Linke Monatszeitschrift im 42. Jahrgang | Juni 2015 Sozialismus extra www.Sozialismus.de

Strategiedebatte

»Aprilthesen« in der Diskussion

Mit Beiträgen von Alexander Recht / Paul Schäfer / Axel Troost / Alban Werner, , Michael Brie / Klaus Lederer, Susanne Hennig-Wellsow, Kristina Vogt, Nils Böhlke / Janine Wissler, Joachim Bischoff / Hasko Hüning / Christoph Lieber / Björn Radke

Nur im Netz: Sozialismus extra | »Aprilthesen« in der Diskussion | Juni 2015 Strategiedebatte? Eine Einladung ...... 4 Die Redaktion der Zeitschrift Sozialismus veröffentlicht regel- mäßige Beiträge zwischen den Alexander Recht/Paul Schäfer/Axel Troost/Alban Werner monatlichen Printausgaben auf Aprilthesen ...... 6 www.sozialismus.de Wo wir stehen und was getan werden müsste

Bernd Riexinger Die linke Alternative Um gesellschaftliche Mehrheiten ringen ...... 12 in Für eine emanzipatorische Klassenpolitik

Michael Brie/Klaus Lederer DIE LINKE muss ihren Gebrauchswert stärken ...... 17 Ein Beitrag zur Diskussion Entgegen den Umfragen haben die WählerInnen in Bremen ein poli- tisches Beben ausgelöst. Für die auf Susanne Hennig-Wellsow eine Fortführung der rot-grünen Realpolitik und utopisches Potenzial ...... 21 Koalition programmierten Parteien DIE LINKE braucht beides auf dem Weg in die Zukunft ist das Ergebnis eine Abfuhr. Und erneut ist die Zahl der Nichtwähle- Kristina Vogt rInnen massiv gestiegen: Es gingen »Maithesen« aus Bremen ...... 25 2015 nur noch 50,1% der Wahlbe- rechtigten zur Wahl. ... Nils Böhlke/Janine Wissler Großbritannien wählt die DIE LINKE als gesellschaftliche Opposition ...... 29 Austerität Joachim Bischoff/Hasko Hüning/Christoph Lieber/Björn Radke Rot-rot-grüne Zusammenarbeitsprojekte? ...... 33 Zur Revitalisierung linker Opposition

David Cameron hat die Wahl in Großbritannien deutlich gewonnen und kann ohne Koalitionspartner Sozialismus ist ein Forum für die politische Debatte der Linken. regieren. Die Meinungsumfragen lagen gründlich daneben. Als die Erscheint 11 x jährlich (10 Hefte und 1 Doppelheft) | Einzelheft 7,- Euro | ersten Ergebnisse aus den Wahl- Abonnement 70,- Euro | Auslandsabo 90,- Euro inkl. Porto | Ermäßigtes Abo 50,- lokalen eingingen und im Fernse- Euro | Förderabonnement 150,- / 350,- Euro hen veröffentlicht wurden, glaubten Die Zeitschrift wird herausgegeben von Heinz Bierbaum, Joachim Bischoff, Klaus manche ihren Augen nicht. ... Bullan, Frank Deppe, Otto König, Sybille Stamm, Michael Wendl und SOST e.V. Der widerspenstige Redaktion: Richard Detje, Marion Fisch, Christoph Lieber, Bernhard Müller, Kontinent Björn Radke, Bernhard Sander, Klaus Schneider, Gerd Siebecke Redaktion Sozialismus | St. Georgs Kirchhof 6 | 20099 Tel. 040/28 09 52 77-40 | Fax 040/28 09 52 77-50 E-Mail: [email protected] | www.sozialismus.de ISSN 0721-1171 | © 2015 Sozialistische Studiengruppe e.V.

Der VII. Gipfel der amerikanischen Umschlaggestaltung unter Verwendung eines Motivs aus dem Logo Staaten war historisch. Nicht der »Linken Woche der Zukunft« nur wegen des symbolträchtigen Bildnachweis: S. 4: flickr/blue-news.org  , S. 6: flickr/DIE LINKE  , S. 12: »Handshake« zwischen dem kuba- flickr/Florian Becker  , S. 17: flickr/Rosa-Luxemburg-Stiftung , S. 21: flickr/ nischen und US-amerikanischen DIE LINKE.Thüringen   , S. 25: DIE LINKE Bremen, S. 29: flickr/linksfrak- Präsidenten, sondern wegen Kubas tion , S. 33: flickr/alias URBAN ARTefakte    Teilnahme am Gipfel in Panama. ... Dieses Sozialismus extra wird kostenlos abgegeben. www.sozialismus.de Sozialismus extra | Juni 2015 3 Strategiedebatte? Eine Einladung

Auch wenn 2015 kein Superwahljahr rum, dass Lenin unter der gleichen rechtsstaatlich verfasster Demokratien ist, hat DIE LINKE genug zu tun: Un- Überschrift zum Sturz der proviso- erkämpft werden müssen. sere Kampagne gegen Prekarisierung rischen Regierung in Russland und Uns wurde vorgehalten, wir vernach- muss vorangebracht und die durch zum Sturm auf das Winterpalais auf- lässigten die Notwendigkeit außerpar- die Bundesregierung forcierte Verar- gerufen hat. Wir geben zu: Ein biss- lamentarischer Bewegungen und seien mungspolitik in der EU gestoppt wer- chen ging es uns auch darum, mit Hu- aufs Mitregieren fixiert. Damit haben den. TTIP gilt es zu verhindern, eine mor und augenzwinkernd für unsere wir gerechnet. Es ist ein Mantra in Tei- friedliche Lösung des Ukraine-Kon- Thesen Aufmerksamkeit zu erzeu- len der Partei DIE LINKE, das da lau- flikts zu fördern und die gnadenlose gen. Doch nicht nur das: Wie Lenin tet: »Wir müssen die Bewegungen stär- EU-Flüchtlingspolitik dringlich zu kor- im Jahre 1917 stehen auch wir heute ken!« Wir sind selber verdammt lang rigieren. Und dafür braucht es nicht für einen deutlichen Kurswechsel und in Bewegungen aktiv, und es entspricht nur progressiv agierende Parteien, son- große Transformationen. Unmissver- unserer Grundüberzeugung, dass ein dern auch Widerstand aus der Gesell- ständlich legen wir jedoch Wert auf Politikwechsel nicht isoliert über ei- schaft – von allein werden diese Ver- die Feststellung, dass Lenins großer nen Regierungswechsel erreicht werden änderungen jedenfalls nicht kommen; Sprung über und gegen die bürgerlich- kann. Allerdings ist die bloße Beschwö- kein höh’res Wesen wird uns retten. parlamentarische Demokratie für uns rung sozialer Bewegungen eine Floskel, Und dennoch: Eine Partei, die ei- kein positiver Anknüpfungspunkt ist. die uns keinen Flohsprung weiterbringt. nen großen Politikwechsel anstrebt, Die Oktoberrevolution hat das letzte Die Frage lautet vielmehr, unter wel- braucht ein Programm, das von vielen Jahrhundert entscheidend mitgeprägt chen Bedingungen gesellschaftliche Be- Menschen getragen werden kann, und und war der Beginn eines Versuchs an- wegung in Gang gesetzt werden kann. eine Strategie, mit wem und in wel- tikapitalistischer Umwälzung, verbun- Teile der Partei zeichnen folgendes Bild: chen Schritten sie Veränderungen auf den jedoch mit Einparteienherrschaft, DIE LINKE müsse Regierungsambi- den Weg bringen will. Es ist daher gut, Erziehungsdiktatur und weitgehender tionen zurückstellen und stattdessen dass Die LINKE in der Woche der Zu- Negation bürgerlicher Freiheiten und lautstark die Wichtigkeit sozialer Be- kunft an der Weiterentwicklung ihrer Rechte. Dieser Versuch ist trotz man- wegungen proklamieren. Irgendwann langfristigen Programmatik gearbei- cher Errungenschaften aufgrund un- und irgendwie würden diese mäch- tet hat. Was wir aber darüber hinaus demokratischer Strukturen, fehlender tig an Bedeutung zulegen und eine sol- in der gegenwärtigen Lage brauchen, Rechtsstaatlichkeit und ökonomischer che Dynamik entfachen, dass linke Re- ist eine Strategiedebatte mit Blick auf Fehlansätze zu Recht an sein Ende ge- gierungen gleichsam automatisch vom kurz- und mittelfristige Ziele. Dazu ha- kommen. Im 21. Jahrhundert werden gesellschaftlichen Druck ans Ruder ge- ben wir Thesen vorgelegt und wollen große Transformationen ganz anders drängt würden. Linke Regierungen sol- mit der vorliegenden Sozialismus ex- aussehen müssen: Es geht um eine len dann als Transmissionsriemen zur tra-Ausgabe zur Diskussion einladen. Summe einschneidender Reformen, Umsetzung von Forderungen fungieren, »Aprilthesen« haben wir unseren die durch breite Fortschrittsallianzen die soziale Bewegungen zuvor erarbei- Text überschrieben – im Wissen da- im Rahmen parlamentarisch und tet haben.

4 Sozialismus extra | Juni 2015 www.sozialismus.de Wir halten dieses Bild für einseitig fahren einer Regierungsbeteiligung un- schritt, für Wachstum, für begrenzte und verkürzt. Auseinandersetzungen ter schweren Bedingungen nicht ihre UN-Militäreinsätze. Aber wir behaup- werden an verschiedenen Orten aus- Chancen übersteigen. Nur müssen wir ten nicht, dass wir damit den Stein der getragen: auf der Straße, in Parlamen- diesen Streit dann auch offen und fair Weisen gefunden hätten oder uns in ei- ten, in Regierungen, in und zwischen austragen! ner widerspruchsfreien Zone befänden. Parteien, in und zwischen Institutio- Für unsere griechischen, spa- Uns fallen zu unseren Thesen Dut- nen, Vereinen, Initiativen, NGOs und nischen, schottischen u.a. Genossinnen zende von Fragen ein, die auch in un- Bewegungen. Regierungen reagieren und Genossen wäre die Perspek- seren Reihen nicht geklärt sind. nicht nur auf die Positionierung gesell- tive einer Fortsetzung der von Mer- Nur drei Beispiele: Klar haben wir schaftlicher Kräfte, sondern beeinflus- kel geprägten Europapolitik unerfreu- hervorgehoben, dass wir technischen sen sie auch erheblich. Gesellschaft- lich, und auch für die EU als Ganze ist Fortschritt brauchen, der Lebensquali- liche Akteure wünschen sich gewiss dieses Szenario höchst gefährlich. Frei- tät erhöht und Probleme löst. Wie aber keine LINKE, die Anpassung zu ihrem lich sind die Bedingungen für eine so- sollen die Risiken und Belastungen Programm erhebt; vermutlich erwar- zialdemokratisch-grün-linke Regie- durch technologische Umwälzungen ten sie aber von der LINKEN die of- rung in alles andere als günstig. künftig besser und frühzeitiger erfasst fen ausgesprochene Bereitschaft, sich Ob damit eine substantielle Änderung und gesellschaftlich gerecht verarbei- an Regierungen zu beteiligen, sofern der Politik erreicht werden könnte, ist tet werden? dies möglich ist und dazu dient, Anlie- fraglich. Aber was folgt daraus? »Linke Wir haben behauptet, dass Wirt- gen gesellschaftlicher Kräfte in Regie- wählen!« als Forderung? Ja, gewiss. schaftswachstum künftig von erhöhter rungspraxis umzusetzen. Selbstredend Nur werden wir einen Teil der Men- Ressourcenproduktivität begleitet wer- muss DIE LINKE auch aus der Gesell- schen, die uns zu wählen erwägen, mit den muss. Was aber ist zu tun, wenn schaft kommende Forderungen in ihre dieser Forderung alleine nicht über- dies trotz ökologischer Orientierung Programmatik integrieren, aber ge- zeugen. Überzeugen können wir sie nicht ausreichend der Fall ist? sellschaftliche Akteure erwarten auch nur, wenn es aussichtsreiche und um- Unsere Überzeugung ist es, dass eine eigenständige Positionsfindung setzbare Veränderungsperspektiven ausschließlich die Vereinten Natio- der Partei, die gesellschaftliche Debat- gibt, für die wir als Partei auch offen nen (UNO) für die internationale Frie- ten bereichert oder gar initiiert. LINKE einstehen. Sonst werden Wählerinnen denssicherung zuständig sind und dass Regierungsbeteiligungen taugen nicht und Wähler unserer Partei (und dafür es dabei auch Grenzfälle geben kann, als Automatismus zur Realisierung gibt es ausreichend empirische Belege) in denen die Anwendung von Gegen- linker Wunschkonzerte; sie auf den schlicht zu Hause bleiben. gewalt legitim und unumgänglich sein Sankt-Nimmerleinstag zu verschieben, Außerdem: Seit wann werden po- könnte. Gleichzeitig wenden wir uns verunmöglicht jedoch eine breitere litische Veränderungen durch bloßes dagegen, dass friedenserhaltende Mi- Umsetzung linker Programmatik. Beschreiben der Realitäten ausgelöst? litäreinsätze der Vereinten Nationen Dass wir Regieren allein seligma- Wir müssen zeigen, dass wir den unbe- für imperiale Interessendurchsetzung chend fänden, kann man uns über- dingten Willen haben, auch kurzfristig missbraucht werden. Wie wollen wir zeugend nicht nachsagen. Besonders Dinge in Bewegung zu setzen, und dass das auseinanderhalten? unter den gegenwärtigen und abseh- wir Wandlungsprozesse in anderen po- Doch diese Fragen und viele mehr baren Umständen ist es in den Bundes- litischen Lagern erreichen können. Das werden leider zu selten ernsthaft in ländern, aber auch im Bund nicht ge- wird nicht geschehen, wenn wir poten- der Parteiöffentlichkeit diskutiert. Da- rade vergnügungssteuerpflichtig – und ziellen Bündnispartnern nur den Stin- mit bewegen wir uns allesamt auf un- überaus riskant. Worauf wir allerdings kefinger zeigen. Wir müssen auch im sicherem Grund, und darunter leidet hinweisen, ist: Wer sagt, wir seien in harten kritischen Dialog um Verän- unsere Überzeugungsfähigkeit in der naher Zukunft auf die Oppositions- derungen ringen. Und genau das for- Gesellschaft. Daher noch einmal un- rolle festgelegt und eine Option »Rot- dern wir in den Aprilthesen ein: eine ser Appell: Die Strategiedebatte ist Rot-Grün« sei prinzipieller Quatsch, aktive, gestaltende Politik statt selbst- überfällig. Mit diesem Sozialismus ex- sagt unweigerlich auch, dass Frau Mer- genügsamer Pflege des eigenen Mikro- tra und den darin enthaltenen Beiträ- kel bis ins nächste Jahrzehnt hinein re- kosmos. gen wollen wir einen ersten Aufschlag gieren wird – nein: regieren soll! Um Gegen unsere »Aprilthesen« ist der machen, und wir würden uns freuen, diesen Tatbestand kommt man nicht Einwand erhoben worden, dass wir wenn diese Anregungen in den Gliede- herum, weil in allen erdenklichen Kon- Schlüsselbereiche linker Politik ver- rungen der Partei, in der parteinahen stellationen die Unionsparteien die nachlässigt hätten. Dass wir nichts Stiftung sowie unter befreundeten Wis- Nase weit vorn haben; für SPD und zur Feminisierung linker Politik ge- senschaftlerinnen und Wissenschaft- Grüne langt es nicht alleine. sagt haben, stimmt – aber nicht, weil lern aufgegriffen würden. Ergo: Wer möchte, dass Merkel ab- wir diese Frage ignorieren würden. Wir gelöst wird, muss auf eine Regierung waren nur der Meinung, dass ein Män- Alexander Recht, Paul Schäfer, von SPD, LINKEN und Grünen set- nerquartett hier nicht der geeignete Axel Troost, Alban Werner zen! Nun kann man darüber strei- Absender ist. ten, welche Probleme aus weiteren Wir gestehen auch zu, dass wir mit sechs Jahren Merkel folgen. Und strei- den Aprilthesen provozieren wollen: ten lässt sich auch darüber, ob die Ge- Wir sind für den technischen Fort- www.sozialismus.de Sozialismus extra | Juni 2015 5 Aprilthesen Wo wir stehen und was getan werden sollte von Alexander Recht, Paul Schäfer, Axel Troost und Alban Werner

Die Ausgangslage für DIE LINKE erscheint komfortabel: Op- getätigt werden, wenn an ausgeglichenen Haushalten und positionspartei Nr. 1 im , stabile Umfragewerte, an der Verweigerung von Umverteilung festgehalten wird? DIE zwei Landesregierungen beteiligt, ein Ministerpräsident, zu- LINKE wird hierzu ein kohärentes, allgemein verständli- letzt in Hamburg und Bremen erfolgreich. Mit stabiler Mas- ches Konzept vorlegen müssen. senverankerung und Mobilisierungsfähigkeit sollte das aber ■ Fortgang der europäischen Integration: Nach dem Wahl- nicht verwechselt werden. Wir erleben in der gegenwärtigen sieg von Syriza und möglichen weiteren Linksentwicklungen Situation der Partei auch Stillstand, der schnell zu Niedergang in Südeuropa spitzt sich die Frage immer mehr zu: Wird die führen kann, wenn wir über kein klares Konzept und keine destruktive Verarmungspolitik fortgesetzt, oder gelingt es, erkennbare Strategie verfügen, wie auf die zu erwartenden die Politik in Richtung »Solidarunion« zu verschieben? DIE Konflikte adäquat zu reagieren ist. Ausgangspunkt jeglicher LINKE muss die richtige Balance finden zwischen lautstarker Strategiebildung ist die Analyse der gegenwärtigen Hauptkon- Kritik an den unsozialen und undemokratischen Formen der fliktlinien und die Prognose der zu erwartenden politischen EU in ihrer heutigen Verfassung und der Formulierung kon- Brennpunkte. Wir sehen fünf Themen, auf die wir uns kon- kreter Alternativen, um die EU progressiv zu verändern. zentrieren sollten: ■ Internationale Handelspolitik – Ablehnung von TTIP: Das ■ Haushaltspolitik und öffentliche Investitionen: Die Regie- transatlantische Handels- und Investitionsabkommen TTIP rungsparteien werden – die CDU mehr, die SPD weniger – ist ein wichtiges Projekt, um neoliberal geprägte Interna- mit ihrer Politik der »Schwarzen Null« werben; der Streit tionalisierungsprozesse voranzubringen. Dagegen hat sich um den »Soli« und den Länderfinanzausgleich ist eröffnet. breiter Widerstand entwickelt. DIE LINKE muss ihn un- Aber wie sollen die unabdingbaren Zukunftsinvestitionen terstützen und Vorschläge einbringen, wie eine an sozialen,

