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Herausgegeben von der

GESELLSCHAFT FÜR POMMERSCHE GESCHICHTE ALTERTUMSKUNDE UND KUNST e. V.

zugleich Mitteilungsorgan der

HISTORISCHEN KOMMISSION FÜR POMMERN

und der

ARBEITSGEMEINSCHAFT FÜR POMMERSCHE KIRCHENGESCHICHTE e. V.

Neue Folge • Band 103 • 2017 Band 149 der Gesamtreihe

Kiel 2018 INHALT

In memoriam Jürgen Petersohn (1935–2017) Holger Berwinkel...... 7

Birgit Dahlenburg (1959–2017) Haik Thomas Porada, Rita Kerstin Sauer und Caroline Weihrauch...... 15

Diplomarchivar Joachim Wächter (1926–2017)...... 23

Brücken am Fluss – Abriss über die Geschichte der Anklamer Brücken Steffen Orgas...... 25

In diesem zinnern Sarcke: Die Sarkophage der Herzoginnen und Herzöge von Pommern in der Wolgaster St.-Petri-Kirche Christine Magin, Jens Pickenhan...... 57

Die »Schwedische Invasion« in Hinterpommern im Frühjahr 1675 unter besonderer Berücksichtigung der Stadt Stolp und die Dörfer »drumbherum« Hermann Seils...... 83

Die erste preußische Seeschlacht auf dem Stettiner Haff im Jahre 1759 Ulrich van der Heyden...... 105

Karl Friedrich Schinkels Entwurf für ein »Thorschreiberhaus« in Stettin Eva Börsch-Supan...... 137

Die Gründung der Bibelgesellschaft für Pommern und Rügen 1816 Johann Peter Wurm...... 151

Anwalt der künstlerischen Moderne – der Stettiner Museumsdirektor Walter Riezler Christian Tilitzki...... 159

Übersicht zu den Rezensionen...... 183

Rezensionen...... 187 Jahresberichte...... 243

Anschriften der Mitarbeiter...... 264

Bildnachweis...... 265 Übersicht zu den Rezensionen

Christi Ehr vnd gemeinen Nutzen Willig zu fodern vnd zu schutzen. Beiträge zur Kirchen-, Kunst und Landesgeschichte Pommerns und des Ostseeraums. Fest- schrift für Norbert Buske, hgg. v. Michael Lissok und Haik Th omas Porada, Schwerin 2014 [Bengt Büttner] ...... 187

ene vruntlike tohopesate. Beiträge zur Geschichte Pommerns, des Ostseeraums und der Hanse. Festschrift für Horst Wernicke zum 65. Geburtstag, hgg. v. Son ja Birli, Nils Jörn, Christian Peplow, Haik Th omas Porada und Dirk Schlei- nert, Hamburg 2016 [Anett Müller] ...... 189

Sigrid Hirbodian, Christian Jörg, Sabine Klapp (Hgg.), Methoden und Wege der Landesgeschichte, Ostfi ldern 2015 [Dirk Schleinert] ...... 190

Mike Hartmann (Hg.), Grenzregion zwischen Pommern und Mecklenburg. Vor- träge 2013–2014, Schwerin 2016 [Dirk Schleinert] ...... 192

Der Kreis Greifenhagen in heimatlichen Schrifttum. Eine Literaturübersicht, zu- sammengestellt v. Franz Waldmann und Herbert Kämper, 3. akt. Aufl ., Senden 2017 [Dirk Schleinert] ...... 192

Th omas Förster, Schiff swracks. Auf Spurensuche vor Rügen und Hiddensee, Ro- stock 2016 [Christian Peplow] ...... 193

Klaus-Dieter Kreplin, Mahlen und Sägen – Mahlmühlen, Müller und Sägemüh- len im ehemaligen Kreis Bütow in Pommern. Eine Dokumentation, Herdecke 2015 [Haik Th omas Porada] ...... 196

Klaus-Dieter Kreplin, Jedzenie picie spanie. Karczmy i gospody w dawnym po- wiecie bytowskim do 1945 roku, Pruszcz Gdański/Bytów/Herdecke 2016 [Haik Th omas Porada] ...... 196

Klaus-Dieter Kreplin, Hegen und Jagen – Forsten, Förster und Jäger im ehema- ligen Kreis Bütow in Pommern. Eine Dokumentation, Herdecke 2017 [Haik Th omas Porada] ...... 196

Jochen Bepler und Ulrike Volkhardt (Hgg.), Bibliotheken bauen. Die Barther Kir- chenbibliothek im Kontext. 1. Barther Bibliotheksgespräch und Wiedereröff - nung am 19./20. April 2013. Separatum aus: Jahrbuch kirchliches Buch- und Bibliothekswesen NF 2, 2014 [Britta-Juliane Kruse] ...... 197

Christian Heitzmann und Falk Eisermann (Hgg.), Einblicke. Bücher aus der Barther Kirchenbibliothek im Fokus. 2. Barther Bibliotheksgespräch am 1. Mai 2015, Rostock 2016 [Britta-Juliane Kruse]...... 197

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Jürgen Petersohn, Die Kamminer Bischöfe des Mittelalters. Amtsbiographien und Bistumsstrukturen vom 12. bis 16. Jahrhundert, Schwerin 2015 [Bengt Büttner] .....200

Wassermühlen und Wassernutzung im mittelalterlichen Ostmitteleuropa, hgg. von Martina Maříková und Christian Zschieschang, Stuttgart 2015 [Haik Th omas Porada] ...... 201

Jens E. Olesen, Erich von Pommern und Christopher von Bayern – Studien zur Kalmarer Union Greifswald 2016 [Dirk Schleinert] ...... 202

Lisaweta von Zitzewitz, Pomorze Wschodnie za czasów panowania Gryfi ów – Ost- pommern zur Zeit der Greifenherrschaft (Zeszyty Kulickie – Külzer Hefte 12) [Haik Th omas Porada] ...... 203

Sonja Birli (Bearb.), Horst Wernicke (Hg.), Das Hafenbuch von Treptow an der Rega 1536–1569, Köln-Weimar-Wien 2017 [Nils Jörn]...... 204

Jörg Zapnik (Bearb.), Repertorium der Policeyordnungen der pommerschen Städte bis zur Reichsgründung 1871, Köln-Weimar-Wien 2016 [Dirk Schleinert] ...... 206

Beate Bugenhagen, Die Musikgeschichte Stralsunds im 16. und 17. Jahrhundert, Köln-Weimar-Wien 2015 [Walter Baumgartner] ...... 207

Andrea Voß, Reisen erzählen. Erzählrhetorik, Intertextualität und Gebrauchsfunk- tionen des adligen Bildungsreiseberichts in der Frühen Neuzeit, Heidelberg 2016 [Monika Schneikart] ...... 209

Hania Siebenpfeiff er (Hg.), Überschreibungen / Überschreitungen. Zum literari- schen Werk von Sibylla Schwarz (1621–1631) (Daphnis, Bd. 44), Leiden, Boston 2016 [Walter Baumgartner] ...... 212

Walter Baumgartner (Hg.) Keusche Liebes-Brunst. Barocke Hochzeitsgedichte in Pommern 1599 bis1790. Eine Anthologie, Greifswald 2016 [Cornelia Niekus Moore] ...... 216

Felix Schönrock, Greifswalder Bürgerhäuser in der Schwedenzeit. Wandel und Kontinuität, Schwerin 2015 [Nils Jörn] ...... 217

Christfried Böttrich, Th omas K. Kuhn, Daniel Stein Kokin (Hgg.), Die Greifs- walder Lehrsynagoge Johann Friedrich Mayers. Ein Beispiel christlicher Rezep- tion des Judentums im 18. Jahrhundert Leipzig 2016 [Christoph Ehricht] ...... 219

Jürgen von Gerlach, von Gerlach. Lebensbilder einer Familie in sechs Jahrhun- derten, Insingen 2015 [Ludwig Biewer] ...... 221

Hans Herbert Krause, Stettin auf Weißem Gold. Veduten auf Porzellan des 18.und 19. Jahrhunderts (Stettiner Heft Nr. 20), Lübeck 2017 [Hermann Manzke] ...... 224

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Linda Olofsson, Reise durch Schweden im Jahre 1804 von Ernst Moritz Arndt. Eine Reisebeschreibung in ihrem kulturgeschichtlichen Kontext. Frankfurt am Main–Weimar–London–New York 2015 [Frank Pöllnitz] ...... 226

Heinrich Friedrich. Reise durch Deutschland 1835, hg. v. Hermann Zschoche. Hu- sum 2016 [Nils Jörn] ...... 228

Geschichtswissenschaft in Greifswald. Festschrift zum 150jährigen Bestehen des Historischen Instituts der Universität Greifswald, hgg. v. Niels Hegewisch, Karl- Heinz Spieß und Th omas Stamm-Kuhlmann, Stuttgart 2015 [Ludwig Biewer] ...... 229

Michael Czolkoß, Studien zur Geschichte der Geschichtswissenschaft. Die Univer- sität Greifswald in der preußischen Hochschullandschaft (1830–1865), Marburg an der Lahn 2015 [Ludwig Biewer] ...... 229

Familie Wisniewski aus Stolp. Biographische Skizzen. Rodzina Wisniewski ze Sɫupska. Szkice biografi czne, hg. v. Lisaweta von Zitzewitz, (Külzer Hefte. Zes- zyty Kulickie, Nr. 10) [Ludwig Biewer] ...... 233

Manfed Wilde, Hans Seehase (Hgg.), Unter neuer Herrschaft. Konsequenzen des Wiener Kongresses 1815, Leipzig 2016 [Dirk Schleinert] ...... 236

Gerd-Helge Vogel / Gerd Albrecht (Hgg.), Vom Pommerschen Krummstiel nach Sanssouci. Ferdinand Jühlke (1815–1893). Ein Leben für den Garten(bau), Kiel 2016 [Michael Lissok] ...... 236

Manfred Höft, Der Vulcan in Stettin und Hamburg. Schiff swerft – Lokomotiv- fabrik – Maschinenfabrik 1851–1929. Band II: 1905–1929 Der Handelsschiff - und Maschinenbau, Bremen 2015 [Haik Th omas Porada] ...... 239

Kurt Bergunde, Bugenhagenschule – Staatliche Aufbauschule zu Pölitz 1922–1946, Lilienthal 2017 [Haik Th omas Porada] ...... 240

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Christi Ehr vnd gemeinen Nutzen Willig zu telpommerschen Museums in Stolp (Słupsk) fodern vnd zu schutzen. Beiträge zur Kirchen-, (Anna Olga Brochocka). Zwei Beiträge berich- Kunst und Landesgeschichte Pommerns und ten von der Restaurierung kirchlicher Kunstob- des Ostseeraums. Festschrift für Norbert jekte, nämlich der Sarkophage in der Herzogsg- Buske, hgg. v. Michael Lissok und Haik Th o- ruft der St. Petrikirche in Wolgast (Wolfgang mas Porada, Bd. I – III (Beiträge zur Kirchen-, Hofmann) und der Epitaphien von Mitglie- Kunst- und Landesgeschichte Pommerns, dern der Familie von Dewitz in der Pfarrkir- Bd. 18). Schwerin – Th omas Helms Verlag che von Daber (Dobra) (Bodo von Dewitz). Sa- 2014. – 1054 S. mit zahlreichen Abb. krale Werke einzelner Künstler stehen im Zen- ISBN 978-3-940207-82-1 trum der Beiträge über den Stettiner Maler Au- gust Ludwig Most (Ewa Gwiazdowska), über Im Januar 2011 fand in Greifswald ein Festkol- die Ausmalung der Barther Marienkirche durch loquium zum 75. Geburtstag des Pfarrers, Ge- den Maler Carl Gottfried Pfannschmidt (Die- lehrten und Politikers Norbert Buske unter ter Pötschke) und über den in Pommern gebür- dem Titel »Beiträge zur Kirchen-, Kunst und tigen Maler und Bildhauer Heinrich Eugen von Landesgeschichte Pommerns und des Ostsee- Zitzewitz (Lisaweta von Zitzewitz). Die kirch- raums« statt. Er spiegelt nicht nur die Interes- liche Bauforschung und Architekturgeschich- senschwerpunkte des Jubilars als Kirchen- und te ist vertreten mit Beobachtungen zur Ver- Kunsthistoriker wider, sondern wurde auch für wendung von Feldstein und Backstein an mit- den Untertitel verwendet, als die Festvorträge, telalterlichen Kirchenbauten in Pommern und vielfach angereichert um weitere wissenschaftli- Brandenburg (Marek Ober), mit der Geschich- che Beiträge und Grußadressen, im Jahre 2014 te der denkmalpfl egerischen Maßnahmen an ei- in einer dreibändigen Festschrift im Druck er- nem der bedeutendsten pommerschen Kirchen- schienen. Darin sind nicht weniger als 44 the- gebäude, der Marienkirche in Stargard (Barbara matische Beiträge versammelt und vier Th e- Ochendowska-Grzelak), sowie mit einem Über- menkreisen zugeordnet worden. blick über die Kirchenrestaurierungen des Ar- In den Beiträgen zum größten Themenkreis chitekten Friedrich August Stüler in Hinter- »Archäologie, Denkmalpflege, Architektur- pommern (Jana Olschweski). Eine kirchenar- und Kunstgeschichte« geht es fast überall um chäologische Studie untersucht die Fundamen- kirchliche Kunst vom Mittelalter bis zur Ge- treste auf dem Klosterberg in Altentreptow und genwart. Die meisten Beiträge befassen sich zieht daraus Rückschlüsse auf die Verlegungs- mit kirchlichen Austattungsstücken, -ensembles geschichte des Klosters bis nach Verchen (Felix oder -sammlungen in ganz Pommern, wie mit Biermann). Abseits der kirchlichen Th ematik dem Fund einiger Taufsteinfragmente in Mel- stehen drei Beiträge zur Bau-, Nutzungs- und lenthin auf Usedom und ihrer Einordnung in Restaurierungsgeschichte von Schloss Grie- die Typologie der gotländischen Taufsteinpro- benow (Detlef Schnell) sowie zu frühneuzeit- duktion im Mittelalter (Arthur Behn), mit dem lichen Städteansichten, selbst wenn sich einer Bildprogramm eines verlorenen Barockaltars davon mit den Kirchendarstellungen auf den in der Demminer Barthlomaeikirche und sei- Veduten des 16. und 17. Jahrhunderts befasst ner theologischen Auslegung (Th omas Buske), (Gottfried Loeck). Der andere identifi ziert den mit den Entwürfen zur Gestaltung des Altar- isometrischen Stadtplan von Stralsund 1647 als raums in der Greifswalder Marienkirche, an de- ein Werk des Stralsunder Goldschmieds und nen sich zwischen 1822 und 1835 die erste Rie- Feldmessers Johannes Staude (Gunnar Möl- ge der romantischen Malerei und Architektur ler). Th ematisch außerhalb Pommerns angesie- in Preußen beteiligte (Micharl Lissok), oder mit delt ist nur ein umfangreicher Beitrag zur Her- den kirchlichen Sammlungsbeständen des Mit- leitung der sakralen Kulturlandschaft Lettlands

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aus Elementen der vorchristlichen und christ- benbürgen zum deutsch-ungarischen Nationa- lichen Traditionen des Landes (Ojārs Spārītis). litätenstreit am Ende des 19. Jahrhunderts ein Auch die Beiträge der zweiten Th emengruppe (Helmut Baier). zur Kirchen- und Landesgeschichte behandeln Überwiegend Themen außerhalb Pommerns vornehmlich Th emen der pommerschen Ge- behandelt dagegen die kleine Gruppe mit Bei- schichte, selbst wenn sie dabei bisweilen über trägen zur Reformationsgeschichte. Hier reicht benachbarte Regionen bis nach Lothringen das Spektrum von der Reformation auf Island oder Siebenbürgen ausgreifen. Meistens geht (Jens E. Olesen) über die dänische Außenpoli- es dabei um kirchliche oder weltliche Rechts- tik der Reformationszeit und über den Einfl uss, und Verwaltungsgeschichte. Die Th emen rei- den der pommersche Reformator Johannes Bu- chen von der mittelalterlichen Statutengesetz- genhagen darauf ausübte (Martin Schwarz Lau- gebung zur pfarrkirchlichen Vermögensverwal- sten), bis zum ungewöhnlich politischen Bild- tung in Norddeutschland (Peter Wiegand) bis programm einer frühneuzeitlichen Kirchenkan- zum Widerstand des vorpommerschen Kle- zel auf Gotland (Bengt Stolt) und zu Überle- rus gegen seine Inanspruchnahme durch die gungen über die Bild-Wort-Beziehung im schwedisch-pommersche Finanzverwaltung Luthertum am Beispiel zweier Pfarrkirchen in (Nils Jörn), von der Abwicklung der Patrimo- Estland (Krista Kodres). Eingestreut sind zwei nialgerichtsbarkeit in Preußen während des 19. Beiträge zur pommerschen Reformationsge- Jahrhunderts (Paweł Gut) bis zur Entwicklung schichte: Ein biografi scher stellt den Stettiner der preußischen Provinzialverwaltung und zu Reformator Petrus Artopoeus und dessen Ver- den Ansätzen zur Wiederbelebung dieser Tra- wicklung in den Osiandrischen Streit vor (Eck- dition durch die Gründung eines vorpommer- hard Wendt), und ein buchkundlicher betrach- schen Landschaftsverbands nach der Wende tet die Barther Bibel, ihre Herstellung, Ausstat- (Helmut Klaus). Zwei Beiträge sind einzelnen tung, Verbreitung und ihren ursprünglichen kirchlichen Institutionen in Pommern gewid- Verwendungszweck (Jürgen Geiß). met: Einer liefert einen Überblick über die Ge- Die Beiträge im letzten Themenkreis zur schichte des Klosters Marienfl ieß (Marianowo) »Kirchlichen Zeitgeschichte in persönlichen von der Gründung bis zu seiner Aufhebung als Erinnerungen« geben individuelle Erlebnisse, Damenstift 1945 (Wulf-Dietrich von Borcke). Erfahrungen und Einschätzungen wieder. Sie Der andere stellt die bekannte Aufteilung des stammen von Freunden und Weggefährten, Camminer Domkapitels unter Schweden und Kollegen und Ansprechpartnern des Jubilars Brandenburg nach dem Westfälischen Frieden aus Pfarramt und Kirchenleitung (Christoph 1648 seiner bislang unbekannten Wiederverei- Ehricht, Hans-Martin Harder), aus der pom- nigung unter brandenburgischer Hoheit 1698 merschen Vertriebenen- und Verbliebenenseel- gegenüber (Werner Buchholz). In den Bereich sorge (Rita Scheller), aus der kirchlichen Kul- der pommerschen Alltags- und Kulturgeschich- turarbeit und ihren Nachbargebieten wie der te gehören zwei Beiträge über einen Kirchstuhl- Denkmalpfl ege (Hans-R. Dräger, Angus Fow- streit in Görmin in der Zeit um 1600 (Dirk ler), der niederdeutschen Sprachpfl ege (Karl- Schleinert) sowie über einen Werwolfprozess Heinz Sadewasser), der Familienforschung (Ste- in Saal vor dem Hintergrund der dänischen fan Sienell) oder der Rechtsgeschichte (Heiner Verwaltung Vorpommerns nach 1715 (Joach- Lück), aus der ehemaligen staatlichen Kultur- im Krüger). Abgerundet wird die Th emengrup- verwaltung (Heinz Gundlach) oder auf einem pe durch zwei ausladende und reich illustrier- wiederbelebten Gutshof (Burghard Rübcke von te Skizzen zur Entwicklung des pommerschen Veltheim). Auch ohne streng wissenschaftlichen Wappens unter Herzog Bogislaw X. (Ralf-Gun- Charakter tragen sie viel zum Verständnis der nar Werlich) und zur wechselvollen Biographie historischen Bedingungen v. a. Vorpommerns des letzten Bischofs von Cammin und nachma- bei, unter denen der Gefeierte in zwei deut- ligen brandenburgischen Statthalters in Hin- schen Staaten gewirkt hat. terpommern, des Herzogs Ernst Bogislaw von Die 44 Beiträge werden ergänzt um eine Ein- Croy (Haik Th omas Porada). Eine Sonderstel- leitung der beiden Herausgeber, die den Jubi- lung ohne Verbindung nach Pommern neh- lar, seinen Werdegang und seine Verdienste in men die Tagebuchauszüge des Bischofs von Sie- Pfarramt, Wissenschaft, Kirchenleitung und

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Politik würdigt, den Aufbau der Festschrift er- ene vruntlike tohopesate. Beiträge zur Ge- läutert und ihren Th emenrahmen absteckt. An- schichte Pommerns, des Ostseeraums und der gesichts der Fülle von gebotenen Th emen ist Hanse. Festschrift für Horst Wernicke zum es nur zu begrüßen, dass ein Register (Sabine 65. Geburtstag, hgg. v. Sonja Birli, Nils Jörn, Bock) die große Zahl von Personen- und Orts- Christian Peplow, Haik Th omas Porada und namen erschließt und gleichzeitig die Funktion Dirk Schleinert (Schriftenreihe der David- einer Ortsnamenkonkordanz über die verschie- Mevius-Gesellschaft, Bd. 12), Hamburg – denen Sprachen des Ostseeraums hinweg er- Verlag Dr. Kovač 2016. 732 S., zahlr. s/w u. füllt. Das beigegebene Verzeichnis der Schriften farb. Abb. ISBN 978-3-8300-8799-1 von Norbert Buske umfasst mehr als 500 Ein- zeltitel zwischen 1960 und 2013 und reicht von Schüler, Kollegen, Freunde und Weggefährten Herausgeberschaften über selbständige Schrif- gratulierten Horst Wernicke mit diesem um- ten, Aufsätze und Zeitungsartikel, Reise- und fangreichen, inhaltlich vielgestaltigen und be- Literaturberichte, Sonntagsworte und Parabeln achtenswerten Band zu seinem 65. Geburtstag, bis zu politischen und parlamentarischen Re- würdigten seine Tätigkeit und seine Leistungen. den und Stellungnahmen. Die zur Illustration Wernicke hatte an der Greifswalder Universi- verwendeten Schwarzweiß- oder Farbabbildun- tät Geschichte und Geographie studiert, dort gen werden unabhängig von ihrem Format in promoviert und habilitiert, hatte seit 1992 den hoher Qualität wiedergegeben, allerdings sind Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte und die Bildunterschriften wie auch die Fußnoten Hansegeschichte inne, prägte maßgeblich die recht klein geraten. Die schlichte äußere Ge- Geschichtswissenschaft am Historischen Insti- stalt der drei Bände (Paperback, Leimbindung) tut der Universität mit und begleitete Gene- wird durch den gut verarbeiteten Schuber wie- rationen von Historikern in den Beruf. Ganz der aufgewogen. in seinem Sinne kamen sie zu einer freund- Die Festschrift bezeugt die thematische Band- schaftlichen Versammlung, ene vruntlike toho- breite und das wissenschaftliche Niveau der ak- pesate, zusammen, refl ektierten ihre persönli- tuellen Forschung zur pommerschen Landes-, chen Erinnerungen, den gemeinsamen Werde- Kirchen- und Kunstgeschichte und fügt sich gang, kollektive fachliche Interessen. Mit der nahtlos in die Reihe der breit aufgestellten Fest- Emeritierung Horst Wernickes 2017 wurde der gaben ein, mit denen die Gemeinde der pom- Lehrstuhl nicht wieder besetzt, er war der letz- merschen Landes-, Kirchen- und Kunsthistori- te Hansegeschichtsforscher in Greifswald, mit ker seit den Wendejahren ihre wichtigsten Ide- seinem Eintritt in den Ruhestand erfolgte die engeber und Aushängeschilder auszeichnet, wie Abwicklung der institutionalisierten Hansege- Roderich Schmidt (1995)1, Eginhard Wegner schichtsforschung, was mehr als bedauerlich ist (1998)2, Jens E. Olesen (2010, 2015)3 oder erst und den Abbruch einer langen Tradition be- jüngst Horst Wernicke (2016).4 Wer sich einen deutet. Überblick über die pommersche Landes-, Kir- Die 46 Autorinnen und Autoren, nicht nur Hi- chen- und Kunstgeschichtsschreibung und ih- storiker, sondern auch Archäologen, Archivare, ren Leistungsstand ein Vierteljahrhundert nach Denkmalpfl eger, Geographen, Museologen und der Wende verschaff en möchte, wird mit Ge- Sprachwissenschaftler, kommen aus Dänemark, winn zu diesen drei Bänden greifen. Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rußland, Schweden und ganz Deutschland. Alle Beiträ- Bengt Büttner, Marburg ge vorzustellen, ist hier nicht möglich. Entspre- chend des Forschungsschwerpunktes des Ju- bilars überwiegen die Beiträge zur Hansege- 1 Rezensiert von Rudolf Benl in den Baltischen Stu- schichte. So geht Hans-Joachim Hacker Hanse- dien, NF 82 (1996), S. 151–156. spuren in Stralsund nach, Robert Oldach weist 2 Rezensiert von Matthias Manke in den Baltischen auf den besonderen Charakter Demmins als Studien, NF 85 (1999), S. 128–131. Hansestadt hin, Heiko Wartenberg widmet sich 3 Festschrift 2015 rezensiert von Dirk Schleinert in den Baltischen Studien, NF 102 (2016), S. 216–217. der Hanse in Pommern als Gegenstand der mu- 4 Rezensiert von Anett Müller in diesem Band, S. sealen Darstellung, Detlef Kattinger beleuchtet 189f. die Darstellung der Hanse im Geschichtsunter-

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richt. Einige Aufsätze stellen einzelne Personen ge vor der Küste Rügens, von Gunnar Möller oder Funktionsträger in den Mittelpunkt der zu den mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Forschung. Heidelore Böcker hat ihren Aufsatz Wangensteinen in Stralsund, von Felix Schön- mit »›Nachreden‹ auf eine pommersche Amts- rock zum Wohn- und Amtshaus des Greifswal- person des 16. Jahrhunderts« überschrieben und der Stadtphysikus, von Dirk Schleinert zu ei- betrachtet das Tagebuch des Stralsunder Advo- nem Konfl ikt der Stadt Stralsund mit der ad- katen, Syndikus und Bürgermeisters Nicolaus ligen Familie Barnekow 1453, ja und der sehr Gentzkow (1502–1576) näher, stellt es in den unterhaltsame Beitrag von Karl Peplow, der auf Bezug zu anderen überlieferten Selbstdarstel- plattdeutsch über die Geschichte und Bedeu- lungen. Antjekathrin Graßmann lässt den Le- tung der Insel Ummanz philosophiert. ser an der aufopfernden Tätigkeit des Lübek- Nils Jörn, der neue Möglichkeiten für die Han- ker Syndikus Johann Pomeresche teilhaben, der segeschichtsforschung im Stadtarchiv Wismar von 1652–1678 in Greifswald als Professor an aufzeichnet, umschreibt es treff end: Die Fest- der Universität gewirkt hatte und nun die Tra- schrift ist ein bunter Blumenstrauß, der den Ju- vestadt in den Prozessen an den Reichsgerich- bilar über seinen Geburtstag hinaus begleiten ten vertrat. Tomasz Ślepowroński widmet seinen wird, die Blumen im Garten benötigen jedoch Beitrag zwei Kennern der pommerschen Lan- Pfl ege, damit man sich immer wieder an ihrer desgeschichte in der VR Polen und der DDR, Pracht erfreuen kann und somit gibt es noch Henry Lesiński und Johannes Schildhauer. viel zu tun, wozu er nicht nur Horst Wernik- Joachim Krüger lässt den Leser am Schicksal ke aufruft. der Stettiner Münzmeisterswitwe Helena Fer- Den Beiträgen vorangestellt sind eine Liste der ber teilhaben. Michael Lissok beschreibt und Gratulanten, die Laudationes der Herausgeber charakterisiert das Denkmal des Bürgermeisters sowie ein Schriftenverzeichnis des Jubilars. Die Lambert Steinwich in Stralsund als ein Zeugnis Publikation schließt mit einem Abkürzungsver- der »›Erinnerungskultur‹, die während des Kai- zeichnis, einer Ortsnamenkonkordanz und ei- serreiches in kommunalen bürgerlichen Milieus nem Autorenverzeichnis. fest verankert war und aus der Lokalgeschichte ihre Inhalte und Th emen bezog.« (S. 328) Anett Müller, Leipzig Hervorgehoben werden müssen die Beiträge, die sich mit der Universitätsgeschichte beschäf- tigen. Ulrich Drechsel gibt einen kurzen Abriss der Geschichte der Polonistik an der Universi- Sigrid Hirbodian, Christian Jörg, Sabine Klapp tät Greifswald, Konrad Billwitz stellt die Akti- (Hgg.), Methoden und Wege der Landes- vitäten und Forschungsprojekte des Lehrstuhls geschichte (Landesgeschichte, Bd. 1), Ost- für Geoökologie von 1981 bis 2003 vor. Manf- fi ldern – Jan Th orbecke Verlag 2015. 224 S. red Menger arbeitet sehr diff erenziert und aus- ISBN 978-3-7995-1380-7 gewogen die Geschichte des Historischen In- stituts der Universität Greifswald von 1949 bis Der hier zu rezensierende Band vereint die mei- 1962 auf. sten der auf einer Tagung im Juni 2013 in Tü- Dass was den Band lesenswert macht, sind die bingen gehaltenen Vorträge und eröff net zu- inhaltliche Bandbreite und die Vielgestalt der gleich eine durch die auf dem Mainzer Histo- Th emen, nicht nur regional, sondern darüber rikertag 2012 gegründete »AG Landesgeschich- hinaus, international verankert, der oftmals te« herausgegebene Publikationsreihe unter sehr persönliche Bezug zum Jubilar und ganz in dem schlichten Titel »Landesgeschichte«. Da- seinem Sinne das Aufzeigen neuer Forschungs- hinter steht das Bemühen einer jüngeren Ge- themen. neration von zumeist universitär beschäftigten Es seien noch genannt die Beiträge von Haik Landeshistorikern, den gegenwärtigen Stand Porada zum Gutsdorf Nehringen als Begeg- ihrer Teildisziplin zu verorten und Wege und nungsort von baltischer und schwedischer Ge- Methoden – wie im Titel des Buchs formuliert schichte, von Th omas Förster zu den Wrack- – für ihre künftige Arbeit aufzuzeigen. Es fällt funden aus der Zeit der Napoleonischen Krie- auf, dass fast ausschließlich Vertreter von Insti-

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tutionen aus den alten Ländern zu Wort kom- gleichsam Mythen schaff t, wie das anschaulich men. Das wirft schon ein bezeichnendes Licht von Winfried Speitkamp mit der Einleitung zu auf den Zustand der universitären Landesge- dem von Walter Heinemeyer 1986 herausgege- schichte in den neuen Ländern. Mecklenburg- benen Werk »Werden Hessens« demonstriert Vorpommern macht da leider keine Ausnnah- wird, wo mit dem angeblichen »Hessenlied« me. Die Professur für pommersche Geschich- aus dem 15. Jahrhundert ein sogenannter Er- te und Landeskunde in Greifswald ist mit der innerungsort geschaff en wird, der das heutige Erimitierung ihres ersten und einzigen Inhabers Hessen gleichsam vorwegnimmt. eingespart worden, eine Pendant zur mecklen- Das ruft einmal mehr ins Bewusstsein, dass Ge- burgischen Geschichte ist in Rostock nie ins schichte im Allgemeinen Erinnerungskultur ist, Leben gerufen, sondern nur »vertretungsweise« für die Landesgeschichte gilt das in noch viel wahrgenommen worden. Mit dem Eintritt von größerem Maß. Denn mit der Gewichtung von Ernst Münche in den Ruhestand dürfte auch Ereignissen zu Wendepunkten in der Geschich- dieses Engagement weitgehend zum Erliegen te eines Raumes werden Erzählungen von der kommen. Geschichte konstruiert. Das ist den Autoren Eine ganze Anzahl der Beiträge beschäftigt dieses Bandes bewusst. sich mit dem Verhältnis von politischen Räu- Neben den im Band dominierenden Beiträgen men bzw. Territorien und Kulturräumen. Die- zum Verhältnis von Raum und Geschichte bzw. ses Spannungsverhältnis besteht, seit sich die zu Erinnerungskultur gibt es aber noch weitere Beginn des 20. Jahrhunderts etablierte Histori- Th emen. Oliver Auge, als früherer Mitarbeiter sche Landeskunde in deutlicher Abkehr zur al- am Greifswalder Lehrstuhl für Allgemeine Ge- ten Territorialgeschichte mit der Erforschung schichte des Mittelalters und der Historischen von Kulturlandschaften beschäftigte, die nach Hilfswissenschaften sowie als Referent auf Ta- anderen Kriterien als den politischen Gren- gungen unserer Gesellschaft und Autor von zen formiert wurden. Prominentes Beispiel für Beiträgen in den »Baltischen Studien« nicht eine solche Kulturgroßlandschaft ist der Begriff ganz unbekannt, stellt die Bemühungen an der Mitteldeutschland in der wesentlichen Begren- Universität Kiel, seinem jetzigen Arbeitsort, zung der heutigen Bundesländer Sachsen, Th ü- vor, Studierende über zielgerichtete Projekt- ringen und Sachsen-Anhalt. Wie ambivalent es arbeit überhaupt erst für das Th ema Landes- aber in Bezug zu den politischen Grenzen wer- bzw. Regionalgeschichte zu interessieren. Denn den kann, zeigt sich, wenn man dieses Mittel- auch das ist eine wesentliche Herausforderung deutschland als eine Art »Großsachsen« unter für die heutige Landesgeschichte, wurde sie frü- der Führung der Dynastie der Wettiner ver- her ganz maßgeblich außerunversitär von Ver- steht, wie es von einigen, vorwiegend sächsi- einen wie die Gesellschaft für pommersche Ge- schen, Landeshistorikern getan wird. schichte, Altertumskunde und Kunst e. V. mit- Diese Ambivalenz zwischen politischen Territo- getragen, wofür v. a. auch die Geschichtslehrer rien und Kulturlandschaft scheint auch immer die Basis bildeten, leiden diese Vereine heute al- wieder auf. Michael Kißener z. B. beschreibt die lerorten an einer Überalterung, was maßgeb- methodischen Schwierigkeiten bei der Erarbei- lich durch das Desinteresse der Geschichte Stu- tung eines Handbuchs für Rheinland-Pfalz, das die renden an der Landesgeschichte verursacht bekanntlich ein Konglomerat von verschiede- wird. Dabei bietet gerade die Landesgeschichte nen politischen Einheiten des 19. und frühen die Möglichkeit der Verortung, der Konkretisie- 20. Jahrhunderts, noch viel mehr des Alten rung von historischen Prozessen. Hier sind die Reichs, darstellt. Die meisten anderen der nach Lehrstühle an den Universitäten gefordert, und 1945 gebildeten Länder stehen vor den selben die von Auge präsentierte Projektarbeit scheint Herausforderungen. Deutlich wird aber auch, dafür ein gangbarer Weg zu sein. dass sowohl politische Territorien wie auch Kul- Was bleibt als Resumee dieses Bandes? Die Lan- turlandschaften Konstrukte sind, und dass die desgeschichte, nicht nur die universitäre, steht Landesgeschichte nicht selten in die Verlegen- vor grundlegenden Herausforderungen. Lehr- heit kommt, zur Vorgeschichte der aktuell be- stühle werden gestrichen oder neu organisiert, stehenden Territorien zu mutieren und dabei die landesgeschichtlichen Vereine als Träger der

