DIPLOMARBEIT

zur Erlangung des akademischen Grades Mag.a iur. der Rechtswissenschaften an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Paris Lodron Universität Salzburg

NS-Rassengesetzgebung im Eherecht

Eingereicht von: Ina Koppler

Betreuerin: Aichhorn, Ulrike, Ao.Univ.-Prof. Mag. Dr. MSc.

Fachbereich: Sozial- und Wirtschaftswissenschaften

Salzburg, Jänner 2020

Eidesstaatliche Erklärung

Ich erkläre hiermit eidesstattlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet habe. Alle Stellen, die wörtlich oder inhaltlich den angegebenen Quellen entnommen wurden, sind als solche kenntlich gemacht. Die vorliegende Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form noch nicht als Bachelor-/ Master-/ Diplomarbeit/ Dissertation eingereicht.

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Datum, Unterschrift

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Abstract

Die Diplomarbeit behandelt das Eherecht zur Zeit des Nationalsozialismus sowie die Auswirkungen der Rassengesetzgebung auf die Ehe. Zunächst wird die nationalsozialistische Weltanschauung sowie Zweck und Bedeutung der Ehe erläutert, um ein Verständnis dafür zu entwickeln, mit welchem Hintergrund eine Änderung des Eherechts erfolgte. Dann wird das österreichische Eherecht vor der Machtübernahme dargestellt und in Folge einige wesentliche Bestimmungen, die mit dem neuen Ehegesetz 1938 in Kraft traten. Hier stellen das Scheidungsrecht sowie die Eheverbote einen wesentlichen Teil dar, da sich in diesem Bereich die Bevölkerungspolitik des NS-Regimes sehr stark auf das Recht sowie die Privatsphäre der Menschen auswirkte. Anschließend werden die rassengesetzlichen Maßnahmen, mit besonderem Augenmerk auf dem „Blutschutzgesetz“, erläutert. Hier wird veranschaulicht, warum das Führen einer „Mischehe“ zwischen Juden und Nichtjuden teilweise große Vorteile hatte und welche einschneidenden Konsequenzen die Scheidung einer solchen mit sich bringen konnte. Der letzte Teil der Arbeit behandelt die rechtlichen Maßnahmen im Zuge der Entnazifizierung in der Nachkriegszeit und ob und wie das Eherecht wieder von den nationalsozialistischen Bestimmungen „befreit“ wurde.

This diploma thesis explores matrimonial laws during the Nazi era and the effects of racial legislation on marriage. First, National Socialist ideologies and the purpose and meaning of marriage are explained in order to develop an understanding of the situation which induced a change in matrimonial legislation. Secondly, Austrian marriage law prior to the political takeover and its essential provisions, which entered into force as part of the new marriage law in 1938, are outlined. The divorce law and marriage bans form an essential part of this section, since the population policy of the Nazi regime had a substantial impact on human rights and privacy. Subsequently, the sanctions coming into force as part of the Nuremberg Laws are explained, with special attention to the "Nuremberg Law for the Protection of German Blood". The motives as to why a conduct of a “mixed marriage” between Jews and non-Jews had, in some cases, great advantages are illustrated as well as the drastic consequences a divorce could have entailed. The last part of this thesis is concerned with the legal sanctions through the course of the during the post-war period and poses the question whether and how matrimonial laws were made exempt from National Socialist provisions.

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Abkürzungsverzeichnis

ABGB Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch

BBG Berufsbeamtengesetz

BGBl Bundesgesetzblatt

BGB Bürgerliches Gesetzbuch

dRGBl Deutsches Reichsgesetzblatt

dt. deutsch

ED-DVO Durchführungsverordnung über die Gewährung von Ehestandsdarlehen

EheG Ehegesetz

gem. gemäß

KVG Kriegsverbrechergesetz

nat.soz. nationalsozialistisch

NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei

OLG Oberlandesgericht

RÜG Rechtsüberleitungsgesetz

SA Sturmabteilung

SS

StGBl Staatsgesetzblatt

VbtG Verbotsgesetz

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Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis ...... 3 1. Einleitung ...... 6 2. Die „neue“ Rechtsidee und Weltanschauung ...... 8 2.1. Gesetzesbegriff ...... 9 2.2. Führergewalt ...... 10 2.3. Personalwesen ...... 11 2.4. Unterscheidung zwischen Mann und Frau ...... 13 2.5. Zweck der Ehe ...... 15 3. Hintergrund des neuen Ehegesetzes ...... 18 3.1. ...... 18 3.2. Das österreichische Eherecht vor dem Anschluss ...... 19 4. Ehegesetz 1938 ...... 22 4.1. Eheverbote (§§4 – 14 EheG) ...... 23 4.2. Irrtum über Umstände, die die Person des anderen Ehegatten betreffen (§37) ...... 24 4.3. Einführung der obligatorischen Zivilehe ...... 24 4.4. Scheidungsrecht ...... 25 4.4.1. Verweigerung der Fortpflanzung ...... 25 4.4.2. Unfruchtbarkeit ...... 27 4.4.3. Ausschließungsgrund der Familie ...... 28 4.4.4. Auflösung der häuslichen Gemeinschaft ...... 28 4.4.5. Scheidungspraxis ...... 29 4.5. Ehestandsdarlehen ...... 30 5. Rassengesetzgebung ...... 33 5.1. Vorgeschichte ...... 33 5.2. Rassengesetzliche Maßnahmen ...... 34 5.3. Nürnberger Rassengesetze ...... 36 5.4. Erste Verordnung zum Gesetz ...... 37 5.5. Blutschutzgesetz ...... 38 5.5.1. Gesetzestext ...... 39 5.5.2. Begriffsbestimmungen ...... 40

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5.5.3. Differenzierung zwischen Mischlingen ersten und zweiten Grades ...... 43 5.6. Auswirkung auf das Sozialverhalten ...... 45 5.7. „Aushebungen“ als Druckausübung auf Mischehepaare ...... 47 6. Schutz durch die Ehe ...... 48 6.1. „Privilegierte“ und „nicht privilegierte“ Mischehen ...... 48 6.2. Auflösung von Mischehen ...... 51 6.3. Wannsee-Konferenz ...... 54 7. Nachkriegszeit ...... 56 7.1. Deutschland ...... 56 7.2. Österreich ...... 57 7.3. Entnazifizierungsgesetze ...... 58 8. Zusammenfassende Erläuterungen ...... 60 9. Literaturverzeichnis ...... 62 9.1. Internetquellen ...... 68

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1. Einleitung

Die Vorstellungen über die rechtlichen Entwicklungen unter der Herrschaft der Nationalsozialisten bleiben oft sehr vage. Oft kommt die Frage auf, wie eine derartige Rechtsprechung möglich werden konnte. In Zeiten wie diesen, in denen radikale Strömungen in Politik und Gesellschaft deutlich wahrnehmbar sind, bietet es sich an, sich mit einzelnen Gebieten des nationalsozialistischen Rechts genauer und kritisch zu befassen. Auch gebietet es die Verantwortung einer demokratischen Gesellschaft, fundamentale Themen wie dieses erneut aufzugreifen.

Die folgende Arbeit soll sich mit der Rassengesetzgebung sowie mit dem neuen Ehegesetz aus dem Jahr 1938 auseinandersetzen. Bei der Rassengesetzgebung wird das Augenmerk besonders auf das „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ gelegt, das als Teil der Nürnberger Rassengesetze im September 1935 erlassen wurde. Dieses verbot die Eheschließung sowie den außerehelichen Geschlechtsverkehr zwischen Juden und Nichtjuden.

Zu Beginn der Arbeit wird ein Überblick über die Weltanschauung des Nationalsozialismus gegeben und erläutert, wie diese im Sinne der „neuen“ Rechtsidee in das damals geltende Recht eingegliedert werden konnte. Die Weltanschauung war durch die Einteilung der Bevölkerung in Klassen geprägt. Vor allem die Unterscheidung zwischen Mann und Frau spielte eine große Rolle, da deren Verpflichtungen für die Volksgemeinschaft aufgrund dem Ziel der bewussten Steuerung der Nachkommenschaft im Vordergrund stand. Auf die Geschlechterrollen sowie die Vorstellungen über das Wesen der Ehe wird daher näher eingegangen. Im Anschluss werden die Etappen der Rassengesetzgebung, sprich die vor dem Blutschutzgesetz erlassenen Gesetze, aufgelistet und dessen Bedeutung kurz erklärt.