6 Sozialismus extra | Juni 2015 www.sozialismus.de umweltpolitischen und demokratischen Standards orien- zu erfüllen und müssen das Fenster für ein Umsteuern in Eu- tierte Globalisierung aussehen könnte. ropa nutzen, das durch den Regierungswechsel in Griechen- ■ De-Eskalation – Entspannung – Neue Europäische Frie- land geöffnet wurde. Nur wenn DIE LINKE den Willen hat, densordnung: Mit der bis vor Kurzem nicht mehr für mög- ihre Inhalte in Regierungen durchzusetzen, können Wähler si- lich gehaltenen Konfrontation zwischen »dem Westen« und cher sein: Eine Stimme für DIE LINKE steht für einen Rich- Russland wächst die Gefahr militärischer Eskalation. Die tungs- und Regierungswechsel in ihrem Interesse. ökonomischen und gesellschaftlichen Kosten sind schon heute erheblich, und der Weg zum 1990 postulierten ge- 2. These meinsamen Haus Europa rückt in immer weitere Ferne. Für den politischen Richtungswechsel muss DIE LINKE stär- DIE LINKE muss Vorschläge präsentieren, wie man – ne- ker werden. Aber ohne SPD und Grüne wird es nicht gehen. ben der unmittelbaren Einhegung des Ukraine-Konflikts Auch DIE LINKE muss hierfür Kompromisse eingehen und – zu einer neuen europäischen Friedensordnung gelangen von der eigenen Position Abstriche machen. Dennoch muss könnte. DIE LINKE dieses Bündnis wollen. Sie muss diesen Willen ■ Flüchtlingspolitik/Einwanderung/Integration: Schon nach außen erkennbar kommunizieren und nach innen ihre heute ist absehbar, dass die Frage eines Zuwanderungsge- politische Arbeit darauf ausrichten. setzes ein wichtiges Wahlkampfthema werden wird, denn Alles Gejammer hilft nicht: Die Kunst LINKER Politik be- ein Kompromiss innerhalb der Bundesregierung erscheint steht darin, den Drang von SPD und Grünen in die Mitte zu wenig wahrscheinlich. Damit sind zugleich Grundfragen kritisieren, aber zugleich an sich selbst zu arbeiten und sich um aufgeworfen: Wie human, wie offen ist unsere Gesellschaft breite Angebote, Vorschläge, Bündnisperspektiven zu bemü- wirklich? Aber auch: Wie sehen Lösungen aus, die den un- hen. Leider wollen viele in unserer Partei bei der einfachen Ne- geheuren Druck zur Migration in den Krisen- und Kriegs- gation stehen bleiben. Es reicht aber nicht, nur durch Angriffe regionen abmildern und damit die Probleme ursächlich an- auf die anderen gewinnen zu wollen. Wer von 50+x-Mehrhei- gehen? ten für DIE LINKE träumt, lebt in einem anderen Land. ■ Energiewende: Es bleibt umkämpft, ob der Umstieg auf Leider kranken Diskussionen in der LINKEN, aber auch erneuerbare Energien zügig vorangebracht oder gedros- bei SPD und Bündnisgrünen oft an mangelnder Klarheit und selt wird. Dringend nötig ist eine Bundesregierung, die den Konsequenz. SPD/Grüne wollten 2013 gegen jede Realität Fuß von der Bremse nimmt. Dieses Thema darf DIE LINKE eine eigene Mehrheit erreichen. Ihre Weigerung vor 2014, nicht anderen Parteien überlassen, sie muss ein sozialver- in Bundesländern mögliche rot-rote oder rot-rot-grüne Re- trägliches Umbaukonzept zu ihrem Markenzeichen ma- gierungszusammenarbeit einzugehen, ermöglichte Union chen. und FDP Bundesratsmehrheiten für mehrere schädliche Ge- All diese Punkte sind eng verzahnt mit der Politik der Euro- setze (Betreuungsgeld, Kürzungen in der Arbeitsmarktpoli- päischen Union. In der EU wiederum geht aufgrund seiner tik usw.). extrem starken Stellung nichts gegen die Stimme Deutsch- Aber auch die Diskussion in der LINKEN ist zu oft unehr- lands. Weil ein Wandel nicht ohne Änderung der Kräftever- lich. Gegen die Realität und oft im Widerspruch zur eigenen hältnisse in den einzelnen Mitgliedstaaten zu erreichen sein Praxis auf kommunaler und Landesebene wird so getan, als wird, sind ein Politikwechsel in Deutschland und die Ablösung gäbe es ohne SPD und Grüne eine Mehrheitsperspektive für der Merkel-Regierung Schlüsselfragen der europäischen Ent- fortschrittliche Politik. Eine Folge: Unser Zuspruch unter Ge- wicklung insgesamt. werkschaftern sowie früheren Rot-Grün-Wählern ist seit 2009 Wir sollten uns nachdrücklich der Brisanz dieser Situation rückläufig – auch weil der Bezug auf diese Parteien zunehmend bewusst sein, die auch ins Wahljahr 2017 hineinreichen wird. abstrakter wurde. Gewiss muss DIE LINKE daran arbeiten, an Die nachfolgenden Thesen sollen einen Beitrag leisten, wie die eigener Stärke zuzulegen. SPD und Grüne sind Konkurrenten, dafür nötigen Weichenstellungen aussehen könnten, und sie DIE LINKE ist nicht deren Steigbügelhalter. Dennoch: Im We- sollen zur Debatte herausfordern. sten wird DIE LINKE absehbar nicht in die Lage kommen, die größte Partei links der Union zu sein. Damit muss sie offen und 1. These ehrlich umgehen, statt SPD und Grüne nur als Feindbild zu be- Regieren ist kein Selbstzweck, aber lustvolles Verharren in trachten und sich an deren Niederlagen zu erfreuen. Entschei- der Opposition ist Mist. DIE LINKE muss zielgerichtet aufs dend wird sein, ob die Parteien links der Union in Summe an Regieren hinarbeiten, immer Politik für den Ernstfall machen Überzeugung und Wählerstimmen zulegen. und sich den Kopf von Regierenden zerbrechen. Es wäre fa- DIE LINKE wird Prioritäten und kluge Politik entwickeln tal, wenn sich DIE LINKE unvorbereitet an Regierungen be- müssen, damit Kompromisse akzeptabel sind und bleiben. Sie teiligte und am Praxisschock zugrunde ginge. darf nicht bei ihren »roten Haltelinien« stehen bleiben. Viel- Auf allen politischen Ebenen muss DIE LINKE die »Kom- mandohöhen« politischer Entscheidungsgewalt kennen. Sie darf sich nicht in bequemer Isolation einrichten und muss Alexander Recht ist Lehrer an einem kfm. Berufskolleg und Schulungsver- versuchen, gute Bedingungen für eine LINKE Regierungsbe- antwortlicher im KV Köln der LINKEN. Paul Schäfer, Soziologe und Pu- teiligung zu erwirken. DIE LINKE hat zwar in der Opposition blizist, war von 2005-2013 Mitglied der Bundestagsfraktion der LINKEN, Mitglied im KV Köln. Axel Troost, Volkswirt, ist stellvertretender Vorsit- einiges erreicht. Sie darf aber nicht die Augen davor verschlie- zender der Partei DIE LINKE, finanzpolitischer Sprecher der Linksfrak- ßen, dass sich seit 2005 vieles zum Schlechteren entwickelt tion im Deutschen Bundestag und einer der fünf Sprecher des Instituts So- lidarische Moderne. Alban Werner, Politikwissenschaftler, ist Mitglied im hat: Sozialabbau, Sparpolitik, Eurokrise, prekäre Beschäfti- KV Aachen der LINKEN. gung. Linke haben jetzt wichtige Aufgaben in einer Regierung Die »Aprilthesen« erschienen zuerst in Sozialismus 4-2015, S. 31-36. www.sozialismus.de Sozialismus extra | Juni 2015 7 mehr muss sie auch positive Vorhaben definieren und voran- Aus heutiger Sicht erscheint ein Bündnis oder gar Projekt treiben, die sie bei Eintritt in Regierungsmehrheiten durch- aus SPD, LINKE, Grünen nach der nächsten Bundestagswahl kämpfen will. Eine Mobilisierung für positive Ziele ist meistens wenig wahrscheinlich. Doch bei dieser Betrachtung stehen- schwieriger als jene zur Verhinderung von Verschlechterun- zubleiben, hieße, den Politikwechsel auf den Sankt-Nimmer- gen. Aber gerade eine Partei, die sich den demokratischen So- leins-Tag zu verschieben. Den Bürgerinnen und Bürgern muss zialismus auf ihre Fahnen schreibt, muss Willen, Nerven und im Vorfeld erklärt werden, wofür eine andere Regierung ste- Ausdauer haben, diese Mobilisierungsfähigkeit in »revolutio- hen soll. Die Vorstellung, sich erstmalig nach der Wahl zusam- närer Kleinarbeit« (Otto Bauer) zu erlernen. menzusetzen und um ein Regierungsprogramm zu feilschen, Es geht bei diesem Prozess nicht nur um DIE LINKE selbst. ist unrealistisch und nicht demokratisch. Es geht auch darum, die Kanzlerschaft Angela Merkels zu be- Wir schlagen Fortschritt, Gerechtigkeit und Freiheit als Ori- enden, die wie ein Alp auf Deutschland und Europa liegt. Da- entierungsmarken vor. Fortschritt heißt, dass auf hochtech- für müssen sich die Menschen eine fortschrittliche Politik, die nologischer Basis ein Wachstum erreicht wird, das den Reich- ihre Arbeits- und Lebensbedingungen spürbar verbessert, end- tum aller mehrt und ökologisch nachhaltig ist. Gerechtigkeit lich wieder ernsthaft vorstellen können. heißt, dass alle Arbeit haben, von der sie gut leben können; dass allen gleiche Berufs-, Bildungs- und Zukunftschancen zu- 3. These teil werden; dass der Reichtum gerecht verteilt wird, um genau »It’s the economy, stupid!« Um die wirtschaftspolitische Ver- diese Aufgaben bewältigen zu können – von oben nach unten fasstheit der Parteien, die sich dem linken Spektrum zuord- auf nationalstaatlicher Ebene, aber auch global von reicheren nen, ist es nicht allzu gut bestellt. Auch DIE LINKE muss vor zu ärmeren Nationalstaaten. Eine Politik globaler Gerechtig- der eigenen Haustür kehren. Die Lautstärke LINKER Kri- keit ist zugleich elementare Voraussetzung für die größtmög- tik an der herrschenden Wirtschaftspolitik ist richtig. Aber liche Freiheit eines jeden und damit auch derjenigen, die bis die eigene Kompetenz der Gesamtpartei steht in keinem gu- dato von solchen Freiheitsgütern abgeschnitten sind. Umge- ten Verhältnis hierzu. Gegen den Glaubenssatz der »schwä- kehrt bedarf es der Durchsetzung politischer Grund- und Frei- bischen Hausfrau« muss DIE LINKE klarstellen: Öffentliche heitsrechte, ohne die es nicht zur Verwirklichung einer so- Investitionen kurbeln die Wirtschaft an. Es ist richtig, diese zial gerechten und umweltverträglichen Welt kommen wird. auch über Kredite zu finanzieren – zumal bei niedrigen Zin- Dementsprechend müssen wir konkrete Einstiegsprojekte be- sen. Die Geldpolitik der EZB ist das falsche Feindbild. nennen, an denen eine alternative Regierung zu messen ist. Die SPD hat sich in der Großen Koalition eingerichtet. Trotz einzelner Verbesserungen gegenüber der Agenda 2010 5. These haben Teile ihrer Führung fiskal- und arbeitsmarktpolitisch Fortschritt, Gerechtigkeit und Freiheit gibt es nicht ohne die noch immer neoklassische Auffassungen. Sigmar Gabriel be- Errungenschaften der bürgerlichen Gesellschaft. Der Sozia- fürwortet TTIP gegen die Mehrheit der SPD. Teile des SPD- lismus wird nicht auf den Trümmern des Kapitalismus, son- Vorstands liebäugeln damit, die Vermögenssteuer zu beerdi- dern aus seinem Schoße entstehen. Der Weg dahin führt über gen – Piketty zum Trotz. Die Grünen vertreten in Teilen die den Kampf für eine solidarische Ökonomie und für eine par- irrige Auffassung, ihr bescheidenes Wahlergebnis von 2013 tizipative Demokratie. sei Folge linker Programmatik gewesen. Fiskalpolitisch prä- DIE LINKE nimmt emanzipatorische Potenzen der bürger- sentieren sie sich besonders konservativ. Sie lehnen Ausga- lichen Gesellschaft zu wenig zur Kenntnis, sondern zeichnet ben »auf Pump« ab. Arbeitsmarktpolitisch teilen die Grünen zu oft nur Bilder bürgerlichen Elends. Stattdessen sollte DIE viele Fehler der SPD. LINKE aufzeigen, welcher Fortschritt durch moderne Pro- Und DIE LINKE? In ihrer Ablehnung der Austeritätspolitik duktionsverhältnisse und Produktivkräfte entfesselt werden ist ihr nichts vorzuwerfen. Aber die Debatten um Wirtschafts- könnte, der durch falsche Strukturen und Politik blockiert politik spielen eine zu geringe Rolle, und auch in ihren Reihen wird. Es geht nicht darum, die bürgerliche Gesellschaft ab- gibt es falsche Auffassungen zu den Möglichkeiten von Staats- zuschaffen, sondern sie »aufzuheben«, indem ihre zerstöre- schulden und Geldpolitik. Dabei sollte DIE LINKE sich aus rischen Tendenzen beseitigt, ihre Fortschrittspotenziale aber zwei Gründen stärker mit diesen Themen befassen. Erstens beibehalten und ausgebaut werden. An der begonnenen Eman- werden damit Rahmenbedingungen gesetzt, die die tägliche zipation des Individuums aus den Fesseln archaischer vormo- Arbeit unserer Mitglieder auf kommunaler und Landesebene derner Gemeinschaften muss DIE LINKE also festhalten und prägen. Zweitens muss unsere Partei nach den Erfahrungen die Freiheitsrechte der Individuen entschlossen gegen ihre des 20. Jahrhunderts belastbare Vorstellungen davon haben, Feinde verteidigen. Als Sozialisten kritisieren wir die bürger- wie sie die Wirtschaft demokratischer, gerechter, effizienter, liche Gesellschaft nicht dafür, dass sie Freiheits- und Indivi- ressourcenschonender und krisenfester machen will. dualrechte hervorgebracht hat. Wir kritisieren die bürgerliche Gesellschaft dafür, dass sie in ihrem Inneren Gewalttätigkeit, 4. These Ausschluss und Ungleichheit produziert. Wenn das rot-rot-grüne Bündnis gesellschaftliche Ausstrah- Wenn die neue Gesellschaft im Schoße der alten entsteht, lungskraft haben soll, muss es durch ein gemeinsames inhalt- muss DIE LINKE selbst die Entfaltung der Produktivkräfte liches Projekt erkennbar werden. Dazu müssen die beteiligten wollen. In unserer Programmatik tun wir es, aber auch in der Kräfte sich bereits vor dem Wahlgang auf Inhalte verstän- politischen Praxis? Und wir müssen viel dichter am vorhande- digen und dabei Gewerkschaften und die fortschrittliche Zi- nen Bewusstsein der gesellschaftlichen Akteure ansetzen: vilgesellschaft einbinden. Das Bündnis muss für Fortschritt, Viele Menschen erleben schon heute oft größere Freiheits- Gerechtigkeit und Freiheit stehen. spielräume als früher: weniger Patriarchat, weniger Fabrikdis-

8 Sozialismus extra | Juni 2015 www.sozialismus.de ziplin, mehr digitale Zugänge, mehr individuelle Ansprüche, Wachstum vergrößert den zu verteilenden Kuchen und ver- mehr Bildung, ein Zuwachs an »general intellect« (Marx). DIE bessert die Kampfbedingungen der Lohnabhängigen. Dennoch LINKE tut also gut daran, das Freiheitsversprechen der bürger- ist es falsch, wenn nur die Wirkung von Wachstum auf Vertei- lichen Gesellschaft gegen die unvollkommene Wirklichkeit zu lung beachtet wird. Denn umgekehrt begünstigt eine größere mobilisieren und Menschen dazu einzuladen, an der gesellschaft- Gleichverteilung auch mehr Wachstum. Daraus darf aber nicht lichen Transformation für eine bessere Welt mitzuwirken. folgen, dass LINKE die Erwirtschaftung immer schon als ge- Die Mammutaufgabe, vor der die gesellschaftliche Linke geben voraussetzen und sich daran nicht »die Hände schmut- steht, ist der Einstieg in eine solidarische Ökonomie, in der sich zig machen«. Es wäre hilfreich, wenn wir uns über diese Kon- makroökonomische Steuerung, Umverteilung von Einkom- sequenz im Klaren wären – trotz berechtigter ökologischer men und Arbeitszeit, hochtechnologische Investitionspolitik Kritik. für moderne industrielle Kerne, Entwicklung moderner tech- nikbasierter Dienstleistungen, individualitätsstützende Sozi- 7. These alpolitik und neue Formen des Öffentlichen ergänzen. DIE LINKE muss eine Politik einfordern, mit der der Trend zur De-Industrialisierung in Europa umgekehrt wird und der 6. These Anteil des verarbeitenden Gewerbes an der Wertschöpfung DIE LINKE fordert zu Recht Umverteilung von Einkommen, auf hochtechnologischer Basis (etwa Industrie 4.0) wieder mehr öffentliches Eigentum, mehr soziale Dienste, die sich steigt. Gewiss wird Technik im Kapitalismus zuweilen miss- mehr Leute leisten können sollen. Auf absehbare Zeit muss braucht und deformiert, aber im Ganzen ist Technik eher DIE LINKE daher wollen, dass es insgesamt mehr zu vertei- Teil der Lösung als Teil des Problems. Wir brauchen tech- len gibt. Sie muss also für Wachstum eintreten – auch nach- nischen Fortschritt, der Lebensqualität erhöht und Probleme haltiges Wachstum ist Wachstum. löst. Dazu muss sich DIE LINKE bekennen. Es stimmt, dass bislang Wirtschaftswachstum mit höherem Qualitätsbewusste Warenproduktion und Produktivitäts- Naturverbrauch einhergeht. Daher muss Wirtschaftswachs- steigerung durch Innovation, technischen Fortschritt und tum künftig von erhöhter Ressourcenproduktivität begleitet industrielle Investitionen begrüßen wir ausdrücklich. Eine werden. Doch jede Politik, die den bisher erreichten Wohl- solche Industriepolitik müsste auch sinnvolle private Inves- stand nicht nur halten oder gar ausbauen, sondern auch ge- titionen befördern. Klar ist aber auch, dass mehr öffentliche rechter verteilen will, wird in jedem Fall mehr ökonomische Investitionen getätigt werden müssen und manche Privatisie- Kompetenz, Steuerung und Planung benötigen. Möchte DIE rung rückgängig zu machen ist. Investive, technikbasierte Ak- LINKE hier ernst genommen werden, muss sie das Thema tivitäten richten sich zweifellos auch auf die Produktion mate- selbst ernster nehmen. rieller Güter, aber nicht ausschließlich. Es geht auch darum,

VSA: flugschriften: Linke Aufklärung & Debatten

benjamin-immanuel hoff joachim bischoff tom strohschneider elisabeth gauthier die linke: JOACHIM BISCHOFF karl heinz roth bernhard müller linke mehrheit? BERNHARD MÜLLER partei neuen typs? griechenland europas rechte PIKETTY am abgrund KURZ & die deutsche reparationsschuld AaA KRITISCH das konzept des »modernisierten« über rot-rot-grün, politische bündnisse Eine Flugschrift zum und hegemonie rechtspopulismus milieus – strömungen – parteireform Kapitalismus im 21. Jahrhundert V V V V V VS VS VS VS eine fl ugschrift eine fl ugschrift VS eine fl ugschrift eine fl ugschrift

Benjamin-Immanuel Hoff Tom Strohschneider Joachim Bischoff/ Karl Heinz Roth Joachim Bischoff/Elisabeth DIE LINKE: Linke Mehrheit? Bernhard Müller Griechenland am Abgrund Gauthier/Bernhard Müller Partei neuen Typs? Über rot-rot-grün, politische Piketty kurz & kritisch Die deutsche Europas Rechte Milieus – Strömungen – Bündnisse und Hegemonie Eine Flugschrift zum Kapita- Reparationsschuld Das Konzept des »moderni- Parteireform Eine Flugschrift lismus im 21. Jahrhundert Eine Flugschrift sierten« Rechtspopulismus Eine Flugschrift 96 Seiten | EUR 9.80 96 Seiten | EUR 9.00 96 Seiten | EUR 9.00 Eine Flugschrift Statt eines Vorwortes: ISBN 978-3-89965-596-4 ISBN 978-3-89965-646-6 ISBN 978-3-89965-664-0 132 Seiten | EUR 11.00 ein Brief an den Autor Kann es eine linke Mehrheit Die Autoren stellen die Er- Ein Neustart für Griechen- ISBN 978-3-89965-663-3 von in der Bundesrepublik ge- gebnisse von Pikettys Studie land ist möglich ist, wenn Wer ist die »moderne« Rech- 144 Seiten | EUR 12.80 ben? Natürlich, aber das Kri- vor und unterziehen sie ei- Deutschland seine Repara- te in Europa und was sind ISBN 978-3-89965-614-5 terium auch dieser Wahrheit ner kritischen Bewertung. tionsschulden begleicht und deren Konzepte? kann nur eine Praxis sein. zum Wiederaufbau der Wirt- schaft beiträgt. Im Buchhandel oder direkt bei: VSA: Verlag, St. Georgs Kirchhof 6, 20099 Hamburg, [email protected]. www.vsa-verlag.de

www.sozialismus.de Sozialismus extra | Juni 2015 9 für eine höhere Lebensqualität den ökologischen Umbau von tausenden geht. Aber klar ist: Damit allein wird man nicht zu Produktion, Verkehr und Infrastruktur voranzutreiben, die öf- einer gesellschaftsverändernden Kraft! fentliche Daseinsvorsorge und die Sozialsysteme zu stützen, Daraus folgt, dass sich DIE LINKE intensiver um das Feld moderne Dienstleistungen zu fördern und der digitalisierten der Arbeit kümmern muss. Freiheitsräume von Beschäftigten Wissensökonomie den Weg zu ebnen. zu wahren, die Kultur sozialer Unsicherheit einzudämmen und Von besonderer Bedeutung wird das Verhältnis von Indus- den Sozialstaat mit Blick auf den Wandel der Arbeit zukunfts- triepolitik und ökologischem Umbau sein. Wichtiges Ziel tech- fest zu machen, darum geht es. Diese Aufgabe betrifft nicht nur nikbasierter Investitionen ist es, den Einsatz nicht-erneuer- den Bereich der Erwerbsarbeit. Denn die zunehmende Flexi- barer Ressourcen zu reduzieren, Energieeffizienz zu erhöhen bilisierung in der Erwerbsarbeit erwirkt eine Entgrenzung der und die Entwicklung regenerativer Energiequellen voranzu- gesellschaftlichen Arbeit insgesamt, bei der Phasen von Er- treiben. Nötig ist es, unmittelbare Aktivitäten von Gebietskör- werbs- und Reproduktionsarbeit sich gegenseitig durchdrin- perschaften und öffentlichen Unternehmen in Richtung des gen. Wenn wir also über den Stellenwert der Arbeit heute spre- technikbasierten ökologischen Umbaus voranzutreiben sowie chen, so reden wir über Erwerbs- und Reproduktionsarbeit, private Aktivitäten durch direkte Vorgaben und Instrumente die beide in eine Politik der Regulierung mit einzubeziehen politischer Marktsteuerung zu regulieren. sind, wenn wir wieder mehr Menschen für die Einmischung in die Politik gewinnen wollen. 8. These Technologischer Fortschritt und ökonomischer Strukturwan- 9. These del haben zu neuen Formen der Arbeitsorganisation geführt. Europa ist nicht alles, aber ohne Europa ist alles nichts. DIE In dieser Entwicklung steckt nicht nur Potenzial zu Entfrem- LINKE kritisiert zu Recht die neoliberale Verfasstheit der euro- dung und Druck, sondern auch zu mehr Freiheit und Selbst- päischen Integration und die abgehobene politische Führung bestimmung. DIE LINKE muss ein Angebot erarbeiten, um der EU. Aber Hand aufs Herz: Das europäische Bewusstsein die neuen Potenziale der Menschen für eine emanzipatorische der LINKEN musste auch erst durch die wichtigen Abwehr- Politik aufzunehmen und ihre veränderten Lebensläufe sozi- kämpfe gegen die europäische Austeritätspolitik »wachge- alpolitisch gerecht abzusichern. küsst« werden. Die schwierige Situation von Syriza und mög- Neue Formen von Projekt- oder Gruppenarbeit haben sich lichen weiteren linken Regierungen unter dem Merkelschen herausgebildet, ebenso neue Formen von Selbständigkeit und Austeritätsregime sollte klarmachen: DIE LINKE muss sich weitere Beschäftigungsarten, die nicht dem vertrauten Normal- entschieden mehr um die Europapolitik kümmern. arbeitsverhältnis entsprechen. Unternehmerische Orientie- Die dominante und desaströse Rolle der deutschen Regie- rung am Ziel der Profitabilität wird weniger als früher übers rung in der EU muss von uns thematisiert werden. Zudem Direktionsrecht der Unternehmensführung umgesetzt. Das müssen wir auf die besondere Notwendigkeit und Möglich- kapitalistische Management will vielmehr, dass die Arbeits- keit Deutschlands für eine solidarische Entwicklung in Europa kräfte den Ablauf ihrer Arbeit selbst gestalten und sich den hinweisen. Diese erfordert höhere Lohnsteigerungen und die Imperativen des Marktes aussetzen. Das führt zu Widersprü- Anregung von Investitionen in Deutschland zur Reduzierung chen und Stress. Die Gewerkschaften wissen, wovon die Rede außenwirtschaftlicher Ungleichgewichte in Europa. Ohne ein ist. Der Kampf gegen Arbeitsstress und für gute Arbeit ist ins europäisches Aufbauprogramm, mit dem Investitionen vor Zentrum ihrer Tätigkeit gerückt. Auch bei besonders qualifi- allem in die notleidenden »Peripherie«-Länder gelenkt wer- zierten Fachkräften ist Eigenverantwortlichkeit Bestandteil den, kann die wachsende Spaltung innerhalb der EU nicht einer Entwicklung, die über zunehmende Konkurrenz Stress aufgehoben werden. produziert, mit Unsicherheit einhergeht und durch die Ent- Notwendig wird es aber auch sein, dass sich zentralstaat- wertung von Qualifikationen auch zu »Ausmusterung« und liche europäische Mechanismen auf solidarischer Grundlage sozialem Abstieg führen kann. entwickeln. Hierzu gehören eine abgestimmte expansive Aus- Doch es wäre zu kurz gegriffen, diese Entwicklung nur gabenpolitik, eine expansive Geldpolitik der EZB ohne Spar- vom Stress her zu betrachten. Marx betonte die allgemeine vorgaben für die EU und die Nationalstaaten, eine EU-Aus- Bedeutung von Arbeit fürs Menschsein: Indem der Mensch gleichsunion und Wechselkursvereinbarungen zwischen der durch Arbeit »auf die Natur außer ihm wirkt und sie verän- EU und anderen Teilen der Weltwirtschaft sowie eine Regu- dert, verändert er zugleich seine eigne Natur. Er entwickelt lierung der Finanzmärkte. Dies setzt voraus, die europäischen die in ihr schlummernden Potenzen und unterwirft das Spiel Vertragswerke an jenen Stellschrauben, die europäischer So- ihrer Kräfte seiner eignen Botmäßigkeit«. Im modernen Ka- lidarität entgegenstehen, zu revidieren. An einem radikalen pitalismus erreicht diese Entwicklung eine neue wissensba- Umbau der EU führt kein Weg vorbei. sierte Stufe, die den Menschen auch bereichert. Die moderne Arbeitswelt ist für DIE LINKE bisher eher un- 10. These bekanntes Land. Das liegt nahe: Hoch qualifizierte Fachkräfte Die Menschenrechte – individuelle Freiheitsrechte und sozi- sind in der mitgliedermäßigen Zusammensetzung noch un- ale Grundrechte – sind Fundament linker Politik, und dies terproportional vertreten. Dass sich DIE LINKE ums Preka- gilt für Innen- und Außenpolitik gleichermaßen. Denn um riat und um den Öffentlichen Dienst kümmert, ist daher we- was sonst geht es im Sozialismus? Doch darum, die gesell- der verwunderlich noch zu tadeln. Dass sie eine Kampagne schaftlichen Voraussetzungen zu schaffen, dass diese Rechte startet, die auf die Einschränkung oder gar Beseitigung pre- für alle umgesetzt werden. DIE LINKE muss diesen Anspruch kärer Beschäftigungsverhältnisse zielt, ist völlig richtig – weil als Menschenrechtspartei verkörpern und leben – nicht mehr es niemand anderes tut und es um die Würde von Hundert- und nicht weniger.

