MARCEL METTELSIEFEN / DPA METTELSIEFEN MARCEL Spitzenkandidaten Lafontaine, Gysi (in ): „Strategische Plätze“ für führende WASG-Leute

„wird das Zentrum einer neuen sozialisti- LINKSPARTEI schen Bewegung in Deutschland.“ Die Präzision, mit der Ramelow und sei- ne Genossen auf ihr Wahlziel zumarschie- Leise und geschmiert ren, könnte ihnen indes zum Verhängnis werden. Dass alles so leise, so geschmiert Die Sozialisten steuern ihren Wahlkampf professionell aus der funktionierte, hat den Verdacht genährt, die Linkspartei habe die Vorschriften des Berliner Zentrale. Alte und neue Parteisoldaten sind unter- Wahlrechts etwas zu ihren Gunsten ausge- wegs und verschrecken manchen Bündnispartner von der WASG. legt. Von „Problemen“ spricht die Stutt- garter Landeswahlleiterin Christiane Fried- s ist alles nur eine Frage der guten WASG im Westen und der Linkspartei, rich, die nun darüber zu befinden hat, ob Organisation, und deshalb hat sich vormals PDS, im Osten gemeinsam ziehen. die Linkspartei in Baden-Württemberg an- EBodo Ramelow an diesem Tag vier Er ist acht Wochen kreuz und quer durch treten darf oder nicht. Die früheren Ver- Stunden Zeit für Gera genommen. die Republik gereist, er hat ungezählte „Ka- fassungsrichter Karin Graßhof und Hans Die Linkspartei wird dort ein neues dergespräche“ in verrauchten Hinterzim- Hugo Klein sprechen sogar von einem „of- Büro eröffnen, ein schönes, helles Gebäu- mern geführt, er war auf den Vorstandssit- fenkundigen Missbrauch“ des Wahlgeset- de, in dem früher die HypoVereinsbank zungen der Landesverbände, bei denen die zes durch Gysi und Co. untergebracht war. 80 Gäste werden dort Kandidaten ausgesucht wurden, und auf Es geht um die Frage, ob die Parteizen- sein, Leute aus seinem Direktwahlkreis den Landesparteitagen. Die offenen Wahl- trale bei der Aufstellung der Landeslisten Gera, die meisten von der Linkspartei, aber listen, die der Linkspartei den Weg in den auf unzulässige Weise Einfluss nahm. Ob auch hohe Kommunalpolitiker der CDU. Westen eröffnen, waren sein Meisterstück. die Strategen im Berliner Karl-Liebknecht- Es ist kein Termin, der politisch bedeutsam Bisher hat alles erstaunlich gut funktio- Haus beispielsweise der WASG, die ja selbst wäre, aber für Ramelow zählen andere niert. Alle Landeslisten der Linkspartei ste- als Partei nicht zur Wahl steht, verbindliche Dinge. hen. Auf den aussichtsreichen Plätzen sind Zusagen für Listenplätze gemacht haben Er steht am Eingang, eine Frau fällt ihm nur Kandidaten, die das Wohlwollen der oder im Vorwege bestimmte Kontingente um den Hals. Sie sagt: „Bodo, wir haben Parteizentrale in Berlin haben. Die Stören- verabredet wurden. Es gibt ein Schreiben, dich jetzt gerahmt.“ Sie führt ihn durch friede und Querulanten, von denen es vor in dem der baden-württembergische Lan- das Bürgersprechzimmer im Erdgeschoss allem bei der WASG einige gibt, blieben desvorstand der WASG ihren Delegierten zu einer Wand, an der ein Schwarzweiß- außen vor. Und die Partei hat die histori- ein „Denkmodell“ unterbreitet, mit einer foto hinter Glas hängt. sche Chance, am 18. September mit ihren genauen Besetzung der Liste, aufgeteilt Auf dem Bild ist Ramelow zu sehen. Er Ikonen Gregor Gysi und nach Parteizugehörigkeit. hält eine gläserne Kugel in der Hand wie als drittstärkste Kraft in den ein- Heikel könnte vor allem sein, dass in ein Wahrsager auf dem Basar, und in der zuziehen. Nach den Umfragen würden sie den westlichen Bundesländern viele Spit- Kugel ist das