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Gemeinsam mit dem neuen Ehegesetz bildet die Veranschaulichung des Blutschutzgesetzes das Hauptthema der Arbeit. Hier werden zuerst die einzelnen Begriffe des Gesetzes und die Auslegung der nationalsozialistischen Ideologie dargelegt. Die Definition von „Mischlingen“, der „Mischehe“ und in Folge die Differenzierung von „privilegierten“ und „nicht privilegierten“ Mischehen werden ausführlich behandelt, da diese Unterscheidungen den größten Einfluss auf die jüdische Bevölkerung und dessen Lebenssituation nahmen. Trotz der zahlreichen Einschränkungen bei der Eheschließung, hatte das Führen einer Mischehe, sofern diese „privilegiert“ war, für den jüdischen Teil des Paares Vorteile, die Betroffenen oft sogar das Leben rettete.

Das Ehegesetz diente der Vereinheitlichung des deutschen und österreichischen Eherechts beim Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich. Nach einem Überblick über die eherechtliche Lage in Österreich vor dem Anschluss, werden die Einflüsse und Veränderungen durch das Inkrafttreten des Gesetzes erläutert. Besonders hervorzuheben sind an dieser Stelle die Eheverbote sowie das neue Scheidungsrecht.

Der letzte Teil der Arbeit gibt eine Übersicht über die gesetzliche Entwicklung der Nachkriegszeit und die Entnazifizierung, dessen verschiedenen neu erlassenen Gesetze zu einem Wiederaufbau der Rechtsordnung führen sollten.

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2. Die „neue“ Rechtsidee und Weltanschauung

Die Nationalsozialisten bedienten sich bezüglich ihrer Ideologie diverser Grundgedanken, wie dem Führerprinzip und dem Rassengedanken, die sich schon im Kaiserreich und anschließend in der Weimarer Republik fanden. Wirtschaftliche als auch politische und kulturelle Komponenten des traditionellen Antisemitismus wurden weiter herangezogen, jedoch wurden diese rein auf die rassischen, „biologischen“ Elemente reduziert.1 Laufs schreibt, „der Nationalsozialismus blieb stets eine „Bewegung“, auf Kampf angewiesen und ausgerichtet, ohne ein durchdachtes Programm mit tragfähigem theoretischem Grund“, da die Nationalsozialisten keiner „eigenständigen Doktrin“ folgten sondern nur „vorhandene, teils gängige, teils absonderliche Ideen zu einem großenteils verschwommenen Konzepts erwarben“.2

Im nationalsozialistische Weltbild hatte das Individuum, das Recht des Einzelnen, keine Bedeutung. Der Mensch hatte der Gemeinschaft zu dienen, indem er seine Pflichten dieser gegenüber erfüllte.3 Im Kommentar zu den Nürnberger Rassegesetzen charakterisieren Stuckart4 und Globke die nationalsozialistische Weltanschauung folgendermaßen:

„Im Mittelpunkt der nationalsozialistischen Weltanschauung steht das Volk. Das Volk ist danach die einzige wirkliche umfassende, in sich geschlossene, selbstständig und für sich bestehende Ganzheit, die alles aus sich hervorbringt, was die in einem Volk vorhandenen, […] Einzelglieder für ihre Existenz brauchen […]. Keine inner- und übervolkische Gemeinschaft steht dem Volke gleich.“5

Besonders deutlich geht in der nationalsozialistischen Ideologie eine „Freund-Feind- Haltung“ hervor, die alle Anders- und Fremdrassigen aus der „moralischen Solidarität“

1 Majer, Grundlagen des nationalsozialistischen Rechtssystems. Führerprinzip, Sonderrecht, Einheitspartei., 123. 2 Laufs, Rechtsentwicklungen in Deutschland, 280. 3 Mitteis/Lieberich, Deutsche Rechtsgeschichte, 475. 4 Wilhelm Stuckart war ein deutscher Jurist und Staatssekretär und als Mitverfasser der Nürnberger Gesetze und Kommentator derselben ein äußerst bedeutender Autor zur Zeit des Nationalsozialismus, vgl Jasch, Staatssekretär Wilhelm Stuckart und die Judenpolitik. Der Mythos von der sauberen Verwaltung, München 2012. 5 Stuckart/Globke, Kommentare zur dt. Rassengesetzgebung, 12. 8

auszuschließen versucht.6 Als Gegensatz zum höherwertigen Arier galten die Juden, denen der Versuch, die arische Lebensweise zu zerstören, beigemessen wurde.7 Diese Anschauung bedurfte der Schaffung eines Feindbildes, einer aktuellen Bedrohung, die die Gemeinschaft des Volkes zu legitimieren vermochte: 8

„Der Jude ist uns völlig fremd nach Blut und Wesen. Deshalb ist eine Dissimilation die einzige Lösung. [..] Das Juden-Problem ist also nicht nur ein rassebiologisches. Es bedurfte auch in politischer, wirtschaftlicher und soziologischer Hinsicht eine Lösung für die Jahrhunderte […].“

„Damit war jeder möglichen Entscheidung in dubio pro reo von vornherein der Boden entzogen, denn der Richter hatte […] der Entrechtung und Diskriminierung der Betroffenen, auch in Zweifelsfällen zu folgen.“9 Hitler äußerte in „Mein Kampf“ zur Familie, dass jemand, der „körperlich und geistig nicht gesund und würdig“ sei, sein „Leid nicht im Körper seines Kindes verewigen“ dürfe. Hier sah er die „ungeheuerste Erziehungsarbeit“ für den völkischen Staat.10

2.1. Gesetzesbegriff

Der Gesetzesbegriff stand in einem untrennbaren Zusammenhang mit den ideologischen Kernbegriffen der „völkischen Gemeinschaft“ und des „Führers“. Die „Völkische Gemeinschaft“ bezeichnete eine Gemeinschaft rassisch gleichartiger Lebewesen.11 Adolf Hitler betrachtete jene Staatsform als die beste, die „mit natürlichster Sicherheit die besten Köpfe der Volksgemeinschaft zu führender Bedeutung und zu leitendem Einfluß“ bringe.12

6 Jäger, Verbrechen unter totalitärer Herrschaft, 306. 7 Wagner, Nationalsozialistische Frauenansichten. Vorstellungen von Weiblichkeit und Politik führender Frauen im Nationalsozialismus, 28. 8 Stuckart/Globke, Kommentare zur dt. Rassengesetzgebung, 16. 9 Goguel in Brechtken/Jasch/Kreutzmüller/Weise (Hrsg), Juden unterm Hakenkreuz, 150. 10 Hitler, Mein Kampf, 446f. 11 Hitler, Mein Kampf, 433. 12 Hitler, Mein Kampf, 500. 9

Das Rechtssystem unter den Nationalsozialisten wurde unter anderem stark durch Carl Schmitt, deutscher Staatsrechtler und politischer Philosoph, der sich im NS-Regime engagierte, geprägt. Er verlangte eine Uminterpretation der Gesetze und brachte diese Forderung mit dem Grundsatz „Wir denken die Rechtsbegriffe um,“ auf den Punkt.13 So stand fest, dass das geltende Recht im Sinne der neuen Ideologie ausgelegt werden musste. 14

2.2. Führergewalt

Mit der Machtergreifung am 30. Jänner 1933 wurde eine vollständige Herrschaft der Partei über den Staat eingeleitet.15 Unmittelbar danach nahmen es sich die Nationalsozialisten zum Ziel, eine umfassende Führergesetzgebung zu errichten. Diese basierte auf dem spezifisch juristischen Institut der Führergewalt, das sich aus der nationalsozialistischen Staatsrechtslehre entwickelte.16 Um sich auf die neue Rechtsidee berufen zu können, bedurfte es einem „permanent bestehenden Dualismus zweier Rechtsgrundlagen“17. Den vom Staat erlassenen Gesetzesnormen, das geschriebene Recht, stand die Rechtsidee entgegen. Diese galt als höherrangig, als überpositiv, weshalb sich an ihr die Einzelnorm messen musste. Die Zeitschrift „Deutsche Rechtswissenschaft“ druckte 1936 folgendes Zitat von Reichsminister Frank: 18

„Gesetzliche Bestimmungen, die vor der nationalsozialistischen Revolution erlassen sind, dürfen nicht angewandt werden, wenn ihre Anwendung dem heutigen gesunden Volksempfinden ins Gesicht schlagen würde.“ Im Fall des Konflikts sollte die Einzelnorm der Rechtsidee weichen.19 So heißt es in einem Urteil vom 17.5.1938:

13 Ley, Zum Schutze des deutschen Blutes, 60. 14 Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung. Nationalsozialismus und Recht, 113. 15 Mitteis/Lieberich Deutsche Rechtsgeschichte, 479. 16 Salje, Recht und Unrecht im Nationalsozialismus, 139. 17 Rüthers, Entartetes Recht, 24. 18 Laufs, Rechtsentwicklungen in Deutschland, 198 f. 19 Rüthers, Entartetes Recht, 24f. 10

„Nationalsozialistisches Recht hat der Verwirklichung der nat.soz. Weltanschauung zu dienen. Ziel dieser Weltanschauung und damit Zweck des Rechtes ist Reinerhaltung, Erhaltung, Förderung und Schutz des deutschen Volkes.“20

Dieser Dualismus bot die Möglichkeit, Gesetze, die nicht im Sinne der Rechtsidee ausgelegt werden konnten, für unanwendbar zu erklären. So war der Richter nach wie vor an das Gesetz gebunden, obwohl der formelle Gesetzesbegriff bereits durch den Führerwillen praktisch weggefallen war. Seine Aufgabe war nun nicht nur mehr Rechtsprechung und Gesetzesauslegung des geschriebenen Rechts, sondern auch die Suche des ungeschriebenen, im Volke wurzelnden Rechts.21 Durch die Verwendung unklarer Rechtsbegriffe wurde es der Justiz erleichtert, ihre eigene Wertvorstellungen – diese waren durch die personelle Umstrukturierung rassenideologisch geprägt- in die Gesetzesauslegung einfließen zu lassen.22 In den Anfangsjahren des Dritten Reichs wurde auf diese dem Anschein nach legale Weise vorgegangen, nach der die bisher geltende Rechtsprechung nicht komplett aufgehoben, sondern nur an die nationalsozialistischen Grundsätze angepasst werden sollte.

2.3. Personalwesen

Die Personalpolitik wurde durch verschiedene Reformen des Reichsministeriums im Sinne des Führerprinzips umgestaltet. Auch das Personal der Rechtspflege sollte dem „nationalsozialistischen Geist“ entsprechen, der einen aktiveren Richtertyp verlangte. Der deutsche „Rechtskämpfer“, eine kraftvolle Führungspersönlichkeit, sollte den „professionierten Leisekämpfer“ ersetzen.23 In der Justiz waren Richter mit einer rein fachlichen Orientierung nicht mehr erwünscht, da die Rechtsprechung dem politischen Bestreben folgen sollte. Das Recht sollte „lebendig“ gemacht werden und der Richter

20 OLG Jena, Urteil vom 17.5.1938, ZAkDR 1938, 711f. 21 Majer, Fremdvölkische im Dritten Reich, 53. 22 Dreier/Sellert, Recht und Justiz im „Dritten Reich“, 249. 23 Majer, Fremdvölkische im Dritten Reich, 57. 11

innerhalb von seinem Verantwortungsbereich der „geborene Führer“. 24 Richter hatten nicht nur noch als Vertreter der Volksgemeinschaft, sondern vielmehr als Vertreter des Führers zu agieren, um zu verhindern, dass unterschiedliche Auffassungen über das Wohl der Allgemeinheit dem Führerwillen zuwiderlaufen konnten. Jüdische und solche Rechtslehrer, die nicht ausreichend der „nationalen Orientierung“ folgten, verloren so ihre Lehrstühle an den deutschen juristischen Fakultäten.

„Das vorläufige Ziel der staatlichen Maßnahmen in der Judenfrage bestand darin, die erforderliche Trennung der Juden vom deutschen Volkskörper im Wege der rechtlichen Trennung zu verwirklichen. Diesem Ziel dient die deutsche Rassengesetzgebung. Die Juden wurden und werden also zunächst [!] noch auf deutschem Boden geduldet; die Gesetzgebung hat aber dem deutschen Volk und den Juden rechtliche Schranken errichtet und auf diesem Wege eine Absonderung der Juden herbeigeführt..“25

Die Nationalsozialisten machten im Zuge dessen auch Gebrauch von der kriminologischen Forschung, indem sie deren Untersuchungen über kriminelle Neigungen in Bezug auf die erbbedingten Verbrechensursachen heranzogen und in ihrem Sinne auslegten.26 Ein nicht unbedeutender Teil der Kriminologen teilte die nationalistischen Ansichten über die biologische Grundlage, aufgrund derer man die Verbrechensbekämpfung neu organisieren sollte. Franz Exner, einer der maßgeblichen Kriminologen zu der Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus unterstützte die antijüdische Vorgehensweise, indem er vorbrachte, das „Gesamtbild der jüdischen Straffälligkeit“ stimme „ganz auffallend mit den Grundzügen des jüdischen Wesens überein“.27

24 Majer, Grundlagen des nationalsozialistischen Rechtssystems. Führerprinzip, Sonderrecht, Einheitspartei, 113. 25 Stuckart/Schiedermair, Rassen- und Erbpflege in der Gesetzgebung des Reiches, 6 f. 26 Dreier/Sellert, Recht und Justiz im „Dritten Reich“, 198. 27 Dreier/Sellert, Recht und Justiz im „Dritten Reich“, 211. 12

2.4. Unterscheidung zwischen Mann und Frau

Ganz allgemein herrschte im Nationalsozialismus eine strikte Trennung höher- und minderwertiger Klassen. Menschen waren stets ihrem Wert nach gemessen in die Hierarchie einzuordnen, dieser Wert bestimmte sich nach dem Nutzen für die Bevölkerungspolitik.28 Es wurde unterschieden zwischen Ariern und Nichtariern, Deutschen und Nichtdeutschen, Weißen und Farbigen, Männern und Frauen. Dieser Leitsatz basierte strikt auf der biologischen Ungleichheit, die somit als von der Natur vorgegeben und absolut angesehen wurde. „Aus der Verschiedenartigkeit der Rassen, Völker und Menschen folgen zwangsläufig Unterscheidungen in den Rechten und Pflichten des einzelnen“.29 Während der Mann als Oberhaupt galt, der seiner Familie als autoritär gegenüberstehen sollte, sollten Frauen dahingehend angesprochen werden, dass die Mutterschaft als „das höchste Gut der Nation“ bezeichnet wurde.30 Die Differenzierung, begründet auf dem biologischen Aspekt, erstreckte sich auch auf die unterschiedliche Behandlung von Mann und Frau. So wurde die Ungleichheit der Geschlechter begründet. Adolf Hitler behauptete 1934 öffentlich, dass die Welt des Mannes der Staat, die der Frau ihr Ehemann, ihre Familie und ihr Heim sei. 31

„Die Welt des Mannes ist groß, verglichen mit der der Frau. Der Mann gehört seiner Pflicht, und nur ab und zu schweift sein Gedanke zur Frau hinüber. Die Welt der Frau ist der Mann. An anderes denkt sie nur ab und zu. Das ist ein großer Unterschied. Die Frau kann viel tiefer lieben als der Mann. Auf den Intellekt kommt es bei einer Frau gar nicht an.“32

Es wurde sich hierbei rein auf den biologischen Aspekt berufen, nachdem die Frau hauptsächlich dafür verantwortlich war, „reinrassige“ Kinder zur Welt zu bringen.33 Als vollwertig wurde eine Frau nur dann angesehen, wenn sie dieser Verpflichtung zur

28 Christians, in: Brechtken (Hrsg), Die Nürnberger Gesetze, 55. 29 Goguel, in: Drobisch/Goguel/Müller (Hrsg), Juden unterm Hakenkreuz, 146. 30 Gasperlmeier, in: Floßmann (Hrsg) Nationalsozialistische Spuren im Recht, 14. 31 Tidl, Die Frau im Nationalsozialismus, 11. 32 Lehner, Familie-Recht-Politik, 151. 33 Tidl, Die Frau im Nationalsozialismus, 12. 13

Ausbreitung der arischen Rasse ihren Beitrag leistete. Somit musste eine Frau deutsch und arisch sein, um überhaupt als Frau im Sinne des Nationalsozialismus zu gelten. Slawische Frauen galten als „Weiber“ und sollten hauptsächlich als billige Arbeitskräfte dienen.34 Der Wert einer Frau wurde somit hauptsächlich über ihre Gebährfähigkeit definiert.35 Das NS-Regime nahm es sich zum Ziel, Frauen in Richtung Ehe und Haushalt zu drängen, was durch Anreize wie Ehestandsdarlehen oder dem Mutterkreuz36, erreicht werden sollte.

