Feuilleton 51

" mon amour", erschienen im Hanser-Verlag . Gleichzeitig ist dieses Buch auch als Befreiungsschlag zu le­ sen: aus der Literaturbranche, die oft gerade noch gefeierte Mitseinen Autoren schnell wieder fallenlässt Das alles kann Katja Oskamp nicht wissen, als sie an ih­ rem ersten Arbeitstag morgens vor dem Kosmetik-, Massage-, Nagel- und Fußpflegestudio ihrer Freundin Karina steht. Nach Füßenist etlichen Jahren als Dramaturgin am Theater und drei Romanen hat sie beschlossen, dass es so nicht weitergehen kann. Die Toch­ ter geht nach England, der Mann ist ein Pflegefall, kein Verlag will ihre Novelle. Doch nicht nur das: Der ganze Literaturbe­ der Mensch trieb hängt Katja Oskamp zum Hals heraus; die Abhängigkeit vom Wohlgefallen weniger empfindet sie als entwürdigend, und der Stolz ist zu groß. "Da bin ich dann auch bockig: Wenn die mich nicht wollen, geh' ich. Aber ich bin diejenige, die verlässt, allein das war mir immer wichtig", erzählt sie in einem Cafe hinter dem Marzahner Studio "MP 20". "War früher mal in der Mar­ Die Schriftstellerin Katja Oskamp zahner Promenade 20, ist es nicht mehr, stört sich aber keiner daran", erklärt sie den Studionamen, als es um die im Buch be­ arbeitet als Fußpflegerin in Berlin. In ihrem schriebene Stelle geht, an der sich eine Frau vom Balkon gestürzt Roman ,,Marzahn mon amour" hat und die Autorinden Notdienst rief. Das entsprechende Kapi­ erzählt sie von Pediküre als Seelenpflege. tel heißt "Die Russin". "Die ist schon mal gesprungen", sagt dort die Kollegin Tiffy, "hat nicht geklappt. Wahrscheinlich nicht hoch genug. Davon hat sie das kaputte Bein behalten."

Um Selbstverwirklichung geht es nicht In den restlichen Geschichten stürzt sich zwar keiner mehr vom Balkon, aber es bleibt tragisch, wenn auch auf komische Weise. Da ist zum Beispiel Frau Blumeier. Sie wohnt mit ihren sechzig er sie? fü: Ne.uerscheinungen inter:ssiert, Jahren über dem Studio, und ihr gängigster Satz ist: "Wollt ick hat Sie VielleiCht schon gehört: die Ge­ grade sagen." Als Katja Oskamp gerade ihre Zehennägel schnei­ schichte von Katja Oskamp, Jahrgang det, erzählt die Seniorin, was ihr und ihrem jüngst wiedergetrof­ 1970, der vermeintlich gescheiterten W fenen Jugendfreund beim Sex passiert ist: "Uns is dit Bette einje­ Schriftstellerin, die vor viereinhalb Jahren begann, als Fußpflege• rin in Berlin-Marzahn zu arbeiten. Das ist medial ein fruchtba­ kracht" Frau Blumeier, deren Name wie jeder andere im Buch res Thema, denn vergessene Literaten und ein bisschen Ekel ma­ geändert ist, war kürzlich bei einer Lesung in einer Marzahner chen sich gut. Außerdem ist es ja ein recht abwegiger Gedanke, Buchhandlung dabei. freiwillig den heimischen Schreibtisch zu verlassen, wo man in al­ Man könnte sagen, dass es in diesem Buch um Katja Os­ ler Ruhe geistreiche Literatur produzieren konnte, um sich fort­ kamps Kundschaft geht, um die Gebrechen des Alters, zerfurch­ an kniend im Umgang mit Hornhaut und Fußpilz zu üben. te Füße, verwachsene Nägel und unangenehme Vermengungen Aber offenbar ist das möglich- und das Glückall derjenigen, die aus Flüssigem und Festem - aber eigentlich geht es um die sich jeden zweiten Monat bei Katja Oskamp die Krusten um die Schriftstellerin und Fußpflegerin selbst. Das aber würde sie nie Nagelfalze gefügig machen lassen, sich die Hornhaut einweichen so behaupten, im Gegenteil. "über sich selbst kann man ja nicht und abhobeln lassen, so dass die Fußpflegerin manchmal noch schreiben. Zumindest sollte man es nicht", sagt sie und findet, am Abend Hornhautfetzen aus den Haaren zwirbelt. Oder einen dass gesellschaftlich ein falscher Eindruck von der Wichtigkeit, Fußnagel im BH findet. verschiedene Rollen einnehmen zu können, vorherrscht. "Es Vor allem aber können sie froh sein, dass sie jemanden geht doch nicht immer um eine Form von Selbstverwirkli­ zum Reden haben. Denn Füße sind etwas Besonderes, und chung, bei der alles umfassend funktioniert. Es wäre ja ganz deshalb ist das auch das Verhältnis derjenigen, denen sie gehö- schrecklich, immer bloß eine Rolle zu haben." Und Rollen seien ren, zu denen, die sie anfassen. Die- an Kostüme, an Bühnenbilder, ans Äußere gebunden. "Das hilft Es gibt keine niederen ses Verhältnis beschreibt die gebürti• uns, die Rollen zu trennen, die wir ständig spielen. Und dabei Arbeiten, nur neue ge Leipzigerin Katja Oskamp auf 142 geht es nicht darum, Masken zu bedienen oder ob man nun Herausforderungen: Seiten in zärtlichen, brachialen, stets eine Rolle gut oder schlecht spielt. Sondern darum, dass ich die Katja Oskamp liebevollen Porträts ihrer Kunden in Summe meiner Rollen bin", sagt sie, heute in Pink gekleidet,

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mittwochs und donnerstags zum Dienst hingegen immer in Auch dort, wo größte fessionell distanziert bleibt. Erst wer­ Weiß gekleidet. Allerdings gebietet sie Einhalt, wo einige ge­ Anonymität herrscht, den die Füße gewaschen und einge- neigt sind, Kausalitäten herzustellen. Denn Katja Oskamp hat gibt es Begegnungs- weicht. Die Fußpflegerin verlässt noch weder mit der Fußpflege begonnen, um darüber zu schreiben, orte: Marzahn einmal den Raum, dann geht es los. Ge- noch aus Verzweiflung. Immer wieder wird sie gefragt, wann rade die Stammkunden geben sich sie denn mit diesem Job aufhöre und man sie wieder ganz auf fühlbar und vollends in Katja Oskamps Hände, der Fuß ent­ der Bühne der Schriftsteller begrüßen dürfe, nun, da sie ja wie­ krampft, und die ersten Sätze beginnen. Frau Guse erzählt von der ein Buch veröffentlicht habe. Doch sie wird Fußpflegerin ihrem Brustkrebs, Herr Pa ulke von "so 'ne Art Schlauch", den bleiben, in der restlichen Zeit ist sie Schriftstellerin, Mutter, man ihm "einjebaut" habe, "vom Hals bis inne Leiste, der reju­ möglicherweise Partnerin oder auch mal Weintrinkerin. "Ich liert irjendwat und muss ab und zu nachjestellt werden". Der kenne den Laden doch, das kann so schnell wieder vorbei sein. Dialog zwischen Katja Oskamp und Frau Blumeier beginnt Und dann steht man da und guckt blöd. Nee!" mit: "Kommse rin!" und "Und setzense sich, wa?". Der ehema­ lige SED-Funktionär antwortet auf die Nachfrage, ob es Neues Keine Angst vor dem, was andere denken an der Front gebe, mit: "Sicher, es gibt ein paar Dinge, mit de­ Professionelle Fußpflege dürfte für die meisten ein fremdes Ge­ nen ich nicht zufrieden bin, aber ich komme klar. Ich bewälti• biet sein, zumindest, wenn es um die Seite des Pflegers geht. ge mein Leben." Undall das entspinnt sich, während Katja Os­ Katja Oskamp wird für ihre Entscheidung bewertet und verur­ kamp behutsam hält und pflegt, was ihre Kunden nur ihr an­ teilt. "Das sind einfach Berufe, die werden gesellschaftlich, vertrauen: ihre Füße. und unter den Intellektuellen ja erst recht, nicht respektiert: Anfangs seien die Arbeitstage heftig gewesen, körper• Müllabfuhr, Kranken- oder Fußpflege- alles eins." Es sind Be­ lich, inhaltlich und emotional. "Aber ich mag es, hart zu arbei­ rufe, für die man keinen besonders hohen Abschluss benötigt. ten. Ich will Dinge machen. Ich will sie im Griff haben, bewe­ Mit einem Abitur die Ausbildung zum Frisör einzuschlagen er­ gen und auch mich dabei erleben. Das alles kann ich hier. Und scheint vielen schon fragwürdig. "Dabei ist es ja genau diese ich habe keine Angst mehr davor, was die anderen denken." Form der Abstiegsangst, die gerade Menschen in prekären Be­ Im Blick auf ihre lieb gewonnenen Kunden, immerhin, ist die­ rufen, freie Autoren oder Journalisten zum Beispiel, nach un­ se Sorge überflüssig. Im "MP 20" schaffen drei Fußpflegerin• ten abgeben. Die mich sehen und denken, na immerhin muss nen einen Raum, in dem Einsamkeit geteilt und aufgehoben ich das noch nicht machen, und sich in genau der Unsicher­ wird, wenn vielleicht auch nur für eine Stunde und alle sechs heit und Statusangst suhlen, die ich nicht mehr haben muss. Wochen. Wo Berührungen möglich sind, die wir sonst nicht er­ Ich bin jetzt frei", sagt sie. Die Arroganz der gebildeten Kreise leben, weil wir unsere Füße privat halten, oft sogar gegenüber gegenüber körperlichen Tätigkeiten folgt der Annahme, dass dem eigenen Partner. "Unsere nackten Füße werden in unse­ jeder Mensch, der die Wahl hätte, sich gegen die körperliche rer Gesellschaft weggesperrt, die sollen unbemerkt bleiben, Arbeit entscheiden müsste. " Dass ich Fußpflegerin sein will, und darüber sprechen wir nicht. Mit seinen Füßen ist der auf die Idee kommt keiner", erzählt Katja Oskamp. Jeder, der Mensch allein", sagt Katja Oskamp und wirft einen Blick auf "Marzahn mon amour" gelesen hat, weiß danach aber, wie die eigenen. viel körperliche Arbeit in Fußpflege steckt. Dass sie zweimal in der Woche Klempnerin für Fuß und Katja Oskamp mag Füße. "Es ist unglaublich, für wie Seele der Marzahner ist, spricht dafür, dass man mit Stolz am hässlich die meisten Menschen ihre Füße halten", erzählt sie rechten Ort wenig zu verlieren hat. "Früher habe ich die Leute und dass sich so gut wie jeder Erstkunde für seine Füße ent­ gefragt, wann ich bitte einen Termin mit dem Agenten haben schuldige. Dabei seien diejenigen, die den Weg zur Fußpflege könne. Heute fragen die Leute mich, ob ich nicht in die Zei­ einschlagen, nicht die Schlimmsten, weil sie ja offensichtlich tung oder ins Fernsehen kommen wolle. Ja, sage ich dann, ein Bewusstsein für Fußprobleme hätten. Was Oskamp in ih­ aber Mittwoch und Donnerstag kann ich nicht." ren einstündigen Sitzungen mit den Marzahner Bewohnern er­ lebt, sucht an Intimität seinesgleichen, wenn sie auch stets pro- Juliane Reichert, Berlin

FRANKFURTER ALLGEMEINE WOCHE 36/2019 DEFGH Nr. 154, Samstag/Sonntag, 6./7. Juli 2019 DIE SEITE DREI 3