Modell des Berliner Reichs- derzeit 30 Prozent im Osten und 6 Prozent zenposten nicht von Mitgliedern der Links- tags eingegossen. Das Bild ist ein Denkmal, im Westen wählen. partei, sondern von der WASG besetzt ein Zeichen der Verehrung, die viele bei Die großen Parteien schreiben schon werden. Die Berliner Parteiführung hat der Linkspartei für den Wahlkampfmana- jetzt ihre Wahlprogramme um, in der zumindest darauf geachtet, dass einige ger aus Berlin empfinden. Angst, zu viele Wähler an die Linken zu führende WASG-Leute mit „strategischen Ramelow ist so etwas wie der Architekt verlieren. Die Gewerkschaften sehen sich Plätzen“ versorgt wurden, Oskar Lafon- der neuen gesamtdeutschen Linkspartei, plötzlich vor einer Zerreißprobe zwischen taine in Nordrhein-Westfalen, Klaus Ernst die gerade entsteht, der eigentliche Bro- Linkspartei und SPD. Und die Grünen in Bayern, Ulrich Maurer in Baden-Würt- ker der Macht. Er hat das Fundament ge- nennen sich neuerdings auch eine „mo- temberg und Volker Schneider im Saar- legt für das Linksbündnis und den Wahl- derne Linkspartei“. „Die linke Bundes- land – jeweils auf Platz eins. Für den Wahl- kampf, in den nun die Leute von der tagsfraktion“, sagt Ramelow forsch voraus, rechtler Wolfgang Schreiber sind gerade

32 der spiegel 33/2005 Deutschland diese „Spitzenplatzierungen“ besonders ihren Listen stehen. WASG-Spitzen- problematisch – Listen, bei denen WASG- mann Maurer etwa ist nun Doppel- Wahlergebnisse der PDS 30 Mitglieder auf Platz eins stünden, dürften mitglied. Und in Nordrhein-West- bei Bundestagswahlen in Prozent „nicht zugelassen“ werden, sagt er. falen sind drei führende WASG-Kan- 1990 1994 1998 2002 Am vergangenen Donnerstag trafen sich didaten ebenfalls zur Linkspartei Ergebnis der die Landeswahlleiter in Wiesbaden, um ihr übergetreten, zwei von ihnen, Jür- 21,6 Sonntagsfrage weiteres Vorgehen abzustimmen. Fünf gen Klute und Inge Höger-Neuling, 19,8 („Wen würden Sie Stunden debattierten die Juristen, beson- wurden später auf die Landesliste wählen ...?“) für 16,9 ders auffällig erschien ihnen die Hambur- gewählt. Die Linke.PDS ger Liste, auf der sich erstaunlich viele Um ganz sicher zu gehen, wollen WASG-Mitglieder und Parteilose finden. Linkspartei und WASG nächste Am Ende forderte Bundeswahlleiter Jo- Woche sogar einen „Fortschritts- OST 11,1 10 hann Hahlen seine Kollegen zu einer „ma- bericht“ über ihre Fusionsverhand- 5,1 6 teriellen Prüfung“ der Landeslisten auf und lungen vorlegen, um den Vorwurf GESAMT 4,4 4,0 gab ihnen dazu auch eine „Handreichung“ zu entschärfen, hier verbänden sich 2,4 Umfrage: Infratest mit: Genau zu beachten sei vor allem, „auf widerrechtlich zwei unterschied- dimap für ARD- WEST Deutschlandtrend welchen – möglicherweise aussichtsreichen liche Parteien, um gemeinsam mög- 0,3 1,0 1,2 1,1 vom 11. August – Listenplätzen die parteifremden Bewer- lichst stark in den Bundestag zu ber einer Liste platziert sind“. kommen. Zwar ließ der Bundeswahlausschuss ver- Vermutlich hätte die Linkspartei weniger ders düster aussah. Gehrcke sagt: „Wahr- gangenen Freitag die Linkspartei, ebenso Schwierigkeiten, wenn es bei ihr etwas un- scheinlich bin ich der am meisten ver- wie 33 andere Parteien, zur Bundestags- geordneter zuginge. Aber die Verlässlich- schickte Politiker der Linken nach Gysi wahl zu – das bedeutet aber noch nicht, keit der Kader ist nun einmal ihre große und Lafontaine.