30. Juni 2021 Dr. Ludwig Wilhelm Hoegner und die Bayerische Verfassung: Mittwochsgespräch Hoegner Aus der Vergangenheit lernen - für die Zukunft handeln Dies war seit dem 26.2.2020 die erste Präsenzveranstaltung der Mittwochsgespräche, zu der etwa 18 Personen erschienen sind. Der Referent war Herr Dr. Ludwig Hoegner, der Urenkel von Dr.Wilhelm Hoegner, der als Vater der Bayerischen Verfassung angesehen wird. Dazu zeigte Herr Ludwig Hoegner Bilder und las Passagen aus einem der vielen Bücher von Wilhelm Hoegner vor. Herr Ludwig Hoegner beginnt seinen Vortrag über das Leben von Herrn Wilhelm Hoegner, das als siebtes von 13 Kindern mit der Geburt in München am 23.9.1887 begann und am 5.3.1980 endete. Die Eltern sind über verschiedene Stationen nach Altötting umgezogen. Weil Wilhelm in der Grund- schule sehr gute Noten hatte, bekam er einen Freiplatz am königlichen Seminar in Burghausen. Sein Abitur schrieb er 1907 aber am Ludwigs-Gymnasium in München. Danach schrieb er an Georg von Vollmer, dem ersten Vorsitzenden der SPD, dass er sich politisch engagieren und in die SPD eintreten wollte. Der antwortete ihm aber, dass er erst einen ordentlichen Beruf ergreifen sollte. Hoegner studierte Jura in , München und und legte 1911 eine Promotion ab. 1918 wurde er als Rechtsanwalt in München zugelassen und war dann als Amtsrichter an der Staatsanwaltschaft München I tätig. 1919 trat er in die damalige Mehrheits-SPD (MSPD) ein. 1930 wurde er in den Reichstag gewählt. Aufgrund seiner Reden gegen den Nationalsozialismus und der von ihm verfassten Broschüren wurde er am 1. Mai 1933 aus dem Staatsdienst entlassen. Aufgrund der zu erwartenden Gefahr aufgrund mehrfacher Durchsuchungen seiner Wohnung in der Tengstrasse emigrierte Hoegner am 11.7.1933 nach Österreich. Ein Bergführer brachte ihn über einen kritischen Weg über das Karwendel. Ein gutes halbes Jahr später (27.2.1934) konnte er trotz Einreiseschwierig- keiten (Finanzen) in die Schweiz emigrieren. Am 6.6.1945 kehrt er nach Deutschland zurück. Dort war Fritz Schäffer erster Bayerischer Ministerpräsident. Nach dessen Sturz durch die amerikanische Besatzungsbehörde wurde Hoegner am 28.9.1945 als Nachfolger bestimmt. Die Ernennung erfolgt in der Holbeinstrasse mit knappen Worten: “Hier ist der Brief dazu”. Eines seiner ersten zu lösenden Probleme waren die vielen Flüchtlinge. Weiter befasste er sich mit der Planung einer bayerischen Verfassung. Auch das Parteiprogramm der SPD lag in seinen Händen und bestand aus sieben richtungsweisenden Punkten, die auf einer Seite zusammengefasst wurden. Als Jurist musste Hoegner bei den Nürnberger Prozessen als Deutscher Zeuge bei Hinrichtungen anwesend sein. Am 1. Dezember 1946 fanden erste Landtagswahlen statt. (CSU) bildete ein Kabinett zusammen mit der SPD und der Wirtschaftlichen Aufbau Vereinigung (WAV). In diesem Kabinett erfolgte die Annahme der Bayerischen Verfassung. Hoegner wurde Justizminister. Gleichzeitig wurde er an der Ludwig-Maximilans-Universität Honorarprofessor für Verfassungsrecht. Gegen Hoegners Stimme kündigte die SPD 1947 die Koalition mit der CSU auf. Bei der Landtagswahl 1950 verlor die CSU ihre absolute Mehrheit und Ehard bildete eine Große Koalition mit der SPD. Hoegner wurde Innenminister. In dieser Zeit wurden wichtige Entscheidungen getroffen, u.a. der Bau des Sylvenstein Speichers oder auch ein Programm für den staatlich geförderten Wohnungsbau. Vom Innenminister wurde Hoegner zum Ministerpräsident. Bei den Landtagswahlen 1954 bildeten die SPD, die Bayernpartei, der Bund der Heimatvertriebenen (BHE) und die FDP eine Viererkoalition, die allerdings an der Spielbankaffaire 1957 zerbrach. In dieser Zeit legten Hoegner zusammen mit Bundes-Atomminister den Grundstein für den Garchinger Forschungsreaktor (“Atomei”). Wilhelm Hoegner blieb bis 1970 in . Herr Ludwig Hoegner ging dann auf verschiedene Artikel der Bayerischen Verfassung ein, die von Wilhelm Hoegner während seines Exils in der Schweiz erarbeitet wurden und die auch in der heutigen Verfassung des Freistaates Bayern noch zu finden sind. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass es Herr Wilhelm Hoegner als SPD Mitglied verstanden hatte, respektvoll mit Personen unterschiedlicher Parteizugehörigkeit umzugehen und konstruktiv Lösungen zu erarbeiten, die in erster Linie anstehenden Problemen dienten und nicht der Farbe der Partei. Das wäre auch für heute ein sehr wichtiger Aspekt und damit schließt sich der Kreis aus der Überschrift des Vortrages: “Für die Zukunft handeln”. Wir möchten uns herzlich bei Herrn Ludwig Hoegner für seinen exzellenten Vortrag über das Leben seines Urgroßvaters bedanken. Quelle: Der schwierige Außenseiter, Isar Verlag, München 1959 Dr. Florian Kolb