen, wenn es darum geht, die gemeinsamen Ge• schen abgeschlossen und die für die Rüstung verschwendeten schäfte zu führen und die gemeinsamen Probleme zu lösen. Milliarden hätten eine konstruktive Verwendung gefunden. We• Kein einzelner Staat und keine Staatengruppe darf die Macht der stünde die türkische Armee in Zypern, noch die sowjetische in Händen halten, die internationale Friedensmaschinerie zu in Afghanistan. Es hätte keine Waffen gegeben für den Abnut• stören oder zum Stillstand zu bringen. Die selbstverschafften zungskrieg zwischen Iran und Irak; die Differenzen wären auf Privilegien, die Nationen in vergangenen Jahrhunderten kenn• der ideologischen und religiösen Ebene geblieben. Der Nahost- zeichneten, haben in der entstehenden Weltgesellschaft keinen Konflikt wäre entschärft und entmilitarisiert, gerechte Rege• Platz. Ich bin der festen Überzeugung, daß der >Grundsatz der lungen wären durchgeführt worden, die den grundlegenden Be• Einstimmigkeit aus der Charta gestrichen werden sollte. Ich dürfnissen der streitenden Parteien Rechnung getragen hät• erkenne auch, daß dies eine unrealistische Hoffnung für die ten. nahe Zukunft ist. Deshalb unterstütze ich Bemühungen, seinen Fragen von Grenzstreitigkeiten, Wasserrechten, sauberer Luft Gebrauch zu beschränken. und saurem Regen wären entschieden worden, sobald sie auf• Das Veto sollte insbesondere dann nicht anzuwenden sein, tauchten. Das allgemeine Los der Menschheit wäre beträchtlich wenn es um die Verabschiedung von Resolutionen geht, die eine besser, als es heute ist. Wir würden alle leichter atmen, da das Feuereinstellung, die Entflechtung von bewaffneten Kräften nukleare Damoklesschwert nicht mehr über uns hinge. Die UN- und den Rückzug hinter die jeweiligen Grenzen in Fällen von Maschinierie für Friedenswahrung und Streitbeilegung wäre bewaffneten Konflikten fordern; es sollte euch bei einer Viel• immer wieder erprobt, nachgeprüft und verbessert worden, bis zahl von weniger wichtiger Angelegenheiten beseitigt werden, allmählich das Vertrauen gewachsen wäre und die Staaten sich wie zum Beispiel bei der Entsendung von UN-Beobachtern oder zunehmend auf internationale Verfahren verlassen hätten statt dem Ersuchen an den Generalsekretär, eine Rolle bei der Beile• auf unilaterale Entscheidungen und Aktionen all derer, die über gung von Streitigkeiten zu spielen. Meiner Ansicht nach sollte genügend Macht verfügen, sie durchzusetzen. das Veto in all jenen Angelegenheiten nicht anwendbar sein, Warum solche fernen Möglichkeiten überhaupt erwähnen? Weil die unterhalb der Ebene der Zwangsmaßnahmen bleiben. Es es keinen anderen Weg gibt. Es gibt keinen Weg zurück; und es sollte deshalb nicht im Fall der UN-Friedenswahrung anwend• ist viel zu gefährlich, da zu verharren, wo wir jetzt sind. Es gibt bar sein, wie sie zur Zeit praktiziert wird. eine Sache, die wir noch nicht versucht haben. Diese Sache Es wird gelegentlich Besorgnis geäußert über die Regel >ein wäre nämlich der gemeinschaftliche Versuch, unsere gemeinsa• Staat, eine Stimme< der Generalversammlung. In meinen Au• men Probleme zu lösen; und an erster Stelle die von Weltfrieden

Vereinte Nationen 5-6/85 141 und internationaler Sicherheit. Heute sehen die Staaten keine deln zustandezubringen und nicht bloß bei der Unterstützung Alternative zum Rüstungswettlauf. Und so bleiben sie, wie die wohlklingender Erklärungen. Lemminge, auf ihrem ungestümen Zug ins nukleare Flammen• Die Vereinten Nationen sind nicht einfach ein frommer Wunsch meer. Die Alternative ist schwer zu verwirklichen; unmöglich oder ein angenehmer Einfall. Sie sind das Lackmuspapier für ist sie nicht. Sie erfordert auch auf der internationalen Ebene, den Test aufs Überleben der Menschheit. Heute stehen sie ver• was wir in jedem Land als selbstverständlich veraussetzen: daß lassen da, verlassen gerade von einigen der Großmächte, die für zerstörerischer und eigennütziger Gewalt gesetzlich sanktio• ihr Funktionieren und ihre Wirksamkeit besonders wichtig nierte Beschränkungen auferlegt werden. Keine Gesellschaft sind. Die Vereinten Nationen müssen radikal verbessert und in kann ohne diese Schranken überdauern. Und die Weltgesell• den Mittelpunkt des internationalen Lebens gestellt werden, schaft kann es auch nicht. wenn die Menschheit dem Kurs entrinnen soll, zu dem sie jetzt Obwohl sie eine beträchtliche Verbesserung gegenüber dem verurteilt zu sein scheint. Es ist nicht zu spät, nochmals nachzu• Völkerbund darstellen, können die Vereinten Nationen auf denken, aber es ist bereits sehr spät. Jede derartige Hoffnung lange Sicht nicht so bleiben, wie sie sind. Jedes Stadium der verlangt jedoch eine umfassende Angleichung der Einstellun• internationalen Organisation hat zweifellos die Geisteshaltung gen, Verpflichtungen und Perspektiven seitens der Mitglied• der Regierungen und Völker der jeweiligen Zeit gespiegelt. Die staaten und ihrer Völker. Es bedeutet die Zusammenlegung der Vereinten Nationen von morgen müssen das werden, worauf nationalen Souveränitäten im gemeinsamen Interesse inner• Völkerbund und UNO von gestern und heute hinführen: näm• halb der Institution, die wir zu diesem Zweck ja bereits geschaf• lich eine Weltorganisation, die sich genau in den Verantwort• fen haben. Wenn dies nicht möglich ist, dann wird das Leben lichkeiten als wirksam erweist, die von ihr gefordert sind. Aber auf diesem Planeten bald auch unmöglich sein. sind Regierungen und Öffentlichkeit bereit, einen solchen Die Vereinten Nationen werden heute von einigen Staaten miß• Schritt zu unterstützen? Viele sind es, aber einige der wichtig• braucht, vernachlässigt oder vergessen. An dieser Vernachlässi• sten sind es sicherlich nicht. Und unter diesen müssen wir die gung läßt sich die Gefahr messen, in der wir uns befinden, denn Supermächte nennen. Die Dinosaurier begingen den Fehler, sie bedeutet, daß das Werkzeug preisgegeben wird, mit dem das sich hinsichtlich ihrer Sicherheit auf sich selbst zu verlassen, Gebäude dauerhaften Friedens errichtet werden kann. weil sie groß und stark waren. Heute ist die Kernwaffe der Ich hoffe, daß es einen 50.Jahrestag der Vereinten Nationen große >Gleichmacher<. Und zur Zeit gehen die Staaten den Weg geben wird, und ich hoffe, daß es dann Vereinte Nationen sein des Dinosauriers in Richtung Untergang. Hoffnung auf Rettung werden, denen das an die Hand gegeben wurde, was sie brau• liegt nur darin, das gute Einvernehmen der Nationen im Han• chen, um das zu tun, was wir von ihnen erwarten.

Störmanöver in San Franzisko

Erinnerungen eines sowjetischen Diplomaten ALEXEJ ROSTSCHIN

Auf der Konferenz von San Franzisko (25.April bis 26.Juni 1945), auf der die Organisation der Vereinten Nationen gegrün• det wurde, wurden mehr als tausend Abänderungsvorschläge, Zusatzbestimmungen und Veränderungen geprüft, die die Kon• ferenzteilnehmer zum Entwurf der Satzung der zu errichtenden Organisation eingebracht hatten. Der Entwurf dieser Charta war im Spätsommer 1944 in Dumbarton Oaks (Washington) von Vertretern der Sowjetunion, der Vereinigten Staaten und Groß• britanniens vorbereitet worden; Berücksichtigung fanden dann noch die Ergänzungen, die im Februar 1945 auf dem Treffen der Staats- und Regierungschefs dieser drei Mächte auf der Krim angenommen worden waren. Zur Prüfung der zahlreichen Abänderungsvorschläge und Zu• satzbestimmungen zur Charta wurden auf der Konferenz zwölf Ausschüsse gebildet, die man zu vier Kommissionen zusam• menfaßte. Der Verfasser dieser Zeilen war beauftragt, die so• wjetische Delegation in zwei wichtigen Ausschüssen der Konfe• ist seit 1936 diplomatisch tätig. 1938/39 leitend im Zentralappa• renz zu vertreten: im Ausschuß II/l (Generalversammlung: rat des Volkskommissariats für Auswärtige Angelegenheiten Struktur und Verfahren) und II/2 (Generalversammlung: politi• der Sowjetunion, 1944-1946 Berater des Hauptvertreters der sche und Sicherheitsfunktionen). UdSSR in der Europäischen Konsultativkommission in London. Ich kann in einem kurzen Beitrag nicht auf den weiten Kreis Später wieder in leitenden Funktionen im sowjetischen Außen• der auf der Konferenz erörterten Fragen eingehen und möchte ministerium tätig; 1952/53 gehörte er der Ständigen Vertretung mich daher auf die Antwort auf die Frage beschränken, ob es der Sowjetunion bei den Vereinten Nationen an. Botschafter auf der Konferenz von San Franzisko Verstöße der Vereinigten Rostschin trat 1977 in den Ruhestand und ging zu wissenschaft• Staaten und Großbritanniens gegen die in Dumbarton Oaks licher und pädagogischer Arbeit an der Diplomatischen Akade• und auf der Krim mit der UdSSR erzielten Vereinbarungen zur mie des Außenministeriums der UdSSR über. Professor für die Charta der Weltorganisation, die zwecks Gewährleistung der Geschichte der Außenpolitik der UdSSR und für internationale internationalen Sicherheit gegründet werden sollte, gegeben Beziehungen. hat. Am 24,Oktober 1945 war er Berater des Vertreters der UdSSR, Diese Frage muß ich leider bejahen, es gab Verstöße der Alliier• Andrej Gromyko, im Exekutivausschuß der Vorbereitungskom• ten gegen die Vereinbarungen. Dazu möchte ich folgende Tatsa• mission der Vereinten Nationen. chen anführen:

142 Vereinte Nationen 5-6/85 A Als auf der Konferenz — im Ausschuß II/1, Struktur und Beistand, die die Sowjetunion im Laufe des Zweiten Weltkriegs Verfahren der Generalversammlung — die Ernennung des mit der Tschechoslowakei, Polen, Frankreich und Jugoslawien UNO-Generalsekretärs erörtert wurde, schlugen Australien und geschlossen hatte, nicht genehm. Überhaupt stand man in den Uruguay vor, der Sicherheitsrat solle Empfehlungen zu dieser USA Verträgen zwischen europäischen Staaten ablehnend ge• Frage ohne Rücksicht auf die Einstimmigkeitsregel für die genüber. Dort erinnerte man sich, daß die britisch-französische Ständigen Mitglieder des Rates annehmen. Dieser Vorschlag Entente nach dem Ersten Weltkrieg die Vereinigten Staaten widersprach dem Beschluß der Krim-Konferenz über das Ab• von den europäischen Angelegenheiten ferngehalten und auf stimmungsverfahren im Sicherheitsrat. Der US-Vertreter im einen isolationistischen Weg abgedrängt hatte. Ausschuß, der Kongreßabgeordnete Sol Bloom, stellte sich so• Der amerikanisch-bolivianische Vorschlag widersprach den Be• fort hinter diesen Vorschlag. Trotz meiner nachdrücklichen Ein• stimmungen des in Dumbarton Oaks ausgearbeiteten und ver• wände wurde er vom Ausschuß angenommen. einbarten Entwurfs der Charta. Dennoch betrieb Vandenberg Die Folgen dieses Beschlusses wären gewaltig gewesen. Sie energisch seine Annahme. Die UdSSR-Delegation war entschie• hätten den Einfluß der UdSSR auf die Aufstellung eines der den dagegen, die Delegationen Frankreichs, der Tschechoslowa• wichtigsten Organe, des Sekretariats, stark vermindert oder, kei, Perus, Kolumbiens und Chiles unterstützten sie. Daraufhin zumindest in den ersten Jahren der UNO-Tätigkeit, auf Null wurde der Vorschlag, der Generalversammlung das Recht auf reduziert. Damals hatten die USA ein eindeutiges Übergewicht Revision internationaler Verträge einzuräumen, abgelehnt. in allen UNO-Organen, auch im Sicherheitsrat, und hofften des• Wenn man heute zurückblickt, mutet der amerikanisch-bolivi• halb, mit den Stimmen der sieben Ratsmitglieder jede von anische Vorschlag ungeheuerlich und paradox an. Er hatte ihnen gewünschte Person auch gegen den Willen der Sowjet• keine Chance, verwirklicht zu werden. Damals aber, bei der union auf den Posten des Generalsekretärs hieven zu können. Ausarbeitung der Charta, schien er äußerst wichtig und bedeut• Diese Möglichkeiten, die die USA in jenen Jahren hatten, wer• sam. Seine Annahme schien zur Untergrabung des ganzen Sy• den von der ganzen Frühgeschichte der UNO bezeugt. Als bei• stems der in den Kriegsjahren unterzeichneten internationalen spielsweise 1947 im Sicherheitsrat über einen Bericht der Abkommen zu führen. Atomkommission, der dem >Baruch-Plan< zustimmte, abge• stimmt wurde, votierten neun Mitglieder für und zwei — die -2 Die wichtigste Frage im Zusammenhang mit der Erarbei- UdSSR und Polen — gegen den Bericht. Dieses Stimmenver• tung der Charta war das Abstimmungsverfahren im Sicher• hältnis war für die damalige Zeit typisch. Wäre im Sicherheits• heitsrat. Sollte doch dieses Organ als das einzige in der UNO rat der Beschluß über eine Ernennung des Generalsekretärs das Recht erhalten, bindende Entscheidungen zu treffen: über mit einfacher Stimmenmehrheit angenommen worden, so hätte wirtschaftliche und diplomatische Sanktionen sowie über die die Sowjetunion bei dem in den ersten Jahren der Vereinten Anwendung von Waffengewalt. Nach Ansicht der USA und Nationen bestehenden Stimmenverhältnis im Rat keinen gro• Großbritanniens durfte ein Staat, der in einen Streitfall oder ßen Einfluß auf die Nominierung des Generalsekretärs wie Konflikt verwickelt war, nicht vom Vetorecht Gebrauch ma• auch des UNO-Sekretariats gehabt. chen. Sie wollten die Rechte und Möglichkeiten der UdSSR ein• Noch am selben Abend berichtete ich Andrej Gromyko, dem schränken, einen politischen Kurs oder bestimmte Verhaltens• Leiter unserer Delegation, darüber, wie sich die Frage der Er• muster, die ihr aufgenötigt werden sollten, abzulehnen. Wa• nennung eines Generalsekretärs im Ausschuß darstellte. Mit• shington und London trugen sich schon mit Plänen, die Organi• tels einer komplizierten Prozedur gelang es Gromyko, den Be• sation der Vereinten Nationen als Werkzeug ihrer eigenen in• schluß des Ausschusses II/1 aufzuheben und das in Dumbarton ternationalen Politik zu mißbrauchen. Damals waren die USA Oaks und auf der Krim vereinbarte Verfahren zur Nominierung und Großbritannien recht gleichgültig gegenüber dem Veto• des Generalsekretärs durchzusetzen. Gemäß diesem Verfahren recht der Ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats, weil sie durfte die Empfehlung des Sicherheitsrats zu dieser Frage nur hofften, im Rat ebenso wie in den anderen Organen der Verein• bei Einstimmigkeit seiner Ständigen Mitglieder angenommen ten Nationen stets über eine folgsame Mehrheit zu verfügen. werden. Die Delegationen der USA und Großbritanniens konnten nicht Die US-Delegation behauptete damals, Bloom habe sich >geirrt<. direkt gegen das auf der Krim vereinbarte Abstimmungsver• Das dürfte kaum der Fall gewesen sein. Er hatte ja zwei Bera• fahren vorgehen. Sie ließen jedoch den britischen Dominien, ter zu seiner Verfügung — zwei von den zahlreichen Beratern einigen lateinamerikanischen Ländern sowie den Philippinen der US-Delegation —, die den vereinbarten Standpunkt zu die• und Griechenland volle Aktionsfreiheit in dieser Frage. So ritt ser Frage gewiß kannten. Den USA ging es einfach darum, das der australische Außenminister Evatt eine Attacke gegen das Prinzip der Einstimmigkeit der Ständigen Mitglieder des Rates auf der Krim vereinbarte Abstimmungsverfahren für den Si• bei der Ernennung des Generalsekretärs zu untergraben und so cherheitsrat: Das Vetorecht solle sich nur auf Entscheidungen die Rolle der UdSSR in der entstehenden Organisation herab• über Zwangsmaßnahmen der UNO gegen einen Aggressor — zumindern. wirtschaftliche und diplomatische Sanktionen sowie militä• risches Vorgehen — erstrecken. Was dagegen die friedlichen r\ Ein weiteres Beispiel: Im Ausschuß II/2 (Generalversamm- Mittel zur Bereinigung von Streitfällen betraf, so meinte Evatt, lung: politische und Sicherheitsfunktionen) waren die USA über solche Fragen könnten beliebige sieben Stimmen im Si• durch den republikanischen Senator Arthur Vandenberg, einen cherheitsrat entscheiden. Gegner des rooseveltschen Kurses der Zusammenarbeit mit der Die lateinamerikanischen Länder (Peru, Kolumbien, Kuba und UdSSR, vertreten. Im Unterschied zu Bloom wahrte Vanden• andere) gingen noch weiter. Sie bestanden darauf, daß jeder berg im Konferenzausschuß Abstand zu dem neben ihm sitzen• Mitgliedstaat im Sicherheitsrat die gleichen Rechte haben und den sowjetischen Kollegen. Bei der Diskussion mit dem sowjeti• daß das Vetorecht gar nicht erst eingeführt werden sollte — schen Vertreter über die im Ausschuß erörterten Probleme mel• oder aber für höchstens zehn Jahre. dete er sich nicht zu Wort und stimmte erst recht nicht mit ihm Die genannten Staaten und mit ihnen die von Washington und die Standpunkte zu den zur Debatte stehenden Fragen ab. Mit London stark abhängigen Vertreter zum Beispiel der Philippi• seinem Wissen und auf sein Betreiben hin unterbreitete der nen und Griechenlands griffen gemeinsam mit dem US-Vertre• bolivianische Vertreter der Konferenz den Vorschlag, die Gene• ter Vandenberg zu folgendem Mittel, um die Bedeutung des ralversammlung solle mit dem Recht ausgestattet werden, von Sicherheitsrats und dessen Regel der Einstimmigkeit der Stän• den Staaten geschlossene internationale Verträge zu revidieren. digen Ratsmitglieder (mit Vetorecht) herabzusetzen: Sie regten Dieser Vorschlag untergrub das souveräne Recht der Staaten, Vorschläge an, der Generalversammlung Rechte und Befug• internationale Abkommen zu schließen. Washington jedoch nisse einzuräumen, die den Sicherheitsrat ihr unterordnen wür• waren die Verträge über Zusammenarbeit und gegenseitigen den. Sie schlugen vor, die Generalversammlung mit dem Recht

Vereinte Nationen 5-6/85 143 A Ich möchte noch einen relativ unbedeutenden Fall erwäh- * nen, in dem die USA und Großbritannien gegen die die UNO betreffenden Krim-Vereinbarungen verstoßen haben. Auf der Krim war entschieden worden, daß die Vereinten Nationen in ihrer Zusammensetzung vom 8. Februar 1945 zuzüglich der Staaten, die dem gemeinsamen Feind bis zum l.März 1945 den Krieg erklären würden, als Gründungsmitglieder der neuen Or• ganisation betrachtet werden sollten. Die Kriegserklärung Ar• gentiniens erfolgte am 27.März. Dennoch stimmten die USA und Großbritannien dafür, das Land zur Konferenz einzuladen. Das wäre annehmbar gewesen, wenn auch Polen eine Einla• dung erhalten hätte. Die USA und Großbritannien ließen Polen jedoch unter dem Vorwand, dort sei die Regierungsumbildung, auf die man sich auf der Krim geeinigt hatte, noch nicht abge• schlossen, nicht zur Konferenz zu. Die Umbildung der polni• schen Regierung erfolgte erst im Juni 1945, und Polen konnte nicht an der Konferenz von San Franzisko teilnehmen. Es un• terzeichnete die UNO-Charta erst am 15. Oktober 1945. Somit muß die Frage, ob es unmittelbare Verstöße der USA und Großbritanniens gegen die in Dumbarton Oaks und auf der Krim erzielten Vereinbarungen gegeben hat, bejaht werden — es waren sowohl direkte als auch indirekte Verstöße zu ver• zeichnen. Die größte Rolle spielten die indirekten Verstöße, bei denen die USA und Großbritannien die mit ihnen befreundeten oder von ihnen abhängigen Länder nicht davon abhielten, be• trächtliche Veränderungen der UNO-Charta und zugleich auch des Charakters der Organisation anzustreben, und sie in dieser Richtung sogar noch bestärkten. Die Bedeutung der Konferenz von San Franzisko für die So• wjetunion besteht darin, daß es ihr gelang, alle Versuche der USA, Großbritanniens und einiger anderer Länder zu vereiteln, die im Entstehen begriffene Organisation der Vereinten Natio• nen zu einem Werkzeug der Washingtoner und Londoner Poli• tik, die die politische und wirtschaftliche Weltherrschaft an• strebte, sowie zu einem Druckmittel gegen die Sowjetunion in Fragen der Nachkriegspolitik zu machen. Auf Drängen der UdSSR wurden der Organisation Prinzipien zugrunde gelegt, die ihrem eventuellen Mißbrauch durch eine Macht gegen eine andere, die Ständiges Mitglied des Sicherheitsrats ist, vorbeu• gen. Diese Prinzipien boten den Vereinigten Staaten nicht die Vorteile in internationalen Fragen, auf die man in Washington und einigen anderen Hauptstädten westlicher Staaten gehofft Andrej Gromyko, Leiter der sowjetischen Delegation auf der Konferenz von San Franzisko, unterzeichnet die Charta der Vereinten Nationen. hatte. Nun besteht die Organisation der Vereinten Nationen schon auszustatten, Empfehlungen zu allen Fragen der internationa• seit vierzig Jahren. Das in San Franzisko gelegte Fundament len Beziehungen zu erteilen, vom Sicherheitsrat Berichte über hat die Lebenskraft und Nützlichkeit dieser Organisation, die dessen Tätigkeit zu fordern und seine Beschlüsse aufheben zu zu einem maßgeblichen Faktor des internationalen Lebens der können. Gegenwart geworden ist, unter Beweis gestellt. Die USA und Großbritannien hätten die Möglichkeit gehabt, die • « * Angriffe der Vertreter der Dominien, einiger lateinamerikani• Wie in der Vergangenheit, so wird auch heute häufig die Frage scher Staaten und der stark von Washington und London ab• gestellt, ob die in San Franzisko gegründete Organisation der hängigen Länder auf das von den drei Mächten auf der Krim Vereinten Nationen die Hoffnungen, die ihre Gründer in sie abgestimmte und angenommene Einstimmigkeitsprinzip im Si• setzten, erfüllt hat. cherheitsrat — das heißt auf das Vetorecht — abzublocken. Die Frage läßt sich nicht so ohne weiteres beantworten. Es gibt Doch das taten sie nicht. Ihre Vertreter gaben sich machtlos recht gewichtige positive Faktoren, die mit der Existenz und und beriefen sich auf die Selbständigkeit der Dominien und der dem Wirken der UNO in Zusammenhang stehen. Zugleich kann anderen Länder, die wichtige Veränderungen am Wesen der die man jedoch auch nicht die ernstzunehmenden negativen UNO betreffenden Beschlüsse, zu denen man auf der Krim und Aspekte übersehen, die verhindern, daß die Staaten innerhalb in Dumbarton Oaks gelangt war, durchzudrücken versuchten. dieser Organisation die Aufgaben, die sich ihre Gründer in Diese Haltung der amerikanischen und britischen Delegierten Übereinstimmung mit der Charta zu verwirklichen verpflichte• entsprang dem Bestreben ihrer Regierungen, der Sowjetunion ten, in vollem Umfang erfüllen können. und den anderen Mitgliedern dieser Organisation über diese Ein positiver Aspekt der UNO besteht darin, daß sie ein unge• Klientenstaaten ihren Willen aufzunötigen. mein wichtiges internationales zwischenstaatliches Forum ist, Es bedurfte großer Anstrengungen der keineswegs mitglieder• das praktisch alle Staaten der Welt — 159 an der Zahl — erfaßt. starken sowjetischen Delegation, um die Versuche abzuwehren, Jeder Mitgliedstaat kann auf diesem Forum seine Meinung zu den Charakter des im Entstehen begriffenen Sicherheitsrats Gehör bringen, seinen Standpunkt zu den Fragen, die in den beträchtlich zu verändern und seine Tätigkeit gegen die Inter• Zuständigkeitsbereich der UNO fallen, darlegen sowie den ver• essen der Sowjetunion und der anderen sozialistischen Länder schiedenen Organen, unter anderem der Generalversammlung auszurichten. Die UdSSR vereitelte alle Versuche, die UNO zu und dem Sicherheitsrat, mit Zustimmung der Mitgliedermehr• einem Werkzeug der US-Politik zu machen. heit des jeweiligen Organs Fragen zur Prüfung vorlegen, die