“ dass sie am 18. September auch tatsäch- Stärke, und darum stößt man überall im Jetzt soll er Hessen erobern, ein Bundes- lich antreten darf. Die Entscheidung über Westen jetzt auf Parteisoldaten wie Wolf- land, das schon deshalb Symbolkraft hat, die Zulässigkeit der Landeswahllisten ist gang Gehrcke. weil hier einmal die Grünen zur Regie- die eigentliche Hürde. Ende kommender Im Augenblick ist Gehrcke noch Land- rungspartei wurden und mit Joschka Fischer Woche wollen die Mitglieder der Landes- tagsabgeordneter in . Er sitzt 1985 erstmals einen Landesminister stellten. wahlausschüsse sich erneut treffen und dar- in seinem Büro und bereitet sich auf seinen Auch Fischer führt wieder Wahlkampf in über endgültig befinden. Wechsel nach Hessen vor. Er sagt: „Sie Hessen, er ist Direktkandidat in Wahlkampforganisator Ramelow glaubt müssen nachher noch einmal um den und ein alter Duzfreund von Gehrcke. Es ist sich gut gerüstet. 40000 Euro hat seine Par- Landtag herumgehen, dann sehen Sie auf dessen persönlicher Ehrgeiz, den promi- tei an Rechtsanwälte bezahlt, unter ande- dem Turm noch immer den Schriftzug der nenten Rivalen zu schlagen: „Der Leistungs- rem für ein Rechtsgutachten beim Parteien- SED. Es ist nur ein Schatten, aber man er- druck für mich ist in Hessen groß, hier muss rechtler Martin Morlok, um die Operation kennt diesen Schatten.“ ich was bieten“, sagt Gehrcke. Linkspartei juristisch unanfechtbar zu ma- Gehrcke hat immer gemacht, was die Mindestens zweimal die Woche sitzt er chen. Beistand erhält er auch von dem re- Partei von ihm verlangte. Bis zur Wieder- nun im Zug nach Frankfurt. Seinen Koffer nommierten, linksliberalen Staatsrechtler vereinigung war er bei der DKP, denn ei- lässt er in einem Schließfach, er will flexibel Hans Meyer, der die Listenaufstellung gentlich kommt er aus , dann ging sein. Um kurz vor ein Uhr geht der Nacht- ebenfalls für relativ unproblematisch hält er zur PDS nach Berlin. Er stieg bis zum zug zurück nach Berlin. Gehrcke sagt, er (siehe Seite 35). Bundesgeschäftsführer auf; er kaufte sich habe sich daran gewöhnt, im Zug zu über- Und Ramelow lässt noch nacharbeiten. ein Haus in der Prignitz, als er für die PDS nachten. Allein in den letzten zwei Wochen Die frühere PDS versucht, immer mehr einen Direktwahlkreis in Brandenburg vor der Wahl hat er 48 Veranstaltungen, er WASG-Leute als Mitglieder zu gewinnen, erobern sollte, in einem Dorf, das im Volks- kann sich jetzt keine Pause erlauben. damit nicht zu viele fremde Bewerber auf mund „Korea“ heißt, weil es dort beson- Gegen Kader wie Gehrcke ist es schwer zu bestehen. Der Apparat kann gnadenlos sein, wenn es Zweifel an der Qualifikation und Loyalität von Kandidaten gibt. Auch deshalb hat die Operation Linkspartei Op- fer gefordert. Man muss nur mit Fritz Schmalzbauer reden, um einen Eindruck von der Verbit- terung zu bekommen, für die das Bündnis mit der mächtigen Linkspartei bei einigen WASG-Mitgliedern gesorgt hat. Eigentlich hatte Schmalzbauer allen Grund, eine Belohnung von der Linkspartei zu erwar- ten. Er hat die WASG in Bayern aufge- baut, er hat immer seine Kontakte ge- pflegt, auch zu Klaus Ernst, seinem Bun- desvorsitzenden. Und er kennt Ramelow, sie waren zusammen bei der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen. Schmalzbauer hatte darauf vertraut, dass Ramelow seinen Einfluss spielen lassen

* Bei der Umbenennung in „Die Linkspartei“ am 17. Juli

ARIS in Berlin; vorn: die Bundestagsabgeordnete Petra Pau und PDS-Parteitag*: Störenfriede und Querulanten außen vor der Ehrenvorsitzende Hans Modrow.