„Der faschistische machismo betrachtete die Frau nicht als Menschen wie den Mann, sondern als inferiores Wesen, das dem Mann, der Familie, der Nation zu dienen hatte, das allen dreien als Objekt zur Verfügung stand.“37

Dass die Frau gegenüber dem Mann keine Gleichberechtigung erfuhr, zeigte sich schon 1921, als sie im Parteivorstand der NSDAP ausgeschlossen wurde, 1933 auch aus dem Reichstag.38 In den Hochschulen zeigte sich die Diskriminierung der Frau ebenfalls sehr stark, dort war eine Quote von 10% vorgesehen, da die Hochschule den Männern gehöre.39 Aufgrund der naturgegebenen unterschiedlichen „Lebensbestimmungen“, wurden ab 1938 Jungen und Mädchen getrennt unterrichtet, da „eine gemeinsame Schulerziehung der Geschlechter dem nationalsozialistischen Erziehungsgeist“ entgegenstünde.40 Während dem männlichen Geschlecht die Vernunft zugeschrieben wurde, war es Zuständigkeit der Frau, mit Gefühl unterstützend einzugreifen, wenn der Mann versagte.41 Die Differenzierung zwischen den Geschlechtern hatte nicht nur ideologische, bevölkerungspolitische Bedeutung, auch strafrechtlich machte sich diese bemerkbar und wurde bei der Strafbemessung explizit angeführt. Dabei wurde häufig

34 Gasperlmair, in: Floßmann (Hrsg), Nationalsozialistische Spuren im Recht, 29. 35 Lehner, Familie-Recht-Politik, 151. 36 Das Mutterkreuz war ein Abzeichen, das durch eine Verordnung Adolf Hitlers „kinderreichen Frauen“ gestiftet wurde vgl König, Die Frau im Recht des Nationalsozialismus, 27. 37 Maimann, in: Weinzierl/Stadler(Hrsg), Justiz und Zeitgeschichte, 58. 38 Tidl, Die Frau im Nationalsozialismus, 21. 39 Tidl, Die Frau im Nationalsozialismus,21. 40 Tidl, Die Frau im Nationalsozialismus,46. 41 Wagner, Nationalsozialistische Frauenansichten, 44. 14

auf die Rolle als Mutter abgestellt.42 Im Urteil gegen Beteiligte an der Widerstandsaktion der „Weißen Rose“ zeigt sich das Frauenbild des Gerichts deutlich– während ein männlicher Mitwisser, der es unterlassen hatte, die Propagandaabsichten anzuzeigen, mit achtzehn Monaten Gefängnis bestraft wurde, belief sich die Gefängnisstrafe der weiblichen Beteiligten, die sich dem selben Verbrechen schuldig gemacht hatten, auf nur ein Jahr Gefängnis.43 Dabei wurde ausgeführt: „Als Junge hat Guter in solchen Dingen eine höhere Verantwortung als die Mädels…“.44

2.5. Zweck der Ehe

Der Akademieausschuss, welcher eine große Bedeutung in der Familienrechtsgesetzgebung hatte, definierte den Zweck der Ehe folgendermaßen:

„Ehe ist die von der Volksgemeinschaft anerkannte, auf gegenseitiger Treue, Liebe und Achtung beruhende dauernde Lebensgemeinschaft zweier rassegleicher, erbgesunder Personen verschiedenen Geschlechts zum Zweck der Wahrung und Förderung des Gemeinwohls durch einträchtige Zusammenarbeit und zum Zweck der Erzeugung rassegleicher, erbgesunder Kinder und ihrer Erziehung zu tüchtigen Volksgenossen.“45

Eine Ehe sollte nicht zur Verfolgung der Bedürfnisse der Eheleute geschlossen werden. Der Hauptgrund für die Eheschließung war die Erfüllung der Verpflichtung der völkischen Gemeinschaft gegenüber, eine Familie zu gründen um gesunde, im Sinne des NS-Regimes, Nachkommen zu zeugen. Schon in „Mein Kampf“ verdeutlichte Hitler, welchen Zweck die Ehe erfüllen sollte: „Auch die Ehe kann nicht Selbstzweck sein, sondern muss dem einen größeren Ziele, der Vermehrung und Erhaltung der Art

42 Kirschner, in: Form/Neugebauer/Schiller (Hrsg), NS-Justiz und politische Verfolgung in Österreich 1938-1945, 645. 43 Kirschner, in: Form/Neugebauer/Schiller (Hrsg), NS-Justiz und politische Verfolgung in Österreich 1938-1945, 646. 44 Kirschner, in: Form/Neugebauer/Schiller (Hrsg), NS-Justiz und politische Verfolgung in Österreich 1938-1945, 646. 45 Blasius, Ehescheidung in Deutschland 1794-1945, 195. 15

und Rasse dienen.“46 Da die Familie für die Aufrechterhaltung und Verbreitung der NS- Ideologie maßgeblich war, musste die Privatheit aufgegeben werden um die auferlegten „völkischen Aufgaben“ wahrnehmen zu können.47 Öffentlich-rechtliche sowie privatrechtliche Vorschriften griffen in das Familienleben ein, um der rassisch geprägten Rechtspolitik Rechnung zu tragen. Winkler bezeichnet die Ehe im Nationalsozialismus als „eine reine Produktionsgemeinschaft, die Ehepartner zeugende und gebärende Produktionsmittel, deren Produktionsleistung nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ zu werten war.“48

In der NS-Zeitschrift „Frauenwarte“ wurden im Jahr 1934 die „Zehn Gebote für die Gattenwahl“ abgedruckt, darunter lautete das fünfte Gebot „Wähle als Deutscher einen Gatten, gleichen oder nordischen Blutes“- dazu wurde ausgeführt:

„Wähle als Deutscher nur einen Gatten gleichen oder Nordischen Blutes. Wo Anlage zu Anlage paßt, herrscht Gleichklang. Wo ungleiche Rassen sich mischen, gibt es einen Mißklang […] Hüte dich vorm Niedergang, halte dich von Fremdstämmigen außereuropäischer Rassenherkunft fern! Glück ist nur bei Gleichgearteten möglich.“49

Es wurde ein Scheidungsrecht angestrebt, in dem der Verschuldensgrundsatz aufgehoben wird und die Zerrüttung die maßgebliche Voraussetzung eines Scheidungsanspruches darstellt, um allen Staatsbürgern die Scheidung der Ehe möglich zu machen. Während das Zerrüttungsprinzip ursprünglich darauf ausgelegt war, den individuellen Bedürfnissen der Betroffenen gerecht zu werden, so war der Beweggrund der Nationalsozialisten für die Anwendung ein anderer. Eine Zerrüttung hing nicht mit persönlichen Befindlichkeiten der Ehepartner und deren Beziehung zueinander zusammen, sondern war dann erreicht, wenn die Ehe für die „Volksgemeinschaft“ keinen Wert mehr hatte, sprich eine wertvolle Nachkommenschaft ausgeschlossen war.50 Es sollte sichergestellt werden, dass

46 Hitler, Mein Kampf, 275 f. 47 Lehner, Familie-Recht-Politik, 150. 48 Winkler, Frauenarbeit im Dritten Reich, 29. 49 Nationalsozialistische Frauenwarte 3 (1934/3 5), Heft 10, 295. 50 Schaefer, in: Gravenhorst/Tatschmurat (Hrsg), -Fragen, 191. 16

Ehescheidungen, die aus rassenbedingten Gründen angestrebt wurden auch durchgesetzt werden konnten. Die Ehe sollte „unter den Vorbehalt staatlicher Bedürfnisse“ gestellt werden. 51 Bezüglich dem Wesen der Ehe enthielt das neue Ehegesetz 1938 keine Definition, deshalb oblag die Auslegung und die „Konkretisierung der Generalklauseln“ den Gerichten.52

51 Blasius, Ehescheidung in Deutschland 1794-1945, 199. 52 Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, 402 f. 17

3. Hintergrund des neuen Ehegesetzes

3.1. Anschluss

Als „Anschluss“ wird der Einmarsch der deutschen Truppen in Österreich am 12. März 1938 bezeichnet sowie das „Bundesverfassungsgesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“. Damit verbunden war die Machtergreifung der österreichischen Nationalsozialisten.53 Die Judenfeindlichkeit, die sich auch in Österreich schon über Generationen hinweg in Politik und Gesellschaft durchgesetzt hatte, fand mit dem Anschluss seinen Höhepunkt. Österreicher, die dem Antisemitismus folgten, zeigten dies unter anderem in der „Kristallnacht“ vom 9. auf den 10. November 1938, die durch extreme Ausschreitungen und Übergriffe gegen Juden geprägt war.