weimal die Woche, immer mitt- Uwe Heide sagt auch, dass die meisten wochs und donnerstags, macht Marzahner nicht fremdenfeindlich seien. KatjaOskamp den Leuten in Mar- Aber als vor vier Jahren das erste Flücht- Z zahn die Füße. Sie arbeiten zu lingsheim gebaut wurde, habe es Demons- dritt im Salon MP 20 an der Mar- trationen sogenannter besorgterBürger ge- zahner Promenade, allesamt Quereinstei- geben. Dann seien Busse mit Antifa-Leu- ger, eine Verkäuferin, eine Gastronomin, ten angekarrt worden und hätten die De- und Katja Oskamp ist eigentlich Schrift- monstranten verjagt. Direkt in die Arme stellerin. Mankann in jedem Beruf Pech ha- von AfD und NPD, glaubt Uwe Heide. ben, dann muss man etwas anderes ma- Damals seien auch Studenten der Hel- chen, so war es bei Katja Oskamp auch. Als lersdorfer Alice-Salomon-Hochschule da- sie vor Jahren eine Novelle geschrieben hat- bei gewesen. Das ist jene Universität, te, fand sie keinen Verlag. Natürlich war deren Studenten vor fast zwei Jahren ein Katja Oskamp verzweifelt, in einem Buch experimentelles Gedicht über Blumen von steckt ein gehöriges Stück Lebenszeit, und ihrer Fassade entfernt haben, weil ihnen die ist kostbar. der Text frauenfeindlich vorkam und des- Zum Glück gibt es als verlässliche Größe halb Angst gemacht hat. Bei der ersten im Leben den Zufall. Eine Bekannte hatte Bürgerversammlung, an der auch ein AfD- einKosmetikstudio aufgemacht, „dann ha- Vertreter teilgenommen habe, erinnert be ich gesagt, mein Leben ist schrecklich, sich Heide, seien ein paar der Studenten ich bin auch keine Schriftstellerin mehr. mit Tüchern vor dem Mund aufgekreuzt. Dann hat sie gesagt, ich kenn mich nicht Sie hätten ein Schild hochgehalten, auf aus, wie das mit Schriftstellerinnen ist, dem stand „Gesicht zeigen gegen rechts“. aber du kannst bei mir arbeiten.“ Nur, wie So etwas kommt heraus, wenn man mit macht man das mit den Füßen, dass sie hin- der Sprache derart auf Kriegsfuß steht. terher nicht schlimmer aussehen als vor- her? Katja Oskamp lernte schnell, die Leu- te, an denen sie übte, waren geduldig. Als eine Frau nicht schnell genug Wenn sie sich verschnibbelte, sagten sie: aussteigt, keift sie ein Mann „Macht nischts, Mädchen, dit wird gleich an und haut ihr auf den Hintern wieder aufhören zu bluten.“ Seit zwei Jahren fährt Katja Oskamp jetzt von , wo sie wohnt, mit Es ist früher Nachmittag. Uwe Heide derStraßenbahn M6 hier raus, über die lan- und Thomas Mehwald drehen ihre Runde. ge Landsberger Allee, an deren östlichem Auf dem Platz vor dem Eastgate baden Ende zunächst einmal viel Grün ist, dann Kinder im Springbrunnen, der so aussieht sieht man gepflegte Schrebergärten, ein- wie Springbrunnen in den Siebzigerjahren mal gleitet die M6 durch einen sattgrünen aussahen – viel Beton, ein formloser Was- Laubtunnel. Die große Stadt baumelt sich serstrahl in der , zwanzig kleine Fon- gewissermaßen ins Ländliche aus. Nach tänchen tanzen drumrum. Die Jugend- zwanzig Minuten Straßenbahnfahrt steigt Als Fußpflegerin kümmert sich Katja Oskamp um die Füße der Marzahner, als Schriftstellerin um ihre Seelen. FOTOS: REGINA SCHMEKEN lichen, um die sich Uwe Heide und Thomas Katja Oskamp in Marzahn aus, mitten in Mehwald kümmern, sind raus an den See der Platte, den riesigen Hochhausblocks gefahren, der Polizeiwagen steht im Halb- mit den orangefarbenen Markisen an den schatten, ein Marzahner Stillleben am Balkonen, mit betont sortenreicher Blu- Nachmittag. menpracht in manchen Kästen. Thomas Mehwald sagt, dass der Zusam- Die Haltestelle heißt „Marzahner Pro- Über das Glück menhalt bei den Migranten immer noch menade“, natürlich könnte so auch das größer sei als bei den Deutschen. „Die hän- elend augenzwinkernde Programm eines gen zombiemäßig an den Geräten. Und die blöden Kabarettisten heißen, denn Leute, Migranten ziehen rum, die haben ein ande- die es lustig finden, wenn einer sich über Berlin-Marzahn wird gern hergenommen, wenn es hässlich oder witzig werden soll. res Gefühl von Miteinander, auch wenn es Marzahn lustig macht, gibt es genug. Weil Dabei hat der Bezirk seine ganz eigene Noblesse. Und für einige ist er sogar die letzte Rettung in vielen Fällen ein Gegeneinander ist, die Marzahner das wissen, sagt Katja Os- aber es ist immerhin eine Form der kamp, schimpfen sie entweder über das Kommunikation.“ ewige Gespöttel, oder sie erzählen aller von hilmar klute Jetzt, da man schon beim Bahnhof Welt, dass es hier besonders schön sei, was steht, kann man ja mit dem Bus die Ge- ja nun auch wieder nicht stimmt, dazwi- gend erkunden, Richtung und schen gebe es wohl nichts. fahren, wo es noch ein bisschen dörflich zugeht, an den Gärten der Welt vor- bei, dem großen Naturmuseum . Im Viele Marzahner haben sich an Bus stehen junge Mütter mit Kinderwagen die Behaglichkeit gewöhnt und und schreien ins Handy, ein alter Mann blenden die traurige Statistik aus will einsteigen, eine alte Frau schafft es nicht, schnell genug auszusteigen. Er keift: „Mach, dass du rauskommst!“ und haut In Wahrheit gibt es in Marzahn natür- ihr auf den Hintern. Es ist vieles etwas rau- lich vieles von dem, womit man diesen Be- er zwischen Marzahn und . zirk in Verbindung bringt. Die Armut zum Aber wo die Mentalitäten und Lebens- Beispiel. Mehr als 40 Prozent der Kinder in gesetze anders sind, kommen die Leute Marzahn leben von Hartz vier. Nirgends auch, um sich das anzuschauen. Deshalb wohnen so viele alleinerziehende Mütter, führen jetzt organisierte Bustouren durch junge Frauen, deren ebenso junge Männer Marzahn, die nicht nur den Wuhletal-Wan- sich aus dem Staub gemacht haben, als das derweg und die Ahrensfelder Berge, also Kind kam. In manchen Teilen von Mar- das bukolische Marzahn-Hellersdorf an- zahn-Hellersdorf überwiegt der Anteil der steuern, nein, die Leute möchten bitte alten Menschen den der jungen, und es auch dort aussteigen, wo es wehtut. gibt die Territoriumskämpfe der Jugendli- Das Kulturhochhaus, ein elfstöckiger chen, die aus Syrien geflüchtet sind, gegen mit einem Hotel on the top, ist jene, die aus Afghanistan kamen. ein solcher Halt für die Marzahn-Bustouris- Am Eastgate, dem großen Einkaufszen- ten. Wer dort morgens aufwacht, blickt auf trum nahe der S-Bahn, steht seit Kurzem die grün-weiß-ocker gestrichenen Fassa- ein Polizeiwagen. Viel ist noch nicht pas- den der Betonriesen gegenüber.Die „Pensi- siert, aber schon eine zersplitterte Bierfla- on 11. Himmel“ entfaltet den Zauber eines sche kann einen Menschen im Plattenbau richtigen Lebens im falschen mit Zimmern umgehend die Notrufnummer wählen las- im altenglischen Stil oder in der Manier sen. Marzahn ist eine Stadt, in der lange der Kolonialzeit. Im Gästebuch liest man, Zeit einfach nur gelebt wurde, still und eini- dass es Leuten aus Holland und Belgien germaßen solidarisch in den Drei- oder hier sehr gut gefallen hat. Vierraum-Wohnungen, das Feierabend- Marina Bikádi sitzt im Keller des Hoch- Bier trinken die Leute auf dem Balkon, ger- hauses und trinkt gekühltes Ingwerwas- ne dürfen die Nachbarn kommen. Aber auf ser. Sie leitet den „Kinderkeller“ seit zwan- der Marzahner Promenade ist abends zig Jahren, als in Marzahn viele wegzogen nichts los, vielleicht sitzen ein paar Gäste und mit den Menschen auch jene öffentli- im Lucky Inn oder in der Biertulpe. Mar- chen Orte und Einrichtungen verschwan- zahn ist ein Bezirk, in dem lange vieles in Bockwindmühle und Plattenbau: Es ist vieles etwas rauer in Berlin-Marzahn, wo die große Stadt gewissermaßen ins Ländliche auslappt. den, in denen Kinder mal ohne ihre trauri- Ordnung war. Viele alte Marzahner haben gen und mutlosen Eltern sein konnten. sich an die Ordnung gewöhnt und blenden „Wir wollen die Kinder rausbringen, raus die traurige Statistik aus. aus dem Kiez“,sagt Bikádi. Denn wer seine Deshalb sagt auch Frau W., die heute dem ollen Malocherkiez , verändert, dass eine neue Unruhe ins Vier- von den Geschichten aufzuschreiben, die Was war denn jetzt genau los hier in Mar- Kindheit in Marzahn verbringt, sitzt oft in wieder einen Termin im Fußpflege-Salon wo sie die Kohlen immer aus dem Keller tel kommt und dass manche Marzahner ihr die Leute erzählen. Auf Zeit online zahn mit den Jugendbanden? Woher kam der Elendsfalle. Die Mütter sind von Mini- hatte, wie sehr ihr das Gerede über das hochschleppen mussten. verärgert sind über die Gruppen von kommt regelmäßig ihre Kolumne „Fuß- die Gewalt und welche Gründe hatte sie? Jobs und Ämtergängen aufgezehrt und ma- schlimme Marzahn auf den Wecker geht. Die Wohnungen in Marzahn waren be- Flüchtlingen, die auf dem Platz vor den pflege in Marzahn“, dieser Tage erschei- In einem kleinen, jetzt in der Hitze ziem- chen für ihre Kinder höchstens die Kühl- Frau W. wohnt seit 1981 hier, das Wort gehrt, die Wahls bekamen eine mit vier Häusern ihre Musik aufdrehen. nen die Texte gemeinsam mit anderen als lich stickigen Büro an der Marzahner Pro- schranktür auf, aber bestimmt nicht die „Erstbezug“ spricht sie mit einem leichten Zimmern, achtzig Quadratmeter, „das war Um die Jahrtausendwende zogen im- Buch („Marzahn mon amour“) bei Hanser. menade sitzen Uwe Heide und Thomas Tür zu einem anderen Leben. Thüringer Akzent aus, und sie liebt das nicht sehr groß, aber ein Zugewinn an Le- mer mehr Menschen aus Marzahn fort. Man liest das und ist beglückt von der ro- Mehwald, die beiden arbeiten als Street- Heimat in Marzahn kann für den einen Wort „top“ so sehr, dass sie es als Gütesie- bensqualität“,sagt Jens Wahl. Lustigerwei- Deshalb fing man damit an, Hochhäuser busten Poesie, mit der Katja Oskamp diese worker für den Verein Gangway. Sie versu- die Behaglichkeit einer gut eingerichteten gel auf die Marzahner Lebensbehaglich- se war in den Treppenhäusern die gleiche abzureißen, Kitas und Schulen zu schlie- Welt der Alten und Übriggebliebenen be- chen, sich jenen Jugendlichen zu nähern, Plattenwohnung bedeuten und für den an- keit setzt: Kindergarten, Kaufhalle, alles Tapete angebracht wie in den Wohnungen. ßen, „Stadtumbau Ost“ hieß das damals schreibt, die oft auch witzige und lebens- die als Flüchtlinge nach Deutschland ge- deren die Vertrautheit eines Elendsquar- top und damals schon vorhanden, auch die „Es sah merkwürdig aus, ich hab dann al- schön klügelnd. Jetzt leben wieder mehr kluge Leute sind und einen trotzigen Hei- kommen sind und alleine oder mit ihren Fa- tiers. Die Platte ist für manchen älteren S-Bahn war, als sie von Schwedt hier hin- les weiß gestrichen.“ Er wohnt mit seiner Menschen in Marzahn, und es fehlt am Nö- matstolz pflegen. Keine Spur von der sonst milien in Marzahn wohnen. In den vergan- Marzahner immer noch der Traumstoff zog, bereits gebaut. Frau heute noch in der Wohnung, die bei- tigsten. Gut, so etwas kennt man in Berlin, in der Literatur üblichen ethnosoziologi- genen Wochen krachte es gehörig auf dem der untergegangenen DDR. Für die jungen Die Partei hatte alles vorbereitet für die den Söhne sind längst aus dem Haus. es ist die unergründliche Dialektik der schen Staunerei darüber, wie es sich da un- Platz vor dem Eastgate, das lag, sagt Uwe Leute, die Migranten, die alleinerziehen- neuen Bürger ihrer neuen Stadt. Stadtpolitik. Sobald ein Problem gelöst ist, ten so lebt. Sie schreibt von der Noblesse Heide, an den Mädchen aus Marzahn und den Mütter, ist die Platte das Ding, das sie Marzahn-Hellersdorf war das große wird stets zum Ausgleich eine Armee weite- der Leute, und ihre Geschichten sind wahr, aus anderen Berliner Bezirken. Die Jungen in die Tiefe reißt. Wer nicht arm sein will, Bauprojekt der DDR, vor vierzig Jahren Es gibt kaum Berichte über das rer Probleme ins Feld geschickt. auch weil sie lustig und schön sind. streiten sich um die Mädchen, die es wie- muss fort von hier. Viele junge Leute sind ging es los mit den ersten Plattenbauten, Viertel, in dem nicht wenigstens „Aber das treibt mich nicht weg“, sagt Immer geht es um Marzahn in diesen derum interessant finden, hier in Marzahn in den letzten Jahren weggezogen, in den Zwei-, Drei- und Vierraum-Wohnungen, eine Platzwunde versorgt wird Jens Wahl, „ich bin 66 Jahre alt und würde Texten, auch um das große Versprechen, attraktive Jungs kennenzulernen. „Diese Westteil Berlins, in andere Bundesländer. im Osten sagte man Raum zu Zimmer. Es hier nicht mehr ausziehen.“ das dieser Name den jungen Leuten in der jungen Leute aus dem Nahen Osten kon- Früher ist Katja Oskamp mit der M6 ging den Parteikadern darum, „das soziale Es gibt die alten Marzahner, die noch DDR gab. „Ich hör das ja immer von mei- kurrieren mit den immer weniger werden- manchmal bis nach Hellersdorf gefahren. Problem Wohnen in den Griff zu bekom- Wahl sitzt im „Projektraum Galerie M“ das Glück der Normalität genießen. Oder nen alten Leuten hier“,sagt Katja Oskamp, den jungen Deutschen um die knappen Das war, als sie ihren Roman schrieb, „Hel- men“,deshalb schafften sie die riesigen Be- an der Marzahner Promenade, in kurzer die dieses Glück gegen die Nörgler verteidi- „die haben geheiratet mit zwanzig, dann Ressourcen: Mädels, Wohnung, Jobs.“ lersdorfer Perle“. Er erzählt davon, wie ei- tonplatten hier raus an die Grenze zum idyl- Hose, es ist heiß, die Platte macht aus der gen, die gerne von Marzahn als täglichem war das Kind unterwegs und sie kriegten Immer wieder ziehen die beiden los, in ne Frau ihre Familie verlässt und in einer lischen . Bald kamen die Läden, die Sommerhitze eine Top-Sommerhitze. In Aufmarschplatz der Neonazis reden, von keine Wohnung.“ Das war das eine. „Und die Jugendclubs und auf die Plätze. Tho- Kneipe in Hellersdorf einen alten Mann Kindertagesstätte und das Kino dazu. Nie- der Galerie wird gerade russische Gegen- denen in Wahrheit keiner mehr hier auf- auf der anderen Seite gab es natürlich das mas Mehwald zeigt den Jungen, was man kennenlernt, der sie für Sadomaso-Spiele mals zuvor in Europa wurde eine derart wartskunst gezeigt, große, wild-realisti- taucht. Jens Wahl sagt, er finde die Kli- sozialistische Erfolgstrallala.“ mit Drei-D-Druckern alles anstellen kann. gewinnen will, und in den sie sich verliebt. große Fläche mit dermaßen vielen Woh- sche Bildflächen, die man sich an einer schees über Marzahn unwürdig. Und es Aber so richtig wollen sich die Jugendli- Die Hellersdorfer Perle gibt es noch, sie nungen bebaut, mehr als 100 000 waren es Marzahner Hausfassade vorstellen könn- stimmt schon, die Verführung ist groß, es chen nicht helfen lassen. Zu viel sei verlo- liegt nahe der Straßenbahn-Endhaltestel- in kurzer Zeit. te. In einem dunklen Raum läuft ein experi- gibt kaum Zeitungsberichte über Mar- Wenn es wieder mal kracht vor ren gegangen an Vertrauen und sozialer le. „Ich hab mich da ganz früher nicht rein- Für die einen war die Platte der neue mentelles Video von Jens Wahl. Als Künst- zahn, in denen nicht ein Messer blitzt oder dem Eastgate, geht es Festigkeit, sagt Uwe Heide. Die Väter hät- getraut, und mir lieber vorgestellt, wie es häusliche Segen, für andere „Fickzellen ler nennt er sich „Namesi“, der Name be- eine Platzwunde versorgt wird. um Mädels, Wohnung oder Job ten ihre Integration längst aufgegeben, die drinnen aussieht.“ Und jetzt, da sie drin- mit Fernheizung“, die rustikale Definition deutet nichts, er wollte einfach etwas mit Natürlich gibt es Probleme in Mahr- säßen schweigend in der Wohnung. Er steht, sagt sie, sehe es tatsächlich so aus stammt von dem Dramatiker Heiner Mül- vielen Vokalen drin. zahn, und es gibt neue Schicksale neben kennt achtjährige Mädchen, die ihren El- wie in ihrem Buch, eine dunkle holzgetäfel- ler, der bis zwei Jahre vor seinem Tod eine Einmal ist Jens Wahl durch Marzahn ge- den alten Geschichten. Von dem Trallala ist heute die Platten- tern die abgelehnten Asylanträge überset- te Bar, an der Wand Automaten, und das Platte in bewohnte, 14. Stock. laufen und hat die Kamera in jeden grünen Katja Oskamp stellt jetzt eine Wanne bausiedlung als bewohntes Denkmal der zen und dafür dann angeschrien werden, Geheimnis der fremden Welt ist sowieso Vielleicht, weil man als Sozialist ja auch Mülleimer gehalten und abgedrückt. Auf mit warmem Wasser vor die Kundin, die architektonischen Heldenleistung übrig. als hätten sie, die Mädchen, den abschlägi- ahnbar. Im winzigen Wirtsgarten raucht mal gucken muss, wie sich Proletariat so seinem Youtubekanal kann man den Film Füße müssen geschmeidig werden, bevor Die Mieten sind, wie überall in Berlin, ange- gen Beschluss selbst verfasst. Das Viertel Katja Oskamp eine Marlboro Gold und er- anfühlt. sehen, eine kluge, lustige und sehr bunte sie vorsichtig die Nagelhaut entfernt. An stiegen, und man kriegt auch nicht so ohne sei unsolidarischer geworden, die Innen- zählt, wie glücklich ihr Vater sei, weil sie Nach Marzahn-Hellersdorf zogen die Ar- Innenschau des Spätkapitalismus, also je- der Wand hängt eine Darstellung der Fuß- Weiteres eine Wohnung in Marzahn. Ju- höfe werden abends abgeschlossen, die Ju- mit dem Kolumnen-Buch endlich wieder beiter, die Angestellten, die Intellektuellen nes Teils davon, der in die Tonne gekloppt reflexzonen, die direkt vom Fuß in die gendliche, die hier groß geworden sind, oh- gendlichen weggedrückt und von der Play- den Weg zurück gefunden hätte zur Litera- – ein sozialistischer Kollektiv-Traum mit wird. Nach der Wende, sagt Wahl, seien vie- schönsten Gehirnbereiche des Menschen nehin nicht. Dazu braucht man neben dem station gekapert. tur. Aber das Glück kennt ja viele Wege. Wärmedämmung, allerdings kam die erst le arbeitslos geworden in Marzahn. „Ich führen. Katja Oskamp drückt an den Geld für die Miete einen astreinen Schufa- „Früher lebten hier alle im selben „Ich freue mich auch sehr über das ein paar Jahre später in die Platte. Das war hatte das Glück, dass uns das nicht pas- Füßen vermutlich immer die Stelle, die Nachweis, und wer von den Jungen hier Block“,sagt Uwe Heide, „die haben zusam- Buch“, sagt Katja Oskamp. „Ich habe eben kurz nachdem Jens Wahl mit seiner Fami- siert war, deshalb geht’s uns ziemlich gut.“ den Redefluss der Kunden in Gang setzt. auf der Platte hat nicht Schulden vom men gefeiert, gesoffen – und irgendwann jetzt zwei Berufe.“ Gestern zum Beispiel lie nach Marzahn gezogen war, raus aus Aber Jens Wahl sieht auch, dass sich etwas Irgendwann hat sie angefangen, ein paar Zocken oder beim Handy-Anbieter? hatten die Kinder Bomberjacken an.“ hat sie 14 Füße gemacht. 10.08.19 Samstag, 10. August 2019 DWBE-HP Belichterfreigabe:-Zeit:: 25 Belichter:Farbe:

Ein Journal für das literarische Geschehen

Gegründet von Willy Haas, 1925

DIE WELT SAMSTAG, 10. AUGUST 2019 SEITE 25

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Die Plattenbauten der DDR waren staatliche Wohnmaschinen. Über die Neuentdeckung einer Utopie in Literatur und Soziologie

ieße sich die Wohnungsfrage nungen, die älter wirkten, als die renovierten „Marzahn mon amour“ ist realistische So- derne wie die modularen Wohnmaschinen dass die Tendenzen der Deregulierung und literarisch lösen, gäbe es Altbauwohnungen, in denen alle anderen zialromantik, solidarisch und im Sound prä- von Le Corbusier. Die Neubausiedlungen Flexibilisierung auch eine Ansteckungsgefahr mehr Bücher dieser Art. Berlinromane spielten. Auch das Personal in zise wie die Sprache in den Fußballstadien, sollten die schöneren Städte sein. für das westdeutsche Arrangement bargen“, „Marzahn mon amour“ ist Katja Oskamps neuem Plattenbauroman ist im Sportforum von Hohenschönhausen oder Wie alle Utopien war das Wohnungsbau- schreibt Steffen Mau, der Soziologe. Lütten Katja Oskamps Einladung, die älter: „Marzahn mon amour“ (Hanser, 144 S., an der Alten Försterei in Köpenick. Die So- programm der DDR im Alltag weniger poe- Klein schien plötzlich wie Marzahn kontami- großzügigen Wohngebiete im 16 €) feiert Frau Janusch, geboren 1942, auf- ziologie zur Platte liefert Steffen Mau, er tisch als prosaisch. Steffen Mau erinnert die niert zu sein von einem aggressiven Abstiegs- Berliner Osten zu besichtigen gewachsen im Prenzlauer Berg und 1980 lehrt an der Humboldt-Universität, mit sei- Millionen Rostocker wie Ost-Berliner Neu- virus. Mau erklärt die Heimat seiner Jugend Lund ihre Reize zu entdecken: „Die Vorurteile nach Marzahn gezogen, und Herrn Paulke, in ner Studie „Lütten Klein“ (Suhrkamp, 284 S., baukinder daran, wie es war, wenn man ein- zum Labor einer gebrochenen „Transforma- gegen die Plattenbausiedlung halten sich Marzahn seit 1983; seit der Wende leidet er 22 €). Mau ist ebendort aufgewachsen, in mal ein Altbaukind besuchte. Wie die Woh- tionsgesellschaft“, die schon 1992 zu den Un- hartnäckig. Marzahn, heißt es, sei eine Be- mit unerschütterlichem Witz an Krebs, Ar- einer der Neubausiedlungen am Rand von nung roch und welcher Geist unter den hohen ruhen am Sonnenblumenhaus von Lichten- tonwüste. In Wahrheit ist Marzahn überaus throse und der Krankenkasse, „allet sone Rostock, in einem der turmartigen Wind- Zimmerdecken schwebte, abgestanden aber hagen gegen die dort wohnenden Migranten grün, es gibt breite Straßen, genügend Park- Dinga“, sagt er. Katja Oskamp sagt: „Passen- mühlenhäuser für 500 Menschen mit mehre- bürgerlich. Man kannte ja den Preis für die führte und heute zum Wahlerfolg der AfD. plätze, intakte Gehwege und an Übergängen se uff sich uff!“ Die Jüngeren kommen nicht ren Fahrstuhlschächten, Müllschluckern und Zentralheizung und das Warmwasser, für die Bei einem Hausbesuch in seiner alten abgesenkte Bordsteinkanten. Alles, was Rä- nur seltener zur Fußpflege, sie haben auch, Fernwärme. Die Siedlungen, schreibt Mau, Kaufhallen und Kindergärten, für die großen Wohnung findet er ein misstrauisches Rent- der hat, kommt bestens voran und ans Ziel.“ sofern sie in der Gegend noch vorhanden „waren ein riesiges Freiluftexperiment und Höfe und die vielen Freunde, für das Helle nerpaar vor, das jungen Afghanen Deutsch Was für Elektrorollstuhl und Rollator gilt, sind, gesündere Füße oder und vor allem an- standen Pars pro Toto für das, was die DDR und Egalitäre. Mau nennt es „Sozialökologie beibringt. Er blickt aus seinem Kinderzim- gilt auch für Kinderwagen, E-Scooter und Fi- dere Sorgen als vergilbte Zehennägel. sein wollte.“ Das Wohnungsbauprogramm des Wohnens“ in der „Organisationsgesell- mer und vermisst die Werftkräne, dafür xiebike. Einerseits kennt man „die Platte“ seit den erfasste in den Sechzigern das ganze Land. schaft“: Man führte sein Leben, wo einen der schaut er auf neue Einkaufszentren. „Alles Neunzigern als Topos für Literatur, Musik Modellstädte wurden errichtet und sogar, Staat, dem man täglich versuchte zu entkom- ist vorhanden“, sagen die Alteingesessenen VON MICHAEL PILZ und Film. Von Richard David Prechts „Die wie Hoyerswerda, in Literatur verwandelt: In men, haben wollte. Auch ohne die Möbelbaus- wie schon vor 40 Jahren. Katja Oskamp Kosmonauten“, wo die Träume einer west- „Franziska Linkerhand“ erzählte schon Bri- ätze aus Zeulenroda, in denen sich die nor- pflegt die Füße derer, die noch da sind, in Der Horizont ist in Marzahn ein anderer: deutschen Berlinboheme vor virtuellen Plat- gitte Reimann von den Plänen für ein großes mierte Plattenbauweise bis in die Einrichtung Marzahn. Die abstoßenden Füße des Partei- „Aus siebzig Metern Höhe hat man einen tenbaukulissen spielten, bis zum Werk von Land der kleinen Leute und der Leere, die im vollstreckte. Man lebte schon gern dort, aber bonzen Herr Pietsch, für den vor 30 Jahren grandiosen Blick über die Marzahner Prome- Clemens Meyer, das man gar nicht lesen Leben unter Tausenden einander gleicher immer auf Distanz zum Habitat und zu sich alles zusammenbrach, das Land und seine nade, über von Baumkronen durchschäumte kann, ohne die altgewordenen Neubauten Leuten häufig herrschte. selbst. Für Heiner Müller war die eigene Woh- Ehe, was ihm zwar aufs Herz geschlagen ist, Hochhausketten, über die ganze Stadt bis von Leipzig mitzudenken. Im Film „Halbe Lütten Klein, Marzahn und all die Viertel, nung eine von Millionen „Fickzellen mit aber nicht aufs Gewissen; und sie mag die zum Fernsehturm, bis zum Müggelsee, bis Treppe“ von Andreas Dresen wird der Plat- die vom Kombinat für Wohnungsbau neben Fernheizung“. „Arbeiterschließfächer“ hießen Füße von Frau Bonkat, die sich immer noch zum Flughafen Schönefeld. Unter dem Him- tenbau zum ideellen deutschen Osten, me- die ruinierten Altstädte gestellt wurden, die Neubauten im Volksmund. Katja Oskamp als Flüchtling sieht, von Königsberg im mel rasen die Wolken, erstrecken sich die lancholisch und lakonisch; im Film „Wild“ wurden durchaus als steingewordene Uto- schreibt über die 96 Jahre alte Mutter Noll Krieg bis in den zehnten Stock über Berlin- Brandenburger Weiten.“ Katja Oskamp hat von Nicolette Krebitz teilt die Regisseurin pien begrüßt. Als neue Heimat. „Der Wohn- und ihre 75-jährige Tochter: „Während Toch- Marzahn. Sie alle leben einfach vor sich hin. sich, so erzählt sie es, in einer Lebenskrise, sich in Halle-Neustadt eine winzige Woh- komplex einer Stadt im Sozialismus ist nicht ter Noll in der Siedlung Alt-Marzahn ein Haus Jenseits aller Systeme, zwischen Häusern die sich auch im Schreiben niederschlug, zur nung mit einem Wolf. Rostock-Lichtenhagen durch Differenzierung nach Einkommens- mit Garten und Hund bewohnt, wird Mutter vom Typ WBS 70 und P2, mit scheuen Feld- Fußpflegerin umschulen lassen. In einem spielt im Hip-Hop von Marteria die Rolle klassen, Berufsständen oder anderen Unter- Noll in einem benachbarten Plattenbau in Kä- hasen und wilden Kirschbäumen und einem Kosmetikstudio unter 18 Stockwerken am eines Gegengettos wie Berlin-Marzahn im schieden gekennzeichnet. Jeder wohnt unter fighaltung aufbewahrt.“ Wetter, das, wie Katja Oskamp schreibt, im- Rand der Stadt fand sie ihr Glück beim Horn- Deutschrock der Band Haudegen. Anderer- den gleichen Bedingungen in den gleichen Schon in den Achtzigerjahren, als die letz- mer ein wenig intensiver sei als in der In- hauthobeln und ihre Geschichten bei den Ve- seits: „Die Platte“ ist in der Kulturlandschaft Wohnungen“, steht im Buch „Halle-Neu- ten Neubausiedlungen der untergehenden nenstadt. teranen des bisher gewaltigsten Berliner immer das andere geblieben. Es gab Bastel- stadt: Plan und Bau der Chemiearbeiter- DDR immer kasernenartiger, dystopischer „Das Bürgeramt Marzahn ist im Vergleich Wohnungsbauprogramms der Siebziger- und bögen für den Bautyp WBS 70, die Modelle stadt“ von 1972. Steffen Mau, Sohn einer Ärz- und sozial kritischer gerieten, wurden Alt- zum Bürgeramt Friedrichshain- Achtzigerjahre. standen dann ironisch in den Wohnküchen tin in der Poliklinik und eines Abteilungslei- bauten gerade wegen ihrer rußenden Kohle- das Paradies. Den Silvestermüll hat die BSR Bereits Katja Oskamps „Hellersdorfer Per- am Mauerpark. Seit 20 Jahren gibt es Repor- ters in der Werft, nennt es „zusammen woh- öfen, Treppenhaustoiletten und verfaulten in Marzahn schon weggeräumt, wenn sie mit le“ vor neun Jahren handelte von einer typi- tagen über Ateliergemeinschaften und Party- nen“. Lütten Klein verfügt über genügend Dielenböden wieder attraktiver. Das Wort dem Böllern in Mitte noch gar nicht fertig schen Romanberlinerin, wie man sie aus den dächer als Gentrifizierungsgrund für aben- Schulen und Kindergärten, Kaufhallen und „Plattenbau“ aber wurde erst in den Neunzi- sind. In der ‚Biertulpe‘ kostet das kleine Ber- Büchern von Kolleginnen wie Anke Stelling teuerlustige Hipster, ohne dass daraus je- „Dienstleistungswürfel“, Gaststätten und gern zur Propaganda, zu einer sich selbst er- liner Pilsener eins sechzig und das große kennt, die ihren neobiedermeierlichen So- mals etwas geworden wäre. Hinter Lichten- eine der berühmten Mehrzweckhallen aus füllenden Prophezeiung. Mieter wie Maus El- zwei Euro. In Marzahn kommt die Post noch ziotop aber vorübergehend hinter sich ließ berg liegt immer noch die Wüste. Oder wie geschwungenen Betonschalen von Ulrich tern zogen in die neu erbauten Eigenheime jeden Tag.“ Würden die Neuberliner „Mar- und das wahre Leben dort fand, wo die Stra- die Schriftstellerin Annett Gröschner hinten Müther. Wohngebiete wie Marzahn waren auf die Wiesen vor der Stadt, das bürgerliche zahn mon amour“ von Katja Oskamp folgen, ßenbahnen ihre Wendeschleifen zogen. Zwi- auf das Buch von Katja Oskamp schreibt: keine „Entlastungsstädte“ wie das Märkische Leben zog sich aus den Hochhäusern zurück. müsste man die Häuser aufstocken. Aber das schen Hochhäusern und Blöcken aus Beton- „Mitte-Hipster und Latte-Macchiato-Mütter, Viertel im Berliner Westen, um Geringver- Die Frage, wo man wohne, sagt Herr H. in wird nicht nötig sein. Die Platte ist als Sehn- modulen. Niemand sprach in Hellersdorf nehmt das hier: Leben jenseits der Ring- diener mit günstigem Wohnraum zu versor- „Lütten Klein“, sei wichtiger geworden. suchtsort zu literarisch und als Ort zum von Plattenbauten. Man lebte in Neubauwoh- bahn.“ gen, keine Altlasten einer gescheiterten Mo- „Kundige Beobachter erkannten frühzeitig, Wohnen in Berlin zu sehr Berlin.

INHALT MeToo für Männer: Norbert Gstreins neuer Roman, S. 27 Patriarch wird Pflegefall: eine Erzählung von Dana von Suffrin, S. 28 Der Mensch im Gartenhaus: ein Besuch bei Balzac, S. 29 Postkarten einer Betrügerin: Deniz Yücel über Marie Sophie Hingst, S. 30

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DW_Dir/DW/DWBE-HP 10.08.19/1/LW1 MAGERKOP 5% 25% 50% 75% 95% 20.9.2019 Berlin von unten - Rosinenpicker - Goethe-Institut MEIN GOETHE.DE – ANMELDEN DE EN

KATJA OSKAMP BERLIN VON UNTEN

Frau Guse, Herr Paulke, Frau Noll oder Herr Pietsch – sie alle haben etwas gemeinsam: Sie leben in Berlin-Marzahn und gehen zur selben Fußpflege. Die Sprach- und Fußpflegerin Katja Oskamp wirft liebevolle Blicke auf sehr viele Füße, aber nicht nur das.

Von Holger Moos

Marzahn war das größte Plattenbaugebiet der DDR. Dorthin, in diese Berliner Randlage, verlaufen sich nur wenige Touristen oder Hauptstadthipster. Wenn man vor den achtzehn- oder zwanzigstöckigen Betonburgen steht, können leicht „Zwergengefühle“ entstehen.

Die Menschen, die dort leben und arbeiten, kennen sich aus mit dem Scheitern. Katja Oskamp lebt zwar nicht in dem Stadtteil, aber sie arbeitet genau dort als Fußpflegerin. Auch ihr ist das Gefühl, gescheitert zu sein, nicht unbekannt. Vom Schriftstellerinnendasein allein kann sie nicht über die Runden kommen. Ihre letzte Novelle wurde von 20 Verlagen abgelehnt. Sie ist Mitte Vierzig und leidet unter der zunehmenden

© Hanser Berlin Unsichtbarkeit von Frauen in den „mittleren Jahren“.

ABSEITIGE DINGE

Aber sie hat zwei gesunde Hände und will etwas Neues anfangen – oder zumindest Geld verdienen. Also macht sie eine Ausbildung zur Fußpflegerin, denn: „Wenn du unsichtbar geworden bist, kannst du schreckliche Dinge tun, wundervolle Dinge, abseitige Dinge.“ Sie und die anderen Auszubildenden müssen allerdings feststellen, das auch das nicht einfach ist: „Wir waren ganz unten bei den Füßen angelangt, an denen wir, nichtsdestotrotz, scheiterten.“

Sie glaubt dennoch fest an das Gelingen ihres Plans, ihre Lebenskrise zu überwinden, denn in der Zeitform des Futur II prognostiziert sie: „Die mittleren Jahre, in denen ich in Marzahn gearbeitet habe, werden gute Jahre gewesen sein.“ Von diesen unglaublich guten Jahren, noch mehr aber von den Menschen, deren Füße sie versorgt, erzählt sie in Marzahn, mon amour.

PEDIKÜRE ALS SEELENPFLEGE

Auf zärtliche Weise huldigt das Buch den (überwiegend älteren) Menschen, die in Marzahn leben, teilweise seit mehr als 30 Jahren. Oskamp hat die Gabe, ganze Lebensläufe und persönliche Eigenheiten auf wenigen Seiten plastisch, einfühlsam und humorvoll zu skizzieren. Da ist etwa Herr Paulke, der sie durch seine „Demut gegenüber den Massakrierungen des Alters“ beeindruckt. Nach einer Krebs-Operation kehrt er wieder zur Fußpflegerin zurück und berichtet, dass er wegen des „beschissenen“ https://www.goethe.de/de/kul/bib/rei/rp/21654042.html 1/3 20.9.2019 Krankenhausessens zwar zehn KiloBerlin abgenommen von unten - Rosinenpicker habe: „Aba - Goethe-Institut de Zehennägel sind jewachsen.“

Was Oskamp auf dem Fußpflegestuhl begegnet, ist naturgemäß nicht immer appetitlich. Ein Kunde befreit seine Füße von uralten Freizeitschuhen aus Gummi: „Was zum Vorschein kommt, entstammte der Tierwelt. Wie es roch, habe ich verdrängt.“ Doch bei aller Verwahrlosung und Versehrtheit steht das Besondere jedes Menschen im Vordergrund. Und nie mehr sollte man auf Fußpfleger*innen hinabschauen. Sie können allesamt ungeahnte Fähigkeiten in punkto Seelenpflege haben. Katja Oskamp setzt nicht nur den Menschen Marzahns, sondern auch einem ganzen Berufsstand ein literarisches Denkmal. Beim Label Roof Music/Tacheles! ist die digitale Hörbuch-Version erschienen.

Oskamp, Katja: Marzahn, mon amour Berlin: Hanser Berlin, 2019. 144 S. ISBN: 978-3-446-26414-4

AUTOR Holger Moos arbeitet im Bereich „Bibliotheken“ der Zentrale des Goethe-Instituts in München.