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würde, als es an die Besetzung der bayeri- schen Landesliste ging. Ramelow war auch da am Tag, als die Wahl stattfinden sollte. Er war immer da, Genosse im Visier wenn es für die Gesamtstrategie der Partei wichtig war. Ernst war auf Platz eins ge- Hat der Verfassungsschutz Bodo Ramelow noch als Abgeordneten setzt, Schmalzbauer auf vier, auch das ein beobachtet? Der PDS-Politiker klagt nun auf Akteneinsicht. aussichtsreicher Listenplatz. Doch dann verschwand Ramelow, kurz nachdem Ernst ie Akte P 511 327 des thüringi- che Anfrage eines Journalisten an den gewählt worden war. Als Listenplatz vier schen Verfassungsschutzes hat es thüringischen Innenminister, in der Ra- aufgerufen wurde, fiel Schmalzbauer durch. Din sich. Gleich drei Dienste wa- melow erwähnt wird, und auch An- Die WASG protestierte und stoppte die ren mit einer Zielperson beschäftigt – fragen des PDS-Abgeordneten im Par- Versammlung, aber es half nichts. Schmalz- das Bundesamt sowie die Landesämter lament zum Verfassungsschutz. bauer gilt als eigensinnig und unberechen- Hessen und Thüringen –, als handele es Die Erfassungen aus jüngster Zeit, bar, jetzt ist er nur noch Direktkandidat, sich um ein hochgefährliches Subjekt. windet sich der Dienst in seinen Stel- ohne Chancen auf einen Sitz im Bundestag. In ungehemmter Sammelwut trugen lungnahmen für das Weimarer Gericht, Er bebt immer noch vor Enttäuschung. die Verfassungsschützer ein bislang un- hätten „allein verwaltungsorganisato- Er will sie nicht zeigen, aber mit jedem ter Verschluss gehaltenes Dossier zu- rischen Zwängen“ gedient und stell- Satz verrät er sich. Schmalzbauer nörgelt sammen. Inhalt: eine aus- ten einzig „die Wieder- an den Vorgaben aus der Zentrale herum, führliche Stellungnahme auffindbarkeit des Schrift- die einen genau geplanten Straßenwahl- des hessischen Dienstes gutes“ sicher. kampf verlangt. „Da mache ich lieber Nor- über die Aktivitäten jenes Jene Schriftstücke sei- dic Walking mit meinen Wählern durch potentiellen Staatsfeindes, en also nicht auf Grundla- meinen Wahlkreis“, sagt er. Er belustigt der Anfang der achtziger ge des Verfassungsschutz- sich über das „Wahlkampf-Rundumpaket“ Jahre als Kämpfer gegen gesetzes gesammelt wor- der neuen Linkspartei, über die Plakate Berufsverbote aufgefallen den – und natürlich auch und Kugelschreiber, die er „Devotionalien“ war. Zeitungsausschnitte, nicht Bestandteil einer nennt, und er schimpft gegen das Land, Berichte zu DKP-Kontak- Personenakte. Seltsam aus dem die neue Partei kommt: „Die Tos- ten, Anmerkungen zu ei- nur: In der Schriftgutver- kana liegt uns eben näher als Thüringen.“ ner Kurden-Demonstra- waltung gibt es auch einen Wer Ramelow auf die Vorbehalte ent-