Mit dem Anschluss begann in Österreich die Umsetzung der nationalsozialistischen Rassenpolitik. Die Maßnahmen erfassten alle erdenklichen politischen Bereiche. Berufsverbote für jüdische Journalisten und Rechtsanwälte wurden erlassen, jüdischen Schülern und Studenten wurden durch die Gründung eigener jüdischer Schulen und die Einführung eines numerus clausus Steine in den Weg gelegt.54 Die leitenden Positionen an den Universitäten wurden neu besetzt, „eine Beurlaubung der sicher nicht tragbaren Personen“ sollte herbeigeführt werden.55 Ende Mai 1938 wurden die Nürnberger Rassegesetze in Österreich in Geltung gesetzt.56 Mit Kriegsbeginn konnte auch in Österreich zunehmend beobachtet werden, wie sich das Feindbild des Juden verbreitete, sie wurden separiert und sollten „von der Außenwelt abgeschnitten werden“.57

53 Haas, in: Talos (Hrsg), NS-Herrschaft in Österreich, 1. 54 Moser, in: Talos (Hrsg), NS-Herrschaft in Österreich, 189. 55 Lichtenberger-Fenz, in: Talos (Hrsg), in NS-Herrschaft in Österreich, 270. 56 Moser, in: Talos (Hrsg), NS-Herrschaft in Österreich, 190. 57 Moser, in: Talos (Hrsg), NS-Herrschaft in Österreich, 93. 18

3.2. Das österreichische Eherecht vor dem Anschluss

Am 13. März 1938 erreichte das Regime den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich. Dieser warf rechtlich diverse Fragen auf, vor allem bezüglich dem Eherecht standen die Beauftragten vor besonderen Problemen. Die österreichischen eherechtlichen Vorschriften beruhten auf der Regelung, die 1811 durch das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch getroffen wurde. Der kirchliche Zugang zum Ehehindernisrecht des ABGB und die in Folge unterschiedlichen Eheschließungs- und Trennungsbestimmungen für die einzelnen Religionsgemeinschaften gestaltete die Vereinheitlichung des Eherechts schwierig. Die eherechtliche Praxis in Österreich widersprach den nationalsozialistischen Wertvorstellungen über die Ehe zur Gänze. Die Ehe sollte durch den Staat und nicht kirchlich gesteuert werden und es wurde eine „Durchdringung der Ehe durch den Staat im Dienste der Volksgemeinschaft“ angestrebt.58

Auch das Prinzip der Unauflöslichkeit der Ehe stand der nationalsozialistischen Vorstellung über die Ehe und ihrem Zweck entgegen. Nach diesem hatte ein Christ nach der Scheidung seiner Ehe nicht die Möglichkeit erneut zu heiraten, denn dies galt als Ehebruch und führte zum Ausschluss von den Sakramenten.59 Gehörte nur einer der Ehegatten der katholischen Religionsgemeinschaft an, so konnte die Ehe gem. §111 ABGB nicht dem Bande nach getrennt werden, sondern es kam zur „Scheidung von Tisch und Bett“. Diese erlaubte es den Paaren, „Tisch und Bett“ nicht mehr zu teilen, aufgrund der Heiligkeit des Sakraments der Ehe blieb diese allerdings bestehen. Die Wirkung von einer Scheidung von Tisch und Bett wurde durch das Inkrafttreten des EheG nicht berührt. Eine neue Ehe einzugehen war nur möglich, sofern der Ehegatte verstarb oder feierlich für tot erklärt wurde, dies wurde allerdings häufig, wie im Folgenden noch näher erläutert wird, durch sogenannte „Dispensehen“ umgangen.60

58 Lehner, Familie-Recht-Politik, 155. 59 Tenholt Gerhard, Die Unauflöslichkeit der Ehe und der kirchliche Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen, 2. 60 Kraszna/Braun, Die Dispensehe, 7. 19

Der Anschluss Österreichs machte es somit für den NS-Staat notwendig, ein neues Eheschließungs- und Ehescheidungsrecht für „das ganze Gebiet des neuen Deutschen Reiches zu schaffen“, da die zu der Zeit in Österreich geltenden, uneinheitlichen Bestimmungen zu einer „Zersplitterung innerhalb der Bevölkerung“ führen würden.61 Die neuen eherechtlichen Bestimmungen sollten nicht nur einer Vereinheitlichung dienen, sondern darüber hinaus auch ermöglichen, die Ehen der Österreicher durch die NS-Politik zu lenken. Scanzoni bezeichnet die eherechtliche Lage in seinem Kommentar zum Ehegesetz 1938 aufgrund der Tatsache, dass verschiedene religiöse Gruppen einem unterschiedlichen Ehegesetz unterlagen als unerträglich und betont die Wichtigkeit einer Vereinheitlichung der eherechtlichen Bestimmungen um die staatliche Ordnung zu gewährleisten.62 Er nennt die wesentlichen Ziele der Sondervorschriften der §§99 bis 12863:

„1) Die Beseitigung der nichtstaatlichen Eheschließung 2) Die Beseitigung der Untrennbarkeit der katholischen Ehen und 3) Die Bereinigung der Dispensehen.“

Die Trennung der Ehe dem Bande nach galt von nun an als Scheidung der Ehe. Da sie im österreichischen Sprachgebrauch dieselben Folgen nach sich zog, wie die Trennung einer Ehe, wurde die der Scheidung des BGB gleichgestellt. 64 Die Unauflöslichkeit von katholischen Ehen wurde seit 1919 oft durch sogenannte „Dispensehen“ oder in Anlehnung an ihren Gründer, den niederösterreichischen Landeshauptmann Albert Server auch „Sever-Ehe“ genannt, umgangen.65 Es handelt sich dabei um Ehen, welche unter Nachsicht vom Ehehindernis des Ehebandes geschlossen wurden. Eheleute, die erneut heiraten wollten, bekamen hierfür die Erlaubnis unter „Nachsicht“ vom Ehehindernis des Ehebandes.66 Sie gründeten auf §83 ABGB, laut dem die Landesstellen die Befugnis hatten, unter gewissen Voraussetzungen von Ehehindernissen abzusehen – zu dispensieren- um Ehegatten die Möglichkeit zu

61 Rilk, Kommentar zum Gesetz zur Vereinheitlichung des Rechts der Eheschließung, 299. 62 Scanzoni, Das großdeutsche Ehegesetz vom 6. Juli 1938: Kommentar 224 f. 63 Scanzoni, Das großdeutsche Ehegesetz vom 6. Juli 1938: Kommentar 225. 64 Rilk, Kommentar zum Gesetz zur Vereinheitlichung des Rechts der Eheschließung, 306. 65 Kraszna/Braun, Die Dispensehe, 7. 66 Blasius, Ehescheidung in Deutschland 1794-1945, 204. 20

geben, die Ehe aufzulösen.67 Voraussetzung für den Dispens war, dass die Ehe von Tisch und Bett geschieden war.

Für den für die Nationalsozialisten reformbedürftigsten Teil der Dispensehe wurden in den §§ 121 bis 127 des Ehegesetz 1938 besondere Bestimmungen erlassen. Gem. §121 galten diese als von Anfang an gültig, wenn sie nicht bei Inkrafttreten des Ehegesetzes bereits rechtskräftig für ungültig erklärt und nicht auf Grund eines vor dem 1. Jänner 1939 zu stellenden Antrags gerichtlich festgestellt wurde, dass die Eheleute am 1. April 1938 nicht mehr als Ehegatten miteinander gelebt haben.68

67 Floßmann, Österreichische Privatrechtsgeschichte, 84. 68 dRGBl I, 1938, 807. 21

4. Ehegesetz 1938

Weil die Familie die Basis für die Reinhaltung der deutschen Rasse darstellte, war das Familienrecht ein wesentlicher Bestandteil der gesetzlichen Änderungen unter dem NS-Regime. Als zentrales Ziel galt die Erhaltung der völkischen Gemeinschaft im Sinne der Erhaltung der Rasse, weshalb das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“, das „erbkranken“ Menschen die Fortpflanzung verbot, einen ersten wesentlichen Schritt zu einem „blutgebundenen Volksbürgerrecht“ darstellte.69 Ursprünglich hatte man sich ein Volksgesetzbuch zum Ziel gemacht, diesbezüglich blieb es allerdings lediglich bei einem Entwurf.70 Im Gegensatz zu dem Großteil anderer Rechtsgebiete, in denen es zumeist bei einer Sondergesetzgebung blieb, ging die rechtliche Erneuerung des Eherechts über Teilgesetze und Verordnungen hinaus.