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außeruniversitären Landesgeschichte leiden an nalmanuskript befi ndet sich übrigens seit Som- Überalterung und Mitgliederschwund. Wenn mer 2017 im Stadtarchiv Stralsund. es nicht gelingt, die institutionellen Rahmen- Der vierte Beitrag schließlich stellt mit dem bedingungen zu sichern und möcglichst zu ver- gebürtigen Rostocker Hanning Schröder ei- bessern und das Interesse der jüngeren Genera- nen »Gerechten unter den Völkern«, vor und tion an der Landesgeschichte stärker als bisher stellt anhand von dessen Familienbiographie zu wecken, steht ihr eine schwierige Zukunft die Schrecken und Wirrnisse der deutschen bevor. Dass sie durchaus attraktive Angebote im Geschichte des 20. Jahrhunderts und ihre Aus- Gepäck hat, dafür liefert dieser Band einen Be- wirkungen auf das Leben der Einzelnen in aller weis. Deutlichkeit vor Augen. Alle Beiträge sind illustriert, z. T. auch farbig. Dirk Schleinert, Stralsund Trotz des geringen Umfangs erfuhr die Publi- kation eine sorgfältige verlegerische Betreuung, wofür der kleine Schweriner Th omas Helms Ver lag steht. Gut, dass es diese Reihe und das Mike Hartmann (Hg.), Grenzregion zwischen dahinter stehende Engagement des Demminer Pommern und Mecklenburg. Vorträge 2013– Museumsfördervereins gibt. 2014 (Schriften des Fördervereins Demminer Regionalmuseum e. V., H. 9), Schwerin – Dirk Schleinert, Stralsund Th omas Helms Verlag 2016. 55 S., s/w u. farb. Abb. ISBN 978-3-944033-11-2

Schon seit knapp 20 Jahren legt der Förderver- Der Kreis Greifenhagen in heimatlichen ein des Demminer Regionalmuseums in un- Schrifttum. Eine Literaturübersicht, zusam- regelmäßiger Folge die durch ihn organisier- mengestellt v. Franz Waldmann und Herbert ten Vorträge in seiner Publikationsreihe vor. Kämper, 3. akt. Aufl ., Senden (Selbstverlag) Das vorliegende kleine Heft bringt vier Vorträ- 2017. 58 S. ISBN 978-3-926577-82-5 ge der Jahre 2013 und 2014 zum Abdruck, da- von zwei des Herausgebers Mike Hartmann. Der hauptsächlich familien- und ortsgeschicht- Er bleibt mit seinen Themen dem von ihm lich ausgerichtete Schwesterverein der Gesell- schon seit vielen Jahren bearbeiteten Feld der schaft, der Pommersche Greif, entwickelt sich Vor- und Frühgeschichte des Altkreises Dem- immer mehr zu einer Institution, die maßgab- min treu. Zum einen behandelt er die Bezie- lich an der Bewahrung des historischen Erbes hungen Karls des Großen zum Peenegebiet, Pommerns und insbesondere Hinterpommerns speziell zu Demmin, zum anderen stellt die beteiligt ist. Die Herausgabe von Publikatio- Funde von der Ganschendorfer Mühle am Au- nen, die thematisch weit über den Bereich der graben vor. Robert Oldach reiht sich mit sei- Genealogie hinausreichen, gehört dazu. So- ner Vorstellung der »Kriegs-Chronik von Loitz« wohl Reprints, wie kürzlich die Beschreibung von Christian Gülzow in die zahlreichen Pu- des preußischen Herzogtums Pommern durch blikationen ein, die im 100. Jahr des Beginns Brüggemann und aktuell die Monatsblätter der des Ersten Weltkriegs biographische oder chro- Gesellschaft für pommersche Geschichte und nikalische Quellen zu eben diesem Th ema be- Altertumskunde, als auch eigene Forschungen handeln. Gerade ist auch ein erst zufällig wie- oder eben Kompendien wie das hier kurz an- der aufgetauchtes Tagebuch eines Stralsunder zuzeigende gehören dazu. Wer sich einen Über- Handwerkers, des letzten Gürtlermeisters Carl blick verschaff en möchte, sei auf die entspre- Klingenberg (1879–1954), übrigens auf Platt- chende Unterseite des Internetauftritts des deutsch geschrieben, von dem sehr engagier- Pommerschen Greifen hingewiesen: hhttps://ttps:// ten Familienforscher David Krüger bearbeitet wwww.pommerscher-greif.de/publikationen.ww.pommerscher-greif.de/publikationen. und herausgegeben worden (siehe hier: hhttp://ttp:// hhtmltml (Abruf am 04.10.2017). ggenealogie.digital/kriegstagebuch-carl-klingen-enealogie.digital/kriegstagebuch-carl-klingen- Der Rezensent hat über die Familie seines Stief- bberg-1914/erg-1914/ (Abruf am 02.10.2017)). Das Origi- vaters, die aus Langenhagen stammt, und seine

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in Bahn geborene Tante selbst einen familiären tur mit Kapitelnummerierung – geht es nach Bezug zum südöstlich von Stettin gelegenen einem Vorwort mit drei grundlegenden Ka- Kreis Greifenhagen. Durch ein gemeinsames piteln los. »Gestrandet, versunken, verschol- Projekt zwischen Stralsund und Greifenhagen len – Schiff bruch vor Rügen und Hiddensee« hat er seit 2016 auch dienstlich mit der ehema- (S. 9–13) liefert erste Erkenntnisse über die Be- ligen Kreisstadt an der Oder zu tun, die er im deutung der Seefahrt im Ostseeraum und ver- Mai 2016 dann auch nach vielen Jahren wie- knüpft diese mit einem kurzen historischen der besuchte. Einblick in die Seefahrtsgeschichte des unter- Das vorliegende kleine Heft ist die 3. Aufl age ei- suchten Seegebietes bis in die jüngste Zeit. Da- nes ursprünglich 1976 von Manfred Vollack er- bei wird vor allem die Bedeutung der Insel Rü- stellten Literaturverzeichnisses zum Kreis Grei- gen und ihre geographische und verkehrstech- fenhagen, das erstmals 2012 überarbeitet neu nische Lage in den Vordergrund gestellt. Die aufgelegt wurde. Dass fünf Jahre später nun erhaltenen Bootsfunde von Ralswiek aus dem schon die 3. Aufl age folgt, spricht für sich. Er- 10. Jahrhundert stehen dabei symbolisch für die fasst wurde nicht nur die deutsche, sondern zu dieser Zeit stärkere Einbeziehung des Ost- auch die polnische Literatur. Leider war es den seeraums in das sich entwickelnde europäische Bearbeitern nicht möglich, ihr ursprüngliches Handelsnetzwerk. Bereits an dieser Stelle zeigt Ziel, für jede Publikation auch einen Biblio- Th omas Förster sehr deutlich, wie anfällig die theksstandort anzugeben, umzusetzen. Dafür Seefahrt für Schiff shavarien war, in deren Er- haben sie am Schluss ein Verzeichnis mit rele- gebnis zahlreiche Wasserfahrzeuge strandeten vanten Institutionen und ihren Anschriften an- oder versanken. Verknüpft mit der Hansewer- gefügt. Hier könnte auch das Stadtarchiv Stral- dung wird ferner ein Fokus auf die entstehen- sund noch hinzugefügt werden, denn zumin- den Städte entlang der südwestlichen Ostsee- dest von der vor 1945 erschienenen Literatur hat küste gelegt. Hierzu zeigt der Autor, dass sich seine Bibliothek zahlreiche Titel im Bestand, die Hansestädte um Privilegien bemühten, die die inzwischen (seit Anfang 2017) auch online ihnen den Schutz schiff brüchiger Waren ge- recherchierbar sind: hhttp://recherche.stralsund.ttp://recherche.stralsund. währleisteten. Die erteilten Zugeständnisse dde/e/ (Abruf am 04.10.2017). z. B. von 1220 bzw. 1415 verdeutlichen, dass der Schiff bruch ein fester Bestandteil der Seeschiff - Dirk Schleinert, Stralsund fahrt war. Sehr gelungen sind die Einblicke in die Gründung der »Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiff brüchiger« (DGzRS) und ihre frühen Methoden zur Rettung Schiff brüchiger. Th omas Förster, Schiff swracks. Auf Spuren- Verknüpft wird das Ganze mit passendem und suche vor Rügen und Hiddensee, Rostock – sehr anschaulichem Bildmaterial. Im Übergang Hinstorff 2016. 144 S. mit zahlr. farbigen Abb. zum Folgekapitel erhält der Leser eine Über- ISBN 978-3-356-02061-8 sicht über die hohe Zahl an Wrackresten, die in den letzten Jahren vor den Küsten von Rü- Das jüngste Werk aus der Feder von Th omas gen und Hiddensee entdeckt und verzeichnet Förster nimmt uns mit auf eine Tauchfahrt zu wurden. Dabei wird die Bedeutung der Überre- den Meeresböden der Ostsee rund um Rügen ste von Schiff en und Booten als Sachzeugnisse und Hiddensee und gewährt so einen Zugang für die historische Analyse schlagartig klar. Zu- zu einer Welt unter Wasser, der Einblicke in recht weist Th omas Förster darauf hin, dass das zahlreiche historische Zeitkapseln bereithält Schiff swrack mitunter wie eine Momentauf- und der wie kleine Fenster einen Blick in die nahme fungiert, die Informationen »einfriert« Vergan genheit unter der Meeresoberfl äche frei- und dadurch den Augenblick des Unglücks für gibt. die Nachwelt festhält. Die Konservierung durch Nach einem etwas unruhigen und sehr ge- das Meer ist ein nicht zu überschätzender Vor- drängten Inhaltsverzeichnis – eine Einteilung in teil. Vor allem bei verunglückten Schiff en, bei Ober- und Unterkapitel ist zwar zu erkennen, denen die Crew sehr schnell das Wasserfahr- es fehlt m. E. aber eine übersichtliche Struk- zeug verlassen musste, ist ein geschlossener ma-

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ritimer Fundkomplex zu erwarten. So werden telalter durch den Handel der Hanse und de- selbst nach Jahrhunderten noch Einblicke in ren Wasserfahrzeuge stark frequentiert wurde, das Alltagsleben an Bord möglich. verwundert es nicht, dass auch die Spurensuche Das folgende Kapitel »Vorstoß in die Tiefe – nach den Schiff en der Hanse ein eigenes, wenn Von der Taucherglocke bis zur modernen Un- auch kurzes Kapitel erhält. Leider ist dieser Ab- terwasserarchäologie« (S. 14–19) präsentiert ei- schnitt nicht ganz frei von kleineren histori- nen sehr spannenden, wenn auch kurzen Ab- schen Ungenauigkeiten. Äußerst positiv anzu- riss der Geschichte der Unterwasserarchäolo- merken ist, dass Th omas Förster in diesem und gie, angefangen bei den ersten Tauchglocken einem der folgenden Kapitel (»Gescheitert zwi- des 17. Jahrhunderts bis hin zum Helmtauchge- schen Dornbusch und Gellen«) selbstkritisch rät und den modernen Tauchanzügen der Ge- mit einem von ihm erforschten und, wie sich genwart. Besonderes Augenmerk wird dabei auf in den letzten Jahren zeigte, fehlerhaft datier- die Tauchfahrten im Ostseebereich zur Zeit der ten Wrackfund vor Hiddensee, dem sog. »Gel- DDR gelegt. Ein kurzer Überblick über die Er- lenwrack« auseinandersetzt. Bei dieser selbstkri- forschung des Meeresbodens der Ostsee nach tischen Nabelschau wird sehr schnell deutlich, 1990 sowie die sich parallel dazu herausbilden- wo die praktischen und theoretischen Proble- den Vereine, Landesverbände, das Landesdenk- me und Grenzen beim Umgang mit histori- malamt mit einem Dezernat für Unterwasser- schen Schiff swracks liegen. Nicht immer lassen archäologie und das kurzzeitig existente Muse- sich alle Fundgegenstände eindeutig zuordnen. um für Unterwasserarchäologie in Sassnitz be- Mitunter kommt es zu einer Vermischung von schließen das zweite Kapitel. Das letzte der drei zwei Fundkomplexen, die Fehlinterpretationen Grundlagenkapitel setzt sich mit der »Spuren- möglich machen. Sowohl an dieser Stelle, wie suche in den Archiven und am Meeresgrund« auch in den folgenden Kapiteln lassen die Bei- (S. 20–27) auseinander. Th omas Förster macht spielfälle noch einmal klar erkennen, wie kom- deutlich, welche grundlegenden Vorarbeiten plex die Identifi kation bzw. genaue Zuordnung und Vorbereitungen bei Tauchprojekten dieser eines Schiff swracks ist. Selbst das unter Wasser Art notwendig sind. Dazu gehört eine gründ- liegende und damit konservierte Schiff swrack liche wissenschaftliche Recherche in den Ar- kann den Unterwasserarchäologen bei seiner chivbeständen, z. B. in Handschriften, Ver- Analyse auf eine falsche Spur führen. Hier wäre waltungsakten, Zeitungsmitteilungen und ge- eine Warnung an die journalistischen Vertreter druckten Berichten, sowie in den »Nachrich- angebracht gewesen, nicht jeden historischen ten für Seefahrer«, den »Verklarungen« und Schiff sfund sofort als Sensation zu verkaufen. Entscheidungen (»Sprüche«) der Seeämter. Fer- Zunächst sollte man der Wissenschaft ausrei- ner wird an dieser Stelle schnell deutlich, wie chend Raum für eine gründliche Aufarbeitung kompliziert der Umgang mit Schiff sfunden sein gewähren. kann. Gerade divergierende Interessen zwischen Die letzten sechs Kapitel des Buches, die circa staatlichen Behörden und der Unterwasserar- zwei Drittel der Monographie ausmachen, stel- chäologie bzw. den Historikern sorgen für eine len in chronologisch aufsteigender Richtung unterschiedliche Bewertung des weiteren Vor- vom 18. bis zum 21. Jahrhundert verschiedene gehens bezüglich des Schiff swracks. Bereits in Wasserfahrzeuge und ihre Schicksale in teilwei- diesem Kapitel werden die ersten Fallbeispie- se sehr detaillierten Beschreibungen vor. Dabei le präsentiert. Als äußerst interessant gestal- wird ein wichtiger Wandel in der Seefahrtsge- tet sich das Schicksal des Ewers Delphin (An- schichte aufgegriff en, nämlich der Übergang fang 20. Jahrhundert), das deutlich macht, wie der reinen Segelschiff fahrt zur maschinell be- die Nachnutzungen von gestrandeten Wracks triebenen Dampfschiff fahrt. Ausdrücklich ist aussehen können, sofern der Schiff skörper die die Strandung der Galeas »Sophie« hervorzu- Strandung weitgehend übersteht. Im vorliegen- heben, da ihr Unglück durch eine zeitgenös- den Fall wurde der Ewer, der bei Heidhof in der sische Fotodokumentation (Postkartenserie) Prorer Wiek an den Strand geworfen wurde, zu der Strandung und der beeindruckenden und einem Restaurant umgebaut. zugleich dramatischen Seenotrettungsopera- Da der geographische Raum, den Th omas För- tion am Anfang des 20. Jahrhunderts präsen- ster in seinem Buch untersucht, bereits im Mit- tiert werden kann. Auch das letzte Fallbeispiel

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im Buch, der Untergang des 17-Meter-Kutters ursache. Dies ist von großer Bedeutung, da mit- SAS 155 »Sophie Scholl« enthält eine besondere unter die Kapitäne von Schuld freigesprochen Note. Das Wrack der »Sophie Scholl« ist näm- werden sollen. Vor allem dieser Umstand sollte lich durch zwei Tauchgänge, die auf dem Vi- noch einmal die Tatsache ins Gedächtnis rufen, deoportal Youtube einzusehen sind, archiviert dass jeder Verlust der materiellen Kultur ein- worden. Hierdurch erhält der Leser die einma- hergehen kann mit menschlichen Tragödien, da lige Chance, das beschriebene Wrack durch ori- beide Bereiche untrennbar miteinander verbun- ginales Videomaterial unter der Meeresoberfl ä- den sind. Nicht jedes Schiff sunglück musste in che zu erleben. einer Totalkatastrophe enden. Strandungen, die Bei der Lektüre der ausgewählten Fallbeispie- sehr häufi g in Landnähe vorkamen, ermöglich- le werden schnell einige Rahmenbedingungen ten den Crews durchaus die Eigenrettung und von Schiff sunglücken deutlich. Erstens: Es gibt das Abbergen von Masten, Segeln und anderen multiple Gründe für das Scheitern von Wasser- Bootsbestandteilen. Letztlich bleibt der Mensch fahrzeugen, die zudem sehr stark von dem be- aber immer betroff en, da er im günstigsten Fall fahrenen Seegebiet abhängen. Zweitens: Die zwar sein Leben gerettet, aber seine Arbeits- Wucht und Kraft der Naturgewalten, denen die und möglicherweise auch Existenzgrundlage Seefahrt teilweise hilfl os ausgesetzt ist. Es muss verloren hat. Hier werden Folge- und Begleiter- nicht immer menschliches Versagen sein, das scheinungen nach einem Schiff sunglück noch zu Unglücken führt. Gerade in der Segelschiff - einmal sehr deutlich. Viertens: Letztlich gibt es fahrt ist und bleibt die Natur ein schwer zu be- noch Kernbereiche, die immer wieder im Laufe rechnender Faktor. Obwohl die Seefahrt in den der Lektüre des Buches zur Sprache kommen. letzten Jahren sicherer geworden ist, bewahrt Dies sind die Entwicklung im Bergungswesen der technische Fortschritt nicht vor Untergän- und der Einsatz von moderner Bergungstech- gen. Damit einher geht drittens: Seeunfälle nik (z. B. eines Bergungsdampfers). Dazu sei und Schiff sverluste gehörten zum Arbeitsalltag darauf hingewiesen, wie wichtig Lotsenstatio- und zur Lebenswirklichkeit der Seeschiff fahrt. nen bzw. Rettungsstationen sind, und damit Sie sind, um es mit Burkhardt Wolfs Worten verknüpft die unverzichtbare ehrenamtliche deutlicher zu sagen, fester Bestandteil der See- Arbeit der DGzRS. Kritikwürdig sind Schä- fahrtsgeschichte und damit eine »Elementarer- den und Plünderungen durch »andere« Tau- fahrung« des Menschen. Dass dieser Umstand cher (gemeint sind »Hobbytaucher« und keine gerne vergessen wird, hängt mit bestimmten Forschungstaucher). Besonders dramatisch wird Wahrnehmungsmechanismen bei Schiffsun- es, wenn sich die Wracks als tödliche Fallen für glücken zusammen. Nur selten erhalten »einfa- »Hobbytaucher« erweisen. Für die Ausführun- che« Unglücke große mediale Aufmerksamkeit. gen über das Problem der sog. »Hobbytaucher« Dies ändert sich, wenn vor allem menschliche und die Arbeit der DGzRS, wäre ein eigenes, Opfer zu beklagen sind bzw. die Beeinträchti- klar benanntes Kapitel wünschenswert gewesen. gung der Umwelt (z. B. bei Tankerunglücken) Das abschließende Urteil über diese Monogra- relativ hoch ist. In diesem Fall stehen Schiff s- phie fällt, trotz kleinerer Kritikpunkte (histo- unglücke überproportional im Fokus, was ver- rische Ungenauigkeiten, Unstimmigkeiten im mutlich sehr stark mit dem Grad der Drama- Text, gelegentliche Wiederholungen), überwie- tisierung und dem Zerstörungspotential zu- gend positiv aus. Th omas Förster hat ein span- sammenhängt. Bereits im 19. Jahrhundert wird nendes, gut lesbares und lebhaftes Buch ge- somit auch Kritik an den Reedereien geäu- schrieben, das gerade durch seinen lokalen und ßert, die aus nicht nachvollziehbaren Gründen regionalhistorischen Hintergrund punktet. Die (wahrscheinlich um den eigenen Ruf zu wah- Einblicke in die praktische Arbeit beim Aufsu- ren, versucht man möglichst wenig in der Öf- chen von Fundkomplexen und Tauchorten aus fentlichkeit zu stehen) kaum bzw. sehr selten der Hand eines Sachkundigen lassen zu jedem Informationen über die Untergänge zur Ver- Zeitpunkt die Faszination für diese Tätigkeit fügung stellten. Dabei geht es den Unterwas- auf den Leser übergehen. Ein großes Verdienst serarchäologen und Tauchern nicht nur um die des Buches ist, dass nicht nur die reine materi- Erforschung eines maritimen Fundkomplexes, elle Kultur im Vordergrund steht, sondern auch sondern auch um die Aufklärung der Unglücks- die menschlichen Schicksale in den Fokus ge-

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rückt werden. Vor allem die gelungene Wech- steht ein Bild großer heimatlicher Verbunden- selwirkung zwischen den zeitgenössischen Tex- heit gerade der Menschen im östlichen Hinter- ten aus Zeitungen und Unfallberichten und pommern. Für den Kreis Bütow ist es das Ver- dem begleitenden (teilweise historischen) Bild- dienst von Klaus-Dieter Kreplin, der seit Jahr- material, das sehr umfangreich ist und qualita- zehnten auf verschiedenen Ebenen bemüht ist, tiv hervorragende Unterwasseraufnahmen bie- den Zustand seiner Geburtsheimat in frühe- tet, machen diesen Band zu einer gewinnbrin- rer Zeit detailliert zu dokumentieren und da- genden Lektüre. für Quellen aus allen erdenklichen Institutio- nen sowie privatem Besitz zu erschließen. Er Christian Peplow, Greifswald gehörte zu den ersten Mitgliedern der Gesell- schaft für pommersche Geschichte, Altertums- kunde und Kunst, der die Möglichkeiten von Datenbanken und des Internets erkannte. Auch Klaus-Dieter Kreplin, Mahlen und Sägen – publiziert er mit großem persönlichen Einsatz Mahlmühlen, Müller und Sägemühlen im in verschiedenen Schriftenreihen historisch-to- ehemaligen Kreis Bütow in Pommern. Eine pographische Zusammenstellungen, die für die Dokumentation (Veröff entlichungen aus dem nachgeborene Generation einen systematischen Genealogischen Archiv Kreplin 7). – Zugang zur Geschichte der einzelnen Orte wie Herdecke – Genealogisches Archiv Kreplin auch des gesamten Kreises Bütow und darüber 2015. 128 S. ISBN 978-3-938773-09-3 hinaus für Pommern und Westpreußen ermög- lichen. Dieses Engagement erfährt auch von Klaus-Dieter Kreplin, Jedzenie picie spanie. polnischer Seite zunehmend Wertschätzung, Karczmy i gospody w dawnym powiecie was sich in der Kooperation des Selbstverla- bytowskim do 1945 roku (Publikacja Genea- ges von Klaus-Dieter Kreplin mit dem Verlag logicnego Archiwum Kreplina – Veröff entli- JASNE in Praust in Westpreußen bei der Her- chungen aus dem Genealogischen Archiv ausgabe von polnischen Übersetzungen einiger Kreplin 8). Pruszcz Gdański/Bytów/Herdecke seiner Publikationen niederschlägt. – Wydawnictwo JASNE 2016. 259 S. mit An dieser Stelle sollen die drei neuesten Bän- zahlr. s/w Abb. ISBN 978-83-61508-91-5 de aus der Schriftenreihe »Veröff entlichungen aus dem Genealogischen Archiv Kreplin« vor- Klaus-Dieter Kreplin, Hegen und Jagen – gestellt werden, die seit 2015 erschienen sind. Forsten, Förster und Jäger im ehemaligen Der Band 8 stellt die polnische Übersetzung des Kreis Bütow in Pommern. Eine Dokumenta- 2013 erschienenen Bandes 6 mit dem Titel »Es- tion (Veröff entlichungen aus dem Genealogi- sen – Trinken – Schlafen« über Gastgeber und schen Archiv Kreplin 9). Herdecke – Genea- Wirte im Kreis Bütow bis zum Zweiten Welt- logisches Archiv Kreplin 2017. 288 S. mit zahlr. krieg dar. Dagegen tragen die Bände 7 »Mahlen s/w und Farbabb. ISBN 978-3-938773-11-6 und Sägen« und 9 »Hegen und Jagen« wieder einmal Pioniercharakter, wenn es um die Re- Die Kreise Rummelsburg und Bütow waren bis konstruktion struktureller Merkmale des länd- 1945 die am dünnsten besiedelten Landstriche lichen Raumes in Pommern geht. Der an Fließ- in Hinterpommern, was nicht zuletzt mit der gewässern mit dem notwendigen Gefälle reiche Bodenqualität entlang des Pommerschen Land- Pommersche Landrücken war seit dem Mittel- rückens zu tun hatte. Vergleicht man aber die alter prädestiniert für die Anlage von Getreide- Aktivitäten, die seitens der Vertriebenen aus mühlen und Sägewerken. Waren die Getreide- diesen Kreisen über Jahrzehnte hinweg bis in erträge des in der Regel sehr sandigen Bodens unsere Zeit entfaltet werden, oder allein schon bis zur Einführung des Kunstdüngers seit dem die Zahl derjenigen, die sich auf den Heimat- ausgehenden 19. Jahrhundert nur mäßig, so wa- kreistreff en in den Patenstädten Bad Falling- ren die weitläufi gen Wälder prädestiniert für die bostel bzw. Frankenberg versammeln, mit de- Holzgewinnung. Klaus-Dieter Kreplin zeichnet nen aus den übrigen Kreisen Hinterpommerns im Band 7 detailliert die Standorte nach, die im bzw. aus Stettin und seinem Umland, so ent- Bereich der Stadt Bütow sowie in den Dörfern

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des gleichnamigen Kreises vorhanden waren. Jochen Bepler und Ulrike Volkhardt (Hgg.), Er liefert das Bildmaterial zu den mittlerwei- Bibliotheken bauen. Die Barther Kirchen- le weitestgehend abgängigen Gebäudekomple- bibliothek im Kontext. 1. Barther Bibliotheks- xen und zeigt mit Hilfe von älterem Kartenma- gespräch und Wiedereröff nung am 19./20. terial deren genaue Lage im Gelände. Gerade April 2013. Separatum aus: Jahrbuch kirchli- für Hinterpommern waren die Wassermühlen ches Buch- und Bibliothekswesen NF 2, 2014. Ausgangspunkte einer Protoindustrialisierung, Regensburg – Schnell & Steiner 2015. 74 S., wobei der Gewinnung von elektrischer Ener- Abb. ISBN 978-3-7954-2999-7 gie zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine große Bedeutung zukam. Auch dieser Aspekt wird an Christian Heitzmann und Falk Eisermann Beispielen aus dem Kreis Bütow behandelt. Im (Hgg.), Einblicke. Bücher aus der Barther Anhang liefert der Autor Urkundenabschriften Kirchenbibliothek im Fokus. 2. Barther aus dem Mittelalter – in erster Linie vom Deut- Bibliotheksgespräch am 1. Mai 2015, Rostock schen Orden ausgestellte Privilegien – und der – Hinstorff 2016. 103 S., zahlr. farbige Abb. Frühen Neuzeit. Auch die reiche Überlieferung ISBN 978-3-356-02078-6 an Mühlensagen wird für den Leser aufbereitet. Gut gearbeitete Register machen den Band für Nach aufwändigen konservatorischen Maßnah- jeden Interessenten leicht zugänglich. men und zeitgemäßer Ausstattung des neu ein- Im Band 9 wird die Waldwirtschaft und das gerichteten Bibliotheksraumes konnte die Kir- Jagdwesen im Kreis Bütow rekonstruiert. Auch chenbibliothek Barth im Frühjahr 2013 wieder- hier werden ältere Quellen erschlossen, vorran- eröff net werden. Der aktuelle Bestand umfasst gig jedoch die Oberförstereien und Revierför- rund 4000 Hand- und Druckschriften. Im er- stereien in der Struktur behandelt, die sie seit sten Beitrag des Buches »Bibliotheken bauen« dem 19. Jahrhundert als Teil der preußischen informiert Falk Eisermann über die Erfor- Verwaltung erhalten hatten. Die auch heute schung der Kirchenbibliotheken Mecklenburg- noch ansatzweise erhaltenen Försterfriedhöfe Vor pommerns. In Barth ist »womöglich die äl- im Kreis Bütow, die mit Otto Heinrich Sma- teste bis heute am Ort vorhandene Kirchenbi- lians (geb. 1827 in Stralsund) Grab in Zerrin bliothek überhaupt« erhalten geblieben (S. 16). auch einen bemerkenswerte Verbindung zur Erhaltene mittelalterliche Quellen dokumen- Forstgeschichte Vorpommerns bewahren und tieren ihre Gründung im 14. Jahrhundert – die das Ziel deutscher und polnischer Forstexkur- Anfänge liegen vermutlich sogar noch weiter in sionen bis zum heutigen Tag sind, werden hier der Vergangenheit. Ergänzend bezieht er sich gut dokumentiert. Besonders verdienstvoll ist auf die genauer untersuchten Büchersammlun- der Anhang, in dem die Forstordnungen von gen des Geistlichen Ministeriums im Greifswal- Herzog Bogislaw X. von Pommern bis zum 18. der Dom und von St. Petri zu Wolgast (heute in Jahrhundert, die Kleiderordnungen für Forstbe- der UB Greifswald), in denen sich auch Hand- dienstete in Preußen im ausgehenden 18. Jahr- schriften erhalten haben, und erwähnt weitere hundert sowie Dokumente zur Geschichte der bemerkenswerte Bibliotheksstandorte der Re- einzelnen Forstämter für die Jahre 1939–1945 gion. In den meisten von rund 40 inzwischen und schließlich wieder die Geschichten, Sagen vom Team des Rostocker Bibliothekenprojekts und »Schnurren« aus der volkstümlichen Über- gesichteten und beschriebenen Kirchenbiblio- lieferung geboten werden. Abschließend bleibt theken Mecklenburg-Vorpommerns sind ge- wieder einmal zu konstatieren, dass es ähnlich druckte Bücher vorhanden – Reste mittelal- systematische Zusammenstellungen für keinen terlicher Handschriften fi nden sich manchmal der Kreise in Vorpommern gibt, was das Enga- als Fragmente in Bucheinbänden. Der Inhalt gement unserer hinterpommerschen Landsleu- der neun in Barth entdeckten Codizes ist be- te um so klarer leuchten lässt. reits katalogisiert und über das Internetportal ›Manuscripta mediaevalia‹ recherchierbar. Be- Haik Th omas Porada, Leipzig sondere Aufmerksamkeit erregte die »Block-Bi- bliothek«: Infolge einer seit dem Spätmittelal- ter bei Klerikern beliebten Bücherstiftung ka-

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men Handexemplare des protestantischen Pfar- Ulrike Volkhardt rekapituliert nicht nur Ereig- rers und Reformators Johannes Block in die nisse, die zur Runderneuerung der Barther Kir- Büchersammlung. Heute umfasst die Barther chenbibliothek führten, sondern dokumentiert Bibliothek 145 Inkunabeln oder Inkunabelfrag- auch bemerkenswerte Ergebnisse ihrer Recher- mente, die zunehmend erforscht und bestimmt chen zu Gesang-, Stimm- und Choralbüchern werden. Identifiziert sind einige verspreng- am Ort. Musikalische Quellen sind in Hand- te Bücher Barther Provenienz in der Staatsbi- und Druckschriften sowie als Makulatur in bliothek Preußischer Kulturbesitz zu und auf Einbänden erhalten. Überlieferungsge- (Gesamtkatalog der Wiegendrucke). Bei einer meinschaften zeigten sich, z.B. Reste mittelal- noch ausstehenden Katalogisierung nach mo- terlicher Musikhandschriften, deren Pergament dernen Standards ist mit weiteren Entdeckun- Buchbinder für Schutzumschläge frühneuzeitli- gen zu rechnen. – Jan Simonsen informiert über cher Bücher nutzten. Aufgefunden wurde »ein Organisationsformen und Aufgabenbereiche al- reiches musikalisches Repertoire, das wie die ler Beschäftigten der 2012 gegründeten Nord- Musik der Heideklöster rekonstruiert werden kirche, deren Einzugsbereich sich über Meck- wird (S. 45). − Christian Heitzmann betont den lenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und glücklichen Umstand, eine größtenteils unver- Hamburg erstreckt. In diesem Gebiet befi nden sehrte Kirchenbibliothek weiterhin »an ihrem sich ca. 1900 historische Kirchen und Kapellen, ursprünglichen Bestimmungsort« analysieren ein umfangreiches kulturhistorisches Erbe von zu können (S. 53). Er bezieht sich neben neun Architekturdenkmälern, das eine überschaubare mittelalterlichen Handschriften (Übersicht S. Gruppe von Referenten und Referentinnen des 59) vor allem auf die bereits erwähnte »Block- Baudezernats betreut. In Barth ergab sich ein Bibliothek«. Von dieser sind mit Einträgen des Wechselverhältnis zwischen Aktivitäten zum Vorbesitzers versehene Handschriften und wei- Erhalt von Bausubstanz und Kirchenbibliothek. tere Sammelbände erhalten, die eine Bindesyn- Maßgeblichen Anteil daran hatte der dort 2010 these früher Druckschriften und längerer hand- gegründete Förderverein, dessen ehrenamtliches schriftlicher Faszikel bilden (sog. Mischbän- Engagement 2014 mit der Verleihung eines Eur- de). Als Relikte einer Privatbibliothek sind sie opa Nostra Awards / EU Prize for Cultural He- durchaus als Raritäten zu bezeichnen und kön- ritage gewürdigt wurde. − Gerd Albrecht ver- nen über das Internetportal ›Digitale Bibliothek leiht der Barther Kulturmeile Konturen. Ihre Mecklenburg-Vorpommern‹ eingesehen wer- Koordinaten bilden Architekturdenkmäler in- den. Zu den Handschriften zählen Bücher aus nerhalb der historischen Stadtstrukturen: Dazu dem Vorbesitz des bis 1510 amtierenden Prie- gehören Reste der Fürstenburg bzw. des Resi- sters Johannes Divetze, darunter ein pergamen- denzschlosses und der aktuell von Bauarchäo- tenes Kettenbuch des 13. Jahrhunderts aus der logen untersuchte und zukünftig als Museum Diözese Schwerin, das, als es noch an einem Le- einzurichtende Papenhof bei der Barther Kir- sepult befestigt war, verschiedenen Geistlichen che, im Mittelalter Sitz einer Bruderschaft von zur Verfügung stand. – Jochen Beplers unter Priestern. Nicht wegzudenken aus der Barther dem Titel »Aus Schaden klug« subsummierte Stadttopographie ist das frühneuzeitliche ade- Anmerkungen zur Konservierung der Bücher lige Fräuleinstift (gegründet von Friedrich I. in der Barther Kirchenbibliothek bieten kun- und Ulrike Eleonore von Schweden), auf des- dige Überlegungen zum Umgang mit histori- sen Areal sich seit 1572 die fürstliche Druckerei schen Büchersammlungen. Angesichts der in- befand (Stichwort »Barther Bibel«). Ein Anzie- zwischen bekannt gewordenen Details zu eini- hungspunkt mittelalterlicher Pilger war die St. gen Vorbesitzern zieht er folgendes Resümee: Jürgenkirche mit einem Spital zur Versorgung »Bibliotheken versammeln Lebensgeschich- erkrankter Reisender (heute Bauteile des Bibel- te und dem entspricht ihr Anspruch auf wür- zentrums Barth). Als Naturdenkmal runden die devolle Behandlung. Nur so formen sie sich zu im 19. Jahrhundert vom königlich-preußischen dem vielberufenen Gedächtnis einer Kirchenge- Hofgartendirektor Ferdinand Jühlke konzipier- meinde, einer Region, eines Landes« und fügt − ten Gartenanlagen das im wahrsten Sinne des Romano Guardini zitierend − an: ›nicht chao- Wortes gewachsene historische Ensemble ab. − tisch gehäuft, sondern lebendig geordnet‹ (S.