September 2019

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 Zurück zur Startseite https://www.goethe.de/de/kul/bib/rei/rp/21654042.html 2/3 78 LITERATUR 21. NOVEMBER 2019 DIE ZEIT N o 48

er Roman, um den es nicht existiere und alles verlöre. Die Frau exis­ hier geht, ist mit großer tiert also nur durch den Blick des Mannes, und Intelligenz geschrieben, es ist interessant, dass Olga ihren Wunsch, Marzahner erweckt aber, wenn man Schriftstellerin zu werden, erstmals wahrnahm, das Buch von außen an­ Die Frau, während sie als Kind ihre Mutter all diese Nagelschau sieht, einen eher harm­ schrecklichen Sachen sagen hörte. losen, netten Eindruck. Denn Olga wollte unabhängig existieren, Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in der Bahn, nicht zuletzt, indem sie sich und die Welt mit Katja Oskamps Wimmelbild aus schlagenD ihn auf und möchten dabei so eigent­ eigenen Worten beschrieb. Und so ist es nur dem Plattenbau-Idyll lich gar nicht beobachtet werden: Auf dem ­ die Mann und folgerichtig, dass sie, als sie sich schließlich Cover ist ein von grünen Fensterläden ver­ dem Wahnsinn annähert und ihr Leben kaum »An Mutter Nolls Füßen gibt es wegen der dunkelter Raum mit sepiafarbenen Wänden­ mehr im Griff hat, auch die Kontrolle über Käfighaltung keine Hornhaut.« Auf einen abgebildet, Sonnenlicht fällt durch die Ritzen, ihre Sprache verliert. An einem heißen Tag im solchen Satz hat die deutsche Literatur lange darauf in grazilen Buchstaben­ der Titel, Tage August, dessen Beschreibung gut hundert Sei­ warten müssen. Jetzt hat ihn Katja Oskamp des Verlassenwerdens. Aha, soso, Elena Ferrante, ten des Buches ausmacht, ist Olga dann mit geschrieben, die sich den äußeren Gliedma­ eine Autorin – das sieht irgendwie mediterran Sprache verlor ihren beiden Kindern, eines davon krank, und ßen der Nachbarschaft von Berlin-Marzahn-

BELLETRISTIK und nach Liebesgeschichte aus, das Ganze, ja, einem vergifteten Hund in der eigenen Woh­ Hellersdorf widmet. Herausgekommen sind genau, sieht insgesamt aus wie ein Eins-a-­ nung eingeschlossen. In dieser Situation wird Geschichten einer Fußpflegerin. Frauenroman. Wahnsinn und Zerrüttung: Elena Ferrantes früher auf allerbrutalste Weise offenbar, dass Olga die Katja Oskamp absolvierte 2015 eine Und wenn es um sogenannte Frauenliteratur eigene Existenz ohne ihren Ehemann nicht Ausbildung zur Fußpflegerin: »Ich war vier­ geht, stehen damit natürlich sofort Zuschrei­ Roman »Tage des Verlassenwerdens« VON ANTONIA BAUM mehr zu denken in der Lage ist, und so kom­ undvierzig Jahre alt, als ich die Mitte des bungen wie »unterhaltsam« oder ­»literarisch men ihr mit seinem Verlust zentrale Ordnungs­ großen Sees erreichte. Mein Leben war fad egal« im Raum, und das ist im Allgemeinen und systeme zunehmend abhanden: Sie hört auf, geworden – das Kind flügge, der Mann hier besonders schade, weil dieses Buch, das das zu tun, was Frauen typischerweise tun, krank, die Schreiberei, mit der ich es bisher tatsächlich originär weibliche Erfahrungen­ be­ nämlich auf ein gepflegtes Äußeres zu achten. verbracht hatte, mehr als fragwürdig.« Im schreibt, all das eben nicht ist. Tage des Verlassen- Sie hört auf, in der Wohnung Ordnung zu Fitnessstudio lernte sie eine Frau kennen, werdens wurde vor 16 Jahren auf Deutsch ver­ halten, sie verschwindet als soziales Wesen und die sich im größten Plattenbaugebiet der öffentlicht (in der Übersetzung von Anja Natte­ überwirft sich mit alten Freunden. Ex-DDR selbstständig gemacht hatte, als fort) und ist der zweite Roman von Elena Fer­ Sie ist so dermaßen in ihrem Wahn ver­ Fußpflegerin. Oskamp folgt ihr nach und rante, also jener Schriftstellerin, die ihre Identität schwunden – die Poverella taucht immer mal nimmt gleichzeitig einen radikalen Milieu­ seit Beginn ihrer Laufbahn geheim hält, weil sie wieder auf, mit der sie dann kurz reden muss –, wechsel vor: »Wir waren ganz unten bei den davon überzeugt ist, dass ihr Werk ihre Anwe­ dass sie die Sorge um ihre Kinder vergisst und sie Füßen angelangt.« senheit als Autorin nicht braucht und sie als sogar in gefährliche Situationen bringt. Dies Von nun an kniet Oskamp vor ostdeut­ Autorin keine Öffent­lichkeit. wiederum versetzt Olga in noch größere Panik, schen Rentnern. Und das, wie man beim Mit dem Erscheinen der Neapolitanischen denn Sorge ist ja wesentlicher Bestandteil des Jobs Lesen schnell feststellt, ziemlich gern. Denn Tetralogie, in der die Geschichte zweier un­ einer Mutter. Insofern stellt sich dann die Frage, auch hier gibt es alle Typen von Menschen, gleicher Freundinnen beschrieben wird – und ­ ob sie das überhaupt ist, eine Mutter. Olga hat leise, laute, schüchterne, dreiste, die Ge­ außerdem die italienische Nachkriegsgesell­ sich aufgelöst, es ist nichts mehr übrig von ihr, pflegten und die anderen. Unter Oskamps schaft aus weiblicher Perspektive erzählt wird –, keine sozialen Rollen, keine Hierarchien, keine Handgriffen widerfährt allen die gleiche wurde Ferrante dann so unglaublich weltbe­ Verbindungen mit ihrer Umwelt. Personen sind Gerechtigkeit. Mit Wärme, aber auch mit rühmt, dass ihr deutscher Verlag Suhrkamp be­ nur noch Konstrukte oder Varianten ihrer selbst. burschikosem Witz entfaltet sie ein Wim­ gann, nach und nach das Frühwerk der Auto­ Und wenn das so ist, ist man tatsächlich wahn­ melbild im Plattenbau. rin neu aufzulegen. Darunter auch Tage des­ sinnig geworden und hat außerdem als Schrift­ Frau Guse, die ihren Kasslerbraten mit Verlassenwerdens. stellerin ein echtes Problem. Denn wenn das so der Brotschneidemaschine schneidet, wächst Die Handlung wird schon im ersten Satz ist, gibt es keine Erzählung mehr – und genau einem sofort ans Herz. Herr Paulke, Erstbe­ umrissen: »An einem Nachmittag im April diese Fähigkeit zu einer konsistenten Erzählung zügler von 1983, bekam kurz vor seinem verkündete mir mein Mann kurz nach dem geht Olga in ihrer abgeschlossenen Albtraum- Tod noch ein neues Gebiss, das Frau Paulke Mit­tag­essen, dass er mich verlassen wolle.« Wohnung verloren. Und so werden die Satzkon­ verwahrt: »Zweetausend Euro soll ick bezah­ Olga ist 38 Jahre alt, hat ein gut sortiertes­ struktionen, in denen Olga denkt, immer zerfetz­ len, und nu hatte jar nüscht mehr davon.« Leben, einen Hund, zwei Kinder, einen Mann, ter, werden die Zeitformen grammatisch falsch, Der ehemalige Kreisparteisekretär Eber­ mit dem sie seit 15 Jahren verheiratet ist (»wir es stürzen die Brücken zwischen den Sätzen ein, hard Pietsch aus Thüringen attestiert sei­ umarmten und küssten uns noch immer bis Olga schließlich an der Sinnhaftigkeit von ner Fußpflegerin eine »äroudische« Aus­ gern«), und war einmal eine kurze Zeit lang Bezeichnungen überhaupt verzweifelt: »Die strahlung. Fleischer, Krankenschwestern eine »ambitionierte« Schriftstellerin, bevor sie Worte lügen.« und ehemalige Parteifunktionäre lassen sich im Familienleben und in ihrem Ehemann Von den in deutscher Übersetzung vor­ sich im Durchschnitt einmal im Monat versenkte: »Ich löste mich in seinen Minuten, liegenden Ferrante-Romanen ist Tage des­ die Füße pflegen. Die Schamgrenze in Sa­ seinen Stunden auf, damit er sich konzentrier­ Verlassenwerdens sprachlich der radikalste, chen Fußhygiene ist eher hoch. Und so te. Ich kümmerte mich um den Haushalt, das auch was die Zerrüttung seiner Protagonistin kommt auch Mutter Noll stets picobello Essen, die Kinder«. Zunächst glaubt Olga, ihr betrifft – und das, obwohl am Ende alles so zum Termin. Dort wird die zerbrechliche Mann habe vorübergehend nur eine kleine okay ausgeht, wie ein ernst zu nehmender Ro­ Greisin von ihrer Tochter vor aller Augen Schraube locker. Aber als er tatsächlich geht man zu diesem Thema eben ausgehen kann. gedemütigt und nach erfolgter Behand­ und Olga wenig später erfährt, dass er eine Olga ­findet ihre Sprache und sich selbst wie­ lung wieder in ihre Einzimmerwohnung Freundin hat, halb so alt wie er, bricht alles ­ der. Und so kann man diesen Roman auch als gesperrt: ­Käfighaltung eben. zusammen. Glaubensbekenntnis zur emanzipativen Kraft Katja Oskamp erzählt mit viel Einfüh­ Nun liest sich der vorangegangene Satz wie Die Einsamkeit wird zum des Wortes lesen. lung Geschichten aus dem Kosmetikkoffer. ein Satz von der Stange, was natürlich daran Selbstverlust – Tim Eitels Gemälde Man kann diesen Roman aber auch einfach So erhält man Einblicke in einen Berliner liegt, dass er sozusagen eine Problemkonstella­ »Répétition« (2016) »spannend« und »unterhaltsam« finden oder Stadtteil, der entweder übersehen wird oder tion von der Stange beschreibt. Aber genau gar nicht erst lesen, weil das Cover genau das mit den Abstiegsfantasien der Kreativwirt­ hier liegt die Stärke dieses Romans: Ihm selbst suggeriert. Aber vielleicht läge dem eine ­ schaft ins Dystopische wächst. In Wahrheit passiert das zu keinem Zeitpunkt. Beschrie­ Verwechslung zugrunde, vielleicht hängt das­ sei Marzahn überaus grün, meint Oskamp. ben wird ein alltäglicher Vorgang, der sich zu Nach dem Verlust ihres Ehemannes unter ergibt sich aus der biologischen Fähigkeit, Kinder Gefühl einer Degradierung gar nicht mit der Sie selbst nimmt die Froschperspektive ein Hause, im Zentrum einer mittelständischen Schock stehend, erinnert sich Olga außerdem an zu bekommen und dem klassischen Modell der – o Gott – schmökerhaften Covergestaltung – was dem Frosch das Schilf, ist der Schrift­ Kleinfamilie ereignet, nämlich in einem Mut­ das Schicksal der sogenannten Poverella, einer Versorger-Ehe, die noch immer üblicher ist, als zusammen, sondern setzt viel früher ein, näm­ stellerin das Hochhaus. terkopf ereignet – ein Vorgang also, der leicht Nachbarin aus Olgas Kindheit, die ebenfalls von man denkt. lich mit der originär weiblichen Erfahrung, die Dass das Ganze nicht ins Possierliche ab­ als banal abgetan werden könnte. In diesem ihrem Mann wegen einer jüngeren Frau verlassen Das prekäre Lebensmodell der Ehefrauen auf den Seiten dahinter beschrieben wird. Mit gleitet, liegt daran, dass Oskamp die biogra­ Roman aber wird daraus eine hochdifferen­ wurde und anschließend in ihrem grausamen wird in dem Roman aber nicht nur beschrie­ der zusammen will man in der Bahn natürlich fischen Härten ihres Personals nicht ver­ zierte Studie des Wahnsinns. Niedergang – sie wird hässlich, schwachsinnig ben als Problem des Geldes und der Mutter­ nicht so gerne gesehen werden. schweigt. Das Leben begreifen die meisten Interessanterweise liegt dessen Ausgangs­ und begeht Selbstmord – von der Nachbarschaft schaft, sondern ganz wesentlich auch als Pro­ als »Verlustgeschäft«. Auch die Fitnessstudio- punkt auf der Ebene des Sprachlichen. Denn beobachtet wurde. blem des Alterns. So erklärt Olgas Ehemann Leiterin Tiffy, die sich bei einer Kaufland- Olga, die großen Wert legt auf gepflegte Kom­ Schon immer hatte Olgas Mutter ihre Tochter seine Entscheidung zum Beispiel damit, dass Karriere den Rücken ruinierte. Keine Ab­ munikation – ein Abgrenzungsversuch gegen­ durch die Erzählung des Poverella-Schicksals zu Olgas Körper ihm zu einer »Stoppuhr« des Le­ findung, aber damit hat sie sich abgefunden. über ihrer prolligen neapolitanischen Familie –, impfen versucht: »Wenn du deinen Mann nicht bens geworden sei, und auch Olga beurteilt Tiffy, heißt es, könne eben schuften wie ein diese Olga beginnt, nachdem ihr Mann ihr zu halten weißt, verlierst du alles«, und schon ihren und andere Frauenkörper mit bemer­ Elena Ferrante: Bauer. KATHARINA TEUTSCH klargemacht hat, dass er es ernst meint, wie be­ immer hatte Olga die allergrößte Angst gehabt, kenswerter Strenge immer wieder unter diesem Tage des Verlassenwerdens. sessen zu schreiben und dann plötzlich obszöne genau so zu enden. Und damit sind wir wieder Aspekt. Eine Lösung für dieses Frauenproblem Roman; a. d. Italienischen von Katja Oskamp: Marzahn, mon amour. Wörter zu gebrauchen, was sie, genau wie falsch bei den eingangs erwähnten originär weiblichen gibt es nicht, nur den eindringlichen Hinweis Anja Nattefort; Suhrkamp, Geschichten einer Fußpflegerin; gesetzte Kommata, als erste Anzeichen ihres Erfahrungen: Verlassen werden kann selbstver­ von Olgas Mutter, dass man seinen Mann zu Berlin 2019; 252 S., 22,– €, Hanser Berlin Verlag, Berlin 2019;

Abb.: ©Tim Eitel/VG Bildkunst, Bonn 2019 (Foto: Uwe Walter, Berlin) Uwe Walter, Bildkunst, (Foto: Bonn 2019 Eitel/VG ©Tim Abb.: Wahnsinns identifiziert. ständlich jeder, aber der Horror der Poverella halten wissen müsse, weil man ohne seine Liebe als E-Book 18.99 € 143 S., 16,– €, als E-Book 11,99 €

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B e r l i n e r Z e i t u n g · N u m m e r 1 6 7 · M o n t a g , 2 2 . J u l i 2 0 1 9 – S e i t e 1 9

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Pet er Uehling über die Young Eu ro Classic Feuilleton Seite 21 „Kaum jemand hatte so gründlich über die Freiheit nachgedacht.“ Arno Widmann in seinem Nachruf auf die ungarische Philosophin Agnes Heller Seite 20