144 Vereinte Nationen 5-6/85 nach Auffassung dieses Staates von den Mitgliedern der Ver• Wenn man von den positiven Aspekten des Bestehens und Wir• einten Nationen erörtert werden sollten. kens der UNO spricht, sollte man auch betonen, daß die Tagun• So legten die Sowjetunion und die anderen sozialistischen Län• gen und Sitzungen ihrer Organe zu Begegnungen und Verhand• der der Generalversammlung und anderen UNO-Organen seit lungen zwischen den Teilnehmern der entsprechenden Foren Gründung der Organisation über hundert Fragen vor, die die beitragen, bei denen es häufig zu einem nützlichen Meinungs• Festigung des Weltfriedens und der Sicherheit, die Abrüstung austausch über wichtige Fragen der internationalen Beziehun• und die Beseitigung der Kriegsgefahr (vor allem der Gefahr gen kommt und Vereinbarungen erzielt werden, die Probleme eines Kernwaffenkrieges) und viele andere Probleme betrafen. des internationalen Lebens lösen helfen. Die umfassende Erörterung dieser Probleme in UNO-Organen Aus all diesen Erwägungen heraus sollte man schließen, daß die hat nach wie vor großen Einfluß auf die Ausprägung der öffent• Organisation der Vereinten Nationen ungeachtet aller Mängel lichen Meinung, auf ihre Einstellung gegen das Wettrüsten, und Schwächen eine positive Rolle im heutigen Leben spielt gegen seine Ausdehnung auf den Weltraum, auf ihr Eintreten und daß ihr Bestehen und Wirken ein lebenswichtiger, notwen• für zunehmende internationale Zusammenarbeit im Interesse diger Faktor in den internationalen Angelegenheiten unserer des Weltfriedens und wirksamer internationaler Sicherheit so• Zeit ist. wie eines höheren Lebensniveaus der Völker in allen Ländern Zu den negativen oder schwachen Seiten der UNO sollte man der Welt. Daß die Sowjetunion UNO-Organen Fragen eines Ver• vor allem ihr Unvermögen rechnen, Beschlüsse zu Problemen bots von Kernwaffentests sowie der Nichtweiterverbreitung zu fassen, die die Sicherheit, die Abrüstung und die Beilegung von Kernwaffen zur Prüfung vorlegte, hatte zur Folge, daß die von internationalen Konflikten betreffen. Als die Organisation im Nuklearzeitalter ungemein wichtigen Verträge über das Ver• der Vereinten Nationen gegründet wurde, sollte ihre Hauptauf• bot von Kernwaffenversuchen in der Atmosphäre, im Weltraum gabe darin bestehen, die Zusammenarbeit zwischen den Mäch• und unter Wasser vom 5. August 1963 und über die Nichtverbrei• ten der Antihitlerkoalition — UdSSR, USA und Großbritannien tung von Kernwaffen vom l.Juli 1968 zustande kamen. Auf Vor• — bei der Erhaltung und Festigung des Weltfriedens, der Ver• schlägen, die die Sowjetunion in der UNO einbrachte, beruhen hinderung einer Restauration des deutschen Militarismus und auch andere internationale Verträge und Abkommen zur Be• Faschismus und bei der Bereinigung von internationalen Pro• grenzung des Wettrüstens. blemen zu sichern. Ungemein wichtig sind die vor kurzem von der UdSSR und Die Entwicklungen haben jedoch gezeigt, daß die Organisation anderen sozialistischen Ländern der UNO vorgelegten Vor• der Vereinten Nationen nicht zum Fundament der Zusammen• schläge über ein Einfrieren der Kernwaffen, über den Verzicht arbeit zwischen diesen Mächten wurde. Die USA verfolgten in auf den Ersteinsatz von Kernwaffen, über das Verbot der An• der UNO das Ziel, ihre Führungsposition in der Welt zu sichern. wendung von Gewalt sowohl im Weltraum als auch vom Welt• Die Aufgabe, in der BRD den Militarismus zu unterbinden, raum aus gegen die Erde, über ein Verbot auch der unterirdi• geriet bei Washington und seinen Verbündeten völlig in Verges• schen Nukleartests und über eine Ächtung der chemischen senheit. Die BRD wurde zum wichtigsten Militärpartner der Waffen. Obwohl diese Vorschläge von den Vereinigten Staaten USA — gegen die UdSSR und die anderen sozialistischen Län• und ihren militärischen Verbündeten nicht akzeptiert wurden, der. Daß die Vereinigten Staaten und ihre westlichen Verbünde• spielten und spielen sie eine sehr wichtige Rolle für den Ausbau ten zu militärischen und politischen Zwecken den NATO-Block und die Vertiefung der Antinuklear- und Friedensbewegung in ins Leben riefen, hatte eine extreme Zuspitzung der internatio• vielen Ländern der Welt, auch in den USA, den Ländern der nalen Lage zur Folge. Wesentlich dazu beigetragen hat auch die NATO und der anderen mit den USA verbündeten Blöcke. Entfaltung des Wettrüstens durch die Vereinigten Staaten und Die arabischen Länder wiederum legten und legen den UNO- die anderen NATO-Mitglieder. Und heute versucht die Admi• Organen Fragen zur Prüfung vor, die die Aggression Israels nistration Reagan, dieses Wettrüsten auch auf den Weltraum gegen Nachbarländer und andere arabische Staaten sowie den auszudehnen. Die fehlende Zusammenarbeit zwischen den Widerstand gegen die amerikanisch-israelische Zusammenar• Westmächten und der UdSSR wirkt sich hinderlich auf die beit bei der Verwirklichung ihrer aggressiven Nahost-Pläne be• Lösung von Problemen, die mit der Festigung des Friedens und treffen. der Sicherheit, der Abrüstung und der Bereinigung anderer Die afrikanischen Länder bringen in der UNO die aggressive akuter und aktueller Fragen des internationalen Lebens zusam• Politik Südafrikas zur Sprache, das sich der Unabhängigkeit menhängen, im Rahmen der UNO aus. Namibias in den Weg stellt und den Kurs einer Destabilisierung Die Organisation der Vereinten Nationen ist außerstande, die der unabhängigen afrikanischen Nachbarstaaten eingeschla• Lösung der Aufgaben, die ihr von ihrer Charta auferlegt wer• gen hat. Die meisten Mitglieder der Vereinten Nationen verur• den, wirksam zu betreiben. Das ist ein negativer und sehr teilen die von Südafrika betriebene Apartheid-Politik, also die schwacher Punkt ihrer Tätigkeit. Unterdrückung der Bevölkerungsmehrheit (der Afrikaner und der Personen indischer Abstammung) im Lande. Wenn man die positiven und die negativen Seiten der Existenz Insgesamt ist die Erörterung von akuten, aktuellen und wichti• der UNO gegeneinander abwägt, so sollte man dennoch den gen internationalen Fragen eine positive Erscheinung des inter• Schluß ziehen, daß das Bestehen dieser Organisation ein positi• nationalen Lebens und stellt den größten Pluspunkt im Wirken ver Faktor des internationalen Lebens unserer Zeit ist. In der der Organisation der Vereinten Nationen dar. gegenwärtigen Situation ist ihre Tätigkeit notwendig und nütz• Zu den wichtigen positiven Aspekten dieser Organisation sollte lich, denn sie dient in der derzeitigen gefährlichen internationa• man auch ihren Einfluß auf die Entwicklung des weltweiten len Situation dem Ziel, diese Lage zum Besseren zu verändern Entkolonisierungsprozesses zählen. Besonders intensiv war und nach Wegen für eine friedliche Beilegung internationaler dieser Prozeß in den sechziger Jahren — unter dem unmittelba• Konflikte und für die Beseitigung gefährlicher internationaler ren Einfluß der Sowjetunion und der anderen sozialistischen Krisenherde zu suchen. Zudem trägt die UNO dazu bei, die Länder, die auf der lö.Tagung der Generalversammlung (1960) Öffentlichkeit in allen Ländern der Welt über die Standpunkte den Vorschlag unterbreitet hatten, den Kolonien und abhängi• der verschiedenen Staaten zu Fragen der Weltpolitik zu infor• gen Ländern die Unabhängigkeit zu gewähren. Der Entkoloni- mieren sowie die Kontakte zwischen Vertretern der Staaten auf sierungsprozeß ist auch heute von großer Bedeutung. Er bringt unterschiedlichen Ebenen zu entwickeln. Diese unsere Schluß• die Beseitigung des schändlichen Kolonialsystems zum Ab• folgerung findet Bestätigung im beharrlichen Kampf der So• schluß, das sich nicht mit der Menschenwürde und den grundle• wjetunion und der anderen sozialistischen Länder für eine genden Interessen der Völker in den Kolonien und abhängigen Stärkung der Organisation der Vereinten Nationen und für de• Ländern vereinbaren läßt. Dieser Prozeß ist ein wichtiger Ak• ren noch aktiveres Hinwirken auf die Lösung der vor ihr ste• tivposten der Organisation der Vereinten Nationen. henden Aufgaben.

Vereinte Nationen 5-6/85 145 Die nächsten 40 Jahre Das Werk von San Franzisko in der Sicht eines Mitglieds der Delegation der Vereinigten Staaten HAROLD E. STASSEN

»Wir haben einen Brückenkopf erobert im ewigen Kampf der man, daß jeder der 50 Delegationsleiter stand! Ein Augenblick Völker der Welt um einen dauerhaften Frieden.« Diese Worte völliger Stille folgte; und dann, zum erstenmal während der lan• gebrauchte ich vor 40 Jahren, um die Unterzeichnung der gen Verhandlungen und Redaktionsitzungen, brachen Leiter Charta der Vereinten Nationen am 26. Juni 1945 in San Fran• und Mitglieder der Delegationen in anhaltenden Beifall aus.

zisko zu charakterisieren1. (>Brückenkopf< war in jenen Kriegs• Die Zyniker, die Gegner, die Zweifler und die Armageddon-Pro- tagen ein wohlbekannter Begriff, der einen Punkt an einem pheten hatten vorausgesagt, daß sich die 50 nie einigen würden; feindlichen Ufer — Normandie, Anzio, Leyte, Okinawa oder Iwo und daß es, selbst wenn es dazu käme, in 15 oder 20 Jahren Jima — bezeichnete, der als Basis für die Anlandung von weite• einen dritten Weltkrieg geben würde! ren Truppen und Nachschub eingenommen worden war, um von dort aus weiter dem Sieg entgegenzustürmen.) Aufgrund Kontroversen auf der Gründungskonferenz der Einladung einer Gruppe bedeutender amerikanischer In der Tat hatte es im Lauf der langen Tage und Nächte dieser Nichtregierungsorganisationen erstattete ich am 5. Juli in Wa• Verhandlungswochen einige Situationen gegeben, wo es schien, shington einen umfassenden Bericht, der landesweit im Rund• daß eine Einigung unmöglich wäre. funk ausgestrahlt wurde, und kehrte dann zu meinen Aktiv• Eine der ernstesten Fragen war die des Vetos im Sicherheitsrat. dienstpflichten als Assistent des Stabschefs im Südpazifik, Ad• Auf das Veto hatten sich Präsident Roosevelt, Generalissimus miral Halsey, zurück. Stalin und Premierminister Churchill in Jalta geeinigt. Aber die Die Unterzeichnung selbst hatte nach zwei Monaten intensiver Interpretationen des Vetos stimmten nicht überein. Die Delega• Verhandlungen mit Änderungen, Revisionen, Zusätzen und De• tion der Sowjetunion, die von Außenminister Molotow geführt wurde, vertrat die Ansicht, daß das Veto schon bei der Entschei• dung darüber, ob ein bestimmtes Thema von den Vereinten Nationen behandelt werden soll, greifen müsse. Senator Arthur Vandenberg, ein Republikaner aus Michigan, Senator Tom Con- nally, ein Demokrat aus Texas, ich und viele andere waren zu dem Schluß gekommen, daß es besser wäre, die Konferenz ohne eine Einigung zu beenden, wenn nicht klargestellt würde, daß die Vereinten Nationen jede Situation aufgreifen, erörtern und darüber berichten können, ohne durch ein Veto daran gehindert zu werden. Präsident Truman schickte dann Harry Hopkins nach Moskau, um direkt mit Generalissimus Stalin zu beraten. Es gelang ihm, bei Stalin eine Modifizierung der sowjetischen Haltung zu erreichen, deren Ausmaß die Charta der Vereinten Nationen reflektiert. So ist es die ganzen vier Jahrzehnte hin• Dr. Harold E. Stassen, durch möglich gewesen, ohne von einem Veto bedroht zu sein, geb. 1907 jegliches Thema zu erörtern, Fakten zu setzen und Empfehlun• in St Paul, gen hervorzubringen, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu erlangen und moralische Besorgnis zu artikulieren; das Veto• Jurist und Politiker, lebt noch als einziger von jenen sieben Ver• recht blieb auf die Entscheidungen des Sicherheitsrats über die tretern der Vereinigten Staaten, die in San Franzisko die Charta Maßnahmen bei besonders wichtigen Fragen beschränkt. der Vereinten Nationen unterzeichneten, 1936 Präsident der Im Zusammenhang damit kam es zu intensiven Erörterungen Jungen Republikaner Minnesotas, 1938-1945 Gouverneur dieses darüber, inwieweit die Generalversammlung Themen aufgrei• US-Bundesstaates. 1943-1945 Kriegsdienst im Südpazifik. 1955- fen könne; besonders weil es nicht nur die Frage des Vetos im 1958 Sonderbeauftragter des US-Präsidenten (mit Kabinetts• Sicherheitsrat gab, sondern auch die Erörterung über die Be• rang) für Abrüstungsfragen, 1965-1967 Vorsitzender des Weltge• stimmung, daß die Organisation sich nicht in die inneren Ange• setztages. Am Z4.Januar 1985 stellte er in New York seinen Ent• legenheiten von Staaten einmischen darf (Artikel 2, Absatz 7). wurf für eine neue Charta der Vereinten Nationen vor. Es war außerordentlich schwierig, überhaupt eine Übereinkunft Am 24. Oktober 1945 wieder im Aktivdienst im Stab der Dritten darüber zu erzielen, wie eine Angelegenheit >innerer Zuständig• US-Flotte in Tokyo. keit zu definieren sei. Diese Frage wurde schließlich durch die Festlegung gelöst, daß sich die Generalversammlung jeder An• gelegenheit annehmen könne, die »in den Rahmen dieser batten zwischen den Vertretern der damals 50 Nationen stattge• Charta (fällt)« (Art. 10). Wir trafen auch Vorsorge, daß der Si• funden, die an der Konferenz in San Franzisko teilnahmen. cherheitsrat der Generalversammlung hinsichtlich der Ent• Wenige Tage zuvor — die 50 Delegationsleiter saßen an langen scheidung über Maßnahmen in Sachen Weltfrieden und inter• Tischen und hatten den Entwurf der Charta in fünf Sprachen nationale Sicherheit übergeordnet wurde (Art. 11 und 12). Der vor sich: Englisch, Französisch, Russisch, Spanisch und Chine• Kongreßabgeordnete Charles Eaton aus New Jersey war hier• sisch — hatte der Vorsitzende der Konferenz, unser Außenmini• bei besonders aktiv. ster Edward Stettinius, der auch dieser Sitzung präsidierte, gefragt, ob es weitere Ergänzungsvorschläge, Streichungsan• Eines der ersten Themen, die abgehandelt wurden, betraf die träge oder Einwände gebe. Keiner sprach. Nach einer Pause Präambel. Frau Dr. Virginia Gildersleeve aus der Delegation fragte Vorsitzender Stettinius, ob alle zur Abstimmung bereit der Vereinigten Staaten, Dekanin des Barnard College an der seien. Einige Delegationsleiter sagten in ihren jeweiligen Spra• Columbia-Universität, wurde im Zuge der Arbeitsteilung in un• chen: »Stimmen wir ab.« Darauf forderte Stettinius die Dele• serer Delegation mit der Präambel befaßt. Der ursprüngliche gierten, die mit Ja stimmen und die Dokumente unterzeichnen Entwurf, der ihrem Ausschuß zugeleitet worden war, begann wollten, auf, sich zu erheben. Es gab ein Stühlerücken, Delega• mit den Worten »Die Hohen vertragschließenden Parteien kom• tionsleiter erhoben sich zu beiden Seiten der langen Tische, men überein«. Dekanin Gildersleeve ging in die Offensive mit viele sahen sich nach allen Seiten um, und plötzlich erkannte der Forderung, daß die Präambel folgendermaßen beginnen

146 Vereinte Nationen 5-6/85 sollte: »Wir, die Völker der Vereinten Nationen — fest ent• »Admiral, Sie haben uns immer angewiesen, zwei Offiziere zur schlossen, künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu Übernahme bereit zu halten, falls wir getroffen würden. Dies bewahren...«. Die Vertreter der Außenministerien und die habe ich getan und möchte Korvettenkapitän Herbert Carroll Rechtsexperten warfen ein, daß die Völker keine Organisation dafür vorschlagen, meine Verantwortlichkeiten zu überneh• der Vereinten Nationen bilden können. Es müßten die souverä• men«, antwortete ich. nen Regierungen sein, die die Befugnis haben, eine solche Or• »Sehr gut. Sie können gehen. Wenn das vorbei ist, wollen Sie ganisation zu errichten. Deshalb seien die >Hohen vertrag• dann zurückkommen?« schließenden Parteien< der anerkannten Vertragssprache die »Ja, Admiral, das möchte ich.« einzig angemessene Art, wie die Charta beginnen sollte. Deka- »Gut. Das ist ein Befehl«, beschloß der Admiral das Gespräch. nin Gildersleeve beharrte und zeigte sich außerordentlich fest. So kam es, daß ich wenige Tage später bei Präsident Roosevelt Einige von uns, die Juristen waren, wenn auch nicht dem Aus• im Oval Office vorsprach. Als ich eintrat, begrüßte er mich und wärtigen Dienst angehörig, lösten die Frage dadurch, daß diese sagte: »Ich nehme an, Sie sind neugierig, wie ich darauf kam, Formulierung für den Beginn der Charta entwickelt wurde: Sie zu ernennen?« »Wir, die Völker der Vereinten Nationen — fest entschlos• »In der Tat«, antwortete ich. sen ...«, und daß dann am Ende der Präambel erklärt wurde: Präsident Roosevelt fuhr fort: »Ich habe nie die Rede vergessen, »Dementsprechend haben unsere Regierungen durch ihre in der Stadt die Sie beim Gridiron Dinner gehalten haben, worin sie sagten, San Franzisko versammelten Vertreter, deren Vollmachten vorgelegt daß wir in einer Welt leben, daß der Isolationismus tot ist, daß und in guter und gehöriger Form befunden wurden, diese Charta der Sie hoffen, die Führer Ihrer Republikanischen Partei würden Vereinten Nationen angenommen und errichten hiermit eine internatio• dies erkennen und mit dem gewählten Präsidenten zusammen• nale Organisation, die den Namen >Vereinte Nationen< führen soll.« arbeiten; dann wandten Sie sich an mich und sagten: >Und Ein weiterer Bereich, der in die Sackgasse geraten war, war die wenn sie das tun, dann sollten Sie sie zu Partnern Ihrer Außen• Vorsorge für die Völker ohne Selbstregierung. Damals umfaßte politik machen — bei den erfolgreichen Starts ebenso wie bei diese Kategorie viele Kolonien, Mandatsgebiete des ehemaligen den Bauchlandungen<, und die Gäste des Gridiron lachten Völkerbundes und andere Ausgestaltungen von Abhängigkeits• schallend. — Ich möchte, daß es einen erfolgreichen Start für verhältnissen. Dies war einer der Komplexe, für die innerhalb eine Organisation der Vereinten Nationen für den Frieden gibt. der Delegation der Vereinigten Staaten der Kongreßabgeord• Ich habe Senator Vandenberg und den Kongreßabgeordneten nete Sol Bloom und ich verantwortlich waren. Bei dieser Arbeit Eaton ernannt und Sie sind der dritte Republikaner der Delega• wurde ich kompetent unterstützt von einem jungen Beamten des Auswärtigen Dienstes namens Ralph Bunche, dem erfahre• tion.« nen Diplomaten Ben Gehrig und zwei persönlich ausgewählten Wir sprachen dann ziemlich ausführlich über den Krieg und die Assistenten, verwundeten jungen Kriegsteilnehmern (und zu• Bedingungen eines künftigen Friedens. gleich mit Prädikatsexamen ausgestatteten Universitätsabsol• Ich kehrte zu Admiral Halseys Flotte zurück, um die Übergabe venten der internationalen Beziehungen), Cord Meyer jr. und an Carroll zu vollenden und flog dann nach San Franzisko. Am John Thomson. Wir bereiteten schließlich als Arbeitspapier den Tag meiner Ankunft kam die Nachricht, daß Präsident Roose• Entwurf der Teile der Charta über die Treuhandschaft vor, die velt in Warm Springs gestorben war! Der neue Präsident Tru• endlich nach Änderungen und Vervollkommnungen integraler man nahm daraufhin sofort die Wiederernennung derselben Bestandteil der Charta wurden. acht Mitglieder der Delegation der Vereinigten Staaten vor, Nachdem die Frage der Interpretation des Vetos geklärt war, damit sie ihre Arbeit bei der Konferenz der Vereinten Nationen blieb das Thema des Rechts auf Selbstverteidigung und'kollek- fortsetzen konnten. tive Selbstverteidigung, falls ein Veto den Sicherheitsrat daran Neugestaltung der Vereinten Nationen: Reformvorschläge hinderte, gegen einen bewaffneten Angriff vorzugehen. Ein Vor• schlag, den ich schriftlich meiner Delegation unterbreitete, Ich behaupte, daß bei einem objektiven Rückblick auf die letz• wurde schließlich zu Artikel 51. Dieser bestimmt: ten 40 Jahre zuallererst festgehalten werden sollte, daß bis zum »Diese Charta beeinträchtigt im Falle eines bewaffneten Angriffs gegen heutigen Tage das Hauptziel, die Verhinderung des Holocaust ein Mitglied der Vereinten Nationen keineswegs das naturgegebene eines dritten Weltkriegs, erreicht worden ist und daß der Orga• Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung ...« nisation der Vereinten Nationen dafür große Anerkennung ge• bührt. Meiner Ansicht nach wäre der Ausbruch eines dritten Berufung durch Franklin D. Roosevelt Weltkriegs ziemlich sicher gewesen, wenn der Zweite Weltkrieg Meine Teilnahme an dieser Konferenz in San Franzisko hatte beendet worden wäre, ohne daß eine permanente Organisation dramatisch begonnen. Als der Angriff auf Pearl Harbor statt• der Staaten der Welt zustandegekommen wäre. fand, war ich nicht nur ein junger Gouverneur, sondern auch Aber ich meine auch, daß es immer offensichtlicher geworden ein junger Reserveoffizier. Deshalb ließ ich mein Amt als Gou• ist, daß die Vereinigten Staaten nicht nur militärisch stark und verneur ruhen und wurde in den aktiven Dienst zum Stab des wachsam bleiben müssen, sondern daß es überdies von außeror• Admirals Halsey in den Pazifik entsandt. Im Februar 1945, als dentlicher Dringlichkeit ist, daß die Vereinigten Staaten dabei sich der Krieg im Pazifik auf seinem Höhepunkt befand, rief vorangehen, die Vereinten Nationen zu modernisieren, wenn mich Admiral Halsey eines Morgens zu sich, übergab mir ein diese Organisation auch für die nächste Generation — die näch• Geheimtelegramm und fragte: »Harold, wollen Sie das ma• sten 40 Jahre — ihrem wichtigsten Auftrag gerecht werden soll, chen?« nämlich einen dritten Weltkrieg zu verhindern und die Aspira• Es war eine Nachricht, die Präsident Roosevelt auf dem Rück• tionen der Völker zu fördern. weg von Jalta an Admiral Halsey gesandt hatte und in der er Als wir die Charta verfaßten, erwarteten wir, und äußerten dies diesen bat, ihm den Fregattenkapitän Stass^n zu schicken, den auch, daß sie nach 15 oder 20 Jahren auf den neuesten Stand er in die Delegation der Vereinigten Staaten zur geplanten Kon• gebracht werden sollte. Das Wort >Brückenkopf< unterstrich ferenz der Vereinten Nationen in San Franzisko aufnehmen diese Notwendigkeit. In der Charta selbst legten wir auch fest, wollte. Dies kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Im Geiste wie dies geschehen sollte. So fordere ich jetzt dringend, daß hatte ich für die Dauer des Krieges meine Arbeit für den Welt• neue Vereinte Nationen aus den ursprünglichen hervorzugehen frieden hinter mir gelassen, die ich schon als Student an der haben. Dies kann und sollte durch den Prozeß der Annahme Universität von Minnesota begonnen hatte. einer neuen Charta der Vereinten Nationen geschehen. Um die• »Ich würde das sehr gerne tun, Admiral«, antwortete ich. sen Prozeß zu stimulieren, habe ich solch eine neue Charta der »Und wie steht es mit Ihren Pflichten im Stab?«, fragte Admiral Vereinten Nationen verfaßt2 und meinen Entwurf den 159 Re• Halsey. Ich war damals Assistent für Verwaltungsangelegen• gierungen zur Prüfung zugehen lassen. Die Anregungen und heiten des Stabschefs der Flotte. Ergänzungsvorschläge, die ich aus vielen Ländern erhalten

Vereinte Nationen 5-6/85 147 habe, werden in eine zweite Neufassung meines Charta-Ent• trators) anzuwenden wäre, das aus 22 Bevollmächtigten besteht wurfs einfließen. und unter dem Vorsitz des Generalsekretärs zusammentreten Die von mir vorgeschlagene Charta enthält ein neues Inspek• soll. Die Stimmengewichtung würde von 1 000 Stimmen für die tionskorps (Inspection Corps), das die wissenschaftlichen Fort• größten Staaten bis hinunter zu einer Stimme für die kleinsten schritte nutzen soll, um einen Überwachungsdienst zwecks reichen. Die Gewichtung würde unter Berücksichtigung des Wahrung des Friedens im Weltraum (Space Peace Sentinels) Rangs aller 159 Mitglieder gemäß drei Indikatoren erfolgen: und andere hochentwickelte Verifikationsmechanismen, wie sie Bevölkerungszahl, Bruttosozialprodukt und Pro-Kopf-Produk• für die kommenden Jahrzehnte erforderlich sein werden, zu tion. Eine Kombination dieser drei Einstufungen hätte zur Fol• schaffen. Nur durch solch eine realistische Modernisierung ge, daß die Vereinten Nationen die Welt ziemlich realistisch in wird die nächste Generation in den nächsten 40 Jahren eine der eigenen Struktur widerspiegeln würden. vernünftige Chance haben, den Frieden der Sterne und den Des weiteren wäre eine ständige Friedenstruppe der Vereinten Frieden auf Erden zu erleben, und nicht den Sternenkrieg und Nationen von bis zu 250 000 Mann Stärke aufzustellen. Die vor• die Zerstörung auf Erden! rangige Aufgabe dieser Truppe wäre es, den internationalen Sie schlägt ferner eine neue Methode der Stimmengewichtung Terrorismus im Zaum zu halten, die Krisenherde der Welt zu vor, die im neuen Zentralkabinett (Central Cabinet of Adminis• stabilisieren und den Zielen der neuen Charta der Vereinten

Aus dem Stessen-Entwurf

KAPITEL V — DER SICHERHEITSRAT wichtete Stimme eines jeden Mitglieds wird jeweils nach Ablauf einer Frist von zehn Jahren überprüft. Eine solche Überprüfung Artikel 23 richtet sich nach dem vergleichbaren Stand der drei in Artikel 65 Zusammensetzung genannten Faktoren im Jahresdurchschnitt der vorangegange• (1) Der Sicherheitsrat besteht aus neunzehn Mitgliedern der nen fünf Jahre. Über eine solche gewichtete Stimme entscheidet Vereinten Nationen. Brasilien, die Volksrepublik China, die das Zentralkabinett der Bevollmächtigten mit Zweidrittelmehr• Deutsche Demokratische Republik, Deutschland (Bundesrepu• heit. blik), Frankreich, Indien, Japan, die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, das Vereinigte Königreich Großbritannien Artikel 67 und Nordirland sowie die Vereinigten Staaten von Amerika, Die Bevollmächtigten stimmen innerhalb des Zentralkabinetts oder diejenigen dieser Staaten, die Mitglied der Vereinten Natio• mit einer gewichteten Stimme ab, die sich aus der gewichteten nen sind, sind Ständige Mitglieder des Sicherheitsrats. Unter Stimme des Mitgliedstaats oder der Regionalgruppe ergibt, die diesen Ständigen Mitgliedern sind die Vereinigten Staaten von der Bevollmächtigte vertritt. Amerika und die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken Ständige Mitglieder mit Sonderstatus. Die Generalversammlung Artikel 68 wählt gemäß Artikel 66 mit gewichteter Stimme weitere Mitglie• Die Bevollmächtigten werden für einen Zeitraum von fünf Jah• der des Sicherheitsrats, bis die Gesamtzahl neunzehn erreicht ren ernannt. Vor Ablauf dieser Frist werden Vakanzen neu be• ist; hierbei sind folgende Gesichtspunkte besonders zu berück• setzt. Mit der Mehrheit der gewichteten Stimmen der Mitglied• sichtigen: in erster Linie der Beitrag von Mitgliedern der Verein• staaten einer Regionalgruppe kann ein Bevollmächtigter jeder• ten Nationen zur Wahrung des Weltfriedens und der internatio• zeit seines Amtes enthoben und ein Nachfolger ernannt wer• nalen Sicherheit und zur Verwirklichung der sonstigen Ziele der den. Organisation sowie ferner eine angemessene geographische Verteilung der Sitze. Artikel 69 Vorsitzender des Zentralkabinetts der Bevollmächtigten ist der Artikel 27 Generalsekretär. Bei Abwesenheit des Generalsekretärs wählt Abstimmung das Zentralkabinett einen Vorsitzenden aus den eigenen Rei• (1) Jedes Mitglied des Sicherheitsrats hat eine Stimme. hen. (2) Beschlüsse des Sicherheitsrats über Verfahrensfragen bedür• fen der Zustimmung von zehn Mitgliedern. Artikel 70 (3) Beschlüsse des Sicherheitsrats über alle sonstigen Fragen Jeder Bevollmächtigte ernennt zwei Stellvertreter, die bei Abwe• bedürfen der Zustimmung von zwölf Mitgliedern einschließlich senheit des Bevollmächtigten diesen auf Sitzungen des Zentral• der Ständigen Mitglieder mit Sonderstatus und drei Vierteln der kabinetts mit allen Vollmachten vertreten. Stimmübertragung Ständigen Mitglieder, jedoch mit der Maßgabe, daß sich bei Beschlüssen auf Grund des Kapitels IX die Streitparteien der ist unzulässig. Stimme enthalten. Artikel 71 Das Zentralkabinett der Bevollmächtigten übernimmt für die KAPITEL X — Vereinten Nationen die Verwaltungshoheit und Verantwortung in Fragen der Meere, des Meeresbodens und des Weltraums, DAS ZENTRALKABINETT DER BEVOLLMÄCHTIGTEN soweit sie nicht der Jurisdiktion der Mitgliedstaaten unterlie• gen. Artikel 64 Das Zentralkabinett setzt sich aus 22 Bevollmächtigten zusam• Artikel 72 men, die jeweils von einem Mitgliedstaat oder einer Gruppe von Das Zentralkabinett der Bevollmächtigten kann Empfehlungen Mitgliedstaaten ernannt werden und diese repräsentieren, wie zu allen in die Zuständigkeit der Vereinten Nationen fallenden in Anhang B dieser Charta ausgeführt wird. Angelegenheiten aussprechen, darf dabei jedoch nicht andere Organe der Vereinten Nationen übergehen oder in der Aus• Artikel 65 übung ihrer Funktionen behindern. Die Ernennung der Bevollmächtigten, die die jeweiligen Staa• tengruppen vertreten, erfolgt mit gewichteter Stimme der Mit• Artikel 73 gliedstaaten einer Regionalgruppe. Jeder Mitgliedstaat verfügt Das Zentralkabinett der Bevollmächtigten tritt regelmäßig min• zu diesem Zweck über eine gewichtete Stimme, die in Anhang A destens zweimal im Monat am Amtssitz der Vereinten Nationen als Teil dieser Charta aufgeführt ist; sie soll in keinem Fall weni• ger als eine Stimme für den kleinsten Mitgliedstaat und mehr zusammen. als tausend Stimmen für den größten betragen. Die drei Fakto• Artikel 74 ren Bevölkerungszahl, Bruttosozialprodukt und Pro-Kopf-Pro• duktion werden bei der Festsetzung des Stimmengewichts eines Jeder Bevollmächtigte unterhält am Amtssitz der Vereinten Na• jeden Mitglieds gleichermaßen berücksichtigt. tionen ein Büro. Artikel 75 Artikel 66 Das Zentralkabinett der Bevollmächtigten ist für die Festset• Zunächst erfolgt die Gewichtung der Stimmen gemäß den in zung, Verabschiedung und Verwaltung des Haushalts der Ver• Anhang A dieser Charta festgelegten Bestimmungen. Die ge• einten Nationen zuständig.