1938 kam es zum „Anschluss Österreichs“. Rechtlich wirkte sich dieser so aus, dass die eherechtlichen Bestimmungen aus dem deutschen-Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und dem österreichischen ABGB entfernt und durch das nationalsozialistische Ehegesetz („Gesetz zur Vereinheitlichung des Rechts der Eheschließung und der Ehescheidung im Lande Österreich und im übrigen Reichsgebiet“71) erneuert wurde. Es wurde am 29. Juni 1938 nach der Zustimmung Hitlers verabschiedet, am 6. Juli ausgefertigt und trat am 1. August 1938 in Kraft.72 Dieses neue Eherecht gestaltete sich religiös indifferent, scheidungsrechtliche Fragen hingen also nicht mehr von der Zugehörigkeit zu den verschiedenen Religionsbekenntnissen ab.73 Durch die §§4 und 5 des EheG 1938, die auf das Blutschutzgesetz 1935 und das Ehegesundheitsgesetz 1935 mitsamt ihrer Durchführungsverordnungen Bezug nehmen, wurde die Rassengesetzgebung sowie die bevölkerungspolitische Vorgehensweise des NS- Regimes auf Österreich ausgeweitet. Obwohl die Ausarbeitung des Ehegesetzes dem Anschein nach nicht viel Zeit in Anspruch nahm, so hatte es seinen Grundstein bereits

69 Hattenhauer/Buschmann, Textbuch zur Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, Verlag CH Beck München, 316. 70 Kroeschell, Deutsche Rechtsgeschichte 3 (seit 1650), 267. 71 dRGBl. I 1938, 807. 72 dRGBl. I, 1938 807. 73 Paarhammer/Rinnerthaler, Österreich und der Heilige Stuhl im 19. und 20. Jahrhundert, 277. 22

lange vor dem rechtlichen Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich. Die Nationalsozialisten setzten sich schon 1929 mit dem Ehescheidungsrecht auseinander. Es wurde ein Gesetzesentwurf vorgelegt, durch den das Verschuldensprinzip in den Hintergrund geraten sollte.74 Ein Eherecht, das auf rassischen Grundsätzen basiert, wurde vom Familienrechtsausschuss mehrfach gefordert. Nur „körperlich und geistig reife, im allgemeinen gesunde und für den Existenzkampf vorbereitete Menschen“ sollten die Erlaubnis haben, eine Ehe einzugehen.75 Wesentliche Änderungen stellten eine neue Interpretation des Wesens der Ehe und der Rollenverteilung zwischen den Ehegatten dar sowie der untrennbare Zusammenhang zwischen dem Eherecht und der Bevölkerungspolitik.76

4.1. Eheverbote (§§ 4 – 14 EheG)

Durch §4 wurde das Verbot von Eheschließungen zwischen Staatsangehörigen Deutschen oder artverwandten Blutes und Personen artfremden Blutes in das Ehegesetz aufgenommen. Es wurde sich an dieser Stelle auf das Blutschutzgesetz samt dessen Durchführungsverordnungen berufen. §5 verwies auf das Erbgesundheitsgesetz und dessen Durchführungsverordnungen und verbot so Eheschließungen, die „aus Gründen der Volksgesundheit“ nicht erwünscht waren. Rilk nennt in seinem Kommentar zum Ehegesetz 1938 solche Krankheiten als relevant, die „schon in anderen Gesetzen wegen ihrer Gemeingefahr bekämpft werden“. Darunter fielen unter anderem das Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten77 vom 18. Februar 1927 und das Reichsgesetz zur Bekämpfung gemeingefährlicher Krankheiten78 vom 30. Juni 1900. Auch wenn die allgemeinen Voraussetzungen für die Ehefähigkeit vorlagen, so war die Schließung der Ehe nicht erlaubt, wenn die Tatbestandsmerkmale der „Blutsverschiedenheit“ (§4) oder ein „Mangel der Ehetauglichkeit“ (§5) vorlagen.79

74 Schauer, in: Floßmann (Hrsg), Nationalsozialistische Spuren im Recht, 84. 75 Mößmer, Eherecht, 20. 76 Schaefer, in: Gravenhorst/Tatschmurat (Hrsg), Töchter-Fragen, 187. 77 dRGBl. I, 1927, 61. 78 dRGBl. I, 1927, 306. 79 Volkmar, Großdeutsches Eherecht. Kommentar zum Ehegesetz vom 6. Juli 1938 mit sämtlichen Durchführungsvorschriften, 62. 23

4.2. Irrtum über Umstände, die die Person des anderen Ehegatten betreffen (§37)

Durch §37 des EheG wurde eine Abwandlung der vorausgegangenen Ehenichtigkeitsgründe des BGB erreicht. Während durch §1333 BGB die Aufhebung der Ehe bei einem Irrtum über die persönlichen Eigenschaften ermöglichte, konnten Ehegatten nun die Ehe für nichtig erklären lassen, wenn sie über Umstände irrten, die „die Person des anderen Ehegatten betrafen“ (§37 EheG). Die Beurteilung, ob ein solcher Umstand vorlag, war extensiv. So konnte ein Irrtum bezüglich der Rassezugehörigkeit vorliegen als auch dann, wenn die Frau mit einem anderen Mann Geschlechtsverkehr oder eine (Erb-)Krankheit hatte.80 Wurde bei einer Frau festgestellt, dass sie wahrscheinlich keine gesunden Nachkommen erzeugen konnte, so verlor die Ehe ihren Zweck für die Bevölkerung und der gesunde Ehegatte sollte „von der Ehe freikommen“ können.81Die Ehe konnte aufgehoben werden, wenn der Irrtum erheblich war, sprich der Partner bei Kenntnis vor der Ehe bei „richtiger Würdigung des Wesens der Ehe“82 die Ehe nicht eingegangen wäre. Im Vergleich dazu war in §1333 BGB von einer „verständigen“ Würdigung die Rede83, im EheG sollte der Wille des NS- Gesetzgebers verdeutlicht und bei der Auslegung den „allgemeingültigen sittlichen und völkischen Gesichtspunkten“ Vorrang gewährt werden.84 Dies ermöglichte es den Gerichten, einem „deutschblütigen“ Ehegatten eine Aufhebung der Ehe zu gestatten, wenn dieser allein über die Bedeutung der Rassenzugehörigkeit des Partners irrte.85

4.3. Einführung der obligatorischen Zivilehe

Mit §15 EheG wurden die Formvorschriften für die Eheschließung erweitert. Fortan war Voraussetzung für das Zustandekommen einer Ehe, dass die Eheschließung vor einem Standesbeamten stattfindet. Bei Nichteinhaltung wurde also gar keine Rechtswirkung

80 König, Die Frau im Recht des Nationalsozialismus, 46. 81 König, Die Frau im Recht des Nationalsozialismus, 49. 82 dRGBl. I, 1938, 807. 83 dRGBl. I, 1896, 195. 84 Rüthers, die unbegrenzte Auslegung, 405. 85 Rüthers, die unbegrenzte Auslegung, 405. 24

entfaltet, während der Verstoß gegen andere Formerfordernisse nur dazu führte, dass die Ehe „vernichtbar“ gemacht wurde.86

4.4. Scheidungsrecht

Die neuen Bestimmungen des Scheidungsrechts stellten bei der Reformation des Ehegesetzes einen zentralen Bestandteil dar. Die bevölkerungspolitischen Ansätze, die durch die Vorschriften verfolgt wurden, wichen teils deutlich von dem bisher gültigen Eherecht des BGB als auch des ABGB ab. 87 Um dem Wert der Ehe für die Volksgemeinschaft eine größere rechtliche Bedeutung zu geben, sollte eine Scheidung ohne Vorliegen eines Verschuldens erleichtert werden. Ehebruch (§47), die Verweigerung der Fortpflanzung (§48) und „andere Eheverfehlungen“ (§49) stellten die Tatbestände für eine Scheidung aus Verschulden dar. Auf dem Zerrüttungsprinzip basierten die übrigen Scheidungstatbestände.