Sensation s ist aus der Not geboren. hatte doch jeder, ob Bauarbeiter NACHRICHTEN Voraussetzung für Katja „oder eitler Ganzkörpertätowierer, Oskamp, ihr Buch „Mar- ob Schwangere oder Greisin, ob geis- Sie E zahn mon amour“ zu tiger Tiefflieger oder Akademiker“ schreiben, war ein radikaler Rollen- Ein Stück von beim ersten Termin das Bedürfnis, Der Frankfurter Lyriker wechsel. Das Buch handelt von der sich für seine Füße zu entschuldigen Werner Söllner ist tot lesen! Wirklichkeit dieses Landes, es spielt – unabhängig von deren Zustand. in einem Berliner Bezirk, den ver- Berlins Seele Die in Kapitel aufgeteilten Ge- Der Lyriker und frühere Leiter des mutlich die Mehrheit der Haupt- schichten lassen das Buch bunt und Hessischen LiteraturforumsWerner stadt-Bewohner noch nie betreten witzig und zugleich wahr wirken. Die Söllner (67) ist tot. Er sei am Freitag Susanne Lenz hat. Deshalb wirkt die Liebeserklä- Die Schriftstellerin Katja Oskamp erzählt Autorin erscheint dabei immer den nach kurzer schwerer Krankheit ge- weiß, was ihr nächstes Feri- rung im Titel, zumal vor einer Plat- Menschen zugewandt. „Frau Guse storben, erklärte das Literaturforum enziel auszeichnen muss. tenbaufassade, als Provokation. mit „Marzahn mon amour“ ist nicht dement. Sie entfernt sich am Sonntag in Frankfurt:„Wir verlie- Der Anfang beschreibt fast ein nur langsam und im Rückwärtsgang ren mit ihm nicht nur einen ehemali- ir haben eigentlich alles richtig Scheitern, das liegt in der speziellen die Stadt von unten von der Welt, in der sie sich aus- gen Mitarbeiter, der den herausra- Wgemacht. Die Wohnung ist voll Situation der Schriftstellerin Katja kannte: Kinder, Küche, Kaufhalle.“ genden Ruf des Hessischen Literatur- mit Büchern, wir haben jahrelang je- Oskamp und den gesellschaftlichen Mehrere Kapitel beginnen mit ei- forums über Jahre geprägt hat – son- den Abend vorgelesen, zu jedem Verhältnissen begründet. „Ich war Von Cornelia Geißler nem Vorurteil über Marzahn, das dern auch einen großen Dichter und Weihnachtfest und jedem Geburts- vierundvierzig Jahre alt, als ich die sich im Verlauf auflöst. Weil aber die nicht zuletzt einenWegbegleiter und tag gab es für jedes der Kinder min- Mitte des großen Sees erreichte“, Berliner Hausnummernordnung Freund, den wir schmerzlich vermis- destens ein Buch. Dazu lesen Vater schreibt sie. Die Mitte des Sees, wo hier noch mehr verwirrt als in den al- sen.“ Söllner wurde 1951 in Rumä- und Mutter selbst ständig. Morgens eine Umkehr nicht mehr möglich ist ten Bezirken, weil die Wohnungen nien geboren. 1982 siedelte er in die die Zeitung, abends Romane. Also, und das Ufer zu weit weg erscheint. hellhörig sind, ergeben sich daraus Bundesrepublik über, wo er als freier gute Vorbilder sind wir auch. Die Äl- „Mein Leben war fad geworden – das Aufhänger für Episoden. Durch ihren Autor in Frankfurt lebte. 1988 veröf- tere hat auch früher einmal gelesen. Kind flügge, der Mann krank, die Blickwinkel von den Füßen auf die fentlichte Söllner im SuhrkampVer- Die Jüngere verweigerte sich von An- Schreiberei, mit der ich es bisher ver- Person hat die Autorin ein höchst de- lag den Gedichtband„Kopfland.Pas- fang an. Sie hasse lesen, sagt sie so- bracht hatte, mehr als fragwürdig.“ mokratisches Ordnungsprinzip für sagen“ und weitereWerke. (dpa) gar manchmal mit der ihr derzeit ei- Ihre Manuskripte fanden keinenVer- das, was im Kosmetikstudio preisge- genen pubertären Rotzigkeit. Ein lag mehr. Sie trug „etwas Bitteres“ geben wird. Und dann sind da noch Satz, der mich – in der Grundschule vor sich her und „machte damit die ihre beiden Kolleginnen, mit denen Argentinischer Architekt einst zur Lesekönigin gekürt – zuver- Unsichtbarkeit, die Frauen jenseits sie diesen Rahmen auch einmal ver- César Pelli gestorben lässig zurVerzweiflung bringt. der vierzig befällt, vollkommen“. lässt. Mit Wärme schreibt Oskamp Derzeit sind die beiden mit ihrem von ihnen, an deren Seite sie von der Der preisgekrönte argentinische Ar- Sie wird Fußpflegerin Vater und den Großeltern in Unter- deprimierenden Mitte des Sees weg- chitekt César Pelli, der unter ande- franken im Urlaub. Von dort errei- Katja Oskamp – die Autorin lässt kei- schwimmen konnte. rem die Petronas-Türme in Malaysia chen mich sensationelle Aufnah- nen Zweifel daran, dass das Ich, das und das OneWorld Financial Center Geschichten von der Straße men. Sie wirken auf mich wie insze- in diesem Buch spricht, ihr eigenes in NewYork entworfen hat, ist im Al- niert, sollen aber wohl der Wirklich- ist –, die Theaterwissenschaften stu- Katja Oskamp verfasste als Fußpfle- ter von 92 Jahren gestorben. Das keit entstammen. Einer besseren diert und als Dramaturgin gearbeitet gerin bereits einige Kolumnen für teilte seine Familie am Freitag mit. Wirklichkeit. Auf einem Foto liegen hat, die das Deutsche Literaturinsti- die Zeit-Online-Rubrik „Freitext“, Seine Bauten in der ganzenWelt die beiden auf Liegestühlen neben- tut besucht und zwei Romane sowie doch komponiert zu einem Buch er- seien seinVermächtnis und„ein einander im Garten, jede die Nase in einen Erzählungsband veröffentlicht gibt sich etwas Eigenes und Beson- Stolz für alle Argentinier“, schrieb einem Buch. Heute früh kam ein hat, lernt etwas völlig Neues: Sie wird deres mit großer Sogkraft. Das ist Präsident Mauricio Macri im Kurz- Schnappschuss vom Frühstücks- Fußpflegerin. Ihre Arbeitsstelle ist keine Autofiktion, das ist das Leben. botschaftendienst Twitter. Pelli hatte tisch, die Lesehasserin noch im ein Kosmetikstudio in einem Hoch- Und von einer Sozialreportage un- zunächst Architektur in Argentinien Nachthemd, vor ihr eine Schale haus in Berlin-Marzahn. MitWasser- terscheidet sich dieser Geschichten- studiert, bevor er 1952 in die USA Müsli. Diese war unangetastet. Die bad und Schere, mit Feile und Fräser reigen, weil Oskamp Gespräche ex- ging.Von 1977 bis 1984 war er Dekan Hände wurden gebraucht, um ein lernt sie die Leute kennen, die„in der trem verdichtet, für jedes einen an- der Architektur-Fakultät an der Elite- Buch zu halten. Später das Kind auf Platte“ wohnen. „Ich habe seit dem deren Ton und dramaturgischen Bo- UniversitätYale. Er wurde mit zahl- dem Sofa, noch später beide in den Frühjahr 2015 ungefähr dreitau- gen findet. Ihre Erzählhaltung ist so reichen Preisen ausgezeichnet. Er er- Betten, und immer mit dem besag- sendachthundert Füße gepflegt“, berlinisch wie die in den Büchern hielt unter anderem die Goldme- ten Lesestoff. Gestern Abend kam wird sie gegen Ende sagen, einige da- von Katja Lange-Müller und Annett daille des American Institute of Ar- die Meldung, ein 500-Seiten-Buch von bilden die Basis für die „Ge- Gröschner (die beide lobende Sätze chitects, dem Berufsverband der (Angie Thomas’ „On The Come Up“) schichten einer Fußpflegerin“, so für den Umschlag beisteuerten), Architekten in den USA. (AFP) sei beendet. Ich konnte es nicht fas- der Untertitel des Buches. auch der Gedanke an Erich Kästner sen!Was war geschehen? Da ist Frau Blumeier, die als Spät- liegt nicht so fern. Das ist die Stadt in Die Erklärung ist einfach. Es gibt folge der Kinderlähmung auf den ihrem Bodensatz. Die Geschichten Großer Hersfeldpreis für in der Gegend praktisch keinen In- Rollstuhl angewiesen ist, aber alles, Blick von den Gärten der Welt auf Marzahn-Hellersdorf IMAGO IMAGES/JÜRGEN RITTER lägen auf der Straße, heißt es manch- Katharina Mehling ternetempfang. Die einzige Ecke am was irgendwie geht, selber macht, mal, selten traf das besser zu. Katja Seeufer, an der man, wenn man „sogar die Behindertenwitze“. Diese Oskamp hat sich gebückt, aus den Die Schauspielerin Katharine Mehr- Glück hat, manchmal ins Netz Frau erzählt gut gelaunt von Ausflü- die Sonne“ auf Russisch vorsingen da ist Herr Hübner, den seine Sozial- Fundstücken ein überzeugendes ling bekommt für ihre Rolle in dem kommt, kennt nur derVater. Und der gen mit ihrem Jugendfreund, und die kann, hat sie gewonnen. „Er sieht in betreuerinnen ins Studio schaffen. Stück Literatur gemacht. Musical„Funny Girl“ den Großen wird einen Teufel tun, den Ort be- Autorin bringt die Schnurren in eine mir die fleißige Jungpionierin, die „Er hatte nichts gelernt, nie gearbei- Hersfeldpreis bei den Bad Hersfelder kanntzugeben. Es ist dies eine Art Tal kluge Dramaturgie mit toller Pointe. ich einmal war.“ tet, aber seitTeenagerzeiten gesoffen Katja Oskamp: Marzahn mon amour. Geschich- Festspielen.„In der Inszenierung der Ahnungslosen, in dem Smart- Ganz anders verhält sich der ehema- Da sind die älteren Damen, die wie ein Loch.“ Der Autorin fällt auf: ten einer Fußpflegerin. Hanser Berlin 2019. 144 von Stefan Huber überzeugt sie als phones nutzlos sind. Ich würde es lige Funktionär Herr Pietsch, der die gegenseitig ihre Hunde hüten, wäh- „Ausgerechnet er, dessen Füße einen S., 16 Euro. deutscher Bühnenstar in der Rolle lieber Tal der Glückseligigkeit nen- Fußpflegerin examiniert, als wolle rend sie sich die Füße machen las- Verwahrlosungsgrad erreicht hatten, Buchpremiere mit Katja Oskamp 19.8., 19.30 einer Broadway-Legende und ver- nen. Die Gegend sollte von der Stif- sie sich um eine Anstellung bei ihm sen, da ist eine Greisin, die von ihrer der seinesgleichen suchte, entschul- Uhr, ModerationAnnett Gröschner, Kulturbrauerei körpert eine selbstbewusste, starke tung Lesen empfohlen werden. bewerben. Als sie ihm „Immer lebe Tochter herumkommandiert wird, digte sich nicht.“ Denn bis dahin (Maschinenhaus), SchönhauserAllee 36 Frau“, so dieVeranstalter. (dpa)

UNTERM Strich

Unsere Lehrer glatte vier wäre. Sie bringt es nicht, hieß das Ledertasche. Er war damals schon kurz vor logisch. Ein angenehmer Kontrast zu meinem übersetzt, da fehlt eine Gehirnwindung. der Rente. Sein Haar war schlohweiß, er sah Innenleben. Herr Herning war mein Held. Meinem Wirken in der Volksbildung kam die aus wie Albert Einstein in klein. Mit der Aura Und er begleitete mich jahrelang, wäh- Mathematik: Wende in den Weg. Und so lief ich nach eini- des Gelehrten. Ich wollte unter meinem rend schrecklicher Statistikvorlesungen an gem Zögern, das im Wesentlichen von Ma- Tisch versinken. Ohne aufzuschauen, be- der Universität. Ich verstand am Anfang fast thematikproblemen herrührte, in das Schul- grüßte er uns. „Womit beginnen wir heute?“ nichts und wusste, es liegt nicht an mir. Herr Herning amt unseres Bezirkes. Es war Frühling 1990. Er hob den Kopf, wie ein Boxer, der den Geg- Bei der Abschlussparty klebten ihm Schü- Man schickte mich in ein kleines Zimmer am ner prüft. Am liebsten wäre ich schreiend ler die Windschutzscheibe seines Trabis mit Ende eines langen Ganges zu einem Beam- rausgerannt. Aber nach zwei, drei einfüh- CDU-Aufklebern voll. Ich hasste sie dafür. Von Karoline Klemke ten, dessen rechtliche Vorgaben sich gerade renden Worten sagte er: „Eine Funktion be- Zum Abiball wollte ich mich bedanken, aber

in Luft aufgelöst hatten. schreibt die Beziehung zwischen zwei Va- er kam nicht. Und später traf ich ihn auf der

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Y Z

ach dem Abschluss der 10. Klasse war „Ich würde gern an die Erweiterte Ober- C riablen x und y.“ Straße, neben sich eine alte, sehr kranke Frau.

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ich überzeugt, ein Matheversager zu schulegehen“,sagteichdortsobestimmt,wie D Ich atmete aus. Aha, dachte ich. So ist das Er sah mich an, als wollte er nicht, dass ich ihn O

N R E sein. Sieben Jahre unterrichtete uns Frau ich konnte. Er murmelte: „Da sind sie nicht G also.Warum hat mir das nie einer gesagt? Der anspreche. Und so habe ich nur kurz genickt. Grau, und genauso lange hatte ich kein einzi- die Erste“, und schob mir eine Liste über den Satz brannte sich in meine Erinnerung. Ich Nie habe ich ihm gesagt, wie wichtig er für ges Wort verstanden. Ich hielt es für eine Art Tisch, auf dem ich Namen und Adresse ein- tellektuellen Beeinträchtigung würde nun verstand Mathematik. Ich verstand Herrn mich war. Ich bereue es bis heute. Wahr- angeborenen Programmierfehler in meinem trug. Etwas später erhielt ich einen Brief, der mein Abiturprojekt unter sich begraben. Herning. Wochenlang hatte ich Angst, beim scheinlich ist er nun längst tot. Aber wenn Gehirn. Niemand korrigierte mich. Im mir denWeg zu Herrn Herning ebnete. Ikarus, flieg nicht zu hoch, der Absturz wird nächsten Thema würde dasVerstehen enden. meine Kinder Probleme mit Mathe haben, Herbst 1989 verließ ich die Polytechnische Mein Leben wäre anders verlaufen, ohne fürchterlich sein. Es passierte nicht. Er lotste mich durch Diffe- dann sage ich: Keine Sorge, du brauchst nur Oberschule mit dem schriftlichen Beweis: ihn. Angstvoll saß ich in seiner ersten Er betrat mit leicht gebeugtem Gang die rentialrechnung, Integralrechnung und Vek- die zu dir passende Erklärung. Dann kannst eine drei in Mathematik, was heute eine Stunde. Der endgültige Beweis meiner in- Klasse, in der Hand eine abgeschrammelte toren.MitkristallklarenSätzen.Eindeutigund du alles verstehen. Und ich denke an ihn. MITTWOCH 9 24.JULI2019SFEUILLETON ÄCHSISCHEZEITUNG |||||||||||||||||||||||||||||||| Abenteuer einer Fußpflegerin Brandenburgsetzt HohenzollernFrist im Die Leipziger SchriftstellerinKatja Oskamp ist unten angekommen–im doppelten Sinn. Entschädigungsstreit VonKarin Großmann Potsdam. DasLandBrandenburg hat dem szeichnet dieechte Stammkundin aus, Haus Hohenzollern im StreitüberEntschä- E dass sie immerihr eigenes Handtuch diggungsleistungen eine Frist gesetzt. Bis zu mitbringt.Dann darf sieauch gern zum diesemMittwtwochsollGeorg Friedrich Prinz zwölften Malerzählen, dass sie dasKassler- von Preußen, Chefdes Hauses Hohenzol- flfleisch mitder Brotmaschine in Scheiben lern und Ururenkeldes letzten deutschen schneidet. Mitder Brotmaschine! Toll, Kaisers WilhelmII.,erklären,dasserauf nicht? Dashört sich die Fußpffllegerin gedul- Entschädiggungszahlungen in Höhevon digan. Denn Geduldgehört zum Serrvice. rund 1,2Millionen Euro verzichtet. Dies Sienennt sich eine Zustimmungskünstle- teilte dasbrandenburgischeFinanzministe- rin. Außerdem interessiertsie sich wirklich rium am Dienstag mit. Derzeit ruhtein ffüürdie Geschichtender Leuteauf ihrem Be- Verfahren am VerwaltungsgerichtPots- handlungsstuhl. Sonst hätte sie sich viviel- BisFüße wirklich dam.Das Land will das Geld nichtzahlen, leichtnichtffürden Job entschieden. schön und gepflegt dieHohenzollern hatten dagegengeklagt. Es istoffensichtlich,dass dieSchrifftstel- aussehen,ist einige Ansprüche bestehen dann nicht, fallsdie lerin KatjaOskamp beiihrem neuenBuch Arbeit nötig und Vorfahren desPrinzen „dem nationalsozia- aufeigene Erfahrung zurückgreifft.Sie ist manchmal auch listischen Systemerheblich Vorschub ge- Ende vivierzig,inLeipzig geboren, hatdort professionelle Zu- leistethätten“. Eben dieserAufffassung ist am Literaturinstitutstudiert undlebtseit wendung. Davon dasLand . einigen Jahren in Berlin.Sie brachte einen erzählt KatjaOs- Ein Anwalt derHohenzollern erklärte, Erzählbandund zwei Romane heraus, er- kamp in ihrem derzeit liefen Gesprächemit Bund und Län- hieltauch einige Preise,doch dann ging’s Buch,das am Mon- dern, um gerichtliche Auseinandersetzun- nichtweiter.Inder Mitte des Seeskurz tagauf den Markt gen zu vermeiden.„Ichgehedavon aus, vorm Ertrinken:Sobeschreibtdie Autorin kam. Es istein lite- dass diemorgigen GesprächeweitereKlar- diesenZustand.Für das vivierte Manuskript rarischer Sozialre- heit bringen, auchobder Finanzminister fand sich kein Verlag. Dasist kein unge- port voneinem be- tatsächlichffürdie Landesregierung wöhnliches Schicksal,selbstprominentere sonderen Ort. spricht, diemit uns bislangnichtüber Pres- Künstler gehen zwischenzeitlichzum Ar- Foto:plainpicture/Iris Friedrich severlautbarungen kommuniziert.“ beitsamt. Ungewöhnlich ist dieKonse- Außerdem gehteszwischen demHaus quenz,die KatjaOskampdaraus zog.Sie ab- Hohenzollern und dem Bund sowieden solvierte einen Lehrgang undließ sich zur Vondieser GerlindeBonkat heißt es, tenwitzegleichmit. Es sind dieVersehrten, Fritzschemit denKartofffelfüfüßen allmäh- Ländern Berlinund Brandenburg um Ver- Fußpffllegerin ausbilden. Seit 2015 arbeitet dass sieeine schlichteKernseifen-Sauber- die Unbeholfenen und AAllten, dieindiesem lich abhandenkommt.„DieinnereLand- handlungen über die Rückgabeteilssehr sie mehrmals die Wocheineinem Kosme- keit verströmt. MehrLuxus ist dieseFrau Buch liebevoll ins Lichtgerückt werden. karte kräuseltsich.“Sie hilfft einerdürren wertvollerKunstobjekte. Mitder Ausru- tiksalon in Berlin-Marzahnund schneidet nicht gewöhnt, dieals Siebenjährige mit Das passiert viviel zu selten. KatjaOskamp Mittneunzigerin, diesich hübsch gemacht ffuung der Weimarer Republikund der Ab- fremdenMenschendie Zehennägel. denElternaus Ostpreußen fflliehen musste füfüllt eine Lücke. Zugleich schreibt sieein hatffürden Ausfflug und nunimRaum steht dankung des Kaiserswar dieMonarchie und sichnach demverpfufuschten Start im- Hohelied aufall jene, diedas Lebenanderer wie„Wurzelgemüse im Kindertheater“. All 1918beendet.Das Vermögen derHohen- Heldinnendes Alltags merneu aufrappelte. Siearbeitete an wech- ffüürAugenblickeerleichtern. „Heldinnen dieKunden sind vor vierzig Jahrennach zollern wwuurde beschlagnahmt. Siewollen In ihrem Buch zieht sie eine Zwischenbi- selnden Orten, kümmerte sichals Kran- des Alltags, dassindwir,jawoll“,heißt es Marzahngezogen „und bringen jetzt mit dieSammlungen aber in Museen der Öf- lanz. Siekommt auf 19 000 Zehen,die sie kenschwesterumandereund bewahrt im Buch.Esliefert selbst denBeweis.Hier Rollator, Sauerstofffgerät und Mindestrente fentlichkeiterhalten. Laut demAnwalt soll zwischen Daumenund Zeigefifinger in den noch im hohen Alter ihre Selbstständig- wird einmal mehr sichtbar,dass dieGesell- tapferihr Leben zu Ende“. es um einemöglichst einvernehmlicheGe- Pinzettengrifff genommenhat. Undnicht keit.KatjaOskampschreibt: „Ich verneige schafft ihre Anerkennung falschverteilt, Katja Oskampschreibtnie larmoyant, samtregelung gehen,wie sie zumBeispiel immerwaren es „Füße von antiker Schön- mich vor der Lebensleistung von Gerlinde mitentsprechendenffinanziellenFolgen. und falls sich dochmal eine Bitterkeit ein- dasEntschädiggungs-und Ausgleichsleis- heit“ wiebei jenemdezentenHerrn, mit Bonkat, weil es sonst niemand tut.“ So bleibt nur dieDankbarkeit der Kun- schleicht, wird sie mitSelbstironie und tungsgesetz von 1994 vorsehe. (dpa) demsich zweideutigschweigen lässt. In Dasmachte diese Porträts so besonders: den. Für manchen ist dieFußpfflege dieein- Witz überdeckt.Sogar fürMarzahnffindet derRegelhat es diePflflegerin mitProblem- Siesind getragen von einer grundsätzli- zigekörperlicheBerührung seit Wochen. dieAutorin nurggute Worte undrühmt das füfüßenzutun. Manche, sagt sie, ähneln ver- chen Syympathie,ganz egal,welcher Stin- Da gehtesumSchamgefüfühl und Vertrau- Viertel alsfreundlich und aufgeräumt. Die witterten Steinen. Andere scheinen direkt keffuußdes Wegs kommt.Geradeweildie en, bissich dieBalance nachlängerer Porträtsaus demSalon schriebsie zunächst UNART aus demTierreich zu stammen. Garnicht Schriftstellerinselbsteinige Sprossenwei- Übung von selbst einstellt.Dann kennt die ffüürdie Online-Ausgabeder Wochenzeitung |||||||||||||||||||||||||||||||||||||| zu reden vonWucherungen, Verformun- ter unten gelandet ist aufder Stufenleiter Fußpfflegerin nicht nur denTrick mitder Die Zeit. DieSammlung ergibteine genaue genund eingewachsenen Ecken. Mitfeiner gesellschafftlicher Anerkennung, hatsie ei- Brotschneidemaschineffürs Kassler, dann undamüsante Sozialstudie. DieFälschungunterscheidet sich vom IroniebeschreibtKatja Oskamp,wie sie nen Blick ffüürdie Leute neben ihr. FürFrau kennt sie dieFamiliengeschichten undbe- Original dadurch,dasssie echter aussieht. den Einkaufs-Chipunter dem rechten Vor- Blumeierzum Beispiel,die alsBehinderte tätigtsich nebenherals Sozialarbeiterin Katja Oskamp: Marzahn,mon amour. fufußeiner älteren Frau abträgt. noch vieles selbermachtund die Behinder- und Eheberaterin. Sieerlebt, wiesichHerr Hanser Berlin, 144Seiten, 16 Euro Ernst Bloch (1885–1977)