10 Sozialismus extra | Juni 2015 www.sozialismus.de Wer unterschreibt nicht den Satz »Die Menschenrechte meier verkündet, sein Ministerium umbauen zu wollen, um sind universell und unteilbar«? Auch wir tun es, sehen uns ziviler Konfliktvorbeugung die gebührende Aufmerksamkeit aber genötigt, sofort allerlei Sätze hinzuzufügen. Menschen- zu schenken. An der Disparität zwischen Militärausgaben rechte seien Vorwand für imperiale Interventionspolitik, wür- und Mitteln für zivile Konfliktbearbeitung wird sich jedoch den für ideologische Vernebelung durch die Herrschenden nichts ändern, die Logik »militärischer Nachsorge« steht wei- genutzt. Mitunter entsteht der Eindruck, dass wir über die ter obenan. DIE LINKE hat lange gezögert, ob sie sich diesem richtige Kritik an diesen Sachverhalten den positiven Bezug auf Feld überhaupt zuwenden soll – weil »die Herrschenden« die weltweit und damit überall einzufordernde Rechte vergessen. zivile Konfliktbearbeitung längst in ihren außenpolitischen Ein verquastes »Ja, aber« steht uns nicht gut zu Gesicht, wir Instrumentenkasten integriert haben. Auch hier gilt es, die müssen entschiedene Verfechter der Menschenrechte sein. bloße Abwehrhaltung zu überwinden und konstruktive Ideen Besonders schwierig wird es, wenn wir programmatisch einzubringen. feststellen, die Menschenrechte seien dem Gewaltverbot der DIE LINKE propagiert Solidarität mit denen, die existen- UN-Charta strikt untergeordnet. Das ist völkerrechtlich falsch ziell durch kriegerische Gewalt und Terror bedroht sind. Und und politisch-moralisch unhaltbar. Versuche, das Spannungs- sie betont eine Politik der Gewaltfreiheit als ehernes Prinzip. verhältnis zwischen kategorischer Menschenrechtspolitik und Doch beide Vorsätze können zuweilen in Widerspruch zuein- friedenssicherndem Nichteinmischungsgebot einseitig nach ander geraten. Beispiel Kobane: Wenn wir zu Recht betonen, einer Seite hin aufzulösen, taugen nicht. Man landet unweiger- dass der militärische Widerstand von Kurden in Syrien und im lich beim Menschenrechtsbellizismus oder beim Menschen- Irak gegen die mörderischen Attacken des IS legitim ist, dann rechtsnihilismus. Beides können wir nicht wollen – es muss sagen wir implizit auch, dass es Extremsituationen gibt, in de- etwas Drittes geben, eine klügere Lösung. nen das Recht auf Leben mit der Waffe in der Hand verteidigt werden muss. Ein linkes Transparent gegen die US-Bomben- 11. These angriffe passt dann auch nicht dazu, dass DIE LINKE im Bun- Wie unsere »Weltfriedensordnung« aussehen soll, bleibt noch destag die Befreiung Kobanes feiert, die durch das Zusammen- zu unbestimmt und auf »Antimilitarismus« beschränkt. Un- wirken von kurdischen, irakischen und iranischen Kämpfern sere Forderung, »Frieden mit friedlichen Mitteln« erreichen am Boden und US-Kampflugzeugen in der Luft erreicht wurde. zu wollen, muss endlich substanziell gefüllt werden. Den Fra- Das Recht auf Notwehr und die Pflicht zur Nothilfe – wenn gen, wie man im Rahmen der Vereinten Nationen entgrenz- möglich – gehören untrennbar zusammen. Nun kann man an- ter Gewalt entgegentreten kann, werden wir nicht endlos zweifeln, ob es in der heutigen kapitalistischen Staatenwelt ausweichen können. und einer von Großmächten dominierten UNO überhaupt in- Die Welt ist aus den Fugen geraten. Ratlosigkeit breitet sich tegre, uneigennützige und legitime »Nothelfer« gibt. aus, weil die bisher gegebenen, primär militärischen Antworten Andererseits kann es keine politisch und moralisch ver- auf die heutigen Krisenprozesse die Probleme nur verschärft ha- tretbare Position sein, eine bedrängte Bevölkerung mit dem ben. Aber wissen wir, wie man Staatszerfall, Terrorismus, neu- Hinweis zu vertrösten, dass sie internationale Hilfe erst zu er- erlichen Gewalteskalationen und globalen Umweltproblemen warten habe, wenn erst einmal der Imperialismus überwun- begegnen soll? Unsere Kenntnisse über die sich wandelnde Welt den und die UN wirklich demokratisch sei. (Ganz abgesehen und unsere Politikvorschläge bleiben hinter dem zurück, was ge- davon, dass ein solcher Gedanke auch unlogisch wäre: Denn braucht wird. Eine naheliegende Antwort auf die »aus den Fu- in diesem »Goldenen Zeitalter« wird es doch gar keinen Ter- gen geratende Welt« lautet: Die Vereinten Nationen und ihre rorismus mehr geben, oder?) Regionalorganisationen müssen endlich an die erste Stelle ge- Über diese Fragen müssen wir diskutieren und nachden- rückt werden, wenn es um die Sicherung des Friedens und glo- ken können, ohne dass eine Seite sofort mit dem Bannstrahl bale Zusammenarbeit geht. Und: Es braucht verlässliche Re- der Kriegstreiberei belegt wird. Hätte die UNO nicht die Mög- geln des Zusammenlebens, um die Willkür der Stärkeren durch lichkeit gehabt, den Völkermord in Ruanda vor gut 20 Jahren Recht und Völkerrecht zu ersetzen. Auch der Internationale zu verhindern, und wenn ja, hätte sie es nicht tun müssen? Strafgerichtshof gehört dazu. Mit diesen Fragen müssen wir uns Warum soll das heute anders sein? Das hindert uns ja kei- mehr beschäftigen und klarere Vorstellungen entwickeln. neswegs, immer wieder eine vorausschauende Politik einzu- Klar ist: »Zivile Antworten« auf gewaltförmige Konflikte fordern, mit der solche Zwangssituationen gar nicht erst ent- müssen absolutes Primat haben. Bundesaußenminister Stein- stehen können. SozialismusAktuell www.sozialismus.de | laufend aktuelle Kommentare & Kurzanalyen

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www.sozialismus.de Sozialismus extra | Juni 2015 11 Um gesellschaftliche Mehrheiten ringen Für eine emanzipatorische Klassenpolitik von Bernd Riexinger

Alexander Recht, Paul Schäfer, Axel eines neuen Produktivitäts- und Digi- den sollen. Im Parlament werden ge- Troost und Alban Werner fordern in talisierungsschubs eine sozial gerechte sellschaftliche Kräfteverhältnisse im ihren »Aprilthesen« DIE LINKE dazu und demokratische Gestaltung der Ar- besten Fall repräsentiert, die zuvor in auf, ihren bündnispolitischen »Willen beit der Zukunft gesellschaftlich durch- gesellschaftspolitischen Auseinander- nach außen erkennbar zu kommunizie- gesetzt werden? setzungen geschaffen werden. Die ent- ren und nach innen ihre politische Ar- Die Autoren der »Aprilthesen« plä- scheidende Frage ist also: Wie kann beit darauf auszurichten«. Dafür schla- dieren für eine offensive Ausrichtung DIE LINKE gestärkt werden, um die gen sie fünf strategische Bereiche vor, auf Rot-Rot-Grün. DIE LINKE müsse gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse die sicherlich wichtige Felder linker »dieses Bündnis wollen« und »Kom- zu verändern und Mehrheiten für linke Politik sind: eine andere Wirtschafts- promisse eingehen und von der eige- Politik zu gewinnen? Dafür reichen all- und Sozialpolitik, die Förderung öf- nen Position Abstriche machen.« Der gemeine programmatische Punkte und fentlicher Investitionen, eine sozial Weg zu einem linken Reformprojekt ist richtige Einzelforderungen nicht aus. gerechte und menschenwürdige Ein- aber nicht durch DIE LINKE verstellt, Richtig ist: DIE LINKE darf die Dis- wanderungspolitik und viele weitere. sondern durch die mehrheitliche poli- kussion um Regierungsbeteiligungen Dennoch bleibt die mit den Vorschlä- tische Ausrichtung von SPD und Grü- nicht zu abstrakt führen. Die Frage pro gen verbundene strategische Ausrich- nen. Es mangelt nicht an Konzepten oder contra Regierungsbeteiligung ist tung an vielen Punkten unklar: Wie für eine Abkehr vom neoliberalen Ge- nicht die entscheidende. Die funda- verhält sich eine linke Wirtschafts- sellschaftsumbau und der Militarisie- mentale Ablehnung von Regierungs- politik zum neoliberalen Exportmo- rung der Außenpolitik, für einen so- beteiligungen kann die Partei in eine dell, das von SPD und Grünen der- zial-ökologischen Umbau. Unklar Sackgasse führen, wenn sie sich auf ei- zeit nicht in Frage gestellt wird? Wie bleibt in den »Aprilthesen« auch, wie nen Radikalismus der Worte und Pro- kann eine populare linke Strategie ge- eine gesellschaftliche (!) Mehrheit für gramme beschränkt und nicht in der gen die neoliberale Krisenpolitik und ein linkes (!) Reformprojekt, der Bruch Lage ist, als organisierende Kraft im gegen den rechten Kulturkampf aus- mit dem neoliberalen Kapitalismus Alltag Durchsetzungsmacht für kon- sehen? Wie kann angesichts von Pre- und der Einstieg in einen gesellschaft- krete Verbesserungen der Arbeits- und karisierung und Spaltungen, aber auch lichen Richtungswechsel erreicht wer- Lebensverhältnisse zu organisieren.

12 Sozialismus extra | Juni 2015 www.sozialismus.de Die Betonung der Gestaltungsauf- blick auf zu entwickelnde gemeinsame durch Organisierung und sozialen Pro- gabe der Partei kann aber umgekehrt Ziele zu bündeln. Sie steht nicht im test zu schaffen. Der Durchsetzung dazu führen, die Aufgabe der Opposi- Widerspruch dazu, die Macht- und Ge- des Mindestlohns sind jahrelange Ar- tion gegen die neoliberalen Verhält- staltungsfrage zu stellen. Im Gegenteil: beit in Initiativen und Bündnissen nisse und das kapitalismuskritische, Die Veränderung der Kräfteverhält- zur Überzeugungsarbeit in der Gesell- sozialistische Profil der LINKEN ver- nisse in der Gesellschaft ist die Grund- schaft vorangegangen. Eine emanzi- schwimmen zu lassen. Regierungsbe- lage dafür, die politischen Kräftever- patorische Klassenpolitik muss an den teiligungen machen nur dann Sinn, hältnisse im Staat zu verändern. Eine sich abzeichnenden gesellschaftlichen wenn klare Kriterien erfüllt sind. Dazu solche Strategie muss zugleich DIE Konfliktlinien, den möglichen Bruch- gehören: ein gemeinsames Projekt für LINKE als aktive Mitgliederpartei stär- stellen des neoliberalen Blocks und einen grundlegenden Politikwechsel ken: Die Stärkung des Parteiaufbaus an der Großen Koalition ansetzen und und einen anderen gesellschaftlichen der Basis und die stärkere gesellschaft- für konkrete Einstiegsprojekte gesell- Entwicklungspfad jenseits des neoli- liche Verankerung insbesondere in der schaftliche Mehrheiten schaffen. Es beralen Kapitalismus – das geht über Arbeitswelt und den Gewerkschaften, geht darum, »solidarische Brücken«, punktuelle programmatische Über- bei Erwerbslosen und bei jungen Men- gemeinsame politische Erfahrungen schneidungen hinaus. Neben dem po- schen entscheiden darüber, ob DIE und Forderungen unterschiedlicher litischen Willen in den Parteien dazu LINKE in der Lage ist, zum Motor ei- Teile der Lohnabhängigen zu för- (also einem grundlegenden Kurs- ner gesellschaftlichen Opposition ge- dern und Spaltungen anhand von Ge- wechsel bei SPD und Grünen) braucht gen die Große Koalition zu werden und schlecht, Rassismus und Nationalis- es eine gesellschaftliche Hegemo- mittelfristig eine Alternative zum neo- mus entgegenzuwirken. Träger einer nie für eine solche linke Agenda und liberalen Exportmodell mehrheits- und solchen Politik könnte ein Bündnis die Macht, durch gemeinsame Mobi- durchsetzungsfähig zu machen. von Erwerbslosen und von Armut Be- lisierungen mit Gewerkschaften und Nach den Bundestagswahlen hat troffenen, den verschiedenen Gruppen sozialen Bewegungen zentrale Ein- sich die Partei erfolgreich stabilisie- prekär Beschäftigter, den (noch) tarif- stiegsprojekte auch gegen massiven ren können. Die erfolgreiche Landtags- lich abgesicherten Beschäftigten der Widerstand der Kapital- und Vermö- wahl in Thüringen und die Wahl von Industrie und des öffentlichen Sektors gensbesitzer durchsetzen zu können. Bodo Ramelow zum ersten linken Mi- (insbesondere den wachsenden Be- Michael Jäger hat DIE LINKE zu nisterpräsidenten in der Bundesrepub- schäftigtengruppen im Bildungs-, Ge- Recht dazu aufgefordert, sich als eigen- lik gehört sicherlich zum Höhepunkt im sundheits- und Pflegebereich) sowie ständige gesellschaftliche Kraft zu ver- Jahr 2014. Trotz dieses Erfolges haben des sich bildenden urbanen linken Mi- stehen, die in einer Zeit der Krise des die Landtagswahlen im Osten verdeut- lieus sein. neoliberalen Kapitalismus, der post- licht, dass DIE LINKE nach wie vor mit demokratischen Aushöhlung der De- strukturellen Problemen zu kämpfen Gegen die Prekarisierung mokratie und der weiter andauernden hat. Überdurchschnittlich gewählt ha- von Arbeit und Leben neoliberalen Erstarrung aller anderen ben uns die Erwerbslosen und die Ge- Parteien um gesellschaftliche Mehr- neration über 60. Große Lücken gibt Ein zentrales Projekt, um die Veran- heiten ringt. Als LINKE sollten wir uns es bei den ErstwählerInnen und Jün- kerung der LINKEN bei Erwerbslo- nicht auf der Position einer 10%-Par- geren, aber auch bei den Erwerbstä- sen, Menschen in Armut und prekären tei einrichten und uns als untergeord- tigen und Gewerkschaftsmitgliedern. Verhältnissen, der jungen »Generation neten Teil eines »rot-rot-grünen« La- Nach wie vor ist die Partei im Westen prekär« und bei den Beschäftigten des gers verstehen. Wir sollten vielmehr noch zu klein und für den Einzug in die Öffentlichen Dienstes zu stärken und den Kampf um die Hegemonie, um die Landtage der Flächenländer stark vom zugleich Bündnisse zu den Interessen Richtung der gesellschaftlichen Ent- Bundestrend abhängig. Die Wahlen in der Beschäftigten der Exportindustrie wicklung, mit dem Ziel führen, gesell- Hamburg und Bremen haben aber ge- zu schlagen, ist die auf mehre Jahre schaftliche Mehrheiten zu erreichen. zeigt, dass die Partei im Westen, beson- angelegte Kampagne gegen prekäres Wir stehen damit vor der Herausfor- ders im großstädtischen Raum, wieder Leben und Arbeiten. Die Kampagne derung, verschiedene Teile und Mili- wachsen kann. Es entstehen in vielen »Dass muss drin sein« setzt an den Er- eus der unteren und mittleren Klassen Städten Wurzeln eines linken Milieus. fahrungen und unmittelbaren Proble- in Prozessen der Herausbildung ge- Dennoch ist DIE LINKE in Deutsch- men an und formuliert das Selbstver- meinsamer Weltsicht und politischer land derzeit nicht in der Lage, den ständliche: Arbeit, von der man leben Ziele zu verbinden und die Entwick- Kampf um die Hegemonie insgesamt und die Zukunft planen kann. Dass die lung einer neuen demokratisch organi- zu gewinnen. Dafür ist ihre gesell- einen nicht überarbeitet und die ande- sierten Wirtschaft, Politik und Kultur/ schaftliche Verankerung zu schwach, ren nicht unterbeschäftigt sein sollen, Lebensweise zu fördern. Die hier vor- ist sie politisch zu stark fragmentiert, sondern dass wir gemeinsam gesell- geschlagene Strategie einer emanzipa- sind die gesellschaftlichen Krisenpro- schaftliche Lösungen für die Umvertei- torischen Klassenpolitik als Herzstück zesse (noch) zu schwelend und die Dy- lung von Arbeit finden müssen. Dass einer »verbindenden Partei« bedeutet namik sozialer Kämpfe insgesamt zu die Mindestsicherung von Menschen in der gegenwärtigen Konstellation, die schwach. Aber: Nach Jahren der Nie- Bernd Riexinger ist Parteivorsitzender der pluralen Gegenkräfte zum neoliberalen derlagen geht es darum, Erfolge, Ver- LINKEN und ehemaliger Geschäftsführer des Kapitalismus zu sammeln und im Hin- besserungen der Lebensverhältnisse ver.di-Bezirks Stuttgart. www.sozialismus.de Sozialismus extra | Juni 2015 13 ein Grundrecht ist und nicht mit Sank- sondern Räume für Austausch geschaf- del wie jüngst bei Amazon sowie bei tionen verbunden werden darf. Dass fen und Fähigkeiten zur Organisierung ErzieherInnen oder Pflegekräften im Wohnen und Energie bezahlbar sein entdeckt und verbreitet werden. Die Krankenhaus entwickelt. Eine eman- müssen, ohne dass die Menschen an Kampagne kann so ein starker Anfang zipatorische Klassenpolitik um die Ar- den Rand gedrängt werden. Dass eine für die Entwicklung einer neuen Klas- beit der Zukunft steht vor der Heraus- ausreichende Versorgung der Bevöl- senpolitik werden. forderung, neue Streikbewegungen kerung mit Bildung, Gesundheit und sowie andere betriebliche Auseinan- Pflege durch ausreichend Personal und Der Kampf um die dersetzungen stärker mit gesellschafts- bessere Arbeitsbedingungen gesichert Arbeit der Zukunft politischen Kampagnen der Gewerk- wird. Das muss drin sein. schaften und Bündnispartnern aus Entlang des Slogans »Das muss drin Mit 43 Millionen Beschäftigungsver- sozialen Bewegungen und Parteien zu sein« kann der Kampf darum geführt hältnissen sind so viele Menschen in verbinden. Der LINKEN kann in die- werden, was in einem reichen Land Lohnarbeit wie noch nie in der Ge- sem Prozess eine tragende Rolle zu- als selbstverständlich gilt. Es geht da- schichte der Bundesrepublik, ein kommen, wenn es ihr gelingt, an die rum, Anspruchshaltungen an gute Ar- »Ende der Arbeit« ist nicht in Sicht. neuen Klassenauseinandersetzungen beit und ein gutes Leben zu stärken – Die Zukunft der gesellschaftlichen Ar- anzuknüpfen. Was in einer Gesell- und die Verursacher und Profiteure der beit und die Entwicklung der Arbeits- schaft als »selbstverständlich«, »nor- Prekarisierung auch als direkte Gegner beziehungen müssen also zentrale mal« gilt, welche Vorstellungen von zu adressieren. Es soll eine Klammer Schwerpunkte LINKER Politik sein. guter Arbeit und einem guten Leben zwischen unterschiedlichen Konflikten Die neoliberale Deregulierung der letz- sich gesellschaftlich verallgemeinern und Kämpfen geschaffen werden: neue ten Jahrzehnte hat hier soziale Zer- und durchsetzen, ist eine Frage der Streiks in prekärer Arbeit etwa im störungs- und Spaltungsprozesse be- (Klassen-)Kämpfe um die Hegemonie. Einzelhandel oder der Gastronomie, wirkt: Löhne, Arbeitsbedingungen und Im Sinne einer »revolutionären Re- Auseinandersetzungen um den Pfle- Arbeitszeiten sind in einem Maße aus- alpolitik« () geht es genotstand im Gesundheits- und Pfle- einandergedriftet, wie wir das in der heute darum, verbunden mit den »Ta- gebereich, Proteste gegen steigende neuen Geschichte bisher nicht erlebt geskämpfen« wie den neuen Streiks ei- Mieten und Energiekosten und die haben. Heute ist die Regulierung der nen »Kulturkampf« um die Arbeit der Verdrängung von Gruppen mit nied- Arbeit für die Gewerkschaften zu einer Zukunft zu führen, der unterschied- rigen Einkommen durch Gentrifizie- Schicksalsfrage geworden. liche Erfahrungen und Ansprüche in rung. Die Forderung nach mehr Perso- Die Tarifbindung ist über Jahre ge- einer fragmentierten Arbeitswelt bün- nal für Bildung, Pflege und Gesundheit sunken, auf 57% im Westen und im Os- deln kann. Die LINKE sollte ihre Kon- soll nicht nur die Beschäftigten der so- ten unter 40%. Nur noch in 23% der zepte zur Regulierung der Arbeit bün- zialen Dienstleistungen erreichen, son- Betriebe gilt ein Tarifvertrag. Auch die deln und eine mobilisierende Agenda dern auch große Teile der Lohnabhän- Reichweite der verhältnismäßig guten für ein zukunftsfähiges »Neues Nor- gigen insgesamt ansprechen, die auf Tarifverträge im Metallbereich nimmt malarbeitsverhältnis« entwickeln: eine gute öffentliche Bildung, Gesund- kontinuierlich ab. Die fehlende Bin- ■ Jede Arbeit muss so bezahlt werden, heitsversorgung und Pflege angewie- dekraft von Tarifverträgen ist eine der dass die Existenz (auch im Alter) ge- sen sind. Hauptursachen für zunehmende Lohn- sichert wird. Mittelfristig sollen die Forderungen ungleichheit und Spaltungen zwischen ■ Es muss drin sein, die eigene Zu- in der Gesellschaft mehrheitsfähig ge- verschiedenen Beschäftigtengruppen. kunft planen zu können und glei- macht und Druck aufgebaut werden, Es gehört zudem zur Struktur des Ex- chen und geschlechtergerechten Zu- um eine oder mehrere der bundeswei- portmodells und zur Leitlinie der Po- gang zu sozialer Absicherung zu ten Forderungen tatsächlich durchzu- litik der Großen Koalition, dass die haben. setzen. Entscheidend ist, dass sie auch (durch prekäre Beschäftigung selbst ■ Gute Arbeit darf nicht krank ma- von Gewerkschaften und anderen Ak- gespaltene und angesichts der Ent- chen und auch nicht nach einigen teuren aufgegriffen und Ausgangs- wicklung der Produktivität und der Jahren zu Erschöpfung und Burnout punkt einer gesellschaftlichen Mobi- Profite viel zu niedrige) Lohnentwick- führen. Es geht um eine neue »Hu- lisierung werden. DIE LINKE ist als lung im Exportsektor mit einer struk- manisierung der Arbeit« durch eine aktive Mitgliederpartei durchaus ge- turellen Abwertung des Öffentlichen, »Stressbremse« und den Ausbau eignet, als Scharnier zwischen den ver- der personennahen Dienstleistun- von Mitbestimmungsrechten. schiedenen Teilen der fragmentierten gen und des Handwerks einhergeht. ■ Eine erneuerte Initiative zur Ar- Linken wie der verschiedenen sozialen Die Gewerkschaftsbewegung ist durch beitszeitverkürzung müsste sich um Kämpfe zu fungieren. Allerdings muss diese Entwicklungen mit der Gefahr die breit getragenen, aber konkret sie dafür auch ihre eigenen Fähigkeiten verstärkter Spaltungen und Konkur- sehr unterschiedlichen Wünsche verbessern, aktiv und verbindend, auf- renz untereinander konfrontiert. nach mehr selbstbestimmter Zeit regend und einladend zu agieren. Die In den letzten Jahren haben sich drehen und diese zu einem Kampf Kampagne kann sich zu einem selbst- aber auch neue Streikbewegungen u.a. um eine neue (und gegenüber der organisierten Lernprozess entwickeln, im Bewachungsgewerbe, in Call-Cen- alten Vollzeitnorm auch flexiblere in dem Mitmachen nicht nur bedeutet, tern, in der Nahrungsmittelindustrie und geschlechtergerechte) gesell- einen bereits fertigen Plan umzusetzen, und im Reinigungsgewerbe, im Han- schaftliche Norm bündeln. Beruf