Lehner nennt zwei für das NS-Scheidungsrecht wesentliche Prinzipien. Das Recht sollte sich an erster Stelle von der Vorstellung befreien, dass der Weiterbestand einer Ehe von den individuellen Interessen der Ehegatten abhängig war. Daneben galt als Grundlage für die Entscheidung über Fortdauer oder Scheidung einer Ehe die Abwägung, wie „nützlich“ die Ehe für die Bevölkerungspolitik war. 88 „An entscheidenden Stellen des Ehegesetzes von 1938, wo es um die Durchsetzung der politisch-ideologischen Wertvorstellungen geht, finden sich generalklauselartige unbestimmte Rechtsbegriffe“.89

4.4.1. Verweigerung der Fortpflanzung

„§48 Ein Ehegatte kann Scheidung begehren, wenn der andere sich ohne triftigen Grund beharrlich verweigert, Nachkommenschaft zu erzeugen oder zu empfangen,

86 Volkmar, Großdeutsches Eherecht. Kommentar zum Ehegesetz vom 6. Juli 1938 mit sämtlichen Durchführungsvorschriften, 94. 87 Lehner, Familie-Recht-Politik, 160. 88 Lehner, Familie-Recht-Politik, 160. 89 Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, 402. 25

oder wenn er rechtswidrig Mittel zur Verhinderung der Geburt anwendet oder anwenden läßt.“90

Die Verweigerung der Fortpflanzung stellte im Vergleich zu den restlichen Scheidungstatbeständen einen besonderen dar. Während sich die anderen Bestimmungen auf Verfehlungen stützten, die sich gegen den anderen Ehegatten richten, handelte es sich bei §48 um eine Pflichtverletzung gegenüber der Volksgemeinschaft. 91 Roquette bezeichnet es als selbstverständlich, dass nicht nur die Pflichten gegenüber des Ehegatten, sondern auch jene erfüllt werden müssen, die dem „Volkstum gegenüber auferlegt werden“.92 Eine „Weigerung“ lag dann vor, wenn ein Ehepartner trotz einem vorausgehenden Verlangen, gleich ob stillschweigend oder auf schlüssige Weise geäußert, diesem Wunsch nicht nachging.93 Sprach der Mann davon, wie gern er einen Sohn haben würde und die Frau nahm trotzdem nach dem Beischlaf „empfängnisverhütende Spülungen vor“, so lag eine Weigerung vor.

Eine Weigerung war auch dann gegeben, wenn der Beischlaf „gänzlich oder ohne Benutzung empfängnisverhütender Mittel verweigert oder gegen den Willen des anderen Teils nur in der Form des coitus interruptus gewährt oder vorgenommen“ wurde.94 Der Tatbestand galt dann als verwirklicht, wenn die Verweigerung ohne triftigen Grund geschah. Als triftige Gründe galten gesundheitliche Beschwerden, die aus „rassepolitischer“ Sicht problematisch waren.

Die Verweigerung galt nicht als Eheverfehlung, wenn der Grund dafür in der „körperlichen Beschaffenheit“ des Ehegatten lag, also beispielsweise die Frau körperlich nicht in der Lage war, ein Kind auszutragen oder zu gebären. War es durch eine ungefährliche Operation möglich, ein Kind zu gebären, so musste sich die Frau dieser unterziehen, um sich einer Eheverfehlung nach §48 nicht schuldig zu machen. 95 Aufgrund der wesentlichen Bedeutung für die Volksgemeinschaft hingehend der

90 dRGBl. I, 1938, 807. 91 Roquette, Eheaufhebung und Ehescheidung nach dem neuen Ehegesetz vom 6. Juli 1938, 55. 92 Roquette, Eheaufhebung und Ehescheidung nach dem neuen Ehegesetz vom 6. Juli 1938, 55. 93 Scanzoni, Das großdeutsche Ehegesetz vom 6. Juli 1938: Kommentar, 90. 94 Volkmar, Großdeutsches Eherecht. Kommentar zum Ehegesetz vom 6. Juli 1938 mit sämtlichen Durchführungsvorschriften, 177. 95 Rilk, Kommentar zum Gesetz zur Vereinheitlichung des Rechts der Eheschließung, 212 f. 26

Volkserhaltung und -vermehrung wurde der Scheidungsgrund nach §48 zum absoluten Scheidungsgrund erhoben.

4.4.2. Unfruchtbarkeit

§53 Abs. 1 beruhte ebenfalls nicht auf einem Verschulden und ermöglichte einem Ehegatten, die Scheidung zu begehren, wenn „der andere nach der Eheschließung vorzeitig unfruchtbar geworden ist.“ Die Unfruchtbarkeit musste keine dauerhafte sein, die Voraussetzung musste also lediglich bei Einreichung der Scheidung gegeben sein. Rilk definiert Unfruchtbarkeit als die Unfähigkeit zur Empfängnis oder zum Austragen und zur Lebendgeburt. Diese sei nur dann nicht gegeben, wenn die Ehegatten vor der Ehe ein uneheliches Kind gezeugt haben und erst danach die Unfruchtbarkeit eines Ehegatten eintraf.96 Der Zweck der Bestimmung machte eine weitere Auslegung des Begriffes der Unfruchtbarkeit notwendig.

Da verhindert werden sollte, dass eine Ehe keine Nachkommenschaft mit sich bringt, war der Scheidungsgrund nicht nur auf die Sterilität der Ehegatten beschränkt. War der Mann dauernd „beiwohnungsunfähig“ war der Tatbestand ebenso erfüllt, da der Umstand ebenso „die Unmöglichkeit der Erzeugung von Nachkommen“ begründete.97 Der fruchtbare Ehegatte sollte die Möglichkeit erhalten, eine neue Ehe einzugehen, aus der Nachkommen zu erwarten waren und so die Pflichten gegenüber der Volksgemeinschaft erfüllen zu können. Folglich hatte ein Ehegatte, der selbst nicht fähig war, Nachkommen zu erzeugen, nicht das Recht auf Scheidung, da dieser ohnehin keine Möglichkeit hatte, in einer neuen Ehe Nachkommen zu zeugen. Mit einer Scheidungsklage wegen Unfruchtbarkeit musste daher nicht nur die Unfruchtbarkeit der beklagten, sondern auch die der klagenden Partei festgestellt werden.98

96 Rilk, Kommentar zum Gesetz zur Vereinheitlichung des Rechts der Eheschließung, 231. 97 Roquette, Eheaufhebung und Ehescheidung, 88. 98 Roquette, Eheaufhebung und Ehescheidung, 89. 27

4.4.3. Ausschließungsgrund der Familie

Die Scheidung aufgrund der Unfruchtbarkeit war ausgeschlossen, wenn die Ehegatten miteinander bereits „erbgesunde eheliche Nachkommenschaft oder ein gemeinschaftlich an Kindes Statt angenommenes „erbgesundes“ Kind hatten (§52 Abs. 2). Der Zweck der Ehe für die Volksgemeinschaft galt damit als erfüllt und zudem wurde den Ehegatten die Pflicht auferlegt, die bereits geborenen Kinder „zu tüchtigen Gliedern der Volksgemeinschaft heranzuziehen“.99 Ein Kind aus einer früheren Ehe oder ein uneheliches Kind, das in die Ehe mitgebracht wurde, stand dem Recht auf Scheidung gemäß §53 (2) nicht entgegen, auch dann nicht, wenn das uneheliche Kind für ehelich erklärt worden war.100

4.4.4. Auflösung der häuslichen Gemeinschaft

§55 Abs.1 EheG ermöglichte die Auflösung der häuslichen Gemeinschaft und somit die Scheidung wegen „tiefgreifender unheilbarer Zerrüttung“, wenn die Gemeinschaft seit „drei Jahren aufgehoben“ war und beruhte somit rein auf dem Zerrüttungsprinzip. Aufgrund der rassenpolitischen Zielsetzung des EheG wurde das Vorliegen einer Zerrüttung danach beurteilt, ob eher in der Ehe oder außerhalb der Ehe eine für die Volksgemeinschaft wertvolle Nachkommenschaft zu erwarten war.101 Abs. 2 stützt sich wiederum auf das Verschuldensprinzip und ermöglichte den Widerspruch gegen das Begehren, wenn der Begehrende „die Zerrüttung ganz oder überwiegend verschuldet“ hatte. Die Gerichte hatten die Aufgabe, zu beurteilen, ob ein Widerspruch bei der „richtigen Würdigung des Wesens der Ehe“ ein beachtlicher wäre.102

Wurde festgestellt, dass ein Mann mit einer anderen Frau nach der Scheidung Kinder zeugte, so war der Widerspruch der Frau, gegen die sich das Scheidungsbegehren