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5.00 J FAKT 5.30 J Morgenmagazin 9.00 5.30 J Morgenmagazin 9.00 heute Xpress 8.00 J Sturm der Liebe 8.50 J v In aller 5.25 Exclusiv 5.35 Explosiv 6.00 Guten Mor- J Tagesschau 9.05 J Live nach Neun 9.55 9.05 Volle Kanne – Service täglich 10.30 J Freundschaft – Die jungen Ärzte 9.40 J Wer gen Deutschland 8.30 J Gute Zeiten, schlech- J Sturm der Liebe 10.44 J Tagesschau v Notruf Hafenkante 11.15 J SOKO Stutt- weiß denn sowas? 10.30 Elefant, Tiger & Co. te Zeiten 9.00 Unter uns 9.30 J Alles was 10.45 J Meister des Alltags 11.15 J Ge- gart. Wie du mir 12.00 heute 12.10 dreh- 10.55 J MDR aktuell 11.00 J MDR um elf zählt 10.00 Der Blaulicht-Report. Doku-Soap fragt – Gejagt 12.00 J Bundestag live (VPS scheibe 13.00 J Mittagsmagazin 14.00 11.45 J In aller Freundschaft 12.30 D J v 11.00 Der Blaulicht-Report. Doku-Soap 12.00 11.59) 13.30 J Mittagsmagazin 14.00 J heute – in Deutschland 14.15 Die Küchen- Liebesgrüße aus Tirol. Komödie, A 1964 14.00 Punkt 12 14.00 Die Superhändler – 4 Räume, Tagesschau 14.10 J Rote Rosen 15.00 J schlacht 15.00 J heute Xpress 15.05 J Ba- J MDR um zwei 15.00 J v Die zertanzten 1 Deal 15.00 Die Superhändler – 4 Räume, 1 Tagesschau 15.10 J Sturm der Liebe res für Rares. Magazin Schuhe. TV-Märchenfilm, D 2011 Deal. Show. Moderation: Sükrü Pehlivan 16.00 J Tagesschau Nachrichten 16.00 J heute –inEuropa 16.00 J MDRumvier Magazin 16.00 Meine Geschichte Doku-Soap 16.05 J Radsport: Tour de France 16.10 JvDie Rosenheim-Cops 16.30 J MDR um vier Gäste zumKaffee 17.00 Meine Geschichte – 17. Etappe: Pont du Gard–Gap (200 km) 17.00 J heute Nachrichten 17.00 J MDR um vier Mein Leben Fast wieimMärchen 17.25 Brisant Boulevardmagazin 17.10 J hallo deutschland Magazin Neues von hier &Leichterleben 17.30 Unter uns Daily Soap 18.00 J Gefragt –Gejagt 17.45 J Leute heute Magazin Keine Angst vorm TÜV! 18.00 Explosiv –Das Magazin 18.50 JvHubert undStaller 18.00 JvSOKO Wismar Krimiserie 17.45 J MDR aktuell 18.30 Exclusiv –Das Star-Magazin Hoch versichert, tiefgefallen 18.54 Lotto am Mittwoch 18.10 J Brisant Boulevardmagazin 18.45 RTLaktuell 19.45 JvWissen vor acht – 19.00 J heute Nachrichten 19.00 J SachsenSpiegel 19.03 Wetter Werkstatt Magazin 19.20 J Wetter Nachrichten 19.30 J MDR aktuell 19.05 J Alles was zählt Soap 19.50 J Wetter vor acht 19.25 JvDie Spezialisten –ImNa- 19.50 JvThomas Junker unter- 19.40 J Gute Zeiten, schlechte 19.55 J Börse vor acht Nachrichten men der Opfer Im Bunker wegs Russlands Weiten. Dokureihe Zeiten Soap.Mit WolfgangBahro 20.00 J Tagesschau 20.15 J Aktenzeichen XY... 20.15 J Exakt 20.15 Die Bachelorette Doku-Soap. 20 20.15 J v Stilles Tal TV-Drama, D 2011 ungelöst – Spezial Wo Ausder Entzugs-WG zurDauer-Party 20.45 J Exakt – Die Story charmante Single-Männer sind in den Mit Wolfgang Stumph, Robert Atzorn ist mein Kind? Magazin Lauter Technofreaks und einla- DieWahlffällt auf Karl,genannt Abserviert? – Wirtshauskrise Süden gereist, um sich von Gerda Le- 21.45 J Plusminus 21.45 J heute-journal in der Sächsischen Schweiz wis den Kopf verdrehen zu lassen. Das Wirtschaftsmagazin 22.15 auslandsjournal bilerEx-Künstler: Dieser Film ist Charly(CharlyHübner). DerHa- 21.15 J Die Spur der Täter Magazin 22.15 stern TV Volkskrankheit Einsam- 22.15 J Tagesthemen Nachrichten 22.45 J Schwimmbäder ein verrückter Roadtripund eine ken: Seitseinem Nervenzusam- 21.45 J MDR aktuell keit? / Vom Turnweltmeister zum Feu- 22.45 J Spielen Sie Gott, Mr. Fein- in Not: Von Badespaß musikalische Zeitreiseindie menbruch nach einem Party- 22.05 J v Tatort erwehrmann / Super oder Sonder- berg? Dokumentarfilm, D 2016 und leeren Kassen Neunziger.Die Chefs desLabels rausch lebterineiner Entzugs- Fluch des Bernsteinzimmers. Kriminal- müll? Lippenstifte im Test / Urlaub 0.20 J Nachtmagazin 23.15 D J v Draußen in meinem Bumm BummRecordswollen WG in Hamburg. Foto:GordonTimpen film, D 1999. Mit Peter Sodann für lau mit stern TV (3) 0.40 J v Stilles Tal TV-Drama, D 2011 Kopf Drama, D 2018 mitihren DJsauf Rave-Tour ge- 23.35 Olafs Klub Show 0.00 RTL Nachtjournal Nachrichten Mit Wolfgang Stumph 0.45 heute+ Nachrichten hen. Doch wersollden Busfah- „Magical Mysteryoder DieRückkehr des 0.20 J Kroymann Sketch-Comedy 0.30 J CSI: Den Tätern auf 2.10 Tagesschau (VPS 2.13) 1.00 Kampf um die Wahrheit – ren, wenn alle exzessiv feiern? Karl Schmidt“, 20.15Uhr,Arte 0.50 D J v Liebesgrüße aus Tirol der Spur Ihr letzter Tanz. Krimiserie 2.15 J Spielen Sie Gott, Mr. Fein- Der mysteriöse Tod des Jere- Komödie, A 1964. Mit Peter Weck 1.20 J CSI: Den Tätern auf der berg? Dokumentarfilm, D 2016 miah Duggan Dokumentation 2.20 J Exakt Das Nachrichtenmagazin Spur Schweres Kaliber. Krimiserie

RADIO –TIPPS 24.07. MDR Kultur MDR Aktuell 11.20 Sturm der Liebe 12.10 DerWinzerkö- 10.35 J Ozeanriesen 11.30 DasWesender 13.50 J TerraX14.35 J TerraX15.20 Wil- 13.10 JvIn aller Freundschaft –Die Kran- 6.00 Kultur 6.08 Wort zumTage.ChristofLenzen, Zu jeder Stunde,rundumdie Uhr: 6.01 Nach- nig 12.55 Landschleicher 13.00 rbb24 13.10 Wale 12.15 J Griechenland: Vonden Gipfeln des Indochina 16.05 Wildes Indochina. Malay- kenschwestern 14.00 J NDR//aktuell 14.15 Gera(Thüringen) 6.40 Kalenderblatt 6.50 Presse- richten 6.06 Aktuelle Berichte 6.13 Börse Verrückt nach Meer 14.00 Gartengeschichten bis ans Meer 12.50 Arte Journal 13.00 Stadt sia–Garten Eden aus der Balance 16.50 Wil- J die nordstory 15.15 J Sommer an Islands schau 7.40 MDRKultur empfiehlt: Das Sachbuch 6.17 Service 6.30 Nachrichten 6.40 Sport 14.45 Hessen-Reporter 15.15 Der Traumvon Land Kunst 13.55 DJvDie Hexen vonEast- des Indochina.Thailand: Apotheke der Tiere Fjorden 16.00 J NDR//aktuell 16.20 J Wer der Woche 7.50 Feuilleton 8.40 3Fragen, 2An- 6.47 Ereignisse in Thüringen, Sachsenund der Neuen Welt 16.00 rbb24 16.15 Werweiß wick. Komödie, USA 1987 15.50 DAvLeo- 17.30 WildesIndochina.Vietnam: Phoenix aus weiß denn sowas? 17.10 J Leopard, Seebär rufer, 1Gewinner 9.00 MDR Kultur 9.05 Lesezeit. Sachsen-Anhalt 6.59 Ausblick denn sowas? 17.00 rbb24 17.05 Panda,Go- parden küßt man nicht. Komödie, USA 1938 der Asche 18.15 Wildes Indochina. China: Pa- &Co. 18.00 Regional 18.15 J Wie geht Gottfried Keller: „Spiegel, das Kätzchen“ (1/2) 9.45 rilla &Co. 17.55 UnserSandmännchen 18.00 17.50 J Grenzflüsse 18.35 J Grenzflüsse radies im Wandel 19.00 J heute 19.20 Kul- das? 18.45 J DAS! 19.30 Regional 20.00 Kulturtipp 10.15 MusikForum.Rezension, Porträt, Deutschlandfunk rbb UM6 18.27 rbbwetter 18.30 zibb 19.27 19.20 Arte Journal 19.40 J Griechenland: turzeit kompakt 19.30 Mein anderes Russland J Tagesschau 20.15 JvExpeditionen ins Resümee,Werkstatt 10.40 Kalenderblatt 10.50 18.10 Informationen 18.40 Hintergrund 19.05 rbb wetter 19.30 Brandenburgaktuell 20.00 Vonden Gipfeln bisans Meer 20.15 DvMagi- 20.00 J Tagesschau 20.15 J Tödliche Ver- Tierreich. Wildes Deutschland–DerHainich – Das Gedicht 11.15 Buch 11.45 Feuilleton 12.00 Kommentar 19.15 ZurDiskussion 20.10 Aus Re- J Tagesschau 20.15 DieErnährungs-Docs. cal Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt. suchung. TV-Kriminalfilm, D2012 21.45 Auf ThüringensUrwald 21.00 J Treckerfahrer Kultur 13.10 Lebensart 13.40 Lebensart 14.00 ligionund Gesellschaft. „Die Staatskirche ist abge- Herzschwäche /MS/Gastritis 21.00 Dasge- Komödie,D2017. MitCharly Hübner,Annika den Schienen des Doppeladlers 22.00 J ZIB 2 dürfen das! 21.45 J NDR//aktuell 22.00 J Kultur 14.15 DasSachbuchder Woche 14.45 Kul- schafft“. Religion in der Weimarer Reichsverfassung sunde Dutzend 21.45 rbb24 22.00 Donau – Meier,Detlev Buck. Regie:ArneFeldhusen 22.00 22.25 J Schnell ermittelt 23.10 J Schnell v Neues ausBüttenwarder 22.25 JvNeu- tur Vorschau 15.10 DieKlassikerlesung.Theodor 20.30 Lesezeit. Angela Lehner liest ausihremRo- Lebensader Europas (VPS21.59) 22.45 Do- D Rendez-vous. Melodram, F1985 23.20 D ermittelt 23.55 JvCJack Taylor. Tagder es ausBüttenwarder 22.55 J Großstadtrevier Fontane: „Meine Kinderjahre“ 15.45 Musik Forum man „Vater unser“ (2/2) 21.05 Querköpfe 22.05 nau–Lebensader Europas (VPS 22.44) 23.30 Die Liebesfälscher.Drama, F/I/B/IRN2010 1.05 Vergeltung. Kriminalfilm, IRL/USA 2012 1.25 23.45 J Der Dicke 0.35 TheWrong Mans– 16.40 KulturInternational 17.40 Film 18.05 MDR Spielweisen 22.50 Sport aktuell 23.10 Das warder v Die Musketiere 0.20 v Die Musketiere Wildwuchs.Animationsfilm, ISR/F 2017 J Exakt –Die Story 1.55 10vor10 (VPS 21.50) Falsche Zeit, falscher Ort. Comedyserie Kultur spezial 19.00 Kultur 19.05 Lesezeit 19.35 Tag 0.05 Deutschlandfunk Radionacht Jazz Lounge 20.04 Auf schwarzen und weißen Tas- ten 22.30 Gespräch.Mit Nora Gomringer,Lyrikerin DLF Kultur undRezitatorin 23.04 Lesung.Rafik Schami: „Die 14.05 Kompressor 15.05 Tonart 16.30 Musiktipps 14.20 JvIn aller Freundschaft 15.05 Jv 10.00 Im Namen der Gerechtigkeit 11.00 Im 10.20 C Mike &Molly 10.45 HowIMet 10.55 MeinKind, deinKind –Wie erziehst du geheime Missiondes Kardinals“(3/40) 23.30 Jazz. 17.05 Studio 9 18.30 Weltzeit 19.05 Zeitfragen In aller Freundschaft 15.50 J Heimathäpp- Namender Gerechtigkeit –Wir kämpfen für Your Mother 11.40 C 2Broke Girls 12.35 denn? 11.55 Shopping Queen 12.55 Zwi- Jazz als Gesellschaftsmodell. ChristianLillingers 19.30 Feature 20.03 Mozartfest Würzburg. Wer- chen 16.00 J WDRaktuell 16.15 Hierund Sie! 12.00 AnwälteimEinsatz 13.00 Anwäl- C Mom 12.55 C Twoand aHalfMen 14.20 schen Tüll und Tränen 14.00 Mein Kind,dein „Open Form ForSociety“ 0.05 ARD-Nachtkonzert ke von W.A. Mozart,Hummel, Schubert 21.30 heute 18.00 J WDR aktuell /Lokalzeit 18.15 te im Einsatz 14.00 Auf Streife 15.00 Auf TheMiddle 15.10 TheBig Bang Theory 15.40 Kind–Wieerziehstdudenn? 15.00 Shopping Alte Musik. J. Haydn: Konzert für Violoncello J Der Haushalts-Check mit Yvonne Willicks Streife –Die Spezialisten 16.00 Klinikam C TheBig Bang Theory 16.05 C TheBig Queen 16.00 4Hochzeitenund eineTraumreise MDR Sachsen –Das Sachsenradio und Orchester C-Dur 22.03 „Das Traumkissen“ 18.45 J Aktuelle Stunde 19.30 Lokalzeit Südring 17.30 Klinik am Südring –Die Famili- Bang Theory 16.30 C TheBig BangTheory 17.00 Zwischen Tüll und Tränen 18.00 First 5.00 GutenMorgen 10.00 Der Tag 13.00 Der Anschl.: Anschließend: Frankreichs Kaffee.Von 20.00 J Tagesschau 20.15 J Markt.„Ge- enhelfer 18.00 EndlichFeierabend! 19.00 17.00 taff 18.00 Newstime 18.10 C Die Dates –Ein Tischfür zwei 19.00 Dasperfekte Radioreport 13.08 Der Nachmittag 18.00 Der Raymond Queneau.Lesung mit GötzSchulte sund durch denSommer“ 21.00 J Mission Genial daneben –Das Quiz 19.55 Sat.1 Nach- Simpsons 18.40 C DieSimpsons.Freundin Dinner. U.a.: Tag3:Nenja (31), Köln 20.00 Pro- Radioreport 18.08 Musikgeschichten 20.00 Hur- (Deutschlandradio Kultur 2006) 23.05 Fazit. Kul- Traumurlaub.Algarve.Dokureihe 21.45 J richten 20.15 D Love Vegas. Romantikkomö- mit gewissen Vorzügen 19.05 Galileo 20.15 minent! 20.15 J Magnum P.I. 21.15 J The ra Sachsen 23.00 MDR-Musiknacht tur vom Tage 0.05 Neue Musik 1.05 Tonart WDRaktuell 22.10 J Die Tricks mit Milch und die,USA 2008. Mit Cameron Diaz, Ashton Kut- Grey’sAnatomy –Die jungen Ärzte.Das blaue Good Doctor.Die Hoffnung stirbt zuletzt. Drama- Käse 22.55 DJvDer Bozen-Krimi: Das fünf- cher,Rob Corddry 22.20 akte20.19 Spezial. Zimmer 21.15 Seattle Firefighters –Die jun- serie 22.10 JCTheGoodDoctor 23.05 J Sonderzeichenerklärung: D =Spielfilm A =Schwarzweiß J =für Hörgeschädigte te Gebot. Kriminalfilm, D2016 0.25 JvDon- Samenspende –FluchoderSegen?! 23.20 gen Helden 22.15 C 9-1-1 Notruf L.A. Law &Order: Special Victims Unit 23.55 vox v =Audio-Description G =Zweikanalton C =Dolby-Stereo-Ton E =Breitbildformat na Leon.Schöner Schein.Kriminalfilm, D2012 SAT.1Reportage 0.15 SAT.1Reportage 23.15 Lucifer 0.10 C Twoand aHalf Men nachrichten 1.50 J Medical Detectives 19.8.2019 Mehr als nur Fusspflege | St.Galler Tagblatt