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63). Damit verlässt man bei der Lektüre den Straßburg erschienen Inkunabel vor. Hier bil- Ort der Büchersammlung und weitet, beglei- det sie eine Bindegemeinschaft mit zwei wei- tet von Christine Johannsens Erläuterungen, teren im Gebiet des Oberrheins erschienenen die Wahrnehmung, um Resultate von Sanie- Inkunabeln: Th omas de Argentina: ›Scripta su- rung und Umgestaltung der Kirche St. Marien per quattuor libros Sententiarum, ebenfalls von zu Barth Revue passieren zu lassen. Ähnlich wie Flach publiziert (1490) und (Ps.-) Johannes Ni- St. Bartholomaeus in Demmin, ebenfalls Auf- vicellensis: ›Concordantiae Bibliae et canonum‹ bewahrungsort einer Kirchenbibliothek, war [Basel: Nicolaus Kessler, um 1488].− Unter dem diese im 19. Jahrhundert unter Leitung Fried- ansprechenden Titel ›Die ganze Welt in einem rich August Stülers umgebaut worden. Nach Buch‹ stellt Falk Eisermann den Inhalt vier wei- kurzer Rekapitulation der Ausgangssituation terer Frühdrucke aus den Publikationszentren stellt sie das Nutzungskonzept der Bibliothek Köln und Lübeck vor. Diese erschienen zwi- vor, erläutert Vorteile der Isolierverglasung und schen 1476 und 1480 und wurden zeitnah, of- positive Auswirkungen zeitgemäßer Haustech- fensichtlich aufgrund ihres vergleichbaren In- nik mit Klimatruhe und Entfeuchter. Eine wei- halts, zu einem Sammelband vereint. Un- tere Etappe beim Bestandserhalt war die Reini- ter anderem ist Werner Rolevincks ›Fasciculus gung der Bücher im Zentrum für Bucherhal- temporum‹ enthalten, »ein Handbuch und Re- tung in Leipzig. Während die Bücher den Ort ferenzwerk für alle relevanten Daten und Fak- wechselten, war es möglich, Gebäudehülle und ten der Heils- und Weltgeschichte« (S. 43). Hier »innere Raumschale der Bibliothek« (S. 72) ist es mit dem von einem norddeutschen Geist- zu sanieren. − Die Dokumentation des ersten lichen nach der Rückkehr von einer Pilgerreise Barther Bibliotheksgesprächs umfasst präzise in das Heilige Land verfassten ›Prologus Armi- formulierte und somit gut verständliche Texte. nensis‹ kombiniert, der ersten gedruckten Be- Für ihre Reihenfolge im Band wäre eine ande- schreibung der Heiligen Stätten. Zwar ist der re Anordnung günstiger gewesen: Wenn die Be- Text übersichtlich gestaltet, doch Abbildungen träge mit einem Bezug zu Architektur und To- oder graphische Darstellungen wie in Bern- pographie weiter nach vorn gerückt wären, hät- hards von Breidenbach 1486 gedrucktem Pil- ten sich manche bei der Lektüre ergebende Fra- gerbericht fehlen jedoch noch. Enzyklopädi- gen eher klären lassen und inhaltliche Bezüge sches Wissen zur Ausgestaltung von Predig- zwischen den einzelnen Aufsätzen wären deut- ten erschließen die mit den beiden genannten licher hervorgetreten. Schriften kombinierten ›Etymologiae‹ Isidors Besonderer Dank gilt Jochen Bepler, der den er- von Sevilla. Als Ergebnis lässt sich festhalten, sten Tagungsband zusammen mit Ulrike Volk- dass dieses gezielt zusammengestellte Kompen- hardt herausgab, das Erscheinen der zweiten dium nützliches Wissen für den Gebrauch ge- hier zu besprechenden Publikation aber nicht bildeter Kleriker in Messe, Gottesdienst und mehr miterlebte. Während des zweiten Barther Gebet enthält. – Lüder Bach widmet sich den Bibliotheksgespräches im Jahr 2015 wurden von von Gabriel C. Busch herausgegebenen Alma- Experten ausgewählte Exemplare aus der Kir- nachen (publiziert zwischen 1797 und 1812) in chenbibliothek vorgestellt und die Reihe der einem weiteren Sammelband der Barther Kol- schon im ersten Band begonnenen Einblik- lektion. Angeregt durch französische Vorbilder ke mit fünf Aufsätzen fortgesetzt. Herausgeber zielten sie auf die Vermittlung aktuellen Wis- und zugleich Beiträger waren diesmal Christian sens. Dokumentiert sind Entdeckungen in Wis- Heitzmann und Falk Eisermann. Joachim Stü- senschaften, Künsten, Manufakturen und im ben widmet sich einleitend der im Spätmittel- Handwerk. Die Almanache bieten eine Synthe- alter weit verbreiteten »Natürlichen Th eologie« se kürzerer Publikationen in nationalen und in- des Raimund von Sabunde, die in verständli- ternationalen Zeitungen, Zeitschriften und Bü- chem Latein alles vermittelt, was als grund- chern, wobei die Beiträger fast immer anonym legend für die Vervollkommnung des Men- bleiben, die ausgewerteten Quellen aber be- schen und sein ewiges Heil betrachtet wur- nannt werden. Beispiele wie die jeweils auch im de. Das Werk des katalanischen Philosophen Bild inszenierte Erläuterung einer Apparatur liegt in Barth in einer 1496 bei Martin Flach in zur Rettung Scheintoter oder die Entwicklung

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eines Heimtaucheranzugs runden den Über- Der 2017 verstorbene Historiker Jürgen Peter- blick ab. – Christian Heitzmann konzentriert sohn hat seit den 1960er Jahren eine Vielzahl sich auf die schon im ersten Band der Barther von wichtigen Bausteinen zur pommerschen Bibliotheksgespräche im Überblick vorgestell- Kirchengeschichte des Mittelalters geliefert. Zu ten Handschriften und Handschriftenfragmen- seinen kleineren, gleichwohl grundlegenden Ar- te (S. 81f.) und wählte für die nähere Analyse ei- beiten zählen rund 30 Personenartikel über die nen breit überlieferten Klassiker des Hochmit- Bischöfe von Kammin für die von Erwin Gatz telalters, ›De missarum mysteriis‹ (Von den Ge- herausgegebenen biographischen Lexika »Die heimnissen der Messfeier) des Papstes Innozenz Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches« zwi- III. Um den Hochmut als Ursprung aller Laster schen 1198 und 1648.5 Sie bilden den Grund- zu bekämpfen, beschreibt dieser den mensch- stock für die Texte des vorliegenden Bandes, lichen Lebensweg, von der Empfängnis bis zu doch sind Bischofsreihe und Kurzbiographi- dem von Höllenqualen gefolgten Tod, erwähnt en nicht einfach aus den Lexikonbänden über- Krankheiten, Leid und Sündhaftigkeit. Der nommen worden. Denn zum einen hat Peter- Traktat fi ndet sich als handschriftlicher Faszi- sohn Personenartikel über die ersten Kamminer kel inmitten mehrerer gedruckter Schriften in Bischöfe bis zum Beginn ihrer Erfassung durch dem Barther Folioband Lit. B 19. – Hartmut die Gatz’schen Lexika im Jahre 1198 hinzuge- Möller stellt ein Musikfragment vor, das sich als fügt (Adalbert 1140–1163/64, Konrad I. 1163/64– Einbandmakulatur einer Inkunabel aus der Bi- 1186, Siegfrid I. 1186–1191). Zum anderen erge- bliothek des Johannes Block erhalten hat. Es ben sich »unter dem Primat der örtlichen Gege- handelt sich um das Doppelblatt eines Gradu- benheiten« (S. 8) gegenüber den Lexika mit ih- ales mit den am Ende der Karwoche intonier- rer kurialen Perspektive einige Umstellungen in ten Gesängen. Notation und Version der Me- der Bischofsreihe des 14. und 15. Jahrhunderts, lodie indizieren eine Entstehung im 12. oder die einerseits zum Entfallen einiger in Pom- 13. Jahrhundert in einem Zisterzienserkloster. mern nicht anerkannter Elekten und Gegenbi- Bücher aus Klöstern der Zisterzienserinnen schöfe, andererseits zur Neuaufnahme eines von und Zisterzienser im heutigen Mecklenburg- der Kurie nicht bestätigten Postulaten (Ludwig Vorpommern sind so gut wie unbekannt, in- von Eberstein nach 1471–1478) geführt haben. sofern öff net dieses kleine Fragment ein Tor in Die bischöfl ichen Titelträger aus dem pommer- die Vergangenheit und erweist die beachtliche schen Herzogshaus nach 1556 sind nicht mehr Aussagekraft der Materialität mancher histori- Gegenstand der Betrachtung. Die Ankündi- scher Bücher. Zusammen gelesen, zeigt der In- gung, die übernommenen Artikel seien inhalt- halt beider Bände, wie viel sich mit dem spezifi - lich »erheblich erweitert und überarbeitet« wor- schen Engagement eines überschaubaren Perso- den (S. 8f.), ist vor allem bei den Biographien nenkreises in Bewegung setzen lässt. Zweifellos der späten Bischöfe seit dem Ende des 15. Jahr- ist die Kirchenbibliothek Barth für die Buch- hunderts zu spüren. Bis dahin beschränken sich und Überlieferungsgeschichte von besonderer die Änderungen zumeist auf die Einarbeitung Bedeutung. der neuesten Literatur und auf einige sprachli- che Umstellungen und Anpassungen. Über die Britta-Juliane Kruse, Wolfenbüttel biographischen Artikel hinaus bietet das Buch eine Einleitung, mit der der Autor seine Dar- stellung in die Gattung der kirchlichen Amts- biographie einordnet, einen Abschnitt über den Jürgen Petersohn, Die Kamminer Bischöfe des ottonenzeitlichen Bischof von Salz-Kolberg als Mittelalters. Amtsbiographien und Bistums- strukturen vom 12. bis 16. Jahrhundert (Beiträge zur Kirchen-, Kunst- und Landes- 5 Erwin Gatz (Hg.), Die Bischöfe des Heiligen Rö- mischen Reiches 1198–1448. Ein biographisches geschichte Pommerns, Bd. 19). Schwerin – Le xikon, Berlin 2001. – Ders. (Hg.), Die Bischöfe Th omas Helms Verlag 2015. 160 S. mit 5 Abb. des Heiligen Römischen Reiches 1448–1648. Ein und 4 Karten. ISBN 978-3-944033-09-9. biographisches Lexikon, Berlin 1996.

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einen vermeintlichen Vorläufer der Kammi- Ein von der archäologischen und der histo- ner Bischöfe, den Versuch einer vergleichenden risch-geographischen Forschung für Pommern Synthese anhand der unterschiedlichen Beset- beklagtes Desiderat ist die Aufarbeitung der zungsmodi des Kamminer Bischofsstuhls und Geschichte des Mühlenwesens seit dem Mit- ihres Nutzens für die Diözese sowie einen Ab- telalter. Dies triff t gleichermaßen für die Was- riss der Kamminer Bistumsgeschichte. Er ba- sermühlen wie für die Windmühlen zu. Weder siert auf Petersohns Artikel für ein weiteres von steht ein Inventar der in den Quellen und im Gatz herausgegebenens Handbuch über die Geländebefund nachweisbaren Mühlenstandor- »Bistümer des Heiligen Römischen Reiches«6, te zur Verfügung noch gibt es hinsichtlich der wurde jedoch für den vorliegenden Band um Auswirkungen der Mühlenstaue auf die Kultur- mehrere Aspekte erweitert (historische Voraus- landschaft belastbare Aussagen, die es der For- setzungen, »Vorläufer-Institution« Salz-Kol- schung ermöglichen würden, z. B. deren Ein- berg, Klosterwesen, Hochstift, kultische Indi- fl uss auf Wüstungsprozesse im Spätmittelalter vidualität, Ikonographie, Kartographie des Bis- genauer zu charakterisieren. Welche Möglich- tums). Das Buch schließt mit einer bis 2015 ak- keiten ein interdisziplinärer Ansatz für die ein- tualisierten Bibliographie, einem nützlichen zelnen Regionen Ostmitteleuropas bei der Be- Glossar kirchenrechtlicher Fachbegriff e, mit ei- antwortung dieser Fragen bietet, zeigt der Ab- nem leider allzu dürftigen Namen- und Sach- schlussband zu einem mehrjährigen Projekt, register sowie einigen Abbildungen und Kar- das am GWZO, dem Geisteswissenschaftli- ten. Als Fazit lässt sich festhalten: Selbst da, chen Zentrum Geschichte und Kultur Ostmit- wo das großzügig gesetzte und hübsch einge- teleuropas an der Universität Leipzig (das seit bundene Buch nur wenig über die Artikel der 2017 zur Leibniz-Gemeinschaft gehört, zu de- Gatz’schen Lexika über die Bischofe von Kam- ren Gründungsmitgliedern u.a. das Herder-In- min hinausgeht, liegt sein Verdienst doch dar- stitut in Marburg zählt), betrieben wurde. Auch in, diesen nach wie vor gültigen Kenntnisstand wenn die hier untersuchten Beispiele sich auf auch denjenigen Erforschern und Freunden den mitteldeutschen Raum, Bayern, Böhmen der pommerschen Geschichte leichter zugäng- mit den Lausitzen, Schlesien und Mähren kon- lich zu machen, die sich die aufwendigen Lexi- zentrieren, so können die Erkenntnisse doch bis konbände über die Bischöfe des gesamten Rei- zu einem gewissen Grad auch für das nördliche ches nicht in den eigenen Bücherschrank stellen Ostmitteleuropa adaptiert werden und solcher- können oder wollen. art für die Forschung in Pommern nutzbar wer- den. Die Studien reichen von der Rekonstruk- Bengt Büttner, Marburg tion sowohl der Witterung aus mittelalterlichen Quellen als auch der wasserbaulichen Erschlie- ßung von Landschaftsräumen über die Kunst- geschichte, die Historische Geographie, die Na- Wassermühlen und Wassernutzung im mittel- menkunde bis hin zur Archäologie und Denk- alterlichen Ostmitteleuropa, hgg. von Martina malpfl ege. Maříková und Christian Zschieschang Am Beispiel der Zisterzienserklöster in Meck- (Forschun gen zur Geschichte und Kultur des lenburg, hier insbesondere Doberan, und Bran- östlichen Mitteleuropa 50). Stuttgart – Franz denburg, hier vor allem Paradies und Cho- Steiner Verlag 2015. 340 S. mit zahlr. s/w und rin, zeichnet Winfried Schich die Bedeutung Farbabb. ISBN 978-3-515-10999-4 der Wassermühlen für deren Ökonomie nach. Auch wenn sich bei den Feldklöstern der an- deren Orden, z. B. den Benediktinern und den Prämonstratensern, ebenfalls Wassermüh- 6 Jürgen Petersohn, Bistum Kammin (ecclesia Cami- len nachweisen lassen, so folgt Schich doch der nensis, exemt), in: Erwin Gatz (Hg.), Die Bis tü- mer des Heiligen Römischen Reiches. Von ihren Th ese Paul Benoits von der »zisterziensischen Anfängen bis zur Säkularisation, Freiburg 2003, S. Wassertechnik«, einer besonders engen Verbin- 267–272. dung zwischen Kloster- und Wasserbau bei die-

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sem Orden. Dies ist nach seiner Ansicht auch Nordische Geschichte, Bd. 21), Greifswald – durch die engen Verfl echtungen zwischen Mut- Druckhaus Panzig 2016. 340 S. ter- und Tochterklöstern sowie die jährlichen ISBN 978-3-86006-443-6 Generalkapitel der Äbte in Cîteaux bedingt, die einen regelmäßigen Austausch über Innovatio- Eine Ära ist zu Ende. Just in dem Moment, nen nicht zuletzt bei der Weiterentwicklung des da diese Anzeige geschrieben wird (2. Oktober Mühlenwesens ermöglichten. 2017), hat Jens E. Olesen, seit 1996 Inhaber des Um aus der Vielzahl der Beiträge ein weiteres Lehrstuhls für Nordische Geschichte am Histo- Beispiel herauszugreifen, sei auf den eindrucks- rischen Institut der Ernst-Moritz-Arndt-Uni- vollen Aufsatz der Kunsthistorikerin Lenka versität Greifswald, seinen letzten Arbeitstag als Panušková verwiesen, die sich mit der Mühle Universitätsprofessor hinter sich gebracht. Er in der Bildtheologie des Mittelalters beschäftigt verstand die Nordische Geschichte immer auch und dafür Beispiele aus ganz Mitteleuropa zu- als Geschichte des gesamten Ostseeraumes und sammengestellt und kategorisiert hat. Bei den hat in den 21 Jahren zahlreiche Publikationen Darstellungen von Hostienmühlen geht sie (ab veröff entlicht bzw. in den beiden Reihen seines S. 112 und auf Farbtafel 10 auf S. 331) auf den Lehrstuhls herausgegeben, die auch genauso- auch im überregionalen Vergleich bemerkens- gut in Veröff entlichungsreihen zur pommer- werten Altar der Th omaskirche in Tribsees ein. schen Landesgeschichte hätten publiziert wer- Wie die Autorin allerdings zu der Auff assung den können. Für seine Beliebtheit unter Kol- gelangen konnte, es handele sich bei St. Th o- legen und Studierenden spricht der Umstand, mas um eine Klosterkirche der Zisterzienser, dass ihm zwei Festschriften zum 60. und zum bleibt ein Rätsel. An der Stadtpfarrkirche von 65. Geburtstag zugeeignet wurden. In dem hier Tribsees amtierte der Archidiakon des gleichna- vorliegenden Band nun hat er 17 Aufsätze wie- migen östlichsten Verwaltungsbezirks innerhalb der veröff entlicht, die seit 1981 in verschiede- des Bistums Schwerin, der den festländischen nen Sammelbänden und Zeitschriften erschie- Teil des Fürstentums Rügen umfasste. Dieser nen sind. Sie behandeln alle das Generalthema Archidiakon residierte allerdings in Stralsund Frühzeit der Kalmarer Union, also des Staaten- in einem Quartier zwischen dem Dominikaner- bündnisses von Dänemark, Norwegen (mit Is- kloster St. Katharinen und dem Franziskaner- land, den Färöern und Grönland) und Schwe- kloster St. Johannis, in dem sich auch die Höfe den (mit Finnland) seit 1397 und ihrer ersten der Zisterzienserklöster von Neuenkamp, Hid- beiden Regenten Erich von Pommern und densee und Eldena sowie letztlich auch der Hof Christopher von Bayern. des Landpropstes von Rügen, des Vertreters Olesen kann zweifellos als einer der besten Ken- des Bischofs von Roskilde, befand, wie Bengt ner dieser Th ematik gelten. Da, wie er selbst Büttner in seiner 2007 im Druck erschienenen im Vorwort schreibt, einige der Erstveröff ent- Göttinger Dissertation anschaulich beschrie- lichungen nur schwer zugänglich sind, wird der ben hat. Wenn es Lenka Panušková also um die interessierte Leser dieses Buch gern in die Hand Hypothese ging, dass es zwischen dem Archi- nehmen. Eine zusätzliche Erleichterung für den diakon von Tribsees und z. B. dem auf halber deutschsprachigen Leser dürfte die Übersetzung Strecke zwischen Tribsees und Stralsund gelege- von drei ursprünglich auf Dänisch verfassten nen größten Zisterzienserkloster dieser Region, Beiträgen sein. Dass die Kalmarer Union ins- Neuenkamp, Kontakte gegeben haben könnte, gesamt und ihr erster König, der aus dem Grei- hätte sie richtig gelegen. fenhaus stammende Erich von Pommern, der ja mit Taufnamen Bogislaw hieß, für die pommer- Haik Th omas Porada, Leipzig sche Landesgeschichte von erheblicher Relevanz sind, braucht nicht weiter hervorgehoben wer- den. Jens E. Olesen hat die pommerschen Bezü- ge in der Biographie Erichs von Pommern und Jens E. Olesen, Erich von Pommern und Chri- der Frühzeit der Kalmarer Union erst kürz- stopher von Bayern – Studien zur Kalmarer lich in einem beeindruckenden Vortrag auf der Union (Publikationen des Lehrstuhls für Jahrestagung unserer Gesellschaft im Septem-

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ber 2017 in Stralsund aufgezeigt und damit zu- ner deutsch-polnischen Tagung zu machen. gleich den Beweis geliefert, dass die Th ematik Die kurzzeitigen Phasen im Hoch- und Spät- noch längst nicht ausgeforscht und auch künf- mittelalter, in denen es zu Versuchen kam, die tig von ihm noch der eine oder andere Beitrag westslawischen Pomoranen im Raum zwischen zu erwarten ist. Oder und Weichsel unter einer einheimischen Weit weniger bekannt als sein Vorgänger, und Dynastie zusammenzufassen, haben off enkun- das nicht nur wegen der vergleichsweise kurzen dig kaum Wirkmächtigkeit für das Geschichts- Regierungszeit von acht Jahren, ist Christopher bewusstsein in den folgenden Jahrhunderten von Bayern. Er wird in immerhin fünf Beiträ- erlangt, entwickelte sich doch der Odermün- gen behandelt. Und es darf auch nicht überse- dungsraum zu einem bis 1637 eigenständigen hen werden, dass der in den drei Reichen abge- Herzogtum innerhalb des Heiligen Römischen setzte Erich von Pommern ihn überlebte. Reiches weiter, während für den Bereich süd- Wer sich künftig mit diesen beiden Regenten lich und westlich von Danzig nach kurzen In- und dem ersten halben Jahrhundert der Kalma- termezzi diverser Herrschaftsansprüche bis ins rer Union beschäftigt, wird diesen Band dank- 15. Jahrhundert der Deutsche Orden als Lan- bar zur Hand nehmen. desherr der besonderen, d. h. nicht-dynasti- schen, Art konstitutiv wurde, ehe der weitere Dirk Schleinert, Stralsund Weg Westpreußens bis zum Ende der Frühen Neuzeit von der polnischen Krone maßgeb- lich bestimmt wurde. Sicherlich kann für wei- te Bereiche Westpreußens und für die östlichen Lisaweta von Zitzewitz, Pomorze Wschodnie Landstriche Hinterpommerns um Stolp, Lau- za czasów panowania Gryfi ów – Ostpommern enburg und Bütow als Gemeinsamkeit angese- zur Zeit der Greifenherrschaft (Zeszyty Ku- hen werden, dass sich hier das Pomoranische lickie – Külzer Hefte 12). Szczecin – Fundacja in Gestalt des Kaschubischen als eigenständige Akademie Europejska Kulice-Külz – Stiftung westslawische Sprache bis ins 20. Jahrhundert Europäische Akademie Külz-Kulice. 312 S. mit bei einer kleinen Minderheit in Resten erhalten zehn Abb. ISBN 978-83-946698-0-5 hatte, aber für eine wie auch immer geartete ge- meinsame »ostpommersche Identität« der hier Vom 21. bis 23. Oktober 2011 fand in Külz bei lebenden Bevölkerung hat es nicht gereicht. Ob Naugard eine Tagung der Stiftung Europäische die Bemühungen der polnischen Historiogra- Akademie Külz-Kulice statt, die sich vorran- phie eines Tages von Erfolg gekrönt sein wer- gig mit der mittelalterlichen und frühneuzeit- den, ihre Raumkonstrukte von Ost- und West- lichen Geschichte des Raumes zwischen Per- pommern aus der langen Ära einer nationalen sante im Westen und Weichsel im Osten be- Umdeutung der Geschichte des südlichen Ost- schäftigte und zugleich auch die Reflektion seeraums auch im Bewusstsein der deutschen über diese Zeitspanne in der nationalen Ge- Nachbarn durchzusetzen, bleibt abzuwarten. schichtsschreibung und Literatur auf deutscher Zumindest bei Übersetzungen aus dem Polni- und polnischer Seite im 19. und 20. Jahrhun- schen, nicht zuletzt in den unrefl ektierten Me- dert beleuchten sollte. Dafür hat die Herausge- dien oder in Urlaubskatalogen ist der Trend berin den Spagat gewagt, den vor allem in der schon seit Jahren ablesbar. Zwischenkriegszeit auf deutscher Seite popu- Der Band zur Külzer Tagung von 2011 bietet lären Terminus Ostpommern, der damals von jetzt die z. T. grundlegend erweiterten und ak- den Zeitgenossen im wesentlichen mit dem Re- tualisierten Fassungen der damaligen Vorträge gierungsbezirk Köslin innerhalb der preußi- in der jeweiligen Sprache der Referenten, er- schen Provinz gleichgesetzt wurde, und den auf gänzt um eine kurze Zusammenfassung in der polnischer Seite seit der zweiten Hälfte des 19. jeweils anderen Sprache. Nach einer Einlei- Jahrhunderts aufgebrachten Terminus Pomor- tung der Herausgeberin, in der sie ihre Raum- ze Wschodnie für Pommerellen bzw. Westpreu- und Th emenwahl begründet, widmet sich Ralf- ßen zu einem Raumkonstrukt zusammenzufas- Gunnar Werlich der Herrschaft der Greifen im sen und zum Gegenstand von Vorträgen auf je- östlichen Pommern und ihren Beziehungen

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zu den umliegenden Mächten. Bronisław No- nen Dorf vor den Toren Naugards eine Heim- wak widmet sich der Entwicklung der Stadt statt hatten. Nach dem für die polnische Seite Stolp am Übergang vom 13. zum 14. Jahrhun- unrühmlichen Ende der Tätigkeit der Stiftung dert, als das noch junge Gemeinwesen sich zwi- Europäische Akademie Külz-Kulice im für ihre schen den konkurrierenden Ansprüchen der Zwecke mit maßgeblicher Förderung aus deut- Greifenherzöge, der Markgrafen von Branden- schen Steuergeldern hergerichteten Bismarck- burg, des Deutschen Ordens sowie der polni- schen Herrenhaus in Külz war die Druckle- schen Könige zu behaupten suchte. Christian gung dieses Bandes nur dank der fi nanziellen Gahlbeck bietet einen Überblick zu den aska- Unterstützung durch den Verein zur Förderung nischen Bemühungen, ihre Landesherrschaft der deutsch-polnischen Zusammenarbeit e. V. zwischen Oder und Weichsel auszubauen. Da- möglich. Die bedauerlichen äußeren Umstände bei entsteht ein anschauliches Bild von der öst- erklären auch, warum es bis zur Publikation der lichen Flanke eines expansiven Bestrebens aus Vorträge sechs Jahre dauerte. der Mark Brandenburg in Richtung auf die Ostseeküste, das auch weiter westlich gegen- Haik Th omas Porada, Leipzig über Mecklenburg und in Vorpommern zur gleichen Zeit zu beobachten war. Krzystof Kwi- atkowski widmet sich den Auswirkungen der Schlacht bei Tannenberg im Jahre 1410 zwi- Sonja Birli (Bearb.), Horst Wernicke (Hg.), schen Polen-Litauen und dem Deutschen Or- Das Hafenbuch von Treptow an der Rega den auf die einzelnen Teilherrschaften der Grei- 1536–1569 (Quellen und Darstellungen zur fen innerhalb des Herzogtums Pommern. Felix hans ischen Geschichte, 62). Köln-Weimar- Escher fragt nach der Stellung des Klosters Buk- Wien – Böhlau Verlag 2017. kow, einer Tochter des aus Doberan neu besetz- ISBN 978-3-412-20695-6 ten Zisterzienserklosters in Dargun, im Rah- men der Durchsetzung von Landesherrschaft Einen überraschenden Fund machte Haik Th o- an der östlichen Grenze des von den Greifen zu mas Porada bei den Arbeiten an seinem bereits einem Herzogtum zusammengefassten Territo- 2005 im Druck vorgelegten Archivführer »Pom- riums. Jörg Riecke beleuchtet die Stellung des mern, Skandinavien und das Baltikum. Sacht- (Nieder-)Deutschen im Reigen der Sprachen, hematisches Archivinventar zu den frühneuzeit- die zwischen Oder und Weichsel seit dem Mit- lichen Beständen an Nordica, Baltica und Sue- telalter gesprochen wurden. Roswitha Wisniew- co-Pomeranica im Staatsarchiv Stettin«, als er ski und Bogusław Bakuła beleuchten aus deut- auf das hier vorliegende Hafenbuch von Trep- scher bzw. polnischer Perspektive die Th ema- tow an der Rega, einer Kleinstadt in Hinter- tisierung der Geschichte des östlichen Hinter- pommern, stieß und seinen Lehrer Horst Wer- pommerns und Pommerellens in der Literatur nicke auf diese außergewöhnliche Quelle auf- des 19. und 20. Jahrhunderts. Abgeschlossen merksam machte. Das Buch ist das einzig er- wird der gut redigierte Band durch die Beiträge haltene Hafenbuch der Stadt, die ihren Hafen von Katarzyna Woniak und Paweł Migalski, die in Konkurrenz zum benachbarten Kolberg be- zum einen die Sicht der polnischen Geschichts- trieb, von dem mehrere hundert Hafenbücher wissenschaft auf die pommersche Geschichte erhalten sind. Erst bei der Bearbeitung stellte skizzieren, zum anderen das von der deutsch- sich off enbar heraus, was man da gefunden hat- sprachigen Forschung seit dem 19. Jahrhundert te – eine erstrangige Quelle für die Beantwor- entworfene Bild von Pommern im Mittelalter tung der Frage, was u. a. mit dem Einzug von zu fassen suchen. Kirchengut im Rahmen der Reformation ge- Das zwölfte Külzer Heft erinnert einmal mehr schah – das Geld wurde zum Bau eines neuen an die hohe Qualität, die den Begegnungen Hafen bei Deep verwendet. Gleichzeitig erfasst deutscher und polnischer Wissenschaftler in die Quelle die Ausgaben des neuen Hafens. Hinterpommern innewohnte, so lange die von Der Text ist sorgfältig transkribiert und durch Lisaweta von Zitzewitz auf Augenhöhe organi- zwei Personen- und ein Ortsregister erschlos- sierten Tagungen und Exkursionen in dem klei- sen, die auf die Funde in der Quelle, nicht in

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der Edition hinweisen, was zunächst unge- Das Buch zeugt zudem von der guten Part- wöhnlich erscheint, aufgrund des knapp ge- nerschaft zwischen Stettiner und Greifswalder haltenen Quellentextes aber kein Problem ist. Wissenschaftlern. Karin Ritthaler aus Greifs- Die Bearbeiterin beschreibt zunächst sehr kun- wald und Paweł Gut aus Stettin übersetzten die dig das Manuskript und kann ein Wasserzei- beiderseitigen Vorworte, Karin Ritthaler zudem chen vorstellen, das sich bisher nicht in der die Einleitung ins Polnische, um zu gewährlei- Kartei Piccard nachweisen lässt. Grundlegend sten, dass diese Quelle die bestmögliche wis- ist auch ihre Idenitifi zierung der elf verschiede- senschaftliche Aufmerksamkeit erfahren kann. nen Schreiber, von denen wenigstens vier aus Dieses kollegiale Vorgehen macht Mut für wei- der Mitte des Rates bestellte Hafenherren wa- tere Projekte und weckt Hoff nungen auf eine ren. Inhaltlich kann Birli überzeugend nach- Belebung der pommerschen Landesgeschichte weisen, dass das Buch die Einnahmen, mit de- durch eine gleichberechtigte deutsch-polnische nen der Bau des Hafens fi nanziert wurde und Zusammenarbeit. die Ausgaben bei den Bau- und Instandset- Etwas wehmütig stimmt es schon, das letzte zungsarbeiten des Hafens erfasst. Der Bau eines Produkt des Greifswalder Hanselehrstuhls in neuen Hafens wurde notwendig, nachdem der der Hand zu halten. Jahrzehntelang stand die Hafen bei Regamünde von den benachbarten Greifswalder Schule mit Johannes Schildhauer, und konkurrierenden Kolbergern mit Schiff s- Konrad Fritze, Walter Stark, Horst Wernicke wracks gesperrt worden war. Also wurde 4 km und vielen anderen für einen alternativen Zu- fl ußaufwärts ein neuer Zugang zum Meer ge- gang zur Hanse. Ihre Stärke war zweifellos die graben. Birli kann interessante Angaben zu die- homogene Zusammensetzung der Arbeitsgrup- sem Hafenbau machen und weist zahlreiche pe zur Hansegeschichte sowie die legendäre Rentenverträge mit Handwerkern, vor allem Diskussionskultur in dieser Arbeitsgruppe, mit aber mit aufgelösten geistlichen Bruderschaf- der es gelang, nahezu alle Th emen und Zielge- ten nach. Die Vermögen dieser durch die Re- biete der Hanse qualitätsvoll abzudecken und, formation aufgelösten Bruderschaften wurden damals noch weitgehend abgeschnitten von den zur Hälfte für den Bau des Hafens, zur ande- westeuropäischen Quellen, zu erforschen. Zahl- ren Hälfte für Investitionen in den städtischen reiche Bände der Hansischen Studien, die bis Ziegelhof verwendet – die Treptower konnten heute ihren Wert haben, fassten die zumeist in ihre Dachziegel dadurch zu einem günstigeren Greifswald konzipierten, oft dort auch durchge- Preis erwerben. führten Tagungen zusammen, das Hansebuch Nach diesen inhaltlichen Aussagen triff t Be- von Fritze, Schildhauer und Stark löste große arb. Aussagen zur Gliederung des Textes und Diskussionen in der Forschung um die Existenz stellt fest, dass das Hafenbuch stringent in Ein- einer Städtehanse aus und befl ügelte diese. Ei- nahmen und Ausgaben geteilt ist und ordnet ner der letzten großen Streiche gelang mit der die einzelnen Seiten den von ihr identifi zier- Herausgabe des von Walter Stark akribisch be- ten Schreibern zu. Danach verfolgt sie die Ge- arbeiteten Handelsbuches von Hildebrand Vek- schichte der Handschrift, arbeitet heraus, dass kinchusen, dessen Edition schließlich von Al- es mindestens ein älteres Hafenbuch gegeben brecht Cordes zum Erfolg geführt wurde. Nun, haben muss und erklärt das Zustandekommen nach einer großen Zusammenschau in der Fest- der vorliegenden Handschrift. Schließlich er- schrift zum 65. Geburtstag von Horst Wernik- klärt sie die Gestaltung der Edition, gibt ei- ke, an der u. a. die Bearbeiterin als Hg. mit- nen kurzen Einblick in das Geldsystem, das im wirkte, geht das Licht am Greifswalder Hanse- Buch zur Anwendung kommt und sensibilisiert lehrstuhl aus. Der traditionsreiche Lehrstuhl, mit ihrer Aufstellung für die Unterschiede zwi- der einzige seiner Art weltweit, wird auf Be- schen Stettiner und Stralsunder Währung. Der schluss der Philosophischen Fakultät mit dem gesamte Vorspann wie auch Edition und Regi- Ruhestand Wernickes eingespart – wie das bei ster sind sehr professionell und genau gearbei- einem erklärten Ostseeraumschwerpunkt in tet, Birli empfi ehlt sich damit wärmstens für der Forschung möglich ist, wird ein Geheimnis weitere Editionen spätmittelalterlicher und / bleiben. Umso mehr freut man sich, dass die- oder frühneuzeitlicher Texte. ses letzte am Greifswalder Hanselehrstuhl ent-