14 Sozialismus extra | Juni 2015 www.sozialismus.de und FreundInnen, Familie, kultu- lisierung der Produktion werden auch denbremse und unsoziale Kürzungs- relle und politische Aktivität müssen von links-alternativen Kräften Hoff- politik, niedrige Steuern für Konzerne in allen Lebensphasen miteinan- nungen auf einen alternativen Pfad ge- und Vermögende und das Kaputtspa- der vereinbar sein. Es geht darum, sellschaftlicher Entwicklung verbun- ren und die Privatisierung der öffent- durch Umverteilung der Arbeit Dau- den. Vieles spricht aber dafür, dass lichen Daseinsvorsorge. Die zumeist ererwerbslosigkeit, unfreiwillige unter den bestehenden Kräfteverhält- von Frauen geleistete Arbeit mit den und prekäre Teilzeit sowie die Über- nissen die Digitalisierung die Prekari- Menschen in sozialen Dienstleistungen lastung durch zu lange Arbeitszeiten sierung und Fragmentierung der Ar- im Bildungs-, Erziehungs-, Pflege- und zu überwinden. Die Arbeitszeit muss beit verstärken würde. Die digitale Gesundheitsbereich wird gegenüber sich mehr um das Leben drehen Vernetzung von Maschinen und Ma- Arbeit in der Exportindustrie abgewer- und das Leben weniger um die Ar- schinenanlagen wird die Maschinen- tet und unterfinanziert. Mit den Forde- beit. Die Forderung »Arbeit umver- baubranche mehr und mehr in In- rungen zur Pflege, Gesundheit und Bil- teilen statt Dauerstress und Exis- formatikbetriebe umwandeln und zu dung im Rahmen der Kampagne wird tenzangst« wäre vielleicht geeignet, einem neuen Automatisierungs-Schub einer veränderten Klassenzusammen- um Projekten wie der »kurzen Voll- führen. Ohne Zweifel wird die Robo- setzung Rechnung getragen: Mittler- zeit« von etwa 30-32 Stunden und terisierung der Produktion Arbeits- weile sind in sozialen Dienstleistungen flexiblen Modellen für unterschied- plätze vernichten. Mit weiterer Digi- mehr Menschen als in der Exportindus- liche Lebensphasen wie Sabbat- talisierung wird so die alte Frage, von trie beschäftigt. Die öffentliche Verar- jahren, Familien- und Bildungsaus- wem die neuen Produktivitätsgewinne mung, die Politik von Prekarisierung zeiten eine gemeinsame Strahlkraft angeeignet werden, auf die Tagesord- von Leben und Arbeiten kann diese Be- zu verleihen. nung gesetzt: Kommt es zu einem wei- schäftigten in Widerspruch zur aktu- ■ Die Frage der Allgemeinverbind- teren Anstieg der Massenerwerbslo- ellen Regierungspolitik bringen. Ge- lichkeit der Tarifverträge ist eine sigkeit oder gelingt es, Alternativen rade im Gesundheitswesen und bei der Schlüsselfrage für die Zukunft der durchzusetzen wie die Verkürzung der Pflege zeigt sich besonders deutlich, Arbeit. Anknüpfend an betriebliche Arbeitszeit und die Abschöpfung der dass die Mehrheit der Lohnabhängigen Auseinandersetzungen um Tarifbin- Profite für neue – demokratisch ge- von Unterfinanzierung und Pflegenot- dung (wie etwa bei Zara) muss ge- staltete – Investitionen und damit ver- stand betroffen ist. DIE LINKE kann meinsam mit den Gewerkschaften bundene Umverteilung der Arbeit und durch die praktische Unterstützung von der politische Kampf gegen die Un- Beschäftigungsaufbau in gesellschaft- sozialen Kämpfen und ihre Verbindung ternehmensverbände darum geführt lich sinnvollen Bereichen wie Bildung, mit politischen (Bündnis-)Initiativen werden, dass Anträge auf Allge- Care-Ökonomie (Pflege, Gesundheits- eine Verankerung in diesem wachsen- meinverbindlichkeit von den Inte- versorgung), dem Ausbau und de- den Bereich der Beschäftigten in den ressen der Beschäftigten ausgehen mokratischer Gestaltung öffentlicher sozialen Dienstleistungen aufbauen. und von den Gewerkschaften alleine Infrastruktur (für sozialen und öko- Auch der Zerfall der öffentlichen gestellt werden können (statt wie logischen Wohnungsbau, ökologische Infrastruktur etwa in Schulen, Kran- bisher im Einvernehmen von Ge- Mobilität, zukunftsfähige Städte und kenhäusern und bei der Verkehrs- werkschaften und Kapitalseite). Regionen, für die Gestaltung einer al- infrastruktur führt zu einer Ausein- ternden Gesellschaft usw.)? andersetzung, die an den Kern des Neue Bündnisse für Gute Arbeit, Anknüpfungspunkte für die Ausein- Exportmodells rührt, Kritik anstößt Stärkung des Öffentlichen und andersetzung um die Stärkung des Öf- und neue Bündnisse ermöglichen Umverteilung des Reichtums fentlichen können u.a. die laufenden kann: Gabriels Expertenkommission Streiks in den Sozial- und Erziehungs- für Investitionen hat ebenso wie die Der neoliberale Kapitalismus steckt diensten, aber auch die verstärkten europäische Kommission erkannt, dass weiter in der Stagnationskrise. Die Auseinandersetzungen im Gesund- Anreize für Investitionen in die Real- beiden Antworten der Großen Koali- heits- und Pflegebereich (z.B. um Per- wirtschaft notwendig sind. Daher sol- tion auf die Wachstumskrise, die För- sonalbemessung an der Berliner Cha- len massiv öffentlich/private Part- derung der Exportindustrien durch rité) sein. Es ginge darum, die in den nerschaften ausgeweitet werden: Die Freihandelsabkommen wie TTIP und Kämpfen um Gute Arbeit in diesen Be- »Privaten« in dieser Partnerschaft for- Ceta sowie die Förderung der Investi- reichen bereits (ansatzweise) politisier- dern Renditen von mindestens 6%, die tionen durch Privat-Öffentliche-Part- ten Perspektiven der Aufwertung sozi- Kosten tragen die SteuerzahlerInnen nerschaften nach dem Beispiel des aler Dienstleistungen in der Bildung, und die Beschäftigten. Während die Juncker-Plans führen zu weiterer Pre- Pflege und Gesundheitsversorgung mit Große Koalition an der Ideologie der karisierung, Privatisierung und tragen dem Kampf um den Ausbau und die »Schwarzen Null« und der Schulden- so zur Aushöhlung der Demokratie bei. Qualität der Öffentlichen Daseinsvor- bremse festhält und so Privatisierungs- Zugleich kann es – auch angesichts der sorge, um gute Bildung, Pflege und Ge- druck und die Belastung der unteren ökologischen Krise – aus linker Sicht sundheit für Alle zu verbinden. Damit und mittleren Einkommen fördert, ist nicht um Wachstum um jeden Preis würden Kernelemente des neoliberalen es bei den derzeitigen niedrigen Zinsen gehen. Exportmodells in die Auseinanderset- gut zu vermitteln, einen Teil der Inves- Mit der technologischen Entwick- zung hineingezogen. Zum neoliberalen titionsmittel durch öffentliche Kredit- lung und dem neuen Schub der Digita- Exportmodell gehören auch die Schul- aufnahme zu finanzieren. www.sozialismus.de Sozialismus extra | Juni 2015 15 DIE LINKE hat mit der Forderung Konzerninteressen dominierte Groß- Schritt in Richtung Wirtschaftsdemo- eines Zukunftsinvestitionsprogramms projekte wie Stuttgart 21 oder Olym- kratie wäre die Einführung von regio- von 100 Milliarden Euro für den Aus- pia, gegen neoliberale Stadtpolitik und nalen Wirtschafts- und Sozialräten, wie bau von guter Bildung, Gesundheit Privatisierungen steht die Demokratie- sie z.B. der 2013 verstorbene Sieghard und Pflege, sozialen und ökologischen frage ebenso im Vordergrund wie bei Bender der IG Metall in Esslingen vor- Wohnungsbau und die Förderung der den Auseinandersetzungen um die Ge- geschlagen hatte.1 Linke Politik darf bei Lebensqualität in den kaputtgespar- staltung der Energiewende. Ein wich- der Gestaltung der Zukunft der Arbeit ten Kommunen ein Einstiegsprojekt, tiger Kristallisationspunkt von Aus- vor den bestehenden Eigentums- und das auf die Stärkung und Demokrati- einandersetzungen um Gute Arbeit, Produktionsverhältnissen keinesfalls sierung des Öffentlichen durch Um- um das Öffentliche und um die Ver- haltmachen. Die Stärkung von öffent- verteilung des Reichtums abzielt. Die teidigung der Demokratie sind die in lichem und genossenschaftlichem Ei- Herausforderung besteht darin, an den letzten Monaten stark gewach- gentum und von belegschaftseig- konkrete Auseinandersetzungen um senen Proteste gegen neoliberale Frei- nen Betrieben könnten erste konkrete Löhne und Arbeitsbedingungen in den handelsabkommen wie TTIP, Ceta und Einstiegsprojekte in eine grundle- sozialen Dienstleistungen und im Bil- TiSA. Hier könnten sich auch Soll- gende Transformation von Produk- dungsbereich, Mietenproteste und bruchstellen der Großen Koalition auf- tion und Arbeit bedeuten. Gerade bei Auseinandersetzungen um das »Recht tun, wenn Angela Merkel TTIP in die- Insolvenzen wie Opel in Bochum oder auf Stadt«, um kleine Schulklassen, sem Jahr gegen allen Widerstand Schlecker und Karstadt hätte die Wei- gute Studienbedingungen und gegen durchboxen will und es u.a. über einen terführung unter genossenschaftlichem die Eliteorientierung, Ökonomisie- Mitgliederentscheid gelingt, den Druck Belegschaftseigentum durchaus eine rung und prekäre Arbeit an den Hoch- innerhalb der Sozialdemokratie und Alternative zur Schließung von Stand- schulen anzudocken. Zudem braucht den Gewerkschaften zu erhöhen. Auch orten und dem Abschluss von Sozial- der Kampf um Umverteilung eine neue der rechte Kulturkampf mit seiner Mi- plänen sein können. Sprache. Eine Erfahrung aus der Kam- schung aus rechter Demokratiekritik DIE LINKE sollte sich als demo- pagne »umfairteilen« ist, dass es ei- und Forderungen nach »direkter De- kratische Erneuerungsbewegung ge- nen stärkeren Gegnerbezug braucht, mokratie« zeigt die Dringlichkeit eines gen die »marktkonforme« Zerstörung eine Mobilisierung, die sich nicht da- linken Demokratisierungsprojekts. Aus der Demokratie verstehen, indem sie vor scheut, die Reichtumskonzentra- einer sozialistischen Perspektive geht für ein umfassendes Projekt der De- tion bei dem 1% der Superreichen mit es dabei einerseits um die Verteidi- mokratisierung aller gesellschaftlichen anschaulichen Beispielen zu skanda- gung und radikale Ausweitung der po- Verhältnisse eintritt. Die im Zukunfts- lisieren. Mehrheiten für Umvertei- litischen Demokratie, andererseits um manifest von Katja Kipping und mir lung lassen sich da gewinnen, wo kon- die Eigentumsfrage, die Demokratisie- angesprochenen Einstiegsprojekte der krete Verbesserungen der Arbeits- und rung der Arbeit, der Wirtschaftsstruk- radikalen Umverteilung des Reich- Lebensbedingungen und eine neue, turen und Investitionsentscheidungen. tums, für alle zugänglicher und demo- demokratische Qualität der öffent- Demokratie darf der Wirtschaft ge- kratisch gestalteter öffentlicher Gü- lichen Daseinsvorsorge konkret wer- genüber nicht äußerlich bleiben und ter (Commons), des Kampfes für ein den. Wichtig sind daher ausstrah- sich nicht auf Co-Management be- Neues Normalarbeitsverhältnis, für lungskräftige Projekte vor Ort wie schränken. Als LINKE sollten wir die Verkürzung und Umverteilung der Ar- das kostenfreie Kita-Jahr in Thürin- Diskussion um eine erneuerte Wirt- beit, für eine erneuerte Wirtschaftsde- gen, kostenfreier öffentlicher Nahver- schaftsdemokratie als gesellschaft- mokratie und kommunale Demokrati- kehr, kommunale, sozial gerechte, öko- liches Transformationsprojekt zur sierung könnten Umrisse eines neuen logisch und demokratisch organisierte Überwindung des Finanzmarktkapita- linken Demokratieprojektes, einer an- Energieversorgung über Stadtwerke, lismus verstärkt aufgreifen und kon- deren Kultur des Wohlstands und ei- die von BürgerInnen-Initiativen und krete politische Projekte entwickeln. ner sozial-ökologischen Transforma- Gewerkschaften mit kontrolliert wer- Die Demokratisierung der Arbeitsor- tion bilden.2 Es ginge darum, ein neues den, oder Energiegenossenschaften. ganisation muss mit der Forderung gesellschaftliches Bündnis zu bilden: Von diesen Erfahrungen ausgehend nach erweiterten individuellen und gegen die erstarrte große Koalition der kann eine gesellschaftliche Zustim- kollektiven Rechten verbunden wer- Superreichen und neoliberalen Eli- mung und Mobilisierung für Umvertei- den. Das geht von individuellen Ve- ten – eine große gesellschaftliche Koa- lung und ein Zukunftsinvestitionspro- torechten gegen Überforderung und lition für soziale Gerechtigkeit, ökolo- gramm organisiert werden. Leistungsstress, Schutz von Whistleb- gische Zukunftsfähigkeit und wirkliche lowern, über Erweiterung der Mitbe- Demokratie. Ein großes Demokratieprojekt stimmungsrechte von Betriebs- und Personalräten, bis zum Verbands- 1 Vgl. z.B. www.woz.ch/0938/gewerk- Die Frage der Demokratie könnte in klagerecht für Gewerkschaften und schaftskonzepte-von-unten/raete-in-den- den nächsten Jahren zu einem wich- den Ausbau des Unternehmensstraf- zeiten-von-friendly-fire 2 Siehe hierzu Bernd Riexinger/Katja Kip- tigen Bündelungspunkt der verschie- rechtes. Die Frage, was wie von wem ping: Die kommende Demokratie. Sozialismus denen Widersprüche des neoliberalen und zu welchen Bedingungen produ- 2.0 (abrufbar unter www.die-linke.de/nc/die- linke/nachrichten/detail/zurueck/nachrich- Exportmodells werden. Bei den Protes- ziert wird, gehört ins Zentrum einer ten/artikel/die-kommende-demokratie-sozia- ten gegen die Krisenpolitik, gegen von gesellschaftlichen Debatte. Ein erster lismus-20/).

16 Sozialismus extra | Juni 2015 www.sozialismus.de DIE LINKE muss ihren Gebrauchswert stärken! Ein Beitrag zur Diskussion von Michael Brie und Klaus Lederer

Es gibt eine Gemeinsamkeit zwischen die Vorbereitung auf das (Mit-)Regie- entwickelten inhaltlichen Vorschläge Lenins »Aprilthesen« und jenen von ren die entscheidende strategische Auf- unter dem Verdacht des »Weichspü- Alexander Recht, Paul Schäfer, Axel gabe sei: »Regierung ist kein Selbst- lens« eigener linker Auffassungen. Troost und Alban Werner: In bei- zweck, aber lustvolles Verharren in der Dies arbeitet genau jenen zu, die in den Thesen geht es um die Regierungs- Opposition ist Mist. DIE LINKE muss der einfachen Negation der Auffas- übernahme. Nur wollte Lenin diese am zielgerichtet aufs Regieren hinarbei- sungen anderer – jener, die »rechts« Ende ganz für die eigene, die bolsche- ten, immer Politik für den Ernstfall von einem sind – das Gütesiegel des wistische Partei. Lenin setzte mit sei- machen.« Sie schreiben, dass die Wäh- Linken sehen, wogegen sich die Auto- nen Thesen den Sozialismus auf die lerinnen und Wähler der LINKEN si- ren der »Aprilthesen« richtigerweise Tagesordnung und forderte den Bruch cher sein müssten: »Eine Stimme für wenden. Sind andere für solide Haus- mit den bürgerlichen und sozialrefor- DIE LINKE steht für einen Richtungs- halte oder Wirtschaftspolitik, erscheint merischen Parteien. Die Autoren der und Regierungswechsel in ihrem Inter- Sorglosigkeit um Haushaltsfragen und »Aprilthesen« von 2015 setzen sich esse.« Dieses In-eins-Setzen von Wir- die Konzentration auf Umverteilung dagegen für einen breit getragenen ken für einen Richtungswechsel und schon als links. Betonen andere die Be- Richtungswechsel im Bündnis mit Vorbereitung auf einen Regierungs- deutung der Europäischen Union, ge- SPD und Grünen ein. Sie fordern ein wechsel ist jedoch keine Selbstver- fallen sich viele »Linke« in deren mög- »klares Konzept« und eine »erkenn- ständlichkeit und darf auch nicht als lichst scharfer Kritik. Begründen die bare Strategie« ein, um auf »zu erwar- solche behandelt werden. USA und deren Verbündete ihre im- tende Konflikte adäquat … reagieren zu Die »Aprilthesen« drohen in eine perialen militärischen Interventionen können«, die sich aus einem solchen diskurspolitische Falle zu laufen. Die mit den Menschenrechten, so ist von Bündnis ergeben würden. Ist es das, vertretenen inhaltlichen Positionen »links« ein Aber zu hören, das nicht »wo wir stehen und was getan werden können im Kontext der Partei DIE Michael Brie ist Mitarbeiter am Institut für sollte«? LINKE als bloße Anpassung an SPD Gesellschaftsanalyse der Rosa-Luxemburg- Alexander Recht, Paul Schäfer, Axel und Grüne erscheinen. Dem leistet die Stiftung auf dem Feld von Theorie und Ge- Troost und Alban Werner (im Wei- zweite These Vorschub, wenn es heißt, schichte sozialistischer Transformation. Klaus Lederer ist rechtspolitischer Sprecher teren: die Autoren der »Aprilthesen«) dass um des Bündnisses mit SPD und der Linksfraktion im Berliner Abgeordneten- setzen voraus, was zu begründen wäre: Grünen willen DIE LINKE »von der haus, seit 2007 Vorsitzender des Berliner Lan- desverbands von DIE LINKE und seit 2012 Regierungswechsel sei Richtungswech- eigenen Position Abstriche machen« Mitglied im Bundesvorstand der Partei; er ar- sel. Ihre erste These unterstellt, dass müsse. Damit stehen alle im Weiteren beitet im Forum demokratischer Sozialis- mus mit.

www.sozialismus.de Sozialismus extra | Juni 2015 17 nur die militärische Intervention, son- tungswechsels der Politik, und DIE rung zog Rosa Luxemburg den Schluss: dern die Menschenrechte selbst be- LINKE muss dazu konstruktiv beitra- »Die Ministerschaft Millerands be- trifft. gen. Die »Aprilthesen« sind dafür eine deutet …, weit entfernt, eine neue Die »einfache Negation« herr- gute Grundlage. Ära der Sozialreformen in Frankreich schender Politik ist aber nicht links, Aber noch einmal: Wann eigent- zu inaugurieren, das Aufhören des sondern schlicht dumm. Es geht je- lich ist Regierungswechsel wirk- Kampfes der Arbeiterklasse um sozi- doch um intelligente linke Politik. Nur lich Richtungswechsel? Als die ita- ale Reformen, bevor er noch begonnen sie kann wirklich etwas bewegen. Das lienische Partito della Rifondazione hatte, das heißt die Erstickung des- aber bedeutet: Nicht Abstriche von Comunista 2005 ein Regierungsbünd- jenigen Elements, das einzig der ver- der eigenen Position sind gefragt, son- nis der Mitte-Links-Koalition des Oli- knöcherten französischen Sozialpolitik dern deren intelligente Ausarbeitung. venbaums unter dem Namen L’Unione ein gesundes modernes Leben einflö- Und dies ist offensichtlich auch ge- eingegangen war, hat dies keinen nach- ßen könnte.« (Luxemburg 1900: 57) meint, denn genau dazu leisten die haltigen Richtungswechsel, sondern Es sind solche Fragen, die die »April- »Aprilthesen« viel. Wir stimmen des- die Stabilisierung neoliberaler Politik thesen« ausklammern: Was ist der tat- halb auch vielen, ja fast allen inhalt- mit anderen Mitteln eingeleitet und die sächliche Gebrauchswert der Partei lichen Aussagen zu, wenn es um linke Partei selbst in eine Existenzkrise ge- DIE LINKE, wie kann sie hier und jetzt Wirtschafts- und Industriepolitik, Ent- stürzt. Der US-Militärstützpunkt in Vi- einen Richtungswechsel der Politik be- wicklung eines linken inhaltlichen cenza, von dem aus die NATO ihre An- fördern, und auf welche Konflikte muss Projekts von »Fortschritt, Gerechtig- griffe auf Serbien flog, wurde trotz sie sich dabei strategisch einstellen? keit und Freiheit«, Ausbau der Er- massiver ziviler Proteste ausgebaut. Die Partei DIE LINKE hat sich in ih- rungenschaften der bürgerlichen Ge- Auch die Regierungsbeteiligungen der rem Erfurter Parteiprogramm von 2011 sellschaft und der Freiheitspotenziale Kommunisten in Frankreich sind um- das folgende strategische Ziel gestellt: sowie das entschiedene Eintreten für stritten, anders als Koalitionen auf lo- »Wir kämpfen für einen Richtungs- die Menschenrechte, eine deutliche kaler und regionaler Ebene. Syriza hat wechsel der Politik, der den Weg zu ei- Orientierung auf ein europäisches Auf- sich solange einer Regierungsbeteili- ner grundlegenden Umgestaltung der bauprogramm und schließlich die For- gung widersetzt, wie damit nicht die Gesellschaft öffnet, die den Kapitalis- derung nach substanzieller Unterset- Konstituierung einer dezidiert linken mus überwindet.« (DIE LINKE 2011: zung linker Friedenspolitik geht. Ja, Regierung verbunden war. Aus ihrer 5) Klar ist, dass es in absehbarer Zeit die gesellschaftliche Linke braucht ein Analyse der ersten Teilnahme eines So- nur um einen Richtungswechsel von Programm eines breit getragenen Rich- zialisten an einer bürgerlichen Regie- Politik gehen kann – hin zu mehr so-

VSA: Gegenhegemonie braucht Gegenwissen

Halina Wawzyniak Harald Werner Demokratie Politische Psychologie demokratisieren des Sozialismus Die Plädoyers für ein besseres Wahl-, emotionale Abgeordneten- und Parteienrecht Seite rationalen Handelns Paul Schäfer (Hrsg.) In einer aus den Fugen Idee, Realität, Perspektiven Kapitalismus verstehen geratenden Welt Klaus Ernst in Gesprächen über DIE LINKE Einführung in die Politische Ökonomie Linke Außenpolitik: der Gegenwart Eröffnung einer überfälligen Debatte von Ralf Krämer V V V V V VS VS VS VS VS

Ralf Krämer Halina Wawzyniak Paul Schäfer (Hrsg.) Harald Werner Idee, Realität, Kapitalismus verstehen Demokratie In einer aus den Fugen Politische Psychologie Perspektiven Einführung in die Politische demokratisieren geratenden Welt des Sozialismus Klaus Ernst in Gesprächen Ökonomie der Gegenwart Plädoyers für ein besseres Linke Außenpolitik: Die emotionale Seite ratio- über DIE LINKE 256 Seiten | EUR 16.80 Wahl-, Abgeordneten- und Eröffnung einer überfälligen nalen Handelns 176 Seiten | EUR 16.80 ISBN 978-3-89965-644-2 Parteienrecht Debatte 176 Seiten | EUR 16.80 ISBN 978-3-89965-603-9 Das Buch liefert Grundla- 200 Seiten | EUR 14.80 268 Seiten | EUR 24.80 ISBN 978-3-89965-652-7 DIE LINKE in der Innen- und genwissen und Argumente ISBN 978-3-89965-645-9 ISBN 978-3-89965-606-0 Dass Aufklärung nicht im- Außenperspektive promi- für politisch und gewerk- Vorschläge, wie durch mehr Globale Gerechtigkeit – öko- mer dem guten Argument nenter Zeitzeugen aus Po- schaftlich Aktive im globa- Beteiligung der BürgerInnen logischer Umbau – Frieden: folgt, weiß jede/r. Der Au- litik, Gewerkschaften und lisierten und finanzgetrie- Demokratie wieder demo- dafür gibt es zur Zeit keine tor geht dem Grund nach Zivilgesellschaft. benen Kapitalismus. kratischer und damit leben- Regierungsmehrheiten. Was und diskutiert politische diger werden könnte. muss geschehen, damit sie Bildungsarbeit. zustande kommen? Im Buchhandel oder direkt bei: VSA: Verlag, St. Georgs Kirchhof 6, 20099 Hamburg, [email protected]. www.vsa-verlag.de