148 Vereinte Nationen 5-6/85 Nationen zu dienen. Mein Entwurf sieht vor, daß es eine Truppe von Freiwilligen sein sollte, daß ihr weder Soldaten aus den Vereinigten Staaten noch aus der Sowjetunion angehören und daß nicht mehr als 10 vH ihrer Mitglieder aus ein und demsel• ben Land kommen sollten. Mein Entwurf sieht ferner die Ein• führung verbesserter Methoden zur friedlichen Streitbeilegung durch einen neuen Vermittlungsausschuß (World Panel of Me• diators), ein neues Schlichtungsgremium (World Board of Arbi• tration) und ein neues internationales Billigkeitsgericht (World Court of Equity) vor. Der Internationale Gerichtshof würde fort• bestehen. Es würde eine neue Finanzierungsweise geben durch die geringe Abgabe von 1 vH auf die gesamten Ausfuhren und Einfuhren der Welt, wobei je die Hälfte vom exportierenden und vom importierenden Staat zu entrichten wäre. Ich schlage ferner vor, daß der Anfang der Präambel der Charta folgendermaßen auf den neuesten Stand gebracht werden sollte: »WIR, DIE VÖLKER DER WELT — FEST ENTSCHLOSSEN, unser Geschlecht und künftige Geschlechter vor der Geißel eines Weltkriegs zu bewahren, der in diesem Zeitalter der Kernwaffen eine katastrophale Bedrohung der ganzen Menschheit in sich trägt, Bedingungen zu fördern, unter denen sich der Wettstreit der Wirt• schafts-, Gesellschafts- und politischen Systeme ohne Gewalt oder Krieg vollziehen kann, mit Realismus zu friedlichen und kreativen Lösungen von Kontro• versen zwischen den Völkern beizutragen, gewalttätigen Terrorismus zu verringern, der unschuldigen Kin• dern, Frauen und Männern Leid bringt, dem Hunger ein Ende zu setzen, der heute eine tragische Erfahrung vieler Völker ist, Sorge zu tragen für diese Erde und die Umwelt zu schützen gegen die gefährliche Verschmutzung von Luft, Wasser und Land, die friedliche Nutzung des Weltraums zum Wohle der Menschheit zu fördern durch Frieden der Sterne statt Sternenkrieg, den Weg freizugeben für die Chance und Hoffnung auf größere Erfüllung und Lebensfreude für alle Rassen der Menschheit.«

Es wird äußerst schwierig sein, neue Vereinte Nationen zustan• dezubringen. Die Alternative wäre aber die weitere Verschlech• terung des Ansehens und der Effektivität der Vereinten Natio• nen, wachsende Anarchie unter den Nationen, vermehrter Ter• rorismus, die Ausbreitung örtlich begrenzter Kriege und die Zunahme der Gefahr eines mit Kernwaffen ausgefochtenen US-Präsident Harry S. Truman vor der 16.Plenarsitzung der Konferenz von San Franzisko am 25. Juni 1945. — Zu Ehren seines am 12. April verstorbenen dritten Weltkriegs. Vorgängers Franklin Delano Roosevelt griffen die Delegierten dessen Na• Es wird eine Angelegenheit von »uns, dem Volk« (insbesondere mensschöpfung >Vereinte Nationen< auf und wählten sie als Bezeichnung der seiner jungen Generation) der Staaten der Erde sein, diese neuen Organisation. Änderung um der Menschheit in dieser einen Welt willen her• vorzubringen. Denn uns alle eint die Sorge um die nächsten Senator Tom Connally (Demokrat aus Texas), Kongreßabgeordneter Char• 40 Jahre. les A. Eaton (Republikaner aus New York), Kongreßabgeordneter Sol Bloom (Demokrat aus New York), Virginia C. Gildersleeve, Dekanin des Barnard College, und Gouverneur Harold E. Stassen, das mit damals 38 Jahren jüng• ste Delegationsmitglied. Hauptberater der Delegation war Cordell Hull. Anmerkungen The Stassen Draft Charter for a New United Nations to Emerge From the 1 Die Amerikaner, die am Entwurf der Charta mitwirkten und sie seitens der Original, to Serve World Peace and Progress for the Next Forty Years. Re• Vereinigten Staaten unterzeichneten, waren Außenminister Edward R. Stet- vised May 2, 1985, published by The Glenview Foundation, P.O.Box 58609, tinius jr., Senator Arthur H. Vandenberg (Republikaner aus Michigan), Philadelphia, Pa. 19102, Preis: 4,- US-Dollar.

Der Schock kam zwischen beiden UNO-Daten HEINZ BRANDT

Als wir Häftlinge des KZ Buchenwald uns am war. Mir schien meine Zeit gekommen: Inmit• mußte, bevor er seine Lebensmittelkarte er• 11. April 1945 selbst befreiten — unmittelbar ten entsetzlicher Zerstörungsnot galt es ei• hielt, erstmal den Ettersberg ersteigen und vor dem Eintreffen der US-Armee — hatte nen neuen Anfang zu setzen ... über allen Gipfeln unter allen Wipfeln höchst ich für meinen Teil den Weltkrieg Nummer 2 Gleich nach ihrem Einrücken in Weimar — beunruhigende — bisher verdrängte — KZ- gewonnen. Ich fühlte mich auferstanden, vier Wochen vor der bedingungslosen Kapi• Bilder wahrnehmen: die Leichenhaufen der hielt das Grundproblem dieses Jahrhunderts tulation der Hitler-Wehrmacht — hatten die zu Skeletten abgemagerten Buchenwald- für gelöst, glaubte den radikalen Neuaufbau Amis den Einwohnern Demokratie beige• Häftlinge, die hageren anklagenden Gestal• Deutschlands gesichert. Kaum war Berlin ge• bracht, geschenkt und auferlegt. Auf ihre Art, ten der Überlebenden. fallen — mein politischer Wirkungsort — da versteht sich, und nach Siegermanier: Ein In Berlin erschien mir der Magistrat ebenfalls begab ich mich auch schnurstracks dorthin Magistrat wurde gebildet, antifaschistische demokratisch — eben auf russische Sieger• zurück: über die USA/SU-Grenze an der Ausschüsse entstanden spontan, in denen art. Er besaß eine Abteilung OPFER DES FA• Mulde, quer durch die von Flüchtlingstrecks ich mitarbeitete: natürlich alles unter strikter SCHISMUS; dort war ich Pressereferent. und befreiten Hitler-Sklaven vollgestopften US-Kontrolle. Die Besitzverhältnisse wurden Was mich begeisterte, war die beginnende halbzerstörten Straßen. Ich fand eine in sich nicht angetastet, aber die Entnazifizierung Unwälzung der Besitzverhältnisse: Enteig• ging los, und die Umerziehung nahm höchst gesunkene Stadt, eine einheitliche Trümmer• nung der >Kriegsverbrecher<-Konzerne und dramatisch ihren Anfang. Jeder Erwachsene stätte, die noch gänzlich russisch besetzt des unheilvollen ostelbischen Großgrundbe-

Vereinte Nationen 5-6/85 149 24.Oktober (offizielle Geburt durch Inkrafttre• derholt, konnte mein Buchenwald-Schwur ten der Charta) — kam für mich der Schock: doch nur in dem einen Sinne gelten, wie er Die beiden gräßlichen Augusttage, da die nun auch der UNO-Charta entsprach: Nie Atombombe (in zweifacher Ausführung) auf wieder mörderische Despotie, die — weil to• Hiroshima und Nagasaki fiel. Welch abscheu• tal unkontrollierte Willkürherrschaft — den licher, weil auch militärisch unsinniger Mas• Terror im Innern mit kriegerischer Aggres• senmord! Von nun an war menschlicher Zu• sion nach außen verbindet! kunft der Atompilz quer vor den Horizont ge• Was ist dann aber zum Einfall des Sowjet• stellt. imperiums 1968 in die CSSR zu sagen, was Es war ein Schock, der aus dem Westen zum Überfall auf Afghanistan, dem Völker• kam. Erst Jahre danach (1949) erhielt ich den mord dort? Was zu der ständigen knechten• Schock, der aus dem Osten, der aus der den Drohung an das polnische Volk, auch Kälte kam: Stalin machte seinen General• hier nach der neokolonialen, hegemonialen staatsanwalt der Moskauer Schauprozesse, Breschnew-Doktrin zu verfahren? Selbstver• jenen Andrej Wyschinski, den ich mit Freisler ständlich gab es und gibt es auch im >freien< verglich, zum Vertreter des Sowjetimperiums Westen Diktaturen, Barbarei und Kriege, erst bei der UNO. Zugleich wurde bekannt, daß recht in der >Dritten< Welt und in bezie• inzwischen auch die SU das Teufelszeug ge• hungsweise zwischen sogenannten soziali• später in Berlin lebend, war in der Nazi- baut hatte. All ihre betriebsame Anti-Atom• stischen Staaten. Aber in den westlichen Ein- Zeit als Kommunist politisch, als Jude bomben-Propaganda erwies sich als Manö• flußgebieten erwies sich immer auch die De• rassisch verfolgt (1934-1945 Zuchthaus ver, um die eigene fieberhafte Atomrüstung mokratie, das Bestehen auf den bürgerlichen und KZ). Nach dem Krieg in SBZ und zu verschleiern und zugleich die der USA Freiheiten, den Menschenrechten als ge• DDR verschiedene politische Funktio• aufzuhalten. Stalins Parole: (die USA) EIN• wichtiges, einflußreiches, wirkungsvoll-kon- nen, so als Agitprop-Sekretär der SED- HOLEN UND ÜBERHOLEN entpuppte sich trollierendes und zähmendes Element im In• als Wettlauf um die tödlichsten Massenver• Bezirksleitung Berlin. 1958 Flucht in den teressenkonflikt. So etwa war es durch öf• nichtungsmittel. Und nun mit dem atomaren Westen, Redakteur bei der Gewerk• fentlichen demokratischen Druck möglich, Patt — und nach dem Abfall Tito-Jugosla• schaftszeitschrift >metall<. 1961 in Berlin den schmutzigen USA-Krieg in Vietnam zu wiens — sah Stalin die Zeit gekommen, die (West) nach Berlin (Ost) entführt, dort zu stoppen, die Folterregime in Griechenland, Terrorschraube erneut anzuziehen, immer 13 Jahren Haft verurteilt Nach interna• Spanien, Portugal, Brasilien, Argentinien, grausamer, irrationaler — bis sein Tod dem tionalen Protesten 1964 wieder frei. Uruguay zu stürzen, und schon sind die Tage schlimmsten Treiben ein Ende machte (Field- Heute freier Publizist versteht sich als des barbarischen rassistischen Regimes in Prozesse, Folterung der jüdischen Ärzte- undogmatischer, ökologisch orientierter Südafrika gezählt, ebenso wohl auch die des >Verschwörer<, Vorbereitung der Evaku• demokratischer Sozialist. mörderischen Herrn Pinochet. ierung der Juden aus allen Städten nach Bi- Am 24.0ktober 1945 beim Magistrat von Demokratie ist die Voraussetzung ohnehin robidschan und dergleichen). Großberlin angestellt Wie stand es also mit meinem UNO-Bild? fraglicher Zukunft. Niemandem ist gedient, War etwa der Stalinismus durch die Integra• wenn eine >Rechts<-Diktatur in eine >Links<- Sitzes, Boden- und Schulreform. Ich sah die tionskraft der UNO demokratisierbar, nach• Despotie kippt — und umgekehrt. Die UNO >Wurzeln< des Faschismus beseitigt und arg• dem das bösartigste Regime auf Erden in hat meine Jugendträume nicht erfüllt. Sie hat wöhnte keineswegs die Wurzeln der Staats• Gemeinschaftsaktion der Alliierten ausge• das Übel nicht aus der Welt gebracht. Aber sklaverei eingepflanzt. Für mich gehörte das löscht worden war? Ich hatte ja den Stalinis• als Dialog- und Debatte-Forum vor den Au• alles zu unserem naiven Buchenwald- mus zunächst nur für eine korrigierbare, gen der Welt und in aller Öffentlichkeit und Schwur: NIE WIEDER KRIEG; NIE WIEDER Rußlands Rückständigkeit entsprungene durch viele ihrer humangewillten Entschlie• FASCHISMUS! Meine Hochstimmung trüb• ENTARTUNG des Sozialismus gehalten. Da ßungen hat sie zweifellos mildernd, entspan• ten nur die argen Nachrichten über die Ver• sich Gleiches nicht in der Geschichte wie- nend gewirkt — und vielleicht sogar das treibungsverbrechen, die Massenverwalti- Schlimmste (bisher) verhindert. gungen von Frauen durch die russische Sol• dateska und die wilde — zum großen Teil auch sinnlose — Demontage unserer Indu• striereste und ihre Verbringung in ein Land, in dem wir allerdings nur verbrannte Erde hinterlassen hatten. Um so größer war meine Freude über die 10-24-1945: gute Botschaft aus San Franzisko: Nun war RÜDIGER FREIHERR VON WECHMAR also auf Initiative der Anti-Hitler-Koalition eine ORGANISATION DER VEREINTEN NA• Ein Tag in den Rüben TIONEN glücklich verwirklicht, dem Krieg die Am 24.0ktober 1945 war ich mit einem klei• mit den aufgemalten Buchstaben >PW< (pri• Wurzel entzogen, Demokratie und Men• nen Arbeitskommando von Kriegsgefange• soner of war) mußte gereinigt, die nassen schenrechte allüberall von den glorreichen nen mit der Ernte von Zuckerrüben beschäf• Stiefel gesäubert und getrocknet werden, Siegermächten garantiert. Die Berliner Trüm• tigt. Von bewaffneten Wachsoldaten beglei• denn am nächsten Tag ging es wieder hinaus merfrauen schienen mir Symbol dafür, nun tet, waren wir bei Tagesanbruch in einem Ar• zu den Rüben. durch die UNO verkörpert, daß weltweit das meelastwagen aus dem Gefangenenlager Tri• Von der Gründung der Vereinten Nationen Morden Vergangenheit sei. Insbesondere die nidad (Colorado) in den Nachbarstaat Kan• habe ich erst am darauffolgenden arbeits• vortreffliche CHARTA der UNO würde ent• sas geschafft und bei einem Farmer indiani• freien Wochenende erfahren, als wir Zeit und scheidend dazu beitragen, daß sich das Ver• scher Herkunft ausgeladen worden. Der Muße hatten, die inzwischen im Lager einge• sagen des VÖLKERBUNDES zwischen den Bauer zahlte der US Army zehn Cents je gangenen Ausgaben der >Denver Post« und beiden Weltkriegen nicht wiederhole. Arbeitsstunde pro Kopf. Unsere Verpflegung der >New York Times< zu lesen. Wir haben Das total böse totalitäre Regime des indu• bis zur Heimkehr am späten Abend war die Charta, von der >New York Times< im striellen Massenmords an Zivilisten (zu Un• Sache des Farmers. Seine Frau teilte mittags Wortlaut abgedruckt, in unserer Offiziersba• termenschen deklarierten ethnischen Grup• eine warme Suppe aus. Vor der Rückkehr ins racke diskutiert: der österreichische Kunst• pen) und des hochtechnisierten, total raub• Lager gab es Milch und Wurstbrote. maler Professor Dimai, der spätere Inter-Na- mörderisch geführten Welteroberungskrie• Es war ein regennasser Tag. Rübenernte ist tiones-Mitarbeiter Heinrich Geissler, der ges war militärisch zerschmettert worden. schon bei trockenem Wetter kein ausgespro• künftige Pressereferent der deutschen UN- Das erschien mir als Weltgericht — und die chenes Vergnügen. Durchnäßt und mit einem Vertretung in Genf, Carl von Mutius, der spä• UNO als weltrichterlicher Garant für eine hu• anständigen Muskelkater vom stundenlangen tere Bundestagsabgeordnete Rudolf Werner mane Zukunft. Bücken kamen wir bei Dunkelheit in das sta- und viele andere. Zwischen den beiden historischen Daten cheldrahtumwehrte Lager zurück. Wir waren Niemand hat damals geglaubt, daß die Deut• aber — dem 26.Juni (Abschluß der Grün• viel zu müde, um uns noch um Tagesereig• schen jemals Mitglied dieser Organisation dungskonferenz in San Franzisko) und dem nisse zu kümmern. Die Gefangenen-Kleidung werden würden. Niemand konnte auch nur

150 Vereinte Nationen 5-6/85 ahnen, daß wir — wie auch ein zweiter deut• aus Verträgen und anderen Quellen des Völ• scher Staat — einmal Mitglied des Sicher• kerrechts gewahrt werden können« und vor heitsrats werden würden. Unter den gegebe• allem »den sozialen Fortschritt und einen nen Umständen hätte es jeder von uns, die besseren Lebensstandard in größerer Frei• wir dem Ereignis in San Franzisko zumindest heit zu fördern«. Ein Absatz der Präambel geographisch näher als die meisten Deut• enthält auch die Verpflichtung der Völker, schen waren, für vollkommen unmöglich ge• Duldsamkeit zu üben und als gute Nachbarn halten, daß wir gar einmal 35 Jahre später in Frieden miteinander zu leben, ihre Kräfte den Präsidenten einer Generalversammlung zu vereinen, um den Weltfrieden und die in• stellen würden. ternationale Sicherheit zu wahren und zu ge• Damals, Ende Oktober 1945, waren wir mit währleisten, daß Waffengewalt nur noch im der Gegenwart beschäftigt. Und die Gegen• gemeinsamen Interesse angewendet wird, wart hieß: um Nachrichten von den Angehö• und schließlich, internationale Einrichtungen rigen aus dem kriegszerstörten Deutschland in Anspruch zu nehmen, um den wirtschaftli• bangen, die ersten Entscheidungen der Be• chen und sozialen Fortschritt aller Völker zu satzungsmächte daheim aus Zeitung und Rüdiger Freiherr von Wechmar, fördern. Das sind gute Vorsätze, die unsere Rundfunk zu verfolgen, den Tag der eigenen geb. 1923 in Berlin, Herzen labten und vor uns die Vision einer Freilassung und Rückkehr in die Heimat zu nahm ab 1941 als Berufssoldat am Zwei• besseren, fortschrittlicheren Zukunft für die erwarten (was dann noch bis zum Frühjahr ten Weltkrieg teil 1943-1946 Kriegsge• ganze Welt erstehen ließen. 1946 dauerte). fangenschaft in den USA, danach ab• Grundsätze und Ziele der Charte sind unter Die Beschlüsse der Sieger und die idealisti• wechselnd Journalist und Diplomat. 1969 anderem, den Weltfrieden und die internatio• schen Vorstellungen der Väter der UN- zum Stellvertretenden Leiter des Presse- nale Sicherheit zu wahren, freundschaftliche, Charta rückten nicht in den Mittelpunkt unse• und Informationsamts der Bundesregie• auf der Achtung vor dem Grundsatz der rer Gedanken. Es war viel zu sehr deren und rung berufen, 1972 als Staatssekretär Lei• Gleichberechtigung und Selbstbestimmung viel zu wenig unsere Sache. Unsere reale ter des Amts und Regierungssprecher. der Völker beruhende Beziehungen zwi• Welt sah anders aus: Stacheldraht, Wachtür• 1974-1981 Ständiger Vertreter der Bun• schen den Nationen zu entwickeln und eine me, Maschinengewehre der Posten, Zählap• desrepublik Deutschland bei den Verein• internationale Zusammenarbeit herbeizufüh• pelle, Arbeitseinsatz, Warten auf Post. Einem ten Nationen; 1980/81 Präsident der 35. ren, um internationale Probleme wirtschaftli• Zehn-Cent-pro-Stunde-Paria in Gefangenen• UN-Generalversammlung. 1981-1983 Bot• cher, sozialer, kultureller und humanitärer Art kleidung viele tausend Kilometer von Zu• schafter in Rom; seit Dezember 1983 Bot• zu lösen sowie die Achtung vor den Men• hause entfernt fehlte es sicher auch an Phan• schafter in London. Präsidiumsmitglied schenrechten und Grundfreiheiten für alle tasie, sich vorzustellen, daß an jenem 24.Ok• der DGVN. ohne Unterschied der Rasse, des Ge• tober etwas in Gang gesetzt wurde, was je• Am 24,Oktober 1945 Landarbeiter in schlechts, der Sprache oder der Religion zu den einzelnen von uns einmal unmittelbar an• amerikanischer Kriegsgefangenschaft. fördern und zu festigen. Den Vereinten Na• gehen würde. tionen wird die Rolle zugewiesen, ein Zen• trum zu sein, in dem die Bemühungen der Nationen zur Verwirklichung dieser gemein• samen Ziele sich treffen. Ihren Idealen getreu, widmeten die Gründer• väter Kapitel XI (>Erklärung über Hoheitsge• UN-Gründung: biete ohne Selbstregierung<) dem — so frei• lich noch nicht bezeichneten — Problem der TASLIM OLAWALE ELIAS Hoffnung für die Kolonialvölker Entkolonisierung und verpflichteten sich un• ter anderem: Nach der berühmten >Erklärung der Verein• Verwüstungen, die durch Kriegseinwirkung »die Selbstregierung zu entwickeln, die politischen ten Nationen< vom I.Januar 1942 wurde am angerichtet worden waren. Eine der wohl un• 26. Juni 1945 auf der >Konferenz der Verein• angenehmsten Auswirkungen war die tägli• ten Nationen über die Internationale Organi• che Erfahrung der Nahrungsmittelrationie• sation in San Franzisko die Charta der rung. In London, im >Kolonial-Zentrum< am neuen Weltorganisation unterzeichnet. Dies Tavistock-Platz, trafen wir auch andere Stu• geschah knapp neun Monate nach meiner denten aus Kolonialländern und diskutierten Ankunft in Großbritannien. Ich hatte mich zu• häufig über den Krieg und die Zukunft unse• sammen mit etwa 30 Landsleuten, von denen rer Länder, bevor wir wieder an unsere jewei• die meisten später bedeutende Positionen im ligen Aufenthaltsorte zurückkehrten. Justiz-, Rechnungs-, Ingenieur- und Erzie• Rund sechs Monate später, vor dem Hinter• hungswesen sowie im medizinischen und grund der Erfahrungen des Zweiten Welt• politischen Bereich Nigerias erlangen sollten, kriegs, verabschiedeten die Gründerväter die auf dem holländischen Truppentransporter Charta der Vereinten Nationen. Natürlich ent• Siberjack Rotterdam in Lagos eingeschifft. rang sich den Studenten aus den Koloniallän• Die Reise, die von Lagos nach Liverpool im dern ein Seufzer der Erleichterung und sie Normalfall vier Tage dauerte, kostete uns 35 brachen in Erstaunen aus, wie Miranda in Tage, weil wir versuchen mußten, uns vor Shakespeares >Der Sturm<: »Oh wackre einem deutschen U-Boot in Sicherheit zu neue Welt, die solche Bürger trägt!«. Dr. Taslim Olawale Elias, bringen, das uns von der westafrikanischen In ihrer Präambel enthält die Charta Erklärun• geb. 1914 in Lagos, Küste wegjagte — südwestwärts in Richtung gen, die die Entschlossenheit der Völker der war 1960-1972 Justizminister der Bun• Lateinamerika. Dies erfuhren wir, als wir ei• Vereinten Nationen zum Ausdruck bringen, desrepublik Nigeria und 1972-1975 Ober• nige Tage später in Gibraltar ankamen. "künftige Geschlechter vor der Geißel des ster Richter des Landes. 1966-1972 Profes• Das Truppenschiff erreichte Liverpool Krieges zu bewahren, die zweimal zu unse• sor und Dekan der Juristischen Fakultät schließlich am 14.August 1944. Dort waren ren Lebzeiten unsagbares Leid über die der Universität Lagos. 1962-1975 Mitglied schon Vorkehrungen getroffen worden, uns Menschheit gebracht hat«, und die ihren und zeitweise Vorsitzender der Völker• auf unsere verschiedenen Studienorte zu »Glauben an die Grundrechte des Men• rechtskommission der Vereinten Natio• verteilen. Ich war unter den wenigen, die an schen, an Würde und Wert der menschlichen nen. Seit 1976 Richter am Internationa• die Universität Cambridge geschickt wurden. Persönlichkeit, an die Gleichberechtigung len Gerichtshof im Haag; 1979-1982 Vize• Trotz der ferngesteuerten Flugzeuge und der von Mann und Frau sowie von allen Nationen, präsident, 1982-1985 Präsident des Ge• Bombardements, die immer noch anhielten, ob groß oder klein, erneut. . . bekräftigen«. richtshofs. schafften es einige von uns, während der Die Vereinten Nationen gelobten, »Bedin• Am 24,Oktober 1945 Student in Großbri• Weihnachtsferien 1944 London einen Besuch gungen zu schaffen, unter denen Gerechtig• tannien. abzustatten. Dort sahen wir einiges von den keit und die Achtung vor den Verpflichtungen

Vereinte Nationen 5-6/85 151 Bestrebungen dieser Völker gebührend zu berück• nem Treuhandrat (Kapitel XII und XIII der tion (ILO), die Ernährungs- und Landwirt• sichtigen und sie bei der fortschreitenden Entwick• Charta) zu sorgen. Heute gibt es nur noch schaftsorganisation (FAO), die Weltgesund• lung ihrer freien politischen Einrichtungen zu unter• ein Territorium unter Treuhandschaft; die heitsorganisation (WHO) und die Organisa• stützen, und zwar je nach den besonderen Verhält• Kampagne der Vereinten Nationen und ihr tion der Vereinten Nationen für Erziehung, nissen jedes Hoheitsgebiets, seiner Bevölkerung Eintreten für die Sache der Kolonialvölker Wissenschaft und Kultur (UNESCO) auf ihren und deren jeweiliger Entwicklungsstufe«. kann daher als größter Erfolg der Organisa• jeweiligen Spezialgebieten gute Arbeit zur Artikel 73 verpflichtet alle Mitglieder der Ver• tion bis zum heutigen Tage betrachtet wer• Verbesserung der allgemeinen menschlichen einten Nationen, »welche die Verantwortung den. Lebensbedingungen, besonders in der Drit• für die Verwaltung von Hoheitsgebieten ha• Man muß sich in diesem Zusammenhang ten Welt. ben oder übernehmen, deren Völker noch auch ins Gedächtnis rufen, daß, während in Auch jene Bestimmung der Charta im nicht die volle Selbstregierung erreicht ha• der Satzung des Völkerbundes nur eine Rechtswesen darf nicht übersehen werden: ben«, sich zu dem Grundsatz zu bekennen, kurze Bestimmung zu Wirtschaftsfragen ent• die Einrichtung des Internationalen Gerichts• »daß die Interessen der Einwohner dieser halten war, die Charta der Vereinten Nationen hofs als zentrales Rechtsprechungsorgan Hoheitsgebiete Vorrang haben«, und dem voll von solchen Bestimmungen ist, nicht nur der Vereinten Nationen, das die Aufgabe hat, Generalsekretär mit der durch die Rücksicht• zur internationalen wirtschaftlichen und so• Streitigkeiten zwischen den Staaten zu nahme auf Sicherheit und Verfassung gebo• zialen Zusammenarbeit, sondern auch hin• schlichten. Bedauerlich ist die Tatsache, daß tenen Einschränkung zu seiner Unterrich• sichtlich eines Wirtschafts- und Sozialrats, der Gerichtshof nicht annähernd so oft zu tung regelmäßig statistische und sonstige In• und daß dort ein Instrumentarium zur prakti• Rate gezogen wird, wie man dies wünschen formationen technischer Art zu übermitteln. schen Umsetzung der Programme der Ver• könnte. Die Anzahl der Mitgliedstaaten, die Auf diese Weise wurde der höchst ehrgei• einten Nationen zur wirtschaftlichen Koope• die Rechtsprechung des Gerichtshofs als zige und gleichzeitig höchst erfolgreiche Ent- ration geschaffen wurde: bindend anerkennen, liegt immer noch unter 50, verbunden mit zahllosen Vorbehalten und kolonisierungsprozeß in Gang gesetzt, ein »(um) jenen Zustand der Stabilität und Wohlfahrt Bedingungen, die nicht gerade ein gutes Zei• Prozeß, der die Vereinten Nationen von 51 herbeizuführen, der erforderlich ist, damit zwischen chen für die Anerkennung der Autorität des Mitgliedern 1945 auf jetzt 159 Staaten hat den Nationen friedliche und freundschaftliche, auf Gerichtshofs in Ausübung seiner Funktion anwachsen lassen, so daß auf der ganzen der Achtung vor dem Grundsatz der Gleichberech• der rechtlichen Schlichtung sind. Welt nur noch Namibia und einige winzige tigung und Selbstbestimmung der Völker beru• hende Beziehungen herrschen«. Insgesamt gesehen, hat die UNO seit ihrer Inseln hauptsächlich in der Karibik unter die Gründung trotz aller Unzulänglichkeiten ei• Kategorie der Hoheitsgebiete ohne Selbstre• Bedauerlicherweise jedoch sind heute Diskri• nen unübersehbaren Beitrag zu dem nun gierung fallen. Das ist ein bemerkenswerter minierung aufgrund von Rasse oder Ge• vierzig Jahre andauernden Frieden in der Erfolg des menschlichen Geistes und Willens schlecht, Apartheid und Völkermord in vielen Welt geleistet und sie ist, auch wenn viele im Kampf um Gleichberechtigung und Demo• Teilen der Welt noch immer gängig — doch ihrer Mechanismen verbessert werden müß• kratie. nicht, weil sich die Vereinten Nationen etwa ten, die bisher größte Hoffnung für die Als gleichermaßen bedeutsam hat sich die nicht bemüht hätten, sie abzuschaffen. An• Menschheit bei ihrer Suche nach Wohlerge• Erkenntnis der Gründerväter erwiesen, für dererseits leisten die UN-Sonderorganisatio• hen und Gerechtigkeit auf unserer Erde. ein internationales Treuhandsystem unter ei• nen wie die Internationale Arbeitsorganisa•