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standene Buch der Edition einer Quelle galt. Bücher dagegen sind mit ihrer Herstellung von Und wer Quellen ediert, der lädt zum Forschen der Kostenseite her fast neutral, sieht man von und Interpretieren ein und wer andere zur Be- den für ihre fachgerechte Lagerung erforder- schäftigung mit einem Gegenstand einlädt, der lichen Magazinen und sonstigen passiven Be- wird zumindestens in der Diskussion bleiben – standserhaltungsmaßnahmen einmal ab. Und Weisheit der Fakultät hin oder her. sie erfordern für ihre Benutzung keine weitere technische Infrastruktur, sondern nur die Lese- Nils Jörn, Wismar fähigkeit des Benutzers einschließlich der ggf. notwendigen sprachlichen Kompetenzen bei fremd- oder altsprachigen Texten. Der vorliegende Band ist das Ergebnis einer Jörg Zapnik (Bearb.), Repertorium der mehrjährigen Fleißarbeit, die nur zu leisten ist, Policey ordnungen der pommerschen Städte wenn der Bearbeiter das notwendige Durchhal- bis zur Reichsgründung 1871 (Veröff entlichun- tevermögen dafür mitbringt. Jörg Zapnik hat gen der Historischen Kommission für Pom- es off enbar gehabt, sonst wäre diese Publika- mern, Reihe IV: Quellen zur Pommerschen tion nicht möglich gewesen. Allerdings hat es Geschichte, Bd. 16). Köln-Weimar-Wien – am Schluss wohl nur noch für die kurze, in Au- Böhlau Verlag 2016, 695 S. gen des Rezensenten entschieden zu kurze Ein- ISBN 978-3-412-50519-6 leitung gereicht, die leider einige off ene Fragen übrig lässt, die dort hätten beantwortet werden Den Archivar freut es immer, wenn die Histo- müssen. Das Repertorium, man hätte auch In- riker seine Einrichtung betreten und mit den ventar sagen können, aber das ist Geschmacks- hier verwahrten originalen Schriftquellen ar- sache, ist alphabetisch nach den Städtenamen beiten, sind doch dann zumeist neue Ergeb- geordnet. Es beginnt mit Altdamm und endet nisse und Erkenntnisse zu erwarten. Damit die mit Wollin. Warum die alphabetisch danach Arbeit im Archiv aber möglichst eff ektiv von- kommende Kleinstadt Zachan nicht mit auf- statten geht und der Archivar auch seiner kura- geführt ist, kann nur vermutet werden. Wahr- torischen Verantwortung gegenüber dem ihm scheinlich wurden keine Ordnungen gefun- anvertrauten Archivgut nachkommen kann, den? Auch stimmt die in der Einleitung ge- sprich unnötige Aushebungen und Benutzun- nannte geographische bzw. administrative Zu- gen vermieden werden, da diese auch immer ordnung mit Verweis auf den Historischen und eine Belastung für die Archivalien darstellen, geographischen Atlas von Mecklenburg und ist eine möglichst tiefgehende Erschließung der Pommern, Bd. 2, S. 81 nicht, denn dort ist die Bestände unerlässlich. Die moderne Informati- Provinz Pommern in ihren Grenzen ab 1815/18 onstechnologie leistet mit entsprechenden Da- dargestellt, die mit Bildung der Provinz hin- tenbanken bei der Erfassung und Strukturie- zugekommenen vorher neumärkischen Städte rung inzwischen unverzichtbare Dienste und wie Dramburg, Schivelbein oder Tempelburg das Internet sorgt seit seiner im großen Maß- sind in diesem Band jedoch nicht berücksich- stab vollzogenen Einführung vor rund 20 Jah- tigt. Korrekter geographischer Rahmen ist da- ren für komfortable Recherchemöglichkeiten. her wohl eher das mittelalterlich-frühneuzeitli- Dennoch sind auch gedruckte Bestandsver- che Herzogtum Pommern, seit 1648 zwischen zeichnisse und Quelleninventare wie das hier Brandenburg-Preußen und Schweden geteilt. anzuzeigende heute noch unverzichtbar. IT-ba- Auch wenn auf eine »umfängliche historischen sierte Informationsträge haben einen ganz ent- Einleitung« (S. IX) verzichtet wurde, so wä- scheidenden Nachteil: Sie verursachen die in ren einige Bemerkungen mehr als die auf den der Verwaltung so ungemein gefürchteten Fol- zweieinhalb Seiten gebotenen notwendig gewe- gekosten, weil eine IT-Struktur nicht nur ge- sen, um mit den erfassten Daten ohne Zuhil- schaff en, sondern auch gepfl egt werden muss. fenahme weiterer Sekundärliteratur arbeiten zu Vernachlässigten Internetseiten begegnet man können. Wenigstens ein oder zwei Sätze hätte im WWW immer wieder und sie wirken wie man zum Begriff »Polizeyordnung« selbst ver- ein ungepfl egtes Grundstück in einer schmuk- lieren können, umfasste Polizei in der frühen ken Vorstadtsiedlung. Neuzeit und auch noch im 19. Jahrhundert we-

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sentlich mehr als das, was wir heute darunter was über das Ende des 17. Jahrhunderts hinaus. verstehen, weshalb es ja auch mit »y« geschrie- Wo Quellen unvollständig oder dürftig sind, ben wird. Und bei der Erläuterung des Beispiels können benachbarte Archive und Monographi- auf S. X hätte für »Zeile 6: Materien (Inhalts- en über das Musikleben und die Kirchen- bzw. beschreibung)« das zugrundeliegende Gliede- Schulgeschichte anderer, meist norddeutscher rungssystem mit angegeben werden müssen. So Städte wie Rostock, Lübeck und Hamburg die kann man nur vermuten, dass es sich an dem Lücken im feinmaschigen Bild mit plausibel ge- des Projekts »Repertorium der Policeyordnun- machten Hypothesen füllen. Manchmal stellt gen der Frühen Neuzeit«, das seit über 20 Jah- die gewissenhafte Autorin fest, dass man etwas ren läuft, anlehnt bzw. dieses übernommen hat. nicht wissen könne. Der Verweis auf die Nutzung der von jenem Aber sie weiß nach vieljährigem Aktenstudi- Projekt entwickelten Datenbank bei der Er- um enorm viel. Im Ansatz sozialgeschicht- fassung lässt dies zur einigermaßen gesicherten lich, spezifi ziert sie ihr Erkenntnisinteresse und Gewiss heit werden. ihre Methode im Hinblick auf eine Struktur- Dass ein solches Verzeichnis aus verschiedenen geschichte, die Funktionszusammenhänge mu- Gründen, die auch benannt werden, nicht voll- sikalischen Lebens einerseits und individuelles ständig sein kann, liegt auf der Hand. Den- Handeln andererseits, d. h. Struktur und Ereig- noch ist der vorliegende Band ein nützliches, nis in den Blick nimmt. ja unverzichtbares Nachschlagewerk, wenn es Nach einer umsichtigen Einleitung, in der das um das Auffi nden von Policeyordnungen der Projekt begründet, eingrenzt und in der Sekun- pommerschen Städte geht. Umfangreiche Re- därliteratur verankert wird, ist das erste Haupt- gister am Schluss des Bandes strukturieren die kapitel dem Kantorat und dem Kirchengesang erfassten Daten zusätzlich. Der nächste Schritt in Stralsund gewidmet. Die Kantoren hatten wäre, die hier aufgelisteten Dokumente digita- akademische Examen der Artistenfakultät, ihre lisiert online zugäglich zu machen. Im Stadt- Antrittsvorlesung hielten sie auf Lateinisch über archiv Stralsund denkt man darüber jedenfalls die Bedeutung der Musik für das religiöse Le- mittelfristig nach. Denn auch das schützt die ben. Dann wurden ihnen die Schlüssel und die Originale und erspart dem Benutzer sogar den Rute übergeben. Die musikalische Ausbildung Gang ins Archiv. hatten sie von der Schule her. Obwohl es ein kirchlicher Dienst war, mussten sie auch an der Dirk Schleinert, Stralsund Lateinschule Sprache und Katechismus unter- richten (deswegen die Rute!). Dort waren die Sänger, die sie wiederum ausbildeten und de- ren musikalischen Einsätze im Gottesdienst, bei Beate Bugenhagen, Die Musikgeschichte Stral- Beerdigungen und Hochzeiten, und – im Fall sunds im 16. und 17. Jahrhundert (Veröff ent- der »Symphonistae«, d. h. Chöre, die aus ar- lichungen der Historischen Kommission für men Schülern bestanden und sangen und »bet- Pommern, Reihe V: Forschungen zur Pom- telten« – auf der Straße die Kantoren letztlich merschen Geschichte, Bd. 49). Köln-Weimar- organisierten und beaufsichtigten, manchmal Wien – Böhlau Verlag 2015, Ill., 440 S. selbst leiteten. ISBN 978-3-412-22447-9 Im Sinne von Luthers Kritik am Pomp der ka- tholischen Messe wurde für die frühen Zustän- Auf der Basis eines arbeitsaufwendig recher- de festgestellt, dass die ganze Schule »sungen chierten und gewissenhaft ausgewerteten rei- undt grunseden alse hungerige sögenn« (S. 45). chen Archivmaterials an Kirchenordnungen, Mit neuen Schul- und Kirchenordnungen, Mu- Schulordnungen, Lehrplänen, Ratsprotokol- siklehren, Kompositionen musste im Folgen- len, Visitationsberichten, Policey Ordnungen, den Ordnung und Qualität hergestellt und ge- Gerichtsakten, Gehaltsabrechnungen, ja einer sichert werden. Niederdeutsche, später hoch- Feuerwehrordnung usw. (vgl. S. 27f.) in der deutsche Kirchenlieder verdrängten, allerdings Hauptsache aus dem Stadtarchiv Stralsunds re- langsam, die lateinischen. Die Schüler lernten konstruiert die Verf. detailliert die Musikge- bis zu zehnstimmige Kompositionen ab Blatt schichte Stralsunds von der Reformation bis et- und mit Solmisation zu singen, später wurden

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auch Instrumentalisten, ja einzelne Berufssän- gabtesten Musiker. Alle diese Musiker warteten ger und – neu – »Violisten« – hinzugezogen. bei Hochzeiten, Begräbnissen, öff entlichen Fei- Der Kantor gehörte dem ersten der drei Stände ern und zunehmend, den Erfordernissen neuer Stralsunds an, er begann sich nach den 1670ern Musikstile entsprechend, im Gottesdienst auf. Musikdirektor zu nennen, um seine mit einem Alles war streng geregelt: Status, Kompetenzen, fürstlichen Kapellmeister vergleichbare soziale Verdienst (festes Gehalt und Nebeneinkünfte), Bedeutung zu markieren. Steuerfreiheit etc. je nach Rang. Die Ordnun- In vielen Unterkapiteln und Unterabschnitten gen wurden überwacht, Verstöße waren ein- werden die verschiedenen Auswahl- und An- klagbar und konnten geahndet werden. Trotz- stellungsmodalitäten, Funktionen und Aspekte dem gab es viele Streitigkeiten und entspre- des Kantorats beleuchtet, bis hin zur »Witwen- chende Klagen. Vor allem eine vierte Gruppe, und Töchterkonservierung«, die darin bestand, die Pfuscher, Bönhasen und Bierfi edler – auch dass der Nachfolger die Witwe oder eine Toch- die genau defi niert mit Platz im Regelwerk – ter des Kantors heiratete. beeinträchtigten die Extraverdienste der ande- Als nächstes folgt ein Kapitel über das Organi- ren, z. B. bei Hochzeiten auf dem Land. stenamt. Wie alle Kapitel ist es mittels der glei- Stralsund ließ sich zu Glanzzeiten die Musik et- chen Fragen aufgebaut: Zugewiesene Funktion was kosten, damit sie zum Ruf und Ansehen in den Kirchenordnungen, die einzelnen Funk- der ganzen Stadt gereiche. Man konnte mit den tionsträger/Amtsinhaber, Ausbildung, Anstel- Singechören, der Orgelmusik und den Instru- lung, Dienstverpfl ichtungen, Privilegien, Mu- mentalisten imponierende Konzerte bestreiten, sik, materielle Verhältnisse und hier auch Or- man ließ Orgeln bauen, viele Kantoren und gelbau und Kalkanten (=Bälgetreter – es gab Organisten komponierten und schrieben mu- eine eigene Bälgetreterverordnung. Der Kalkant siktheoretische Werke. muss u. a. rechtzeitig Kohle bestellen, vgl. S. Ein Anhang gibt die Werkverzeichnisse der 269). Anders als die Kantoren waren die Orga- Kantoren und Organisten wieder. Weiter fi ndet nisten selten Akademiker, hingegen besaßen sie der interessierte Leser dort Beispiele für inter- eine gründliche musikalische Ausbildung durch essante Bestallungsurkunden, Ratsverordnun- einen Lehrmeister. Ihr wachsendes Ansehen ge- gen, Verträge zur Orgelrenovierung, Berichte wannen sie durch ihre Fähigkeiten am Instru- über Orgel-Probespiele. 1677 z. B. wird festge- ment, durch eigene Kompositionen, im 17. stellt, dass drei Bewerber für den Organistenpo- Jahrhundert neue Generalbassspiel und Impro- sten an St. Nikolai, was die »fertigkeit der faust visationskunst. Kantor gab es in Stralsund je- betriff t«, fast gleichrangig seien. Bevorzugt wird weils nur einen. Organisten gab es an jeder der aber ein schlichter Vortrag im Dienste der An- vier Kirchen, insgesamt 30 sind für den Zeit- dacht anstelle des »orgelgewirrs« eines Mitbewer- raum dieser Untersuchung dokumentiert, dar- bers, der off enbar auf Virtuosität setzte (S. 373). unter Johann Vierdanck. Die systematische Anlage des Buches macht, Im dritten Kapitel wird die Stralsunder Stadt- dass die geschichtliche Entwicklung anhand musik dargestellt. Ihre drei Säulen waren als er- der drei Musikergruppen jeweils immer wieder ste die Ratsmusikanten, d. h. vom Rat ange- von vorne erzählt wird, wobei ein paar Wieder- stellte Instrumentalisten mit dem Kunstpfeifer holungen unvermeidlich sind. Und der Plot an der Spitze und einem extra Turmbläser, dem wird durch die Isolierung der Strukturelemen- »Kuren«, der als Feuerwache seine Hauptaufga- te/Aspekte etwas auseinander gerissen; kulturel- be hatte. Dann die in einer Zunft organisier- le und stadtgeschichtliche, kriegerische Kontex- ten Musikanten oder Spielleute, die musikalisch te sind jeweils nur knapp angedeutet. Dafür er- eher zweitklassig waren. Dazu kamen die sog. hält der Leser, bei dem an ein Fachpublikum Hoboisten, das sind Militärmusiker der Garni- gedacht ist, zuverlässige, auf kritischer Quellen- son. Alle waren von Meistern zu Gesellen aus- recherche und -analyse fundierte und wohl er- gebildet und spielten mehrere Instrumente, die schöpfende Information. Man kann das Buch sie selber anschaff en mussten. Die Militärmusi- auch als Lexikon nutzen und die geschichtliche ker, weil sie von Offi zieren speziell ausgewählt Entwicklung jedes Einzelaspekts bei den drei und privat bezahlt wurden, waren oft die be- Musikergruppen durch Vergleiche verfolgen.

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Die akribisch recherchierte, faktenreiche, me- 2015 in der Greifswalder Germanistik verteidig- thodisch refl ektierte und klar gegliederte Mu- te und bereits im darauf folgenden Jahr publi- sikgeschichte Stralsunds von Beate Bugenhagen zierte, unter verschiedenen Aspekten analysiert: stellt eine imponierende Forschungsleistung medientheoretisch (Medium der Handschrift), dar. Sie vermittelt solides Wissen und gibt ei- narratologisch (erzählerische, rhetorische, inter- nen Eindruck von einer Kultursparte, in der textuell und medial bedingte Darstellungsmo- Kirche und weltliche Obrigkeit im Verein da- di und -strategien) sowie funktional–kommu- nach strebten, nichts dem Zufall zu überlassen. nikativ (aus der Textualität und Medialität ab- Hier nahm man die Musik ernst! Das beein- leitbare Adressierungen und Gebrauchsfunktio- druckende Bild einer an den Umständen (zeit- nen). In der vergleichend angelegten Arbeit, die weise Kriege, Belagerungen, Feuersbrünste, am Greifswalder Lehrstuhl für Ältere deutsche Pest, Bevölkerungsrückgang gegen Ende des 17. Sprache und Literatur und betreut von Moni- Jahrhunderts) und Größe der Stadt gemessen ka Unzeitig entstand, wurden exemplarisch elf reichen Stadtkultur stimmt überein mit dem deutschsprachige adlige Bildungsreiseberichte Eindruck, den ich vom Niveau der Stralsunder zwischen 1536 und 1632 ausgewählt und unter- Dichtung dieses Zeitraums, der Gelegenheits- sucht mit dem Ziel, »den adligen Bildungsrei- schriften habe. sebericht im 16. und frühen 17. Jahrhundert auf breiter Textgrundlage gattungshistorisch zu be- Walter Baumgartner, Greifswald schreiben« (S. 275). Dessen Präsenz in der Früh- zeit der Reiseberichtspraxis hatte bisher kaum Niederschlag in der interdisziplinären Reisebe- richtsforschung gefunden, was die Verfn. auf Andrea Voß, Reisen erzählen. Erzählrhetorik, die Unzugänglichkeit der Texte zurückführt. Intertextualität und Gebrauchsfunktionen des Allein schon unter dem Aspekt der Auffi ndung adligen Bildungsreiseberichts in der Frühen und Auswertung des bisher zumeist unentdeckt Neuzeit (Neue Bremer Beiträge, Bd. 20). Hei- in Archiven schlummernden handschriftlichen delberg – Universitätsverlag Winter, 2016. 349 Materials verdient diese Arbeit Lob und Wür- S. mit zahlr. Abb. ISBN 978-3-8253-6591-2 digung. Die als Fallbeispiele ausgewählten Tex- te entstammen einem Korpus von 36 eingese- 12 »Den Zwölff ten, gehn Gravescende Sechß henen und analysierten Handschriften, im An- Meile, aldha sein wir in ein Booth getretten, hang sind insgesamt 60 Titel verzeichnet, deren Unndt haben unß den schönen breitten strom, Beschreibung nach den Kriterien Datierung, die Temis oder Tamesin hinauff rudern lassen, Kurztitel, Ort und Signatur, kodikologische Biß gehn Lünden, dieser Fluvi ist ein statt- Eckdaten, Verfasser, Textstatus, Anmerkun- licher Portt, dergleichen in ganz Europa nit zu gen und Editionsstatus (S.285–296) genügend fi nden, […]« Forschungsimpulse für diverse Disziplinen be- Dieser Textausschnitt schmückt das Cover der reithalten dürfte. Da eine repräsentative pom- hier anzuzeigenden literaturwissenschaftlichen mersche Handschrift hier erstmalig analysiert Dissertationsschrift, er repräsentiert das Reise- und in die frühe Reiseberichtspraxis eingeord- tagebuch des pommerschen Erbprinzen Philipp net wird, seien die theoretisch-methodischen Julius (1584–1625) von 1605, verfasst vom ehe- Grundlagen kurz referiert und einige Ergebnis- maligen Präzeptor und zum Zeitpunkt der Er- se zu diesem landesgeschichtlich herausragen- stellung Prof. jur. an der Greifswalder Lan- den Dokument aus der Dissertation herausge- desuniversität Friedrich Gerschow (1568–1635). löst und vorgestellt. Die umfangreiche Prachthandschrift aus der Die den beiden Hauptkapiteln vorangestell- ehemaligen Wolgaster Schlossbibliothek wird ten methodischen Überlegungen (S. 43–80) erstmalig in einer Dissertation7, die Andrea Voß führen den Prozess der Erarbeitung der Ana-

7 Es ist zugleich die erste umfangreiche wissenschaft- liche Arbeit über das Reisetagebuch, bisher existie- schaftlicher und kunsthistorischer sowie zwei lite- ren vier Aufsätze (jeweils ein geschichtswissen- raturwissenschaftliche).

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lysebegriff e klar strukturiert, gedanklich und ve und deskriptive Darstellungsmodi, episodi- sprachlich konzise vor, so dass nicht nur (ein- sche und anekdotische Erzahlformen in den Be- mal mehr) die Unhintergehbarkeit der Textua- richten, markierte und unmarkierte intertextu- lität des Reiseberichts, der gerne als wahre, au- elle Einschreibungen. Neben der Bestimmung thentische Quelle behandelt wurde, nachgewie- ihrer gattungsrelevanten Funktionen konzen- sen wird, sondern auch und vor allem prakti- triert sich die Verfn. auf die Herausarbeitung kable, dem historischen Textstatus angemessene ihrer Gebrauchsfunktionen, die sie als textin- analytische Begriff e und Verfahren entwickelt terne Adressierung und Leserlenkung fasst. und bereitgestellt werden. Die Analysepara- Was den intendierten Adressatenkreis von Ger- meter gewinnt die Verfn. aus der zeitgenössi- schows Tagebuch angeht, verweisen die textli- schen rhetorisch bestimmten Textpraxis, da der chen Phänomene zentral – natürlich – auf den zur historiographischen Gattung zählende Rei- jungen Herzog Philipp Julius als Auftraggeber sebericht (historia vera!) über keine eigene poe- (seit 1604 Regent des Wolgaster Teils des pom- tologische Defi nition(sgeschichte) in der Tradi- merschen Herzogtums), auf die Mitglieder der tion von Aristoteles bis Opitz verfügt, auf die Reisegesellschaft, die Räte als weitere Auftrag- hätte zurückgegriffen werden können. Dar- geber (in der Rolle als ›Vollzieher‹ des testamen- über hinaus gewinnt die Verfn. Parameter aus tarisch niedergelegten väterlichen Willens) so- Theoriesegmenten der Narratologie und In- wie in besonderem Maße auf die Mutter des tertextualitätstheorie, die sie ständig refl ektiert Erbprinzen, die Herzoginwitwe Sophia Hedwig unter dem Horizont der medialen und rheto- von Braunschweig–Lüneburg (1561–1631). Sie rischen Produktionsumstände frühneuzeitli- kommt nicht nur als eingeschriebene Leserin in cher Texte. So entwickelt die Verfn. beispiels- Frage, sondern auch als Auftraggeberin für die weise in (der narratologisch axiomatisch gefor- Bildungsreise und deren Verschriftlichung8, was derten) Abgrenzung von der Verfasserkategorie die Verfn. aus der Vorrede Gerschows – auch – der seinerseits das von der Rhetorik zentral diese ein Unikat im Korpus der gründlich ein- gesetzte Redesubjekt entspricht, das als histo- gesehenen 36 Reiseberichte – extrahiert. Die risch–biographische Instanz mit »seine(n) Be- Analyseergebnisse der sich auf Sophia Hedwig obachtungen und Erfahrungen […] die Glaub- beziehenden Textstellen, mit denen Gerschow würdigkeit des Berichts« (S. 48) garantiert – ei- repräsentativ den Gesamttext rahmt, verwei- nen tragfähigen textinternen Sprecherbegriff für sen lt. Voß auf ihr »nennenswertes politisches diese vormodernen faktualen Erzähltexte (Ge- Mitspracherecht im Entscheidungsprozess […] brauchstexte), den weder (historisch) die Rhe- – und dieses wird vom Sprecher, eingebettet torik noch (aktuell) die auf fi ktionale Erzähl- in die allgemeine Lobestopik, als grundlegend texte fokussierte Narratologie konzeptuell be- positiv bewertet.« (S. 176). Die vergleichsweise reitstellen. Der gattungskonstitutiven Zuverläs- auff ällige Darstellung des Wirtschafts- und Ver- sigkeitsforderung an den empirischen Verfasser waltungswesens der bereisten Städte und Regio- kann sie begegnen, indem mittels dieser textin- nen, zwar »von jeher Teil topographischer urbis ternen Sprecherinstanz »Argumentationsstrate- descriptio« (S. 181), in der Berichtspraxis sämt- gien und Darstellungsverfahren […] unabhän- licher analysierter Texte jedoch keineswegs rea- gig vom Einzelfall und der konkreten Verfasser- lisiert, führt die Verfn. u.a. auf das mütterliche person« identifi zierbar und in übergreifenden Interesse an ökonomischen Sachverhalten zu- Funktionskontexten verortbar werden. Sogar das »Unterlaufen außertextueller sozialer Kon- ventionen« (alle Zitate S. 50) kann sie nachwei- 8 Die Verschriftlichung ist nicht nur in der Funktion sen, wie sie es an dem pommerschen Bildungs- als prospektive Handlungsanweisung in Regie- reisebericht Friedrich Gerschows demonstriert. rungsdingen zu sehen, sondern auch als Stiftung Als »Verfasser eines Auftragsreiseberichts« nutze und Pfl ege der Memoria. Diese gehörten zu den er »über die Pfl ichterfüllung hinaus den Bericht Aufgabenbereichen der Fürstinnen vgl. die zahlrei- che Belege im Sammelband »Zwischen Th ronsaal für die Selbstdarstellung als erfahrener […] Ge- und Frawenzimmer. Handlungsfelder pom mer scher lehrter« (S. 49). Neben der Ausgestaltung von Fürstinnen um 1600, hg. v. Dirk Schlei nert u. Mo- Sprecherrollen untersucht die Verfn. narrati- nika Schneikart, Köln-Weimar-Wien, 2017.

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rück, identifi ziert also auch mittels dieses Text- genschein genommenen Textkorpus zuwei- bausteins Sophia Hedwig als eingeschriebene sen. »Kein anderer der ermittelten adligen Bil- Leserin. «Hier wäre die von Buchholz eröff ne- dungsreiseberichte bis zur Mitte des 17. Jahr- te Adressierung des ›Regierungsratgebers‹ per- hunderts ist auf Darstellungsebene durch ein sonell zu erweitern um die Leserin Sophia Hed- vergleichbar selbstbewusstes Sprecher–Ich ge- wig ebenso wie um den auf anderer Ebene an- prägt: Hier schreibt der humanistisch gelehrte gesprochenen Adressaten Erasmus Küssow, der Verfasser Friedrich Gerschow (1568–1635) dem als Kämmerer der Finanzverwaltung des Wolga- Auftragswerk nachdrücklich seine eigenen, ster Hofes vorstand« (S. 182). über die Stellung als Reisebegleiter hinausge- Wie ertragreich die konsequente medienausge- henden Bildungsinteressen und Urteile ein« (S. richtete Textanalyse ist, als »Variationsrahmen 168). Ich-Episoden, Kommentare, Bewertun- in der Verschriftlichungspraxis« (S. 167) be- gen, Inszenierung der eigenen Bildungsmotiva- zeichnet, zeigt sich bei der Bewertung der Kor- tion und gelehrten Buchwissens sind die kon- rekturen, Ergänzungen und Parallelüberliefe- kreten von Gerschow eingesetzten Schreibver- rungen in Form von Abschriften und Exzerp- fahren. Der Eintrag über die Besichtigung der ten. Die vom Verfasser Gerschow in die von Kasseler Kunstkammer verdient hierbei extra zwei Hofschreibern angefertigte Handschrift9 herausgehoben zu werden. Nach Voß bleibt er eingetragenen Ergänzungen verweisen sämt- »in der argumentativ-rhetorischen Durchgestal- lich auf den der Reisegesellschaft vorstehenden tung sowohl innerhalb des Reisetagebuchs als Kämmerer Erasmus Küssow (1472–1628), zum auch des Analysekorpus singulär« (S. 189). In Zeitpunkt der Manuskriptübergabe seit zwei einem den kulturhistorischen Wert dieser Pas- Jahren Kanzler. Er ist als ein für den glückli- sage herausstellenden Aufsatz wird ihm als frü- chen Ausgang und Erfolg der Reise unerlässli- hestem und ausführlichstem Bericht über die cher Begleiter dargestellt. Aus der Tatsache, dass Kunstkammer Einmaligkeit attestiert und seine Gerschow das Reisetagebuch nicht systema- Relevanz für die hessische landesgeschichtliche tisch durchgesehen und korrigiert hat, schluss- Forschung herausgestellt. »Seine (Gerschows folgert die Verfn dass »die Zusätze zielgerichtet – MS) Schilderung zeichnet zudem ein gänz- Küssow als eingeschriebenen Leser adressieren. lich anderes Bild von den Beständen, als es die Die Nachträge sind als Dienstempfehlung und Forschung über die Kasseler Kunstkammer bis- Gunstgesuch zu begreifen« (S. 78). lang erarbeitet hat.«10 Aus literaturgeschichtli- Die Analyse der Darstellungsweise erbringt Er- cher Perspektive rückt dieser Bildungsreisebe- gebnisse, die diesem Text einen besonderen, richt, auch wenn er gattungstypisch den »Rei- ja extraordinären Status innerhalb des in Au- senutzen für den Th ronprinzen […] vor Familie und Hof beglaubigt« (S. 168), in die Nähe ei- nes Ego-Dokuments, anders formuliert, er ent- 9 Das Manuskript ist ein in Pergament gebundener hält autobiographische Text- und Darstellungs- Foliant im Umfang von 225 Blättern, das über die Stationen Wolgaster Schlossbibliothek, Püttmann- muster. In der Geschichte der deutschspra- sche Bibliothek in Stargard (um 1700), Stargarder chigen Selbstdarstellungen (bzw. modern der Marienkirch-Bibliothek (zwischen 1730 und 1780), Autobiographie)11 stellt die in den 1590er-Jah- Königliches Geheimes Staatsarchiv Berlin (1800– ren verfasste Lebensbeschreibung des in Greifs- 1893), Stettiner Staatsarchiv (nach 1893) in das wald geborenen Bürgermeisters von Stralsund Landesarchiv Greifswald (nach 1945) gelangte. Vgl. Monika Schneikart, Die Schicksale des Reisetage- buchs des Herzogs Philipp Julius von Pommern– 10 Antje Scherner, Eine Beschreibung Kassels aus dem Wolgast aus dem Jahr 1605, in: BSt NF 93 (2007), Jahre 1602. Auszüge aus dem Tagebuch Friedrich S. 47–56. Bisher identifi ziert wurden 3 vollständige Gerschows von der Reise Herzog Philipp Julius’ Abschriften; eine davon befand sich im Besitz des von Pommern–Wolgast, in: Zeitschrift des Vereins mitgereisten Kammerdieners und Dolmetschers für hessische Geschichte und Landeskunde 17/18 Matthias Kasper. Dieser Tatbestand belegt, dass (2012/2013), S. 57–74, hier S. 189, Anm. 4. der die Schlossbibliothek nutzende Personenkreis 11 Ulrich von Huttens »Querula« (1510) berücksichti- doch recht weit zu fassen und die alleinige Herzog ge ich aufgrund der lateinischen Sprache und des Philipp Julius zugeschriebene Verwendung (Regie- da mit verbundenen adressierten Gelehrtenkreises rungsratgeber) zu kurz gedacht ist. hier nicht.

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Bartholomäus Sastrow (1520–1603) die erste bliographie von stolzen acht Seiten zu Sibylla frühmoderne Ausprägung der Gattung über- Schwarz. haupt dar. Gerschows in den Reisebericht ein- Das Symposion war eine beeindruckende De- geschriebene, ja ›eingeschummelte‹ Selbstdar- monstration der Ergiebigkeit der Schwarzschen stellung, die diesem in Pommern entstandenen Schriften als Kommunikat für heutige elabo- Text eine herausragende Position verschaff t, er- rierte Gelehrsamkeit. Der daraus resultierende weitert diesen Befund erheblich, indem deut- Sammelband ist geeignet, das Verständnis und lich wird, wie off en die Gattung des Reisebe- die Wertschätzung der Dichterin voranzutrei- richts bereits um 1600 für sprecherbezogene ben und ergänzt die bereits ansehnliche Sekun- Darstellungsstrategien, Textmuster und Erzähl- därliteratur zu ihr um kritische Diskussionen formen war. Diese entwickeln erst im 18. Jahr- alter und Lancierung neuer Ansätze und Re- hundert eine Qualität, die zur Literarisierung sultate. des Reiseberichts führen wird. Durchgängig wird immer wieder die Frage ge- Nicht zuletzt sind die vorzügliche Gliederung stellt, was bei Schwarz topisch, traditionell, imi- der Studie und leserfreundliche Darstellung tierend ist, und wo die überlieferten Muster, hervorzuheben. Abschließend seien für an früh- Diskurse, Codes, Verfahren und Denkweisen neuzeitlichen hochadligen Bildungsreiseberich- gebrochen, überschritten und überschrieben ten Interessierte die Akteure aufgeführt, deren werden. Ungeklärt und uneinheitlich bleibt da- Texte detailreich zitiert, untersucht und ver- bei allerdings, wer hier was überschreibt und glichen werden: Michael von der Leyen (1536), überschreitet: die Autorin die »außerpoetische Otto (1581) und Ludolf von Münchhausen Wirklichkeit« (S. 216), die Autorin die vorge- (1604), Philipp von Merode (1588), Heinrich gebenen Dichtungsmuster oder die Forscherin- Wenzel von Münsterberg-Oels (1591–92) im nen die Texte der Sybilla Schwarz. Vergleich mit Wilhelm VII. von Hessen (1670– »Sibylla Schwarz hat schlicht und einfach be- 1671), Friedrich Gerschows Reisebericht für merkenswerte Texte verfasst, Texte, die es sich Philipp Julius von Pommern-Wolgast (1605), lohnt zu untersuchen und zu besprechen« (S. Adolf Friedrich I. von Mecklenburg (1606– 13). Dem ist zuzustimmen. Schlicht und ein- 1607), Johann Wilhelm Neumair von Rams- fach sind die Texte, die in dem Band über die la als Auftragsschreiber für Johann Ernst d. J. Schwarz-Texte produziert wurden, allerdings von Sachsen-Weimar (1614), Heinrich Dietrich gar nicht. Und die Innovationen, ja histori- von Grünraths (1623/1624) und Friedrich Lists schen Vorausgriff e, die der mit 17 Jahren Ver- (1632) Reiseberichte über die Reisen Georgs II. storbenen zu Hauf zugeordnet werden, veran- von Hessen-Darmstadt. lassten den Rezensenten zu zahllosen Ausrufe- zeichen und »Wow’s« am Rande. Monika Schneikart, Greifswald Die drei ersten Beiträge sind alle der Schäferer- zählung »Faunus« gewidmet. Das ist eine Ge- schichte, in der es als Fehler dargestellt wird, dass das Mädchen in die vom Vater befohle- Hania Siebenpfeiff er (Hg.), Überschreibungen / ne Zwangsehe einwilligt und ihre eigentliche, Überschreitungen. Zum literarischen Werk heimliche Liebe verrät – ihr Faunus stirbt am von Sibylla Schwarz (1621–1631) (Daphnis, Hochzeitstage an gebrochenem Herzen. Bd. 44). Leiden, Boston – Brill Rodopi, 2016. Schwarz ist hier originell durch ihre selbststän- 252 S., Ill. ISSN 0300-693X dige Neukombination der topischen Motive, Gattungen, Stilmittel und Diskurse (Ursula Dieser Sammelband dokumentiert die Vorträge Kocher, S. 24). Der hohe Codierungsgrad, der zum ersten Symposion über die früh verstorbe- so erzeugt wird, ermöglicht dem Text die Re- ne Barockdichterin, veranstaltet vom Interdis- fl exion über die Kunst und das Schreiben sowie ziplinären Zentrum für Geschlechterforschung über Freundschaft und Liebe (S. 25). Er scheint an der Universität Greifswald, die im Okto- sich zu der sog. pastoralen Aporie bewusst zu ber 2013 stattfand. Er enthält 11 Aufsätze sowie sein: des Wissens, dass die Ästhetik der Eigent- eine Einleitung der Herausgeberin und eine Bi- lichkeit der Gattung Pastoraldichtung/Buko-

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lik auf Fiktionalität beruht (S. 16). Der Text si- schaff en Bemerkungen wie, dass »die geistige gnalisiere »den [sic!] Moment des Individuel- Freihheit«, die sich Sibylla genommen hat, ih- len, das durch keine Topik aufgefangen werden rer Jugend, ihrer schwachen Verankerung in der kann« (S. 23). literarischen Institution und ihrem Geschlecht Schwarz wiederhole »identisch die männliche verdanke (S. 47). Und: dass der »Faunus« »ein Rede, ergreift jedoch als Frau das eigentlich den kleiner Baustein« [Hervorhebung W.B.] sei, ein Männern vorbehaltene dichterische Wort, wes- »kurzer Text«, der zeige, »wie ein moraldidak- halb sie mit Michel de Certeau zugleich als kon- tischer Diskurs zugunsten eines anthropologi- terdiskursive Raumnahme bzw. production du schen Interesses in den Hintergrund tritt« (S. lieu, als Schrift der Performanz, die sich Räume 49). erschreibt, gefasst werden kann« (Paola Bozzi, Eine Analyse der »Susanna« (Stephan Kraft) S. 29). Sie problematisiert den Dialog, gibt ihm stellt das Dramenfragment Schwarzens in den »eine kommunikative Tendenz, die sich mit der Kontext anderer literarischer Gestaltungen des Welt, der sie vordergründig den Rücken zuzu- biblischen Motivs ›Susanna im Bade‹ und der kehren scheint, tatsächlich doch verbindet« (S. zahlreichen Gemälde, die ihm gewidmet sind. 32). Sie betritt Neuland, in dem sie die Prot- Von letzteren sind einige wiedergegeben und agonisten mit asymmetrischen Bewusstseinsin- machen die Ausführungen buchstäblich evi- halten bezüglich der Liebe versieht (S. 34). Sie dent. Dabei zeigt es sich sogar, dass die von transzendiert sowohl das Tradierte als auch das der dominanten Tradition abweichende pas- Fortschrittliche ihres Denkens zugunsten per- sive Opferrolle Susannas bei Schwarz im Ge- sönlicher Autonomie. »[...] die Simulation des mälde einer anderen Frau, der Artemisia Gen- klassischen männlichen Modells führt zu einer tileschi, von 1610 eine Parallele hat. Wie der Dissimulation und einer, wenn auch unbeab- »Faunus« bricht auch »Susanna« unvermittelt sichtigten Innovation im System« (S. 35) »Der ab, es gibt ein off enes Ende, was in beiden Fäl- Frage nach dem Menschen wird ein neuer An- len intentional oder wenigstens funktional be- fang eingeräumt, [...] was allerdings heißt, die lastet wird. Für »Susanna« wird einerseits erwo- rechtgläubige, institutionell überwachte Ant- gen, dass bei einer biographischen Lesart Sibyl- wort der christlichen Religion riskant zu unter- las Bruder, dem der Text gewidmet ist, in der laufen« (S. 40). Die Liebeslust wird »dialektisch Realität bzw. der fi ktive Adressat für Daniel beschworen, um unter dem Schutz moralischer einspringen sollte, den Propheten, der im Alten Korrektheit ihr Produktivvermögen zu verge- Testament die Retterrolle übernahm, dort, wo genwärtigen. So verschaff t sich Venus Lebens- Schwarzens Text abbricht. Möglich, und attrak- anteile selbst in naturwidrigen Zeiten« (S. 43). tiver für heutige Leser, ist die Vermutung, dass Schwarz besetzt eine Schwellenposition, indem Schwarz erkannt hätte, dass auch Daniel Susan- sie mit Erzählhaltungen und Dichtungstradi- na nicht zu Wort kommen lässt, sondern über tionen bricht, die sie im Formalen einhält und ihren Kopf hinweg handelt. Schwarz hätte dann nachahmt. Sie nimmt die anthropologische den Schluss nicht ausgeführt, weil sie erkannt Wende der Literatur voraus, die Ablösung von hätte, dass der Stoff trotz des Happyends »für der heilsgeschichtlichen Deutung durch eine le- sie keinen gangbaren Ausweg aufweist« (S. 87). benspraktische, am Individuum, der Natur des Zwei Aufsätze beschäftigen sich mit den pe- Menschen interessierten Orientierung (Ulrike trarkistischen Sonetten Sibyllas – einmal mit- Wels, S. 49 u. 53). tels eines genauen close readings (Gudrun Wei- Es ist in unserem Rahmen nicht möglich die land), einmal eher pauschal, bezogen auf die komplizierte Argumentation der Aufsätze zu ganze Gattung (Th omas Kerth). Auch hier wie- entfalten, mit der die gewichtigen und z.T. der gilt, dass Sibylla eine »frühe und kongeni- kühnen Th esen untermauert sind. Kann sein, ale Opitzianerin« war. Gesucht werden aber dass die Textbasis der so weitreichenden Über- dann ihre höchsteigenen Leistungen. Hier ist legungen oft etwas schmal ist; und die Folie des ihr Beitrag »zu einem weiblichen Petrarkismus« main streams andererseits, vor der sich Schwar- ein Alleinstellungsmerkmal, ihre Liebeskonzep- zens Innovationen abheben sollen, zu eindeu- tion muss aber in scharfsinnigen Textanalysen tig und starr gezeichnet. Etwas Entlastung ver- und umfassenden literarhistorischen Verglei-