18 Sozialismus extra | Juni 2015 www.sozialismus.de zialer Gerechtigkeit, zum sozialökolo- repräsentative Demokratie ist nicht SPD Klar et al. 2013). Plump formu- gischen Umbau, zur Demokratisierung mehr repräsentativ. Während in den liert: Solidarität rechnet sich! Dar- der Demokratie und zu einer aktiven Vierteln der Gutbetuchten, der obe- aus ergibt sich auch die Möglichkeit Politik des Friedens und globaler Soli- ren Mittelschichten in Berlin-Dah- einer kooperativen Politik gegen- darität. Schon dies wird einen großen lem, Hamburg-Nienstedten oder im über den Gewerkschaften, aber auch strukturellen Wandel verlangen, Münchener Westen die Beteiligung an gegenüber dem Mittelstand und der den Finanzmarkt-Kapitalismus den Bundestagwahlen bei 80 oder so- selbst vielen Großunternehmen. schwächt. Der strategische Gebrauchs- gar knapp 90% lag, erreichte sie in den Konkrete lokale wie regionale Pro- wert der Partei DIE LINKE misst sich, so genannten Problemvierteln mit ho- jekte können den praktischen Ein- so die Ausgangsthese, daran, inwieweit hem Anteil von Arbeitslosen, Sozial- stieg ebnen. Noch aber fehlen über- sie in der Lage ist, einen wirksamen hilfeempfängern und Personen mit zeugende Beispiele. Beitrag zu diesem Richtungswechsel zu niedrigem Schulabschluss nur 50% ■ Gerade die Partei DIE LINKE, aber leisten. Dies und nicht die Regierungs- (Bertelsmann-Stiftung 2013), in Bre- auch SPD, Gewerkschaften und so- beteiligung ist der Ernstfall, Mitarbeit men sank die Beteiligung an den letz- ziale Initiativen müssen sich vehe- in Regierungen nur eine von mehreren ten Wahlen in diesen Vierteln im Mai ment dafür einsetzen, dass jene, die Optionen. 2015 sogar auf 20%. Die Nichtwähler von den negativen Folgen der ge- Die Abwertung von Oppositionspo- entstammen in ihrer großen Mehrheit genwärtigen Politik besonders be- litik ist nur dann sinnvoll, wenn davon eben nicht der Mitte der Gesellschaft. troffen sind, gesellschaftlich wie ausgegangen werden kann, dass aus Wählen hat einen Klassenbias erhal- politisch aktiv werden. Natürlich ha- der Regierung heraus kurz-, mittel- und ten (Kahrs 2012). Dies aber begüns- ben die Autoren der »Aprilthesen« langfristig mehr erreicht werden kann. tigt die liberal-konservativen Parteien recht, dass der Kampf gegen die Das aber hängt von konkreten Voraus- (Arnold/Freier 2015). Aus diesen Fest- Proletarisierung von rund 20% der setzungen ab, die geschaffen werden stellungen lassen sich drei strategische Beschäftigten durch Outsourcing, müssen. Welches sind die wichtigsten Schlussfolgerungen ziehen: Dequalifizierung, unsichere Arbeits- Hindernisse, die einem Richtungs- ■ Die Tatsache, dass viele Bürge- verhältnisse, den Zwang zur Kombi- wechsel der Politik im Wege stehen? Es rinnen und Bürger gar keine linke nation von Minijobs usw. usf. allein gibt erstens zu beachtende Kräftever- regierungsfähige Mehrheit sehen, nicht ausreicht, um eine gesell- hältnisse und zweitens institutionelle stärkt die liberal-konservativen Par- schaftsverändernde Kraft zu wer- und europäische Barrieren. Drittens teien. Insofern haben die Auto- den, aber ohne diesen Kampf gibt es steht die Frage nach dem besonderen ren der »Aprilthesen« Recht, dass keinen linken Richtungswechsel. Es Beitrag der Partei DIE LINKE zu einem diese Blockade überwunden werden ist richtig, dass für DIE LINKE die solchen Richtungswechsel. muss, um einen Richtungswech- moderne Arbeitswelt »bisher eher Erstens muss auf die parlamenta- sel einzuleiten. Ihre Thesen sind ein unbekanntes Land« ist. Dazu gehö- rischen wie gesellschaftlichen Kräfte- wesentlicher Beitrag dazu. ren aber nicht nur die Arbeitsver- verhältnisse verwiesen werden. SPD, ■ Die oberen Mittelschichten und hältnisse im Bereich der Industrie Grüne wie LINKE stecken in einer stra- jene, die sich irgendwie recht gut im 4.0, sondern auch die Verhältnisse tegischen Falle: Seit nunmehr 15 Jah- Kampf gegen den Abstieg behaup- des digitalen wie des Dienstleis- ren sind ihre addierten Ergebnisse bei ten, haben zwei Optionen: Sie kön- tungsproletariats (siehe als »Pflicht- Bundestagswahlen rückläufig (sie san- nen dem Aufstiegsversprechen eines lektüre« Bahl 2014; Staab 2014; ken seit 1998 von 55 auf 45%), so un- entfesselten Wettbewerbs folgen Strube 2015). Die dort Verorteten terschiedlich dies auch auf Landes- (Deutschlands in Europa und der sind kaum noch Wählerinnen und ebene aussieht. Die Resultate von Welt und der eigenen Position auf Wähler, und noch viel seltener sind CDU/CSU, FDP und AfD zusammen- dem Arbeitsmarkt). Dann werden sie als Parteimitglieder aktiv oder in genommen sind dagegen im Aufwärts- sie die Politik von Angela Merkel sozialen und politischen Initiativen trend. Die Kräfteverhältnisse von links unterstützen. Oder sie setzen auf ein tätig. und rechts bei Bundestagswahlen ha- solidarisches Mitte-Unten-Bündnis Eine zweite Bemerkung: Selbst voraus- ben sich seit 1998 umgekehrt, ein Ende (Brie 2007), das die Entwicklungs- gesetzt, dass die gesellschaftlichen wie ist nicht in Sicht. Während die CDU/ möglichkeiten für große Mehrheiten politischen Kräfteverhältnisse deutlich CSU über drei oder auch vier Optionen vor allem im Ausbau der öffent- verändert werden (und sei es durch verfügt, ihre Kanzlerinnenmehrheit zu lichen Daseinsvorsorge, einem of- unerwartete Ereignisse), müssen wir sichern, hat die SPD überhaupt keine fensiven sozialökologischen Umbau, die starken institutionellen Barrieren mehr. Auf der Regierungsbank kann gestützt durch eine rot-grüne Indus- für einen Richtungswechsel beachten: sie nur noch als Juniorpartner sit- triepolitik, sieht. Wir müssen immer Schuldenbremse, Verfassungsrahmen zen. Und selbst das liegt nicht in ihrer wieder deutlich machen, dass die und -interpretation des Bundesver- Hand. SPD und Grüne befinden sich in gegenwärtige neoliberale Politik die fassungsgerichts, Bundesratsmehr- der babylonischen Gefangenschaft der Bürgerinnen und Bürger in der Bun- heiten… Vor allem aber müssen wir Merkel-CDU, und DIE LINKE ist auf desrepublik wie in Europa in Gewin- bedenken, dass die Bundesrepub- Bundesebene isolierte Linksopposition. ner und Verlierer spaltet, eine dezi- lik zutiefst in die Europäische Union, Seit 1998 sank auch die Wahlbeteili- diert andere Politik aber besser für die Eurozone und die NATO eingebet- gung von über 82% auf unter 72%. Die alle ist (siehe aus dem Umfeld der tet ist. Eine linksorientierte Regierung www.sozialismus.de Sozialismus extra | Juni 2015 19 kann die »Macht« der Bundesrepublik tagsfraktion Dröge/Kindler 2015). DIE Perspektive einer linken Regierung, ei- nicht gegen andere offensiv ausspielen, LINKE steht damit vor der Aufgabe, ner Regierung des Richtungswechsels, ohne Vertrauen zu zerstören; sie muss durch eigene Angebote die anderen in- in Deutschland vorbereitet wird. Verträge achten, Befindlichkeiten ge- tellektuell und programmatisch her- rade auch der östlichen Partner im Si- auszufordern (beispielhaft dazu Bun- Literatur cherheitsbereich sehr, sehr ernst neh- destagsfraktion DIE LINKE 2012). Es Arnold, Felix/Freier, Ronny (2015): The Partisan Effects of Voter Turnout: How men. Dies aber bedeutet, dass selbst entsteht die Versuchung, zu einer Art Conservatives Profit from Rainy Election die »Aprilthesen« durchaus noch Illu- Gesamtlinken zu werden, die gleich Days, Berlin: DIW Berlin sionen erzeugen können, was in ers- auch noch die Aufgaben von SPD und Bahl, Friederike (2014): Lebensmodelle in ten Schritten und einer Legislaturperi- Grünen mit übernehmen will. Dabei der Dienstleistungsgesellschaft, Hamburg Bertelsmann-Stiftung (2013): Wahlbeteili- ode möglich oder nicht möglich ist: Ein kann die eigene Spezifik und die ei- gung 2013, abrufbar unter: www.wahlbe- Verbot aller Rüstungsexporte nach Is- gene unmittelbare Aufgabe vernach- teiligung2013.de/ rael z.B. oder der Austritt aus den mi- lässigt werden. Das schlägt sich dann Brie, Michael (2007): Der Kampf um ge- litärischen Strukturen der NATO ge- auch in den »Aprilthesen« nieder. sellschaftliche Mehrheiten, in: Brie, Mi- chael/Hildebrandt, Cornelia/Meuche- hören bestimmt nicht zu den Optionen Die Betonung einer ökologisch orien- Mäker, Meinhard (Hrsg.): Die LINKE. eines Koalitionsvertrages. Eher wird es tierten Industriepolitik ist richtig. Was Wohin verändert sie die Republik?, Ber- darum gehen, Einstieg in neue Mög- aber fehlt, ist das Primat auf den Aus- lin, 13-45 lichkeiten zu schaffen, wie dies die Re- bau der öffentlichen Daseinsvorsorge Bundestagsfraktion DIE LINKE (2012): Plan B. Das rote Projekt für einen sozi- gierung von Willy Brandt mit den Ost- als wichtigste Grundlage gleicher Teil- alökologischen Umbau, abrufbar unter: verträgen vorgemacht hat. Auch eine habe an den Grundgütern eines freien www.linksfraktion.de/themen/plan-b/ umfassende europäische »Solidar- Lebens. DIE LINKE muss auch weiter- Dellheim, Judith (2010): Statt »pro oder union«, wie in den »Aprilthesen« ge- hin Fortschritt und Freiheit vor allem contra Wachstum« den sozialökologi- schen Umbau einleiten! Berlin: Rosa Lu- fordert, wird es kaum geben. So richtig von den Werten der Gerechtigkeit und xemburg Stiftung, abrufbar unter: www. die deutliche Erhöhung des Haushalts Solidarität her deklinieren. Das ist ihr rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/ der EU wäre, sie ist in absehbarer Zeit Markenzeichen. Standpunkte/Standpunkte_27-2010.pdf DIE LINKE (2011): Programm der Partei nicht durchsetzbar. Eher wäre die Nut- Auch in anderen Fragen muss DIE LINKE, abrufbar unter: www.die- zung der Formen einer verstärkten Zu- die eigene Spezifik klar sein. In den linke.de/partei/dokumente/programm- sammenarbeit der »Willigen« möglich. »Aprilthesen« gibt es zum Beispiel ein der-partei-die-linke/ In all diesen Fragen müssen wir Bekenntnis zum Wachstum (»auf ab- Dröge, Katharina/Kindler, Sven-Christian (2015): Der ökologische Umbau der Wirt- nicht von richtigen Positionen abwei- sehbare Zeit«) und zur Erwirtschaf- schaft geht nur sozial, abrufbar unter: chen, sondern diese überzeugend ent- tung des gesellschaftlichen Reichtums, www.sven-kindler.de/sites/default/files/ wickeln. Aber es muss vorher klar sein, der offensichtlich vor allem am Brut- oekologischer_umbau_geht_nur_sozial_ was davon im ersten Schritt durch- tosozialprodukt gemessen wird – eine droege_kindler_final_0.pdf Kahrs, Horst (2012): Abschied aus der De- setzbar ist und was nicht. Dies alles Differenzierung bleibt aus. Weder wird mokratie. Zum sozialen Klassencharakter aber bedeutet für eine Partei wie DIE John Stuart Mills oder Keynes’ Per- der wachsenden Wahlenthaltung und der LINKE, dass sie keinesfalls auf eine spektive einer Postwachstumsgesell- Preisgabe staatsbürgerlicher Rechte, Ber- Regierungspartei reduziert werden schaft aufgegriffen noch das im Brut- lin: Rosa-Luxemburg-Stiftung Klar, Erik/Lindner, Fabian/Šehovič, Kenan darf. Zu oft geschah es schon auf Lan- tosozialprodukt gemessene Wachstum (2013): Das Neue Magische Viereck nach- desebene, dass die Fähigkeit zum ei- ganz unter den Imperativ des sozial- haltiger Wirtschaftspolitik. Maßnahmen genständigen politischen Agieren au- ökologischen Umbaus gestellt und mit zur Steigerung des gesamtgesellschaftli- ßerhalb der Regierung im gleichen dem Schrumpfen von größeren hoch- chen Wohlstands in der neuen Legisla- turperiode, Berlin: Friedrich-Ebert-Stif- Maße verschwand, wie das Arbeiten in energieintensiven Sektoren verbunden tung einer Regierung stabilisiert wurde. Da- (Dellheim 2010; Klein 2011). Im »Grau Klein, Dieter (2011): Kein Wachstum – der mit wird der strategische Gebrauchs- in Grau« breiter Bündnisse bleibt dann schwierige Fortschritt künftiger Trans- formation, Berlin: Rosa Luxemburg Stif- wert gerade einer linken Partei zu sehr vom roten Faden nur wenig sichtbar. tung, abrufbar unter: www.rosalux.de/ eingeengt. Die »Aprilthesen« sind ein wich- fileadmin/rls_uploads/pdfs/Stand- Drittens: Die »Aprilthesen« formu- tiger Aufschlag in einer ausstehen- punkte/Standpunkte_16-2011.pdf lieren vor allem die Konturen eines den Diskussion der gesellschaftlichen Luxemburg, Rosa (1900): Die sozialisti- sche Krise in Frankreich, in: Gesammelte möglichen übergreifenden Konsenses wie politischen Linken, vor allem aber Werke, Bd. 1.2, Berlin, 5-73, abrufbar un- von SPD, Grünen und DIE LINKE so- in der Partei DIE LINKE selbst. Die ter: www.marxists.org/deutsch/archiv/ wie wichtigen gewerkschaftlichen und nächsten Monate müssen intensiv ge- luxemburg/1903/03/marx1.htm sozialen Organisationen. Dabei wird nutzt werden – jenseits der Frontlinien Staab, Philipp (2014): Macht und Herr- schaft in der Servicewelt, Hamburg der spezifische Beitrag der LINKEN im »innerlinken Stellungskrieg«. Wir Strube, Sebastian (2015): Die Entstehung an den Rand gedrückt. Dies hat einen brauchen realistische Antworten über des digitalen Prekariats. Reihe Stand- guten Grund: Parteipolitisch ist DIE Möglichkeiten, Chancen, Restriktionen punkte der RLS, Berlin: Rosa-Luxem- LINKE die einzige Formation, die als und vor allem über das, was wir heute burg-Stiftung, abrufbar unter: www. rosalux.de/publication/41083/die-ent- Ganze auf einen solchen Richtungs- und in absehbarer Zeit tun können, um stehung-des-digitalen-prekariats.html wechsel setzt. In den anderen Parteien den mehr als überfälligen Richtungs- ist diese Position gegenwärtig marginal wechsel der deutschen und EU-Politik (siehe jüngst aus der Grünen-Bundes- zu befördern. Auch dadurch, dass die

20 Sozialismus extra | Juni 2015 www.sozialismus.de Realpolitik und utopisches Potenzial DIE LINKE braucht beides auf dem Weg in die Zukunft von Susanne Hennig-Wellsow

Die Partei DIE LINKE habe ihren Diskussion Fahrt aufgenommen. Mit Rot-Rot-Grün (r2g) und eine andere »Strategischen Anker« verloren, dia- der »Linken Woche der Zukunft« im Wirtschaftspolitik. In Thüringen hat gnostizierten Katja Kipping und Bernd April 2015 in Berlin fand sie einen vor- DIE LINKE in den letzten Jahren zur Riexinger im November 2013.1 Der Slo- läufigen inhaltlichen Höhepunkt und Vorbereitung auf den möglichen Ein- gan »Hartz IV muss weg!« und die wurde mit Menschen aus unterschied- stieg in eine Landesregierung die De- Anti-Agenda-2010-Politik seien in der lichen Strömungen und theoretischen batte um r2g intensiv geführt und wird Gründungsphase der LINKEN wichtige Traditionen in- und außerhalb der Par- sie auch in Zukunft mit Mitgliedern Anker gewesen, die aber heute nicht tei geführt. Auch die Zahl der Diskus- und SympathisantInnen sowie Vertre- mehr funktionieren würden. Die po- sionspapiere zur Zukunft der LINKEN litische Bewegung gegen die Agenda nimmt zu. Susanne Hennig-Wellsow ist Vorsitzende der Partei DIE LINKE Thüringen und Vorsitzende 2010 habe sich erschöpft – und da- der Linksfraktion im Thüringer Landtag. mit auch deren Kommunikations- und Fehler kann man in Regierung 1 Katja Kipping/Bernd Riexinger: Veran- Politikformen. Kipping und Riexinger und Opposition machen kern, verbreiten, verbinden – Projekt Partei- machten mit ihrem Papier »Verankern, entwicklung. Eine strategische Orientierung verbreiten, verbinden – Projekt Par- Mit ihren »Aprilthesen« reihen sich für DIE LINKE, Berlin 2013 (www.die-linke. de/partei/parteientwicklung/projekt-partei- teientwicklung« relativ kurz nach der Alexander Recht, Paul Schäfer, Axel entwicklung/texte/verankern-verbreiten-ver- Bundestagswahl 2013 den Aufschlag zu Troost und Alban Werner in diese binden). 2 Mein Kommentar zu dem Papier von Kip- einer wichtigen Debatte zur künftigen Diskussion ein und binden sie real- ping/Riexinger: Mehr Selbstbewusstsein!, in: Parteientwicklung.2 Inzwischen hat die politisch zurück an eine Debatte um Luxemburg, Nr. 1/2014, S. 104ff.

www.sozialismus.de Sozialismus extra | Juni 2015 21 terInnen von Gewerkschaften, Verbän- der Transformation einzuschlagen ver- deren Fortschritt müssen sich dann den und BürgerInnen weiter führen. mag«.3 Oberflächlich betrachtet könnte Regierungs- wie Oppositionsphasen Die Diskussionen um die Beteiligung darauf eine Kritik aufbauen, die Lan- messen lassen. Dabei ist es möglich, und Führung von Regierungen durch desverbänden unserer Partei wegen ih- dass beides stimmt: Dass sich näm- DIE LINKE sind sehr »realpolitische« rer Regierungsbeteiligung vorwirft, lich trotz ihrer Rolle in der Opposition Debatten – auf den ersten Blick schein- nicht über die Funktionsweise des bür- durch DIE LINKE »seit 2005 vieles bar weit weg von Diskussionen, wie gerlichen Staates nachzudenken und zum Schlechteren entwickelt hat« (so sie auf der »Linken Woche der Zu- zu glauben, dieser könnte ganz einfach die Autoren der »Aprilthesen«) und kunft« geführt wurden. Aber eine re- in ihrem Sinne gebraucht werden. Un- sich zugleich »die Vorstellung, dass alpolitische Intervention, wie es die möglich seien Regierungsbeteiligungen (Mitte-)Linksregierungen notwendig »Aprilthesen« sind, in die Debatte um zumal, da sie sich auf den derzeitigen oder auch nur im Regelfall progressive linke Zukunftsvorstellungen ist sinn- Kurs von SPD und Grünen stützen Politik nach sich ziehen«,4 als falsch voll. Utopische Gedanken und trans- müssten. Letztlich betreibt eine solche erweisen kann. formatorische Impulse werden in der Haltung nur das Aufwärmen alter Kon- DIE LINKE darf sich, Brie folgend, gesellschaftlichen Linken allzu häu- fliktmuster und reproduziert ein »Fun- in Regierungsverantwortung nicht al- fig vom realen politischen Feld abge- dis versus Realo«-Schema, das kaum lein im Klein-Klein der Verbesserung spalten. Transformation und r2g schei- von innerparteilicher Debattenkultur im Hier und Jetzt bewegen. Sie muss nen entgegengesetzte Überlegungen zeugt und zu gern in den Medien und auch konkrete Alternativen eröffnen zu Grunde zu liegen. Das Nachden- der öffentlichen Debatte aufgegriffen oder zumindest sehr klar machen, dass ken über sinnvolle Strategien in diesen und befördert wird. sie eine Politik betreibt, die auf Alter- Feldern bleibt voneinander separiert. Bewegung kommt aber in bekannte nativen hinarbeitet: Rekommunalisie- Da ist es wenig verwunderlich, dass Debatten-Muster, wenn die Anregung rungsprojekte und Genossenschaften Michael Brie linke Regierungsbeteili- von Michael Brie anders verstanden im Sinne einer solidarischen Ökono- gungen so bilanziert, dass »positiven wird – eben so, wie er es meint: Als mie, Stopp der bisherigen Geheim- Einzelergebnissen […] bisher zumeist Verantwortung verschiedener Perspek- dienstpraxis, humane Flüchtlings- die Unfähigkeit gegenüber [steht], tiven in der LINKEN, an einer Per- politik und Abschiebestopp oder die eine stabile gegenhegemoniale Forma- spektive der Transformation der Ge- Förderung erneuerbarer Energien im tion zu schaffen, die den Neoliberalis- sellschaft zu arbeiten, aber auch an Sinne eines sozial-ökologischen Wan- mus in seinen Grundelementen her- einer Realpolitik, die gesellschaftliche dels zum Beispiel. In unserem Koali- auszufordern und einen stabilen Pfad Linke und Partei zusammenbringt. An tionsvertrag »Thüringen gemeinsam

Hilfe für Sozialismus? Von den »Institutionen«: Nein danke! Von LeserInnen: Ja bitte!

Unterstellen wir einmal, die Zeitschrift würde Hilfskredite der ehemals »Troika« genannten »Institutionen« in Anspruch nehmen können – was eher unwahrscheinlich ist –, würden wir diese wegen der bekanntlich mit solchen Zuwendungen verbundenen Auflagen und Verpflich- tungen doch eher meiden. Denn wir wollen auch weiterhin die publizistische Unabhängigkeit wahren und die Aktivitäten von Internationalem Währungsfonds, Europäischer Zentralbank und Europäischer Union kritisch beleuchten. Aber da ohne Rückgriff auf Spenden in Höhe von ca. 25.000 Euro die Zeitschrift auch im 42. Jahr leider nicht realisiert werden kann, bitten wir darum, dies durch eine finanzielle Zuwen- dung weiterhin möglich zu machen. Wir verpflichten uns im Gegenzug gern, mit der monatli- chen Printausgabe und den aktuellen Beiträgen auf der Website auch in Zukunft fundiertes Zusammenhangwissen und Deutungsangebote zu veröffentlichen. Konto Richard Detje-Euscher | IBAN: DE28 2005 0550 1268 1209 77 | BIC: HASPDEHHXXX Wir bedanken uns im Voraus für alle kleinen und großen Spenden recht herzlich!