Die ersten Gehversuche der UNO in den Notizen eines Augenzeugen HANS STEINITZ

Der damals staatenlose jüdische Flüchtling legationen unterzeichnet und anschließend Hans Steinitz sah zu Beginn des Jahres 1945 auch allgemein ratifiziert, so daß vier Monate der Nachkriegswelt, die sich in ihren ersten später, am 24. Oktober 1945, die Organisa• Umrissen abzuzeichnen begann, mit großen tion der Vereinten Nationen offiziell und fei• und innigen Erwartungen entgegen. Aus sei• erlich das Licht der Welt erblicken konnte: nem Geburtsort Berlin vertrieben, war er aus ein Datum, seitdem stets als Tag von Geden• seiner deutschen Heimat (und Heimat seiner ken und Erinnerungen, von Hoffnungen und Väter) durch amtliches Dekret ausgebürgert Versprechungen würdig und festlich began• worden; er war einer fast zweijährigen Haft in gen. den französischen Konzentrationslagern Mein Augenmerk war wie gebannt auf das Gurs und Les Milles schließlich durch nächtli• Werk von San Franzisko und die dort verkün• ches Erklettern der Lagermauer entkommen dete Charta der künftigen Welt gerichtet. Das und gelangte nach ziemlich halsbrecheri• war, worauf ich gewartet hatte und was mir scher Überquerung der Savoyer Alpen ins dort in Aussicht gestellt wurde: die Aussicht, schweizerische Asyl. einmal gleichberechtigtes Mitglied einer welt• In den Arbeitslagern der Schweiz harrte ich weiten Gemeinschaft freier Menschen zu mit ungeduldiger, kaum gezügelter Sehn• Dr. Hans Steinitz, werden, vielleicht sogar mit einem richtigen sucht der Geburt jener versprochenen geb. 1912 in Berlin, eigenen Reisepaß ausgestattet zu werden, Neuen Welt, in der ich nicht mehr nur lästi• emigrierte angesichts des Nazi-Terrors und natürlich auch die Perspektive, dabei ges Objekt polizeilicher Aktenbündel sein zunächst nach Frankreich, wo er (in fran• durchaus meinen Anteil an Bürgerpflichten würde. Bei der Verkündung der Atlantik- zösischer Sprache) seine journalistischen zu übernehmen. Charta durch Roosevelt und Churchill 1941 Anfangserfolge erlebte. 1940 als feindli• Gewiß sah ich auch die drohenden Schatten hatte ich mich noch mit Bangen gefragt, ob cher Ausländer interniert. Nach Flucht in Stalinscher Obstruktion; aber in der Eupho• die dort verheißene >Freiheit von Furcht< die Schweiz dort Asyl. Nach Kriegsende rie jener Tage verlor doch dieses Gefahren• wohl auch für mich gelten würde; aber als im Einwanderung in die USA, als Korre• moment, wenigstens kurzfristig, seine unmit• Herbst 1944 eine erste alliierte Konferenz in spondent für schweizerische und dann telbaren Schreckdimensionen. Freilich ließ dem prächtigen Washingtoner Town House auch deutsche Zeitungen tätig. 1964-1985 bereits das Trauma der aus dem Osten ver• Dumbarton Oaks tagte, gewann die Vision Chefredakteur der New Yorker deutsch• triebenen Deutschen und Volksdeutschen der Nachkriegswelt etwas bestimmtere Kon• sprachigen Zeitung >Aufbau<, die 1934 künftige Ost-West-Spannungen großen und turen. Dann beschleunigte sich das Tempo: von deutsch-jüdischen Emigranten ge• sehr ernsten Stils erkennen. Am 25. April 1945 trat in San Franzisko die gründet worden war. Dennoch: In sehr schneller Folge nahm die Gründungskonferenz zusammen, aus der, Am 24,Oktober 1945 noch >privatinter- kommende >vereinte< Weltorganisation ihre nicht ohne zeitweilige Hindernisse und Ob• nierter Flüchtling< in der Schweiz, als ersten schärferen Konturen an. Auf den nach struktionen, am 26. Juni gleichen Jahres die unbezahlter Halbtags-Hilfsarbeiter am langem Tauziehen erfolgreichen Abschluß Satzung der neuen Weltorganisation hervor• Schweizerischen Sozialarchiv in Zürich. der Gründungskonferenz folgte der offizielle ging, von den teilnehmenden (alliierten) De- Geburtstag der UNO im Oktober und nur we-

152 Vereinte Nationen 5-6/85 nige Wochen später der Zusammentritt der Zusammenarbeit wenigstens in bescheide• ersten General- oder Plenarversammlung, nem Umfang wieder herstellen. Eine erre• am 10. Januar 1946, in London. Es war eine gende Szene aus der Frühzeit der UNO ist konstruktive Session: Der belgische Außen• mir noch in dramatischer Erinnerung: Als am minister Paul-Henri Spaak wurde zum ersten 29. November 1947 die Generalversammlung Präsidenten der Generalversammlung ge• die Teilung Palästinas beschloß, sah ich ei• wählt (sicherlich einer der besten Staatsmän• nen kleinen alten Mann, gebeugt und total ner, die dieses Amt jemals bekleidet haben), erschöpft, müde auf einen Sessel in der der erste Sicherheitsrat wurde gewählt und Wandelhalle sinken, dem körperlichen Zu• trat zusammen, und das zunächst von Beam• sammenbruch nahe, bis ihm jemand mit ei• ten des britischen Foreign Office nebenamt• nem Medikament und Orangensaft wieder zu lich betreute Sekretariat wurde in permanen• Kräften half: Professor Chaim Weizmann, et• tere Bahnen gelenkt, sehr bald unter der Lei• was später zum ersten Staatschef des jun• tung des ehemaligen norwegischen Exilpoliti• gen Staates Israel ausgerufen .. . kers Trygve Lie. Schon vier Wochen später, In jenen frühen Tagen hatte bei der UNO (wie am 14. Februar, vertagte sich das Plenum, um übrigens auch im Außenministerium in Wa• shington) ein — sozusagen — Deutscher dann am 3. September des gleichen Jahres Dr. Robert Muller, großen Seltenheitswert. Auch als noch etwas 1946 zur zweiten Hälfte seiner ersten Ses• geb. 1923 in Weismes (Belgien), später eine kleine Delegation aus der Bun• sion, diesmal schon in New York, inzwischen gehört dem Sekretariat der Vereinten Na• desrepublik Deutschland, geführt von den zur Heimat der Organisation bestimmt, zu• tionen seit der Frühzeit der Organisation Abgeordneten Dr. Gerstenmaier (CDU) und sammenzutreten. an. Unter anderem nahm er die Aufgaben Wehner (SPD), in New York eintraf, um die Für mich war das ein persönlicher höchst des Budgetdirektors, des politischen Be• Organisation am Schicksal der noch festge• dramatischer Wendepunkt in meinem Leben raters der Friedenssicherungstruppe der haltenen deutschen Kriegsgefangenen zu in• und zugleich in meinen nunmehr recht eng Vereinten Nationen auf Zypern und des teressieren, waren diese erstaunt, einen werdenden Beziehungen zur UNO. Ich Leiters der Exekutivbüros der Generalse• deutschen Korrespondenten mit Orts- und konnte in die Vereinigten Staaten einwandern kretäre U Thant und Waldheim wahr. Personalkenntnis anzutreffen, der ihnen inof• Heute Beigeordneter Generalsekretär; und erhielt von einer Gruppe sehr angesehe• fiziell manche Wege ebnen konnte; ich mit der Vorbereitung des 40-Jahre-Jubi• ner Schweizer Tageszeitungen den Auftrag, konnte dann auch der darauf eingesetzten läums der Weltorganisation betraut. als ihr Korrespondent in USA (und bei der kleinen UNO-Kommission, deren Vorsitz ein UNO) zu wirken, mit Wohnsitz in New York. lateinamerikanischer Richter vom Haager In• Am 24. Oktober 1945 Student in Straß• Ich konnte nun die zunächst noch sehr provi• ternationalen Gerichtshof, Dr. Guerrero, in• burg. sorischen Unterkunftsstätten der verschie• nehatte, rein privat einige Hinweise zum denen UN-Organe ständig, gelegentlich so• Thema geben, was ihre Arbeit erleichterte. gar täglich, aufsuchen, ordentlich mit allen Allmählich aber begann das Routineleben ei• Die Vereinten Nationen waren nur eine erste notwendigen journalistischen Akkreditierun• ner schnell gewachsenen Riesenbürokratie Station auf dem Weg. Deshalb empfand ich gen und Ausweisen ausgestattet: Ich saß auf — mit unzähligen Kommissionen und Sub• den Tag des Inkrafttretens der Charta der den Pressetribünen, ich redete in den Wan• Kommissionen, Expertenberichten und Re• Vereinten Nationen nicht als besonders auf• delhallen mit Delegierten, ich erhielt alle er• den zum Fenster hinaus — dem Enthusias• regend. Es war wieder 'mal die gleiche alte betenen Dokumente aus den Händen des mus vieler früher UNO-Befürworter Schaden Geschichte: Die Politiker schufen eine At• Sekretariats; und als wenig später zu meinen zuzufügen. Das Ende von falschen Illusionen trappe, um zu zeigen, daß sie nach all dem schweizerischen Auftraggebern auch die er• ist bestimmt kein Nachteil, aber als in späte• Töten und den Zerstörungen des Zweiten sten, sehr bedeutenden Zeitungen aus West• ren Jahren praktisch nur noch zwei Themen Weltkriegs etwas zu tun gedachten. deutschland hinzutraten, errang ich schnell die Plenarversammlungen und zum Teil auch Doch dann entschied das Schicksal anders. in diesen Gremien internationaler Diplomatie den Sicherheitsrat beschäftigten, Südafrika 1946 sah ich in der Universität Straßburg ein eine gewisse bescheidene und begrenzte und Israel, wurde es schwer, über die Routi• Plakat, auf dem die französische UN-Gesell• Berühmtheit. neprozeduren hinaus den Glauben an welt• schaft dem Studenten, der den besten Essay Das hatte Vorteile wie auch Nachteile. Der weite Moralgesetze intakt zu bewahren. Den• über das Thema >Weltregierung< abliefern >kalte Krieg< und wenig später der Korea- noch kann die Erinnerung an den berau• würde, einen Preis versprach. Ich schrieb Konflikt nahm mir den Rest meiner naiven schenden Wein jener Tage von San Fran• den Aufsatz, gewann den Preis und kam so Wunschträume, aber die Realitäten kleiner zisko nicht ganz verschwinden; sie ist und als Praktikant zu den Vereinten Nationen, Erfolge, etwa das Weltkinderhilfswerk oder bleibt unvergänglicher Bestandteil der Welt• 1947 nach Genf und 1948 nach New York. die Weltgesundheitsorganisation, konnten geschichte unseres Jahrhunderts. Mir wurde angeboten, als UN-Bediensteter mein Vertrauen in den Wert internationaler dort zu bleiben. Zweimal verließ ich die Ver• einten Nationen und versuchte, meine frühe• ren Vorhaben zu verwirklichen: 1949 mißlang der Versuch, eine Professur an der Universi• tät Straßburg zu erhalten, 1951 der, in die französische Nationalversammlung gewählt Von der Skepsis zur Mitwirkung ROBERT MULLER zu werden. Ich kehrte zu den Vereinten Na• tionen zurück — hauptsächlich, um eine chi• lenische UN-Praktikantin zu heiraten, die ich Am 24. Oktober 1945 studierte ich an der mindestens ebenso wichtig wie die der Indi• 1948 kennengelernt hatte. Ich heiratete sie Universität Straßburg Jura. Ich war damals 22 viduen. Mein Vater hielt mich für verrückt. also — und die Vereinten Nationen —; bei• Jahre alt. In den Jahren davor, als meine Hei• Meine Absicht war, Jura zu studieren, mich den Ehen bin ich treu geblieben. matstadt evakuiert worden war (1938 und um eine Völkerrechts-Professur in Straßburg Nach einer abwechslungsreichen Laufbahn 1939/40), hatte ich zweimal fliehen müssen. zu bemühen, als Delegierter an den Ver• in vielerlei Aufgabenbereichen und Positio• Ich war auch im Gefängnis. Um nicht zur sammlungen der Vereinten Nationen teilzu• nen, nachdem ich die Leiter von der Ein• deutschen Wehrmacht eingezogen zu wer• nehmen und in die Politik zu gehen. Ich gangsstufe des höheren Dienstes der Ver• den, floh ich nach Frankreich. Ich kämpfte im dachte, daß die Vereinten Nationen sich als einten Nationen bis zum Beigeordneten Ge- französischen Untergrund. Ich sah unglaubli• genauso schwach erweisen würden wie der neralseketär erklommen und in den letzten che Greueltaten zwischen zwei hochzivilisier• Völkerbund und auch auf gleiche Weise en• fünfzehn Jahren mit drei Generalsekretären ten Völkern. Mein Vater wurde ins Gefängnis den würden. Was meiner Ansicht nach ge• direkt zusammen gearbeitet habe, stehe ich geworfen. Meine Vettern kämpften in franzö• braucht wurde, war eine Weltregierung, ein nun vor dem Abschluß einer langen und fas• sischer und in deutscher Uniform. Als der weltweites föderatives System, mit einer ein• zinierenden 37jährigen Tätigkeit bei den Ver• Krieg vorbei war, entschloß ich mich, statt, zigen — nicht auf souveräne Einzelstaaten einten Nationen. Und als wenn man dies wie ich ursprünglich vorhatte, Arzt zu wer• verteilten — Autorität an der Spitze. Es gab hätte hervorheben wollen, wurde ich mit der den, für den Frieden zu arbeiten, denn die nur eine Möglichkeit, dies zu erreichen: von Vorbereitung des 40jährigen Jubiläums der Heilung der Völker erschien mir mittlerweile innen, ausgehend von der nationalen Politik. Organisation betraut. Für meinen ursprüngli-

Vereinte Nationen 5-6/85 153 chen Unglauben und meine Zweifel hätten gravierende wie die Suez- und die Kuba-Kri• res und von wechselseitiger Abhängigkeit die Vereinten Nationen nicht besser Rache se. In vielen Bereichen wurde das Vergan• gekennzeichnetes Zeitalter bei. Ich glaube, nehmen können! gene bewahrt; Vorsorge für die Zukunft daß uns die Vereinten Nationen erhalten blei• Nun, was ist mein Resümee nach all den Jah• wurde getroffen. Die Vereinten Nationen fun• ben werden und daß, wenn die Nationen ver• ren? Habe ich etwas Nützliches für den Frie• gierten als Mahner und halfen der Welt dabei, nünftigen Gebrauch von ihnen machen, sie den leisten können? Das ist eine lange Ge• den Schock der ersten weltweiten Krisen — sich eines Tages als ein neues Paradigma schichte, die ich jetzt, da ich das Alter der Bevölkerung, Umwelt, Energie, Wasserver• herauskristallisieren werden, als ein Wende• Bilanzierung erreicht habe, gerade begonnen sorgung, Behausung — zu verarbeiten. Die punkt in der menschlichen Geschichte und habe, in mündlicher und schriftlicher Form zu Vereinten Nationen stellten den Entwurf und Evolution. erzählen. die Ethik für den Frieden, die Harmonie und • Wäre ich ein junger Mann, ließe ich die Zu meinem Erstaunen haben die Vereinten die bessere Welt von morgen bereit. Alten ruhig an ihren evolutionären, pragmati• Nationen überlebt, und es geht ihnen besser Und dennoch verdient die Menschheit immer schen, auf Anpassung bedachten Ansatz als das erste Mal, als ich mit ihnen 1948 in noch eine der schlechtesten Noten im Uni• glauben. Ich würde sie auch unterstützen. Lake Success zusammentraf. Sie haben eine versum für den Umgang mit ihrem Planeten. Ich würde Mitglied in UN-Gesellschaften und unglaubliche Periode menschlicher Umwäl• Verglichen mit heute war die Rüstung 1945 Nichtregierungsorganisationen werden, um unbedeutend. Zwischen ausgewachsenen zungen, Veränderungen, aber auch Annähe• die Erfolgschancen der Vereinten Nationen sogenannten Großmächten und heranwach• rung überdauert, wahrscheinlich die unglaub• zu verbessern. Doch zugleich würde ich für senden kleineren Mächten werden weiterhin lichste, die ein Planet jemals durchgemacht ein ganz neues Gesicht unseres Planeten, überholte und überflüssige Konflikte und hat. Dutzende von Weltkriegen hätten wäh• eine neue Philosophie, Ideologie, Politik und Streitigkeiten ausgetragen. Statt daß wir die• rend der letzten vierzig Jahre ausbrechen Verwaltung kämpfen. Ich würde für eine Welt• sen wunderschönen Planeten, der mit so vie• können. Die Vereinten Nationen sind zur regierung, für den Weltföderalismus kämpfen len wunderbaren Formen des Lebens ausge• Welt-Organisation geworden. Wir hatten ge• — die einzigen Möglichkeiten, dem Wettrü• stattet ist, zu einem Paradestück im Univer• glaubt, daß die Entkolonisierung 100 bis 150 sten und der erschütternden Mißwirtschaft sum machen, mißbrauchen wir ihn, gefähr• Jahre dauern würde, und nun ist sie prak• im Umgang mit diesem Planeten zu entrin• den ihn und beschädigen ihn nachhaltig. Die tisch schon abgeschlossen. Die einst be• nen. Ich würde versuchen, die Phantasie- falsche Verwendung der und der falsche Um• und Ideenlosigkeit wettzumachen, durch die siegten Mächte wurden in die Vereinten Na• gang mit den Ressourcen auf unserem Pla• tionen aufgenommen. Die neuen, sich ent• neten ist einfach haarsträubend. sich die politischen Führer seit 1945 aus• wickelnden Länder schlossen sich der inter• Meine Schlußfolgerungen sind diese: zeichneten — bis auf Robert Schuman, den nationalen Gemeinschaft an, ohne daß es ei• • Als alter Mann bin ich darüber erstaunt, Vater des immer noch nicht verwirklichten ner Revolution bedurft hätte. 32 Sonderorga• daß wir keinen weiteren Weltkrieg erleben Vereinten Europa. nisationen und Programme wurden geschaf• mußten und daß ich immer noch am Leben Und da mein Leben noch nicht zu Ende ist, fen, die sich mit allem nur Vorstellbaren be• bin. Ich glaube, die Vereinten Nationen haben möchte ich jetzt zu den Träumen meiner Ju• schäftigten: vom Weltraum bis hin zur Kern• sich recht wacker geschlagen, wenn man die gend zurückkehren und den jungen Leuten kraft, von der Atmosphäre bis zum Meeres• unglaublichen Zwänge und Umstände be• von heute dabei helfen, eine neue Gestalt, boden, von der Weltbevölkerung bis zu den rücksichtigt, denen sie ausgesetzt waren. Philosophie, Ideologie, Geistigkeit, Politik Menschenrechten des einzelnen. Zum ersten Bei ihrer Entstehung noch eine der schwäch• und Verwaltung für diesen Planeten durchzu• Mal in der Geschichte der Menschheit wur• sten Organisationen, die der menschliche setzen. Der Anfang ist gemacht. Schon wer• den Statistiken und Informationen weltweit Geist je ersonnen hat, tragen sie nun zum den meine ersten Schriften von Jugendlichen erstellt und verbreitet. Mehr als hundert Kon• Eintritt der Menschheit in ein neues, besse• gelesen, übersetzt in mehrere Sprachen. flikte wurden gelöst, darunter einige sehr Mehr wird folgen.

Möglichketten und Grenzen der Internationalen Organisation

ERNST-OTTO CZEMPIEL

Der 40. Jahrestag der Gründung der Vereinten Nationen bietet den Anlaß, auch über die politische Wirkung dieser Internatio• nalen Organisation nachzudenken. Friede hatte 1945 ihren Hauptzweck abgegeben; er ist einerseits durch die Schwierig• keiten, die sich seiner Verwirklichung entgegenstellten, und an• dererseits durch die neuen Aufgaben, insbesondere auf dem Gebiet der Entwicklungspolitik, vom Podest etwas verdrängt worden. Vermutlich ist gerade aus diesem Grunde die Diskus• sion um die friedenssichernde Funktion der Vereinten Natio• nen praktisch zum Erliegen gekommen. Dies ist ein Grund mehr, diesen Diskurs jetzt wieder neu zu beginnen. Er soll die anderen, wichtigen Aufgaben der Vereinten Nationen keines• wegs verdrängen, sondern lediglich das Bewußtsein wieder her• stellen, daß die Vereinten Nationen als universale Internatio• nale Organisation in erster Linie gegründet worden waren, um den Krieg endgültig abzuschaffen und den Frieden auf der Welt erlebte in seinem Geburtsort den Krieg unter anderem als Luft• zu wahren. Der Beitrag versucht, einige Überlegungen zu dieser waffenhelfer mit. Später Studium der Neueren Geschichte, An• Aufgabe der Vereinten Nationen zu entwickeln1. glistik und Philosophie in Berlin und Mainz. 1965/66 Gastfor• scher an der Columbia-Universität in New York. 1966-1970 Pro• fessor für Internationale Politik und Außenpolitik in Marburg; MÄCHTEKONZERT ODER 1970 Berufung nach Frankfurt Seit 1970 Forschungsgruppenlei• GEMEINSCHAFT GLEICHBERECHTIGTER ter an der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktfor• Zunächst muß gefragt werden, welche Konflikt- und Kriegsur• schung (HSFK). sachen eine Internationale Organisation überhaupt beseitigen Am 24. Oktober 1945 als Schulhelfer Beteiligung am Wiederauf• könnte. Diese Ursachen sind nicht nur vielfältig, sondern vor bau Berlins. allem auch ungleichartig. Sie entstehen aus ganz unterschiedli-

154 Vereinte Nationen 5-6/85 chen Faktorenverbindungen, von denen sich zumindest drei un• tungsgemäß im Krim-Krieg, in dem Rußland gezwungen wurde, terscheiden lassen: außenpolitische Interessen und deren in• die Donau-Fürstentümer wieder herauszugeben. strumenteile Umsetzung; Struktureigenschaften der Staaten, Diese Konstruktion unterschied sich also ganz deutlich von der vor allem ihr Herrschafts- und Wirtschaftssystem; die Struktur der Internationalen Organisation, in der das Prinzip der Gleich• des internationalen Systems, vor allem dessen Offenheit, die heit für alle gegolten hatte. Das Mächtekonzert verwirklichte ganz bestimmte Konfliktursachen, beispielsweise das Sicher• ein Zwei-Klassen-Konzept, das Gleichheit und Konsens nur für heitsdilemma, produziert und die auch bewirkt, daß aus der die Großmächte reservierte und die kleineren in die von den Interaktion zwischen den Akteuren Konflikte entstehen, die großen Mächten geschaffene Ordnung einfügte. Diese Organi• von keiner Seite beabsichtigt waren. Rüstungswettläufe kön• sation konnte nur funktionieren, solange unter den Großmäch• nen, beispielsweise, hier genannt werden. Es ist evident, daß die ten Einigkeit und praktisch Einstimmigkeit herrschte. Kam es Internationale Organisation, insofern sie Interaktion aller Staa• unter ihnen zu militärischen Auseinandersetzungen, so konn• ten organisiert, nur auf den dritten Satz der Konfliktursachen ten sich zwar Koalitionen bilden, konnte der Aggressor durch einwirken kann: auf den, der aus der Struktur des internationa• die vereinigte militärische und politische Macht der anderen len Systems entsteht. Nur ihn können die Vereinten Nationen zurückgedrängt werden. Dann war aber, weil die militärische beeinflussen — und es ist wichtig, diese Einschränkung zu beto• Gewalt herrschte oder doch zumindest angedroht wurde, der nen. Läßt man sie außer acht, werden die Möglichkeiten und Zweck der Internationalen Organisation bereits verfehlt wor• Grenzen einer Internationalen Organisation von vornherein den; sie hatte versagt. Zumindest konnte sie bei den Staaten, falsch eingeschätzt. von denen die größte Gewaltanwendung zu erwarten war, nicht Es ist interessant, darauf zu verweisen, daß fast alle Pläne zu funktionieren. einer Internationalen Organisation diese Einschränkung, wenn auch unreflektiert, beachtet haben. Besonders der berühmt ge• DIE APORIE: KONSENS ODER ZWANG wordene Plan einer Internationalen Organisation des Abbe de Saint-Pierre, dessen erste Fassung 1711 vorgelegt wurde, ver• Völkerbund und Vereinte Nationen haben 1919 und 1945 dieses suchte, diese Struktur des internationalen Systems zu beein• Konzept der kollektiven Sicherheit und nicht das ursprüngliche flussen, indem er die Besitzstandgarantie in den Mittelpunkt der Internationalen Organisation verwirklicht. Die Aufrechter• seiner im übrigen schon sehr weit ausgestalteten Internationa• haltung des Friedens wurde in beiden Fällen, in den Vereinten len Organisation stellte2. Es ist nicht übertrieben zu sagen, daß Nationen sehr viel konsequenter als im Völkerbund, den Groß• der Völkerbund von 1919, der zum ersten Mal den Gedanken mächten anvertraut. Die Vereinten Nationen gaben ihnen im einer politischen Internationalen Organisation in die Realität Kapitel VII der Charta (>Maßnahmen bei Bedrohung oder umsetzte, viele Bauelemente aufwies, die denen des Abbe ähn• Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen<) die Zwangs• lich waren. mittel in die Hand, mit denen Aggressionen kleinerer Staaten Allerdings veränderte der Völkerbund die Funktionszuweisung. und Kriege zwischen ihnen verhindert werden konnten. An die Er folgte damit nicht den Konzepten, die in der klassischen Stelle des Konsenses aller war die Möglichkeit des Oktroys der Periode für eine Internationale Organisation entwickelt worden wenigen getreten. Natürlich war man sich darüber im klaren, waren; der Völkerbund griff vielmehr zurück auf Verfahrens• daß der Konsens der Großmächte einerseits entscheidend, an• weisen und Praktiken, die das europäische Mächtekonzert des dererseits schwer herzustellen war. Die in Jalta entwickelte 19.Jahrhunderts beherrscht hatten. So entstand das Konzept Formel für die Abstimmungen im Sicherheitsrat nahm darauf der Kollektiven Sicherheit; aber es war nur dem Anschein Rücksicht, daß der Konsens dieser Großmächte entscheidend nach identisch mit dem der Internationalen Organisation, wie blieb. Stimmte eine von ihnen gegen einen Beschluß, so kam er es im 18. Jahrhundert entwickelt und im 19. diskutiert worden nicht zustande, konnte er nicht ausgeführt werden. Dieser Zu• war. stand trat in den Vereinten Nationen alsbald ein. Mit dem Der Unterschied ist dennoch deutlich zu sehen, und er ist sehr Beginn des Ost-West-Konflikts zerfiel der Konsens. Die prakti• wichtig. Das klassische Konzept der Internationalen Organisa• sche Neutralisierung der Vereinten Nationen als Friedenssiche• tion beruhte auf der gemeinsamen Verabredung gleicher Staa• rungsorganisation war 1947 deutlich zu sehen. Sie legte die ten, sich gegenseitig den Besitzstand zu garantieren und damit Organisation bis 1954 politisch lahm und verhinderte auch da• die Struktur des internationalen Systems zu verändern. Seine nach, daß die UNO in der geplanten Weise funktionieren konn• prinzipielle Offenheit wurde abgeschwächt: In dem zentralen te. Punkt, der Sicherheit, sollte Gewißheit darüber herrschen, daß Die Vereinten Nationen machten damit die gleichen Erfahrun• kein Staat den anderen angreift, und daß dieser Wandel in der gen wie das Mächtekonzert nach 1815. Sie sind unvermeidlich, Qualität der Interaktion auf die Aktion und die Interessen der weil sie im System der kollektiven Sicherheit angelegt sind. Akteure zurückwirken und einen der wichtigsten Kriegsanlässe Immer wieder ist darauf hingewiesen worden, daß dieses Si• beseitigen würde. cherheitssystem einen fundamentalen Widerspruch aufweist. Das Mächtekonzert des 19. Jahrhunderts beruhte nur teilweise Seine beiden Funktionsprinzipien — Übereinstimmung und Er• auf dem gleichen Grundsatz; es reservierte seine Wirkung für zwingung — schließen sich gegenseitig aus3. Dies gilt jedenfalls die damaligen Großmächte. Ihrem Konsens wurden die kleine• für den Bereich der Großmächte, wo der Konsens entscheidend ren und die schwächeren Staaten — beispielsweise die Türkei, ist. Entweder stimmen sie untereinander überein, dann bedarf der >kranke Mann am Bosporus< — untergeordnet, für sie be• es nicht der Erzwingung. Sind diese Großmächte aber nicht >in deutete das Mächtekonzert praktisch ein Großmächte-Diktat. concert<, dann ist das System arbeitsunfähig, können Gewalt• Sollte einer der kleineren Staaten eine Aggression versuchen, maßnahmen nicht getroffen werden, und zwar nicht einmal so würde er durch dieses Diktat davon abgehalten werden kön• gegen kleinere Staaten. Hier ließ sich die Funktionsuntüchtig- nen. Unter den Großmächten selbst wiederum herrschte das keit der Internationalen Organisation zwar noch etwas ver• Prinzip der Gleichheit. Man war sich sehr wohl darüber im kla• schleiern, ließ sich der Dissens der Großmächte über eine ge• ren, daß keine Großmacht gegen ihren Willen von einer Aggres• schickte Handhabung der Entscheidungsprozesse so kanalisie• sion abgehalten oder zu einer bestimmten Politik gezwungen ren, daß die Organisation eine begrenzte Handlungsfähigkeit werden könnte. Beeinflussung war möglich, und sie konnte ver• behielt. Die Friedenssicherungsaktion am Suez-Kanal 1956 und schiedene Grade annehmen. Zwang aber war ausgeschlossen, das knapp vier Jahre später erfolgte Eingreifen im Kongo zei• weil er das Mächtekonzert zerstören, in die erforderliche Har• gen die Möglichkeiten und die Grenzen eines solchen Verfah• monie eine gravierende Dissonanz einbringen würde. Mit die• rens. Trat aber, wie es im Ost-West-Konflikt der Fall war, der ser Konstruktion hatte das europäische Mächtekonzert in den Dissens zwischen den Großmächten selbst auf, griff eine von Jahrzehnten nach 1815 gut funktioniert. Es zerbrach erwar• ihnen zur Gewalt oder zu deren Androhung, dann war das