tion in Erfurt, Kopien „zu DÖBERT FRANK Hinweis darauf, dass Ra- täuschter WASG-Mitglieder anspricht, dem Aktivitäten im Bereich PDS-Funktionär Ramelow melow erst Ende 2001 aus präsentiert der Bundeswahlkampfleiter kühl Asylwesen“ und sogar Dickes Personendossier dem internen Abfragesys- seine Zahlen. Er spricht dann von einer „zwei Hinweise von Quel- tem Nadis und der Perso- „Verdreifachung des Plakatpotentials“, von len“ – im Klartext Spitzelberichte von nenarbeitsdatei des Dienstes gelöscht 240000 „A-Nuller- und A-Einser-Plakaten“, V-Männern. wurde. Da war er aber bereits PDS- die für diesen Wahlkampf bestellt wurden. Was die Geheimdienstler eifrig hor- Landtagsfraktionschef. Sie werden im ganzen Land verteilt, mit teten, sollte Observationsobjekt Bodo Den Landesdatenschützer überka- einheitlichem Design, über das in Berlin be- Ramelow selbstverständlich nie erfah- men bereits 2002 Zweifel am Sinn der funden wurde. „Die können gern ,Kochen ren. Schließlich war er Chef der thürin- Sammelorgie des affärengeplagten thü- mit Rolf‘ machen, solange ich das nicht be- gischen Gewerkschaft Handel, Banken ringischen Geheimdienstes. Es erschei- zahlen muss“, sagt Ramelow, „der Wahl- und Versicherungen, seit 1999 Land- ne fraglich, formulierte der prüfende kampfleiter in Bayern wird Schmalzbauer tagsabgeordneter der PDS und seit Beamte in einem bislang geheimen mit unseren Plakaten umstellen.“ 2004 Mitglied im Bundesvorstand sei- Kontrollbericht, ob sich etwa aus öf- Offiziell sprechen die Parteioberen im ner Partei. Doch Ramelow, inzwischen fentlich zugänglichen Zeitungsaus- Karl-Liebknecht-Haus noch immer voll Pa- Wahlkampfchef der Linkspartei, stellte schnitten über Reden des Politikers thos von der Zusammenarbeit mit der 2002 einen Auskunftsantrag beim Lan- „Anhaltspunkte entnehmen lassen, die WASG, sie reden von einem Wendepunkt desamt. Weil ihm die Akteneinsicht eine Aufnahme in die Personenakte in der Geschichte, von gleichberechtigter zum Teil verweigert wurde, klagte er rechtfertigen“. Partnerschaft. Doch schon ein paar Zahlen vor dem Verwaltungsgericht Weimar Auch bei den umstrittenen Redo-Da- zeigen, wie ungleich das Kräfteverhältnis auf komplette Einsicht in seine Akte. ten kommt der Datenschützer zu ei- tatsächlich ist: Die Linke hat 60000 Mit- Bislang durfte nur der thüringische nem eindeutigen Ergebnis. Eine Zuord- glieder, die WASG etwa 9000, die Linke hat Datenschutzbeauftragte in das Dossier nung von Anfragen unter dem Namen einen Parteiapparat, die WASG nur ein blicken, über dessen Freigabe Ende des des Abgeordneten sei „problematisch“. Netzwerk von Aktivisten. Monats verhandelt wird. Die Daten- Dies könne zu „einer Sammlung über schützer waren jedenfalls verblüfft. Aktivitäten“ des Politikers im Parla- Und inzwischen gibt es Unterlagen, die ment führen, die letztlich nicht die Auf- den Verdacht nahe legen, dass Rame- gabe des Geheimdienstes sei. low sogar noch als Abgeordneter des Für Ramelow scheint die zweifelhaf- Landtags im Visier des Dienstes war. te Geschichte der Observation nun we- Sicher ist, dass die Aktivitäten des Viel- nigstens ein gutes Ende zu finden. Die redners bis 2004 weiter in der soge- erste öffentliche Verhandlung vor dem nannten Schriftgutverwaltung „Redo“ Verwaltungsgericht ist für den 24. Au- des Verfassungsschutzes auftauchen. gust terminiert – mitten in die heiße Dort finden sich etwa unter dem Ak- Phase des Wahlkampfes.