22 Sozialismus extra | Juni 2015 www.sozialismus.de voranbringen – demokratisch, sozial, sierung für positive Ziele ist meistens menbinden zu können und durch De- ökologisch«5 haben wir solche Vorha- schwieriger als jene zur Verhinde- mokratisierung und Bürgerrechte eine ben vereinbart und festgehalten. Im rung von Verschlechterungen«, stel- alternative Vision der Gesellschaft bei- Idealfall vermittelt DIE LINKE in Re- len Recht/Schäfer/Troost/Werner zuordnen. Zu Recht verweisen sie da- gierungen ein Leitbild: »Wir regieren fest. Dies gilt besonders für transfor- bei darauf, dass DIE LINKE bewusst zugunsten der Mehrheit, auf Kosten matorische Politik. Und darum muss im digitalen Zeitalter und seinen Ar- der Privilegien einiger Weniger«,6 so sie vorbereitet werden. Kontinuier- beits- wie Lebensstilen ankommen sagen es zum Beispiel die GenossInnen liche und vertrauensvolle außerparla- muss. Jenseits des Fordismus und des in der baskischen Regionalregierung mentarische Zusammenarbeit mit SPD Neoliberalismus zu denken, bedeu- von Gizpuzkoa. Nicht genau so, aber und Grünen und ihren Milieus, wie Ge- tet natürlich auch, Technikfeindlich- ähnlich einfach vermittelbar muss der werkschaften, Sozial- und Umweltver- keit auszuschließen und die Freiheits- Regierungsanteil der LINKEN sein. bände, ist zur Vorbereitung notwen- gewinne zu akzeptieren, die Arbeiten Linker Populismus ist nicht nur etwas dig und kann dann auch zu dem ein und Leben jenseits der patriarchalen für Oppositionszeiten. oder anderen gemeinsamen parlamen- Kleinfamilie und des »9 to 5«-Arbeits- In der Opposition immer nur Recht tarischen Projekt führen. In Thüringen verhältnisses hat. Das Normalarbeits- haben zu wollen, hilft weder sozialen haben wir die Erfahrung gemacht, dass verhältnis wird zwar von vielen Lohn- Bewegungen noch der Hegemoniefä- r2g ohne die bestehende jahrelange arbeiterInnen weiter ersehnt. Diese higkeit transformatorischer Politik. Zusammenarbeit der drei Parteien mit Sehnsucht bezieht sich aber auf das »Regieren ist kein Selbstzweck, aber gemeinsamen Bündnispartnern in den Normalarbeitsverhältnis als Ort sozi- lustvolles Verharren in der Opposition Bereichen Antifaschismus, mehr De- aler Absicherung, nicht als Modell für ist Mist«, bringen es Recht/Schäfer/ mokratie oder für bessere Kitas und die eigene Arbeits- und Lebensgestal- Troost/Werner in ihren »Aprilthesen« Schulen sowie die Kooperationen in tung. Daher ist Recht/Schäfer/Troost/ auf den Punkt. Auch in der Opposi- zahlreichen Kommunalparlamenten Werner zuzustimmen, dass DIE LINKE tion muss sich DIE LINKE daran mes- eine Koalition auch mit dem besten sich von nostalgischen Momenten lö- sen lassen, ob sie im gesellschaftlichen Ergebnis der LINKEN bei Landtags- sen muss, um auch höherqualifizierte Diskurs wie im praktischen Alltag der wahlen nicht erfolgt wäre. Grundbe- urbane Gruppen moderner Dienstleis- Menschen deren Lebensbedingungen dingung war das in konkreter Zusam- tungen und der Hightechindustrie an- verbessert und transformatorische Po- menarbeit gewachsene Vertrauen an zusprechen. litik befördert. Steht sie im Alltag an der Basis und die gemeinsamen poli- Allerdings habe ich Bedenken, ob der Seite der Menschen? Wirkt sie akti- tischen Positionen bei sehr praktischen das vorgeschlagene Projekt wirklich vierend und organisierend oder fördert Fragen – von der Gemeinschaftsschule Grundlage eines r2g-Bündnisses als sie Passivität der Menschen? Eröffnet über die Energiewende, Gute Arbeit linkes Projekt mit transformatorischen und entwickelt sie diskursive und prak- bis hin zu einem sozialeren Thürin- Vorstellungen sein kann. Eine offene tische Spielräume für gesellschaftliche gen. Sich auf einen gemeinsamen poli- Baustelle bleiben die unterschied- Alternativen? Gehen in Oppositions- tischen Prozess einzulassen, schafft die lichen Demokratievorstellungen. Der phasen Ressourcen einer parlamenta- Voraussetzung für Koalitionen. Ihn da- Demokratiebegriff der SPD ist bei wei- rischen Partei in soziale Bewegungen gegen nachholen zu wollen, weil rech- tem nicht so ausgedehnt und freiheit- und Zivilgesellschaft oder zieht sie nerische Mehrheiten taktisch attraktiv lich wie bei der LINKEN. So sind bei- dort eher Personal ab? Dies sind nur scheinen, kann wirkliche Transforma- spielsweise die in Thüringen erreichte einige Fragestellungen zum Verhält- tion behindern. Dann scheint es un- Abschaltung von Geheimdienst-Spit- nis, das die Partei in der Opposition zu wahrscheinlich, über »positive Einzel- zeln oder der Winterabschiebestopp transformatorischer Politik einnehmen ergebnisse« hinaus zu kommen. bei den SozialdemokratInnen keines- kann. Sie würde gut daran tun, De- wegs selbstverständlich und unum- batten über Zukunft und Transforma- Was ist der politische Kern tion auch in »Politik für den Alltag« zu von r2g im Bund? 3 Michael Brie: Ist sozialistische Politik übersetzen beziehungsweise nach be- aus der Regierung heraus möglich? Fünf Ein- wände von Rosa Luxemburg und fünf Ange- reits vorhandenen Übersetzungen in In den »Aprilthesen« schlagen deren bote zur Diskussion, in: Ders./Cornelia Hilde- den Praxen sozialer Bewegungen und Autoren eine inhaltliche Bestimmung brandt (Hrsg.): Parteien und Bewegungen. Die anderer Akteure zu suchen – egal, ob des Prozesses vor, der um den Begriff Linke im Aufbruch, Berlin 2006, S. 100. 4 Raul Zelik: Emanzipation und Reform- in Regierung oder der Opposition. solidarische Ökonomie kreist, und er- politik. Was könnte sich ändern unter Rot- Eine solche Suchbewegung wird gänzen diesen um Bürgerrechte und Rot-Grün? Elf Thesen zu Mitte-Links-Regie- rungen in Thüringen und anderswo, in: Neues dadurch erschwert, dass DIE LINKE Demokratie. Eine alternative Wirt- Deutschland vom 1.6.2014 (www.neues- ohne SPD und Grüne in absehbarer schaftspolitik könne ein r2g-Projekt deutschland.de/artikel/934624.emanzipation- und-reformpolitik.html). Zukunft kaum solche Praxen umsetzen begründen. Durch die Verbindung von 5 DIE LINKE Thüringen/SPD Thüringen/ kann. Das Interesse an gesellschaft- Umverteilungspolitik mit einer mo- Bündnis90/Die Grünen Thüringen: Thüringen licher Transformation in diesen Par- dernen Industriepolitik, makroökono- gemeinsam voranbringen – demokratisch, so- zial, ökologisch, Erfurt 2014 (www.die-linke- teien ist jedoch begrenzt. r2g ist oft ein mischer Steuerung und mit dem ökolo- thueringen.de/fileadmin/LV_Thueringen/do- »Anti«-Bündnis, das konservative par- gischen Umbau zu einem »Green New kumente/r2g-koalitionsvertrag-final.pdf). 6 Damit der Ruf nach Unabhängigkeit laut lamentarische Mehrheiten und Regie- Deal« hoffen sie, die unterschiedlichen wird. Interview mit Hasier Arraiz, 1.3.2015 rungen verhindern soll. »Eine Mobili- Schwerpunkte der drei Partner zusam- (www.info-baskenland.de). www.sozialismus.de Sozialismus extra | Juni 2015 23 stritten. Und die Demokratiebegriffe mierten SPD, dass sie bei einem sol- der austeritätspolitischen Brechstange von Grünen und LINKEN unterschei- chen Projekt gewinnt und nicht ver- bisher etwas ernsthaft entgegenzuset- den sich etwa in der Frage der sozialen liert? Und was macht es den Grünen zen. Für das neoliberale Projekt hat Demokratie, wie zum Beispiel das skla- schmackhaft, deren Optionen sich sich gezeigt, dass es auch ohne soziale vische Festhalten der Grünen an der durch Schwarz-Grün gerade erweitern, Zugeständnisse auskommt. Der gesell- Schuldenbremse zeigt. Diese Unter- sich wieder nach links zu binden und schaftliche Schock der Verarmung vie- schiede sagen vor allem etwas über in- so möglicherweise bürgerliches Klien- ler und der gesellschaftliche Einschluss nerparteiliche Kräfteverhältnisse der tel zu verprellen? Das sind reale Pro- weniger – etwa in der Bundesrepub- Partner aus und sind letztlich Aus- bleme, die ungeklärt bleiben. lik – hat sich als effektiv bei der Passi- druck eines gesellschaftlichen Kräfte- vierung der Bevölkerung erwiesen. Das verhältnisses, das gerade nicht nach Blick über den bundes- Diskursfenster »Green New Deal« als links tendiert. Sicher gestalten wir als deutschen Tellerrand Brücke zu Grünen und SPD hat sich ei- DIE LINKE diese gesellschaftlichen gentlich schon vor Jahren geschlossen. Kräfteverhältnisse mit und man kann Der Blick jenseits der Grenzen parla- darauf hinweisen, dass der Vorschlag mentarischer Konstellationen in der Fazit eines gemeinsamen Projekts von links Bundesrepublik rückt weitere Pro- erst die Bedingung für eine Änderung bleme in den Blick. 2008/09 schien Griechenlands Finanzminister Yanis der Kräfteverhältnisse ist. Die Frage ist das Modell eines »Green New Deal« Varoufakis argumentiert, eine sozial- nur: Ist dies eine hinreichende Bedin- realpolitisch greifbar. Die Krise des Ka- ökologische Wirtschaftspolitik sei erst- gung? pitalismus schien neoliberal inspirierte mal für eine Atempause zur Rettung In den »Aprilthesen« beantwor- Wirtschafts- und Sozialpolitik delegi- der Demokratie notwendig. Angesichts ten ihre Autoren diese Frage durch timiert zu haben. Ungefähr zum sel- rechter Strömungen in Europa und Verweis auf die technische Entwick- ben Zeitpunkt war die ökologische rassistischer Hetze in Deutschland in lung positiv. An den Gedanken anzu- Krise und Energiekrise so offensicht- dieser immer noch unbewältigten, nur knüpfen, man müsse sich dabei auf der lich, dass international darüber dis- temporär stabilisierten Krisensituation Höhe der Entwicklung der Produktiv- kutiert wurde, welche Folgen Klima- kann man dem nur zustimmen. Will kräfte befinden und die eigene Vision wandel und »Peak Oil« haben würden. man transformatorische Politik und daran anpassen, ist etwas, das in der Gedanken zu einer Postwachstums- Realpolitik zusammenführen, liegt die gesellschaftlichen Linken sicher kaum gesellschaft hatten Konjunktur. Un- Betonung darauf, dies zu tun, »damit noch passiert – und ist daher eine an- ter anderem die Regierung von Barack wir Zeit bekommen, um eine Alterna- genehme Akzentsetzung gegen die Obama diskutierte unter dem Schlag- tive zu formulieren«.8 Also erst einmal Technikfeindlichkeit einiger linker Mi- wort »Green New Deal« offen über Al- sozialstaatliche Sicherung herstellen lieus. Die Technikbezüge in den »The- ternativen, um den globalen Kapitalis- und im zweiten Schritt postkapitalis- sen« setzen jedoch zu stark auf deren mus quasi »von links« zu retten. Auch tische Praxen beginnen. Dieses »Erst Faszination und zu wenig auf den Ge- in Europa waren viele bereit, über eine einmal« darf allerdings nicht nur zeit- brauchswert, der der technischen Ent- stärkere Rolle des Staates in der Wirt- lich verstanden werden, sondern auch wicklung zugesprochen werden kann. schaftspolitik nachzudenken – viel- im Sinne einer Prioritätensetzung. Schlagwörter wie Industrie 4.0 wir- leicht auch aus Angst vor möglichen Transformatorische Projekte für eine ken ein wenig wie eine Beschwörung sozialen Unruhen. postkapitalistische Gesellschaft müs- neuer Möglichkeiten und vergessen die Doch seit dieser Phase der Unsi- sen neben realpolitischen Notwendig- sich daraus ergebenden neuen Zwänge. cherheit hat sich der Neoliberalismus keiten jetzt begonnen werden. SYRIZA Technik wird nicht in Kräfteverhältnis- wieder konsolidiert, seine Akteure ha- versteht dies schon lange und ihre Un- sen situiert, sondern eine eigene gesell- ben sich vom ersten Krisenschock er- terstützung der Selbstorganisation der schaftliche Dynamik zugesprochen. holt und die Industriestaaten sich zu Gesellschaft in der Krise ist Ausdruck So scheint mir ein r2g-Projekt zu einer Verstaatlichung privater Schul- davon. Von einer solchen Praxis kön- unpolitisch gedacht. Wessen Interes- den und dem Schutz der eigenen Ex- nen wir lernen. Transformatorische sen werden hier aufgegriffen? Wel- portindustrie entschlossen. In der Politik für den Alltag als Aufgabe für che gesellschaftlichen Gruppen ver- Folge kamen neoliberale Akteure wie- Linke in Regierung und Opposition: binden sich damit? Wo liegt der Punkt der in die Offensive. Die Eliten haben Das wär’s doch! der Intervention, um die Kräftever- sich mithilfe der europäischen Staaten hältnisse verschieben zu können? Wa- und Institutionen – zulasten der Pre- rum sollten die Bündnispartner so et- kären, Armen und vor allem der Men- 7 Beverly Silver spricht von zeitlichen und was mitmachen? Und schließlich darf schen im globalen Süden und in Süd- räumlichen Gleichgewichten (spatial and tem- poral fixes), die das Kapital aufgrund seiner man die psychologische Komponente europa – aus dem Sumpf gezogen. Die Grenzen durch die Kämpfe der ArbeiterInnen nicht vernachlässigen: Wieso sollen Energiekrise scheint durch neue För- immer wieder neu herstellen muss. Gleiches sich SPD und Grüne auf ein solches dermöglichkeiten erstmal aufgescho- gilt auch für die ökologischen Grenzen – vgl. Beverly J. Silver: Forces of Labour. Arbeiter- linkes Projekt ohne Druck etwa durch ben. Die kapitalistische Verwertung bewegungen und Globalisierung seit 1870, soziale Bewegungen einlassen? Wer wurde zumindest in kurzer Frist ge- Berlin/Hamburg, 2005. 7 8 Yanis Varoufakis: Rettet den Kapitalis- versichert einer wahlpolitisch in den fixt. Keine Regierung, kein General- mus!, in: WOZ – Die Wochenzeitung vom letzten 15 Jahren immer wieder dezi- streik und keine Demonstration hatte 26.2.2015 (www.woz.ch/-5a79).

24 Sozialismus extra | Juni 2015 www.sozialismus.de »Maithesen« aus Bremen von Kristina Vogt

Unter dem Eindruck der Bremer lens, durch die Deindustrialisierung ei- einen gnadenlosen Personalabbau zu Landtagswahlen vom 10. Mai 2015 nen massiven Umbruch erfahren. In betreiben, verschlangen Unsummen programmatische Ausblicke auf die zu- der Folge gab es nicht nur einen dra- öffentlicher Gelder und sorgten für ei- künftige Arbeit der Linkspartei zu er- matischen Anstieg der Erwerbslosen- nen nur noch eingeschränkt hand- stellen, ist vielleicht etwas gewagt, quote und sinkende staatliche Ein- lungsfähigen Staat. aber dennoch nicht unmöglich. Der nahmen, sondern letztendlich durch Um linke Handlungsfelder in Bre- Wahlausgang ist trotz aller landes- die steigenden Sozialkosten auch hö- men zu verstehen, muss man die Situa- spezifischen Eigenheiten nicht losge- here Ausgaben. Der Strukturwan- tion kennen: Der höchsten öffentlichen löst von der bundesweiten Entwick- del ist in diesen Regionen nicht ge- Verschuldungsquote, höchsten Ar- lung zu betrachten: Das bürgerliche lungen. Landesprogramme für einen mutsquote, größten Abhängigkeit zwi- Lager wächst, ohne dass die CDU wirk- Strukturwandel waren isoliert be- schen Bildungserfolg und sozialer Her- lich hinzugewinnen kann, rechtskon- trachtet sämtlich zum Scheitern verur- kunft und höchsten Leiharbeitsquote servative bis rechtspopulistische Par- teilt. Sozialdemokratisch geprägte Pro- stehen die zweitgrößte Millionärsquote teien gewinnen Protestwähler, SPD gramme der 1980er Jahre, die darauf und der zweitgrößte Wirtschaftszu- und Grüne verlieren. Dass DIE LINKE setzten den öffentlichen Sektor auszu- wachs gegenüber. In den letzten vier fast die 10%-Marke knacken kann, weiten, um Erwerbslose zu versorgen, Jahren ist es uns gelungen, eine prag- kann man der Stadtstaatensituation verlagerten Probleme nur in die Zu- matische, sach- und lösungsorientierte, zuschreiben, dies würde aber zu kurz kunft. Das anschließende neoliberale greifen. Gegenprogramm, öffentliche Investiti- Kristina Vogt ist Fraktionsvorsitzende der Bremen hat seit Ende der 1970er onen in Großprojekte zu tätigen, zeit- Partei DIE LINKE in der Bremischen Bürger- schaft und Sprecherin ihrer Fraktion für Bil- Jahre, so wie der gesamte Nordwes- gleich weite Bereiche der öffentlichen dung und Wissenschaft, Inneres, Medien, Da- ten und weite Teile Nordrhein-Westfa- Daseinsvorsorge zu privatisieren und tenschutz, Internationales.

www.sozialismus.de Sozialismus extra | Juni 2015 25 aber im Kern stets linke Politik zu be- folg einer linken Politik in Bremen lag und Zinsminderausgaben Spielräume treiben, die angekommen ist. Und dies darin, dass wir zum einen die Lebens- für Investitionen in die öffentliche In- trotz einer Sanierungsvereinbarung, lagen der Menschen aufgegriffen und frastruktur zulassen und konkrete Vor- die Bremens Handlungsfähigkeit seit in parlamentarische Initiativen umge- schläge unterbreitet, zweifeln die Men- 2010 massiv einschnürt. Unser »Mar- setzt haben. Zum anderen haben wir schen zunehmend an einer staatlichen kenkern« war angesichts der massiven aber stets im Dialog mit denjenigen ge- Politik der vermeintlichen Alternativ- sozialen Spaltung des Bundeslandes standen, die von politischen Entschei- losigkeit. stets die Frage der sozialen Gerechtig- dungen des Bremer Senats betroffen Wenn man immer anmerkt, welche keit. waren, und sie dazu ermuntert, selber soziale und auch volkswirtschaftliche Welche Folgerungen ergeben sich aktiv zu werden. Und wir haben zuge- Sprengkraft in dem Auseinanderdriften aus einer Situation, in der in Deutsch- hört und auf den typisch linken Reflex einer (Stadt-)Gesellschaft liegt, nimmt land und Europa Gesellschaften ero- des »Besserwissens« weitgehend ver- auch niemand mehr der LINKEN einen dieren, das rechte Lager stärker wird, zichtet. Es ist einfacher, im Dialog oder klaren Klassenstandpunkt übel, der zu- gesellschaftliche und demokratische Streit Umverteilung konkret zu erklä- erst die Lebenssituation derjenigen in Beteiligung zusehends nur noch für die ren, wenn man das Wort Umverteilung den Vordergrund stellt, die aufgrund bürgerliche Mitte gilt? Man muss auch dabei gar nicht in den Mund nimmt. ihrer wirtschaftlichen und sozialen im Westen festhalten: DIE LINKE wird Bündnisse suchen bedeutet aber Lage von jeglicher Teilhabe ausgegrenzt nicht mehr aus Protest gewählt, son- nicht nur, sich auf die Menschen zu sind. Und wenn man dann auch noch dern aus Überzeugung. Das Wählerla- beschränken, die sich im Widerstand konkrete Vorschläge unterbreitet, dann ger ist dabei tief gespalten: Die einen oder Protest befinden, sondern auch in wird man als politische Kraft ernst ge- wollen, dass wir Stachel im Fleisch der die kritische Auseinandersetzung mit nommen. Auf die Weise ist es uns ge- anderen bleiben, die anderen wollen, denjenigen zu gehen, die von einer Si- lungen, in den letzten Jahren Weichen- dass wir mitregieren. So oder so hat tuation nicht unmittelbar beschwert stellungen zu verändern, auch gegen sich die Anspruchshaltung verändert: sind. So entwickeln sich Lösungs- eine Finanzsenatorin, die von dem Wir sollen Lösungen bieten. Und ge- ansätze, die auch über den eigenen Dogma des Neuverschuldungsverbotes nau hier liegt das strategische Dilemma Dunstkreis hinaus Charme entwickeln. absolut überzeugt ist. Mehr noch: Die der Linkspartei. Es gibt zwei aus lin- Um ein Beispiel zu nennen: Wenn an ideologischen Nebelkerzen, die SPD, ker Sicht überhöhte Erwartungen, die der zentralen Frage der Bildungsge- Grüne und CDU in dieser Frage werfen noch nie richtig hingehauen haben: Die rechtigkeit einer Landesregierung auf und dies mit Generationengerechtigkeit Verelendung der Menschen führt nicht Grund der Haushaltslage die Hände begründen, verfangen zusehends nicht zwangsläufig dazu, dass sie grund- gebunden sind, und man diese Diskus- mehr. Vor allem angesichts der Tatsa- sätzliche Kritik an den Verhältnissen sion von links stets im Zusammenhang che der Perspektivlosigkeit der jetzigen üben. Die Beteiligung der Menschen an mit dem Neuverschuldungsverbot und Generation, die unter den strikten einem ausreichenden ökonomischen den fehlenden Einnahmen führt, be- Haushaltsvorgaben leidet. Und darum und gesellschaftlichen Wohlstand aber kommt die Kritik an der Austeritätspo- geht es letztlich: DIE LINKE muss auch eben auch nicht. litik auch jenseits der LINKEN und der einen politischen Diskurs mitbestim- DIE LINKE als Gesamtpartei weicht Gewerkschaften eine Eigendynamik. men können und darin überzeugen. diesem Konflikt überwiegend aus Wenn man zugleich permanent darauf Kann man eine landespolitisch ge- und vergibt so wertvolle Zeit. Der Er- hinweist, dass Steuermehreinnahmen prägte Politik auf die Bundesebene

26 Sozialismus extra | Juni 2015 www.sozialismus.de oder gar die europäische Ebene über- len würde, vorausgesetzt wir machten tragen? Bedingt kann man das, ich will mit? Unsere sehr genauen Vorschläge Die europäische Linke daher aus Bremer Sicht auf die »April- für eine wirksame Armutsprävention stärken thesen« 2015 eingehen. könnten wir umsetzen, aber wir bekä- men es nicht hin, die Rüstungsproduk- Regieren oder nicht tion in Bremen zu stoppen, die wir im- mer kritisiert haben. Wie entscheiden Vereintes Europa Die Diskussion darf nicht mehr län- wir uns dann? Von Bremen könnte ein Geteiltes Europa ger der Tanz um das goldene Kalb sein. radikales Signal an den Rest der Repu- Herausgegeben von Walter Baier, Bernhard Müller Wir haben diese Frage in der Frakti- blik ausgehen, wir könnten Menschen und Eva Himmelstoss onsvorsitzendenkonferenz durchaus in Beteiligung bringen, aber die Welt auf den Tisch gelegt: Ist es unter den nicht unmittelbar ändern. Gut, das ist gegebenen politischen Bedingungen jetzt rein spekulativ, die Bremer SPD überhaupt sinnvoll, in eine Regie- wird von ihrem Kurs nicht abgehen, rung zu gehen? Welche Gestaltungs- aber ist es nicht unsere Aufgabe, genau spielräume hat eine Regierung unter darauf hinzuwirken? Welche Optionen der Beteiligung der LINKEN im Hier müssen wir dafür wahrnehmen, wel- und Jetzt überhaupt? Wie aber er- che nicht? reicht man einen Paradigmenwechsel hinsichtlich der Rahmenbedingungen, Wirtschaftspolitik, Arbeitsmarkt wenn man Regieren kategorisch aus- und Ökologie schließt und somit die Hälfte der Wäh- Jahrbuch V 2015 lerInnen nicht mehr erreicht, die ge- Ja, es stimmt, um die wirtschafts- transform! Europäisches Netzwerk für alternatives Denken und politischen Dialog nau dies von uns erwarten? Denn ja, politische Verfasstheit der Parteien, VS es ist wahr: Wer von Mehrheiten jen- die sich dem linken Spektrum zuord- seits der 50% träumt, der träumt eben nen, ist es nicht gut bestellt. Die Wirt- Walter Baier/Bernhard Müller/ nur. Und wie wir wissen: Regieren und schaftskompetenz der SPD beschränkt Eva Himmelstoss (Hrsg.) Macht sind zweierlei unterschiedliche sich auf regional- bzw. nationalöko- Vereintes Europa Geteiltes Europa Paar Schuhe. nomische Reflektionen, die Grünen, transform! Jahrbuch 2015 Es reicht daher nicht, nur gewählt so man sie denn dazu zählen will, set- 256 Seiten | 2015 | EUR 22.80 zu werden. Die Menschen, die einer zen auf Liberalisierung und wir ver- ISBN 978-3-89965-629-9 linken Partei vertrauen, müssen auf harren in einer postkeynesianistischen Veränderungen setzen können, und Analyse. Gut: Wer einmal mit den Spaltungen Europas nach sieben Jahren Krise: wir müssen zu Veränderungen be- Jungunternehmern, also dem FDP- Befindet sich die europäische Integration nun reit sein. Mögliche Veränderungen er- Mittelstand, versucht hat, über Ver- auch in einer politischen Krise? zeugen oft Angst, auch bei vielen Lin- schuldung, Investitionsquoten und Das Jahrbuch von transform! 2015 behandelt die ken. Als Linke auf ein gutes Gefühl zu Profitrate zu reden, weiß, dass Er- nationalen Konflikte, die Krise der Demokratie, setzen, ist daher der falsche Weg. Nur ben alleine auch keinen ökonomischen die sinkende Attraktivität der europäischen Inte- wenn wir keine Angst vor Verände- Sachverstand voraussetzt. gration und das Erstarken eines neuen radikalen rungen haben, gehen auch andere den Haushalts- und finanzpolitisch ist Rechts populismus. Analysiert werden zudem die Weg mit. Ansonsten bleibt alles wie ge- DIE LINKE gut aufgestellt, auch in Ergeb nisse der Europawahl in verschiedenen Län- dern und die Herausforderungen, die sich für die habt: Man kritisiert und analysiert und Bremen. Die Austeritätspolitik wird europäische Linke daraus ergeben. die Zeit läuft an einem vorbei. Ange- aber vermutlich eher dadurch ge- sichts einer zunehmenden Rechtsver- knackt, dass Unternehmens- und Wirt- Eröffnet wird es durch ein Interview mit dem Sy- schärfung in Europa ist das fatal. Re- schaftsverbände diese infrage stel- riza-Vorsitzenden und neuen griechischen Minis- gierung oder Opposition: Wir dürfen len: Sinkende Investitionsquoten und terpräsidenten Alexis Tsipras, der der europä- ischen Linken zu einer historischen Zäsur verhel- dieser Auseinandersetzung nicht mehr die Gefahr einer Deflation werden in- fen könnte. länger ausweichen, aber wir müssen zwischen offener diskutiert. Aber was sie konkret führen. käme danach? Die Leerräume müs- transform! 2015 ist das erste Jahrbuch des eu- Aus Bremer Sicht: Was wäre, wenn sen wir dringend füllen. Dies geht nur ropäischen Netzwerks für alternatives Denken und politischen Dialog. Auch die zukünftigen Aus- die SPD von uns getrieben den poli- ganzheitlich, mit Ideen einer gesell- gaben werden die politischen und gesellschaft- tischen Kampf gegen die Austeritäts- schaftlichen Transformation, die so- lichen Entwicklungen in Europa in den Fokus neh- politik aufnähme, die Sanierungsver- wohl die Fragen der Verteilung des ge- men. einbarung aufkündigen und unseren sellschaftlichen Vermögens als auch Vorschlag aufgreifen würde, die Ein- die Verteilung der gesellschaftlich not- Im Buchhandel oder direkt bei: führung der Vermögenssteuer auf Lan- wendigen Arbeit, einschließlich der VSA: Verlag, St. Georgs Kirchhof 6, desebene zu prüfen? Und was wäre, unbezahlten Reproduktions- und 20099 Hamburg, [email protected] www.vsa-verlag.de wenn die SPD gleichzeitig genü- Care-Arbeit, wieder in die Diskussion gend Geld für Kitas, Bildung, Arbeits- aufnimmt und die Frage eines ökolo- markt und Wohnungsbau bereitstel- gischen Umbaus mit einbezieht. www.transform-network.net www.sozialismus.de Sozialismus extra | Juni 2015 27 Die Kritik an der Fabrikgesellschaft, ern, dass sie die liberalste Handhabung nicht nur in der praktischen Arbeit vor die Ende der 1970er Jahre aufkam, in der Unterbringung von Geflüchteten Ort. Dort, wo DIE LINKE etwas zu sa- hatte ja den Charme, einen systemkri- haben, anstatt in Sachen Wohnungs- gen hat, ob kommunal oder auf Lan- tischen Ansatz zu bieten, der sowohl bau zu handeln. desebene, muss sie auch auf klein- praktische Auseinandersetzungen, also Der Druck auf arme Menschen und teilige Veränderungen drängen, die alltagstaugliche Erfahrungen, als auch vor allem auf benachteiligte Stadt- Menschen wieder in echte Beteiligung eine marxistisch-feministische sowie teile nimmt so ständig zu und die Stim- bringen. Und sei es über selbstverwal- internationalistische Perspektive be- mung kippt. In der Folge haben bei tete Stadtteilbudgets in armen Stadt- inhaltete. Diese in den 1990er Jahren der Bürgerschaftswahl beide rechtspo- teilen. Dort, wo DIE LINKE in der nicht mehr weitergeführten Auseinan- pulistischen Parteien richtig zugelegt. Opposition ist, muss sie den Druck da- dersetzungen sollten wir als Partei wie- Im Wahlkampf haben übrigens viele hingehend erhöhen. Und sie muss der aufgreifen. Und mit anderen füh- nicht mehr verstanden, warum unser sich selber öffnen, selber andere For- ren. Nebenbei hätten wir auch dann Vorschlag, Steuermehreinnahmen für men der Beteiligung zulassen. Dies Anschluss an die Frage weltweiter Ver- Wohnungsbau zu nutzen, stumpf abge- fällt einem Parteiapparat oft schwer, teilungskämpfe, die nicht nur ökono- lehnt wurde. Und so hatten wir wieder ist aber eine unserer wichtigsten Auf- mische oder finanzpolitische Ursachen den praktischen und leicht verständli- gaben. haben, sondern auch eine nicht mehr chen Bezug zu dem realökonomischen umzukehrende Folge des Klimawan- Unsinn der Schuldenbremse... Krieg und Frieden dels sind. Demokratisierung und Auch wenn ich die »Aprilthesen« aus Flucht und Vertreibung Beteiligung landespolitischer Sicht bewerte, will ich den Komplex Frieden und Au- Wenn wir über Flucht und Vertrei- Nicht nur die niedrige Wahlbeteili- ßenpolitik nicht ganz außen vor las- bung reden, dürfen wir uns auch hier gung in Bremen hat wieder einmal auf- sen. In dem Papier sind wichtige Fra- nicht darauf beschränken, nur gut gezeigt, dass der sozialen Spaltung der gen aufgeworfen worden. Natürlich sein zu wollen, den menschenrecht- Gesellschaft auch eine demokratische muss es uns gelingen, einen Weg zwi- lichen Aspekt zu betonen und dar- Spaltung folgt. Arme Menschen neh- schen Menschenrechtsbellizismus und auf hinzuweisen, dass wir als reiches men an dieser Gesellschaft nicht mehr Menschenrechtsnihilismus zu finden. Europa Flüchtlinge aufnehmen müs- teil, auch nicht mehr an ihren pri- Die »Aprilthesen« zeigen aber dabei sen. Dies ist zwar richtig, aber Flucht mär demokratischen »Beteiligungs- eine gewisse Hilflosigkeit auf, die ver- und Vertreibung muss immer auch als formen«. An diesem Punkt hinken die ständlich ist: Wie soll dieser Weg aus- Klassenfrage, als Teil einer weltwei- »Aprilthesen«: Es stimmt, dass viele sehen? Es wäre hilfreich, hierüber in ten Umverteilung begriffen werden. Menschen heute größere Freiheits- unserer Partei einmal eine sachliche Tun wir dies nicht, beteiligen wir uns spielräume haben, aber es hängt von Diskussion zu führen, die Auseinan- nur an weiteren Verdrängungsprozes- der wirtschaftlichen Situation der ein- dersetzungen der vergangenen Monate sen. Die Frage von Flucht ist nicht nur zelnen ab. Eine alleinerziehende Frau, hinsichtlich der Unterstützung des eine moralische, sondern eine zutiefst ob im Leistungsbezug oder in einem Selbstverteidigungsrechts der Men- politische. Nur wenn wir dies im Zu- meistens schlecht bezahlten Teilzeit- schen in Kobane waren geradezu ab- sammenhang mit den oben genann- job, erlebt nicht weniger Patriarchat, surd. Hier gilt eigentlich wie für alles ten Transformationsprozessen begrei- sondern eher mehr. Allein die Tatsa- andere: Wir müssen endlich aufhören, fen, wird es uns gelingen, dem immer che des Kinderkriegens hängt Frauen in wichtigen Fragen auf der Erschei- stärker öffentlich vorgetragenen Ras- und bei Alleinerziehenden auch deren nungsebene zu reden. sismus und der damit einhergehenden Kinder von einer individuellen Wohl- Rechtsentwicklung etwas von links standsentwicklung ab. Einer Alleiner- Abschließend: Ich bin nach wie vor entgegenzusetzen. ziehenden sind z.B. Diskussionen über davon überzeugt, dass es einen lin- Um erneut die Bremer Brille aufzu- gendergerechte Sprache relativ egal. ken Weg geben kann, der pragmatisch, setzen: So gut es ist, dass der Senat die Mehr Bildung trifft auf arme Menschen aber immer wieder systemkritisch ist. Wohnungsbaugesellschaften dazu an- ebenfalls nicht zu, eher das Gegenteil. Es kann uns dabei gelingen, Menschen hält, 40% der Wohnungen für Geflüch- Der Einstieg in eine solidarische mitzunehmen, solange wir wirklich auf tete bereitzustellen, so drückt es doch Ökonomie ist zwar ein richtiges Ver- Augenhöhe diskutieren und uns nicht insgesamt auf die Menschen mit nied- sprechen auf Zeit, aber momentan überheben. Es kann uns dabei auch ge- rigem Einkommen, die keine bezahl- genauso ein frommer Wunsch wie lingen, Menschen Perspektiven zu bie- bare Wohnung mehr finden. Wir haben Wahlergebnisse jenseits der 50%. An- ten, die jetzt keine mehr haben. Vor- von vornherein gefordert, Steuermehr- gesichts der sich seit Jahrzehnten ver- aussetzung ist aber, dass wir anfangen einnahmen in ein Sondervermögen festigenden Armut und der damit ein- daran zu arbeiten, und so offen und Wohnen zu überführen, nicht nur weil hergehenden sozialen Deprivation darf ehrlich mit uns umgehen, dass wir die Mieten steigen, sondern weil Bre- sich eine linke Partei aber nicht dar- nicht in die klassischen Fallen laufen, men bis 2030 ca. 20.000 Neubreme- auf beschränken, auf Veränderungen in die die Sozialdemokratie immer ge- rInnen zu erwarten hat. Rot-Grün ließ in der Zukunft zu setzen. Sie muss vor- laufen ist. Als Bremerin ende ich hier sich lieber zwei Jahre lang dafür fei- her auf Beteiligungsprozesse drängen, mit »Think global, act local!«