Vereinte Nationen 5-6/85 155 System gescheitert. Diese Erfahrung hatte schon der Völker• ses Prinzip mit der >Uniting-for-peace<-Resolution5 noch einmal bund mit Deutschland machen müssen; die Vereinten Nationen auf eine Basis gestellt, die auch die Generalversammlung mit machten sie erneut angesichts der von der Sowjetunion betrie• einschloß. Unter der Leitung des Generalsekretärs Dag Ham- benen Politik. Der in den Verfahrensprinzipien der kollektiven marskjöld ging die Weltorganisation aber alsbald daran, sich Sicherheit angelegte fundamentale Widerspruch ließ sich nicht nach neuen Verfahren der Friedenssicherung umzusehen. 1956 beseitigen. entwickelten sie dafür das System der Friedenssicherungsmaß• Die Betonung der Rolle der Großmächte, die der Völkerbund nahmen, des >peace-keeping<. Dessen Einsatz und Problematik und die Vereinten Nationen der Praxis des europäischen Mäch• brauchen hier nicht dargestellt zu werden6. Es genügt darauf tekonzertes nachgebildet hatten, zeigte also begrenzten frie• hinzuweisen, daß die Vereinten Nationen ihre Verfahrensprin• densstrategischen Wert. Sicherlich war diese Konstruktion, und zipien mit der Entwicklung des >peace-keeping<-Konzepts von das muß zu ihren Gunsten festgestellt werden, sehr viel politik• der Erzwingung auf den Konsens umgestellt haben. Das Cha• näher als es die klassischen Konzepte der Internationalen Or• rakteristikum derartiger >Friedenssicherung< lag in der Zustim• ganisation gewesen waren. Aus diesem Grunde wurden diese mung aller Beteiligten als Voraussetzung für die Anwendung auch nicht verwirklicht, blieben sie auf dem Papier. Das euro• dieses Verfahrens. Hier kehrt also das Konsensprinzip wieder, päische Mächtekonzert hingegen funktionierte, jedenfalls für das das klassische Konzept der Internationalen Organisation einen längeren Zeitraum. Es bot sich auch an aufgrund der gekennzeichnet hatte, und es ist bemerkenswert, daß nicht nur Logik der politischen Macht. Sie kann nur von denen ausgeübt die Zustimmung der Großmächte, sondern gerade auch die der werden, die über sie verfügen; das sind nun einmal die Groß• kleineren Staaten zur Grundlage dieses neuen Konzepts der mächte. Würde es ihnen gelingen, Kriege auch nur zwischen Friedenssicherung gemacht wurde. Zu fragen ist, ob diese Re• den Nicht-Großmächten zu verhindern, so enthielte dies eine naissance des Konsensprinzips nicht auch fruchtbar gemacht beträchtliche geschichtliche Leistung. werden kann für ein neues Verständnis der Wirkungsweise der Diese Überlegung klingt plausibel, sie ist aber ihrerseits reali• Internationalen Organisation allgemein. tätsfern, weil sie voraussetzt, daß die Großmächte an den Kon• Von der politischen Logik her ist diese Schlußfolgerung zwin• flikten kleinerer Staaten nicht interessiert sind. Dies war schon gend. Wenn der Gewaltverzicht der souveränen Staaten nicht im 19. Jahrhundert nicht der Fall. In dem Maße, in dem sich die erzwungen werden kann, kann er nur im Konsens hergestellt internationale Politik globalisierte und im Laufe dieses Prozes• werden. Sieht man die Internationale Organisation unter die• ses die Interessen vor allem der beiden Supermächte weltweit sem Aspekt an, so zeigt sich, daß sie wie kein anderes Instru• wurden, entfiel die Voraussetzung zunehmend. Auf der univer• ment geeignet ist, diese Übereinstimmung — wenn auch nur salen Ebene der Vereinten Nationen zeigten sich damit die langsam und bruchstückhaft — zu erzeugen. Indem die Interna• gleichen Erscheinungen, die das Mächtekonzert des 19.Jahr• tionale Organisation die Zusammenarbeit der souveränen Staa• hunderts aufgewiesen hatte. ten organisiert und institutionalisiert, bewirkt sie genau das, Die beiden Verwirklichungen des Konzeptes der kollektiven was das klassische Konzept der Internationalen Organisation Sicherheit, die im Völkerbund und in den Vereinten Nationen von ihr erwartet hatte: eine Veränderung des Kontexts des versucht wurden, belegen damit noch einmal, daß diesem An• internationalen Systems. Es büßt einen Teil seiner Offenheit satz kein Erfolg für die dauernde Sicherung des Friedens be• ein; an die Stelle vollkommener Unsicherheit tritt ein Stück schieden sein kann. Die Begrifflichkeit des Systems der kollek• Überschaubarkeit und damit auch Sicherheit. Staaten, die in tiven Sicherheit verhüllt nur, daß es einen Konsens der Groß• einer Internationalen Organisation kontinuierlich zusammen• mächte voraussetzt, der weltweit auf absehbare Zeit nicht gege• arbeiten, stehen sich nicht mehr fremd und undurchschaubar ben ist. Ein solcher Konsens ist regional anzutreffen, davon pro• gegenüber; sie lernen sich in der Kooperation kennen; der stän• fitiert die Europäische Gemeinschaft. Sie enthält zwar kein Sy• dige Umgang der Diplomaten und Politiker miteinander führt stem kollektiver Sicherheit, bedarf seiner auch nicht, weil zwi• wechselseitig zu besserem Verständnis und zu genauerer Ein• schen diesen europäischen Staaten die Sicherheit längst ge• schätzung. Die Kooperation im Rahmen einer Internationalen währleistet und durch höhere Formen der Zusammenarbeit er• Organisation verändert das internationale System und damit gänzt worden ist. Unter friedensstrategischem Aspekt stellen auch den Rahmen der auswärtigen Politik. sich der Europäischen Gemeinschaft daher ganz andere Aufga• Die Kooperation vermindert nicht die Konflikte — diesem mög• ben als der Weltorganisation. Sie allein steht vor dem Problem, lichen Mißverständnis muß von vornherein vorgebeugt werden. Strategien des Friedens zu erarbeiten, nachdem die der kollek• Es kann sogar sein, daß die größere Nähe die Zahl der Konflikte tiven Sicherheit sich theoretisch wie praktisch-empirisch als vermehrt. Die Kooperation wirkt auf den Austrag der Konflikte nicht tauglich gezeigt haben. ein, insofern zwei wichtige Voraussetzungen der Gewaltanwen• dung, nämlich die allgemeine Ungewißheit und die Unkenntnis des Gegners, entfallen. Damit sind selbstverständlich nicht alle KOOPERATION UND KONFLIKT Anlässe zur Gewaltanwendung beseitigt, aber immerhin zwei. Damit muß nun keineswegs das Konzept der Internationalen Ein Konflikt zwischen Staaten, die Mitglieder in einer Interna• Organisation insgesamt zu den Akten gelegt werden. Wenn sich tionalen Organisation sind, dort zusammenarbeiten und auch die Verfahrensprinzipien der kollektiven Sicherheit als un• ihren Konflikt innerhalb dieser Organisation auszutragen ver• brauchbar erwiesen haben, muß das gleiche nicht für das Ge• suchen, erhält von daher also bedeutende und wirksame An• samtkonzept einer Internationalen Organisation gelten. Schon reize zur Gewaltverminderung. Die Kooperation in einer Inter• zur Völkerbundszeit gab es einen wissenschaftlichen Disput nationalen Organisation ist imstande, jenen Konsens über den darüber, ob die gewaltsame Sanktion überhaupt ein geeignetes Gewaltverzicht zu erzeugen, der die Grundlage des Friedens

Mittel der Friedenssicherung sein könne4. Es kommt also dar• und das Telos der Internationalen Organisation abgibt. auf an, das Konzept der Internationalen Organisation darauf• Natürlich ist die Wirkung dieses Faktors der Kooperation nur hin zu untersuchen, ob in seinen früheren Entwürfen, ob im klein. Er verändert nur einen Parameter internationaler Kon• Entwurf insgesamt nicht noch andere, ebenfalls realistische flikte, nämlich die Struktur des internationalen Systems. Das und dennoch wirksame Strategien zur Friedenssicherung ent• ist, gemessen am Ziel des Friedens, nicht sehr viel. Es ist, halten sind. gemessen am Leistungsvermögen der Internationalen Organi• In gewisser Weise haben die Vereinten Nationen selbst sich sation, beträchtlich. Sie vermag nicht das Friedensproblem ins• diese Aufgabe gestellt, nachdem bei den Entscheidungen über gesamt zu lösen, sondern lediglich einen Teil dazu beizusteuern, den Einsatz einer Truppe unter der Fahne der Vereinten Natio• eben die Veränderung des internationalen Systems. Sie tritt ein nen im Korea-Krieg das System der kollektiven Sicherheit sich in dem Maße, in dem es gelingt, über die Kooperation den Kon• desavouiert hatte. Die Vereinten Nationen hatten zwar 1950 die• sens über den Gewaltverzicht zu stimulieren.

156 Vereinte Nationen 5-6/85 Natürlich bleibt diese Wirkung der Internationalen Organisa• zwingungskonzept der Vereinten Nationen nicht behauptet tion weit hinter den Erwartungen zurück, die sich in der Charta werden. Das neue Friedenssicherungskonzept der UN zum An• der Vereinten Nationen im Kapitel VI (>Die friedliche Beilegung laß zu nehmen, die Kooperation zu verstärken, dadurch das von Streitigkeiten) und vor allem in den Artikeln 33 und 37 nie• internationale System zu verändern und auf diese Weise den dergeschlagen haben. Es wäre zu wünschen, daß alle Konflikte Konsens über den Gewaltverzicht zu intensivieren, stellt dage• nach diesen Vorschriften behandelt werden. Daß dies nicht der gen eine praktikable und realistische Friedensstrategie dar. Fall ist, zeigt, daß der Konsens über den Gewaltverzicht erst Sie muß nur als solche erkannt werden. Die Vereinten Nationen klein ist. Es wird noch sehr viel Zeit vergehen, bevor er sich so sind weder eine Ersatz-Weltregierung, noch sind sie eine unver• weit entwickelt haben wird, daß die in Kapitel VI enthaltenen bindliche Botschafterkonferenz. Ganz abgesehen von den zahl• Verfahren routinemäßig in Anspruch genommen werden. reichen wichtigen und unentbehrlichen Funktionen, die sie au• Als Rudiment aber ist der Konsens durchaus vorhanden, an• ßerhalb des Sachbereichs Sicherheit erbringen (und mit denen dernfalls wären die Vereinten Nationen nicht mehr existent. ich mich hier nicht beschäftige), reflektieren sie auf diesem für Die verschiedenen Generalsekretäre der UN haben immer wie• den Frieden so zentralen Sachbereich den existierenden Grad der darauf hingewiesen, daß die Konfliktbearbeitungsverfahren der Interaktion. Er drückt aus, in welchem Grad das internatio• der Vereinten Nationen sehr viel stärker in Anspruch genom• nale System der Gegenwart bereits überschaubar geworden, men werden sollten, als dies gegenwärtig der Fall ist. General• Unsicherheit verringert worden ist. Dieser Grad wird durch sekretär Kurt Waldheim hat besonders die Großmächte darauf jede Interaktion erhöht, die im Rahmen der Vereinten Nationen hingeweisen, daß sie »in besonderem Maß auf die Weltorganisa• verläuft. Daher sollten so viele Konflikte wie möglich, auch der tion angewiesen (sind)«, nämlich als »eine Alternative zu einer Ost-West-Konflikt, in diesem Rahmen bearbeitet werden. Der Art von Konfrontation ..., die in unserem nuklearen Zeitalter Konfliktinhalt wird davon nicht berührt, der Gegensatz nicht

ohne weiteres den Untergang aller bedeuten könnte«7. General• abgeschwächt werden. Verstärkung aber erfährt der Konsens, sekretär Javier Perez de Cuellar betonte die Funktion der UNO den Konflikt ohne die Anwendung militärischer Gewalt auszu•

als »Verhandlungsforum«8, dessen Inanspruchnahme sicher• tragen. Er besteht ohnehin. Er würde aber erheblich befestigt stellen könnte, daß der Prozeß der Konfliktlösung friedlich werden, wenn der Konfliktaustrag explizit innerhalb der Ver• bleibt. Alle Generalsekretäre waren sich einig in der Kritik an einten Nationen und unter Benutzung der durch sie zur Verfü• der vorhandenen — und zunehmenden — Tendenz der Staaten, gung gestellten Modalitäten vorgenommen werden würde. Zu die Internationale Organisation nicht genügend in Anspruch zu diesem Zweck sind ja die Vereinten Nationen gegründet wor• nehmen. Die Kritik betrifft vor allem die Großmächte, die sich den; diesem Zweck können sie effektiv dienen. Man muß sich den Zwängen, die ihnen eine solche Praxis auferlegen würde, ihrer nur bedienen. gerne entziehen möchten.

ZUM GEREGELTEN AUSTRAG DER GEGENSÄTZE Die Grenzen und die Möglichkeiten einer Internationalen Orga• nisation auf dem Gebiet des Friedens lassen sich nunmehr Dieser Versuch, der Einwirkung der Internationalen Organisa• ziemlich präzise abstecken. Von ihrer Anlage her kann die tion zu entgehen, beleuchtet aber ihre Bedeutung. Die innerhalb Internationale Organisation nur auf diejenigen Konfliktursa• der Vereinten Nationen auftretenden Bindungen schränken die chen einwirken, die von der Struktur des internationalen Sy• Handlungsfreiheit der Konfliktpartner ein, legen bestimmte stems und von den Prozessen der Interaktion gebildet werden. Verhaltensnormen auf, verlangen zumindest den Gewaltver• Insofern die Internationale Organisation das internationale Sy• zicht. Innerhalb der Vereinten Nationen kann ein Staat sich bei stem überschaubar und die Interaktion zwischen allen Staaten, weitem nicht so frei bewegen, wie er es außerhalb tun könnte. gerade auch zwischen Gegnern, zur Normalität werden läßt, Die Internationale Organisation übt durch die Praxis ein be• vermindert sie eine Reihe von Faktoren, die früher — und ohne stimmtes Verhalten der Staaten ein, erhebt es langsam zur die Internationale Organisation — die Anwendung von militä• akzeptierten Norm. Die »Gewohnheit der Zusammenarbeit ver• rischer Gewalt begünstigten. Eine Welt, deren Staaten kontinu• stärkt die Bedeutung von Politiken, die kooperatives Verhalten ierlich in einer globalen Internationalen Organisation zusam•

durch Konsens und nicht durch Zwang herbeiführen«9. Die Mit• menarbeiten, ist eine andere Welt als die, die den Krieg aller gliedschaft in einer Internationalen Organisation bewirkt, daß gegen alle als Normalität erlebt hat. Die Kooperation innerhalb das Verhalten der Staaten in Richtung auf den Verzicht auf der Internationalen Organisation verstärkt den Konsens über Gewalt gelenkt wird . den Gewaltverzicht: das ist der begrenzte, aber wichtige, unent• Natürlich läßt sich an der von allen Generalsekretären kritisier• behrliche Beitrag, den die Vereinten Nationen zum Frieden lei• ten Abstinenz der Großmächte ablesen, daß die Vereinten Na• sten können. Aufgabe der Mitgliedstaaten — und ihrer öffentli• tionen diese Wirkung nicht automatisch entfalten, daß sie ihre chen Meinung — ist es, diese Wirkung der Internationalen Schranke findet an der Souveränität der Nationalstaaten, und Organisation zu erkennen und durch ihre routinemäßige Inan• daß diese Barriere um so höher ist, je größer die Macht des spruchnahme zu verstärken. betreffenden Staates. Daraus kann man aber nicht den Schluß ziehen, daß die Internationale Organisation wirkungslos bleibt. Anmerkungen Im Gegenteil: Der Eskapismus der Großmächte zeigt, wie er• wähnt, wie stark die von der Internationalen Organisation be• 1 Ausführlicher habe ich mich dazu in Kapitel 2.2. meines Buches >Theorien des Friedens< geäußert, das im Frühjahr 1986 in Paderborn erscheint. wirkte Kontextveränderung des internationalen Systems ist, 2 Dazu grundlegend: Jacob ter Meulen, Der Gedanke der Internationalen welche Verhaltenszwänge von ihr ausgehen. Sie hat sich damit Organisation in seiner Entwicklung, 3 Bde., Den Haag 1917ff. 3 So z. B. Earl C. Ravenal, An Autopsy of Collective Security, in: Political als ein außerordentlich effektives Mittel zur Friedenssicherung Science Quarterly, Vol.90, No.4 (Winter 1975/76), S.707. erwiesen, das nur benutzt zu werden braucht. Das Konzept der 4 Vgl. die Rundfrage der >Friedenswarte< unter 26 in- und ausländischen Völ• kollektiven Sicherheit scheiterte, weil es nicht funktionieren kerrechtlern über den Sanktionskrieg, in: Friedenswarte, Jg.27, März 1927, S.65ff., und April 1927, S.97ff. konnte. Das Konzept, den Konsens über den Gewaltverzicht 5 Gemeinsames Vorgehen für den Friedens Resolution 377 (V) der General• durch die Kooperation in einer Internationalen Organisation zu versammlung v. 3.11.1950; Text: VN 1/1980 S.29ff. 6 Siehe dazu Indar Jit Rikhye, The Theory and Practice of Peacekeeping, institutionalisieren, funktioniert — wenn es benutzt wird. Der London 1984, sowie Hans-Peter Kaul, UN-Friedenstruppen: Versuch einer Funktionswandel der UNO weg von der Erzwingung und hin zu Bilanz. Ein Diskussionsbeitrag aus deutscher Sicht in 33 Thesen, VN 1/1983 der Konsenserzielung hat aus djr Organisation ein friedens• S.lff. 7 Jahresbericht für die 34. Generalversammlung, VN 5/1979 S.172. strategisches Instrument werden lassen, das wirksam und ein• 8 Jahresbericht für die 37.Generalversammlung, VN 6/1982 S.202. satzfähig ist. 9 Robert L. Butterworth, Moderation from Management: International Orga• nizations and Peace, Pittsburgh 1978, S. 116. Beides konnte vom Völkerbund und vom ursprünglichen Er• 10 Clive Archer, International Organizations, London 1983, S.163.

Vereinte Nationen 5-6/85 157 Rüstungsbegrenzung und Abrüstung

40 Jahre Anstrengungen der Vereinten Nationen JAN MARTENSON

Der vierzigste Jahrestag der Gründung der Vereinten Nationen Wegen wesentlicher inhaltlicher Unterschiede schon hinsicht• bietet Gelegenheit zu Rückblick und Bilanz: Wie sind die Ver• lich des Ansatzes bei der Behandlung verschiedener Probleme einten Nationen mit den Herausforderungen umgegangen, vor zwischen den westlichen Mächten einer- und der Sowjetunion die sie gestellt wurden, insbesondere jenen auf dem lebenswich• andererseits und wegen der allgemeinen Verschlechterung der tigen Gebiet der Rüstungsbegrenzung und Abrüstung? Das Ju• internationalen Lage war es beiden Kommissionen nicht mög• biläum bietet darüber hinaus einen Anlaß, in die Zukunft zu lich, bei ihrer Arbeit Fortschritte zu erzielen. 1952 versuchte die schauen und zu prüfen, wie die Erfahrungen der Vergangenheit Generalversammlung, den toten Punkt zu überwinden und be• uns dazu verhelfen können, daß unsere Anstrengungen sich schloß die Vereinigung beider zu einer einzigen Abrüstungs• künftig mehr lohnen. kommission (Disarmament Commission). Die neue Kommis• Historisch gesehen, folgt der stärkste Antrieb zum Frieden sion, bestehend aus den Mitgliedern des Sicherheitsrats und stets aus einem verheerenden Krieg. Dies ist richtig für den Kanada, blieb bis 1957 das internationale Abrüstungsgremium. Völkerbund, und ebenso erwuchsen die Vereinten Nationen aus Sein wichtigstes Ziel war die Vorbereitung von Vorschlägen für der Asche eines Weltkriegs, des Zweiten Weltkriegs, dessen die Regulierung, Begrenzung und schrittweise ausgewogene Folge Millionen von Toten und beispiellose Zerstörung waren. Reduzierung aller Streitkräfte und Arsenale in einem abge• So symbolisierte die Gründung der Vereinten Nationen in San stimmten, umfassenden Programm. Solche Vorschläge sollten Franzisko im Sommer 1945 den Beginn eines neuen Zeitalters sich auch auf Maßnahmen zur Beseitigung aller Massenver• der internationalen Beziehungen. Die Vereinten Nationen ver• nichtungswaffen sowie zur wirkungsvollen internationalen einigten in ihrer Charta Grundsätze, die die Grundlage für ein Überwachung der Kernenergie — um ein Verbot atomarer Waf• Forum schufen, in dem der Krieg als Mittel der Politik zwischen fen und die Nutzung der Atomenergie für ausschließlich friedli• den Nationen geächtet ist. Das erste dieser Prinzipien war das che Zwecke sicherzustellen — erstrecken. Gebot, »künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu Hinsichtlich aller inhaltlichen Probleme, vor die die Kommis• bewahren«. Im Rahmen ihrer Satzung bot die Weltorganisation sion gestellt war, wurden unterschiedliche Auffasssungen ver• den Mitgliedstaaten die Gelegenheit, neue Formen und Metho• treten; infolge des ausbleibenden Fortschritts zu einem Über• den zu entwickeln, um eine echte Zusammenarbeit im Streben einkommen über ein abgestimmtes, umfassendes Programm nach Weltfrieden und internationaler Sicherheit zu fördern. verschob sich die Aufmerksamkeit mehr und mehr in Richtung Um das Ziel dauernden Friedens und beständiger Sicherheit zu auf verschiedene Teilmaßnahmen, die schon vor einer Einigung erreichen, betraute die Charta die Generalversammlung und über einen solchen umfassenden Plan ergriffen werden könn• den Sicherheitsrat mit der Beratung von Fragen der Abrüstung ten. Die Abrüstungskommission wurde 1957 und noch einmal und der Rüstungsregulierung. Mit dem Auftrag, »die Herstel• 1958 erweitert, um dann alle Mitglieder der Vereinten Nationen lung und Wahrung des Weltfriedens und der internationalen zu umfassen. Dennoch blieben 1958 Bemühungen erfolglos, sie Sicherheit so zu fördern, daß von den menschlichen und wirt• wieder einzuberufen, und sie kam auch danach nur noch zwei• schaftlichen Hilfsquellen der Welt möglichst wenig für die Rü• mal zusammen, 1960 und 1965. stung abgezweigt wird«, schuf Artikel 26 der Charta den erfor• Von 1959 an wurden die Abrüstungsanstrengungen in den Ver• derlichen Rahmen, der über die Jahre die besondere Rolle der einten Nationen auf zwei verschiedenen, jedoch parallelen We• Vereinten Nationen im Streben nach Rüstungsbegrenzung und gen betrieben. In Erkenntnis der Notwendigkeit, sich auf die Abrüstung bestimmte. weiterreichenden Ziele zu konzentrieren, nahm die Generalver• Während die Satzung der Vereinten Nationen so dem Empfin• sammlung in ihre Tagesordnung den Punkt >Allgemeine und den am Ende des Zweiten Weltkriegs — Nie wieder Krieg! — vollständige Abrüstung unter wirksamer internationaler Über- konkreten Ausdruck gab, trat die Welt auf dramatische Weise in wachung< auf. Ergebnis war, daß kleinere Abrüstungsschritte, eine neue Ära — das Atomzeitalter —, was allem menschlichen die breite Unterstützung fanden, als integrierende Bestandteile Streben eine völlig neue Dimension verlieh. Seit jenen histori• des Prozesses zur Erreichung dieses weitgesteckten Zieles ver• schen Ereignissen vor vier Jahrzehnten haben die Völker der standen (und nicht mehr im Gegensatz dazu gesehen) wurden. Welt unter der Bedrohung der atomaren Vernichtung leben Folglich wurden nun Vereinbarungen über Teilabrüstungsmaß• müssen, während sie doch den Tag herbeisehnten, an dem die nahmen gleichzeitig mit den Bemühungen um die Erarbeitung Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen diese Organisation zu von Plänen für eine allgemeine und vollständige Abrüstung dis• ihrem vollen Nutzen führen und dauernden Frieden und Sicher• kutiert. heit erreichen würden. Während dieser Periode wurden bedeutsame Veränderungen im Abrüstungsmechanismus eingeführt. 1959 wurde der zehn Staaten umfassende Abrüstungsausschuß (Ten-Nation Commit• Erste Schritte zur Abrüstung tee on Disarmament) errichtet, in dem Ost und West in gleicher Deshalb ist es kein Zufall, daß die allererste Entschließung der Zahl vertreten waren. Das Verhandlungsgremium wurde 1962 neuen Weltorganisation der Frage der Rüstungskontrolle und mit der Schaffung der Konferenz des 18-Nationen-Abrüstungs- der Abrüstung, insbesondere der atomaren, gewidmet war und ausschusses (Conference of the Eighteen-Nation Committee on die Dringlichkeit der Angelegenheit anerkannte. Folglich er• Disarmament, ENDC) umgestaltet, wobei zu den ursprüngli• richtete die Generalversammlung 1946 die Atomenergiekom• chen Mitgliedern acht blockfreie hinzukamen. Aus dem ENDC mission, der die Aufgabe übertragen wurde, Pläne zu entwerfen, wurde 1969 die Konferenz des Abrüstungsausschusses (Confe• die die Gewähr bieten sollten, daß diese Energie ausschließlich rence of the Committee on Disarmament, CCD), als die Mitglie• zu friedlichen Zwecken genutzt werde. 1947 wurde ein weiteres derzahl auf 26 Staaten ausgedehnt wurde. Gremium für Abrüstungsverhandlungen, die Kommission für konventionelle Rüstung, durch den Sicherheitsrat gegründet. Konkrete Abrüstungsmaßnahmen Sie war aufgerufen, jede Anstrengung zu unternehmen, um sicherzustellen, daß Waffenarsenale und Streitkräfte unter ei• Die gemeinsamen Anstrengungen der Regierungen und der nem System internationaler Kontrolle reguliert und reduziert Vereinten Nationen, besonders in jenen Abrüstungsgremien würden. und in regionalen Einrichtungen, erbrachten begrenzte, aber

158 Vereinte Nationen 5-6/85 doch wichtige erste Schritte in der Form internationaler Verein• barungen über Teilmaßnahmen zur Rüstungsregulierung. Un• ter diesen ragen heraus:

• der Antarktis-Vertrag von 1959, der die völlige Freihaltung dieses Gebiets von allen Maßnahmen militärischen Charakters vorsieht; • der Vertrag über einen teilweisen Teststopp von 1963, der Atomtests überall, außer unter der Erde, verbietet; • der Weltraum-Vertrag von 1967, der die Stationierung von Massenver• nichtungswaffen im Weltraum untersagt; • der Vertrag über das Verbot von Kernwaffen in Lateinamerika von 1967, der die erste atomwaffenfreie Zone in einer dichtbesiedelten Welt• gegend errichtet; • der Nichtverbreitungs-Vertrag von 1968, mit dem sich Nichtkernwaf- fenstaaten verpflichten, keine Atomwaffen zu erwerben, und Kernwaf• fenstaaten versprechen, ernsthaft die nukleare Abrüstung anzustreben; Jan Martenson, • der Meeresboden-Vertrag von 1971, der die Stationierung von Atom• geb. 1933 waffen auf dem Meeresboden und im Meeresgrund verbietet; in Uppsala, • die B-Waffen-Konvention von 1972, die die vollständige Vernichtung aller biologischen Waffen vorsieht und insofern eine echte Abrüstungs• wurde 1979 als Beigeordneter Generalsekretär zum Leiter des maßnahme darstellt; UN-Abrüstungszentrums beru/en. Seit Jahresbeginn 1983 ist er und schließlich • die ENMOD-Konvention von 1977, die den Gebrauch umweltverän• Untergeneralsekretär der Vereinten Nationen und leitet die dernder Techniken (environmental modification techniques) als Mittel Hauptabteilung Abrüstungsfragen des UN-Sekretariats (das der Kriegsführung untersagt. vormalige Abrüstungszentrum). Zuvor war er im schwedischen Staatsdienst tätig; 1968/69 war er Stellvertretender Direktor des Um ein vollständiges Bild zu zeichnen, möchte ich hier auch Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI. erwähnen, daß zur gleichen Zeit zweiseitige Verhandlungen Am 24.Oktober 1945 Sekundarschüler. zwischen der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten eben• falls eine Anzahl von Übereinkünften hervorgebracht haben. Zu nennen sind insbesondere

• der Vertrag über die Begrenzung von Raketen-Abwehrsystemen der Vereinten Nationen, eine vollständig dem Abrüstungspro• (ABM-Vertrag) von 1972, blem gewidmete Sondertagung einzuberufen. Diese erste der • das Abkommen zur Begrenzung strategischer Rüstungen (SALT I) von 1972, Abrüstung geltende Sondergeneralversammlung, abgehalten • das Übereinkommen über die Verhinderung eines nuklearen Krieges vom 23. Mai bis zum 30. Juni 1978 in New York, war das größte von 1973, und repräsentativste Treffen der Nationen, das je zur Beratung • der Vertrag zur Begrenzung unterirdischer Atomwaffentests von der Abrüstungsfrage zustande gekommen war. Die Tagung 1974, stellte einen Meilenstein in der Geschichte der multilateralen • der Vertrag über unterirdische Nuklearexplosionen für friedliche Zwecke von 1976 Diplomatie dar, nahmen an ihr doch Vertreter von 126 Mitglied• und staaten, darunter 19 Staats- oder Regierungschefs, 51 Außenmi• • SALT II. nister und viele andere ranghohe Amtsträger teil. Zum ersten Die drei letztgenannten Verträge sind formal noch nicht in Mal in der Geschichte der Abrüstungsverhandlungen erreichte Kraft getreten, aber beide Seiten erklärten ihre Absicht, sich an die internationale Gemeinschaft auf dem Konsensweg eine ihre Bestimmungen zu halten. Übereinkunft über eine umfassende Abrüstungsstrategie. Die• Trotz dieser wichtigen Teilabkommen über die Regulierung ser Konsens, verkörpert im Schlußdokument der Tagung (abge• und Begrenzung der Rüstungen war klar, daß im Hinblick auf druckt in VN 5/1978 S.171ff.), stellt den Bezugsrahmen für alle ein Anhalten des Rüstungswettlaufs kein wirklicher Fortschritt Abrüstungsanstrengungen inner- und außerhalb der Vereinten erzielt worden war. So wurde geschätzt, daß die weltweiten Nationen dar. Das 129 Punkte umfassende Dokument unter• Militärausgaben Mitte der siebziger Jahre das Niveau von 400 streicht die zentrale Rolle und die Hauptverantwortung der Mrd US-Dollar jährlich erreicht hatten. Zwar waren die Kern• Vereinten Nationen auf dem Feld der Abrüstung. Es steckt die waffenmächte und einige andere Länder die bedeutendsten Ziele ab und stellt Grundsätze und Prioritäten auf. Es enthält Konkurrenten im Rüstungswettlauf, aber die Militärausgaben auch bestimmte Maßnahmen, die darauf abzielen, die im Sy• stiegen auch außerhalb der beiden wichtigsten Bündnisse. stem der Vereinten Nationen mit Abrüstungsproblemen befaßte Hinzu kommt, daß vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis in die Maschinerie zu stärken. Mitte der siebziger Jahre in über 100, meist in Entwicklungslän• Eine der Leistungen war, daß Übereinstimmung erzielt wurde dern ausgefochtenen Kriegen Millionen von Menschen durch über die Errichtung angemessener und repräsentativer Abrü• konventionelle Waffen getötet worden waren. Trotz der Anhäu• stungsforen für einschlägige Verhandlungen und Beratungen fung von konventionellen Waffen (die, zusammen mit den Per• wie auch andere Aktivitäten. Der 1. Hauptausschuß der Gene• sonalkosten, etwa vier Fünftel aller Militärausgaben ausma• ralversammlung wurde damit betraut, sich ausschließlich mit chen) liegt die größte Bedrohung der Menschheit in der Aus• Abrüstung und verwandten Fragen der internationalen Sicher• dehnung der Kernwaffenarsenale, die damals mehr als 1 Mill heit zu befassen. Die Abrüstungskommission — die seit 1965 Hiroshima-Bomben entsprachen — genug, um die Welt mehr• nicht mehr zusammengetreten war — wurde als Beratungsgre• fach zu zerstören. Darüber hinaus hatten die Kernwaffentests mium der Vereinten Nationen wiederbelebt. Die CCD wurde, über die Jahre angedauert und die Trägersysteme — landge• nun als Abrüstungsausschuß (CD) firmierend, auf 40 Mitglieder stützte Raketen, auf Unterseebooten stationie/te Raketen, Bom• erweitert, darunter alle Kernwaffenstaaten. benflugzeuge — waren ständig >verbessert< und >modernisiert< Um die Verwirklichung der in dem Schlußdokument festge• worden, durch Mehrfachsprengköpfe, größere Zielgenauigkeit schriebenen Ziele zu fördern, erklärte die Generalversammlung und Zuverlässigkeit und verschiedene andere technische Ver• 1979 die achtziger Jahre zur Zweiten Abrüstungsdekade. Ihr feinerungen. Ziel war es, das Wettrüsten zu stoppen und umzukehren, den Zielen und der Dringlichkeitsliste des Schlußdokuments ent• sprechend Abrüstungsübereinkommen zu schließen, den Welt• Sondertagungen der Generalversammlung frieden und die internationale Sicherheit im Einklang mit der Der Rüstungswettlauf war also gefährlicher und komplexer ge• Charta der Vereinten Nationen zu festigen und im militärischen worden — und zunehmend auch ein globales Phänomen. Vor Bereich freiwerdende Mittel für Entwicklungszwecke, insbeson• diesem Hintergrund beschloß 1976 die Generalversammlung dere zugunsten der Entwicklungsländer, bereitzustellen.

Vereinte Nationen 5-6/85 159 Diese Ziele konnten, so bedeutend sie auch waren, nicht ver• Abrüstungsmechanismus wirklicht werden. Das Niveau der Weltmilitärausgaben stieg in Eines dieser Gremien der Vereinten Nationen ist der 1. Aus• dem sich verschlechternden internationalen Klima der ausge• schuß, der einer der sieben Hauptausschüsse der Generalver• henden siebziger Jahre weiter. Internationales Mißtrauen und sammlung ist und nunmehr ausschließlich Abrüstungs- und Argwohn nahmen zu und wirkten sich unvermeidlich auch im verwandte Fragen der internationalen Sicherheit behandelt. Abrüstungsbereich aus. Nach anfänglichen Fortschritten blieb Während der 39. Tagung der Generalversammlung deckte seine der Verhandlungsprozeß in allen wichtigen Fragen praktisch Tagesordnung 22 Punkte ab, und die Versammlung nahm stecken. Dies hatte zur Folge, daß das in dem Schlußdokument schließlich 64 Resolutionen zu Abrüstungsproblemen an, zwei von 1978 aufgestellte Aktionsprogramm in den frühen achtziger mehr als im Jahr zuvor, was einen Rekord darstellt. 19 dieser Jahren weitgehend unausgeführt blieb. Entschließungen wurden im Konsens angenommen. So kam die zweite der Abrüstung gewidmete Sondergeneralver• Ein weiteres wichtiges Nebenorgan der Generalversammlung, sammlung, die vom 7.Juni bis zum 10. Juli 1982 wiederum in nämlich die Abrüstungskommission, ist ebenfalls aus allen Mit• New York abgehalten wurde, unter überaus ungünstigen Bedin• gliedern der Vereinten Nationen zusammengesetzt. Ihre Haupt• gungen für die Erreichung des ihr gesetzten Ziels — der Bele• funktion ist es, über verschiedene Probleme auf dem Feld der bung des Abrüstungsprozesses — zusammen. Obwohl von 140 Abrüstung nachzudenken und Empfehlungen auszusprechen, Mitgliedstaaten und mehr als 3 000 Vertretern von Nichtregie• wenn die Generalversammlung nicht tagt. Während ihrer letz• rungsorganisationen und 22 Forschungseinrichtungen aus 47 ten Tagungen hat die Kommission eine breite Palette von Fra• Ländern besucht, sah sich diese Sondertagung mehr Hindernis• gen behandelt, die von einem angestrebten Umfassenden Abrü• sen gegenüber, als sie Wege fand, diese zu überwinden. Doch stungsprogramm bis zu den Vertrauensbildenden Maßnahmen drückten die Völker der Welt zur gleichen Zeit in sichtbarer reichte. Weise ihren Wunsch nach Fortschritten in Richtung auf Abrü• Mit den mehrseitigen Abrüstungsverhandlungen ist die seit stung aus. Ein beeindruckendes Ereignis am Rande der Tagung 1984 so bezeichnete Abrüstungskonferenz (zuvor als Abrü• war die Übergabe von Tausenden von Mitteilungen, Bittschrif• stungsausschuß bekannt) in Genf betraut, das einzige multilate• ten und Aufrufen mit Millionen von Unterschriften von Organi• rale Verhandlungsgremium für Abrüstungsangelegenheiten der sationen, Gruppen und einzelnen Menschen aus aller Welt. internationalen Gemeinschaft. Es besteht weiterhin aus 40 Mit• Während der Tagung zirkulierten über 60 Vorschläge und Posi• gliedstaaten (unter Einschluß der fünf Kernwaffenstaaten). tionspapiere der Mitgliedstaaten; fünf Entschließungsentwürfe Während der letzten Jahre hat sich die Konferenz konzentriert wurden der Versammlung vorgelegt. Sie enthielten Vorschläge auf Fragen wie einen Atomwaffenteststopp, die Beendigung des für ein Einfrieren der Kernwaffenbestände, atomare Abrü• nuklearen Wettrüstens und nukleare Abrüstung, die Verhütung stung, die Verhinderung von Kernwaffenkriegen sowie eine von Atomkriegen einschließlich damit verwandter Fragen, das Konvention über das Verbot des Einsatzes nuklearer Waffen. Verbot chemischer und radiologischer Waffen, Sicherheitsga• Es war aber nicht möglich, allgemeine Einigkeit über auch nur rantien für Nichtkernwaffenstaaten, Verhinderung eines Rü• einen dieser Vorschläge zu erzielen, und keiner wurde tatsäch• stungswettlaufs im Weltraum und das Umfassende Abrüstungs• lich zur Abstimmung gestellt. Im Gegensatz zu dem Geschehen programm. Auf einigen dieser Problemfelder, so in der Frage auf der ersten Sondertagung war die Versammlung 1982 nicht des Verbots chemischer und radiologischer Waffen, sind Fort• in der Lage, zu einem Konsens über eine einzige der als Bei• schritte gemacht worden, wenn auch förmliche Abkommen träge zur Beendigung und Umkehrung des Wettrüstens erson- noch nicht vorliegen. nenen konkreten Vorgehensweisen zu kommen. Darüber hinaus spielen die Vereinten Nationen eine bedeu• Immerhin bestätigte die Generalversammlung ohne Einschrän• tende Rolle bei der Meinungsbildung zugunsten der Abrüstung kung und einvernehmlich die Gültigkeit des 1978er Schlußdoku• durch Information und Erziehung. Eine wohlinformierte und ments. Im Abschließenden Dokument der Tagung (dem Bericht konstruktive Weltöffentlichkeit kann mithelfen, die Aussichten ihres Ad-hoc-Ausschusses) gab sie ihrer tiefen Besorgnis über für einen Stopp und endlich die Umkehrung des Wettrüstens zu die Gefahren eines Krieges, insbesondere eines Kernwaffen• verbessern. In der Tat ist ein wichtiges, greifbares Ergebnis der krieges, Ausdruck und forderte die Mitgliedstaaten dringend Sondertagung von 1982 der im Konsens beschlossene Beginn auf, so bald wie möglich Vorschläge zu einer Verhinderung zu der Weltabrüstungskampagne, die den Zweck hat, zu informie• erwägen. Die Versammlung betonte die Notwendigkeit der wei• ren, zu erziehen, das öffentliche Verständnis zu entwickeln und teren Stärkung der Rolle der Vereinten Nationen im Bereich um Unterstützung für die Ziele der Vereinten Nationen im Hin• der Abrüstung und der Steigerung der Wirksamkeit der Abrü• blick auf Rüstungsbegrenzung und Abrüstung zu werben. Die stungsmaschinerie. In zwei inhaltlichen Punkten einigte man Generalversammlung hat somit die Besorgnis der Weltöffent• sich: bezüglich des Starts der Weltabrüstungskampagne und lichkeit angesichts des andauernden Wettbewerbs bei der An• der Fortführung sowie Ausdehnung des UN-Stipendienpro• häufung von Waffen, besonders von Kernwaffen, erkannt. gramms für Abrüstungsfragen. In den vergangenen zwei Jahren haben wir bei der Vorberei• In den drei Jahren seit der zweiten Sondertagung ist die Gene• tung und Verteilung von sachlichem und objektivem Informa• ralversammlung beständig allen ihr zur Verfügung stehenden tionsmaterial, bei der Durchführung von Konferenzen und Wegen nachgegangen, um den Rüstungswettlauf zu bremsen. Symposien und anderen Aktivitäten in verschiedenen Teilen Die Vereinten Nationen stellen auch weiterhin das Forum dar, der Welt Erfahrungen gemacht, die uns zu der Gewißheit ge• in dem der Abrüstung die gebührende Bedeutung auf der inter• führt haben, daß es eine weltweite Basis für die Abrüstung gibt. nationalen Tagesordnung eingeräumt werden kann. Trotzdem Sie wird von der allseitigen Sorge um das Überleben der ist es selbstverständlich, daß die Beziehungen zwischen den Menschheit und um verbesserte Lebensbedingungen im Atom• Supermächten die Chancen wirksamer internationaler An• zeitalter zusammengehalten. Diese Sorge kennt weder ideologi• strengungen zur Zügelung des Rüstungswettlaufs sowohl inner- sche noch politische Grenzen. als auch außerhalb der Vereinten Nationen nachhaltig beein• Dies ist der Hintergrund, vor dem die gegenwärtige und poten• flussen. Deshalb ist es eine willkommene Entwicklung, daß die tielle Rolle der Vereinten Nationen auf dem Feld der Abrüstung beiden Supermächte kürzlich mit einer neuen Gesprächsrunde zu sehen ist. Wenn auch insgesamt die Ergebnisse der Anstren• über Kern- und Weltraumwaffen in Genf begonnen haben. Es gungen der internationalen Gemeinschaft, diese Welt zu einem steht zu hoffen, daß sie — gemeinsam mit anderen Mitglied• sichereren Lebensraum zu machen, noch weit von den in der staaten — die notwendigen Schritte tun werden, um die Arbeit Charta festgeschriebenen Zielen entfernt sind, haben wir im• in all jenen Gremien zu erleichtern, die auf multilateraler merhin Einigkeit über bestimmte Grundgedanken erzielen kön• Ebene Verantwortung für Abrüstungs- und Sicherheitsfragen nen, was meines Erachtens die Aussichten für unsere Zukunft tragen. etwas heller erscheinen läßt.

160 Vereinte Nationen 5-6/85 40 Jahre Erfahrung trauen erwecken und zu Konflikten führen, und wir müssen So hat sich in der Welt während der vergangenen Jahrzehnte versuchen, diese auf das geringstmögliche Maß zurückzufüh• zunehmend ein gemeinsames Interesse an Fragen von Krieg ren. und Frieden entwickelt. Über territoriale Grenzen, politische 40 Jahre Erfahrungen der Vereinten Nationen haben sehr deut• Unterschiede und ideologische Vorstellungen hinweg gibt es lich gemacht, daß die Hauptverantwortung für das Zustande• eine allgemeine Überzeugung, daß es nie zu einem Atomkrieg bringen wirkungsvoller, verifizierbarer und gegenseitig an• kommen darf. Als die einzige nahezu universelle Internationale nehmbarer Maßnahmen zur Rüstungskontrolle und Abrüstung Organisation nach dem Zweiten Weltkrieg sind die Vereinten bei den Staaten liegt, die am schwersten bewaffnet sind. Es ist Nationen das Hauptmedium für den Ausdruck der ernsten ebenso offensichtlich geworden, daß eine komplexe Wechselwir• Sorge über die Möglichkeit des Ausbruchs von Kriegen im kung zwischen Problemen der Abrüstung, der Sicherheit und Atomzeitalter gewesen. In der gleichen Zeit sind sie zum wich• des Weltfriedens besteht und daß Bedrohungen für den Welt• tigsten Forum für die Erörterung der Fragen von Krieg, Frieden frieden und die internationale Sicherheit sowohl von militäri• und Sicherheit in globaler Perspektive geworden. schen als auch von nichtmilitärischen Gefahren für das Historisch gesehen, stellen ganze vier Dekaden eine verhältnis• menschliche und nationale Wohlergehen herrühren können mäßig kurze Zeitspanne dar. Aber es ist in jenen vier Jahrzehn• (und auch tatsächlich herrühren). In dieser Hinsicht haben die ten gewesen, daß das Heraufziehen des Atomzeitalters unsere Vereinten Nationen auf die Herausforderungen ihres Zeitalters Begriffe von Krieg und Frieden vollständig gewandelt hat. geantwortet, indem sie verschiedene einmütig getroffene Selbst der Einsatz eines Bruchteils der weltweiten Kernwaffen• Schlußfolgerungen — wie die der ersten Abrüstungssonderta• arsenale — ob auf Grund eines Zufalls, einer Fehleinschätzung gung der Generalversammlung von 1978 — vorgelegt haben. oder aus Absicht — könnte zu irreparablen Schäden an der Die Vereinten Nationen haben aber nicht nur einer nuklearen Abrüstung Vorrang eingeräumt, das Bedürfnis nach Konfliktlö• menschlichen Gattung und der Umwelt führen und würde die sung unterstrichen und die entscheidende Bedeutung von Si• geschichtlich schon beispiellosen Zerstörungen und menschli• cherheitserwägungen verstanden. Die Anstrengungen der Ver• chen Leiden des Zweiten Weltkriegs völlig in den Schatten stel• einten Nationen im Rüstungsbegrenzungs- und Abrüstungsbe• len. Schaudern machende Statistiken über Natur und Ausmaß reich erstrecken sich auch auf die Beziehungen zwischen Abrü• der bei einem auch nur teilweisen Gebrauch der vorhandenen stung und Entwicklung. Die Charta selbst verflocht in ihrem Kernwaffenarsenale wahrscheinlich angerichteten Schäden Artikel 26 das Ziel der Wahrung des Weltfriedens und der inter• und Zerstörungen sind inzwischen ein fester Bestandteil des nationalen Sicherheit damit, »daß von den menschlichen und Gedankenguts des Atomzeitalters geworden. Ein Krieg unter wirtschaftlichen Hilfsquellen der Welt möglichst wenig für Rü• Einschluß des Einsatzes von Kernwaffen wird einem Akt uni• stungszwecke abgezweigt wird«. Diesbezüglich ist ein erhöhtes verseller Selbstvernichtung gleichkommen. Das muß von der Interesse offensichtlich geworden, seit der Bericht des General• kollektiven menschlichen Vernunft verhindert werden! sekretärs über den Zusammenhang zwischen Abrüstung und Zugleich belastet von der Drohung des nuklearen Holocaust, Entwicklung zu der Schlußfolgerung kam, daß haben die letzten vier Dekaden 150 militärische Konflikte er• »die Welt entweder den Rüstungswettlauf mit so bezeichnender Kraftan• lebt, bei denen konventionelle Waffen von immer größerer Viel• strengung fortführen oder bewußt und mit Umsicht den Weg einer falt, Raffiniertheit und Zerstörungskraft eingesetzt wurden und beständigeren und ausgewogeneren sozialen und wirtschaftlichen Ent• 20 Millionen Tote zurückgelassen haben. In einer Welt, in der wicklung einschlagen kann, zu einer eher tragfähigen wirtschaftlichen die Abwesenheit eines weiteren Weltkriegs nicht ununterbro• und politischen Weltordnung. Sie kann aber nicht beides zugleich tun.« chenen Frieden bedeutet hat, hat der häufige Einsatz konven• Gleichgültig, ob es um die Bemühungen geht, das Wettrüsten tioneller Waffen es zwingend erforderlich gemacht, daß das Ab• besonders im nuklearen Bereich zu stoppen, oder um die Verhü• rüstungsziel der Vereinten Nationen allseits annehmbare Maß• tung, Eingrenzung und Lösung von Konflikten im Einklang mit nahmen zur Konfliktlösung beinhaltet. Die Erfahrung lehrt uns, den berechtigten Sicherheitsbelangen aller Nationen, ob groß, daß ungelöste Konflikte oft von internationalen Spannungen ob klein, oder darum, die Umleitung der endlichen Ressourcen und unablässiger Nachfrage nach Waffen begleitet werden. dieser Welt von militärischen zu zivilen Zwecken durchzusetzen Folglich müssen wir im Rahmen unserer Anstrengungen, das — die vor uns liegenden Aufgaben werden verwickelter sein als Wettrüsten zu zügeln, auch die Abläufe untersuchen, die Miß• die, denen wir in der Vergangenheit gegenüberstanden. Die

Ein Schlaglicht auf die in San Franzisko zusammengekom• mene >Konferenz der Verein• ten Nationen über die Interna• tionale Organisation, auf der die Charta der neuen Weltorga• nisation ausgearbeitet wurde: Im Ausschuß 1 (Präambel, Ziele und Grundsätze) der Kommission I (Allgemeine Be• stimmungen) werden die Stim• men ausgezählt (12 Juni 1945).

Vereinte Nationen 5-6/85 161 Sorgen, die wir gemeinsam zu tragen haben, sollten uns jedoch Abrüstungsvereinbarungen zu überwachen und die Teilnahme ermutigen, nicht im Angesicht einer ungeheuren Bedrohung zu der Weltöffentlichkeit an Abrüstungsproblemen zu vergrö• kapitulieren. Denn der Einsatz ist zu hoch. Auf dem Spiel steht ßern. heute die ganze menschliche Zivilisation mit all ihren kulturel• Die Vereinten Nationen sind ein Werkzeug, ein Instrument, das len, wissenschaftlichen und industriellen Reichtümern. Auf die internationale Gemeinschaft aus freien Stücken geschaffen dem Spiel steht heute das Vermächtnis, das wir den künftigen hat, um Probleme, die uns alle betreffen, anzugehen. Es hängt von den Mitgliedstaaten ab, in welchem Maß dieses Werkzeug Generationen hinterlassen werden, denn das, was wir für mili• genutzt wird. Auf dem Abrüstungssektor ist das ganze Potential tärische Zwecke heute verbrauchen, ist nicht nur das Erbe der Organisation noch nicht verwertet worden. Die Gründe unserer Vorväter, sondern auch das unserer Kinder. hierfür mögen zahlreich und vielfältiger Art sein, aber ich erin• nere an die, die Dag Hammarskjöld einst erwähnte: Die Zukunft »Der eine ist, daß die Regierungen gewissermaßen zu anspruchsvoll Ich meine aber, daß wir beim Blick nach vorn auch realistisch gewesen sind, nicht damit zufrieden waren, dieses verwickelte und le• bleiben müssen. Die Vereinten Nationen können ihre Ziele auf benswichtige Problem zunächst nur anzureißen, woraus sich aber ein Spalt hätte entwickeln können, was Möglichkeiten für einen wirklichen dem Feld der Abrüstung nicht ohne den politischen Willen der Meinungsaustausch vielleicht eröffnet hätte. Eine andere Ursache ist die Mitgliedstaaten und ohne deren entschlossene Anstrengung er• Neigung einer jeden Regierung gewesen, darauf zu warten, daß andere reichen. Deshalb ist es von Wichtigkeit, daß bei der Suche nach den ersten Schritt tun. Noch eine weitere — und natürlich eine sehr bedeutsamen Abrüstungsmaßnahmen die berechtigten Sicher• grundlegende — Ursache ist die Vertrauenskrise, unter der die ganze heitsinteressen eines jeden Staates voll in Ansatz gebracht wer• Menschheit derzeit leidet und die sich in dem Unwillen widerspiegelt, den. Abrüstung muß das Ergebnis eines wachsenden Gefühls irgendwelche Schritte in eine positive Richtung zu unternehmen, wie der Sicherheit unter den Mitgliedern der internationalen Ge• auch in der Tendenz, positive Antworten zurückzuhalten aus Angst, in meinschaft sein. Und im Atomzeitalter kann das Konzept der die Irre geleitet worden zu sein.« Sicherheit, wie wir alle wissen, nur mit weniger Waffen, nicht So wie es keine alleinige Ursache gibt, die erklären könnte, mit einer erhöhten Stärke nuklearer und konventioneller Rü• warum die Organisation nicht in vollem Maße genutzt worden stungen in Verbindung gebracht werden. Diese Rüstungen ist, gibt es keine Patentlösung dafür, wie ihre Rolle — nicht müßten statt dessen in ausgewogener und nachprüfbarer Weise zuletzt auf dem Feld der Abrüstung — gestärkt werden kann. reduziert werden, ohne daß man erwarten darf, daß eine Seite Trotzdem halte ich es für angebracht, hierzu die Worte des bereit wäre, viel an einseitiger Abrüstung hinzunehmen oder Generalsekretärs aus seinem Bericht über die Arbeit der Orga• ihre legitimen souveränen Rechte aufzugeben. nisation vom September 1982 in Erinnerung zu rufen, als er an In diesem Zusammenhang hat der Generalsekretär kürzlich die Regierungen appellierte, betont, daß die Vereinten Nationen nicht nur ein multilaterales »das schützende, schirmende Gebäude der kollektiven Sicherheit zu stärken, in dem wir uns alle geborgen fühlen und in dessen Erhaltung Forum bleiben sollen, in dem Abrüstungsangelegenheiten der wir die wichtigste Aufgabe der Vereinten Nationen sehen sollten. Der nötige Vorrang auf der internationalen Ebene eingeräumt wird, Wille, die mit der Charta geschaffenen Einrichtungen zu nutzen, muß eine Bühne, auf der Beratungen und Verhandlungen der Mit• bewußt gestärkt werden, und alle Staaten müssen versuchen, über ihre glieder der internationalen Gemeinschaft tatsächlich stattfin• kurzfristigen nationalen Interessen hinaus zu erkennen, welche großar• tigen Möglichkeiten ein stabileres System der kollektiven internationa• den. Vielmehr könnten die Vereinten Nationen — blickt man len Sicherheit bietet, welche unermeßlichen Gefahren jedoch drohen, auf ihre Möglichkeiten in der Zukunft — auch dazu taugen, wenn es nicht gelingt, ein solches System zu festigen und auszubauen.«

Der Beitrag zu wirtschaftlicher Zusammenarbeit und Entwicklung HANS W. SINGER

Eine Untersuchung der Erfolge und Mißerfolge der Vereinten risch begründet: Der Gründung der Vereinten Nationen ging Nationen während ihrer ersten vierzig Jahre fördert kein ein• die des Internationalen Währungsfonds (IMF) und der Welt• heitliches Bild zutage. In einigen Bereichen wurden ansehnli• bank (IBRD) in Bretten Woods voraus, denen wichtige, weite che Erfolge erzielt, die sich beispielsweise in der beherrschen• und sich ausdehnende Tätigkeitsgebiete zugewiesen wurden. den Rolle der Vereinten Nationen im Bereich der multilateralen Diese Bereiche sind daher schon von vornherein von der Zu• Technischen Hilfe ausdrücken und durch das UN-Entwick• ständigkeit der Vereinten Nationen ausgenommen. Auch einige lungsprogramm (United Nations Development Programme, der wichtigen Sonderorganisationen wurden vor den Vereinten UNDP) symbolisiert werden. Zu den Mißerfolgen muß gezählt Nationen gegründet. So datiert zum Beispiel die Internationale werden, daß es den Vereinten Nationen nicht gelungen ist, zur Arbeitsorganisation (ILO) zurück zum Ende des Ersten Welt• Einleitung eines echten Nord-Süd-Dialoges Wesentliches beizu• kriegs; die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation tragen oder eine erwähnenswerte Rolle zu spielen bei der Lö• (FAO) wurde schon in Hot Springs ins Leben gerufen. Alle diese sung so wichtiger Probleme wie der aktuellen Schuldenkrise. Sonderorganisationen haben ihre eigene Satzung, ihren eige• Dieser Artikel wird sich vorwiegend auf die Errungenschaften nen Haushalt sowie einen eigenen, sorgfältig gehüteten Aufga• der Vereinten Nationen und nicht so sehr auf ihre Fehlschläge benbereich. Obwohl sie dem Wirtschafts- und Sozialrat und der konzentrieren, da nur so aufgezeigt werden kann, wozu das Generalversammlung der Vereinten Nationen Berichte vorle• System der Vereinten Nationen fähig ist, wenn sich die Regie• gen — dies trifft übrigens auch auf IMF und Weltbank zu —, ist rungen untereinander einigen können, jenes Instrumentarium, die Rolle der Vereinten Nationen im Verhältnis zu ihren Aktivi• das ihnen die Charta in die Hand gibt, sachgerecht zu nutzen. täten keineswegs eindeutig oder unumstritten. Dies bedeutet, daß die Aufgaben der Vereinten Nationen weit• Kompetenzzuweisungen gehend zur Lückenfüllung der ungeregelten Bereiche des multi• Ein Grund für die Uneinheitlichkeit des Bildes, zumindest im lateralen Systems entwickelt wurden. Schon die Konferenz von Bereich von Wirtschaft und Entwicklung, ist, daß die Vereinten Bretten Woods ließ zwei wichtige Gebiete ungeregelt, nämlich Nationen in weiten Bereichen bloß für Lücken zuständig sind: den internationalen Handel und die Entwicklungsfinanzierung sie nehmen Aufgaben wahr, die nicht eigens anderen Organen zu weichen Bedingungen. Was den erstgenannten Bereich an• oder Organisationen zugeteilt wurden. Dies ist vor allem histo- geht, so wurde es damals unterlassen, die Internationale Han-