tenzeichen 224-S-205 710 eine schriftli- Steffen Winter / DDP MICHAEL KAPPELER Linke Gysi, Ernst, Bisky Ungleiches Kräfteverhältnis

34 der spiegel 33/2005 Im Karl-Liebknecht-Haus amüsieren sich die Sozialisten inzwischen über die Frage, was denn die Gemeinsamkeit von WASG und einem Kondom sei. „Ohne ist schöner, aber mit ist sicherer“, rufen sie dann, und genießen es, sich auch einmal über die Wessis lustig machen zu können. „Wir verhandeln mit denen in Augenhöhe? Klar, vorausgesetzt, wir knien uns hin.“ Vor allem die Realpolitiker aus den ost- deutschen Landesverbänden begegnen den Westverbündeten mit Skepsis – „kulturell sind die uns total fremd“, meint Parteistra- tege Thomas Falkner. Sie nennen die Wes- sis gern „die Gurkentruppe“. Auch deshalb achteten die Männer um Ramelow darauf, dass sie in Zukunft das Sagen haben: In Ge- heimverhandlungen im Ost-Berliner Inter- city-Hotel bestanden die Ossis darauf, dass ihnen die Wessis keine Sektierer unterju- beln. Am längeren Hebel saßen sie sowie-

so: Nominiert wurden die WASG-Leute ja ARIS auf Delegiertentreffen der Linkspartei. PDS-Hauptquartier in Berlin: Bei den Landeswahllisten getrickst? Es ist eine fragile Koalition, die sich un- ter dem Korsett offener Wahllisten zusam- mengefunden hat, eine Gemeinschaft, die vor allem die Hoffnung auf einen schnellen Erfolg zusammenhält, aber sie ist noch Griff zur Schrotflinte längst keine Einheit. Nach einer Untersu- chung des Forsa-Instituts wollen 74 Prozent Wahlrechtler Hans Meyer über Bedenken gegen das der potentiellen Linkspartei-Wähler dem Bündnis ihre Stimme geben, weil sie von Zusammengehen von Linkspartei und WASG den etablierten Parteien enttäuscht sind. 63 Prozent gaben den Protest gegen beste- Meyer, 72, lehrt an der Klein, den unabhängigen Wahlorganen zu hende Verhältnisse als wichtigsten Beweg- Berliner Humboldt-Uni- befehlen, alle Landeslisten der Linkspar- grund an. Das politische Programm ist da- versität Verfassungsrecht. tei zurückzuweisen, lässt sich leicht mit gegen nur für 29 Prozent ein Grund und die Er antwortet auf einen dem Interesse jener Parteien identifizie- Personen, die sie führen, nur für 21 Prozent. Beitrag der ehemaligen ren, denen sie angehören und denen sie Im hessischen Neu-Isenburg hat die Bundesverfassungsrichter ihr Richteramt zu verdanken haben. Denn WASG dieser Tage zu einem gemeinsamen Karin Graßhof und Hans SPD wie CDU wollen am liebsten ver-

Abend mit Janine Wissler und Rolf Gensert PRESS / ACTION REIMANN LARS Hugo Klein in der „Frank- hindern, dass die Kandidaten der Links- eingeladen. Sie ist jung, 24 Jahre alt, talen- furter Allgemeinen“. Darin partei zur Wahl zugelassen werden. Die tiert und von der WASG. Er ist 47, Mitglied hatten die beiden der Linkspartei und einen wünschen dies, weil die neufirmie- der Linken und nicht besonders aufregend. der WASG offenkundigen „Missbrauch rende Partei im Wesentlichen in ihrem Beide machen