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chen näher bestimmt werden. Zur Textanalyse, Zwei Aufsätze beschäftigen sich mit den Anlei- hier die Entschlüsselungen des »arguten«, spitz- hen bei und Übersetzungen aus den Niederlän- fi ndigen Stils, werden Logik und Rhetorik ein- dern Heinsius und Cats, die beide berühmt wa- gesetzt und Bildbedeutungen oft auch aus Em- ren für ihre Schriften über und an die Frauen. blemen geklärt. Sibylla arbeitet mit der Mehr- Sie waren bereits für Opitz Autoritäten, aber deutigkeit von Elementen im »widersprüch- Schwarz ging auch direkt zu den Originaltex- lichen Komplex von Liebestopoi« und deren ten (Monika Schneikart). In ein Stammbuch kühne Kombinationen, sowie einer strengen schrieb sie 1634 zwei Cats-Verse in der Original- Logik, die jedoch durch Auslassungen von Be- sprache. In »Wieder den Neidt« rühmt sie Cats, deutungen, die sich im Petrarkismus von selbst und zwei Gedichte verraten ein imitatio/aemu- verstehen, und durch syntaktische Variation latio-Verhältnis zu diesem. Zwei Gedichte sind kaschiert sind. Dem Leser wird der oft über- Übersetzungen von Heinsius. Die Möglichkeit raschende Sinn der Gedichte zum Mitdenken von diesbezüglicher Sprachkenntnis und Buch- überlassen (vgl. S. 101). Und sie besetzt eine besitz wird biographisch-historisch gründ- Leerstelle im System der petrarkistischen Lie- lich überprüft und bestätigt. Und Textstudien beskonzeption, indem sie den Varianten männ- und -vergleiche von Original und Übersetzung, lich-weiblich, männlich-männlich und weib- auch Übersetzungen anderer deutscher Dich- lich-männlich (Liebesgedichte von Frauen an ter, führen zu einer Verortung der Greifswal- Männer, wie die der von Opitz übersetzten Ve- der Dichterin im deutschen Frühbarock, wo ronica Gambara) durch Liebesgedichte weib- sie mit Opitz-Schülern wie Johann Rist, Zacha- lich-weiblich ergänzt. Das hatte zur Hypothe- rias Lund, Michael Schneider und Ernst Chri- se eines »lesbischen Petrarkismus« geführt. Die stoph Homburg konkurrierte und tatsächlich genaueren textanalytischen bzw. komparatisti- eine durchaus eigene Position behauptete (vgl. schen Untersuchungen in unserem Sammel- S. 173). Parallelen in der Sujetwahl und Form- band lassen diesbezüglich eine Modifi zierung gestaltung zu den Niederländern gibt es bei ih- oder Präzisierung plausibel erscheinen. So ver- nen allen. Die Vergleiche der sechs relevanten weist der Lorbeer, der im berühmten Sonett »Ist Schwarz-Texte mit den Originalen und ande- Lieb ein Feur« nicht vom Donnerkeil = Amors ren deutschen Übersetzungen fördern die »pro- Pfeil getroff en wird, gar nicht, wie man vor- duktive Anverwandlung« (S. 189) durch Ab- erst vermuten könnte, auf eine sich verweigern- weichungen zutage, das Maß der aemulatio. de Geliebte. Ein Emblem von 1590 deutet das Schwarz aktualisiert z.B. die antiken Heldin- Lorbeer-Bild als »intacta virtu«. Es liege ein Tri- nengeschichten für ihre, die Zeit des Dreißig- umph in den Schlussversen, »der wohl kaum jährigen Kriegs. Und sie schreibt ihnen ihr ei- der eines abgewiesenen Liebhabers ist« (S. 120). genes dichtungsprogrammatisches Verständnis Die zu Anfang an unerwiderter Liebe leidende ein. In einem Fall transformiert sie innovativ Sprecherin hat am Ende Distanz zu der Gelieb- das breit entfaltete Frauenlob von Hochzeitsge- ten gewonnen, ja nimmt gar selbst deren Po- dichten in ein Trauergedicht, d. h. sie wechselt sition ein. Es geschieht eine Selbstfi ndung des die Gattung. dichterischen Subjekts, das die Lorbeerkrone, Neben diesem Überblick und Einblick widmet die ja auch den Dichter auszeichnet und für sich ein zweiter Aufsatz monographisch einer eine nichtsinnliche Liebe/Freundschaft und das der Übersetzungen, dem »Lob der Verständi- Schreiben steht, dem Liebeslohn des Cupido gen und Tugendsamen Frauen«, das auf Heinsi- oder der Venus vorzieht (S. 121). us zurückgeht (Annika Hildebrandt). Im Fokus Dies bestätigen wiederum andere Texte Sibyl- stehen dabei die sechs Verse, die gerade nicht las, die der komparatistische Ansatz des zweiten im Original stehen, sondern Zutat Schwarzens Beitrags zu dem Th ema zutage fördert (sowie sind. In ihnen geschieht die schon festgestell- Bemerkungen in den Analysen des »Faunus«), te Aktualisierung durch Einfügen eines Anteils um zum Schluss zu kommen, dass es in die- einer anderen, bei Opitz nicht bedachten Gat- sen Gedichten um eine »keusche Liebe« geht, tung, nämlich der paränetischen Rede (Mahn- die mit dem modernen Konzept des Lesbischen rede, Kriegslyrik) (vgl. S. 128). Schwarz über- nicht vereinbar ist. nimmt sie aus einem Bericht, wo Spartanerin-

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nen die Männer zum Kampf antreiben: so gese- schrieb, sondern er rühmt sie dafür, dass sie als hen bleibt sie im antiken Setting von Heinsius. Gehilfi n ihres Vaters mit zierlicher Hand und Aber sie bezieht die Rede off ensichtlich auf den korrektem Kanzleistil Bittschriften etc. zu ver- Krieg, den sie selbst erlebte: der Krieg in Sparta fassen wusste. und der Dreißigjährige Krieg überlagern sich. Ein Beitrag, der nur in meiner Rezension den Schwarz zeigt im Medium dieses Einsprengsels Schluss bildet, widmet sich der Frage nach einer anderen Gattung eine off ensiv-kämpferi- »Epigonalität und Originalität in der Gelegen- sche Haltung, die sich unterscheidet von den heitsdichtung von Schwarz«. Laut Einleitung verzweifelten Klagen über das Kriegselend in der Herausgeberin setzt dieser Beitrag einen anderen ihrer Gedichte. »Es konturiert sich ex- »interessanten Kontrapunkt« zum Rest des Ban- emplarisch durch Schwarz’ refl exiven Zugriff des. Tomasz Jabłecki attestiert nämlich Schwarz auf das poetische Spektrum des 17. Jahrhun- Epigonalität im Widerspruch zu den vielen und derts, wie diese beiden Dimensionen [d. i. Poe- massiven Innovationsbefunden in den übrigen tik und Geschichte] interagieren« (S. 124). In Beiträgen. Aber am Ende dieses Aufsatzes er- der Abweichung von praecepta und exempla fährt der beunruhigte Leser, dass gar nicht »Epi- zeigen sich Spielräume der barocken Regelpoe- gonentum« im Sinne von künstlerischem Un- tik (vgl. S.137)! vermögen gemeint ist, sondern »Epigonalität«, Ein Aufsatz, der auch als Biographische Einfüh- im Sinne eines künstlerischen Prinzips (S. 170). rung am Anfang des Buches hätte stehen kön- Diesem Prinzip wird Sibylla nach vielen Über- nen, schließt den Sammelband ab. Es geht da- legungen und Wertungsversuchen zugeordnet, bei nicht um die Texte Sibyllas, sondern um die wegen der »subjektiven Empfi ndungen, die in sozialgeschichtliche Einbettung ihrer Biogra- einigen Casualgedichten zum Vorschein kom- phie (Kalina Mróz-Jablecka). Als direkte Quelle men« (ebda). Der Dissens liegt also nicht im gibt es eigentlich nur die Personalien mit Pre- Befund an sich, sondern in dessen Begründung, digt von Christoph Hagen anlässlich ihres To- die innerhalb dieses Bandes isoliert steht und des. Beide Teile des Leichenprogramms sind wahrscheinlich unhaltbar ist. stark konventionell reguliert, doch man kann Allerdings führt mich die Fragestellung Origi- ihnen trotzdem wenige karge Hinweise auf die nalität vs Epigonalität zu einer kritischen Fest- individuelle Situation der Dichterin entneh- stellung, die den ganzen Band betriff t. Mir fehlt men. Vergleiche mit Leichenpredigten über die für die Literatur der Frühen Neuzeit funda- Frauen aus der Patrizierschicht Schlesiens der mentale Feststellung, dass es sich bei ihr gene- gleichen Zeit bestätigen die Stereotypen, aber rell um Repertoiredichtung, im Gegensatz zur machen auch Abweichungen bei Sibylla deut- späteren Werkdichtung, handelt. Diese Begriff - lich. Die Frage zielt natürlich dahin, ob ihre lichkeit hat die schwedische Barockforscherin Sprachenkenntnisse, ihr mythologisches Wis- Stina Hansson entwickelt, theoretisch begrün- sen und ihre literarische Tätigkeit überhaupt det und eingeführt, sie hat sich in Skandinavien gewürdigt werden im Medium einer Gattung, seither durchgesetzt.12 Es geht darum, dass diese die bei Frauen in der Regel nur die Frömmig- Literatur über ein tausendjähriges Repertoire an keit und die tüchtige Haushaltsführung er- Stoff en, Topoi und Gestaltungsmitteln simul- wähnt und rühmt. Hagen widmet diesen Ei- tan verfügt, d.h. nicht im Sinne einer Tradie- genschaften sehr viel Platz. Aber er hat auch rung oder Beeinfl ussung. Die Frage nach Ori- einen lakonischen Hinweis auf ihre »außbün- ginalität und Innovation erübrigt sich deshalb. dige und fast verwunderliche[!] Gaben in der Allerdings verläuft die aktualisierende, je spe- Teutschen Poesi.« Die dagegen sehr ausführli- zifi sche Sinnkonstruktion autoren- und leser- che Beschäftigung Hagens mit Sibyllas Haus- seitig exakt über all das, was im vorliegenden haltspfl ichten und den Schreibarbeiten für ih- ren Vater kann implizit als Rechtfertigung ihres Schreibens gemeint sein: Dieses wäre also nicht 12 Auf Deutsch: »Repertoire und Tradition. Über Schreib formen, Denkformen und Literaturge- auf Kosten ihrer eigentlichen Aufgaben gegan- schich te im 17. Jahrhundert«, in: Jürg Glauser gen! Hagen erwähnt nicht, dass das Mädchen (Hg.), Skandinavische Literaturen der frühen Sonette, Gelegenheitsgedichte, Lieder usw. Neu zeit. 2002, S. 41–54.

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Buch immer wieder aufgezeigt wird: Gattungs- Im 18. Jahrhundert stellten zwei Greifswalder vermischung, Stilmix, Perspektivenwechsel, Professoren unabhängig voneinander umfang- Neukombination, Umkodierungen, kreative reiche Sammlungen von Gelegenheitsdrucken Anverwandlung, Heteroglossie, Mehrdeutig- zusammen. Am Ende des 19. Jahrhunderts wur- keiten, Leerstellenbesetzung und Nutzung der den diese dann als Vitae Pomeranorum in der Spielräume u.a. zwischen christlichem und an- Universitätsbibliothek Greifswald vereinigt. Die tik-heidnischen Repertoire. So arbeiten auch Sammlung enthält etwa 12.000 Stücke in 6.000 Dichter, die nicht jung, nicht weiblich und in Drucken. Es sind Personal- und Gelegenheits- der Institution gut verankert sind (vgl. S. 47 zu schriften aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert: Sybillas »geistiger Freiheit«). Viele Stellen im Poesie und Prosa zu Hochzeiten, Taufen und vorliegenden Buch weisen darauf hin, dass der Beerdigungen von Pommerschen Bürgern und Begriff Repertoiredichtung klärend übernom- Bürgerinnen aus Städten wie Stralsund, Greifs- men werden könnte. Man könnte sich dann wald, Stettin, Wolgast u. a. Die meisten Auto- weiterhin dem in diesem Sammelband prakti- ren gehörten zum gleichen Stand wie die zu ih- zierten exakten Textverständnis widmen, weil es rer Heirat Gefeierten. schlicht und einfach gute Texte sind (vgl. S. 13). Um 1900 hat Edmund Lange in mehreren Auf- Aber es bedürfte dann nicht mehr des Flaggen- sätzen auf diese Sammlung hingewiesen, und waldes voller Innovationsfähnchen im Sekun- rezenter auch Horst Hartmann (Aachen 2000). därtext. Der von Monika Schneikart zusammenge- Diese Bemerkung mache ich, um aus meiner stellte Katalog einer Greifswalder Ausstellung skandinavistischen Außenposition einen viel- (2000) gibt weitere Auskünfte und Exponate. leicht nützlichen Input zu geben. Als Ganzes Es ist jedoch der Verdienst von Walter Baum- liegt hier ein wertvoller Beitrag zur Schwarz- gartner, dass er uns mit seiner Auswahl von in Forschung vor, der Anstöße zu weiterer Be- der Sammlung enthaltenen Gedichten als Gä- schäftigung mit der Greifswalderin und sicher ste zu 51 pommerschen Hochzeiten eingeladen auch weiterführende Diskussion der Methoden hat. Anders als gedruckte Leichenpredigten, de- und Resultate ergeben wird. Sybilla Schwarz ren Daten und Inhalte durch das Marburger In- dürfte damit im Kanon der Germanistik end- stitut für Personalforschung und auch im In- gültig angekommen sein. ternet schon vielfältig verbreitet sind, sind die Eines der vielen neuen Resultate betriff t das Fundorte der Epithalamia oft nur schwer aufzu- Detail, dass die Universitätsstadt Greifswald decken. Auch die hier vorgeführten Hochzeits- keineswegs vom Zugang zur Literatur der Zeit, gedichte waren bis jetzt nur über Filmrollen in inkl. der niederländischen abgeschnitten war. der Universitätsbibliothek erreichbar, was die Und da diese Rezension in den Baltischen Stu- Originale schont, aber den Zugang nicht leich- dien steht, soll noch gesagt sein, dass die in dem ter macht. So wie sie hier erscheinen, als relativ Band vertretenen Greifswalder Forscherinnen kurze gedruckte Gratulationen zu gesellschaftli- ihren Platz in der hier vertretenen international chen Ereignissen, umgeben von anderen Beiträ- (Italien, Polen, Deutschland, USA) besetzten gen, sind sie in ihrem ursprünglichen Element. Schwarz-Forschung mit Bravour behaupten. Wie der Herausgeber im Vorwort betont, ist seine Sammlung als Lesebuch gestaltet, das sich Walter Baumgartner, Greifswald über die Fachleute hinaus an einen größeren Kreis »literarisch, kulturell und regionalhisto- risch interessierter, neugieriger und wissbegieri- ger Leser« wendet. Und es ist eine Wonne, den Walter Baumgartner (Hg.) Keusche Liebes- pommerschen Bürgern bei ihren Hochzeitsfe- Brunst. Barocke Hochzeitsgedichte in Pom- sten zuzuschauen. Dabei hat das Buch jedoch mern 1599 bis1790. Eine Anthologie. Greifs- nichts an Forschungsniveau eingebüßt. Das wald – Karl-Lappe-Verlag, 2016, 20172. 385 S. Vorwort gibt eine kurze Einleitung in die Vi- mit Ill., Softcover/Paperback. tae. In chronologischer Folge schließen sich ein ISBN 978-3-9817655-1-9 oder mehrere Gedichte zu insgesamt 51 stattge-

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fundenen Hochzeiten an. Biographische De- Ehemannes, die Studienreisen und die Famili- tails über Brautpaar und Dichter und kurze Er- ennamen des Brautpaars. läuterungen über Reimschema und Rhythmus Es ist erfreulich, dass der Herausgeber auch die sind in Fußnoten erwähnt. Es gibt Gedichte Hochzeitsgedichte von Sibylla Schwarz (1621– mit oder ohne Noten, mit oder ohne Vignet- 1638, S. 36–51) eingefügt hat, obwohl die Dich- ten, auf Hochdeutsch oder Niederdeutsch. Da terin in den Vitae Pomeranorum nicht vertreten sind vertrauliche Zeilen für Schwestern und ist. Der Vergleich zeigt, wie lebhaft und kun- Brüder, mehr förmliche für Kollegen. Sie alle dig sie sich an der Tradition beteiligte. Die Tat- zeigen ein selbstbewusstes Bürgertum, das sich sache, dass nur eine Frau mit einem Gedicht gekonnt an dieser literarischen Tradition betei- in den Hochzeitsgedichten der Vitae vertreten ligte und Freunden oder Bekannten ein litera- ist (D.E. Rango, S. 250–251), soll jedoch mei- risches Geschenk machte, in dem sie mal feier- ner Meinung nach nicht dazu führen, dass man lich, mal scherzhaft über die eigenen Traditio- annimmt, Frauen seien an dieser Gattung nicht nen refl ektierte. beteiligt gewesen. Am Anfang des 18. Jahrhun- Abschließend folgt ein Essay, eine ausführliche derts klagt die Dichterin Sidonia Hedwig Zäu- Einführung in die Gelegenheitspoesie im Gan- nemann (1714–1740), dass nur Gedichte über zen und die Hochzeitsgedichte im Besonderen. »Trauring, Wiege und Leichenstein« ihr als Dabei wird nicht übersehen, dass sie durch die Dichterin zur Verfügung stünden. Auch die Jahrhunderte für Sammler und Leser mehre- Hochzeitsgedichte der Susanna Elisabeth Zeid- rer Fachbereiche und Interessen wichtig waren. ler (1657–1706) wurden (wie die von Sibylla Obwohl sie eigentlich wenig biographische Da- Schwarz) erst später in einem Sammelband ge- ten vermitteln, führen sie uns – wenn auch oft druckt, obwohl die ihres Bruders für die glei- scherzhaft – in die Konventionen des 17. und chen Hochzeiten im Druck erschienen. Neben 18. Jahrhunderts ein. der dichterischen Qualität der Gedichte der Es war eine gute Idee, den Essay hinter den »Pommerschen Sappho« war das ein weiterer ausgewählten Gedichten zu platzieren. Da- Grund sie hier einzuschließen. durch wird befördert, dass man zuerst die Tex- Eine gelungene Sammlung, die mit Auswahl te liest. In der fröhlich gratulierenden Lektüre und Kommentar viel zu bieten hat und durch entgeht es dem aufmerksamen Leser nicht, dass das Sichtbarmachen einer verborgenen Traditi- hier mehrere schwierigere Th emen angespro- on viel zu der weiteren Erforschung dieser Ver- chen werden: Die schon im Titel der Samm- se und ihrer Autoren beitragen wird. lung ausgesprochenen potentiellen Widersprü- che zwischen Lust und Ehemoral, zwischen Lie- Cornelia Niekus Moore, Fairfax, USA be und einer vorteilhaften Heirat, der oft große Altersunterschied der Eheleute, die fi nanziellen Aspekte einer »guten« Heirat. Dies ist Scherzen aus rechtem Ernst. Es zählt zum Verdienst des Felix Schönrock, Greifswalder Bürgerhäuser Herausgebers, dass er immer wieder zeigt, dass in der Schwedenzeit. Wandel und Kontinui- dies keine unbeholfenen Reimereien von Frei- tät (Beiträge zur Architekturgeschichte und zeit-Dichtern sind, sondern die Produkte der- Denkmalpfl ege in Mecklenburg und Vorpom- jenigen, die im Versemachen erzogen und ge- mern, Bd. 11). Schwerin – Th omas Helms Ver- übt waren und jetzt ihre klassische Bildung in lag 2015. 575 S., zahlreiche farb. und s/w-Abb. ihre Muttersprache umsetzten. Der Einfl uss des ISBN 978-3-944033-06-8 Landsmannes Opitz macht sich bemerkbar, der in seiner Deutschen Poeterey auch diese Gele- Seit vielen Jahren ist Felix Schönrock in Greifs- genheitspoesie bespricht. Bei allen Ansprüchen wald, Stralsund und anderen Städten Vorpom- der Tradition sorgen persönliche Besonderhei- merns für seine ebenso grundlegenden wie ten des Ehepaars oder des Dichters dafür, dass gründlichen Bauforschungen bekannt. Er ist diese Verse auch individuelle Noten enthalten. einer der ausgewiesenen Spezialisten auf die- Dazu zählen Anspielungen auf den Beruf des sem Gebiet in unserem Bundesland, in zahlrei-

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chen Publikationen hat er seine Kenntnisse so- Nachdem er solchergestalt die Rahmenbedin- wohl zu einzelnen Häusern als auch zur Stadt- gungen abgesteckt hat, wendet er sich im Fol- entwicklung in bestimmten Epochen ausgebrei- genden ausführlich der Entwicklung in Greifs- tet. Mit der verdienstvollen Reihe »Greifswald. wald zu, berichtet über militärische und ande- Haus für Haus« hat er den Greifswaldern viele re Rahmenbedingungen, die Einfl uss auf das Schätze ihrer Altstadt vorgestellt, die Lust am Greifswalder Baugeschehen hatten. Er kenn- Abriss in der Stadt am Ryck konnten er und sei- zeichnet dann die städtischen Rahmenbedin- ne Freunde in der Altstadtinitiative damit nicht gungen für die Entwicklung des Baugesche- bremsen. Er hat aber zumindest sehr kundig hens, gibt Einblicke in das »Lübische Baurecht« dokumentiert, was einmal da war und lehrte – ob man ein solches aus den wenigen Arti- viele Greifswalder und ihre Gäste in unzähligen keln des Lübischen Rechts konstruieren soll- Stadtführungen das Sehen, das Hinter-die-Fas- te, ist unter Rechtshistorikern zumindest um- saden-schauen. stritten, die feuerschutztechnischen Anforde- Mit diesem gewichtigen Band legt er seine 2012 rungen und macht Aussagen zu den Bauher- fertiggestellte Dissertation vor, den vorläufi gen ren und Baumeistern. In einem ausführlichen Höhe-, aber ganz sicher nicht den Endpunkt Hauptteil geht er auf Baugeschehen und Ge- seiner Forschungen. Nachdem er in seine Fra- bäude ein, untersucht zunächst die Baukon- gestellung eingeleitet und die Ziele der Unter- junkturphasen, die Bauweise, die Entwicklung suchung benannt hat – es geht ihm um Bau der Fassadengliederungen, Geschossigkeit und und Reparatur an den Greifswalder Bürger- Geschossnutzung, Raumtypen und Grundris- häusern in der Schwedenzeit, aus der Betrach- sentwicklung, Dachkonstruktionen, Seitenfl ü- tung ausgeschlossen und eine eigene umfang- gel und andere Hofgebäude. Damit kommt er reiche Arbeit wert sind die öff entlichen Bauten zu wichtigen Aussagen: hinter vielen Fassaden wie Kirchen, Universitätsgebäude, Hofgericht des 19. Jahrhunderts verbergen sich Gebäude, und andere – gibt er zunächst einen landesge- die mindestens 100 bis 200 Jahre älter sind, vor schichtlichen Überblick über Schwedisch-Vor- allem in den Kellern kann Vf. zahlreiche mit- pommern. Danach untersucht er die königlich- telalterliche Befunde nachweisen. Anders als in schwedischen Freiheitspatente und ihre Aus- Stralsund und anderen pommerschen Städten wirkungen auf das Baugeschehen in Greifs- vollzieht sich – vielleicht bedingt durch Einfl üs- wald. Intendiert waren diese Patente, um den se, die durch die Landesuniversität in die Stadt Wiederaufbau nach den Kriegen zu befl ügeln. kamen – in Greifswald bei Neubauten schon Schönrock prüft ihre Wirkung in Stralsund, in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts der Wolgast, Loitz und den übrigen schwedische- Übergang vom Giebel- zum Traufenhaus. Mit pommerschen Landstädten und zeigt, wie fl e- diesem Übergang ändert sich auch die Gliede- xibel die Krone mit dieser Regelung umging, rung der Fassade, die giebelhausprägende Kauf- um sich nicht der Steuergrundlage zu berauben mannsdiele verschwindet, Geschosse werden – entsprechend abgestuft nach den Bauleistun- anders strukturiert, aus Balkendeckenkellern gen wurden zwei bis zwölf Freijahre vergeben. werden Gewölbekeller. Für all diese Entwick- Vergleichend lenkt er den Blick nach Mecklen- lungen benennt Schönrock zahlreiche Beispie- burg und nimmt Rostock und das ebenfalls un- le, diskutiert die Gründe für die Modernisie- ter schwedischer Hoheit stehende Wismar in rung und vergleicht die Greifswalder Befunde den Blick, wobei er erhebliche Unterschiede sehr sicher mit anderen Städten. in der Politik in beiden Städten feststellt. Wäh- Was die Arbeit so wertvoll macht ist, dass rend Wismar es ablehnte, generell Freijahre für Schönrock den Überblick über das gesamte erbrachte Bauleistungen zu gewähren, um die Material hat und souverän Beispiele für seine Steuerlast für die restlichen Bürger nicht erhö- einzelnen Fragestellungen auswählen und bebil- hen zu müssen, und nur sehr selten zu diesem dern kann. Bei ihm kann man sicher sein, dass Steuerungselement griff , ging man in Rostock er nicht aus einzelnen Befunden weitreichen- vergleichbar zu Schwedisch-Pommern vor und de Schlussfolgerungen zieht, seine Argumen- hatte auch die entsprechenden Erfolge beim tation steht auf sehr sicherer Grundlage, eige- Wiederaufbau. ner solider Arbeit in allen erreichbaren Quel-

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len. In über 1500 Endnoten lassen sich die Bele- zügig, die zahlreichen Abbildungen sind von ge für die Aussagen Schönrocks nachvollziehen, vorbildlicher Qualität, mit Liebe zum Detail doch er geht natürlich weiter. Im Anhang liefert bearbeitet und so gesetzt, dass man beim Blät- er zunächst eine Konkordanz der Straßenna- tern immer wieder neugierig wird und sich im men, es folgen Regesten zu allen nachweisbaren Text festliest. Wer ein Haus in der Greifswalder Neubauten und Reparaturen an bürgerlichen Altstadt bewohnt oder besitzt, wer sich für die Wohnhäusern in Greifswald zwischen 1669 und Innenstadt interessiert, wer in der Stadtverwal- 1825 mit den wichtigsten Quellenangaben. Al- tung für Bau und Denkmalpfl ege verantwort- lein diese 30 Seiten sind ein Nachschlagewerk lich ist, kommt an diesem Buch nicht vorbei, er für die Greifswalder Hausforschung von er- wird glücklich sein über die Vielzahl an belast- stem Rang. Es folgen Listen der Stadtmaurer- baren und nachprüfbaren Informationen, über meister zwischen 1679 und 1855, der Stadtzim- all die bereitwillig dargebotenen Möglichkeiten mermeister zwischen 1652 und 1855, der städ- zur weiteren Forschung. Greifswald kann sich tischen Bauschreiber zwischen 1659 und 1854 glücklich schätzen, einen Forscher wie Schön- und der Greifswalder Kammersekretäre zwi- rock in seinen Mauern zu haben, es kann sich schen 1664 und 1832, womit er seine wichtig- freuen über dieses Maßstäbe setzende Buch. sten Informanten und natürlich jeweils die ent- sprechenden Quellen- und Literaturhinweise Nils Jörn, Wismar nennt. Es folgen Transkriptionen einiger Quel- len zu Häusern im Schuhhagen (1688), am Markt, Ecke Mühlenstraße (1788) und in der Langen Straße (1803), die die unterschiedliche Christfried Böttrich, Th omas K. Kuhn, Tiefe der Informationen in den Quellen zei- Daniel Stein Kokin (Hgg.), Die Greifswalder gen. Sehr verdienstvoll sind seine Karten zum Lehrsynagoge Johann Friedrich Mayers. Ein Greifswalder Baugeschehen, die er in die Ab- Beispiel christlicher Rezeption des Judentums schnitte 1670–1720, 1721–1757 und 1760–1803 im 18. Jahrhundert (Greifswalder Th eologische gliedert. Er zeigt die Folgen des Stadtbrandes Forschungen, Bd. 26). Leipzig – Evangelische von 1736 und die im Anschluss daran ausge- Verlagsanstalt 2016. 606 S. führten Baumaßnahmen sowie in einer eigenen ISBN 978-3-374-04529-7 Darstellung die Baumaßnahmen der Kaufl eu- te für eigene Wohnzwecke bzw. um die Häuser Die Tradition der Beschäftigung mit dem nach- danach zu vermieten oder zu verkaufen. biblischen Judentum an der Greifswalder Th eo- Das Quellen- und Literaturverzeichnis weist logischen Fakultät ist im allgemeinen Bewusst- seine Forschungen in den Stadtarchiven Barth, sein vor allem mit dem Namen Gustaf Dal- Greifswald, Rostock, Stralsund und Wismar, im mann (1855–1941) verbunden. Das nach ihm Landesarchiv und Universitätsarchiv sowie der benannte dortige Institut hat über Jahrzehnte Universitätsbibliothek Greifswald nach. Schön- hindurch Lehre, Forschung und Ausbildung der rock kann mit Fug und Recht behaupten jeden pommerschen Th eologenschaft geprägt. Es hat Stein in den Greifswalder Einrichtungen um- zweifellos dazu beigetragen, dass die pommer- gedreht zu haben, der irgendwie verheißungs- sche Landeskirche die »bleibende Treue Got- voll war. Geschickt sucht er sich zudem das Ver- tes zu seinem Volk Israel« schon früh in ihrer gleichsmaterial aus den benachbarten Hanse- Kirchenordnung bezeugt hat, ein Zeugnis, das städten und setzt es für seine Argumentation jetzt auch in die Verfassung der Evangelisch-lu- und den Vergleich Pommern – Mecklenburg – therischen Kirche in Norddeutschland Eingang Brandenburg ein. Zuverlässige, von Sabine Bock fand. Wie schwierig, langwierig und mit vielen erstellte Register zu Orten, Greifswalder Häu- Irrwegen verbunden der Weg bis zu dieser Ein- sern und Straßen sowie Personen geben einen sicht war, wird aus dem hier vorrangig hinsicht- schnellen Zugriff auf das reichhaltige Material. lich seiner pommerschen Bezüge vorzustellen- Einmal mehr hat der Th omas Helms Verlag ein den Aufsatzband konkret und anschaulich. Buch vorgelegt, in dem es Spaß macht zu lesen, Das Buch beginnt mit einem die Lektüre er- zu blättern, zu entdecken. Das Layout ist groß- leichternden Vorwort der Herausgeber, in dem

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Werdegang und forschungsgeschichtlicher Ort dentums«, der vor allem die Jahrhunderte wäh- des Sammelbandes erläutert werden. Das Start- rende Geschichte der Judenfeindschaft verfolgt. signal setzte eine Studientagung des Gustaf- Hervorgehoben wird dann aber der Neuansatz Dalmann-Institus im September 2009. Beson- einer vorurteilsfreieren Sicht auf die rabbini- ders hervorgehoben werden hier die Verdienste sche Th eologie, der in der zweiten Hälfte des von MichaeI Korey, Oberkonservator in den 17. Jahrhundert erstmals durch den anglikani- Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, der zu- schen Gelehrten John Lightfoot gewagt wurde. vor auf die Präsentation der Greifswalder Lehr- Leserinnen und Lesern des Buches ist zu emp- synagoge in Dresden gestoßen war und sie da- fehlen, die Lektüre dieser Studie von Th omas mit wiederentdeckt hat. Willi vorzuziehen. Der erste Aufsatz ist eine Arbeit des Mitheraus- Der Greifswalder Neutestamentler und Mither- gebers und Lehrstuhlinhabers für Kirchenge- ausgeber des Buches Christfried Böttrich führt schichte in Greifswald Th omas K. Kuhn: »Ju- in »›Die Mayerische Synagoga in Greiff swalde‹- denfeindschaft und Judenbekehrung – Zur Ge- Einleitung« (S. 77–88) zunächst in die Gedan- schichte der Juden in Pommern um 1700« (S. kenwelt und die gleichnamige Schrift von Chri- 13–75). Die sozialen, politischen und kultu- stoph Wallich (1672–1743) ein. Der zum Chri- rellen Bedingungen jüdischen Lebens in dem stentum konvertierte Jude kam 1706 als Stu- zwischen Brandenburg und Schweden geteil- dent und Hebräischlektor nach Greifswald. Er ten Land werden in ihren Grundzügen, aber hat im Auftrag und in Zusammenarbeit mit auch in vielen Detailschilderungen dargestellt. Mayer die Lehrsynagoge eingerichtet und aus- Hilfreich ist die Fülle von Literatur und Quel- führlich beschrieben. Diese Beschreibung ist len, die der Autor aufl istet und erörtert, dar- das wichtigste Zeugnis der Existenz dieser Ein- unter auch Arbeiten des Greifswalder Wissen- richtung, die 1708 eröff net und bereits 1712 in schaftlers Wolfgang Wilhelmus, der sich unter den Wirren des Nordischen Krieges aus Greifs- schwierigen Bedingungen als einer der ersten wald auf vielen Umwegen nach Dresden ver- DDR-Historiker der Geschichte der Juden in bracht wurde und später verschollen ist. Es Pommern zugewandt hat. Wohl erstmals wird folgt ein Nachdruck dieser Schrift (S. 89–132) in Kuhns Aufsatz eine umfassende Rekonstruk- und ein historisch-kritischer Kommentar dazu tion der Biographie des in Greifswald getauften, (S. 133–186) von Christfried Böttrich und Dani- ursprünglich aus dem sephardischen Judentum el Stein Kokin, dem dritten Mitherausgeber und Portugals stammenden Johann Friedrich Men- Juniorprofessor für Judaistik an der Ernst-Mo- tes und eine historisch-kritische Aufarbeitung ritz-Arndt-Universität Greifswald, der wohl als der über ihn vorliegenden Quellen und Sekun- erster Jude in der Geschichte in Lehre und For- därliteratur vorgenommen (S. 48–75). schung der dortigen Ev.-Th eol. Fakultät tätig ist Ein zweiter grundlegender, leider erst im hin- und damit den eingangs erwähnten Neuanfang teren Teil des Sammelbandes platzierter, aber jüdisch-christlicher Beziehungen repräsentiert. für die Einordnung und Bewertung der Wirk- Der Kommentar zu Wallichs Schrift liest sich samkeit Mayers und ihres geistes- und kultur- als materialreiche Einführung in das Schrift- geschichtlichen Rahmens instruktiver Auf- und Traditionsverständnis rabbinischen Den- satz stammt von Th omas Willi: »Christentum kens. Zusammen mit den Arbeiten von Yaa- und Judentum – Disgruenz und Konvergenz cov Deutsch (Wallich’s BOOK in its Historical im Spiegel von Christoph Wallichs Blütenlese and Literary Context, S. 473–484), Ruth Langer rabbinischer Lehrsprüche« (S. 449–470). An- (Wallich’s Polemical Discussion of Aleynu and ders als der Titel vermuten lässt, ist diese Arbeit its Context, S. 485–500) und vor allem Naomi des emeritierten Greifswalder Alttestamentlers, Feuchtwanger-Sarig (Synagoga Christiana: Th e Judaisten und späten Nachfolgers Dalmanns ›Mayerische Synagoga in Greiff swalde‹ Recon- zunächst eine kurze, aber sehr präzise theolo- structed, S. 501–552) macht er das Buch auch gie- und geistesgeschichtliche Darstellung der zu einer Fundgrube für die judaistische Wissen- christlich-jüdischen Begegnung. Sie beginnt schaft. Forschungsgeschichtliches Neuland wird mit einem Überblick »Voraussetzungen und betreten in den beiden Studien von Christfried Spuren einer christlichen Entdeckung des Ju- Böttrich über »Fragmente einer Biographie Wal-