Mehr als nur Fusspflege

Katja Oskamp erklärt in ihrem Buch ihre Liebe zu einem Berliner Quartier und seinen Menschen. Das ist witzig und geht nicht ohne Demut.

Bernadette Conrad 17.8.2019, 05:00 Uhr

«Komm se rin!», sagt die Fusspflegerin zu Erwin Fritzsche. Kommen Sie herein! Es «berlinern» alle, die den Kosmetik- und Fusspflegesalon im Erdgeschoss eines achtzehngeschossigen Hochhauses aufsuchen – etliche von ihnen haben das ganze Leben in Berlin und auch in dieser nicht gerade für ihre Schönheit berühmten Ecke der deutschen Hauptstadt verbracht. Marzahn, mon amour – kann das ernst gemeint sein?

Der Buchumschlag bildet ab, was man mit Marzahn- Hellersdorf, dem am nordöstlichen Stadtrand Berlins gelegenen Stadtteil, gemeinhin verbindet: das Raster einer Hochhausfront, mehr als zwanzig Etagen, Wohnung an Wohnung. Dass hier Hochhäuser zuhauf stehen, sich darüber hinaus Alter, Armut und Prekariat hier verdichten, ist nicht nur Klischee. Die Schriftstellerin Katja Oskamp, 49, in Leipzig aufgewachsen, hat Marzahn- Hellersdorf frontal genommen, das Klischee ebenso wie die Wirklichkeit.

Als sie Mitte 40 war – «das Kind flügge, der Mann krank, die Schreiberei mehr als fragwürdig»; als sie «etwas Bitteres vor sich hergetragen hatte», entschied sie sich für eine Ausbildung zur Fusspflegerin und zur Arbeit im Kosmetiksalon. Zunächst, so erzählt sie, habe sie niemandem von ihrer Umschulung erzählt. Als sie es doch tat, schlugen ihr «Ekel, Unverständnis und schwer zu ertragendes Mitleid entgegen. Von der Schriftstellerin zur Fusspflegerin – ein fulminanter Absturz». Ob etwas in ihr ahnte, dass es genau dieser mutige Umweg sein würde, der sie zu einem unvergleichlichen Buch führen würde?

https://www.tagblatt.ch/kultur/mehr-als-nur-fusspflege-ld.1143910 1/3 19.8.2019 Mehr als nur Fusspflege | St.Galler Tagblatt

Sexsüchtiger SED-Funktionär, Wellness für Demenzkranken

«Komm se rin!» Es kommt die Frau Blumeier – Polio, Rollstuhl –, die der Fusspflegerin ihre zarten Kinderfüsschen entgegenstreckt. Es kommt Herr Paulke, «Marzahner Ureinwohner» seit 1983, der in seinem Leben so viel geschleppt hat, dass er an immer neuen Stellen «reparaturbedürftig» ist. Dass die Fusspflegerin seine Füsse – «wie verwitterte Steine» – bald mochte, nachdem sie sich anfangs darüber erschreckt hatte, hat damit zu tun, dass Herr Paulke den «Massakrierungen des Alters mit Anstand im Leib, fatalistischem Witz und Demut» begegnet. Regelmässig kommt Herr Pietsch, ehemals SED-Parteifunktionär, der immer noch mit Kommandantenton durchs Leben geht – auch im Moment, als sie, freundlich wie immer, sein Angebot zurückweist, als Nummer 52 den bislang 51 sexuellen Kontakten in Herrn Pietschs Leben hinzugefügt zu werden.

Die Welt von unten betrachtet

Fusspflegerin in Marzahn zu sein, das lernen wir in diesem Buch, ist ein sehr direkter Weg zu den Menschen – und hinter die Klischees. Es dauert nicht lange, bis man Katja Oskamps Liebeserklärung versteht. Sie hatte nicht nur die Kenntnisse der Fusspflege mitgebracht, sondern ihr Interesse an Lebensgeschichten und eine Menschenfreundlichkeit, die sich gerade an einem Ort wie Marzahn mit Leuten verbindet, die keine angestrengte Fassade vor sich hertragen, weder Hipster sind noch gestresster Manager, weder Alt-Hippie noch Neureicher; die statt Eitelkeit Humor zu bieten haben und denen die Fusspflegerin meist ein Leben voll Arbeit und ohne gutes Schuhwerk an den Füssen abliest.

Es wird viel gelacht in den Geschichten. Es wird gestorben; es wird Hartes beim Namen genannt, und es wird auch von sehr unsympathischen Menschen erzählt. Wer wie Katja Oskamp bereit ist, in die Knie zu gehen, um die Welt und die Menschen von unten zu betrachten, hat eine gute Chance, den Horizont in alle Richtungen zu erweitern. Auch als Schriftstellerin gründlich, sind ihre Texte ausgefeilt und aufs Wichtige verknappt.

https://www.tagblatt.ch/kultur/mehr-als-nur-fusspflege-ld.1143910 2/3 19.8.2019 Mehr als nur Fusspflege | St.Galler Tagblatt

Worum geht es? «Du bist fast fünfzig und hast begriffen, dass du Dinge, die du tun willst, jetzt tun solltest, nicht später», heisst es gegen Ende des Buches. 3800 Füsse hat sie bisher gepflegt. «Du lachst die ganze Zeit, du denkst die ganze Zeit nach und siehst ihnen manchmal in die Augen.» Die Liebe, so sagt sie, sei «flüssig geworden und passt in die unwahrscheinlichsten Zwischenräume …» Katja Oskamps literarisches Marzahn ist ein Ort, den man unbedingt aufsuchen sollte; ein Ort, an dem Humor und Sorgfalt und Würdigung zusammen etwas ergeben, das man kritische Menschenliebe nennen könnte.

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https://www.tagblatt.ch/kultur/mehr-als-nur-fusspflege-ld.1143910 3/3 16.9.2019 "Marzahn, mon amour" | rbbKultur

rbb Fernsehen > rbbKultur - Das Magazin > Archiv SAMSTAGS 18:30

Sa 14.09.2019 | 18:30 | rbbKultur - Das Magazin "Marzahn, mon amour" Katja Oskamp hört zu. Bei ihrer Arbeit in einem Fußpflege-Salon in Berlin Marzahn, sammelte sie die Geschichten der Marzahner und schrieb sie auf. Das Buch "Marzahn, mon amour" ist ein Porträt dieses besonderen Stadtbezirks.

Marzahn sei eine graue Betonwüste. So lautet ein Vorurteil, das sich hartnäckig hält. Dabei ist es hier überaus grün. Das zumindest findet Katja Oskamp. Die Friedrichshainer Schriftstellerin kam 2015 nach Marzahn. Nach drei veröffentlichten Romanen steckte sie beruflich in einer Sackgasse und merkte, es muss sich was ändern. Im Kosmetiksalon von Tiffy und Flocke fand sie den Weg aus der Krise. Nicht etwa als Kundin, sondern als Mitarbeiterin. Seitdem hat sie hier ungefähr 3.800 Füße gepflegt.

Katja Oskamp, Autorin „Marzahn, mon amour“

"Ich bin Fußpflegerin geworden, weil ich mit Mitte 40 eine Novelle geschrieben hatte, die kein Verlag drucken wollte. Da habe ich mich sehr gegrämt drüber und war aber auch nicht in der Lage ohne weiteres so meinen Beruf auszuüben und einfach weiter zu schreiben. Und dann wurde das so langsam zu meinem zweiten Standbein."

Aus Kunden wurden Menschen mit Geschichten - Katja Oskamp lernt sie sozusagen vom Fuß her BUCH kennen – ihre Wünsche, Schicksale und Marotten.

hanser-literaturverlage.de Die meisten von ihnen kennen Marzahn von Anfang "Marzahn, mon amour" - an. Als die neue Stadt Ende der 70er Jahre Geschichten einer entstand. Fußpflegerin

Katja Oskamp, Autorin "Marzahn, mon amour" Von Katja Oskamp 144 Seiten, gebunden "Die sind nach Marzahn gezogen, weil sie sich Verlag: Hanser Literaturverlage Erschienen: 22.07.2019 einfach verbessert haben dadurch. Sie hatten vorher für eine große Familie eine ISBN: 13 9783446264144 Zweizimmerwohnung mit Ofenheizung mit Preis: 16,00 Euro Kohlenschleppen. Deswegen waren die Leute glaube ich im Großen und Ganzen sehr froh, wenn sie so eine Wohnung hier bekommen haben."

40 Jahre später leben sie noch immer hier. Viele mit Mindestrente, manche mit Rollator und Sauerstoffgerät. Katja Oskamp hat ihre Geschichten aufgeschrieben. Wie die von Frau Guse, die schon ihre Beerdigung bezahlt hat, weil sie ohne Schulden aus dem Leben treten will. Oder die von Erwin Fritzsche, einst Beleuchter am Friedrichstadtpalast. Wenn er von den „Balletmiezen“ und ihrer Girl-Reihe schwärmt, verwandelt sich der karge Kosmetiksalon in einen imaginären Tanzpalast.

Jeder Kunde soll das Studio fröhlicher verlassen als er es betreten hat, so Katja Oskamps geheimer Vorsatz. Herr Paulke allerdings kommt nicht mehr. Nach der Arbeit besucht sie ihn oft auf dem benachbarten Friedhof.

Katja Oskamp, Autorin "Marzahn, mon amour"

https://www.rbb-online.de/rbbkultur/dasmagazin/archiv/20190914_1830/buch-marzahn-mon-amour.html 1/2 16.9.2019 "Marzahn, mon amour" | rbbKultur "Herr Paulke war einer meiner ersten Kunden. Der hat in der DDR bei Autotrans gearbeitet und war Spediteur und hat also Umzüge gemacht. Aber nicht nur Wohnungsumzüge, sondern richtig ganze Betriebe und Kombinate verpflanzt. Sein Leben lang geschleppt und wenn man das erfährt und wenn man das weiß, sieht man diese Füße natürlich auch sofort anders an."

Geschichten aus dem Beton von Marzahn. Von Entbehrungen und Enttäuschungen. So traurig sie oft sind, Katja Oskamp weiß sie liebevoll zu deuten. Das macht ihre Erzählungen vom kleinen Glück sein Leben zu meistern so lesenswert.

Katja Oskamp, Autorin "Marzahn, mon amour"

"Die haben ja nichts Bedeutendes erfunden oder sind nicht auf irgendeinen Berg geklettert als erste oder so, sondern die haben einfach nur sehr sehr anständig ihre Leben gelebt und zum Teil eben auch, oder meistens in zwei Gesellschaftsordnungen. Haben sich da nicht groß verbogen, haben irgendwie versucht ihre Leute, ihre Familie gut durchzubringen, ihre Existenz zu sichern. Aber für mich ist eigentlich das liebenswerte die Haltung zu diesen Dingen, die die Leute haben. Eben diese aufrechte und heldenhafte und auch wirklich zum Teil lustige Haltung. Das ist eigentlich was ich so vorbildhaft finde."

Im Buch erzählt Katja Oskamp, dass sie und ihre Kolleginnen einmal im Jahr in die Therme von Bad Saarow fahren, Aperol Spritz bestellen und sich zuprosten: „Unsere Arbeit ist kostbar! Unsere Kundschaft ist Spitze! Marzahn, mon amour!“

Autorin: Lilli Klinger

Stand vom 14.09.2019

https://www.rbb-online.de/rbbkultur/dasmagazin/archiv/20190914_1830/buch-marzahn-mon-amour.html 2/2 19.9.2019 Mund PROPAGANDA - das Genuss-Interview: Alt-Marzahn sieht lustig aus - wie eine schlechte Fotomontage - Mehr Genuss - Tage…

Mund PROPAGANDA - das Genuss-Interview 17.09.2019, 13:37 Uhr Alt-Marzahn sieht lustig aus - wie eine schlechte Fotomontage

Katja Oskamp ist Autorin, arbeitet inzwischen auch als Fußpflegerin in einem Nagelstudio in Marzahn. Hier gibt sie ihre kulinarischen Empfehlungen. VON FELIX DENK 

Fußpflegerin, Buchautorin und kulinarischer Experte für Marzahn: Katja Oskamp hier in ihrem Nagelstudion FOTO: PAULA WINKLER / PROMO

Mit Mitte 40 hatte Katja Oskamp genug von der Schriftstellerei. Sie lernte Podologie - und wurde Fußpflegerin. In ihrem hinreißenden Buch "Marzahn, mon amour" (Hanser) berichtet sie von ihren Erlebnissen als Fußpflegerin in einem Nagelstudio in Marzahn, in dem sie immer noch arbeitet.