jetzt Wahlkampf für die der Gestaltungsmöglichkeiten“ des Wahl- Wählerreservoir fischt, und die anderen, Linkspartei Hessen, Wissler auf Platz vier rechts vorgeworfen und „verheerende weil die absolute Mehrheit der sogenann- der Landesliste, Gensert als Direktkandi- Folgen“ prophezeit: Falls die Listen der ten bürgerlichen Parteien in Gefahr sein dat. Es ist ein Abend mit wenigen Höhe- Linkspartei zugelassen würden, müsse könnte. punkten. Die beiden Redner sagen immer die Bundestagswahl später „für ungültig Graßhof wie Klein wissen zudem, dass wieder, dass sie sich einig seien, aber zwi- erklärt werden“. Entscheidungen der Wahlausschüsse vor schen ihnen bleibt eine Trennlinie, die auch dem Urnengang juristisch nicht angefoch- durch den Zuschauerraum läuft. uss man sich neuerdings daran ten werden können – obwohl das Grund- Zwei Stunden sitzen die beiden auf dem gewöhnen, dass es neben dem au- gesetz garantiert, dass gegen alle Entschei- Podium zusammen und benehmen sich auch Mgenzwinkernd sogenannten Drit- dungen der öffentlichen Gewalt, also auch am Ende noch wie Leute, die sich beim Sau- ten Senat der wissenschaftlichen Mit- gegen die der Wahlorgane, der Rechtsweg fen das Du angeboten haben, aber am arbeiter noch einen „Vierten Senat“ des offen stehen muss. Diese bedauerliche nächsten Tag nicht mehr wissen, wie sie sich Bundesverfassungsgerichts gibt, nämlich Lücke nutzen Graßhof und Klein für ihre ansprechen sollen. Sie nennt ihn immer „er“, den ehemaliger Bundesverfassungsrichter? Argumentation; während ihrer Amtszeit und er spricht von seiner „Vorrednerin“. Ein Gremium, das ungefragt und in belie- als Verfassungsrichter hätten sie allerdings Rolf Gensert redet über den Bundes- biger Zusammensetzung, bis hin zum Ein- mithelfen können, sie zu schließen. kanzler, er sagt, dass man Schröder nicht zelrichter, urteilen kann. Und das schon Nun braucht man wahrlich keine Sym- vertrauen könne. Dann wendet er sich der dann ein Votum verkünden darf, wenn die pathie für die altneue Formation der Links- Friedenspolitik zu, dem amerikanischen Karlsruher Richter selbst noch gar nicht partei zu haben. Ich denke aber, die eta- Engagement im Irak, im Kosovo, in Afgha- tätig werden könnten. Die zunehmenden blierten Parteien sollten sich schon die nistan: „Was hat der Krieg dort gebracht?“ Wortmeldungen ehemaliger Verfassungs- Mühe machen, sie zu bekämpfen, statt sie Er ist jetzt bei den ganz großen Dingen. richter zu aktuellen strittigen Fragen mit Hilfe ihrer Vertreter in den Wahlorga- Janine Wissler sitzt daneben und schweigt. nähren diese Vermutung stark. nen kaltzustellen. Dafür das gute Gewissen Sie spielt mit ihrem Handy. Stefan Berg, Das Interesse der früheren Karlsruher zu liefern, ist ersichtlich Sinn jener Wort- Dietmar Hipp, Marc Hujer, Kerstin Kullmann Richter Karin Graßhof und Hans Hugo meldung der beiden ehemaligen Verfas-

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