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lichs« (S. 247–304) und dessen »Gelegenheits- stammt von Jens Hoppe, Historiker bei der dichtungen« ( S. 305–348), die hier z. T. erst- Conference on Jewish Material Claims Against mals vorgestellt und interpretiert werden. : »Die Greifswalder Lehrsynagoge und Die prägende Persönlichkeit der Greifswalder die Anfänge der Museologie des Jüdischen in Theologischen Fakultät im beginnenden 18. Deutschland« (S. 577–604) Jahrhundert war fraglos Johann Friedrich May- Insgesamt ist zu würdigen, dass das Buch un- er (1650–1712) der aus Sachsen stammte, über terschiedliche Perspektiven auf die Vor- und Hamburg 1701 nach Greifswald kam und dort Nachgeschichte der Greifswalder Lehrsynagoge Generalsuperintendent, Geistlicher am Dom Johann Friedrich Mayers, ihre Rahmenbedin- St. Nikolai und Th eologieprofessor wurde. Zu- gungen, Ausgestaltung und ihre Zweckbestim- nächst zeichnet Christfried Böttrich seinen Le- mung eröff net. Viel umfassender, als der Titel bensweg nach in »Die Geschichte der Mayer- erkennen lässt, leistet es damit einen breitge- schen Lehrsynagoge. Nachrichten und Spuren« fächerten Beitrag zur theologie- und kulturge- (S. 187–246). Schon in seiner Hamburger Zeit schichtlichen Aufarbeitung der jüdisch-christ- hatte Mayer 1692 die Existenz von Synagogen lichen. Beziehungen sowie zur Kenntnis des und Juden als »Ursache drohenden wirtschaftli- Judentums und macht die jüdische und die chen Unglücks« gebrandmarkt (S. 200). Daraus christliche Geisteswelt in Europa lebendig, in folgert Böttrich über Mayers Motivation für die der die Th eologische Fakultät der Greifswalder Einrichtung der Lehrsynagoge: »Es kann also Landesuniversität in Schwedisch-Vorpommern gar kein Zweifel daran bestehen, dass es Mayer eine nicht unbedeutende Rolle spielte. weder um Verständigung noch um Aufklärung, Nebenbei: einmal mehr werden im Nachden- sondern vorrangig um eine ›Überwindung‹ des ken über das Buch die wundersamen Wege der Judentums geht.« (ebenda.). Ausführlich wid- Geschichte deutlich, wenn eine durch antijü- met sich Volker Gummelt, apl. Professor für dische Polemik intendierte Einrichtung unfrei- Kirchengeschichte in Greifswald, der bereits willig die geistige Kraft und die reiche Spiritua- seine Habilitationsschrift über Mayer verfasst lität des nachbiblischen Judentums aufl euchten hat, diesem Th ema: »Der lutherische Kontro- lässt. Dass diese Wege am Ende zum Ziel füh- verstheologe Johann Friedrich Mayer und das ren, mag auch die im November 2016 durch die Judentum seiner Zeit« (S. 349–372). Dass May- Synode der Evangelischen Kirche in Deutsch- er im übrigen ein konfl iktfreudiger und sehr ei- land beschlossene Abkehr von der Judenmissi- genwilliger Mann war, der sich auch mit aben- on bezeugen. Aber welche Katastrophen mus- teuerlichen Überlegungen wie einer Verlegung sten dem vorausgehen – und wie gefährlich der Greifswalder alma mater nach Stettin be- bleiben Antijudaismus und Antisemitismus, schäftigte, schildert Dirk Alvermann, Leiter des unter welchem Deckmantel auch immer sie ihr Greifswalder Universitätsarchivs, in seinem Bei- Gift versprühen, leider auch bis heute in Pom- trag »Deus ex machina-Johann Friedrich May- mern. er als ›Wissenschaftsorganisator‹ « (S. 373–426). Einen anregenden Beitrag zur Greifswalder Christoph Ehricht, Greifswald Stadt- und Baugeschichte liefert schließlich der Greifswalder Historiker Mario Schmelter: »Die Dekanei in der Greifswalder Domstrasse 14 (3)« (S. 427–447). Jürgen von Gerlach, von Gerlach. Lebensbilder Am Ende des Buches sind zwei Aufsätze zu le- einer Familie in sechs Jahrhunderten (Deut- sen, die museologische Th emen behandeln und sches Familienarchiv. Ein Genealogisches damit ein weiteres Wissenschaftsgebiet erfas- Sammelwerk, Bd. 160). Insingen – Verlag sen. Der bereits erwähnte Wiederentdecker der Degener & Co. 2015. 384 S., zahlr. s/w u. farb. Mayerschen Lehrsynagoge Michael Korey be- Abb. ISBN 978-3-7686-5209-4 richtet über »Das Sammeln und Ausstellen von jüdischen Ritualgegenständen durch Nichtju- Der gut eingeführte Fachverlag für Genealogie, den in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts« Landes- und Heimatkunde sowie Kulturge- (S. 553–556). Der letzte Beitrag im Sammelband schichte – von der Heraldik scheint er sich ab-

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gewandt zu haben – hat in seiner angesehenen III. von Brandenburg bzw. in Preußen, der 1701 Reihe »Deutsches Familienarchiv« schon vor ge- König in Preußen wurde. 1695 wurde er Hof- raumer Zeit ein Buch herausgebracht, das auch gerichtsadvokat in Stolp, 1697 schon für lan- die interessieren wird, die sich für die Geschich- ge zwei Jahrzehnte Referendar und Sekretär des te Pommerns insbesondere in der Neuzeit, aber dortigen Landvogteigerichts, das erstinstanz- auch für die allgemeine Geschichte Preußens je- lich für den Adel zuständig war und 1720 auf- ner Zeiten interessieren. Es bietet auch etwas gelöst wurde. 1718 bis 1720 ist er als Bürgermei- für die Freunde der preußischen Verfassungs- ster nachzuweisen, und 1720 wurde er zum Kö- und Verwaltungsgeschichte. Die Geschich- niglich-preußischen Hofgerichtsrat an dem in te der Familie, die 1735 mit Lebrecht von Ger- demselben Jahr zu Köslin gegründeten Hofge- lach in den erblichen preußischen Adelsstand richt für das östliche Hinterpommern ernannt. erhoben wurde, ist auf der einen Seite irgend- Auch das war eine ständische Einrichtung, die wie typisch für viele preußische und auch pom- je zur Hälfte mit adeligen und bürgerlichen, mersche Beamten- und Offi ziersfamilien, deren rechtsgelehrten Richtern besetzt und für den Mitglieder ihrem Land über Generationen hin- schlossgesessenen Adel hauptsächlich für Lehn- weg treu, pfl ichtbewusst, eifrig und vorbildlich sachen und bürgerliche Streitigkeiten zuständig dienten, auf der anderen Seite ist sie einzigartig. war (S. 71–76). 1735 erfolgte auf sein Ersuchen Wie könnte es auch anders sein? Das wird in hin die schon genannte Erhebung in den erbli- dem vorliegenden Buch gut, anschaulich und chen preußischen Adel (S. 78–83). kurzweilig dargestellt. Lebrechts Enkel Leopold von Gerlach (1757– Die Familie von Gerlach stammt aus Melsun- 1813), Sohn des einflussreichen Geheimen gen in Nordhessen, vulgo »hessisch Sibirien«, Oberfi nanzrates beim Generaldirektorium, der wo schon 1318 ein Gerlacus genannt wird, 1332 obersten Verwaltungsbehörde Preußens, Fried- dann ein Schöff e Gerlach. Dabei kann es sich rich Wilhelm von Gerlach (1711–1780, S. 87- allerdings um den damals nicht ungewöhnli- 95), stieg 1795 vom Rat in der Kurmärkischen chen Vornamen handeln, und die gesicherte Kriegs- und Domänenkammer (seit 1780) zum Stammreihe beginnt denn auch erst 1447 mit Präsidenten dieses Kollegiums auf. 1809 erhielt einem Gerlach aus dem Dorf Obermelsun- der das Berliner Bürgerrecht und wurde kurze gen. Die Familie gelangte rasch zu Wohlstand Zeit später zum ersten Oberbürgermeister der und Ansehen. Martin Gerlach (1532/33 bis nach preußischen Hauptstadt gewählt bzw. ernannt. 1613) war ein begüterter Bauer in Melsungen Das über ihn überlieferte Urteil aus dem Jahr und das erste Familienmitglied, von dem ei- 1801, das keineswegs negativ aufzufassen ist, gene schriftliche Zeugnisse überliefert sind (S. er sei »ein sehr rechtschaff ener, gewißenhafter, 41). Sein Nachkomme und Namensvetter Mar- mühsamer, fleißiger, gründlicher Geschäfts- tin Gerlach II (um 1560–1638) zog nach Osten mann«, aber nicht befähigt, »die Geschäfte und wurde in Nienburg an der Saale Bürger- kurz zum Ziel zu führen, ohne Verletzung der meister und Richter bei den Fürsten von An- Gründlichkeit oder Form« (S. 98) dürfte sicher- halt-Köthen. Sein Enkel, der IV. gleichen Na- lich auf ihn ebenso zutreff en wie auf die Mehr- mens (1630–1687), heiratete 1654 in die anhal- heit der Amtsträger im Königreich Preußen! tische Th eologendynastie Sachse ein, was einen Zunächst diente er, dessen Behörde im Berli- deutlichen gesellschaftlichen Aufstieg nach sich ner Schloss untergebracht war, noch dem »Al- zog. 1658 wurde er Küchenmeister, »Verwalter ten Fritz«, dessen gleichsam moderne, aufklä- und Vorsteher der Fürstlichen Tafel am Köthe- rerische Weltanschauung er, ein Anhänger des ner Hof« (S. 61), und 1684 Kammerverwalter in sog. Reichspatriotismus«, strikt ablehnte. Des- Bernburg. Sein Sohn Lebrecht G. (1669–1742) halb ist es nicht erstaunlich, dass er unter Fried- studierte von 1689 bis 1694 die Rechte in Frank- rich Wilhelm II. Karriere machte und an Ein- furt an der Oder und Jena. Mit ihm wurde die fl uss gewann, zumal er den schwärmerischen Familie in Preußen und in Pommern ansässig, und intoleranten religiösen Anschauungen des so dass sie für uns interessant wird und beach- berüchtigten Ministers Wöllner nahe stand (S. tet werden muss. Er zog nach Stolp und trat in 96–113). Dieser Gerlach begründete den Fami- die Dienste von Kurfürst bzw. Herzog Friedrich lienzweig, der sich nach dem von ihm 1805 er-

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worbenen Gut Rohrbeck in der Neumark, die dien, darunter zwei Monographien, ausführ- keine preußische Provinz war (S. 194), son- lich mit den beiden Brüdern, denen man Re- dern zu Brandenburg gehörte. Dem Gut ist spekt nicht versagen kann; die einschlägigen Ti- ein eigener Abschnitt gewidmet (S. 194–205) tel fi ndet man in dem umfangreichen und er- – Sein älterer Bruder Ludwig August von Ger- schöpfenden Literaturverzeichnis (S. 346–359, lach (1751–1809, 278–281), Präsident des Hofge- hier S. 352 f.). Man merkt den entsprechenden richts zu Köslin seit 1797, der Wirkungsstätte Passagen der vorliegenden Familiengeschichte seines Großvaters, hingegen begründet den Par- an, dass ihr Verfasser diese Veröff entlichungen sower Familienzweig, benannt nach dem 1779 mit großem Gewinn genutzt hat. So ist denn von seinem Vater erworbenen Gut zwischen auch gleich einleitend ein Dank an Kraus zu Körlin und Köslin, für das der Sohn 1806 ei- fi nden (S. 17), dessen Studien weiter führen als nen bis 1922 bestehenden Fideikommiss stiftete die eher umstrittenen Darstellungen von Hans- (S. 281). Parsow mit seinen Gebäuden und den Joachim Schoeps. – Die Brüder waren wie ihre herrlichen alten Königseichen (S. 311 mit Farb- Geschwister weltanschaulich durch ihren Vater foto) wird in dem Buch anschaulich vorgestellt und dessen schroff e Ablehnung der aufkläreri- und geschildert (S. 304–312). schen Welt Friedrichs des Großen geprägt, dem Der Rohrbecker Leopold von Gerlach hatte sie diesen Ehrentitel hartnäckig verweigerten fünf Kinder, eine Tochter und vier Söhne. An (S. 97). Ihr älterer Bruder Wilhelm (1789–1834, zwei dieser Söhne denkt jeder unwillkürlich, S. 121–180) wurde Vizepräsident des Oberlan- der den Namen von Gerlach – über den Namen desgerichts Frankfurt/Oder, ihr jüngerer Bru- gibt es ebenso ein eigenes Kapitel einschließlich der Otto (1801–1849, S. 166–180) war Th eologe, des Heiligen Gerlach aus dem 12. Jahrhundert 1835 bis 1847 Pfarrer an St. Elisabeth, einer der wie über andere Familien dieses Namens, zwi- vier von Schinkel erbauten sog. Vorstadtkirchen schen denen sich keine Verwandtschaft nach- , und dann sehr einfl ussreicher Hof- und weisen lässt (S. 319–325, 333–337), – hört oder Domprediger. – Sophie (1787–1807), die einzige liest und in der neueren preußischen Geschich- und älteres Schwester der vier Brüder, die welt- te etwas bewandert ist. Es sind Leopold (1791– anschaulich ganz eng verbunden waren, heira- 1861), General und Generaladjutant des Königs, tete 1804 Karl von Grolman (1777–1843), der und Ludwig von Gerlach, Präsident des Ap- spätere General und von 1814 bis 1819 der er- pellationsgerichts Magdeburg und Führer der ste Chef des preußischen Generalstabes (S. 118– preußischen Konservativen, die zur hoch ein- 120), ein eher liberaler Mann. fl ussreichen Kamarilla um König Friedrich Wil- Uns muss hier noch interessieren, dass meh- helm IV. (1795–1861, reg. 1840–1858, vertreten rere Familienmitglieder wesentliche Rollen in durch den Prinzen v. Preußen seit 1857) gehör- der Verwaltung Pommern im 19. Jahrhundert ten, dem Romantiker auf dem preußischen Kö- spielten. Sie sollen wenigstens genannt werden. nigsthron und wohl gebildetsten Hohenzoller, Dr. Klaus von Gerlach (1875–1955, S.193 f.) war und deren Kern bildeten, ja vielleicht sogar die- Landrat des Kreises Kolberg-Körlin von 1917 bis se letzten Endes ausmachten. Sie waren kom- 1920, nicht aber von Lauenburg, wie hier lesen promisslose Vertreter eines anachronistischen, ist (S. 193). Im Inferno des Jahres 1945 rette er romantisch verbrämten und zutiefst christlich- große Teile des Familienarchiv aus Rohrbeck, konservativ geprägten Gottesgnadentums. Sie das 1954 durch Vermittlung von Hans-Joachim wurden zu Ziehvätern Otto v. Bismarcks, der Schoeps an die Universität Erlangen kam, wo sich dann aber zum sich an der Staatsraison ori- man es freilich kaum suchen wird. Carl Hein- entierenden Realpolitiker wandelte. Das führ- rich von Gerlach (1783–1860, S. 283–285) war te zum tiefen und seit dem sog. Kulturkampf von 1812 bis 1839 auf Wunsch des Staatskanz- irreparablen Bruch mit den Gerlachs und ih- lers Fürst Hardenberg Landrat des Fürstentums ren Freunden. Der in Passau lehrende Histori- Kammin (Cammin), 1824 bis 1853 gewählter ker Hans-Christof Kraus, der sich um die ob- Deputierter zum Pommerschen Provinzialland- jektive Darstellung der preußischen Geschich- tag und dessen stellvertretender Landtagsmar- te insbesondere des 19. Jahrhunderts verdient schall. 1847 gehörte er dem Vereinigten Land- gemacht hat, befasste sich in mehreren Stu- tag an, 1850 dem Erfurter Unionsparlament.

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1854 berief in der König auf Lebenszeit in das stizdienst an, wurde Richter am Oberlandes- Herrenhaus, die Erste Kammer des Preußischen gericht in Frankfurt am Main und schließlich Landtags bis 1918, deren Alterspräsident er war. 1986 Richter am Bundesgerichtshof in Karlsru- Sein Schwiegervater war der Großkanzler (1. he. Bereits früher ist er mit Aufsätzen zur Fa- Justizminister) Carl Friedrich (von) Beyme miliengeschichte hervorgetreten. Seine schöne (S. 285–288), an den in Berlin bis heute u. a. Familiengeschichte ist reich und anschaulich die Domäne Dahlem und sein Herrenhaus in illustriert, wobei viele Vorlagen bisher noch Steglitz, das Wrangel-Schlösschen, erinnern. nicht veröff entlicht waren, was dem Buch zu- August von Gerlach (1830–1906, S. 290–292), sätzlichen Reiz verleiht. »Institutionen« der Fa- der Sohn Carl Heinrichs, war von 1873 bis 1891 milie, dem schon erwähnten Archiv, heute in Landrat des Kreises Köslin-Land und jahrzehn- Erlangen, dem Familientag und dem Famili- telang, 1866 bis 1906, als Konservativer Parla- enverband sind eigene Abschnitte gewidmet mentarier im Reichstag und in beiden Häusern (S. 326–332). Stammtafeln, Literatur-, Quel- des Preußischen Landtags; die Berufung in das len- und Abkürzungsverzeichnis sowie ein gut Herrenhaus, dem er bis zu seinem Tod angehör- und durchdacht untergliederter Registerteil be- te, erfolgte 1889. schließen das gelungene Buch (S. 338–382), das, Ein kleines Kapitel beschäftigt sich mit dem wie hoff entlich gezeigt werden konnte, auch Ritter- und Adelsbrief für einen Jakob Ger- wertvolle Auskünfte zur Geschichte Pommerns lach, den Kaiser Sigmund in Rom anlässlich im 18. und 19. Jahrhundert gibt. seiner Kaiserkrönung 1433 ausgestellt haben soll. Dabei handelt es sich allerdings um eine Berlin, Ludwig Biewer Fälschung. Das Diplom ist ohnehin nur in ei- ner beglaubigten Zweitabschrift aus der Stifts- kanzlei Quedlinburg von 1663 überliefert, die ganzseitig und in Farbe abgebildet wird (S. Hans Herbert Krause, Stettin auf Weißem 314). Die mutmaßliche Geschichte der Fäl- Gold. Veduten auf Porzellan des 18. und schung und der Urkundenabschriften wird ex- 19. Jahr hunderts (Stettiner Heft Nr. 20), hgg. akt nachgezeichnet, wobei der Verfasser seiner v. Historischen Arbeitskreis Stettin, 120 S., eigenen früheren und ausführlichen, gründlich viele, großenteils farb. Abb., Planskizzen und belegten Studie folgt (in: HEROLD-Jahrbuch Tab. Erstaufl age April 2017. Ohne ISBN. Zu NF 13, 2008, S. 25–63). Allerdings geht er auf beziehen über Haus Stettin, Hüxterdamm 18 A, das Wappen selbst nicht ein und hinterfragt es 23552 Lübeck. auch nicht. Es ist sehr schön gleich am Anfang des Buches noch vor dem Inhaltsverzeichnis in Vorausgeschickt sei die allgemeine Bemerkung, der Fassung von 1633 abgebildet, in der es sich dass es kaum eine anschaulichere Möglichkeit in der Abschrift von 1663 und auch im Adels- gibt, etwas über die Baugeschichte, Kultur und brief von 1735 fi ndet: in Schwarz ein aus einer wirtschaftliche Entwicklung einer Stadt zu er- roten und goldenen Flamme wachsender silber- fahren als über die Porzellanmalerei mit der ner Pferderumpf, auf dem Helm mit schwarz- Darstellung von Stadtansichten (Veduten) auf silbernen Decken das Wappenbild. Es handelt Sammeltassen, Tellern und Vasen. Die Male- sich um ein aus heraldischer Sicht gesehen aus- rei auf Glasobjekten gehört entfernt mit dazu. gesprochen misslungenes Wappen, das ein Pro- Insbesondere die Porzellanmanufaktur hat die- dukt einer frühen Wappenhandels- oder auch se Kunst seit der Wiedererfi ndung des »Weißen Wappenschwindelfi rma sein könnte. Da es aber Goldes« durch den Sachsen Johann Friedrich von der Familie seit langer Zeit geführt wird, Böttger aufblühen lassen. Im Jahr 1710 wurde kann man es wohl kritisieren und schlecht fi n- von ihm die Meißner Porzellanmanufaktur ge- den, aber nicht wirklich beanstanden. Es ist lei- gründet. der kein Einzelfall. In den ersten 5 Kapiteln des großformatigen Der Verfasser Jürgen von Gerlach wurde 1936 Heftes werden die wichtigsten Daten der Por- geboren und ist, ganz in der Familientradition zellanherstellung in Deutschland kurz darge- stehend, Jurist. Er gehörte dem hessischen Ju- stellt. Der Werkstoff Porzellan wurde in Stet-

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tin nicht hergestellt. Im Wesentlichen wurden ße und Form, Bezeich-nung und zum Besitz. die Rohlinge von den Stettiner Porzellanhänd- Literaturhinweise vervollständigen die Bild- lern und Porzellanmalern von der Königli- beschreibungen. Einige Tassen zeigen mehre- chen Porzellan-Manufaktur Berlin (KPM) be- re verschiedene Bilder. Als Vorlage zu den An- zo-gen. Andere Bezugsquellen waren die Fried- sichten dienten den anonym gbliebenen Por- rich Adolph Schuhmann Porzellan-Manufaktur zellanmalern neben ihren eigenen Entwürfen Berlin (SPM) und die Sanitäts- und Steingut- Wiedergaben von Lithographien, Stahlstichen, Fabriken Carl Krister, Waldenburg/Schlesien. Holzstichen, Federzeichnungen, Aquarellen Eine farbige Markentafel fasst die Firmensignets und Ölgemälden bekannter Künstler wie z.B. mit Angabe der Herstellungsjahre (blaues Zep- J. F. Rosmäsler, Friedrich Gilly, E. Scharden, ter der KPM) und der Konkurrenz-Manufaktu- E. Sanne und August Ludwig Most. Die Vorla- ren SPM und Krister zusammen. In einer ande- gen werden in den Begleittexten im Ganz- oder ren großen Übersichtstafel, die aus den Adress- Teilformat mit gezeigt. Historische Anmerkun- büchern Stettins im Zeitraum 1833–1870 zu- gen z.B. zur Geschichte der Alten Baumbrücke, sammengestellt wurde, werden die Namen und der Jakobi-Kirche, der Peter- und Paul-Kirche Adressen von 13 Porzellanhändlern und Porzel- und des Logengartens ergänzen die Ausführun- lanmalern (Hausmaler) sowie mehrerer Brenn- gen. Besonders gut passen zu dem Hauptthe- anstalten angegeben. Der Beruf des Töpfers ma die Kapitel 7.1 über die höfi sche Tafelkultur wurde laut dem Allgemeinen Wohnungsanzei- Preußens am Schloss zu Stettin und 7.2 über ger für Stettin aus dem Jahr 1852 von 14 Töp- das Porzellan in der gehobenen bürgerlichen fermeistern ausgeübt. Als Motive wurden von Tafelkultur Stettins. Nur wenige Streitfragen ihnen hauptsächlich Blumen, Blüten und Stri- konnten in diesem Zusammenhang nicht rest- chelemente in Töpfe eingebrannt (Fayance- los geklärt werden. Es erscheint dem Rezensen- malerei). Die Motive veränderten sich im Ver- ten auch unwesentlich, ob die beiden Prunktel- lauf von 200 Jahren. Seit 2012 wird die tradi- ler mit Ansichten von Stettin als Geschenk des tionelle »Stettiner Ware« nach historischen Mu- preußischen Königshauses an die beiden russi- stern als bäuerliche Fayance wieder in Stettin schen Kaiserinnen Maria Fjodorowna (geboren hergestellt. in Stettin als Sophie Dorothee Auguste Luise Das Kernstück des großformatigen Heftes bil- Prinzessin von Württemberg) und Großfürstin det das Kapitel 8 mit Einzeldarstellungen der Elisabeth Alexejewna im Entstehungsjahr 1818 Stettin-Motive auf Weißem Gold. In einer oder etwas später versandt wurden. Interessan- Übersichtstabelle werden die Bestände an Por- ter ist der Nachweis des Autors einer Widmung zellantassen und -tellern in Museen, Archiven, des Händlers von Stichen der Königlichen Aka- Auktionshäusern und privaten Sammlungen demie in Berlin namens Jean Morino. Sie ist an (davon 8 im Besitz des Autors) aufgeführt. Die die russische Großfürstin Elisabeth gerichtet. Gesamtzahl beträgt 39. Hinzukommt ein An- Der Teller zeigt eine »Vue de Stettin«, auf der denkenteller vom »Berliner Th or«, der unge- der übrig gebliebene Turmrest der 1789 abge- markt vor 1895 in Massenproduktion auf den brannten Marienkirche mit abgebildet ist. Die Markt kam. In den Unterkapiteln 8.2.01–8.2.39 Vorlage stammt von einer Gouache des Malers folgen die zumeist farblgen Darstellungen der Johann Friedrich Nagel. Fast alle Veduten wur- Stadtansichten, Kirchen, historischen Bauten, den als Ganzoder Teilansicht vom Ostufer der Denkmäler, Straßen, Märkte (Wollmarkt auf Oder (Malerwinkel auf der Lastadie) oder aus dem Grünen Paradeplatz, Heumarkt mit dem nördlicher Richtung vom hoch gelegenen Lo- Alten Rathaus und der Börse), Hafenszenen, gengarten aus gemalt. Die älteste Stettin-Tasse Werften (A:E. Nüscke Schiff swerft) und abwei- mit einer Vedute »Stettin vom Südwesten« ist chend von den Stadtbildern 2 Ausfl ugsziele mit auf Grund der Markung der KPM in die Zeit entferntem Blick von der Neptunsmühle an der um 1790 einzuordnen. Oder bzw. von der Prinzen-Eiche in Straußens- Wie jede Kunstsammlung ist auch die Samm- ruh bei Finkenwalde auf die Stadt. Unter jeder lung der Porzelllanbilder mit Stettin-Motiven einzelnen abgebildeten Porzellanmalerei fi ndet unvollständig und bedarf zusätzlicher Ergän- sich ein Kasten mit Daten zur Markung, Grö- zungen. Vielleicht besitzt der eine oder andere

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Leser eine solche Sammeltasse und könnte zur torin eingeschätzt wird: Sie sieht in ihm einen Vervollständigung der Sammlung beitra-gen. biologisch-kulturellen Rassisten. Dem Autor selbst sei großer Dank ausgespro- In der Einleitung geht sie auf Arndt-Rezeptio- chen für die Zusammenstellung dieses schönen nen ein, hinterfragt seine historische Bedeutung Heftes. Der klare Farbdruck und die übersicht- und seine Suche nach seiner nationalen Identi- liche Satztechnik sind lobend hervorzuheben tät, die durch seinen schwedisch-pommerschen und machen dem Titel alle Ehre. Das Heft eig- Geburtsort auf Rügen zweigeteilt war. Sie be- net sich deshalb auch als Buchgeschenk. schäftigt sich weiterhin mit seinem Charakter und seiner Glaubwürdigkeit, um Arndts pri- Hermann Manzke, Heikendorf vates und öff entliches Leben zu erfassen und ihm somit näherzukommen. Ihre umfassenden Quellenstudien zur Rezeption Arndts geben ein breites Spektrum seiner Bewertung wieder, Linda Olofsson, Reise durch Schweden im wobei sich zahlreiche Rezipienten günstig über Jahre 1804 von Ernst Moritz Arndt. Eine Rei- Arndt äußern, andere ihn für einen Günstling sebeschreibung in ihrem kulturgeschichtlichen Gustavs IV. Adolf halten, wiederum andere be- Kontext. Frankfurt am Main–Weimar–Lon- stimmte Charakterzüge und Teile seines Œu- don–New York – Public-Book-Media-Verlag vres für fragwürdig erachten, wenn nicht so- 2015. 449 S., ISBN 978-3-86369-229-2 gar ablehnen. Der Verdacht von Karrierismus und Opportunismus drängt sich ihr auf, und Die in den vergangenen Jahrzehnten kontro- so stellt sie Arndts Glaubwürdigkeit generell in vers geführte Diskussion um das Werk und Zweifel. An dieser frühen Stelle verfestigt die die Person des Nationalromantikers Ernst Mo- Verfasserin ihr Urteil über ihn: Arndt kann als ritz Arndt, die erst jüngst in der Debatte über nationalistischer und rassistischer politischer Arndt als Namenspatron der Universität Greifs- Publizist bezeichnet werden. wald auf einem Höhepunkt angelangt war, In ihrer Untersuchung will sie prüfen, wie bleibt für politisch, geschichtlich und kulturell Arndts Reisebericht über Schweden im Ver- Interessierte nicht nur im regionalen Bereich gleich zu drei weiteren Reisebüchern anderer bedeutend. Autoren (Mary Wollstonecraft, Joseph Acerbi, Es ist darum bemerkenswert, dass sich die Georg Kerner) einzuordnen ist, die ungefähr Schwedin Linda Olofsson mittels ihrer Master- zur gleichen Zeit entstanden. arbeit einem kaum beachteten Werk Arndts zu- Die dem ersten Kapitel vorausgeschickte Dis- wendet, seiner vierteiligen, 1806 bei Langer in position klärt Fragen nach der Zielstellung der Berlin erschienenen Reise durch Schweden im Arbeit, nämlich warum die Autoren so ver- Jahre 1804. Im Publikationsjahr wurde das Ende schieden über Schweden, sein Volk und seine des Heiligen Römischen Reiches deutscher Na- Könige schrieben, obwohl sie doch zur selben tion durch die Expansionspolitik Napoleons Zeit lebten und warum sich die wissenschaft- besiegelt, durch welches sich auch die Heraus- lichen Urteile im Verlauf von 200 Jahren so bildung einer deutschen Nationalromantik be- unterschieden. Olofsson mutmaßt eine Verän- gründete. derung im geistesgeschichtlichen Verlauf. Wa- Die Arbeit versteht sich als eine Neubewertung rum nun allerdings auf Th eorie und Methode der Reiseschrift unter kulturgeschichtlichen As- in einer Ausführlichkeit eingegangen wird, in pekten und setzt damit auch neue Akzente in deren Mittelpunkt die Weltsystemtheorie Im- der Bewertung der Person Ernst Moritz Arndts. manuel Wallersteins (geb. 1930) steht, verwirrt Linda Olofsson stellt ihrer Untersuchung einige mehr, als dass es erhellt. Es klärt zumindest den Textausschnitte voran, die von der emanzipier- Anspruch der Verfasserin, die Arbeit Arndts ten Autorin Mary Wollstonecraft, dem deutsch- und der anderen Reiseschriftsteller am heuti- amerikanischen Historiker Georg L. Mosse, gen Forschungsstand, an den veränderten Mo- dem Dichter Tarjei Vesaas sowie dem Schrift- ralvorstellungen und modernen ethischen und steller Jorge Semprun verfasst wurden, mit de- sozialen Ansprüchen des 21. Jahrhunderts mes- ren Hilfe Arndt schon zu Beginn von der Au- sen zu wollen.