28 Sozialismus extra | Juni 2015 www.sozialismus.de DIE LINKE als gesellschaftliche Opposition von Nils Böhlke und Janine Wissler

Die »Aprilthesen« von Alexander gen stabile Werte erreicht, dies aber hat. Angesichts geringer gesellschaft- Recht, Paul Schäfer, Axel Troost und keineswegs mit einer stabilen Veran- licher Proteste gegen die bestehenden Alban Werner sowie die Repliken von kerung in der Bevölkerung und einer Bedingungen ist es aber eine Illusion, Felix Pithan1 und Kersten Artus2 haben Mobilisierungsfähigkeit verwechselt dass eine »linke Regierung« daran et- uns dazu veranlasst, einige eigene The- werden darf. Dieser Widerspruch spielt was ändern würde. Der Hoffnungs- sen aufzustellen. Wir zeigen damit ei- aber im weiteren Text keine Rolle schimmer durch die griechische Links- nen anderen Weg für DIE LINKE auf mehr. Implizit wird an einigen Stellen regierung kam nur auf Basis breiter als denjenigen, den die »Aprilthesen« eine Mobilisierung durch positive For- vorschlagen. derungen (These 1) und eine Veranke- Nils Böhlke ist Landessprecher der Arbeits- rung durch das Bewerben eines Regie- gemeinschaft der LINKEN betrieb & gewerk- These 1: Wir brauchen keine LINKE rungsprogramms (These 4) unterstellt, schaft Nordrhein-Westfalen. Janine Wissler ist stellvertretende Vorsitzende der Partei DIE als Regierung im Wartestand, son- aber vernachlässigt wird, dass (auch LINKE und eine der Fraktionsvorsitzenden dern eine, die gesellschaftliche Oppo- noch so kluge) Forderungen und Pro- der LINKEN im Hessischen Landtag. Beide arbeiten im Netzwerk Marx 21 mit. sition aufbaut, um gesellschaftliche gramme alleine noch keine Mobilisie- Kräfteverhältnisse zu verändern. rung und Verankerung bedeuten. Dass 1 https://fepix.wordpress. Aus unserer Sicht bleibt die Re- Mobilisierungsfähigkeit und eine sta- com/2015/04/04/uber-die-aprilthesen/ 2 http://blog.kerstenartus.info/die-linke- flexion der politischen Lage in den bile Verankerung in den gesellschaft- muss-partei-der-sozialen-gerechtigkeit-blei- »Aprilthesen« von 20153 unzurei- lichen Auseinandersetzungen zur Er- ben-eine-replik-auf-die-neuen-aprilthesen/ 3 Dass der Titel einem bekannten Aufsatz chend. Ein wesentliches Problem zeigt reichung politischer Ziele notwendig des russischen Revolutionärs Lenin entnom- sich bereits in den ersten beiden Sät- sind, wird schlicht ignoriert. Es ist men ist, muss wohl darauf zurückgeführt wer- den, dass dies die Aufmerksamkeit für den Ar- zen: Es wird richtig festgestellt, dass richtig, dass den Autoren nicht aus- tikel erhöht. Inhaltliche Gemeinsamkeiten DIE LINKE bei Wahlen und Umfra- reicht, was DIE LINKE bislang erreicht sind nicht feststellbar.

www.sozialismus.de Sozialismus extra | Juni 2015 29 gesellschaftlicher Proteste und Gene- These 2: Ein Regierungswechsel bedeu- nannt. Was würde beispielsweise aus ralstreiks auf. tet noch lange keinen Politikwechsel. den Hartz-Gesetzen oder den Rentenre- Die Autoren schlagen vor, dass sich Ein Irrtum ist die Annahme, die Be- formen der letzten Jahre? DIE LINKE gewissermaßen als »Re- endigung der Kanzlerschaft Angela Um zumindest bestimmte Grenzen gierung im Wartestand« verstehen Merkels (»die wie ein Alp auf Deutsch- festzusetzen, die eine konkrete Hand- soll und ihr Handeln daran ausrichten land und Europa liegt«, so die April- schrift der LINKEN in einer Koalition sollte, »sich den Kopf von Regierenden these 1) würde bereits ein Ende der Po- sicherstellen, hat DIE LINKE in ih- [zu] zerbrechen« (These 1) und sich auf litik der Kanzlerin bedeuten. Man fragt rem Programm rote Haltelinien ver- ein Bündnis mit SPD und Grünen vor- sich, ob den Autoren bewusst ist, dass ankert. Aber gerade diese werden in zubereiten (These 2). Dies sei notwen- Deutschland von einer Großen Koali- den »Aprilthesen« infrage gestellt. Wer dig, weil DIE LINKE keine absolute tion, also von CDU/CSU und SPD, re- die derzeitigen politischen Rahmenbe- Mehrheit erreichen wird und ande- giert wird. In der zehnjährigen Kanz- dingungen und die Eigentumsverhält- renfalls jede Veränderungsperspektive lerschaft Merkels regiert sie mehr als nisse als gegeben hinnimmt und ledig- ausgeschlagen werden würde. Deshalb die Hälfte der Zeit mit der SPD, die lich hofft, einzelne progressive Projekte sei der »Zuspruch unter Gewerkschaf- sie zweimal zur Kanzlerin gewählt hat zu benennen, wird früher oder spä- tern sowie früheren Rot-Grün-Wäh- (einmal sogar mit einer breiten Zu- ter auf dieselben Probleme treffen, die lern … seit 2009 rückläufig«. Dies trifft stimmung in einer Mitgliederbefra- der ehemalige Wirtschaftssenator Ha- aber keineswegs bruchlos zu, sondern gung). Die Autoren schreiben selbst, rald Wolf als Bilanz aus der Koalition seit 2009 haben sich aus sehr unter- die SPD habe sich in der Großen Koa- zwischen SPD und PDS in Berlin unter schiedlichen Bevölkerungsgruppen lition eingerichtet. Es gibt keine nen- dem treffenden Titel »Der Staat ist kein Wählerschichten eher von der LINKEN nenswerten Konflikte innerhalb der Fahrrad« konstatiert hat.4 Wolf stellt entfernt und andere sich ihr auch an- Großen Koalition, in den zentralen fest, dass der Staat und damit auch die genähert. Hier wird unterstellt, dass Fragen ist man sich weitgehend einig. Regierung keine neutrale gesellschaft- es lediglich die potenzielle Zusam- Die Autoren der »Aprilthesen« nen- liche Institution ist, eben kein »Fahr- menarbeit mit SPD und Grünen ist, nen zu Beginn sechs Handlungsfelder, rad«, auf das man sich setzen und in die Wählerinnen und Wähler aus die- auf die DIE LINKE sich konzentrieren jede gewünschte Richtung losfahren sem Milieu von der Wahl der LINKEN sollte: Haushaltspolitik, Europapoli- kann. Er ist ein Produkt der gegebenen überzeugt. Stattdessen zeigen aber ge- tik, TTIP, Friedenspolitik, Flüchtlings- kapitalistischen Kräfteverhältnisse. Das rade die Erfahrungen aus den An- politik und die Energiewende. So recht bedeutet nicht, dass die herrschende fangsjahren der Partei, dass die klare die Autoren mit der Annahme haben, Klasse einfach uneingeschränkt die Formulierung eigener politischer An- dass diese sechs Themen zentral sind, Richtung vorgeben kann. Aber wer es sätze im Tandem mit dem gesellschaft- so unverständlich ist, wie man aus die- für ausreichend hält, die richtigen For- lichen Protest gegen unsoziale Politik sen Themenfeldern eine Zusammenar- derungen und Konzepte einzubringen, zu einem Erstarken linker Ideen und beit mit der derzeitigen Regierungspar- um nach links loszufahren, wird – um der Partei DIE LINKE geführt hat. Wir tei SPD ableiten kann. SPD-Chef und im Bild zu bleiben – auf die Nase fallen. meinen, dass es die Aufgabe der LIN- Wirtschaftsminister Gabriel will CETA KEN ist, die Rolle als Oppositionsfüh- und TTIP durchsetzen (was die Auto- These 3: Die »Errungenschaften der rerin auszufüllen. Nicht in »bequemer ren an anderer Stelle selber schreiben). bürgerlichen Gesellschaft« wurden Isolation«, wie die Autoren schreiben, Das Asylrecht wurde noch vor kurzem nicht »hervorgebracht«, sondern den sondern im engen Schulterschluss mit durch die Große Koalition verschärft. Herrschenden abgetrotzt. Gewerkschaften und sozialen Bewe- Vom Thema Umverteilung und Steu- Es ist Aufgabe der LINKEN, auf- gungen. ergerechtigkeit hat sich die SPD-Spitze zuzeigen, dass der Kapitalismus seine DIE LINKE muss eine aktive Mit- verabschiedet, stattdessen sollen not- großen Versprechen von Freiheit und gliederpartei sein, die vor Ort prä- wendige Investitionen in die öffentliche Demokratie nicht einlöst. Bürgerli- sent ist, um gesellschaftliche Kämpfe Infrastruktur durch PPP-Projekte (öf- che Rechte wurden nicht »hervorge- zu bestärken und für progressive For- fentlich-private Partnerschaften mit Ge- bracht«, wie die Autoren der »April- derungen zu mobilisieren. Die »April- winngarantie für die beteilgten Kon- thesen« schreiben, sondern sind thesen« definieren die Aufgaben der zerne) finanziert werden. Beim Thema Errungenschaften, die den Herr- LINKEN aber fast ausschließlich auf Energiewende haben wir es mit einer schenden in Kämpfen abgetrotzt wur- der Ebene von Parlamenten und po- starken Kohlelobby in der SPD zu tun, den. Aber die Ideale der bürgerlichen litischen Funktionsträgern. Wer aber die gerade eine Teilabschaffung des Er- Revolutionen von Freiheit, Gleichheit den Klassenkampf als Motor der Ge- neuerbare-Energie-Gesetz durchgesetzt und Demokratie sind nicht einlösbar, schichte ausblendet – und das tun die hat. Diesem Bündnis dann den Titel solange das Privateigentum ein Sakri- Autoren –, kann keinen realistischen »Fortschritt, Gerechtigkeit und Frei- leg bleibt (das bleibt es leider auch in Ausblick auf mögliche Veränderungs- heit« zu geben (Frieden bleibt ausges- den »Aprilthesen«) und die soziale Un- perspektiven entwickeln. part), ist der Versuch, wolkige Begriffe gleichheit nicht beseitigt wird. Solange zu finden, die mit kaum weniger aus- bleibt Freiheit ein Privileg für dieje- sagekräftigen Allgemeinplätzen prä- nigen, die sie sich leisten können, wie zisiert werden. Knackpunkte für ein der italienische Philosoph Domenico Regierungsbündnis werden nicht be- Losurdo schreibt.5

30 Sozialismus extra | Juni 2015 www.sozialismus.de Oder wie es ein französischer Revo- che Ausrichtung LINKE Europapolitik Perspektive sein, die nicht an den poli- lutionär einige Jahre nach der Fran- haben soll. tischen und geografischen Grenzen Eu- zösischen Revolution ausdrückte, sind Und da ist schon der einleitende ropas oder der EU endet. Freiheit und Gleichheit »eitle Hirn- Satz der These 9 befremdlich. Dort Eine grundlegende linke Kritik gespinste, wenn eine Klasse die an- heißt es: »Europa ist nicht alles, aber an der EU ist nötig, weil die EU auf dere ungestraft aushungern kann« und ohne Europa ist alles nichts«, ange- falschen Grundpfeilern steht. Dies wird »wenn der Reiche mittels seines Mo- lehnt an das Zitat Willy Brandts: »Der u.a. deutlich bei der Aufrüstungs- und nopols das Recht über Leben und Tod Frieden ist nicht alles, aber ohne Frie- Abschottungspolitik, der Austeritäts- seiner Mitmenschen ausübt«. Solange den ist alles nichts.« Zum einen ist un- politik, dem neoliberalen EU-Wett- die Schere zwischen Arm und Reich angemessen, Europa quasi synonym zu bewerbsrecht, dem soziale Belange weit auseinanderklafft, bleiben die Frieden zu setzen, gerade angesichts untergeordnet sind, und dem Demo- Ideale von Gleichheit und Freiheit un- der aktuellen Debatte in der EU, mili- kratiedefizit der europäischen Ins- erfüllt. tärisch gegen Flüchtlingsboote vorge- titutionen. Die Autoren beklagen zu hen zu wollen. Zum anderen ist diese Recht die Vormachtstellung Deutsch- These 4: Internationale Solidarität be- Aussage völlig Europa-zentriert (frag- lands in der EU, die Motor des Sozial- deutet grundlegende Kritik an der EU- lich ist, ob die Autoren das wirklich so abbaus ist und die Politik der Agenda Politik. sehen oder ob man der Versuchung er- 2010 und Schuldenbremse mithilfe der Die Autoren fordern, dass sich DIE legen ist, ein griffiges Bonmot zu schaf- Troika vorantreibt. Angesichts der ge- LINKE »entschieden mehr um Euro- fen auf Kosten des Inhalts). Das Pro- genwärtigen Politik der EU, aber auch papolitik kümmern« muss. Angesichts blem ist doch gerade, dass wir es mit mit Hinblick auf ihre Grundpfeiler ist der als »Euro-Rettung« getarnten Aus- einem Europa – besser mit einer EU eine linke Kritik an der EU notwendig, teritätspolitik, die die Bevölkerung in (die oft und auch von den Autoren mit die nicht nationalistisch und auf ein- Griechenland und anderen Ländern Europa gleichgesetzt wird) – zu tun ha- zelstaatliche Interessen ausgerichtet ins Elend stürzt, angesichts tausender ben, die sich für »alles« hält, auf Kos- ist, sondern eine internationalistische Toter im Mittelmeer infolge der EU- ten der globalen Gerechtigkeit, auf Abschottungspolitik und angesichts ge- Kosten der Flüchtlinge an den Außen- planter neoliberaler Handelsabkom- grenzen und auf Kosten der wirtschaft- 4 www.zeitschrift-luxemburg.de/der-staat- men wie TTIP, CETA und TiSA, wird lichen Entwicklung in Ländern des ist-kein-fahrrad/ 5 dieser Forderung wohl niemand ernst- Südens. Eine LINKE Perspektive hin- Domenico Losurdo: Freiheit als Privileg. Eine Gegengeschichte des Liberalismus, Köln haft widersprechen. Die Frage ist, wel- gegen muss eine internationalistische 2011 (2. Aufl.).

VSA: Hellblaue & schwarze Bändchen zur Einführung Die in Kooperation mit der Kommunalakademie der Rosa-Luxemburg-Stiftung erscheinende Reihe ELMAR ALTVATER ELMAR ALTVATER MICHAEL BRIE Crashkurs Kommune MARX NEU ENGELS NEU POLANYI NEU richtet sich mit schmalen Bänden vor allem an linke Kommu- ENTDECKEN ENTDECKEN ENTDECKEN nalpolitikerInnen und an kommunalpolitisch Interessierte. DAS HELLBLAUE BÄNDCHEN ZUR DAS HELLBLAUE BÄNDCHEN DAS HELLBLAUE BÄNDCHEN ZU

EINFÜHRUNG IN DIE KRITIK ZUR EINFÜHRUNG IN DIE EINEM MÖGLICHEN DIALOG VON KOMMUNALAKADEMIE KOMMUNALAKADEMIE DER POLITISCHEN ÖKONOMIE »DIALEKTIK DER NATUR« NANCY FRASER & KARL POLANYI UND DIE KRITIK VON Felicitas Weck Frank Kuschel AKKUMULATION UND WACHSTUM Linke Haushalten Kommunalpolitik mit links?!

Für Einsteiger_innen und Fortgeschrittene Emanzipative Haushalts- V V V Aktualisierte Ausgabe und Finanzpolitik in der Kommune Crashkurs Kommune 10 Crashkurs Kommune 11 VS VS VS

Elmar Altvater Elmar Altvater Michael Brie Marx neu entdecken Engels neu entdecken Polanyi neu entdecken V Das hellblaue Bändchen zur Das hellblaue Bändchen zur Das hellblaue Bändchen zu V VS Einführung in die Kritik der Einführung in die »Dialektik einem möglichen Dialog VS Politischen Ökonomie der Natur« und die Kritik von Nancy Fraser und 144 Seiten | EUR 9.00 von Akkumulation und Karl Polanyi Felicitas Weck Frank Kuschel ISBN 978-3-89965-499-8 Wachstum 176 Seiten | EUR 10.00 Linke Kommunalpolitik Haushalten mit links?! Mit den »hellblauen Bänd- 192 Seiten | EUR 12.00 ISBN 978-3-89965-642-8 Für Einsteiger_innen und Emanzipative Haushalts- chen« werden die »Blauen ISBN 978-3-89965-643-5 Brie skizziert Möglichkeiten Fortgeschrittene | Aktuali- und Finanzpolitik in der Bände« von Marx und En- Engels und eines seiner des Dialogs zwischen Po- sierte Ausgabe Kommune| gels und andere »Klassiker« wichtigsten Werke werden lanyi und Nancy Fraser, der Crashkurs Kommune 10 Crashkurs Kommune 11 neu entdeckt. vorgestellt. bekanntesten US-amerika- 104 Seiten | EUR 7.50 104 Seiten | EUR 7.50 nischen Feministin. ISBN 978-3-89965-585-8 ISBN 978-3-89965-636-7 Im Buchhandel oder direkt bei: VSA: Verlag, St. Georgs Kirchhof 6, 20099 Hamburg, [email protected]. www.vsa-verlag.de