Sie schreiben in ihrem Buch: Marzahn riecht anders als der Rest von Berlin. Schmeckt es auch anders? Es schmeckt auch anders. Kulinarisch ist es nicht die Krönung Berlins, was aber nicht heißt, dass es nicht die eine oder andere Lokalität zu entdecken gäbe. Etwa die „Biertulpe“, am Fuße eines Hochhauses, wo sich alle zum Feierabendbier treffen. Da gibt es auch gutes Essen, Hausmannskost ohne Tralala: Kesselgulasch, Brathering, Tote Oma – Blutwurst mit Kartoffeln und Sauerkraut. Oder natürlich Monis Sülze, Moni ist die Inhaberin. Sie bringt jeden Tag um 12 Frau Braese ein Mittagessen, die auch in dem Hochhaus wohnt, aber zu alt ist, um runterzukommen. Frau Braese will sich immer überraschen lassen von Moni. Das ist wie auf dem Dorf. Tipp für die Biertulpe: Besser reservieren, da kommen viele Gruppen, Sportvereine oder Skatrunden etwa.

Als Fußpflegerin arbeiten sie nach wie vor in einem Kosmetikstudio in Marzahn. Wo machen Sie Pause? Wir haben keine geregelten Pausen. Und es muss immer schnell gehen. Stullen und Gemüsebox bringen wir selbst mit. Kuchen holen wir beim Nettobäcker – die sind da echt nett. Da gibt es nicht dieses Gemuffel, das man oft erlebt, wenn man von Leuten bedient wird, die das gar nicht machen wollen, weil sie eigentlich Kulturwissenschaft studiert haben. Einen tollen Mittagstisch hat die „Fleischerei Genz“ mit Gulasch, Rouladen und solchen Sachen. Die Fleischerei ist in einem kleinen Haus in Alt-Marzahn. Das ist das historische Dorf, das sie klugerweise erhalten haben, als die Neubausiedlung vor vierzig Jahren entstand. Da gibt es Kopfsteinpflaster und Dreiseithöfe und eine alte Kirche, alles umgeben von Plattenbauten. Sieht lustig aus, ein bisschen wie eine sehr schlechte Fotomontage.

In Marzahn wohnen ja auch viele ältere Leute. Gibt es einen Ort, wo man gut konditern kann? Ja, die „Konditorei Engel“ am Freizeitforum. Gibt’s schon seit den 1950er Jahren, ist aber paar Mal umgezogen. Seit 2011 ist die an dem schönen Platz am Freizeitforum. Die machen Torten nach individuellen Wünschen, aber man kann auch mit Kaffee und Kuchen draußen sitzen und auf den Platz schauen. Und dann ist da noch das Eiskaffee „La Gondola“, das betreibt ein Italiener und der macht sehr große Eisbecher. Ich nehme immer den Krokantbecher, das darf man aber nicht so oft, damit man nicht so rund wird. Wenn ich den bestelle, dann muss ich zum Ausgleich zu Fuß zurück nach Friedrichshain gehen. Da wohne ich nämlich. Dauert zwei Stunden.

Wie divers ist Marzahn eigentlich? Hier wohnen viele Russen, viele Asiaten. Die sehen wir gerade vor unserem Laden. Da stehen Kirschbäume, die da vielleicht schon waren, als es Marzahn noch gar nicht gab. Auf die klettern die Vietnamesen hoch und pflücken die Kirschen. Ein guter https://www.tagesspiegel.de/themen/genuss/mund-propaganda-das-genuss-interview-alt-marzahn-sieht-lustig-aus-wie-eine-schlechte-fotomontag… 1/2 19.9.2019 Mund PROPAGANDA - das Genuss-Interview: Alt-Marzahn sieht lustig aus - wie eine schlechte Fotomontage - Mehr Genuss - Tage… Asiate ist das „Van Lang“ auf der Marzahner Promenade – sehr nett, sehr gepflegt, frische Zutaten, der liefert auch. Ach, einen Tipp habe ich noch: Direkt neben unserem Studio hat vor einem Jahr ein Weinladen eröffnet. Die einzige Weinhandlung in Marzahn. Der Betreiber konzentriert sich auf deutsche Weine, viele von kleinen Familienbetrieben, die er alle besucht hat. Gibt auch guten Sekt und saisonale Sachen wie Federweißer. Da gehen wir nach der Arbeit gern hin und fragen, was er gerade offen hat.

Adressen: Biertulpe, Marzahner Promenade 12 Netto, Marzahner Promenade 30 Fleischerei Genz, Alt-Marzahn 58 Konditorei Engel, Marzahner Promenade 55 La Gondola, Marzahner Promenade 31 Van Lang, Marzahner Promenade 42 Winzer Wein Berlin, Marzahner Promenade 32

Dieser Beitrag ist auf den kulinarischen Seiten "Mehr Genuss" im Tagesspiegel erschienen – jeden Sonnabend in der Zeitung. Hier geht es zum E-Paper-Abo. Weitere Genuss-Themen finden Sie online auf unserer Themenseite.

https://www.tagesspiegel.de/themen/genuss/mund-propaganda-das-genuss-interview-alt-marzahn-sieht-lustig-aus-wie-eine-schlechte-fotomontag… 2/2 Katja Oskamp: MARZAHN, MON AMOUR

QUOTES

© Paula Winkler

„Man liest das und ist beglückt von der robusten Poesie, mit der Katja Oskamp diese Welt der Alten und Übriggebliebenen beschreibt, die oft auch witzige und lebenskluge Leute sind und einen trotzigen Heimatstolz pflegen. Keine Spur von der sonst in der Literatur üblichen ethnosoziologischen Staunerei darüber, wie es sich da unten so lebt. Sie schreibt von der Noblesse der Leute, und ihre Geschichten sind wahr, auch weil sie lustig und schön sind.“

Hilmar Klute, Süddeutsche Zeitung, 06.07.2019

„‘Marzahn, mon amour‘: Das ist die Stadt in ihrem Bodensatz. Die Geschichten lägen auf der Straße, heißt es manchmal, selten traf das besser zu. Katja Oskamp hat sich gebückt, aus den Fundstücken ein überzeugendes Stück Literatur gemacht.“

Cornelia Geißler, Frankfurter Rundschau/Berliner Zeitung, 22.07.2019

„Neben Empathie und Neugier hilft Katja Oskamp ganz sicher ihr Sinn für Komik dabei, die unterschiedlichsten Typen zum Reden zu bringen oder auch mal zum Schweigen, aus Worten Geschichten zu filtern und so zu erzählen, dass sich Menschenbilder auffächern.“

Janina Fleischer, Leipziger Volkszeitung, 26.07.2019

„‘Marzahn, mon amour‘ strahlt von der ersten bis zur letzten Seite eine enorme Herzenswärme und Liebe zu den Menschen aus, die Katja Oskamp besuchen.“

Andreas Schröter, Ruhr Nachrichten, 22.07.2019

„Das machte diese Porträts so besonders: Sie sind getragen von einer grundsätzlichen Sympathie, ganz egal, welcher Stinkefuß des Wegs kommt. Katja Oskamp schreibt nie larmoyant, und falls sich doch mal eine Bitterkeit einschleicht, wird sie mit Selbstironie und Witz überdeckt. Die Geschichten ergeben eine genaue und amüsante Sozialstudie.“

Karin Grossmann, Sächsische Zeitung, 25.07.2019

„Zwischen Fußbad und Pediküre erzählen die Kunden Geschichten aus ihrem Leben. Es sind Tragödien, Komödien, Schicksale - oft serviert in direktem Tonfall und mit trockener Berliner Schnauze. Und jetzt ist das auch gesammelt nachzulesen: In ‚Marzahn - mon amour‘ hat Katja Oskamp dem ehemals größten Plattenbaugebiet der DDR und seinen Bewohnern pünktlich zum 40. Jahr seiner Entstehung eine gleichermaßen berührende wie unterhaltsame Hommage gewidmet.“

Jörg Thadeusz, Rbb Fernsehen, 06.08.2019

„‘Marzahn, mon amour - berührend, komisch, nachdenklich.“

Claudia von Duehren, Berliner Zeitung, 06.08.2019

„Katja Oskamps Buch ist ein beeindruckender Bericht über den urbanen Mikrokosmos Marzahn, in dem die Vorurteile über dieses Viertel von Berlin sowohl bestätigt wie über den Haufen geworfen werden. Nicht zuletzt aber erzählt das Buch zugleich davon, wie sich eine Schriftstellerin eine neue Existenz aufbaut, ungeachtet des Desinteresses des Literaturbetriebs und entgegen den gesellschaftlichen Widerständen, mit denen Frauen mittleren Alters kämpfen müssen.“

Uwe Schütte, Freitag, 08.08.2019

„‘Marzahn, mon amour‘ ist kein bitterer Schicksalsroman, den sie da geschrieben hat, sondern eine Liebeserklärung. Ein warme, witzige, spannende Sammlung von Lebensgeschichten, die sonst im Verborgenen bleiben - von den Füßen her erzählt.“

Katharina Kluin, Stern, 08.08.2019

„‘Marzahn mon amour‘ ist Katja Oskamps Einladung, die großzügigen Wohngebiete im Berliner Osten zu besichtigen und ihre Reize zu entdecken.“

Michael Pilz, Welt, 10.08.2019

„Entlarvend, aber immer liebevoll erzählt Katja Oskamp […] von den Menschen am Rand der Gesellschaft. Literatur aus dem Volk. [Es ist] wohltuend, solche Romane zu lesen.“

Welf Gombacher, Freie Presse, 15.08.2019

„Es wird viel gelacht in den Geschichten. Es wird gestorben; es wird Hartes beim Namen genannt, und es wird auch von sehr unsympathischen Menschen erzählt. Wer wie Katja Oskamp bereit ist, in die Knie zu gehen, um die Welt und die Menschen von unten zu betrachten, hat eine gute Chance, den Horizont in alle Richtungen zu erweitern. Auch als Schriftstellerin gründlich, sind ihre Texte ausgefeilt und aufs Wichtige verknappt.“

Bernadette Conrad, St. Galler Tagblatt, 17.08.2019

„Kein Fuß ohne Mensch, kein Mensch ohne Geschichte. Oskamp fräst und schneidet und hört zu, schreibt es hinterher auf und schafft eine sozial realistische, emotional engagierte Literatur, bei der man aus dem Lachen und Staunen selten herauskommt. Es geht in diesen Geschichten um Mindestrente und Einsamkeit, um erträumte Zukunft und verklärte Vergangenheit, um die Selbstbehauptung der ‚einfachen Leute‘ und ihre gar nicht so einfachen Lebenseinstellungen.“

Sebastian Hofer, 18.08.2019

„[D]ie Texte [sind] literarisch gestaltet, in einer warmherzigen, präzisen Sprache, nicht frei erfunden […]. Katja Oskamp muss etwas erlebt, erspürt haben, ehe sie darüber schreiben kann. Eine große Seele steckt im Buch: Kraft, Güte und Demut.“

Irmtraud Gutschke, Neues Deutschland, 21.08.2019

„Kaum jemand kann so schön vom Leben erzählen: Katja Oskamp fing mit Mitte 40 nochmal neu an – als Fußpflegerin in Berlin-Marzahn!“

IN, das Star & Style Magazin, 21.08.2019

„‘Marzahn – mon amour‘ ist in meinen Augen eines der wenigen Bücher, die – ohne es zu wollen – wirklich zu Herzen gehen und selbst hartgesottene Menschen […] zum Weinen bringen. Weil es so übervoll mit Liebe, Respekt und Verständnis ist, dass bei der Lektüre etwas auf den Leser abfärbt und einen zufrieden und dankbar hinterlässt. […] Einfach mal zuhören, ein paar Minuten Zeit schenken, mehr braucht es nicht, um die Menschen um einen herum ein klein wenig zufriedener und – so pathetisch es auch klingen mag – die Welt ein Stückchen besser zu machen.“

Tobias Nazemi, Buchrevier, 23.08.2019

„Das Wunderbare an "Marzahn, mon amour" ist die liebevolle Aufmerksamkeit, mit der Katja Oskamp von ihren Kundinnen und Kunden erzählt. Es sind Menschen, über die sonst keine Bücher geschrieben werden. Aber ihre Geschichten sind alles andere als langweilig. Katja Oskamp beschreibt voller Humor Menschen, die Krankheiten und der Einsamkeit trotzen. Und immer wieder kleine, schöne Momente erleben, die das Grau des Alltags schillern lassen.“

Stefan Keim, WDR, 17.09.2019

„In jedem Kapitel steckt eine neue Geschichte. Deshalb ist das Buch perfekt für zwischendurch. Katja Oskamp erzählt die Geschichten so echt und unverfälscht, dass man das Gefühl hat mit in dem Kosmetikstudio im 18 stöckigen Hochhaus in Marzahn zu sitzen.“

Daniela Diaz, WDR 1 Live Stories, 19.09.2019

„Auf zärtliche Weise huldigt das Buch den (überwiegend älteren) Menschen, die in Marzahn leben, teilweise seit mehr als 30 Jahren. Oskamp hat die Gabe, ganze Lebensläufe und persönliche Eigenheiten auf wenigen Seiten plastisch, einfühlsam und humorvoll zu skizzieren. […] Sie setzt nicht nur den Menschen Marzahns, sondern auch einem ganzen Berufsstand ein literarisches Denkmal.“

Holger Moos, Goethe-Magazin, 20.09.2019

„Mit der gleichen Sorgfalt, die Oskamp den Füße zuteil werden lässt, kümmert sie sich um [die] schrundigen, lädierten Lebensläufe [ihrer Kunden]. Sie hat ein Auge für die kleinen und größeren Marotten, ein sicheres Gespür für situative Komik, vor allem aber hat sie ein großes Herz. Man ist immer wieder angerührt von der liebevollen, fast zärtlichen Anteilnahme, mit der sie ihrer zumeist alten, oft schon stark gehandicapten Stammkundschaft ein Denkmal setzt.“ Frank Schäfer, taz, 21.09.2019

„Oskamp schreibt Biographien, wie wir sie sonst nie zu lesen bekommen. […] Das sind poetische Verdichtungen, in denen sie Menschen ein Denkmal setzt.“

Katharina Teutsch, Deutschlandfunk, 02.10.2019

„Katja Oskamp schreibt […] wunderbar und […] gestaltet literarisch sehr geschickt.“

Martin Ebel, SRF Kultur, 08.10.2019

„Achtzehn Porträts, manche tiefergreifend, manche anekdotisch kurz, ergeben ein lebenspralles Buch, das ein Stück Alltagsgeschichte in Berlin aus einer noch nie dagewesenen Perspektive zeigt: vom Schemel einer Fußpflegerin.“

Eva Pfister, Lesart 03/2019

„Mit Wärme, aber auch mit burschikosem Witz entfaltet Oskamp ein Wimmelbild im Plattenbau.[…] Dass das Ganze nicht ins Possierliche abgleitet, liegt daran, dass die Autorin die biografischen Härten ihres Personals nicht verschweigt.“

Katharina Teutsch, ZEIT, 21.11.2019

Katja Oskamp: MARZAHN, MON AMOUR

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© Paula Winkler

Katja Oskamp ist zu Gast in der Lesart des DLF Kultur und spricht mit Joachim Scholl über „Marzahn, mon amour“, Deutschlandfunk Kultur, 22.07.2019, https://www.deutschlandfunkkultur.de/katja- oskamp-schriftstellerin-und-fusspflegerin-was-fuesse.1270.de.html?dram:article_id=454491 (ca. 4 min)

Katja Oskamp war zu Gast in der rbb-Sendung „Talk aus Berlin“ und unterhielt sich mit Jörg Thadeusz, der das Buch aufs löblichste in die Kamera hielt, über ihren Werdegang, ihr schriftstellerisches und ihr fußpflegerisches Werk und das Leben in Marzahn. Rbb Fernsehen, 06.08.2019, https://www.rbb- online.de/talkausberlin/archiv/20190806_2330.html (ca. 30 min)

Katja Oskamp war zu Gast bei „Radioeins ab 10“ und unterhält sich mit Nancy Fischer über Marzahn und ihre Arbeit als Fußpflegerin und Autorin. Radioeins, 16.08.2019, https://www.radioeins.de/programm/sendungen/mofr1013/_/marzahn--mon-amour.html (ca. 9 min)

Lilli Klinger ist mit dem rbbKultur Magazin zu Gast bei Katja Oskamp in Marzahn. Rbb Fernsehen, 15.09.2019, https://www.rbb-online.de/rbbkultur/dasmagazin/archiv/20190914_1830/buch- marzahn-mon-amour.html (ca. 4 min)