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Im zweiten Kapitel widmet sie sich der Epo- die Beschreibung der Lappen (Samen) im Um- che der Regentschaft der Schwedenkönige Gu- kreis Handöls hervor. Die genauen Schilderun- stav III. und Gustav IV. Adolf (1771–1809, in gen über deren Körperproportionen und ihren Schweden »gustavianische Zeit« genannt). Der Lebensstil veranlassen die Autorin immer wie- von der Aufklärung und der Romantik be- der zu scharfer Kritik. Die Äußerungen Arndts einflusste Lebensstil, der Stand der Wissen- über die Lappen werden gekürzt, einseitig aus- schaften sowie Refl exionen über die Charak- gewählt oder ganz weggelassen. So spart sie in tere von Gustav III. und Gustav IV. Adolf lei- ihren Ausführungen bewundernde Bemerkun- ten diesen Abschnitt ein. Mit Gustav IV. Adolf gen Arndts über die Tracht der Lappen oder de- und Arndt greift sie das Verhältnis Dienstherr ren Geschicklichkeit aus. Arndt unterstreicht, und angestellter Hochschullehrer auf und be- dass die Lappen bei einem Hochzeitsfest – auch müht zwei Werke Arndts, in denen sie wieder- wenn das nicht verallgemeinert werden kann – um glaubt, ihn als Rassisten und Karrieristen »gar keinen jammervollen oder peinlichen Ein- klassifi zieren zu müssen. »Germanien und Eu- druck« machen. Auch auf diesen Anhaltspunkt ropa« (1803) wertet sie oberfl ächlich als einen verzichtet die Verfasserin. Olofssons Meinung Versuch Arndts, Europa nach Sprach- und Ras- über Arndt im Hinblick auf dessen Beschrei- sengemeinschaften neu ordnen zu wollen. Die bung der Lappen ist unausgewogen und reich Rede Arndts »Ideen über die höchste histo- an Vorurteilen. Für sie ist er ein Reiseschrift- rische Ansicht der Sprache« (1804), die er aus steller mit einer »sehr deutlichen und abstoßen- Anlass einer Feierstunde zu Ehren des Geburts- den rassebiologischen Auff assung«. Hier wäre tags für König Gustav IV. Adolf an der Univer- es erforderlich gewesen, Arndts Ansichten zur sität Greifswald hielt, habe nur seinem weite- Aufklärung (u. a. aus der Schrift »Ein mensch- ren berufl ichen Aufstieg, möglicherweise auch liches Wort über die Freiheit der Republiken«, in Schweden gedient. Arndts späteres Leben 1800) mit einzubeziehen sowie überhaupt die bis 1840 umreißt sie nur recht notdürftig. Da Kenntnisse, die er sich über dieses Volk erwor- Arndt ihr Forschungsgegenstand ist, überrascht ben hatte (u. a. vorab beim schwedischen Wis- diese Oberfl ächlichkeit. senschaftler Göran Wahlenberg in Uppsala), Der anschließende Hauptteil widmet sich so- angemessen zu wichten; die spätere Diskrimi- dann Arndts Reiseschrift. Diese wird in 26 Un- nierung der Lappen – insbesondere im 20. Jahr- terpunkten gegliedert, die zum großen Teil sehr hundert – darf Arndt nicht angelastet werden. ausführlich behandelt werden. Wenn die Verfasserin Arndts Begegnungen Es werden von ihr u. a. die Rubriken Städte mit folgt, kommt sie nicht umhin festzustellen, dass ihrer Architektur und Infrastruktur, die Besu- sein Interesse einerseits der intellektuellen Ka- che bei prominenten Männern und die Charak- ste im Land als auch den einfachen Menschen terisierung des schwedischen Volkes analysiert. der ländlichen Bevölkerung gilt, deren Kultur Auch seine Ausführungen über die Landwirt- aber auch soziale Situation er umfassend seine schaft, auf dessen Gebiet Arndt über ein fun- Zuneigung darbringt. Infolge seiner Herkunft diertes Wissen verfügte, werden von ihr tief- gehört Arndts Sympathie ihnen und nicht den gründig beleuchtet. Olofsson geht auf Arndts Adligen, deren frankophile Lebensart er ihnen Beschreibung des Bergbaus und der Forstwirt- vorwirft, da sie die nationalen Traditionen der schaft ein und billigt seine Kritik an der privile- Schweden unterwandern. Dessen ungeachtet gierten Subventionierung des Bergbaus gegen- versteigt sich die Autorin in die Behauptung, über der Landwirtschaft. Wenn sie über Arndts die Reisebeschreibung sei ein »Auftragswerk« anerkennende Beurteilung der schwedische Be- des schwedisch-pommerschen Adels oder gar völkerung schreibt, dann nicht ohne die von des Königs selbst gewesen. ihm niedergeschriebenen Temperamentsunter- Im vierten Kapitel widmet sie sich den Rezen- schiede in den verschiedenen Provinzen zu re- sionen des Reiseberichts. So wird ein breites ferieren. So wird Arndts nuancierte Wahrneh- Spektrum an Wertungen sichtbar gemacht, wel- mung von Unterschieden der Menschen der fl a- ches von harscher Kritik (bspw. durch Gunnar cheren Gebiete von denen der Berge unterstri- Müller-Waldeck 1998) bis zu lobenden Zustim- chen. Stark divergierend dazu hebt sie jedoch mungen bei Autoren wie Björquist und Swenson

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reichen. Es gibt auch uneingeschränkte Emp- Lese früchte, schildert die Reise des Neff en des fehlungen, z. B. durch Beijerstein (1917), der bekannten Romantikers Caspar David Fried- Arndts ethnographischem Blick auf den Ge- rich durch Deutschland. Als Handwerksgeselle genstand herausstellt. – Karl Heinrich Wilhelm Friedrich ist Seifen- Im abschließenden fünften Kapitel assoziiert sie sieder wie der Vater und andere Mitglieder der paradigmatisch die Arbeit mit Th eorieansätzen Familie – reist der 24jährige zwischen dem 6. des 20. Jahrhunderts (u. a. denen der Annales- April und dem 31. Oktober 1835 mit off enen Au- Schule, vertreten durch Fernard Paul Braudel gen durch große Teile des Deutschen Bundes. und dessen Schüler Immanuel Wallerstein mit Von Greifswald geht es über Stettin und Frank- seiner Weltsystemtheorie). Olofssons unzulässi- furt / Oder nach Breslau, über das Riesengebirge ge Herangehensweise, so ambitioniert sie auch und Görlitz nach Dresden zum berühmten sein mag, kann auf diese Weise dem Werk und Onkel, bei dem er sich einige Zeit aufhält. Teplitz, der Person Arndt nicht gerecht werden. Da sie Prag, Karlsbad, Regensburg, Passau, Linz, Am- sich nicht zu schade ist, auch einen Nationalso- stetten, Salzburg, Berchtesgaden, Innsbruck, zialisten als Gewährsmann aufzurufen, gemeint Bregenz, Schaff hausen, Strasburg, Mainz, Wies- ist hier Meinert Hansen, der sich nicht zuletzt baden, Frankfurt am Main, Eisenach, Gotha, durch seine Arndt vereinnahmende Dissertati- Kassel, Paderborn und Porta Westfalica sind die on (Hamburg 1936) auswies, zeigt ihre ahisto- wichtigsten weiteren Stationen. Dort bricht der rische und gleichermaßen fahrlässige Annähe- Bericht ab, wie der junge Mann seinen Rück- rung an das Th ema. weg nach Pommern nahm, erfahren wir nicht. Linda Olofsson formuliert in ihrem Buch, dass Wir lernen aber viel über die Begeisterung eines die Rezeption Arndts in der zweiten Hälfte jungen Flachländers für Berge und Gebirge – des 20. Jahrhundert fast ausschließlich durch ausführlich beschreibt er seine Wanderungen Arndt-Kenner erfolgt ist. Umso fragwürdiger im Riesengebirge, der Sächsischen Schweiz, erscheint in diesem Zusammenhang ihre ober- dem Tennengebirge und anderen. fl ächliche Arbeitsweise bei gleichzeitig umfas- Die Beobachtungen des jungen Mannes sind sender Recherchearbeit. So werden Zitate aus kurzweilig zu lesen und zudem vom Heraus- Rezensionen bzw. wissenschaftlichen Arbeiten geber hervorragend aufbereitet. In den zahlrei- falsch übernommen und/oder zum Teil inkor- chen Fußnoten stellt er kurz, aber sehr kundig rekt wiedergegeben, zudem sind Literatur- und die Personen vor, denen der junge Friedrich be- Inhaltsverzeichnis nicht vollständig. Die Arbeit gegnet, liefert unaufdringlich Hintergrundin- wirkt schlecht redigiert. Es kommt sehr häufi g formationen zu Gemälden des berühmten On- zu wortwörtlichen Wiederholungen ganzer Ab- kels, die in der Zeit des Aufenthalts des Neff en sätze. Der Ausdruck wirkt unausgereift. Dies entstehen oder verkauft werden, zu Orten, Ge- sind Nachlässigkeiten, die man leider auch dem bäuden und Ereignissen wie Schlachten, Begeg- Lektorat des Verlages anlasten muss. nungen oder Th eaterauff ührungen. Ganz ne- Die hier vorliegende Bewertung Arndts durch benbei erfährt man, wie viele Taler pro Stunde die Verfasserin Linda Olofsson sagt sehr viel über in der kursächsischen Münze ausgemünzt wur- deren eigenes Weltbild aus, so wird man weder den, dass man eine Reise vorbereiten musste, der Zeit Arndts noch unserer eigenen gerecht. indem man sich auf dem Polizeibüro ein Visa besorgte und ahnt, welche Mühe eine so lange Frank Pöllnitz, Zwönitz Reise wie des jungen Friedrich schon in dieser Beziehung bedeutete. Wenn der junge Fried- rich wiederholt stöhnt, daßssman all die Kunst- schätze Dresdens und anderer Städte gar nicht Heinrich Friedrich. Reise durch Deutschland alle aufnehmen und würdigen kann trotz mehr- 1835, hg. v. Hermann Zschoche. Husum – stündiger Besuche der einschlägigen Kabinette, Verlag der Kunst 2016. 119 S., zahlreiche Abb. ist man ganz bei ihm. So wird der Reisebericht ISBN 978-3-86530-224-3 des jungen Mannes für vieles alltägliche zu ei- ner guten Quelle, so auch für den Haushalt des Ein kleines, reich und kundig illustriertes Büch- großen Malers, für seine Arbeitsorganisation, lein, spannend zu lesen, voller interessanter für seine Art, Inspiration zu empfangen auf

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Spaziergängen oder in den zahlreichen Kunst- gegründet und steht damit dem Alter nach an sammlungen Dresdens. sechster Stelle der vergleichbaren Einrichtun- Wann ist einem der Erfahrungs- und Erlebnis- gen. Es ist zum Beispiel nur ein Jahr jünger als horizont eines jungen Pommern so charmant das vielleicht doch renommiertere der ungleich vor Augen geführt worden? Natürlich wissen größeren Rheinischen Friedrich-Wilhelm-Uni- wir viel über herzogliche, adlige oder Reisen In- versität zu Bonn, aber an Anciennität etwa dem tellektueller, dass ein pommerscher Handwerks- hochangesehenen Seminar an der Friedrich- geselle aus so berühmter Familie viel zu berich- Wilhelms-Universität zu Berlin um ein Vier- ten hat, wird spätestens nach Lektüre dieses teljahrhundert voraus, das erst 1885 eingerich- sehr empfehlenswerten Buches deutlich. tet wurde (vgl. die Übersicht S. 13). In diesen Seminaren arbeiteten fortan Lehrende und Ler- Nils Jörn, Wismar nende gemeinsam an Quellen zur Geschichte aller Epochen, was ein Quantensprung in der universitären Lehre darstellte. Sie heißen heute bzw. schon seit vielen Jahren z. B. an den Uni- Geschichtswissenschaft in Greifswald. Fest- versitäten in Berlin und Bonn »Historische In- schrift zum 150jährigen Bestehen des Histo- stitute«. An der Ernst-Moritz-Arndt-Univer- rischen Instituts der Universität Greifswald, sität erfolgte die Umbenennung 1951 (S. 177). hgg. v. Niels Hegewisch, Karl-Heinz Spieß und – Hervorzuheben ist, dass in mehreren Beiträ- Th omas Stamm-Kuhlmann (Beitrage zur gen auch auf die Zahl der Geschichtsstudenten Geschichte der Universität Greifswald, Bd. 11). und die Besoldung der Professoren eingegan- Stuttgart – Franz Steiner Verlag 2015. 297 S. gen wird. ISBN 978-3-515-10946-8 Der mit 46 Seiten umfangreichste Beitrag stammt aus der Feder von Michael Czolkoß und Michael Czolkoß, Studien zur Geschichte beruht (vgl. Anm. 1, S. 9) auf seiner im Som- der Geschichtswissenschaft. Die Universität mer 2013 angenommenen Greifswalder Master- Greifswald in der preußischen Hochschul- arbeit »Zur Entwicklung von Professionalitäts- land schaft (1830–1865). Marburg an der Lahn kriterien und Disziplin. Die Greifswalder Ge- – Tectum Verlag 2015. 208 S. schichtswissenschaft im Kontext der preußi- ISBN 978-3-8288-3515-3 schen Hochschullandschaft – von den 1830er Jahren bis zur Institutsgründung 1863«, die von Die erste eigenständige Geschichtsprofessur im Th omas Stamm-Kuhlmann und Hedwig Rich- deutschsprachigen Raum wurde schon 1504 in ter begutachtet wurde. In gründlich überarbei- Mainz begründet, die an der Universität Greifs- teter Fassung erschien diese Studie unter dem wald 1765 und mit Johann Georg Möller be- einfacheren Titel »Studien zur Geschichte der setzt. Die zweite folgte 1857, und auf sie, zu- Geschichtswissenschaft. Die Universität Greifs- nächst ein Extraordinariat, das das preußische wald in der preußischen Hochschullandschaft Kulturministerium erst 1866 für den Gelehr- (1830–1665)« in demselben Jahr kurze Zeit nach ten »alten Stils« Th eodor Hirsch zum Ordina- dem hier primär zu betrachtenden Sammel- riat erhob, wurde der klassische Philologe Karl band zum Seminarjubiläum. Es empfi ehlt sich Ludwig von Urlich (hauptsächlich für die Alte und ist gewinnbringend, beide Bücher, zumin- Geschichte) berufen. Damit war für viele Jahr- dest aber den Aufsatz und die Monographie zehnte mit zwei Geschichtsprofessuren, zu de- von Czolkoß parallel zu lesen; sie werden hier nen noch Adjunkte, Privatdozenten und wei- gemeinsam angezeigt. Zudem ist seine gelun- tere »mindere« Professuren kamen, die Struk- gene Kurzbiographie über Friedrich Wilhelm tur geschaff en, die das Fach fast ein Jahrhun- Barthold im 2. Band des Biographischen Lexi- dert lang bestimmte. Nicht nur in Greifwald kons für Pommern, Köln/Weimar/Wien 2015, stand es noch bis weit in das 19. Jahrhundert S. 25–30, zu nennen. Der begabte Nachwuchs- hinein unter dem Primat der Klassischen Philo- historiker, der ein Kenner der von ihm mehr- logie. – Das in dem vorliegenden Sammelband fach behandelten Materie ist, wechselte nach zu seinem 150. Geburtstag gefeierte Historische seinem Masterexamen für sein Promotionsvor- Seminar der Universität Greifswald wurde 1863 haben von der Hohen Schule am Ryck an die

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Universität Oldenburg. Für die Druckfassung den Wert des Quellenstudiums, auf das auch seiner Examensarbeit wurde er mit dem Kurt- gerade heute immer wieder hingewiesen wer- von-Fritz-Preis 2013 der Friedrich-Ebert-Stif- den muss! Dass er und sein Freund und Kolle- tung Mecklenburg-Vorpommern ausgezeich- ge Arndt, dem er für zwei kurze Jahre 1808 auf net. Sicher ganz zu Recht dankt er den vielen dessen außerordentliche Geschichtsprofessur Unterstützern seiner Studien, besonders aber folgte, wegen ihrer selbstverständlich zu verur- dem Leiter des Universitätsarchivs der Ernst- teilenden judenfeindlichen Äußerungen einfach Moritz-Arndt-Universität Dirk Alvermann, der »in die Frühgeschichte des völkischen Nationa- bei den Lesern dieser Zeitschrift hinreichend lismus« eingeordnet werden (S. 35), ist anachro- bekannt ist und allerseits hohe menschliche nistisch, was Rez. mehrfach, durchaus auch po- und wissenschaftliche Anerkennung genießt. lemisch, betont hat (vgl. Anm. 104, S. 36). Die Seine Unterstützung ist so etwas wie eine Ga- frankreichfeindliche Haltung beider Freunde rantie für die Qualität von Czolkoß’ eben ge- ist aus den Zeitumständen zu verstehen, wenn nannten Arbeiten. auch heute nicht zu teilen. Czolkoß gewichtiger Sammelband-Beitrag be- Ebenfalls auf Ernst Moritz Arndt, seit 1933 Na- handelt die nicht gerade spektakuläre unmit- menspatron der 1456 gegründeten Universi- telbare Vorgeschichte der Seminargründung. tät Greifswald, geht Michael North in seinem Dabei arbeitet er wesentliche Entwickungsli- rundum gelungenen Aufsatz »Von Ernst Mo- nien heraus, die viele Jahrzehnte wirksam wa- ritz Arndt zu Herbert Langer. Protagonisten der ren, was schon ausgeführt wurde. Methodisch neueren Geschichte in Greifswald« (S. 83–96) wäre kritisch der kleine Einwand zu machen, ein. Er weist nach, dass Arndt am deutlichsten dass er immer wieder den Begriff Studiengang in seinem wichtigsten Werk »Versuch einer Ge- »im heutigen Sinne« (S. 9) verwendet, was ana- schichte der Lebeigenschaft in Pommern und chronistisch ist, da er und das, was er bezeich- Rügen nebst einer Einleitung in die alte teut- net, im 19. Jahrhundert bis in die Mitte des 20. sche Leibeigenschaft« , Berlin 1803, quellennah Jahrhunderts hinein, ja noch bis zu meiner Stu- und diff erenzierend darstellend wertend gear- dienzeit (1968 ff .), so nicht kannte. Zudem hät- beitet hat. Vielleicht war es deshalb so über- te, gerade in der Monographie, die gewisse Prise zeugend und wirkungsvoll, hob doch unmit- »Bielefelder Schule«, mit der die eine oder an- telbar nach seinem Erscheinen der König von dere Beigabe fein gewürzt wurde, etwas schwä- Schweden die Leibeigenschaft in Schwedisch- cher ausfallen können. – Einzelne Fachvertre- Vorpommern auf! North stellt auch Heinrich ter werden von ihm zuverlässig dargestellt, und Ulmann (1841–1931) vor, der von Dorpat beru- es wird deutlich, dass der Typus des enzyklo- fen, 1874 nach Greifswald kam und da bis 1912 pädisch gebildeten Gelehrten, der breit gefä- lehrte und forschte. Allein schon wegen dieser chert längst bekanntes Wissen vermittelte und langen Amtszeit zeigte er, der sich der frühen repetierte, allmählich von dem des forschen- Neuzeit zuwandte, besonders Kaiser Maximili- den Fachmann abgelöst wurde. Stellvertretend an I., aber auch dem frühen 19. Jahrhundert, seien nur die Namen Hirsch und Barthold als etwa in seiner »Geschichte der Befreiungskriege entsprechende Vertreter wiederholt. – Friedrich in den Jahren 1813 und 1814«, 1914, große Wir- Rühs (1781–1820), der für die sehr frühe Profes- kung (S. 88 f.). Das kann von seinem Nachfol- sionalisierung seines Fache steht, ist, was Rez. ger Hans Glagau nicht behauptet werden (S. freut, da er sich wiederholt mit ihm beschäftigt 89 f.), wohl aber, um einen großen Sprung zu hat (vgl. z. B. den schon genannten 2. Bd. des machen, von Norths Vorgänger auf dem Lehr- Biographischen Lexikons, S. 228–233), in dem stuhl Herbert Langer (1927–2013, S. 95–97), ei- Aufsatz ein »Fallbeispiel« gewidmet (S. 42–49), ner weltgewandten Persönlichkeit, »sicher der in dessen Mittelpunkt Rühs’ 1811 veröff entliche bedeutendste Frühneuzeithistoriker in der da- wegweisende und noch heute lesenswerte »Pro- maligen DDR«, der auch weit über die Gren- pädeutik« steht, die weniger eine Geschichts- zen der DDR hinaus Ansehen genoss, nicht zu- theorie als eine Anleitung zum Studium der letzt, weil er in seinen Arbeiten die Kulturge- Geschichte ist. Auch in der Monographie wird schichte, etwa das Werk von Heinrich Schütz, Rühs berücksichtigt. Nachdrücklich betonte er berücksichtigte und ein bestens ausgewiese-

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ner Fachmann für die Geschichte des 30-jäh- widerfuhr, bleibt eine Schande! Im vorliegen- rigen Krieges und des Westfälischen Friedens den Sammelband hat ihm Frank Möller sei- war, zudem ein glänzender und beliebter Red- ne Studie »Ernst Bernheim. Geschichtstheo- ner. Langer war Schüler von Johannes Schild- rie und Hochschuldidaktik im Kaiserreich« ge- hauer (1918–1995, S. 91–95), der viel schwieri- widmet (S. 99–117), einem großen Gelehrten ger zu beurteilen ist. Er war nach dem Tod von und ›Mediävisten, der sich für moderne Ver- Adolf Hofmeister, von dem noch zu reden sein fassungsgeschichte interessiert, dem nationalen wird, einige Jahre der einzige Geschichtsprofes- Deutschen, der eine globale Sichtweise fordert, sor an seiner Universität, seit 1957 Direktor des dem Quellenkundler, der sich für Geschichts- Historischen Instituts. Wie seine Greifswalder philosophie begeistert, der Nationalliberale, der Kollegen Konrad Fritze und Walter Stark zähl- die Th eorie Karl Marx’ ernst nimmt, dem Or- te Schildhauer zu den Vertretern der renom- dinarius, der sich um Studenten und Schulleh- mierten Greifswalder Ostseeraum- und Hanse- rer sorgt, und dem Anhänger des Humboldt- forschung. Er stand unter dem Einfl uss der all- schen Bildungsideals, der Reformpädagogik be- mächtigen Staatspartei und war Exponent des treibt. Es fällt schwer, davon nicht beeindruckt 1951/52 eingeführten allein selig machenden his- zu sein« (S. 117). Spieß geht auf Fritz Cursch- torischen Materialismus (siehe auch den Beitrag mann ein (1874–1946), der seit 1919 als außer- von Tomasz Ślepowrońki S. 179–181), womög- ordentlicher und seit 1928 als ordentlicher Pro- lich auch, weil er als ehemaliger Wehrmachts- fessor pommersche Landesgeschichte, histori- offi zier und Mitglied der NSDAP seit 1937 ir- sche Hilfswissenschaften, vor allen Dingen aber gendwie erpressbar war. Das aber mindert nicht historische Geographie (Gründung der Histo- seine wissenschaftlichen Leistungen, muss aber risch-Geographischen Abteilung des Seminars in seine Würdigung eingezogen werden. 1926) betrieb und den »Historischen Atlas von Auf den schon vorgestellten Aufsatz von Czol- Pommern« begründete (S. 75–77). Bernheims koß folgt chronologisch und logisch nicht nur Nachfolger aber wurde 1921 Adolf Hofmeister der Beitrag von North, sondern auch der lesens- (1883–1956), dessen Wirken erst 1954 endete, werte und inhaltlich gewichtige von Karl-Heinz womit er vier Staatsformen, drei als ordentlicher Spieß »Das Mittelalter in Forschung und Leh- Professor, einschließlich zweier totalitärer Dik- re am Historischen Institut im 19. und 20. Jahr- taturen er- und überlebte. Das herablassende, ja hundert« (S. 65–82). Er zeichnet die »Verwis- geringschätzige Urteil über ihn anlässlich seiner senschaftlichung der Geschichtsschreibung und Berufung aus der Feder eines »Großmoguls« der damit auch des Geschichtsstudiums« in Greifs- damaligen akademischen Welt hätte vielleicht wald seit der »Mitte des 19. Jahrhunderts« nach, nicht wieder abdruckt werden sollen (S. 78). die mit der Berufung Arnold Schaefers 1857/58 Er mag ein staubtrockener Hilfswissenschafl er einsetzte (S. 65), mit dem die historisch-kriti- und akribischer, ja pingeliger Positivist gewesen sche Methode in Greifswald Einzug hielt und sein, auf jeden Fall aber ein gänzlich unpoliti- dem die Einrichtung des Seminars zu verdan- scher Gelehrter. Ihm ist das Überleben der Ge- ken ist. Ihm folgte Th eodor Hirsch, auf dessen schichtswissenschaft nach 1945 in Greifswald Nach-Nachfolger Heinrich Ulmann 1883 die zu verdanken, die er danach als einziger Pro- Berufung von Ernst Bernheim (1850–1942), des fessor vertrat (S. 77–80). Als Institutsdirektor »Entdeckers« der Hochschulpädagogik (S. 70), wurde er von dem schon erwähnten Johannes für mittelalterliche Geschichte und historische Schildhauer beerbt. Nach der Wende wurde aus Hilfswissenschaften, der der Schule des Histo- Mainz Spieß berufen. Dass sein Lehrstuhl nach rismus verpfl ichtet war und bis 1921 lehrte, zu- seiner Emeritierung schon seit Jahren unbe setzt nächst als Extraordinarius, seit 1889 als persön- bleibt, gehört zu den unerfreulichen Ka pi teln licher und erst seit 1913 als planmäßiger Ordi- der Universitäts- und Seminar- bzw. Insti tuts- narius. Bernheims Schicksal wurde nach 1933 geschichte, ist aber nicht Spieß anzulasten. verdunkelt, da er, der wenige Jahre nach seiner In seinem Beitrag »Vergangenheit, die nicht Berufung evangelischer Christ geworden war, vergeht. Kontinuitätslinien Greifswalder Arndt- aus einer jüdischen Familie stammte. Die Be- Rezeption 1931–1985« (S. 189–213) weist Niels handlung, die diesem Mann im Dritten Reich Hegewisch eindrücklich und nachdenklich stim-

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mend nach, wie die Schriften und Äußerungen der deutsch-sowjetischen Freundschaft. Von des wirkungsmächtigen Historikers und Publi- Greifswalds Historikern lasen Fritz Cursch- zisten von unterschiedlichen politischen La- mann und Johannes Paul gelegentlich über gern, vor allen Dingen von den großen und Th emen osteuropäischer Geschichte. schrecklichen totalitären und verbrecherischen Nicht ganz so ideologieanfällig scheint auf Ideologien des späten 19. und 20. Jahrhunderts, den ersten Blick die Nordische Geschichte zu selektiv propagandistisch ausgeschlachtet und sein, Die einschlägige sachkundige und infor- benutzt wurden. Nicht zuletzt deshalb wird in mative Darstellung im vorliegenden Sammel- Greifswald und an seiner Universität nach 1990 band »Nordeuropaforschung im Historischen wiederholt leidenschaftlich und oft ohne Au- Seminar«(S. 19–134) stammt aus der Feder von genmaß und Quellenkenntnis bzw. -kritik über Jens E. Olesen, der das Fach seit 1996 in Greifs- Arndt als Namenspatron gestritten. Die Ausein- wald mit großen Erfolg und produktiv vertritt andersetzungen, ja Kämpfe, dauern bis in unse- und jüngst emeritiert wurde. Er blickt weit zu- re Gegenwart an, und sie können dazu führen, rück und würdigt, eingebettet in die Entwick- dass trotz aller Versachlichung und Objektivie- lung der gesamten historischen Disziplin, u. a. rung gerade aus unserem Geschichtsverein etwa das Wirken von Johann Carl Dähnert und Th o- so lange polemisiert und abgestimmt wird, bis mas Heinrich Gadebusch im 18. Jahrhundert das aus der Sicht der Arndt-Gegner richtige Er- sowie im frühen 19. Jahrhundert von Ernst Mo- gebnis heraus kommt. Bei den Historikern gab ritz Arndt, Karl Schildener und vor allen Din- und gibt es eben leider immer viele, die ideolo- gen Friedrich Rühs (S. 127–129), dem ersten gieanfällig waren und sind. Doch auch hier gilt, deutschen Historiker, der in seinem kurzen Le- dass ›keiner den ersten Stein werfen‹ sollte… . ben ebenso fundierte wie umfangreiche Werke Das zeigt sich auch bei der Betrachtung der zur nordischen Geschichte veröff entlichte. Aus als Fach in Greifswald noch jungen Disziplin dem 20. Jahrhundert stellt Olesen vorurteilsfrei Osteuropäische Geschichte. Erster etatmäßiger Johannes Paul (1891–1990) vor, dessen von der Osteuropahistoriker war Christian Lübke, der »Nordlandbegeisterung« (S. 131) geprägtes Wir- 1998 nach Greifswald kam. Vor ihm hatte es mit ken deutlich den unheilvollen Einfl uss des Zeit- Joachim Mai schon seit 1975 einen entsprechen- geistes zwischen den beiden Weltkriegen und den Professor gegeben, und nach 1990 wurde bis 1945 zeigt. das Fach bis zur Berufung Lübkes durch Ver- Es liegt eine solide und gute Festschrift zum tretungen versehen. Lübkes Nachfolger wurde 150. Geburtstag des Historischen Instituts der nach dessen Weggang nach Leipzig 2007 Ma- Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald vor; thias Niendorf, von dem der Beitrag »Osteur- der volle Name der Hohen Schule hätte ruhig opa, Ostforschung und Osteuropäische Ge- im Untertitel genannt werden können. Sie bie- schichte in Greifswald. Vom 20. ins 21. Jahr- tet mehrere Kapitel Wissenschaftsgeschichte hundert« (S. 135–173) stammt, der auch ganz durch fast zwei Jahrhunderte, darunter auch knapp die Geschichte des Faches Osteuropä- traurige und beschämende. Bedauern mag man ische Geschichte in Deutschland darstellt, für nur, dass ein Beitrag über die Vertretung der das die erste Professur an der Berliner Universi- Landesgeschichte Pommerns am Seminar/In- tät 1892 eingerichtet wurde. In der »alten« Bun- stitut fehl, auch wenn sie hier und da erwähnt desrepublik war sie ein »Kind des Kalten Krie- wird. Vielleicht liegt diese Lücke an dem vor- ges« (S. 140), nachdem sie vorher im Dritten läufigen unrühmlichen Ende, das die dafür Reich zur Ostforschung pervertiert worden war, nach 1990 errichtete Professur nehmen mus- die u. a. ›Lebensraum im Osten‹ legitimieren ste, was aber nicht am Fach, sondern an dem sollte und wollte. Dafür steht hier der Agrar- Stelleninhaber gelegen haben mag. Aber pom- und Wirtschaftswissenschaftler Th eodor Ober- mersche Landesgeschichte wurde immer wie- länder (S. 151–159), dessen Hauptwirkungsstä- der gelehrt und erforscht, wenn auch nur mehr te allerdings die Albertus-Universität in Königs- oder weniger sporadisch. Beispielsweise sei auf berg/Preußen war. Später wurde Oberländer Vater und Sohn Kosegarten, Th eodor Pyl, der Bundesminister unter Konrad Adenauer. In der immerhin seit 1879 für viele lange Jahre einen DDR diente das Fach auch der Propagierung Lehrauftrag mit außerordentlicher Professur für

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pommersche Geschichte und Altertumskunde Bruno Wisniewski wurde 1892 in einem Dorf ausübte, Ernst Bernheim, Fritz Curschmann, bei Dirschau in Westpreußen als Sohn von Ma- Adolf Hofmeister und seinen Schüler und As- thias W. geboren, der ein Baugeschäft besaß; die sistenten Roderich Schmidt verwiesen, der im Familie war bzw. ist römisch-katholischer Kon- Frühjahr 1958 Greifswald und die DDR aus po- fession. Der bescheidene Bauunternehmer starb litischen Gründen verlassen musste und danach schon 1897. Seine Witwe musste nach dem Er- in der Bundesrepublik Deutschland an den sten Weltkrieg wegen den Bestimmungen und Universitäten Bonn und Marburg an der Lahn Folgen des Vertrages von Versailles 1920 mit ih- sowie wissenschaftsorganisatorisch segensreich ren drei Töchtern die Heimat verlassen und ließ für Pommerns Geschichte und auch für die Re- sich mit ihnen im hinterpommerschen Stolp organisation des vorgestellten Historischen Se- nieder. Der Sohn Bruno, das jüngste Kind, er- minars/Instituts wirken durfte. lernte zunächst das traditionsreiche Zimmerer- handwerk und besuchte dann die angesehene Ludwig Biewer, Berlin Baugewerkschule in Königsberg/Preußen, wo er im März 1914 das Abschlussexamen bestand. Wegen seines Berufes wurde er vom Militär- dienst befreit und für den Wiederaufbau der Familie Wisniewski aus Stolp. Biographische durch den Russeneinfall stark zerstörten Pro- Skizzen. Rodzina Wisniewski ze Sɫupska. vinz Ostpreußen eingesetzt. Dort legte er 1919 Szkice biografi czne, hg. v. Lisaweta von Zitze- die Meisterprüfung in dem erlernten Handwerk witz, (Külzer Hefte. Zeszyty Kulickie, Nr. 10). ab und machte sich 1919 im Kreis Ortelsburg Stettin. Szczecin – Stiftung Europäische in Ostpreußen als Architekt und Inhaber ei- Akademie Külz-Kulice. Fundacja Akademia nes Sägewerks selbständig. Zeitlebens aber war Europejska Kulice-Külz 2015. 161 S., zahlr. Abb. er, der 1965 nach Vertreibung, Flucht und be- ISBN 978-83-935718-6-4. scheidenem berufl ichem Neubeginn im freien Teil Berlin starb, auf seinen Meistertitel stolz! Vertreter der ›reinen Lehre‹ von der einzig zuläs- 1923 übersiedelte er mit seiner Frau Edith geb. sigen historischen Disziplin der Struktur- und/ Berndt nach Stolp. Dort erblickten 1926 und oder Gesellschaftsgeschichtsschreibung, für die 1930 die beiden Kinder Roswitha und Edgar das wie keine andere Richtung die sogenannte Bie- Licht der Welt, denen der zweite und dritte Teil lefelder Schule steht, werden es bestreiten, ver- des Heftes gewidmet ist, worauf noch einzuge- neinen oder ignorieren, und doch wurde und hen sein wird. Leben und Werk des Zimmerer- werden unser Leben und damit die menschliche und Baumeisters bzw. Architekten werden an- Geschichte immer auch und gerade von Men- schaulich von seiner Tochter Roswitha W. ge- schen bestimmt, mögen auch Strukturen wie schildert und gewürdigt (S. 21–52). Dabei gibt Geographie, Verwaltung. Wirtschaft und Ge- sie auch interessante Einblicke in das glückli- sellschaft noch so wichtig sein. Deshalb wird che und erfüllte Leben einer gut situierten bür- begrüßt, dass dieser Band der immer lesenswer- gerlichen Familie im Osten des Deutschen Rei- ten »Külzer Hefte« einer Familie bzw. einigen ches. Einen besonderen und interessanten Ak- wichtigen Mitgliedern derselben gewidmet ist. zent erhält die Darstellung durch die Tatsache, Dafür ist in erster Linie Frau Lisaweta von Zit- dass die Familie, die sehr musikalisch war, ak- zewitz, dem »guten Geist von Külz«, Herausge- tiv in das Leben der römisch-katholischen Dia- berin und Redakteurin dieses Bandes, und Frau sporagemeinde eingebunden war, die wohl kei- Professor Dr. Roswitha Wisniewski (1926–2017), nen Benachteiligungen ausgesetzt war. – Der jahrzehntelanges und treues Mitglied unserer erfolgreiche Architekt baute in den 1920er Jah- Gesellschaft und von 1994 an für viele Jahre ren einen ganzen innerstädtischen Gebäude- ihre Kuratorin für Literaturgeschichte, herzlich komplex Ring-, Schlüter-, Wollweberstraße mit zu danken! – Überhaupt ist zu begrüßen, dass mehreren ansehnlichen Stadtvillen, die heute die wissenschaftliche Reihe der Külzer Hefte in noch stehen und denen man deutlich den Ein- loser Folge tatkräftig fortgesetzt werden kann. fl uss anmerkt, den der Stil von Karl Friedrich Möge das so bleiben! Schinkel auf ihn ausübte. Deutlich einfacher