www.sozialismus.de Sozialismus extra | Juni 2015 31 und klassenpolitische Perspektive ein- Kriege, die Besatzung des Iraks und nationalismus muss sich auf soziale nimmt. die Folter durch US-Soldaten in Abu Bewegungen, Gewerkschaften und Be- Ghraib und anderswo nicht schweigen. freiungsbewegungen beziehen und These 5: Frieden ist mehr als Antimi- Die US-Kriege gegen den Irak, die den diese ins Zentrum stellen. litarismus – aber ohne Antimilitaris- IS geschaffen haben, haben eine Viel- Man sollte die UNO nicht zur Fo- mus kein Frieden. zahl an Opfern nach sich gezogen. Der lie für Wunschprojektionen machen In der These 11 wird behauptet, DIE blutigste Krieg, jener von 1991, fand und damit die Illusion erwecken, kapi- LINKE müsse »endlich« ihre Forde- mit UN-Mandat statt. Ebenso wur- talistische und imperialistische Inter- rung nach friedlichen Lösungsvor- den die nachfolgenden Sanktions- essen könnten wegverhandelt und auf schlägen in der Welt »substanziell« maßnahmen, die den Irak zerrütteten, diesem Wege eine dauerhafte »Welt- füllen und dürfe sich nicht auf »Anti- durch die UNO verfügt. Das bleibt un- friedensordnung« geschaffen werden. militarismus beschränken«. Wir dürf- erwähnt, wie auch alle anderen Kriege, Das bedeutet nicht, um diesem Vor- ten »nicht endlos ausweichen«, wenn die die in der UN dominanten Staaten wurf gleich entgegenzutreten, dass es um die Frage geht, wie »man im führen oder geführt haben, ebenso wie Friedensverhandlungen nicht dazu bei- Rahmen der Vereinten Nationen ent- das tausendfache Morden auch von Zi- tragen könnten, Kampfhandlungen zu grenzter Gewalt entgegentreten kann«. vilisten durch Drohnen. beenden. Natürlich befürwortet DIE Wer hier aber ausweicht, sind die In These 10 schreiben die Autoren, LINKE Friedensverhandlungen, wenn Autoren selbst. Denn anstatt die Fälle es müsse jenseits des »Menschenrechts- dadurch Menschenleben gerettet wer- konkret zu benennen, in denen DIE bellizismus« (Krieg für Menschen- den und militärische Auseinanderset- LINKE eine falsche Position eingenom- rechte?) und des »Menschenrechts- zungen beendet werden könnten. Aber men haben soll, werden Pappkame- nihilismus« (offen bleibt, wem sie wir sollten uns darüber im Klaren sein, raden aufgebaut. So schließen die Au- den unterstellen), »etwas Drittes ge- dass der Kapitalismus den Krieg in toren aus dem Recht der Kurden, sich ben, eine klügere Lösung«. Wie diese sich trägt, wie die Wolke den Regen, gegen den IS bewaffnet zu verteidi- aber aussehen kann, bleibt offen. Zu- wie Jean Jaurès es ausdrückte, und der gen, »dass es Extremsituationen gibt, dem ist unterstellt, es würde bei hu- Einsatz für einen dauerhaften weltwei- in denen das Recht auf Leben mit der manitären Interventionen um Men- ten Frieden mit dem Kampf gegen das Waffen in der Hand verteidigt werden schenrechte gehen, was grundsätzlich kapitalistische System als Ganzes ver- muss«. Hat irgendjemand in der Lin- bestritten werden muss. Wer Waf- bunden werden muss. ken etwas anderes behauptet? Das Pro- fen nach Saudi-Arabien liefert, dem ist blem beginnt dort, wo die Autoren aus wohl kaum zu glauben, dass anderswo These 6: Wer Gesellschaft grundle- dem Recht zur Notwehr eine »Pflicht Militär für Menschenrechte eingesetzt gend verändern will, braucht eine an- zur Nothilfe« durch die UNO machen. werden. Die Staatengemeinschaft ist tikapitalistische Perspektive. Die UN sind keineswegs »vereinte« nicht willens, gegen die größte globale Leider fehlt dieser antikapitalisti- Nationen. Die UNO wird von rivali- humanitäre Katastrophe, den Hunger, sche Ansatz in den »Aprilthesen« – sierenden Großmächten dominiert. vorzugehen, aber bezieht sich auf Men- nicht nur bei den außenpolitischen Diese Mächte haben Interessen wie die schenrechte, um die eigenen Interes- Fragen – völlig. Dabei geht es nicht kleineren Mächte auch. Dort, wo die sen zu verschleiern. Die Menschen- darum, den Antikapitalismus wie eine UNO für die Durchsetzung von Inter- rechte müssen, da ist den Autoren Monstranz vor sich herzutragen, son- essen genutzt werden kann, wird da- ausdrücklich zuzustimmen, Funda- dern darum, konkrete Kämpfe um von Gebrauch gemacht. Wo nicht, da ment linker Politik sein. Dazu gehört, kurzfristige Verbesserungen zu verbin- erweist sich die UNO als zahnlos. Da- dagegen aufzustehen, wenn im Namen den mit der Vision einer grundsätz- für ist der Umgang mit den Kurden der Menschenrechte Menschenrechte lich anderen Gesellschaft. DIE LINKE beispielhaft. Nicht mal zu einer Ver- verletzt werden. muss konkrete umsetzbare Verbesse- urteilung des Giftgasanschlags von Als LINKE sollten wir uns mit der rungsvorschläge machen, aber auch die Halabdscha konnte sich die UN durch- Politik der Bundesregierung ausein- grundsätzliche Kritik am Kapitalismus ringen, weil die USA ihr Veto einlegten. andersetzen. Verteidigungsministerin offensiver vortragen. Die heutigen Ei- Kein »Politikvorschlag« wird daran et- von der Leyen treibt Aufrüstung und gentumsverhältnisse blockieren fort- was ändern. Die Autoren versuchen, globale Einsätze voran. Mal mit der schrittliche gesellschaftliche und tech- diese Realität und die Interessen kapi- EU, mal mit der NATO, mal mit der nologische Entwicklungen, die die talistischer Staaten vom Tisch zu wi- UNO – aber immer im Bündnis mit an- Autoren der »Aprilthesen« einfordern. schen, und setzen ein Wunschbild an deren. Diese Bündnisorientierung ist Dennoch bleiben sie weitgehend ausge- die Stelle. nicht Ausdruck einer geläuterten Poli- blendet. Dabei lässt sich eine wirklich »Entgrenzte Gewalt« geht von jenen tik, sondern einfach nur Ausdruck der demokratische und gerechte Gesell- aus, die in der UNO das Sagen haben, eigenen Schwäche. Alle diese Bünd- schaft nicht erreichen, ohne die Eigen- den Mitgliedern im UN-Sicherheitsrat. nisse sind nicht besser als die Summe tumsverhältnisse grundlegend zu än- Das verschweigen die »Aprilthesen«. ihrer Einzelkomponenten. dern. Der IS, den die Autoren als einzigen Nicht die UNO und die dort Gewalttäter anführen, ist ohne Zwei- agierenden Regierungen werden Ar- fel ein brutaler Aggressor. Aber wer chitekten einer dauerhaften »Welt- über den IS spricht, darf über die Irak- friedensordnung« sein. Linker Inter-

32 Sozialismus extra | Juni 2015 www.sozialismus.de Rot-rot-grüne Zusammenarbeitsprojekte? Zur Revitalisierung linker Opposition von Joachim Bischoff, Hasko Hüning, Christoph Lieber und Björn Radke

1. sicher gefühlt wie heute. Fast drei Vier- der europäischen Sozialdemokratie seit Die wirtschaftliche und politische Elite tel sind überzeugt, dass die heute un- der Krise von 2007/08 beschleunigt in Deutschland beharrt darauf, dass ter 30-Jährigen in Deutschland (sehr) hat. Unabhängig von den jeweils län- das Land eine schattenlose Erfolgs- gute Zukunftschancen haben, lediglich derspezifischen Schwächen und Defi- bilanz aufzuweisen habe: Dank eines 18% sind skeptisch. Auch hier zeigt sich ziten beobachten wir eine chronische ökonomischen Aufschwungprozesses der zunehmende Optimismus: Vor zwei Abwärtstendenz, die in einer immer of- nach der großen und immer noch an- Jahren befürchteten noch 34%, dass fenkundigeren Ratlosigkeit gegenüber dauernden Krise herrsche offenkundig Deutschland für die junge Generation den dichotomischen Verteilungsstruk- große Zufriedenheit der BürgerInnen. keine sonderlich guten Perspektiven turen der europäischen Gesellschaften Das Institut für Demoskopie in Allens- bereithält. Es gibt nur wenige Länder in und einer politischen Ohnmächtigkeit bach1 erklärt die Stabilität der poli- Europa, in denen die Perspektiven der gegenüber dem aktuellen finanzmarkt- tischen Kräfteverhältnisse mit der ro- jungen Generation vergleichbar opti- getriebenen Akkumulationsregime busten Konjunktur und befriedigenden mistisch eingeschätzt werden. zum Ausdruck kommt. Die Einsicht, Einkommensentwicklungen, die die Andererseits können auch die Eli- dass nur Schritte in Richtung einer wirtschaftliche Lage und auch die Stim- ten nicht darüber hinweggehen, dass Transformation des modernen Kapi- mungslage der BürgerInnen prägen. es mittlerweile in Deutschland einen talismus aus der globalen Krise des Fi- Noch nie zogen so viele eine positive schleichenden Erosionsprozess des po- nanzmarktkapitalismus herausführen Bilanz wie zurzeit: 60% stufen ihre fi- litischen Systems gibt und die rückläu- und eine erneute Zuspitzung der Krise nanzielle Situation als gut oder sogar fige Wahlbeteiligung einen Ausstieg vor künftig verhindern, ist nicht weit ver- sehr gut ein, nur noch 9% als schlecht. allem der Unterschichten signalisiert. breitet. Damit hat sich die materielle Zufrie- Zudem ist ein unübersehbares Anwach- Zur Beschreibung der Realität ge- denheit gegenüber den Vorjahren noch sen des rechten und rechtspopulisti- hört auch: In vielen Ländern Europas einmal deutlich erhöht. 2013 und 2014 schen Sektors zu konstatieren. Schließ- ist die Linke jenseits der Sozialdemo- war nur gut jeder Zweite mit den eige- lich gehört zum Gesamtbild: Nie zuvor kratie stark zersplittert und gesell- nen wirtschaftlichen Verhältnissen zu- ist die führende politische Rolle der schaftlich an den Rand gedrängt. An frieden, in den Jahren zuvor weniger Bundesrepublik in Europa so offen zu- der Basis gelingt selten ein Brücken- als die Hälfte. Die Lage vieler Haus- tage getreten und unangenehm aufge- halte hat sich durch sinkende Arbeits- stoßen. Seit der Großen Krise ist dieses Joachim Bischoff ist Mitherausgeber von losigkeit und höhere Tarifabschlüsse, Land europäische Hegemonialmacht Sozialismus, Hasko Hüning arbeitet in der LINKEN in Berlin und ist Bundespartei- aber auch durch die niedrigeren Ener- und trägt erheblich dazu bei, dass ein tagsdelegierter, Christoph Lieber und Björn gie- und Kraftstoffkosten spürbar ver- möglicher Politikwechsel hierzulande Radke sind Redakteure von Sozialismus. bessert. Insgesamt haben sich in den und in ganz Europa blockiert ist. 1 Siehe etwa Renate Köcher: Entspannt, vergangenen 20 Jahren die Bürge- Ein Aspekt dieser Entwicklungen aber gefahrenbewusst, in: Wirtschaftswoche rInnen wirtschaftlich nie vergleichbar besteht darin, dass sich der Niedergang vom 15.12.2014.

www.sozialismus.de Sozialismus extra | Juni 2015 33 schlag zwischen unterschiedlichen so- ziale Spaltung der Wählerschaft.«2 Di- arbeit Erfolge gegen einen konserva- zialstrukturellen Milieus. Das Aufgrei- ese Entwicklung hat sich hierzulande tiven und neoliberalen Mainstream ha- fen der Interessen von Menschen in zuletzt bei den Wahlen zur Bremer ben kann.«4 verfestigter Armut, von BürgerInnen Bürgerschaft bestätigt.3 Mit einer ad- Auch innerhalb der grünen Par- in prekären Arbeits- und Lebensver- äquaten Analyse und Antwort auf die- tei gibt es Widerstand gegen die trost- hältnissen auf der einen Seite und or- sen Rechtspopulismus als einem mo- lose Perspektive einer Festschreibung ganisierter Lohnarbeit und modernen dernen Phänomen, hinter dem massive der großen Koalition über 2017 hin- WissensarbeiterInnen auf der anderen arbeitsgesellschaftliche, sozialstruktu- aus: »Wollen wir eine rechte Mehrheit steht oft unverbunden nebeneinander. relle und demokratiepolitische Verwer- verhindern«, so etwa Jürgen Trittin, Diese Marginalität aller Fragmente fungen des Finanzmarktkapitalismus »müssen wir den Stillstand der Großen der Mosaik-Linken kann nicht allein stehen, tun sich die Linksparteien in Koalition überwinden. Dies ist kein auf das Führungspersonal oder die ver- allen Ländern nach wie vor schwer. grünes Problem – es ist eine Verant- meintlich üblichen internen Streite- wortung aller Kräfte der linken Mitte«.5 reien zurückgeführt werden. Wenn der 2. Seine zentrale Schlussfolgerung, die er Sozialdemokratie europaweit Ideen In Deutschland verharrt die SPD in auch in seinem Buch »Stillstand made und strategische Konzepte fehlen, Meinungsumfragen bei max. 25%. DIE in Germany« stark macht, lautet daher: dann gilt das für die GRÜNEN und für LINKE hängt bei 8 bis 9% fest, profi- Wenn sich politisch etwas ändern soll, die Linke jenseits der SPD ebenso – tiert weder von der Finanzkrise noch muss jetzt ein Diskurs und eine Debatte mit Ausnahme der Krisenländer Grie- von der so genannten Oppositionsfüh- über den drohenden Stillstand aufge- chenland und Spanien. rerschaft gegenüber der Großen Koa- nommen werden – unter rot-rot-grü- Zum politischen Umfeld aller euro- lition. Nimmt man die ca. 11% für die nen Vorzeichen. päischen Linksparteien gehört das Er- GRÜNEN hinzu, zeichnet sich für Rot- starken eines modernen Rechtspo- Rot-Grün keine Mehrheit ab. Zudem 3. pulismus. Die Auszehrung der Mitte streben die drei Parteien aktuell poli- Es gibt durchaus Stimmen in den drei setzt den Konservatismus von unten tisch eher auseinander. Auf Bundes- Parteien für ein Mitte-Links-Bünd- und oben gleichermaßen unter Druck. ebene werfen SPD und GRÜNE der nis, mit dem ein Politikwechsel einge- Von unten durch einen Rechtspopulis- LINKEN eine fundamentalistische Blo- leitet werden könnte. Ohne Zweifel ist mus, der in diesem Jahrhundert einen ckadehaltung in der Außenpolitik vor, die SPD – auch wenn sie für viele Men- fulminanten Aufstieg hingelegt hat. während die GRÜNEN eine Verweige- schen das Bild einer Opposition in- In einer wachsenden Zahl von Staa- rungshaltung gegenüber den Vorschlä- nerhalb der Koalition abgibt – in die ten ist das konservative Lager auf des- gen der LINKEN für eine sozial ge- Große Koalition gut eingebunden. Eine sen Unterstützung angewiesen, um rechte Steuerreform und eine Umkehr erneute zweite Bändigung des entfes- regieren zu können. Eine programma- in der Wirtschafts-, Finanz- und Euro- selten Kapitalismus wird ihr in der tische Trias verspricht Erfolg: Auslän- papolitik einnehmen. Junior-Rolle der Koalition kaum ge- derfeindlichkeit mit islamophobischer Wie kann aus der derzeitigen noch lingen. Der designierte Bremer Bür- Zuspitzung, ein Solidaritätsverständ- nicht einmal arithmetischen Mehrheit germeister Carsten Sieling6 fordert, nis, das auf dem Sozialstaat aufbaut, bei Rot-Rot-Grün erst eine gesellschaft- die SPD müsse »nach links bündnis- diesen aber in ein Instrument der Ex- liche und dann auch politische Mehr- fähig« sein. In einem Streitgespräch klusion – gegen MigrantInnen, »Leis- heit werden? Wie kann der politische mit dem stellvertretenden Vorsitzen- tungsverweigerer« etc. – verwandelt, Autismus der Akteure überwunden den der LINKEN, Axel Troost, konsta- und Europapessimismus bis Europa- werden und eine interventionsfähige tiert er: »Thüringen hat gezeigt, dass feindlichkeit. Von oben wird dieser Alternative Attraktivität gewinnen? die anfangs lautstarken Widerstände in Aufstand des Ressentiments gestützt Nach Bildung der ersten rot-rot-grünen dem Moment schnell verstummten, als durch eine »rohe Bürgerlichkeit«, bei Landesregierung in Thüringen verallge- sich eine vernünftige Koalitionsverein- der das »klassische Leistungsprinzip meinert die Landesvorsitzende Susanne barung und eine stabile Mehrheit ab- durch das Prinzip des Erfolgs ersetzt«, Hennig-Wellsow den Sonderfall: »Wer zeichneten. Auf Bundesebene sieht das strikt nach »Gewinnern« und »Verlie- will, dass sich auch im Bund auf abseh- natürlich anders aus.« Es geht für ihn rern« sortiert und eine Politik verfolgt bare Zeit etwas verändert, muss lang- »um Aufbau von Vertrauen, um gegen- wird, die »dazu dient, eine zunehmend fristig denken. Es braucht praktische seitiges Kennenlernen von Personen dichotome Sozialstruktur zu zementie- Erfahrungen erfolgreicher Kooperati- und Positionen. Da spielen die ›Zu- ren und zu legitimieren«. onen, um irgendwann zusammenar- sammenarbeitsübungen‹ auf Länder- Und zur Realität der strategischen beiten zu können... Es braucht – so wie ebene eine wichtige Rolle... Das müsste Herausforderung für eine Mosaik- in Thüringen in den vergangenen Jah- man weiterentwickeln.« 7 Linke gehört auch die Abkehr nahezu ren – eine intensive und normale Zu- In seiner neuen Funktion als Bre- der Hälfte der jeweiligen Bevölkerung sammenarbeit innerhalb und außer- mer Bürgermeister wird sich zeigen, ob von der Teilnahme an den politischen halb des Parlaments von SPD, Grünen, es zu entsprechenden »Zusammenar- Willensbildungsprozessen auf kom- Linkspartei, Gewerkschaften und So- beitsübungen« der rot-grünen Regie- munaler wie nationaler Ebene. »Hin- zial- oder Umweltverbänden. Es muss rung mit der LINKEN kommen wird. ter der zunehmenden Ungleichheit der deutlich werden, dass eine Zusammen- Die Fraktionsvorsitzende der LINKEN Wahlbeteiligung verbirgt sich eine so- in der bremischen Bürgerschaft, Kris-

34 Sozialismus extra | Juni 2015 www.sozialismus.de tina Vogt, hat Bereitschaft für einen Vorsitzende der Linkspartei in Thürin- zial- oder Umweltverbänden. Es muss mögliches Zusammenarbeitsprojekt si- gen den eingeschlagenen politischen deutlich werden, dass eine Zusammen- gnalisiert: »Ich erwarte, dass Carsten Weg damit, dass darin DIE LINKE arbeit Erfolge gegen einen konserva- Sieling die Wahlaussage der SPD ernst »›als Ort der gemeinsamen Praxis tiven und neoliberalen Mainstream ha- nimmt, und eine Koalition mit den funktioniert, in der sich Erfahrungen ben kann, um die neoliberale Phase Grünen sucht. Und ich erwarte, dass neu zusammensetzen und gesellschaft- des Kapitalismus ihrem Ende näher zu die SPD Konsequenzen aus dem Wahl- lich etwas bewegen können‹, wie Raul bringen. Es gilt, jene Themen zuerst in debakel zieht und nicht mehr nur über Zelik schrieb«.12 den Blick zu nehmen, in denen es po- soziale Gerechtigkeit und Bildungs- Um strategische Überlegungen geht litische Gemeinsamkeiten z.B. für ein gerechtigkeit redet, sondern auch ein es auch in den Beiträgen zu den »April- anderes Verteilungsregime gibt. Da- konkretes Programm zur Armutsbe- thesen«. Letztere fordern die LINKE für müssen eine Debatte und entspre- kämpfung auflegt, was insbesondere dazu auf, ihren bündnispolitischen chende Initiativen organisiert werden, die Fragen von frühkindlicher Bildung, »Willen nach außen erkennbar zu sie müssen sich entwickeln, sie brau- Bildung, Ausbildung und Qualifika- kommunizieren und nach innen ihre chen Anstöße aus Gewerkschaften und tion aufgreift... Und ich erwarte, dass politische Arbeit darauf auszurichten«. sozialen Bewegungen als soziale Re- er auf uns zugeht und sich erklärt, was In dieser Strategiediskussion sollte die formtreiber. Die Diskussion erst kurz er denn nun eigentlich vorhat.«8 Ange- Deutungskompetenz für die Gesamt- vor den nächsten Bundestagswahlen zu sichts der Tatsache, dass sich im Stadt- partei durch die argumentative Bezug- führen, wäre zu spät. Für eine andere staat Bremen vor allem die unteren nahme auf innerparteiliche Gegenposi- Politik auf Bundesebene braucht es Schichten durch Wahlabstinenz aus tionen noch erhöht werden. eine »hegemoniefähige Politikagenda dem politischen Willensbildungs- und Es sei daran erinnert: In der Ge- und eine Durchsetzungsstrategie« – Gestaltungsprozess verabschiedet ha- schichte der Linken stehen Lenins verbunden mit konkreten Reform- und ben, ist die Herausforderung groß, ge- »Aprilthesen« von 1917 für einen in- Transformationsvorhaben. Die Redak- meinsame Lösungen für einen Poli- nerparteilich nicht breit ausdiskutier- tion der Zeitschrift Sozialismus sieht tikwechsel zu finden. Carsten Sieling ten radikalen Kurswechsel politischer in dieser Extraausgabe einen weiteren bestätigt dies: »Aber der größte Teil Beschleunigung – Lenins linksradika- Beitrag zu einem solchen Projekt. der Halbierung unserer Wählerschaft ler »Tigersprung« über die bürgerlich- seit 1998 von 20 auf heute 11 Millionen parlamentarische Demokratie hinaus ist ja nicht an die LINKE oder die Grü- –, der nicht lange trug und sich schon 2 Armin Schäfer/Robert Vehrkamp/Jérémie nen gegangen, sondern zu den Nicht- nach kurzer Zeit bitter rächen sollte. Ferlix Gagné: Prekäre Wahlen. Milieus und wählern. Darum müssen wir bei der Für die kapitalismustheoretische Er- soziale Selektivität der Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl 2013. Gütersloh 2013. sozialen Sicherheit und an der Ein- dung der laufenden Transformations- 3 Siehe hierzu Joachim Bischoff/Bernhard kommensfrage arbeiten.«9 und Strategiediskussion innerhalb der Müller: Die linke Alternative in Bremen, in: SozialismusAktuell vom 15.5.2015. LINKEN sollten aus unserer Sicht da- 4 Susanne Hennig-Wellsow: Anders regie- 4. her alle Beteiligten bedenken: »Wenn ren. Erste Erfahrungen der rot-rot-grünen Landesregierung in Thüringen, in: Sozialis- Die von den »Aprilthesen« angesto- wir nicht in der Gesellschaft, wie sie mus 2-2015, S. 8ff. ßene Debatte kann diese Suche nach ist, die materiellen Produktionsbedin- 5 Jürgen Trittin, Die Koalition der Transfor- Zusammenarbeitsprojekten beför- gungen und ihnen entsprechende Ver- mation und was ihr im Wege steht, in: Blät- ter für deutsche und internationale Politik dern. Wichtig ist, dass die Linkspar- kehrsverhältnisse für eine klassenlose 10/2014, S. 53-63. tei ihre »Sprachlosigkeit« überwin- Gesellschaft verhüllt vorfänden, wä- 6 Bislang stellvertretender finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Spre- det und die Widersprüche zwischen ren alle Sprengversuche Donquichote- cher der Parlamentarischen Linken und einer den Strömungen in weiteren Debat- rie.«13 der drei Initiatoren der Magdeburger Platt- ten und ohne gravierende innerpartei- »Eine Kapitalismuskritik auf der form, einer Initiative zur Neu-Organisation der SPD-Linken. liche Verwerfungen bewegt. Das wird Höhe der Zeit kann Ausgangspunkt 7 »Schwarze Null« oder öffentliche Wachs- nicht ohne inhaltlichen Streit um eine für fundamentalistische Systemkritik tumsimpulse? Carsten Sieling und Axel Troost über rot-rot-grüne Verständigungspotenziale, moderne sozialistische Transforma- wie für reformistische Teilkorrekturen in: Sozialismus 2-2015, S. 2ff. tionsstrategie gehen. Um diese bünd- sein, kann in transformatorischer oder 8 Zitiert nach Radio Bremen: www.radio- nispolitischen Herausforderungen gibt korrektiver Absicht formuliert wer- bremen.de/politik/nachrichten/nachfolge-bo- ehrnsen104.html es innerparteiliche Richtungsausein- den – und kann beide Ambitionen ver- 9 Schwarze Null« oder öffentliche Wachs- andersetzungen, die zum Beispiel der binden. In diesem Sinne könnte eine tumsimpulse? a.a.O., S. 6. 10 Siehe junge welt vom 18.3.2015. seit kurzem konstituierte »Liebknecht- zeitgemäße Kapitalismuskritik als po- 11 Raul Zelik: Emanzipation und Reformpo- Kreis Sachsen« für einen »Streit um litischer Kitt einer Mosaik-Linken wir- litik. Was könnte sich ändern unter Rot-Rot- Grün? In: vom 1.6.2014 zwei Linien der Politik hält, die nicht ken, die sich eine grundlegende Ver- 12 Susanne Hennig-Wellsow: Erste Ernte, miteinander vereinbar sind«.10 In der änderung der Verhältnisse auf die offene Felder. 100 Tage Rot-Rot-Grün in Thü- Kritik wird sich auf die folgende These Agenda setzt – wo immer diese enden ringen, in: neues deutschland vom 16.3.2015. 13 Karl Marx: Grundrisse der Kritik der po- 14 von Raul Zelik bezogen: »Die Vorstel- mag.« litischen Ökonomie, in: Marx-Engels-Werke lung, dass (Mitte-)Linksregierungen Wir könnten weiterkommen in der (MEW), Bd. 42, Berlin, S. 93. 14 Hans-Jürgen Urban: Stillstand in Merkel- notwendig oder auch nur im Regelfall Zusammenarbeit innerhalb und außer- land: Wo bleibt die Mosaik-Linke? In: Blätter progressive Politik nach sich ziehen, ist halb des Parlaments von SPD, Grünen, für deutsche und internationale Politik, Heft falsch.«11 Andererseits begründet die Linkspartei, Gewerkschaften und So- 7/2014, S. 82. www.sozialismus.de Sozialismus extra | Juni 2015 35 Probelesen SozialismusHeft 6-2015 | 42. Jahrgang | EUR 7,00 | C 12232 E SozialismusHeft 5-2015 | 42. Jahrgang | EUR 7,00 | C 12232 E SozialismusHeft 4-2015 | 42. Jahrgang | EUR 7,00 | C 12232 E www.Sozialismus.de www.Sozialismus.de www.Sozialismus.de

Susanne Hennig-Wellsow: J. Bischoff/B. Radke: Richard Detje/Otto König: Supplement: Heinz J. Bontrup: Wirt- Harald Wolf: Kampffeld Günter Busch: ver.di- R. Detje/O. König: Verant- Elmar Alvater: Bernd Riexinger: Thorsten Schulten: Löhne Michael Brie: Naomi Kleins Was heißt linker Haushalt? Tsipras »rote Linien« Streikrepublik Deutschland? Industrie der Zukunft? schaftskrise nicht beendet Europa & die Linke Tarifabschluss im öffent- wortung für Flüchtlinge Klassenkampf von oben Zur Strategie der LINKEN und Wettbewerbsfähigkeit »Kapitalismus vs. Klima« lichen Dienst der Länder H. Flassbeck – T. Schulten: Thomas Lakies: Mindeslohn Kontroverse über den Lohn – Viel Lärm um nichts? Forum Forum Forum Gewerkschaften Gewerkschaften Gewerkschaften

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