162 Vereinte Nationen 5-6/85 delsorganisation (ITO) ins Leben zu rufen. Eine ihrer entschei• eine Identifikation mit dem Vorschlag vermieden hatte, wie die•

denden Funktionen hätte in der Stabilisierung der Rohstoff• ser noch politisch kontrovers und brisant war4. So wurde die preise gelegen. Zwar wurden 1947/48 in Havanna Gründungs• Internationale Entwicklungsorganisation (IDA) nicht als Teil

verhandlungen geführt1, doch als die Satzung der ITO zur Rati• der Hauptorganisation, sondern als Tochter der Weltbank ge• fikation auslag, dominierte schon die unglückselige McCarthy- gründet. Ära mit ihrer Atmosphäre des Kalten Krieges die politische Hier erhielten die Vereinten Nationen aber zwei wichtige Ent• Landschaft der USA und verhinderte die Annahme durch den schädigungen dafür, daß sie nicht selbst die Finanzierungsver• US-Kongreß. Daher ruhte das Bretton-Woods-System anstatt — waltung übernehmen konnten. Auf dem Gebiet der Techni• wie ursprünglich vorgesehen — auf drei Säulen lediglich auf schen Hilfe wurde das UNDP gegründet und auf dem der Nah• zwei, nämlich der Weltbank und dem IMF (und selbst diese rungsmittelhilfe unter den vereinten Auspizien der Vereinten stellten nicht die starken Pfeiler multilateraler Kooperation Nationen und der FAO das Welternährungsprogramm (World dar, die sich John Maynard Keynes und Harry Dexter White zu Food Programme, WFP). Diese beiden Programme stellen die Beginn der Bretton-Woods-Verhandlungen vorgestellt hatten). vielleicht wichtigsten Errungenschaften der Vereinten Natio• Einige der verbleibenden Aufgaben, die somit nicht von der ITO nen im Entwicklungsbereich dar. abgedeckt werden konnten, wurden überwiegend dem Allge• meinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT) und nicht den Jubiläum auch des UNDP Vereinten Nationen übertragen. Das GATT ist nicht in die Ver• Von Anfang an haben sich die Vereinten Nationen besonders einten Nationen integriert, sondern befindet sich in einer Grau• stark auf die Technische Hilfe konzentriert. Zugleich wurde zone an der Peripherie des UN-Systems. Tatsächlich kamen dabei die wichtige Rolle, die dem menschlichen Potential bei später einige der Funktionen, die die ITO hätte erfüllen sollen — wie die Stabilisierung der Rohstoffpreise —, in Form des Interims-Koordinierungsausschusses für internationale Roh• stoffabkommen (ICCICA) in den Aufgabenbereich der Verein• ten Nationen. Doch da eine Organisation, die sich auf die Zu• sammenarbeit mit den wichtigsten Ländern stützen konnte, fehlte, verloren diese Rest-Aufgaben nach und nach immer mehr an Bedeutung. In der Mitte der vier Jahrzehnte jedoch, also vor nunmehr zwanzig Jahren, wurde erneut versucht, diese Lücke mit der Gründung der Handels- und Entwicklungskonferenz der Ver• einten Nationen (UNCTAD) zu füllen. Aber der Aktionsradius der UNCTAD blieb eingeschränkt, hauptsächlich, weil die mei• Dr. Hans W. Singer, sten Industrieländer es vorziehen, sich des IMF und der Welt• geb. 1910 bank, wo sie eine solide Stimmenmehrheit haben, zu bedienen. in Elberfeld, Die UNCTAD hingegen entwickelte sich mehr zu einer Interes• sengruppe und zum Sprecher der Entwicklungsländer, wie es ja studierte Nationalökonomie bei Joseph Schumpeter in Bonn, auch bei der Hauptorganisation der Vereinten Nationen der mußte 1933 emigrieren und setzte seine Studien an der Univer• Fall war. Dennoch hatte die UNCTAD einige begrenzte Erfolge sität Cambridge fort, wo er durch die Lehre von John Maynard wie etwa die Schaffung einer multilateralen kompensatori• Keynes geprägt wurde. 1947-1969 Bediensteter der Vereinten schen Fazilität, die jedoch dann, als es zum Schwüre kam, dem Nationen, deren Hauptabteilung für Wirtschaftsfragen er auf• IMF und nicht der UNCTAD zugeordnet wurde. Ein weiterer baute und auf die Probleme der Entwicklungsländer orientier• Erfolg der UNCTAD ist die Gründung des Gemeinsamen Fonds te; auch nach seiner Pensionierung als Konsulent für die Ver• zur Stabilisierung der Rohstoff preise, der jedoch von den Indu• einten Nationen tätig. Emeritierter Professor der Volkswirt• strieländern nicht nur sehr klein gehalten wurde, sondern auch schaftslehre der Universität von Sussex in Brighton. noch immer nicht die Arbeit aufnehmen konnte. Hier ist man• Am 24. Oktober 1945 Beamter im Ministerium für Stadt- und ches noch ungetan. Raumplanung in London, zugleich für die damalige Verwal• Die andere große Lücke fand sich in dem Feld der Entwick• tung der Vereinten Nationen für Hilfe und Rehabilitation lungsfinanzierung zu weichen Bedingungen. Das Bedürfnis (UNRRA) unter Bürgermeister La Guardia tätig, die ihren Sitz nach günstigeren Konditionen als denen, die von der Weltbank in London hatte. angeboten wurden, wurde bald offensichtlich. Es ist den Verein• ten Nationen, die dieses Bedürfnis erkannt hatten, zu verdan• ken, daß es internationale Beachtung fand und Maßnahmen der wirtschaftlichen Entwicklung zukommt, betont und die ergriffen wurden. Schon sehr früh, 1949/50, schlug der UN- Brücke geschlagen zum Weltkinderhilfswerk UNICEF (mit sei• Unterausschuß für wirtschaftliche Entwicklung unter dem Vor• ner Fürsorge für die Kinder und mit seiner Anerkennung von sitz von V.K.R.V. Rao aus Indien einen UN-Entwicklungsfonds deren Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung) ebenso vor. 1951 wiederholte die über >Maßnahmen zur wirtschaftli• wie zur Verwaltung der Vereinten Nationen für Hilfe und Reha• chen Entwicklung der unterentwickelten Länder< berichtende bilitation (UNRRA), die sich um Flüchtlinge und Verschleppte Sachverständigengruppe diesen Vorschlag und verlieh ihm eine kümmerte — beides wichtige Teile des Systems der Vereinten konkrete Form sowie quantitative Dimensionen2. In den fünfzi• Nationen zur Zeit seiner Gründung. ger Jahren wurden Pläne für einen Sonderfonds der Vereinten Es war nur natürlich, daß die Weltbank und der IMF die Bedeu• Nationen für wirtschaftliche Entwicklung (Special United Na• tung von Investitionen und Kapitalressourcen betonten und es tions Fund for Economic Development, SUNFED) geschmiedet den Vereinten Nationen überließen, die Rolle des menschlichen und im Laufe des Jahrzehnts in unzähligen Diskussionsrunden Potentials hervorzuheben. Im Zusammenhang damit entsand• und Debatten überarbeitet3. Als das Bedürfnis nach günstige• ten die Vereinten Nationen Sachverständige und vermittelten ren Konditionen durch die Bemühungen der Vereinten Natio• den unerfahreneren Ländern (besonders den afrikanischen und nen internationale Anerkennung gefunden hatte, war die anderen jüngst unabhängig gewordenen Staaten) Fachkennt• McCarthy-Periode in den Vereinigten Staaten zu Ende, und die nisse und Erfahrungen, boten unterschiedlichste Ausbildungs• liberalere Kennedy-Ära zeichnete sich bereits ab. Einmal mehr programme an, leisteten Beistand bei der Vorbereitung und jedoch wurden nicht die Vereinten Nationen mit den Hauptauf• Überwachung von Entwicklungsprojekten und dergleichen. Das gaben betraut, sondern die Weltbank, obwohl diese so lange Ergebnis ist, daß nunmehr das UNDP im Bereich der Techni-

Vereinte Nationen 5-6/85 163 sehen Hilfe nicht nur das größte Einzelprogramm ist — größer endung stellt einen Meilenstein in der Entwicklung des Pro• als jegliches bilaterale Vorhaben —, das ungefähr ein Drittel gramms dar. Im Zuge dieser Entwicklung wurden die Indikati- aller Ausgaben für Technische Hilfe auf sich vereinigt, sondern ven Planungsziffern (IPF) eingeführt, anhand derer die für auch eine entscheidende Koordinierungsrolle hat in Form der einen Planzeitraum von fünf Jahren voraussichtlich zur Verfü• >Gespräche am Runden Tisch< unter Vorsitz des UNDP (das gung stehenden Mittel unter die Empfängerländer aufgeteilt Gegenstück zu den Weltbankkonsortien und Konsultationsrun• wurden. Über diese Verteilung wird jeweils zwischen dem Län• den im Bereich der Finanzhilfe) sowie durch seine Länderver• dervertreter und der Regierung des Empfängerlandes verhan• treter — durch sie hat das UN-System schon fast ein Netz von delt. Das hat den Vorteil, daß der Beitrag der Vereinten Natio• Botschaftern in den Mitgliedstaaten. Genau wie die Vereinten nen mit den Entwicklungsplänen der Empfängerländer und den Nationen nun ihren 40. Jahrestag feiern, begeht das UNDP sei• von ihnen gesetzten Schwerpunkten in Einklang gebracht wer• nen 35. Geburtstag und betrachtet sich mit Recht als ein Haupt- den kann. Paradestück der Weltorganisation. Die Hauptinstrumente zur Leitung des Erweiterten Techni• Das Datum des 35. Jahrestages bezieht sich auf das Jahr 1950 schen Hilfsprogramms waren sein Verwaltungsrat, der aus Ver• als Ausgangspunkt. Tatsächlich finanzierten die Vereinten Na• tretern der beteiligten Organisationen und der UNO zusam• tionen schon vorher ein Programm für Technische Hilfe aus mengesetzt war, und der Ausschuß für Technische Hilfe, der ihrem regulären Budget. Aber der eigentliche Wendepunkt kam aus einer begrenzten Zahl von Staaten — ungefähr hälftig auf• 1949 mit der Antrittsrede Präsident Trumans, der 1945 als Vize• geteilt zwischen Geber- und Empfängerländern — bestand. präsident zunächst die Amtsnachfolge seines verstorbenen Vor• Diese Verwaltungsstruktur und Stimmenverteilung bewährte gängers Roosevelt angetreten hatte und 1948 nach eigener Kan• sich und wurde auch zu einem späteren Zeitpunkt vom UNDP didatur gewählt worden war. In Punkt vier seiner Antrittsrede übernommen. gab er seiner Absicht Ausdruck, ein großes Hilfsprogramm ins Während der fünfziger Jahre mit ihrer unvorteilhaften McCar• Leben rufen zu wollen, das zum Teil durch die Kanäle der Ver• thy-Atmosphäre entwickelte sich das EPTA nur sehr langsam. einten Nationen geleitet werden sollte5. Sehr schnell wurde Als sich jedoch die Dekade zum Ende neigte und einer vorteil• dann ein ehrgeiziger Plan für ein großes, >erweitertes< UN-Pro• hafteren Stimmung wich, wurden große Erweiterungen und gramm entwickelt. Bei intensiven und hektischen Beratungen Veränderungen vorgenommen. Während der Bereich der Finan• mit den Sonderorganisationen stellte sich heraus, daß man da• zierung zu weichen Bedingungen in Form der Internationalen für jährlich die damals enorm hoch erscheinende Summe von Entwicklungsorganisation (IDA) zur Weltbank kam, erhielten 100 Mill US-Dollar benötigen würde. Dieses ausgedehnte Pro• die Vereinten Nationen zur gleichen Zeit den Sonderfonds (Spe• gramm wurde 1950 vom Wirtschafts- und Sozialrat gebilligt, cial Fund), in dessen Bezeichnung der SUNFED-Gedanke der mußte aber auf einen Anfangssatz von 20 Mill Dollar gekürzt Finanzierung zu weichen Bedingungen (Sonderfonds!) einging. werden — doch auch unter diesen Umständen war es noch ein Als Teil dieser Vorschläge wurde eine neue Dimension Techni• bedeutendes Unternehmen für uns in den Vereinten Nationen. scher Hilfe verfochten, basierend insbesondere auf viel größe• Das Erweiterte Technische Hilfsprogramm (Expanded Pro• ren Projekten, langfristigeren Zusagen und Gründung geeigne• gramme of Technical Assistance, EPTA) wurde gebildet, und ter Institutionen in den Entwicklungsländern. Das Konzept, das David Owen, vormals Beigeordneter Generalsekretär für wirt• als geistige Grundlage für diese Erweiterung entwickelt wurde schaftliche Angelegenheiten, übernahm die Leitung. Daher also und einige Finanzmittel vor der Weltbank-Tochter IDA für die das Jahr 1950 und das 35-Jahres-Jubiläum. Das EPTA arbeitete Vereinten Nationen retten sollte, war das Konzept der >Vor- auf der Grundlage freiwilliger Beitragszahlungen. Dies ist bis Investition<7. Dieses hebt die besonderen Schwierigkeiten un• heute zugleich Stärke und Schwäche des UNDP (ebenso gere• mittelbar produktiv wirkender Kapitalinvestitionen in den Ent• gelt bei IDA, IFAD und WFP — im Unterschied zu IMF und wicklungsländern hervor und die entsprechende Notwendig• Weltbank, die auf Einzahlungen der Mitgliedsländer und Kre• keit, eine effektive Grundlage für solche Investitionen durch dite zählen können). den Ausbau der Infrastruktur, durch Institutionen, Datensamm• Eine große Schwierigkeit, mit der das EPTA von Anfang an zu lung, Gutachten, Forschung sowie Projektvorbereitung und kämpfen hatte, lag in den Beziehungen der Vereinten Nationen -Überwachung zu schaffen. zu den Sonderorganisationen, die die Abwicklung der einzelnen Die Gründung des Sonderfonds verdreifachte die Gesamtmittel Projekte für das EPTA besorgten, wie sie sie heute für das der Vereinten Nationen für Technische Hilfe, da der Sonder• UNDP übernehmen. Die Vereinten Nationen selbst übernah• fonds ungefähr doppelt soviel erhielt, wie gleichzeitig für das men die Ausführung nur in den restlichen Bereichen, die nicht EPTA zur Verfügung gestellt wurde. Aber vielleicht noch wichti• von Sonderorganisationen abgedeckt waren, wie etwa Industrie, ger als der quantitative Durchbruch war der qualitative, der Handel oder Energie. Ursprünglich war das Programm so kon• symbolisch in der Ernennung von Paul Hoffman zum Ge• zipiert, daß den Sonderorganisationen ein vorher festgelegter schäftsführenden Direktor des Sonderfonds zum Ausdruck Anteil der zur Verfügung stehenden Mittel zugeteilt wurde, wo• kam. Paul Hoffman hatte mehr als jeder andere getan, um für bei es jeder Sonderorganisation (beziehungsweise anderen be• eine bedeutendere Rolle der Vereinten Nationen einzutreten teiligten UN-Einrichtung) freigestellt war, entsprechend ihren und diese Idee zu fördern. Als früherer Verwalter der Mittel des eigenen Prioritäten und Kontakten zu den Regierungen ihren Marshallplans und führender amerikanischer Industrieller und Anteil auf verschiedene Länder und Projekttypen aufzuteilen. Bankier war er in der Regierung Kennedy hochgeschätzt und Anfangs nahmen nur sechs Organisationen teil. Im Laufe der von großem Einfluß. Niemand konnte behaupten, der Sonder• Zeit nahm ihre Zahl jedoch zu und beträgt zum jetzigen Zeit• fonds würde unter seiner Führung von blauäugigem Idealismus punkt 29. Mit 29 vH war der Anteil der FAO am größten6. geprägt oder in eine politische Arena verwandelt — Vorwürfe, Nach einigen Jahren wurde die Grundlage des Programms ge• die man benutzt hatte, um den SUNFED zunichte zu machen, ändert und von Anteilen der Sonderorganisationen zu Länder• und die dazu geführt hatten, daß statt des SUNFED die IDA anteilen übergewechselt. Dies bedeutete einen wichtigen gegründet worden war. Schritt vorwärts, hin zu größerer Effektivität des Programms, Fünf oder sechs Jahre lang existierten der Sonderfonds unter zu größerer Orientierung auf die ärmeren Entwicklungsländer. Paul Hoffman und das Erweiterte Technische Hilfsprogramm Auch die Koordinierungsrolle der Vereinten Nationen wurde unter David Owen nebeneinander, doch ihre schließliche Ver• dadurch sowohl auf globaler Ebene im Rahmen des EPTA und schmelzung aus Gründen effektiverer Verwaltung und besserer später des UNDP als auch auf regionaler Ebene verstärkt, Ausnutzung sowie Erweiterung der verfügbaren Mittel war indem den Ländervertretern des Programms Rolle und Status stets im Gespräch. Der Zusammenschluß erfolgte 1965 ohne verliehen wurde. Der Übergang ging nicht ohne Schwierigkei• Schwierigkeiten, denn Paul Hoffman und David Owen hatten es ten und Kontroversen vonstatten, doch seine erfolgreiche Voll• verstanden, eine Atmosphäre enger und harmonischer Zusam-

164 Vereinte Nationen 5-6/85 menarbeit zu schaffen. Paul Hoffman übernahm die Verwal• menschliche und produktive Potential, das in den Kindern der tung des neuen UNDP — dies war der Name, der dem Zusam• ganzen Welt verkörpert ist, zu sichern und zu entwickeln, läge menschluß von EPTA und Sonderfonds gegeben wurde —, und ein entscheidender Fortschritt zu unser aller Nutzen im Bereich David Owen wurde sein >Ko-Administrator<. Die Vereinten Na• des Möglichen. tionen verdanken diesen beiden Männern viel. Das WFP ist gemeinsam mit der FAO, die ihm in Rom ja recht Das UNDP ist ohne Zweifel ein ansehnlicher Erfolg der Verein• nahe ist, und dem UNDP auch als Zentrum und Hauptkoordina• ten Nationen. Es liefert nun — zusammen mit den von ihm ver• tor der Nahrungsmittelhilfe im Katastrophenfall in Erschei• walteten Treuhandfonds — Technische Hilfe etwa in der Grö• nung getreten. Es ist nicht nötig, die Bedeutung dieser neuen ßenordnung von 1 Mrd Dollar. Dies bedeutet allerdings nicht, Rolle hervorzuheben. Die Internationale Nahrungsmittel-Not• daß es keine Probleme gibt. Die finanziellen Beiträge scheinen reserve ist eine der wenigen UN-Unternehmungen, die ihr Bei• auf einer bestimmten Höhe eingefroren zu sein, und es sieht so tragsziel erreicht, ja sogar übertroffen haben. Dies alles sind aus, als seien neue Initiativen und eine Verbesserung des inter• Zeichen dafür, daß die Nahrungsmittelhilfe in nächster Zukunft nationalen politischen und wirtschaftlichen Klimas erforder• ansteigen und das WFP noch mehr an Bedeutung gewinnen lich, um auch nur das Wachstum der siebziger Jahre wieder zu wird. Der potentielle Beitrag der Nahrungsmittelhilfe zur Er• erreichen. Wenn man für das UNDP ein vielversprechendes nährungssicherheit, dem Wohlergehen der Kinder und der Un• Gebiet für die Zukunft finden wollte, so würde dies in Richtung terstützung der wachsenden Lebensmittelproduktion in den seiner länderübergreifenden Aktivitäten zu suchen sein. Diese Entwicklungsländern wird gerade erst erschlossen. umfassen nicht nur regionale, sondern auch globale Projekte, Diese Meinung wird allerdings nicht überall geteilt, denn es wie beispielsweise die Förderung landwirtschaftlicher For• besteht immer noch die Befürchtung, daß Nahrungsmittelhilfe schung und Entwicklung durch die Beratergruppe für interna• den gegenteiligen Effekt auf die örtlichen Lebensmittelprodu• tionale landwirtschaftliche Forschung (CGIAR) mit einem Netz zenten und Regierungen haben könnte. Es ist wichtig, solche von 13 Forschungszentren in den Entwicklungsländern, die die Gefahren zu vermeiden, doch einmal mehr ist dies leichter auf für die jeweilige Gegend angemessenen Verbesserungen der der multilateralen Ebene — durch das WFP — zu bewerkstelli• landwirtschaftlichen Produktion fördern. Man würde es gerne gen als durch bilaterale Hilfe. sehen, wenn dieser Art Arbeit in Zukunft verstärkt Unterstüt• zung gewährt würde, die über die 15 vH der Mittel hinausginge, die das UNDP zur Zeit für länderübergreifende Projekte bereit• stellt — etwa für Verbesserungen beim Anbau lebenswichtiger Schon auf den ausgewählten Feldern, die wir hier behandelt Feldfrüchte wie Sorghum, Hirse oder Kassawa in Afrika und haben — UNDP, WFP, UNICEF —, gibt es also weite Bereiche, die Zucht dürrebeständiger Sorten und ökologischer Systeme. in denen das Potential der Vereinten Nationen in Zukunft noch Die Tatsache, daß das UNDP als Teil der Vereinten Nationen besser ausgeschöpft werden könnte. Dies trifft noch stärker zu der Kontrolle nationaler Regierungen unterliegt, ist vielleicht auf die Gewinnung — oder besser Wiedergewinnung — einer ein Hindernis bei diesem Ansatz. Aber man darf hoffen, daß leitenden Funktion der Weltorganisation auf dem Sektor der seine Vorteile und Nutzen so offensichtlich sind, daß dieses Weltwirtschaft, etwa bei den Nord-Süd-Verhandlungen und Handikap in Zukunft überwunden werden kann. beim internationalen Schuldenproblem. Derlei steht allerdings zur Zeit unter einem ungünstigeren Omen als die Entwicklung der bloß operativen Aktivitäten. Möglicherweise wird dieser Ernährungssicherheit neue Aufschwung bis zu einer Zeit reduzierter Ost-West-Span• nung und einer möglichen Umleitung der in die Rüstung ge• Die Entwicklung der Nahrungsmittelhilfe unter dem Welter• steckten Ressourcen zur Verwendung für Zwecke der Entwick• nährungsprogramm von UNO und FAO in Rom spiegelt die lung — worauf wir alle hoffen! — zu warten haben. Geschichte eines ähnlichen Erfolges wider, kann freilich hier nicht ausführlich behandelt werden. Nahrungsmittelhilfe wird seitens des WFP in ungefähr dem gleichen finanziellen Wert Anmerkungen gewährt wie Technische Hilfe seitens des UNDP. Sie beträgt 1 Der Verfasser dieses Beitrags nahm als eine seiner ersten Aufgaben als UN- schätzungsweise ein Viertel der gesamten Ernährungshilfe. Bediensteter auf Seiten des Sekretariats an den Havanna-Verhandlungen teil. Vielleicht noch wichtiger ist, daß das das WFP verwaltende 2 Die Sachverständigengruppe hatte als amerikanische und britische Vertre• Regierungsvertretergremium — der Ausschuß für Politiken ter zwei einflußreiche Wirtschaftswissenschaftler, die später gemeinsam den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhielten: Arthur Lewis für und Programme der Nahrungsmittelhilfe (CFA) — auch für die Großbritannien und Ted Schultz für die USA. weltweite Koordinierung aller Nahrungsmittelhilfe verantwort• 3 Der Vorsitzende des wichtigsten mit dem SUNFED befaßten Gremiums war lich ist und das globale Diskussionsforum für Fragen der Er• der birmanische Delegierte U Thant, danach Generalsekretär der Vereinten Nationen. nährungshilfe darstellt. 4 Detailliertere Informationen bei Hans W. Singer, The terms of trade contro• Das Welternährungsprogramm wurde ungefähr zur gleichen versy and the evolution of soft financing: early years in the UN, in folgender Weltbank-Veröffentlichung: Gerald M. Meier/Dudley Seers (Hrsg.), Pioneers Zeit ins Leben gerufen wie das UNDP. Anfangs wurde das WFP in Development, New York usf. (Oxford University Press) 1984, S.296-303. absichtlich auf Einzelprojekte von Nahrungsmittelhilfe be• 5 Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie David Owen — damals verant• wortlich für die Wirtschaftsabteilung des UN-Sekretariats, später Leiter des schränkt, um es möglichst klein zu halten und einem Wettbe• EPTA und schließlich Ko-Administrator des UNDP —, mich an dem Tag in werb mit dem großen amerikanischen Nahrungsmittelhilfepro• großer Aufregung im Büro anrief. Er hatte im Radio Trumans Rede gehört. gramm (Public Law 480) vorzubeugen, das damals von sogar Wir setzten uns sofort zusammen, um zu überlegen, wie man auf das Ange• bot des Präsidenten antworten könnte. noch beherrschenderer Bedeutung war als heutzutage, da es 6 Ich erinnere mich gut daran, wie diese Anteile im Wirtschafts- und Sozialrat seitens der Europäischen Gemeinschaft einen Konkurrenten festgelegt wurden. Jedes Ratsmitglied schrieb auf ein Stück Papier seinen eigenen Vorschlag für den Anteil der verschiedenen durchführenden Orga• erhalten hat. Jedenfalls hat das WFP aus der Not eine Tugend nisationen — FAO, WHO, ILO, UNESCO, die UNO selbst, etc. —, und es fiel gemacht und eroberte sich eine in Effektivität und Erfahrung mir als dem Sekretär des Treffens zu, diese Zettel zu sammeln und den Durchschnitt zu bilden, um die endgültigen Anteile auszurechnen. Die Ver• führende Position im Bereich der Projekthilfe. Unter diesen treter der Sonderorganisationen umwarben die Delegierten eifrig vor und Unternehmungen gibt es >Nahrung-für-Arbeit<-Projekte, Pro• sogar während dieses Prozesses, um für ihre jeweiligen Organisationen jekte zum Nutzen von Müttern und Kindern durch Schulspei• größtmögliche Anteile zu bekommen. Herr McDougall von der FAO war in dieser Beziehung besonders aktiv und bestand darauf, mich zu meinem sungen sowie die Unterstützung von Kliniken für Mütter und Büro im Genfer UN-Gebäude zu begleiten, um bei der Auszählung und der Kinder. Im letztgenannten Bereich findet natürlich eine enge Errechnung des Durchschnitts persönlich anwesend zu sein. Es war also von Anfang an klar, daß das EPTA auf dem gegenseitigen Vertrauen zwi• Zusammenarbeit zwischen WFP und UNICEF statt. Wenn die schen den Vereinten Nationen und den Sonderorganisationen beruhte! Mittel von UNDP, WFP, UNICEF und nun auch des Sonder• 7 Siehe Hans W. Singer, International Development: Growth and Change, fonds für Afrika, den die Weltbank eingerichtet hat, in wir• Kapitel2: An example of the new pragmatism: toward a theory of preinvest- ment, New York (McGraw-Hill) 1964, S.18-25, sowie die Einleitung zu diesem kungsvoller Zusammenarbeit vereint werden könnten, um das Buch von Paul Hoffman.