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fi elen die ebenfalls noch vorhandenen Bauten rische Werk von Edgar Wisniewski. Viele Jah- der 1930er Jahre und Bruno W.s schlichte Sied- re musste er, was nicht verschwiegen wird, hart lungshäuser aus, die nicht mehr stehen. Als Hö- um die Anerkennung seiner Mit-Urheberschaft hepunkte des Schaff ens kann wohl die Kirche an den genannten markanten und stadtbildprä- in Kosemühl aufgefasst werden, die Bruno W. genden Gebäuden kämpfen. Vollenden konnte 1928/29 plante und baute sowie der Aufgang zur er das nicht, das bekanntlich bis St. Otto-Kirche von der Blumenstraße her aus heute einer solchen harrt. dem Jahr 1936. Dieses Gotteshaus war das der Der zweite und mittlere Teil der Schrift ist dem kleinen katholischen Stolper Gemeinde. Der Leben und Schaff en der bedeutenden Germani- Beitrag ist reich und anschaulich bebildert und stin Professor Dr. Roswitha Wisniewski gewid- auch in polnischer Sprache abgedruckt, weil met (S. 85–124), die einleitend schon mit eini- er ebenso wie der folgende mit knappen »Ar- ge Lebensdaten genannt wurde. Am 3. Dezem- chitekturgeschichtlichen Bemerkungen zu den ber 2017 starb die gebürtige Stolperin in Bonn, Bauten von Bruno Wisniewski« aus der Feder ihrem letzten Wohnort, im 92. Lebensjahr. Ihre von Valeska von Rosen-Wisniewski (S. 70–80), lebenslange Verbundenheit mit ihrer Vaterstadt die an der Ruhr-Universität Bochum als Pro- wird von Elisabeth Vahlefeld gewürdigt. Schon fessorin Kunstgeschichte lehrt, der die Ausfüh- hier wird ihr großes und vorbildliches Engage- rungen ihrer Tante treffl ich ergänzt, schon im ment für die Europäische Akademie Külz her- Begleitheft zur Ausstellung »Stolper Bauten von vorgehoben, was in seinem Beitrag Henning Bruno Wisniewski«, die 2006 in Stolp gezeigt von Köller knapp aber treff end ausführt. In Külz wurde, veröff entlicht ist. bereicherte sie eine ganze Reihe von Tagungen Im dritten Teil des Heftes, das hier vor dem mit ihren Vorträgen und Beiträgen. Rez. ist die zweiten vorgestellt wird, charakterisiert Lisa- über »Die Anfänge der Stadt Stolp. Neue For- weta von Zitzewitz »Ein Leben für das Berli- schungsergebnisse aus Deutschland und Polen« ner Kulturforum. Der Architekt Edgar Wis- vom November 1998 in guter bleibender Erin- niewski«, den Sohn von Bruno W., der 2007 nerung geblieben. Die Vorträge, darunter seiner in Berlin starb (S. 137–158). Er war, wenn man über die Geschichte des Teilherzogtums Pom- so will, ein Schüler von (1893– mern-Stolp (bis 1459), wurden 1999 als erster 1972) und seit 1957 dessen ebenbürtiger Partner, Band der »Külzer Hefte« unter der bewährten vor allen Dingen aber auch ein begabter hoch- Herausgeberschaft von Lisaweta von Zitzewitz musikalischer Pianist. Bei ihm lag die künstleri- veröff entlicht. Die Germanistin selbst referier- sche Planung und Bauleitung der von Scharoun te damals sprachwissenschaftlich akribisch über entworfenen und von 1960 bis 1963 erbauten den Ortsnamen Stolp. »Die Germanistin Ros- Philharmonie am Berliner Kulturforum, das witha Wisniewski« wird von Charlotte Pawlo- zum Schicksal von Edgar W. werden sollte. Für witsch-Hussein vorgestellt. Die junge Studen- Scharoun hatte er die Leitung der Entwurfs- tin wechselte 1948 von der marxistisch umge- arbeit für den Wettbewerb zur Erbauung der bildeten Humboldt-Universität zu Berlin an die (neuen) Staatsbibliothek inne, die dann 1967 Freie Universität Berlin. Sie war Schülerin von bis 1978 entstand, nach dem Tod Scharouns Helmut de Boor, der zu seiner Zeit einer der 1972 unter der alleinigen Leitung seines bishe- führenden Kenner des Mittelhochdeutschen rigen Partners. Anschließend plante und erbau- und seiner Literatur war. Bei ihm habilitierte te Edgar W. von 1979 bis 1984 das Staatliche sie sich 1960 über die altnordische Th idreksa- Institut für Musikforschung mit dem Musik- ga. Zusammen mit ihrem Mentor verfasste sie instrumenten-Museum; beide Bauten gehören in jenen Jahren eine mittelhochdeutsche Gram- zur Stiftung Preußischer Kulturbesitz und sind matik, die bisher zehn Aufl agen erlebte und an wie die Philharmonie Solitäre moderner Archi- Hand derer sich auch Rez. im Mittelhochdeut- tektur – man mag sie mögen oder nicht. Auch schen schulte. Nach einem Zwischenspiel in der Kammermusiksaal, erbaut 1984 bis 1987, Kairo erhielt sie 1967 einen ehrenvollen Ruf an der als »Kleine Philharmonie« die große Schwe- die 1386 eröff nete traditionsreiche Ruprecht- ster gut und sinnvoll ergänzt, ist das künstle- Karls-Universität Heidelberg. Sie war die erste

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Frau, pardon: Dame, auf einem Lehrstuhl der und trat unter dem Wutgeheul der revolutionä- Heidelberger Alma Mater! Gleichermaßen er- ren Banden 1972 der CDU bei. Für diese Par- folgreich vertrat sie die Sprach- und Literatur- tei, die damals noch einen starken konservati- geschichte der älteren deutschen Sprache. Da- ven Flügel hatte, saß die beherzte Kämpferin u. bei hielt sie sich von einer rein linguistischen, a. für die Freiheit von Wissenschaft und Lehre zu engen Sprachforschung und -betrachtung von 1976 bis 1994 im Deutschen Bundestag. In fern, die Ende der 1960er Jahre immer mehr ihn zog sie zunächst über die Landesliste ein, in Mode kam und der Wissenschaft nicht nur gewann dann aber von 1980 an viermal ihren gut bekam. Mitgliedern unserer »Gesellschaft Wahlkreis Mannheim II-Weinheim, was schon für pommersche Geschichte, Altertumskunde erstaunlich genug ist. »Das politische Leben der und Kunst e. V.« ist sie mit ihren Forschungen Roswitha Wisniewski« wird von der ehemaligen über Fürst Wizlaw III. von Rügen (1265 oder Bundesministerin Dorothee Wilms gewürdigt, 1268–1325), den letzten Minnesänger, der zwar ihrer engen Freundin, die auch die Todesanzei- aus dem niederdeutschen Sprachraum stamm- ge für die Verstorbene unterzeichnete. Beide Po- te und auch so sprach, aber in Mittelhoch- litikerinnen waren wesentlich an der Durchset- deutsch dichtete, in bester Erinnerung geblie- zung des wichtigen Hochschulrahmengesetzes ben. Über ihn hielt sie auf unserer Jahrestagung der Regierung Kohl von 1984 beteiligt, einem in Wittenberg 2007 einen vielbeachteten und Meilenstein. Beide besuchten sie 1995, ganz be- regelrecht mitreisenden Vortrag, veröff entlicht scheiden und zurückhaltend als Privatpersonen, in unserem Sammelband »Insel im pommrsi- die Jahrestagung unseres Geschichtsvereins in chen Meer. Beiträge zur Geschichte Rügens«, Binz. Immer war die Germanistin dem histo- hg. v. Irmfried Garbe und Nils Jörn, Greifs- rischen, kulturellen und geistigen Erbe ihrer wald 2011, S. 15–22. – Vor ihrer erfolgreichen (hinter-) pommerschen Heimat und ganz Ost- Zeit in Heidelberg war die junge Alt-Germani- deutschlands bzw. der historischen deutschen, stin von 1965 bis 1967 an der neu gegründeten besser: preußischen, Ostprovinzen verpfl ichtet, Abteilung für Germanistik an der Universität deren jahrhundertelange erfolgreiche Existenz Kairo tätig, seit 1966 als Leiterin. Von 1982 bis von der größenwahnsinnigen nationalsozialisti- 2003 war sei Präsidentin der Deutsch-Ägypti- schen Diktatur verspielt und von der Sowjetu- schen Gesellschaft Bonn-Kairo e.V., seither Eh- nion vernichtet wurde. – Für ihre Fraktion saß renpräsidentin. Den Beitrag »Ägypten im Le- sie im Innenausschuss des Deutschen Bundes- ben von Roswitha Wisniewski« verfasste Franz- tags und war Sprecherin der Unionsparteien im Joachim Jagow. – Im Mittelpunkt des zweiten Unterausschuss »Kunst und Kultur«. In demsel- Beitrags von Elisabeth Vahlefeld »Von der Poesie ben wichtigen Ausschuss war Roswitha W., die und Prosa des Pommenlandes« steht das große immer in erster Linie Gelehrte war und blieb, Alterswerk von Roswitha W., ihre umfangreiche Vorsitzende des Unterausschusses »Wiedergut- »Geschichte der deutschen Literatur Pommern. machung nationalsozialistischen Unrechts« und Vom Mittelalter bis zum Beginn des 21. Jahr- kümmerte sich um die Einrichtung, Erhaltung hunderts«, Berlin 2013, die sie zusammen mit und Pfl ege von Mahn- und Gedenkstätten na- Grit Schwarzkopf verfasste und nicht weniger tionalsozialistischen Unrecht. Die Nennung als 459 Druckseiten zählt. Mit diesem Buch, ei- dieser Aktivitäten muss hier genügen. nem wahren »opus magnum«, hat die Germa- Es liegt ein hochinteressanter Sammelband vor, nistin der häufi g in allen ihren Gattungen we- der auch ein Beitrag zur neuesten deutschen nig beachteten Literatur eines stillen und »ver- Geschichte ist und ein treues und aktives Mit- schwiegenen Landes« ein Denkmal gesetzt, aber glied unserer »Gesellschaft« ehrt, die jüngst für auch ein wenig sich selbst! Das wird hier noch immer von uns gegangen in die Ewigkeit ge- einmal ausführlich dargelegt. wechselt ist. Wir werden ihr ein ehrendes An- Unter den damals ausbrechenden Studentenre- denken bewahren. volten mit allen ihren üblen Ausschreitungen litt die Ordinaria mehr als sie nach außen zeig- Ludwig Biewer, Berlin te. Sie entschloss sich, klar Farbe zu bekennen

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Manfed Wilde, Hans Seehase (Hgg.), Unter der Geheimverhandlungen, die zum Erwerb neuer Herrschaft. Konsequenzen des Wiener des schwedischen Vorpommerns durch Preußen Kongresses 1815 (Studien zur Deutschen Lan- führten. In einem zweiten Abschnitt beschäftigt deskirchengeschichte, Bd. 10). Leipzig – Leip- er sich mit den Herausforderungen zur Integra- ziger Universitätsverlag GmbH 2016. 306 S. tion des neuen Landesteils. Hier steht dann ge- s/w u. farb. Abb. ISBN 978-3-96023-007-6 mäß des Th emas des Bandes die Neuorganisa- tion der bisherigen selbstständigen schwedisch- Das Jahrestage und Jubiläen Anlass zu intensi- pommerschen Landeskirche im Mittelpunkt. verer Beschäftung mit speziellen historischen Obwohl nach dem Vertrag mit Schweden die Ereignissen und Prozessen geben, erleben wir bisherige Verwaltung des Landes unangetastet gerade in diesem Jahr (2017) durch das Refor- bleiben sollte, wurden nach längeren Vorun- mationsjubiläum, geneuer, dem Abschlussjahr tersuchungen im Herbst 1817 durch Kabinetts- der Reformationsdekade aus Anlass des 500 ordre doch einige Veränderungen angeordnet. Jahrestages des Thesenanschlags von Martin Zu den Neuerungen gehörte, dass Konsisto- Luther. Vor zwei Jahren stand der WienerKon- rium und das Medizinalkollegium in Stettin ab gress von 1815 im Fokus des Interesses, dem sich 1. Januar 1818 auch für den neu erworbenen zahlreiche Veranstaltungen und in deren Folge Landesteil zuständig sein sollten. Damit verlo- auch Publikationen widmeten. Der hier anzu- ren das Greifswalder und das Stralsunder Kon- zeigende Band reiht sich dort mit ein. Gemäß sistorium ihre Zuständigkeiten Landes- bzw. des Reihentitels, in der erschien, stehen thema- Stadtkirchenbehörde, aber sie exisitierten als tisch die kirchenorganisatorischen und kirchen- Gerichte bis zur Reform des Justizwesens in rechtlichen Veränderungen im Zentrum, und Neuvorpommern Mitte des 19. Jahrhunderts geographisch konzentriert er sich auf den mit- weiter. Der Generalsuperintendent Ziemssen teldeutschen Raum. Beides geht aus dem Buch- blieb bis zu seinem Tod im Amt, erst danach titel nicht unmittelbar hervor. wurde es nicht wieder besetzt. Einige Beiträge durchbrechen bildlich gespro- Einmal wird hier deutlich, dass die Eingliederung chen den eben gesteckten geographischen Rah- des vormaligen Schwedisch-Pommern in den men und behandeln Baden, das Rheinland, die preußischen Staatsverband prozesshaft verlief linksrheinische Pfalz und Minden-Ravensberg. und eine vollständiger rechtliche Angleichung Besonderes Interesse verdient in dieser Zeit- erst mit der Einführung des Bürgerlichen Ge- schrift jedoch der Beitrag von Joachim Kundler setzbuchs 1900 erreicht war. zum Übergang Schwedisch-Pommerns an Preu- Durch seine thematische Konzentration auf die ßen 1815 und dessen Auswirkunden auf die Kir- Veränderungen im Bereich der evangelischen chenorganisation. Während der Band sonst in Landeskirchen infolge des Wiener Kongresses erster Linie die auf einer Tagung des Arbeits- ist der Band eine gute Ergänzung der bisheri- kreises Deutscher Landeskirchengeschichte im gen und im Zusammenhang mit dem Jahrestag September 2015 in Delitzsch gehaltenen Vor- vor zwei Jahren neu vorgelegten oder noch vor- träge zum Abdruck bringt – den Herausgebern zulegenden Literatur. ein Glückwunsch für die sensationell kurze Be- arbeitungszeit! –, geht Kundlers Beitrag, wie er Dirk Schleinert, Stralsund gleich am Anfang vermerkt, auf seinen auf der Jahrestagung unserer Gesellschaft am 26. Sep- tember 2015 in Binz gehaltenen Vortrag zurück. Die Baltischen Studien hätten ihn auch gerne Gerd-Helge Vogel / Gerd Albrecht (Hgg.), Vom abgedruckt. Pommerschen Krummstiel nach Sanssouci. Kundig und unter Heranziehung der einschlä- Ferdinand Jühlke (1815–1893). Ein Leben für gigen Literatur und wesentlicher archivalischer den Garten(bau). Kiel – Verlag Ludwig 2016. Quellen aus dem Geheimen Staatsarchiv Preu- 192 S., 175 Abb., darunter viele farbige. ßischer Kulturbesitz in Berlin skizziert der Ver- ISBN 978-3-86935-266-4 fasser den Gang der Ereignisse, insbesondere

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Die Publikation erschien als Begleitband einer Landwirtschaftsakademie im nahen Eldena tä- Ausstellung des Vineta-Museums Barth, die in tig war. An dieser innovativen Bildungseinrich- zwei aufeinander folgenden Teilen von Septem- tung entwickelte sich Jühlke zu einem Experten ber bis November 2015 und Juni bis November in der Pfl anzenzucht, besonders auf den Gebie- 2016 gezeigt wurde. Anlass war diesmal der 200. ten des Obst- und Gemüsebaus, sowie der gärt- Geburtstag von Ferdinand Jühlke, nachdem es nerischen Betriebslehre. Vor allem erwarb er 2002 in seiner Geburtsstadt Barth schon einmal sich einen Namen als reger Vermittler von Ideen, eine umfassende Personalausstellung gegeben wissenschaftlichen Erkenntnissen und prakti- hatte, mit der erstmals Leben und Werk dieses schen Erfahrungen, die der Ökonomisierung bedeutenden Protagonisten der Gartenkultur und Popularisierung der Hortikultur dienten. umfassend gewürdigt wurde. Damals brachte Jühlke gehörte zu den Mitbegründern des das Vineta-Museum ebenso einen Katalog her- »Gartenbau-Vereins für Neuvorpommern und aus, von dessen Autorin Angela Pfennig auch Rügen«, dessen Sekretär er von 1845 bis 1858 die erste Jühlke-Monographie stammt (verfasst war. In dieser Funktion stellte Jühlke etwa als als Dissertations-Schrift).13 Bei der Herstellung Kurator von Nutz- und Zierpfl anzenausstellun- des Bandes zur Exposition von 2015–2016 leg- gen sein großes organisatorisches Vermögen ten seine Herausgeber und der Verfasser Gerd- und kommunikatives Talent unter Beweis. Helge Vogel das Hauptaugenmerk auf die in- Eben so verbreiterte sich das Spektrum seiner struktive und anschauliche Korrespondenz zwi- publizistischen Aktivität, indem er beispielswei- schen der Vielzahl der in ihm abgebildeten se neben den periodisch erscheinenden inhalt- Bild- und Textdokumente sowie deren erläu- reichen Berichten des Gartenbau-Vereins einen ternder bzw. vertiefender Beschreibung und Beitrag über die historische Entwicklung der Kommentierung, wofür zeitgenössische Schrift- Hortikultur in Vorpommern verfasste. 1858 ver- quellen und Veröff entlichungen ausgiebig ge- ließ Jühlke die Akademie in Eldena und seine nutzt und zitiert worden sind und Jühlke selbst pommersche Heimat und ging nach Erfurt, um als Fachautor oftmals zu Wort kommt. Selbst- sich dort, in der damals führenden »Garten- verständlich fl ossen dabei jene neuen Einblicke baustadt«, neu zu etablieren. Der ehemals kö- und Erkenntnisse mit ein, die in den vergange- niglich-preußische Garten-Inspektor und Aka- nen 20 Jahren zum Schaff enswerk Jühlkes ge- demie-Lehrer wurde zum privaten Handelsgärt- wonnen wurden, so dass dieser Ausstellungs- ner und Inhaber einer Samen- und Pfl anzen- Katalog auch den aktuellen Stand der For- handlung! Doch auch als Geschäftsmann setzte schung widergibt und präsentiert. Dessen Jühlke sein öffentliches Engagement für die Haupt kapitel und einzelne Katalog-Nummern Hortikultur mit gleicher Intensität fort: 1860 erscheinen in chronologischer Reihenfolge, d. übernahm er den Vorsitz des Erfurter Garten- h. analog der privaten und berufl ichen Biogra- bau-Vereins und gründete den »Deutschen Po- phie Jühlkes, als Darstellung von »Ferdinand mologen-Verein« mit. Jühlke krönte sein Wir- Jühlkes Leben in Bildern und Dokumenten«, ken mit der ersten Internationalen Gartenbau- wie es im Eingangstitel steht. Der Kindheit in ausstellung. Deren Organisation und Durch- Barth als Sohn eines Tischlers folgen die ersten führung in Erfurt im September 1865 brachte Stationen und entscheidenden Weichenstellun- dem einstigen Gärtnerlehrling aus Barth viel gen in Jühlkes Laufbahn, der seine Profession Anerkennung ein und machte ihn weithin be- ab 1830 »von der Pike auf« am Botanischen kannt. Den Gipfelpunkt seiner Karriere er- Garten der Universität Greifswald erlernte und reichte Jühlke, als er 1866 zum Hofgarten-Di- dann von 1835 bis 1858 selbst als Lehrer an der rektor in Potsdam ernannt wurde und damit die Nachfolge des herausragenden Garten- künstlers Peter Joseph Lenné (1789–1866) an- 13 Pfennig, A., Die Welt ein großer Garten. Der Kö- trat. Zusammen mit diesem hohen Amt über- niglich-Preußische Hofgartendirektor Ferdinand Jühlke (1815–1893), Berlin 2002. Nach ihrer Prä- nahm Jühlke die Leitung der königlichen Lan- sen tation in Barth wurde diese erste Jühlke-Aus- desbaumschule und Gärtnerlehranstalt in Pots- stel lung 2003 auch in Potsdam gezeigt. dam. Bis zu seiner Pensionierung 1891 sollte

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Jühlke mit diesen Ämtern betraut sein, womit hatte. Es handelt sich um Fritz Reuter, dessen ihm für ein Vierteljahrhundert die Pfl ege und Villen-Garten in Eisenach nach Jühlkes Vorga- Erhaltung sämtlicher königlicher Gärten oblag. ben gestaltet wurde und für den er seinen be- Insgesamt waren das 26 sog. »Gartenreviere« in rühmten Schriftsteller-Freund Pfl anzen schick- allen Provinzen Preußens. Dass er hierfür der te. Eine andere, höchst interessante Bekannt- am besten geeignete Fachmann war, wurde von schaft, die auch für Jühlkes Karriere förderlich manchen kundigen Zeitgenossen und Berufs- war, ist die mit Otto von Bismarck gewesen, kollegen auch bezweifelt oder sogar bestritten, welche er bereits früh gemacht hatte, als dieser aufgrund seiner vergleichsweise bescheidenen 1839 seinen Militärdienst in Greifswald ableiste- Fähigkeiten und Leistungen als künstlerischer te und sporadisch am Unterricht an der Land- Planer und Gestalter von Gärten. Und tatsäch- wirtschaftsakademie in Eldena teilnahm. Wich- lich fi nden sich in der Potsdamer Plankammer, tigste Person in Jühlkes Berufsleben dürfte aber wie von Clemens Alexander Wimmer festege- P. J. Lenné gewesen sein. Die große Vorbildwir- stellt wurde, lediglich 16 Entwürfe bzw. Plan- kung, welche von Lenné ausging, hatte bestim- skizzen, die mit Jühlkes 25jährigen Wirken als menden Einfl uss auf Jühlkes Ambitionen und Hofgartendirektor direkt in Verbindung ste- die liefen darauf hinaus, Nachfolger Lennés zu hen.14 Darunter ist kaum ein Plan, worauf werden, was ihm ja 1866 auch gelang. Diese Wimmer ebenso hinweist, den Jühlke selbst ge- Nachfolge blieb in Fachkreisen umstritten, ob- zeichnet hat. Relativierend ist zu Jühlkes schma- wohl Jühlke sehr wohl auch der »Wunschkandi- len gartenkünstlerischen Œuvre zu sagen, dass dat« des alten Lenné war. Etwa bei Angehörigen es während seiner Direktorenschaft in Potsdam der Gärtner-Elite Berlins und Potsdams stieß andere Prioritäten gab, nach denen mehr die sie auf Skepsis und Ablehnung. In vielerlei Hin- Erhaltung der vielen bestehenden Parkanlagen sicht war Jühlke auch nicht der kongeniale Erbe im Vordergrund stand, als deren Um- oder Lennés, besonders als Garten-Künstler war er es Neugestaltung sowie Erweiterung. Jühlkes Gar- nicht. Ebenso hatte Jühlke bei seiner Reorgani- tenpläne aus Potsdamer Zeit werden im Band sation der Landesbaumschule und Gärtnerlehr- zu seiner Barther Jubiläums-Ausstellung erst- anstalt in Potsdam mache Veränderungen vor- malig komplett abgebildet, beschrieben und er- genommen, mit denen er sich von Lennés Ide- läutert zusammen mit den anderen Entwürfen alen und Prinzipien völlig entfernte. Jedoch ge- und Gestaltungsvorschlägen, die er für noch rade mit der Erneuerung des Lehrkonzepts und weitere öff entliche und im private Auftraggeber durch die programmatische Neuausrichtung gefertigt bzw. unterbreitet hatte. Darunter sind der Arbeit dieser beiden wichtigen Einrichtun- Entwürfe für die Begrünung von Plätzen im ur- gen hat sich Jühlke verdient gemacht, indem er banen Großraum Berlins und für den Park der sie wieder auf einen zeitgemäßen Stand brachte Kadettenanstalt in Berlin-Lichterfelde sowie und deren Effi zienz im Sinne einer stringenten Pläne, welche Jühlke für seine Geburtsstadt Praxisorientierung zu steigern vermochte. Auch Barth angefertigt hatte, die ihn 1884 zu ihrem dieses Kapitel des Wirkens von Jühlke als »Re- Ehrenbürger ernannte. Ein in seinem Volumen former der Gärtnerausbildung« wird in dem eher bescheidener Privatauftrag erhält Gewicht Band ausführlich gewürdigt, der durch seine durch die Persönlichkeit des Auftraggebers und große Zahl hervorragender Abbildungen be- der langwährenden freundschaftlichen Bezie- sticht. Ein wahrer »Augenschmaus« sind hier hung, die zwischen ihn und Jühlke bestanden die schönen Darstellungen aus botanischen und pomologischen Alben, zu denen auch die vom »Pommerschen Krummstiel« gehören, jener Apfelsorte, die mittlerweile »zum Synonym« für 14 Wimmer, C. A., Zur Geschichte der Verwaltung das Wirken des »Gartenbauenthusiasten« Ferdi- der königlichen Gärten in Preußen, in: Stiftung nand Jühlke geworden ist. In dessen Leben und Preu ßische Schlösser und Gärten Berlin-Bran- Schaff en spiegelt sich die gesamte Gartenkultur denburg (Hg.), Preußisch-Grün. Hofgärtner in Bran denburg-Preußen, Leipzig 2004, S. 41–105, des 19. Jahrhunderts wider, von der Liebe zum zu Jühlke S. 89–91. Zentrale Passagen dieses Textes Haus- und Ziergarten im gefühlbetonten und sind auch im Katalog-Band abgedruckt. naturverbundenen Biedermeier, über die Ver-

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bindung zwischen Agrarwirtschaft und Ästhe- stab erkennbar, die sich als Teil der industriellen tik, die sich in Konzepten für eine umfassende Revolution im hart umkämpften internationa- »Landesverschönerung« manifestierte bis hin len Schiff baumarkt vollzogen. Dazu zählen die zum vielspartigen marktorientierten Erwerbs- Einführung moderner Dampfhämmer, das erste gartenbau. deutsche Handelsschiff mit Turbinen, immer wieder die für ihre Zeit größten Handelsschif- Michael Lissok, Greifswald fe der Welt, Schnelldampfer für den Norddeut- schen Lloyd, Versuchsschiff e, zwei Fährschiff e für die neue Linie Saßnitz–Trelleborg, Dampfer für die Südamerika-Linie des Norddeutschen Manfred Höft, Der Vulcan in Stettin und Lloyd, zwei sogenannte Mississippi-Damp- Hamburg. Schiff swerft – Lokomotivfabrik – fer für den Hamburger Hafen, das erste Vier- Maschinenfabrik 1851–1929. Band II: 1905– schrauben-Turbinenschiff , Transformatorschif- 1929 Der Handelsschiff - und Maschinenbau. fe wie z. B. der Turbinendampfer TIRPITZ, Bremen – Edition Falkenberg 2015. 266 S. mit die Ölfeuerung nach dem System »Vulcan«, er- 171 Abb. ISBN 978-3-95494-077-6 ste Frachtschiff e mit Dieselantrieb, neue Vul- can-Getriebe für Motorschiff e und schließlich War an dieser Stelle vor zwei Jahren bei der Vor- die Bauer-Wach-Abdampfturbine. Auch die stellung des ersten Bandes noch der Sorge Aus- sozialen Bewegungen dieser Zeit werden von druck verliehen worden, das Ende des damali- Manfred Höft gut nachvollziehbar geschildert. gen Verlages könnte das Erscheinen des zwei- Dazu zählen immer wieder Streiks wegen der ten Teils dieser bahnbrechenden Studie über problematischen Arbeitsbedingungen und für eine der wichtigsten Industrieansiedlungen in Lohnerhöhungen, die Folgen des Ersten Welt- der Provinz Pommern, die maßgeblich den Auf- kriegs sowie der Beginn der Revolution in Stet- stieg der Provinzhauptstadt Stettin zum größten tin am 8. November 1918 (sic!), die verheeren- deutschen Ostseehafen und zur siebtgrößten den Auswirkungen des Versailler Vertrages für Stadt des Deutschen Reiches beförderte, behin- den deutschen Schiff bau, die Bildung von Be- dern, so kann jetzt dankbar festgestellt werden, triebsräten und der Einfl uss der Kommunisten dass es dem Autor gelungen ist, einen neuen auf die Wahlen zu diesen Vertretungen der Be- Verlag zu fi nden. Der Edition Falkenberg ver- schäftigten. Der Bedarf des »Seedienstes Ost- danken wir nun einen professionell gestalteten preußen« an Schiff skapazitäten, der kurzzeitig Band, in dem die Entwicklung des Vulcan ab in Stettin während der 1920er Jahre für Hoff - dem Jahre 1905, als zusätzlich zum Gründungs- nungen sorgte, wird ebenso thematisiert wie die standort Stettin auch eine große Niederlassung Unfälle auf den Werften in Hamburg und Stet- in Hamburg entstand, bis zum Ende des Un- tin sowie die diversen Schiff sunglücke, die Aus- ternehmens 1929 während der Weltwirtschafts- wirkungen auf die Produktion und die Verbes- krise nachgezeichnet wird, was für Stettin nach serung der Sicherheitsvorschriften hatten. Infol- 72 Jahren einer mit dieser renommierten Werft ge des Verkaufs des Hamburger Werks an neue verbundenen grandiosen Schiffbaugeschich- Eigentümer in Bremen kam es zuerst 1927 für te einen herben wirtschaftlichen und sozialen den Stettiner Vulcan zum Ende seiner Selbstän- Einschnitt darstellte, waren doch beim Vulcan digkeit, ehe 1929 das Deschimag-Werk Vulcan in seinen besten Zeiten insgesamt 22.000 Men- Stettin stillgelegt wurde und kurz darauf auch schen beschäftigt. im Hamburger Werk die Lichter ausgingen. Der zweite Band erläutert minutiös die Beweg- Die politischen Interessen, die an der Weser- gründe der Unternehmensführung für die Er- mündung Ende der 1920er Jahre dafür sorgten, öff nung der Filiale in Hamburg und beleuchtet dass die lästige Konkurrenz an der Elb- und an das reichsweite öff entliche Interesse an diesem der Odermündung ausgeschaltet wurde, erin- Schritt. Schaut man auf die Stationen dieser nert in fataler Weise an das ebenfalls von Bre- Werft in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten men ausgehende Desaster um die »Sanierung« ihres Bestehens, so werden die technischen In- der von der Treuhand veräußerten Werften in novationen und ihre Nutzung im großen Maß- Mecklenburg-Vorpommern nach 1990.

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Der gründlich gearbeitete Band bietet ein Per- tion genutzt wurde, um von hier aus mittels sonen- und Sachregister, Übersichten zu den deutscher Kriegsgefangener Reparationsgüter Verwaltungsratsmitgliedern, den Ingenieuren aus den offi ziell polnischen verwalteten östli- und Kaufl euten in Führungspositionen, den chen Teilen des Deutschen Reiches sowie aus Meistern, Beamten, Angestellten und Werks- der Sowjetischen Besatzungszone gen Nord- ärzten, der Entwicklung des Aktienkapitals osten zu verschiff en, sollte sich die Situation für und der an die Aktionäre gezahlten Dividen- die nördlichen Vororte von Stettin anders dar- den. Mit der Schiff sliste für die Jahre 1904–1930 stellen. Pölitz, in dem seit 1937 die gleichnami- wird schließlich einem ganzen Zeitalter des gen, strategisch überaus bedeutsamen Hydrier- tech nischen und wirtschaftlichen Fortschritts werke errichtet worden waren, wurde erstmals ein Denkmal gesetzt, auf das man im sonst so im August 1940 angegriff en. Die größten Zer- agrarisch geprägten Pommern stolz sein kann. störungen brachten aber die Angriff e des Jah- res 1944, die weite Areale im Stadtzentrum von Haik Th omas Porada, Leipzig Stettin und in den nördlichen Vororten betra- fen. Östlich der Oder und des Dammschen Sees hatte die Rote Armee im März 1945 ihre Artillerie in Stellung gebracht und mit dem Be- Kurt Bergunde, Bugenhagenschule – Staatliche schuss des westlichen Oderufers begonnen. Da- Aufbauschule zu Pölitz 1922–1946. Lilienthal von war auch Pölitz betroff en, das schließlich 2017. Dritte, gekürzte Ausgabe. 111 S. mit am 26. April eingenommen wurde. Bis zum 25. zahlr. s/w Abb. (zugleich als polnische Ausgabe September 1946 verblieb die sogenannte Pölit- unter dem Titel: Państwowa Doksztacajca zer Enklave als Teil der für Mecklenburg und Szkoła Średnia im. Jana Bugenhagena w Vorpommern in Schwerin angesiedelten sowje- Policach 1922–1946. Lilienthal 2017. 70 S. tischen Militäradministration unter der Ver- mit zahlr. s/w Abb.). waltung des deutschen Landrats Erich Spiegel. Dazu zählten neben Pölitz selbst Odermünde, Kurt Bergunde gehört zu den letzten Stettinern, Messenthin, Jasenitz, Damuster, Königsfelde, denen es vergönnt ist, sich in wissenschaft- Hammer, Wilhelmsdorf und Ziegenort. War licher Perspektive mit der Heimat ihrer Kind- das Areal rund um die Hydrierwerke während heit und Jugend auseinanderzusetzen und da- des Krieges Standort mehrerer Lager für auslän- bei aus den eigenen Erfahrungen und Erlebnis- dische Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene so- sen zu zehren. Er wurde 1932 in Lauenburg in wie bei Messenthin seit Herbst 1944 das Außen- Pommern geboren. Als er sechs Jahre alt war, lager Pölitz des KZ Stutthof errichtet worden, zog seine Familie nach Stettin. Als Sextaner be- so wurden die Hydrierwerke seit dem späten suchte er ab Herbst 1942 die Staatliche Aufbau- Frühjahr 1945 von der sowjetischen Militärver- schule für Jungen in Pölitz, das 1939 bei der Bil- waltung mit einem großen Lager für deutsche dung von Groß-Stettin eingemeindet worden Kriegsgefangene belegt, die den Betrieb und war. Aufgrund der zunehmenden Luftangrif- die anschließende Demontage zu gewährleisten fe, von denen auch der Odermündungsraum hatten. Das Ende der Pölitzer Enklave wurde nicht verschont wurde, kam auch Kurt Ber- mit der Übernahme des Postverkehrs durch die gundes Schulklasse in die Kinderlandverschik- polnischen Behörden am 24. September 1946 kung. Am 1. Mai 1945 musste er erleben, wie besiegelt. Einen Tag später übernahmen sie das die sowjetrussischen Truppen das mit Flücht- Fabrikgelände der Hydrierwerke, nachdem sie lin gen überfüllte Rövershagen östlich von Ro- bereit am 7. September Messenthin und am 19. stock überrollten. Für ihn, seine Mutter und September Pölitz und Jasenitz dem nunmehr seine beiden Geschwister hieß es, wie für so polnisch kontrollierten Festlandsockel westlich viele gefl ohene Stettiner damals: Zurück in die der Oder angegliedert hatten und auch hier die Heimat! Während in Stettin selbst bereits nach Vertreibung der einheimischen Bevölkerung wenigen Monaten die deutsche Verwaltung vollzogen wurde. von einer polnischen verdrängt wurde und le- Für Kurt Bergundes Familie endete die letzte diglich der Freihafen noch bis Mitte der 1950er Phase ihres Aufenthaltes in Pölitz bereits im Jahre von der sowjetischen Militäradministra- März 1946. Zielpunkt wurde für sie Bremen.

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Nach dem Studium der Geographie und der Emil Hommer, sowie seines Nachfolgers Erich Germanistik an der Philipps-Universität Mar- Winguth erschlossen werden, der übrigens auch burg und der Freien Universität Berlin erfolg- für die Historische Kommission für Pommern te 1979 seine Ernennung zum Professor an der bzw. der Landeskundlichen Forschungsstelle, Hochschule für Nautik in Bremen mit den Ar- wie sie zeitweise in den 1930/40er Jahre hieß, beitsgebieten Schiff ahrtssoziologie, Verkehrs- tätig war. Dabei wurde auch bewusst ein Blick und Wirtschaftsgeographie sowie Klimatolo- zurück auf die Vorläufer dieser Aufbauschule in gie für Nautiker. Zehn Jahre später begann sich Gestalt des 1862 eröff neten Lehrerseminars und Bergunde im Historischen Arbeitskreis Stettin der 1871 begründeten Präparandenanstalt ge- zu engagieren, wobei sein Augenmerk vorrangig worfen. Bedenkt man, dass in einer Kleinstadt den Vororten und den Erholungsgebieten sowie wie Pölitz seit dem 19. Jahrhundert darüber den mit ihnen verbundenen Wandervereinen hinaus noch neben der Volksschule mit geho- am Rande dieser Großstadt galt, z. B. Zedlitz- benen Klassen eine gewerbliche Fortbildungs- felde, Hohenleese, Neuendorf, der Buchheide schule, eine Schiff erschule und eine Landwirt- oder dem Messenthiner Waldverein. Er gehörte schaftsschule bestanden, so wird deutlich, wel- dabei zu den ersten, die den Kontakt mit pol- che Bildungsoff ensive der preußische Staat sei- nischen Wissenschaftlern in Stettin, z. B. Bog- nen Bürgern seit der Reformzeit zu Beginn des dan Frankiewicz (1923–2003) im Staatsarchiv, 19. Jahrhunderts angedeihen ließ. Der bemer- sowie zu den dortigen heutigen Bürgermei- kenswerte Gebäudekomplex der Bugenhagen- stern, z. B. Wła disław Diakun in Pölitz, such- schule wurde während des Krieges weitgehend ten, um erfolgreich gemeinsame Vorhaben bei bei Bombenangriffen zerstört. Das Schick- der Quellenrecherche und der Übersetzung von sal der letzten Schüler- und Lehrergeneration Publikationen zu initiieren, letztlich Vertrauen zeichnet Kurt Bergunde in Zeitzeugenberichen aufzubauen und Verständnis für die jeweils an- seiner Schulkameraden eindrucksvoll nach. Die dere Seite zu generieren. dritte Aufl age seiner für die pommersche Schul- Im Mai 2000 war solcherart eine erste Fassung geschichte wichtigen Dokumentation ist paral- der Gesamtschülerlisten aus der Chronik der lel in gekürzter Fassung auch auf Polnisch er- Pölitzer Bugenhagenschule publiziert worden. schienen. Seither konnten weitere Materialien aus der Fe- der des Gründungsdirektors der Aufbauschaule, Haik Th omas Porada, Leipzig

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