Vereinte Nationen 5-6/85 165 Uber Menschenrechte

Persönliche Erinnerungen an eine internationale Entwicklung KARL JOSEF PARTSCH

i Im Oktober 1945, glücklich in die Freiheit entlassen, fand ich mit Mühe den Text der UNO-Charta, um zu sehen, was da über Schlaglicht aus einem Oberkommando der Marine Ende April Menschenrechte stand. Von Zielen und Aufgaben las ich da, 1945 am Alpensüdrand: aber auch von der Unverletzlichkeit der Staatensouveränität. Ordonnanz zum Dolmetscher: »Wo bleibt der Bericht über die englischen Das wollte ich genauer wissen. Wie paßt das zusammen? Eigent• Sender? Der Alte hat schon danach gefragt.« Antwort: »Die haben heute lich sollten doch die Menschen, die nun so harte Worte über das länger gebraucht. Zuerst kam das Treffen in San Franzisko.« — »Davon will keiner was hören. Was zu Hause los ist, wollen sie wissen. Der Asto Gewaltregime und die Pflicht zum Widerstand dagegen fanden, vom Dienst zittert schon um seine Familie. Aus Berlin kommt ja nichts uns das nun vorleben. War das Sonderregime, unter dem wir mehr Genaues.« lebten, von diesen Gedanken geprägt? Gab es da Spuren von Als das Kommando ins Hochgebirge verlegt wurde, kam mein Menschenrechten? Meine Gedanken konnte ich zwar in einem Empfänger nicht mit. So waren wir von Nachrichten abge• Seminar an der Universität vortragen, fand dann aber keinen schnitten, doch erfuhren wir vom Waffenstillstand in Italien am Verleger, der sie auch zu veröffentlichen wagte. »Ich kann doch 2.Mai. Kommissionen sollten zur >Royal Navy< gehen. Ich kam meine Lizenz nicht verspielen«, sagte mir einer, »die machen zu einer, die (im letzten Augenblick unter Beschuß vom Land mir glatt den Laden dicht.« Schließlich fand sich doch ein ande• aus geworfene) Minen aus italienischen Häfen räumen sollte. rer, der meine Gedanken druckte1. Mit allen möglichen Geräten rückten wir den Ungeheuern zu Weiter habe ich gebohrt: Erlaubt es das zwischen den Staaten Leibe: mit Hohlstäben, Lärmbojen, auch einem kleinen Zeppe• bisher geltende Recht überhaupt, dem einzelnen Menschen lin. In Genua wurden die Engländer ungeduldig. Sie brauchten Rechte gegenüber seinem eigenen Staat einzuräumen? Kann den Hafen. Gegen alle Warnungen schickten sie ein großes die Organisation der Vereinten Nationen den Auftrag einlösen, Minensuchboot in den Hafen. Auch wir sollten einsteigen, doch eine internationale >Bill of Rights< zu beschließen, ohne gegen weigerten wir uns und beriefen uns auf die Genfer Konventio• grundlegende Prinzipien zu verstoßen? Julian Huxley, der erste nen. Das zog erstaunlicherweise, doch mußten wir von der Pier Generaldirektor der Organisation der Vereinten Nationen für aus mitansehen, wie das Boot mit 27 englischen Seeleuten in Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO), hatte darüber die Luft flog. Keiner überlebte. Es hat uns tief beeindruckt, daß eine Umfrage bei den Geistesgrößen der Welt eingeleitet und unsere Argumente bei der Vernehmung honoriert wurden und sehr unterschiedliche Antworten erhalten, die in einer der we• wir unbehelligt blieben. Menschenrecht oder Standesrecht, nigen damals zugänglichen Publikationen aus der großen Welt fragten wir uns. Waren das dieselben Leute, deren Vertreter abgedruckt wurden2. Der Idealist Quincey Wright antwortete sich in San Franzisko sperrten, den Wünschen von Roosevelt positiv, aber dagegen standen doch die recht skeptischen Ant• nachzugeben und in die Charta etwas über die Achtung von worten von Benedetto Croee und auch von Mahatma Gandhi. Menschenrechten aufzunehmen? — Die Verwirrung wurde Von unterschiedlichen Positionen aus meldeten sie Zweifel an. noch größer, als uns bald im amerikanischen Gefangenenlager Als ich darüber berichtete, mußte ich meinem Artikel interna• in Pisa verwehrt wurde, den Angehörigen auf der Rote-Kreuz- tionale Menschenrechte«3 ein dickes Fragezeichen beifügen. Karte mitzuteilen, daß wir noch lebten. Mit unserem Staat sei Das geschah freilich, bevor die Universelle Erklärung der Men• das Recht untergegangen, das zu tun. Hat der Mensch denn schenrechte angenommen war und die internationale Wissen•

Rechte nur von seinem Staat? schaft sich des Problems gründlich annahm4.

II

Diese Erklärung hat einen entscheidenden Einfluß auf das deutsche Verfassungsrecht ausgeübt. Bei der Formulierung des Grundrechtsteiles lag sie dem Parlamentarischen Rat als Parla•

mentsdrucksache vor5 und wurde als Modell eifrig benutzt. Nicht nur das Bekenntnis zu unveräußerlichen Menschenrech• ten geht auf sie zurück, sondern auch eine ganze Reihe von For• mulierungen des Katalogs, nicht zuletzt die Garantie des >We-

sensgehalts<6. In der Kommentarliteratur ist davon freilich nicht viel die Rede. Diese starke Anlehnung hat aber sicher Dr. Karl Josef Partsch, auch dazu beigetragen, daß kein internationales Organ bisher geb. 1914 festgestellt hat, daß das Grundgesetz unter dem internationalen in Freiburg, Standard bleibe. war im Zweiten Weltkrieg Soldat. In den fünfziger Jahren war Der bald aufgenommene Plan einer europäischen Menschen• er zunächst im Auswärtigen Dienst tätig; 1957 wurde er auf rechtskonvention7 fand in Deutschland schnell ein lebhaftes einen Lehrstuhl für Öffentliches Recht an der Universität Kiel Echo, obwohl die Bundesregierung an ihrer Ausarbeitung noch berufen, lehrte später in Mainz und kam 1966 an die Universität nicht beteiligt war. Doch befaßte sich der Rechtsausschuß der Bonn, wo er bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1979 Ordina• Europäischen Bewegung unter dem Vorsitz von Karl Geiler rius für Öffentliches Recht und Direktor am Institut für Völker• bald mit den Entwürfen und prüfte sie kritisch. Gemeinsam mit recht war. Der Universität Bonn stand er 1968/69 als Rektor vor. H. L. Brill als Berichterstatter versuchte ich zu zeigen, daß der Dem Ausschuß für die Beseitigung rassischer Diskriminierung auf einen Titelkatalog beschränkte Entwurf der Beratenden (CERD) gehört er seit 1970 an. Langjähriges Vorstandsmitglied Versammlung weit hinter der Universellen Erklärung zurück• der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen, 1977- blieb und daher problematisch war. Bekanntlich hat der Sach• 1979 Vorsitzender; seit 1983 gehört er ihrem Präsidium an. verständigenausschuß des Ministerrats dann sogar die Vorar• Am 24. Oktober 1945 Dr. iur. (1937 promoviert) und Student in beiten in den Organen der Vereinten Nationen für einen Men• Bonn. schenrechtspakt über bürgerliche und politische Rechte weitge• hend übernommen, während die sozialen, wirtschaftlichen und

166 Vereinte Nationen 5-6/85 kulturellen Rechte in einen besonderen Vertrag verwiesen wur• diese Diskussion jedoch nicht abgeschlossen. Als ich 1967 zum den, der erst Jahre später als Europäische Sozialcharta< zu• ersten Mal an einem Seminar der Vereinten Nationen teilnahm, standekam. stand das Problem der Verwirklichung der sozialen Menschen• Zwei Umstände sind an diesem Vorgang bemerkenswert. Einer• rechte auf der Tagesordnung und es konnte nicht ausbleiben, seits der enge Anschluß an die Bestrebungen auf der Weltebe• daß dabei — zumal in Warschau — das Problem ihrer Rangord• ne. Die regionale Staatengemeinschaft mit einem hohen nung im Verhältnis zu den Freiheitsrechten angeschnitten wur• Rechtsstandard verzichtete darauf, ihn dem Weltstandard ge• de. Ein entschiedener Vorrang wurde für sie verlangt und es genüberzustellen und die eigene Überlegenheit zu zeigen. Die• konnte schon als Erfolg angesehen werden, daß der Genius loci ses Vorgehen zur Aufrechterhaltung eines einheitlichen Welt• sich nicht durchsetzte10. standards sollte den Eurozentristen zu denken geben, welche Noch immer ist das Thema nicht zur Ruhe gekommen. Es ist nur die von den europäischen Staaten eingegangenen Ver• nicht erstaunlich, daß Ideologen sich an den getrennten Lösun• pflichtungen ernst nehmen wollen, während auf der Weltebene gen stoßen. Das gehört in den Bereich der Auseinandersetzung allenfalls eine verbale Übereinstimmung bestehe, hinter der zwischen Freiheit und Gleichheit. Bedenklich aber sind Bestre• sich kaum überbrückbare Gegensätze verbürgen. bungen, die beiden Kategorien von Rechten demselben Schutz• Gewiß, die Europäische Konvention baut den Schutz stärker system zu unterwerfen, wie sie sich sogar in Europa Gehör zu aus und begnügt sich nicht mit zaghaft ausgestalteten politi• verschaffen versuchen. Das Schutzsystem für die Freiheits• schen Sanktionen. Sie dringt zu einem Gerichtshof vor, der sich rechte kann allenfalls auf Diskriminierungen auf dem Gebiete inzwischen auch eine bemerkenswerte Autorität zu sichern der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechte ausge• wußte. Dieses Ziel wurde aber zunächst auch auf der Weltebene dehnt werden, nicht aber auf politische Ziele wie die Vollbe• verfolgt und scheiterte zur großen Enttäuschung seiner Ver• schäftigung oder die Gewährleistung eines ausreichenden Le• fechter. Als man es in Europa anvisierte, glaubte man noch, sich bensstandards. im Einklang mit den Bestrebungen auf der höheren Ebene zu IV befinden. Das zweite bemerkenswerte Element dieses europäischen Wer• Diese Gedanken über das Verhältnis zwischen dem universel• kes ist die Beschränkung auf die klassischen Freiheitsrechte, len und einem regionalen System sind aus der Zeitfolge ausge• also den Schutz der Privatsphäre des einzelnen gegen den brochen. Staat, während die Ansprüche auf positive Staatsleistungen auf Nachdem die Universelle Erklärung auf der Generalversamm• sozialem, wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet zunächst lung der Vereinten Nationen in Paris am 10. Dezember 1948 ausgesondert wurden. angenommen worden war, konzentrierte sich die Aufmerksam• keit darauf, wie es wohl gelingen möge, diese Erklärung in ein rechtsverbindliches völkerrechtliches Instrument umzugießen. III Das Material über diese mühsamen und langwierigen Beratun• Es ist schon bei den Arbeiten auf der europäischen Ebene — gen in verschiedenen Organen erschloß schon in den frühen vor allem in der Beratenden Versammlung — der Verdacht fünfziger Jahren der unermüdliche Roger Baldwin, Gründer der geäußert worden, diese Unterscheidung zwischen verschie• > International League for the Rights of Men< in New York, einer denen Kategorien von Rechten sei Ausfluß einer bestimmten ganz auf private Initiative gestützten Organisation, zu der in ideologischen Konzeption. So vor allem von den irischen Sozia• Frankfurt auf Anregung des Mannheimer Oberbürgermeisters listen, denen aber der französische Jurist P. H. Teitgen ent• H. Heimerich eine deutsche Parallelorganisation, der >Bund für schieden entgegentrat. Es handle sich nicht darum, die Charta Bürgerrechte<, gegründet wurde. Der Schwerpunkt ihres Wir• eines überholten Liberalismus wiederaufzurichten, sondern zu• kens lag in der Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen im nächst einmal diejenigen Rechte wirkungsvoll zu sichern, die Inland, aber sie verfolgte doch aufmerksam den Fortgang auf

einem gerichtlichen Verfahren zugänglich wären8, während der internationalen Ebene und berichtete darüber auch in ihrer man sich später dann der Aufgabe unterziehen müsse, auch für Monatsschrift >Recht und Freiheit (1949-1954). Die Arbeit an die sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechte die geeig• den konkreten praktischen Fällen vermittelte mir die notwen• nete Form zu finden, was dann ja auch tatsächlich geschah. dige Anschauung, um auch bei der Behandlung theoretischer Dasselbe Problem hat auch die Menschenrechtskommission Fragen den Kontakt mit der Wirklichkeit nicht zu verlieren und der Vereinten Nationen beschäftigt, die zu einer ähnlichen Lö• auf der Erde zu bleiben11. sung gelangte: kein einheitlicher Pakt für die beiden Katego• Nur allzu verständlich ist es, daß sich das Interesse der Öffent• rien von Rechten, sondern getrennte Intrumente mit unter• lichkeit und auch der juristischen Fachwelt verstärkt den euro• schiedlichen Schutzsystemen. Der Gedanke stammte nicht päischen Organen zuwandte, nachdem im Juli 1955 die Europäi• etwa von dem eines veralteten Liberalismus verdächtigen Euro• sche Menschenrechtskommission und 1960 der Europäische Ge• pa, sondern von der indischen Delegation. Es leuchtete ein, die richtshof für Menschenrechte ihre Spruchpraxis aufgenommen beiden Kategorien von Rechten nicht nach ideologischen Wert• hatten. Auch nationale Gerichte — vor allem in der Bundesre• systemen einzuordnen, sondern ausschließlich unter dem Ge• publik Deutschland, Belgien, den Niederlanden und Österreich sichtspunkt eines ihnen adäquaten Schutzsystems unterschied• — begannen von der Europäischen Konvention Kenntnis zu

lich zu behandeln: Freiheitsrechte, die man etwas blaß »bürger• nehmen und sie ihren Urteilen zugrunde zu legen12. Diese Ent• liche und politische Rechte« nannte, tragen einen gerichtlich wicklung nahm auch meine Aufmerksamkeit völlig in An• oder doch mindestens quasi-judiziell verfolgbaren Rechtsan• spruch. spruch gegen den Staat. Ansprüche auf positive Staatsleistun• Konkrete Fälle von Menschenrechtsverletzungen und ihre Be• gen verlangen ein flexibleres System, das e^ erlaubt, dem Um• handlung durch eine internationale Instanz sind in ganz ande• stände Rechnung zu tragen, daß Ausmaß und Umfang der zu rer Weise geeignet, Anteilnahme zu wecken als die Ausarbei• gewährenden Leistungen noch nicht feststehen, sondern unter tung oder Annahme des besten Instruments des Menschen• Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Staates flexibel zu rechtsschutzes. Es kam hinzu, daß die Straßburger Jurisdiktion bemessen sind. Als diese Diskussion in den Vereinten Nationen immer wieder auf die nationalen Gesetzgeber einwirkte, um sie stattfand9, konnte sie in unserem Lande noch nicht mit stärke• zur Angleichung der nationalen Rechtsordnung an den interna• rer Beachtung rechnen. Ereignisse in New York standen noch tionalen Standard anzuhalten. sehr fern und nur allzu leicht war das Argument bei der Hand, Im Bereich der Vereinten Nationen wurde damals immer un• was kümmerten uns Ereignisse in einer Organisation, der wir wahrscheinlicher, der in der Charta erteilte Auftrag könne in nicht angehörten und nicht einmal erwünscht gewesen wären. absehbarer Zeit erfüllt werden. Gewiß tagte die schon 1946 ein• Mit der Entscheidung für die beiden getrennten Pakte war gesetzte Menschenrechtskommission regelmäßig und bemühte

Vereinte Nationen 5-6/85 167 sich um die Fertigstellung der beiden Pakte — ohne daß sie in sammeln können. Als es noch nicht sicher war, ob die beiden der Lage gewesen wäre, akzeptable und zugleich mehrheitsfä• Pakte jemals zustandekämen, war ein begrenztes Teilgebiet hige Ergebnisse zu erzielen. Ihre Unterkommission zum Schutz aus ihnen vorgezogen und in einer besonderen Konvention ge• von Minderheiten führte schrittweise ein Petitionssystem ein, regelt worden. Aus welchen Gründen die Beseitigung aller For• das aber zunächst nur zur Materialsammlung über flagante men der Rassendiskriminierung diese Behandlung erfuhr, wird Menschenrechtsverstöße in einzelnen Mitgliedstaaten führte, unterschiedlich beurteilt. Wiederaufleben antisemitischer Be• ohne im konkreten Fall Abhilfe zu schaffen. strebungen, sagen die einen, während andere auf die Auseinan• dersetzungen mit Südafrika über dessen Apartheidpolitik ver• V weisen. Für die zweite Auffassung spricht die spontane Bereit• schaft zahlreicher junger Staaten — besonders aus Afrika —, Erst durch die Internationale Menschenrechtskonferenz in Te• eine gesonderte Konvention auszuarbeiten, zu beschließen und heran 1968 kam wieder etwas Bewegung in die Menschen• schnell zu ratifizieren. Mit 124 Ratifikationen hat dieses Inter• rechtsfrage. Die Bundesregierung hatte der Veranstaltung zu• nationale Übereinkommen zur Beseitigung aller Formen von nächst keine größere Bedeutung beigemessen und glaubte sich rassischer Diskriminierung (CERD) jetzt im Rahmen der Ver• durch einen bescheidenen Professor als Experten ausreichend einten Nationen die meisten Vertragsstaaten. Schon im Mai vertreten. Als dann aber hochrangige Politiker als Delegations• 1969 — lange vor dem Beitritt zur Weltorganisation — gesellte leiter angekündigt wurden, erhielt auch die deutsche Delega• sich die Bundesrepublik Deutschland zu ihnen. Sie präsentierte tion größeres Gewicht. Schließlich wurde der Bundesjustizmini• auch einen Kandidaten zur Wahl in das Überwachungsorgan. ster, damals Gustav Heinemann, ihr Leiter. Über die Vorberei• Die Wahl fiel auf mich. tung fanden Gespräche statt. Ein neues Menschenrecht solle vorgeschlagen werden, möglichst das Recht auf die Heimat. Ich Ein neuer Typ wurde mit dem Ausschuß zur Beseitigung der warnte. Die beiden Menschenrechtspakte seien vor zwei Jahren Rassendiskriminierung geschaffen. Nicht Regierungsvertreter zur Ratifikation aufgelegt worden, doch sei noch nicht einmal sollten die Durchführung der Konvention überwachen, sondern ein mittelgroßer Staat der Aufforderung gefolgt. Kündige jetzt 18 unabhängige Sachverständige, zwar von ihren Staaten prä• unser Vertreter die Unterzeichnung mit daran anschließender sentiert, ohne aber ihren Weisungen unterworfen zu sein und Ratifikation an, werde das stärker wirken als die Idee eines ohne von ihnen abberufen werden zu können. Allein aus dem neuen Menschenrechts. Mein Vorschlag wurde angenommen, Vertragswerk sollten sie ihre Befugnisse ableiten. Bei Antritt Heinemann im Kabinett ermächtigt, die Erklärung abzugeben, ihres Amtes haben sie das auch feierlich zu erklären, ähnlich und er erzielte damit den erwarteten Erfolg. Rene Cassin, der wie die Richter des Internationalen Gerichtshofs, obwohl ihre bedeutende französische Jurist und gleichsam Vater der inter• Unabhängigkeit nicht in ähnlicher Weise wie bei diesen recht• nationalen Menschenrechte, war tief gerührt, daß die Ankündi• lich gesichert ist. gung von dieser Seite kam. Sie hat zwar eine ganze Reihe ande• Die Hauptaufgabe dieses Ausschusses ist die Prüfung periodi• rer Delegationen dazu angespornt, sich ähnlich zu äußern, doch scher Staatenberichte über die Durchführung des Übereinkom• hat es noch bis 1976 gedauert, bis die beiden Pakte in Kraft tre• mens. Aus ihnen soll nicht nur hervorgehen, daß die Staaten ten konnten. Jetzt hat erst die Hälfte der Mitgliedstaaten der selbst sich jeder Diskriminierung auf Grund von Rasse, Farbe Vereinten Nationen sie ratifiziert. und ethnischer Herkunft — der Begriff ist also weit gefaßt — enthalten, sondern daß sie solche Handlungen auch durch Ein• Eine zweite Wirkung hatte die Konferenz von Teheran für das zelpersonen verhindern und gewisse Verstöße unter Strafe stel• Kriegsrecht. Bis dahin galt, so etwas brauche man nicht mehr, len. seitdem der Krieg und jede Gewaltanwendung von der Charta In welcher Weise diese Prüfung durchzuführen ist, steht nicht untersagt seien. Der Sechstagekrieg hatte diese Illusion zer• in der Konvention. Da zunächst nur sehr lakonische Berichte stört. Achtzig Prozent der Plenardebatten in Teheran spielten der Vertragsstaaten eingingen, sah es der Ausschuß als seine sich zwischen arabischen Staaten und Israel ab. Aufgabe an, ihnen Richtlinien für die Gestaltung der Berichte Das UN-Sekretariat hatte das geistige Rüstzeug geliefert. Wäh• zu geben. Unbefriedigend war aber, daß das Ergebnis der Prü• rend bis dahin das in den Genfer Rote-Kreuz-Konventionen fung den Staaten lediglich schriftlich mitgeteilt werden sollte. kodifizierte Standesrecht der Soldaten scharf von den allgemei• Als 1971 der erste Bericht der Bundesregierung zur Prüfung nen Menschenrechten geschieden wurde, sollte nun die Vokabel anstand, schlug ich vor, nach dem Vorbild des Treuhandrats vom »Menschenrecht in bewaffneten Konflikten« die Brücke und im Interesse der Gleichheit der Vertragsstaaten in Zukunft schlagen und den Weg zu einer Anpassung des humanitären Staatenvertreter zur Präsentation ihrer Berichte einzuladen Völkerrechts an den technischen Fortschritt und den politi• und auch zur Beantwortung von Fragen. Das trug mir zunächst schen Wandel vom Krieg zum Bürgerkrieg ebnen. So wurden eine Rüge des Vorsitzenden ein, dieser Vorschlag habe keine die Voraussetzungen für die Diplomatische Konferenz zur Neu• Grundlage in der Konvention. Dadurch ließ ich mich jedoch bestätigung und Weiterentwicklung des humanitären Rechts in nicht entmutigen, sondern wiederholte den Vorschlag mehr• bewaffneten Konflikten (1974—1977) geschaffen, die nicht nur fach. Die Vorsitzende des 3. Hauptausschusses der Generalver• eine Symbiose von Menschenrecht und humanitärem Völker• sammlung griff ihn anläßlich der Erörterung des Jahresbe• recht ermöglichte, sondern darüber hinaus eine gegenseitige richts auf, und auf dieser Grundlage wurde die Herstellung Befruchtung. Anders als bei sonstigen Staatenkonferenzen trug eines Dialogs mit den Vertragsstaaten beschlossen. Dieser hat dort die Hauptlast der Vorbereitung eine nichtstaatliche Orga• sich inzwischen zu einem allgemeinen und sehr wichtigen Ele• nisation, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz. Es ment des Menschenrechtsschutzes entwickelt. wirkte auch auf der Konferenz anregend und gestaltend mit. Sachverständige aus den nationalen Rote-Kreuz-Gesellschaften gehörten zahlreichen Delegationen an und besaßen als Teilneh• VII mer an eigenen Vorbereitungsarbeiten eine überragende Sach• kunde. Auch ich selbst war von dem Deutschen Roten Kreuz für dieses Rechtsgebiet, dem ich sonst fernstand, gewonnen wor• Im Gegensatz zu dem System in Europa fehlt in den Vereinten den. Seine Bedeutung war mir allerdings schon 1945 durch das Nationen die Autorität eines Richterspruchs, der eine Men• Erlebnis in Genua drastisch vor Augen geführt worden. schenrechtsverletzung feststellt. Die Vertragsstaaten müssen davon überzeugt werden, daß bei ihnen ein Mißstand besteht oder eine Verpflichtung nachzuholen ist. Schriftlich übermit• VI telte Vorschläge oder Empfehlungen vermögen das nur schwer Zu dieser Zeit hatte ich schon mehrere Jahre lang praktische zu erreichen, selbst wenn ihnen durch eine Erörterung in der Erfahrungen im Menschenrechtsschutz der Vereinten Nationen Generalversammlung Nachdruck verliehen wird. Wird hinge-

168 Vereinte Nationen 5-6/85 gen dem Staatenvertreter im Wechselgespräch klargemacht, VIII welche Verpflichtungen noch nicht voll erfüllt sind (und warum sie zu erfüllen sind), wächst die Chance, daß dieser die heimi• Das Gesamtbild des Menschenrechtsschutzes in den Vereinten schen Staatsorgane auf diese Mängel hinweist und sie die not• Nationen wäre unvollständig ohne ein Wort über die Sonderor• wendigen Maßnahmen ergreifen, um im nächsten periodischen ganisationen und auch über die regionalen Institutionen außer• Bericht einen Erfolg melden zu können. So ist es dem Ausschuß halb Europas. in zäher Kleinarbeit gelungen, mehr als die Hälfte der Vertrags• In einer weit zurückreichenden Praxis hat die Internationale staaten zu bewegen, die Aufreizung zum Rassenhaß, rassisti• Arbeitsorganisation (ILO) eine wohldurchdachte Arbeitsme• sche Gewaltmaßnahmen und die Anstiftung dazu unter Strafe thode entwickelt, die sich auf alle unter ihrer Ägide abgeschlos• zu stellen, Minderheiten zum Wahlrecht zu verhelfen (indem senen Übereinkommen bezieht, aber auch die Konvention über eine Prüfung in der Staatssprache fallengelassen wurde), be• die Diskriminierung im Arbeitswesen einschließt. Bei dieser sondere Organe zum Schutz von Minderheiten — wie etwa der Arbeitsmethode ist der unabhängige Sachverstand völlig von Urbevölkerung in Australien — anzuregen ebenso wie die Ein• der politischen Auseinandersetzung mit dem Vertragsstaat ge• richtung von Schlichtungsorganen und schließlich auch zu er• trennt, dessen Handlungen überprüft werden. Die Berichte der reichen, daß den jungen Leuten in den Schulen und auch Er• Sachverständigen, die über Jahre hinweg für bestimmte Sach• wachsenen in besonderen Kursen Verständnis für andersartige gebiete, aber auch für bestimmte Staatengruppen zuständig Mitbürger nahegebracht wird. sind und daher einen bedeutenden Einblick erwerben, bieten Es dauert manchmal Jahre, bis das erreicht wird, wäre aber ein aufschlußreiches Bild von den Verhältnissen in den Staaten, ohne den ständigen Dialog mit den Vertragsstaaten kaum denk• über die berichtet wird. Die sachliche Beurteilung wird kaum bar. Einwände müssen ausgeräumt werden wie beispielsweise durch politische Einflüsse getrübt. jener, daß Lenin und Mohammed gegen die Rassendiskriminie• Die Arbeit der UNESCO auf diesem Gebiet kenne ich aus eige• rung gewesen seien und sie daher schon in Ländern, die ihren ner Anschauung, da ich ihrem Ausschuß für Konventionen und Lehren folgten, nicht vorkommen könne. Es wird auch geltend Empfehlungen (CRE) seit mehreren Jahren angehöre. Zunächst gemacht, das Thema sei besser nicht anzurühren, um keine war dieser Ausschuß nur dafür zuständig, die Durchführung der schlafenden Hunde zu wecken. Häufig trifft man auch auf das Konvention über die Diskriminierung im Unterrichtswesen zu Argument, da alle Staatsbürger gleiche Rechte besäßen, gebe es überwachen. Später wurde aber seine Zuständigkeit erheblich überhaupt keine nationalen oder ethnischen Minderheiten — erweitert. Er hat Einzelbeschwerden wegen Verletzung der Uni• als könne der Staat bestimmen, wer dazu gehört. versellen Erklärung der Menschenrechte zu behandeln, soweit Ähnliche Erfahrungen hat auch der Menschenrechtsausschuß diese in den Arbeitsbereich der UNESCO fallen. Dieser Bereich gemacht, 1976 unter einem der Menschenrechtspakte gegrün• ist nicht immer leicht abzugrenzen. Dazu gehören nicht alle Fäl• det, ebenso wie das neue Organ zur Sicherstellung der Gleich• le, in denen Wissenschaftler, Künstler oder Schriftsteller ver• heit von Mann und Frau. Dabei war der Menschenrechtsaus• folgt werden; auch ihre Handlung, welche die Verfolgung aus• schuß nicht auf das Berichtssystem allein angewiesen, sondern löst, muß in die Zuständigkeit der UNESCO fallen. Das Verfah• konnte daneben eine Spruchpraxis über Einzelfälle entwik- ren unterscheidet sich von dem anderer Menschenrechtsorgane keln13. vor allem dadurch, daß nicht nur das Opfer selbst, sondern auch Bei der Konvention gegen Rassendiskriminierung hat es hinge• eine Nichtregierungsorganisation oder eine beliebige Privatper• gen seit ihrem Inkrafttreten ganze 14 Jahre gedauert, bis zehn son die Beschwerde einlegen kann, daß die Zuständigkeit des Staaten den Rassendiskriminierungsausschuß zur Entgegen• Prüfungsorgans keiner ausdrücklichen Anerkennung durch nahme von Einzelbeschwerden ermächtigten. Im Vergleich zur den betreffenden Staat bedarf und daß schließlich nur ein Ver• Europäischen Kommission ist die Zahl der Staaten, die sich such gefordert wird, die innerstaatlichen Rechtsmittel zu er• dem Individualbeschwerdeverfahren unterworfen haben, auch schöpfen. Daher gelangen vor allem Fälle vor den Ausschuß, die bei dem Menschenrechtsausschuß bescheiden. anderswo nicht behandelt werden könnten.

Kommission II der Konferenz von San Franzisko befaßte sich mit der Generalversammlung der neuzuschaffenden Organisation; ihr Präsident war Jan Chri• stian Smuts (Südafrika). Ihre vier technischen Ausschüsse befaßten sich mit Struktur und Verfahren, politischen und Sicherheitsfunktionen, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenarbeit und dem Treuhandsystem.

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