99 Roquette, Eheaufhebung und Ehescheidung, 89. 100 Volkmar, Großdeutsches Eherecht. Kommentar zum Ehegesetz vom 6. Juli 1938 mit sämtlichen Durchführungsvorschriften, 197. 101 Schaefer, in: Gravenhorst/Tatschmurat (Hrsg), Töchter-Fragen, 191. 102 Lehner, Familie-Recht-Politik, 162. 28

richtete, ein beachtlicher.103 Eine Ehe zwischen zwei Ehegatten, die gemeinsam noch minderjährige Kinder hatten, wurde geschieden, da der Mann in einer neuen Beziehung war, aus der weitere Kinder zu erwarten waren und der Unterhalt des Vaters gesichert war.104 Entscheidend war folglich der Wert der zu scheidenden Ehe in Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit eines erbgesunden Nachwuchses. 105

Durch die unübersichtliche rechtliche Lage in Österreich bestand ein erhöhter Regelungsbedarf, dem das Ehegesetz v.J.1938 durch seine Sondervorschriften im vierten Abschnitt für das Land Österreich gerecht wurde. Die Scheidung von Tisch und Bett konnte von nun an von dem Bezirksgericht der Scheidung dem Bande nach angeglichen werden und Betroffene konnten eine neue Ehe eingehen.

4.4.5. Scheidungspraxis

Die scheidungsrechtlichen Regelungen trafen verstärkt Frauen. König belegt dies durch die Durcharbeitung der Scheidungsurteile der Amtlichen Sammlung des Reichsgerichts. In den meisten Fällen waren Männer Kläger, während vermehrt Frauen den Aspekten bezüglich Unfruchtbarkeit, Gebährunfähigkeit und Erbkrankheiten ausgesetzt waren.106 Gem. den Berichten des Landesgerichtsdirektors Dreßler, wurden aus 60 Scheidungsbegehren wegen §55 EheG 53 von Männern eingereicht, da diese häufiger die Möglichkeit hatten, sich auf die nationalsozialistische Interpretation der Zerrüttung zu berufen.107 Dass Frauen deutlich seltener die Scheidung oder Aufhebung der Ehe begehrten, begründet König unter anderem mit dem negativen gesellschaftlichen Ruf, der einer geschiedenen Frau zu der Zeit anhaftete.108

Das Reichsgericht folgte in den Urteilen über Scheidungsbegehren nach §55 Abs.2

103 König, Die Frau im Recht des Nationalsozialismus, 83. 104 König, Die Frau im Recht des Nationalsozialismus, 87. 105 Lehner, Familie-Recht-Politik, 162. 106 König, Die Frau im Recht des Nationalsozialismus, 81f. 107 Schaefer, in Gravenhorst/Tatschmurat (Hrsg), Töchter-Fragen, 191f. 108 König, Die Frau im Recht des Nationalsozialismus, 54. 29

EheG häufig einer bevölkerungspolitischen Argumentation. Dabei wurde auf den Nutzen der Ehe für die Volksgemeinschaft abgestellt. Ehen von Menschen fortgeschrittenen Alters durften zumeist nicht leichtfertig geschieden werden, wenn aus einer darauffolgenden neuen Ehe keine Nachkommen zu erwarten waren. Auch wenn eine Ehe geschieden werden sollte, um eine neue Ehe einzugehen, wurde das Interesse der Volksgemeinschaft bei der Entscheidung in den Vordergrund gestellt. Das Reichsgericht lehnte die Anfechtungsklage eines Mannes, der sich scheiden lassen wollte, um im Anschluss eine 29 Jahre jüngere Frau zu heiraten, mit der Begründung ab, dass bei einem derart großen Altersunterschied kein „dauerndes harmonisches Zusammenleben“ und daher auch keine neue Nachkommenschaft“ zu erwarten sei.109

§58 sah Fristen für die Einreichung des Scheidungsbegehrens vor. Diese war ausgeschlossen, wenn der Ehegatte, der diese anstrebte, das dreißigste Lebensjahr vollendet hatte und seit Eingehung der Ehe zehn Jahre verstrichen waren. Dies begründet Rilk damit, dass einem Ehegatten, der früh geheiratet hatte, „wenigstens bis zur Vollendung seines 30. Lebensjahres die Möglichkeit erhalten bleiben muß, sich von einem unfruchtbaren Ehegatten zu trennen und eine neue Ehe zu gründen“.110

4.5. Ehestandsdarlehen

„Arische, erbgesunde“ Deutsche sollten im Nationalsozialismus unterstützt werden. Dies geschah unter anderem dadurch, dass solche durch gesetzliche Maßnahmen wie dem Ehestandsdarlehen zur Eheschließung bewogen werden sollten. Diese wurden zuerst eingeführt, um Frauen dazu zu bringen, ihre Erwerbstätigkeit aufzugeben und die freigewordenen Stellen an arbeitslose Männer zu vergeben. Das Darlehen war also primär als „Instrument zur geschlechtsspezifischen Umverteilung der Arbeit“ konzipiert.111 Dies entsprach der Vorstellung des NS-Staates, dass Frauen ihren

109 Küssner, Die familienrechtlichen Entscheidungen des Landesgerichts Köln in der Zeit von 1933 bis 1945, 245. 110 Rilk, Kommentar zum Gesetz zur Vereinheitlichung des Rechts der Eheschließung, 247. 111 Czarnowski, Das kontrollierte Paar, 105. 30

familiären Verpflichtungen nachkommen sollten, während der Mann als qualifizierteres und leistungsstärkeres Geschlecht für die Existenz der Familie zu sorgen hatte. Sie sollten nicht ihre familiären Pflichten vernachlässigen, indem sie einer außerhäuslichen Erwerbstätigkeit nachgingen.112

Für die Gründung eines Hausstandes gewährte man Ehepaaren bis zu 1000 Reichsmark, unter der Voraussetzung, dass die Ehefrau ihre vorhergehende Erwerbstätigkeit aufgab- das Darlehen war also grundsätzlich an die Erwerbstätigkeit der Frau gekoppelt.113 Ging die Frau zur Zeit des Antrags zwar keiner Erwerbstätigkeit nach, tat sie dies aber zwischen dem 1. Juni 1931 und 31. Mai 1933 für mindestens sechs Monate, so konnte das Darlehen ebenfalls gewährt werden (§3 ED-DVO).114 Das Darlehen erhielt der Mann und musste monatlich getilgt werden, während jedes geborene Kind den Rückzahlungsbetrag um 25% reduzierte. 115 Durch den Umstand, dass mit dem zunehmenden Bedarf an Arbeitskräften für die Aufrüstung auch Frauen stärker in den Arbeitsmarkt eingebunden wurden, löste sich die Voraussetzung der Aufgabe der Erwerbstätigkeit allmählich auf und das Darlehen verlor seine arbeitsmarktpolitische Komponente.116 Mit der ersten Durchführungsverordnung zum Gesetz wurde geregelt, dass das Ehestandsdarlehen nicht gewährt werden durfte, wenn „einer der beiden Ehegatten an vererblichen geistigen oder körperlichen Gebrechen leidet, die seine Verheiratung nicht als im Interesse der Volksgemeinschaft liegend erscheinen lassen“.117

Bis 1937 im „Gesetz zur Verminderung der Arbeitslosigkeit“118 verankert, wurde das Darlehen nun im „Gesetz zur Förderung der Eheschließung“119 eigens geregelt und sollte wie das Ehegesundheitsgesetz die Eignung zur Eheschließung, die der Bevölkerungspolitik des NS-Regimes entsprach, überprüfen. Dies wurde durch die

112 Schubert, in: Gerhard (Hrsg), Die Stellung der Frau im Familienrecht und in den familienrechtlichen Reformprojekten der NS-Zeit in Frauen in der Geschichte des Rechts, 854. 113 Czarnowski, Das kontrollierte Paar, 104f. 114 dRGBl I, 1933, 377. 115 Kompisch, Täterinnen. Frauen im Nationalsozialismus, 21. 116 Kompisch, Täterinnen. Frauen im Nationalsozialismus, 21. 117 dRGBl I, 1933, 377. 118 dRGBl I, 1933, 323. 119 dRGBl I, 1933, 1158. 31

Ausstellung von Zeugnissen der Gesundheitsämter erreicht, welche die Herkunft und das Vorhandensein von gesundheitlichen Beschwerden feststellten, die der Zeugung von „rassisch wertvollen“ Nachkommen entgegenstanden. Unter anderem wurden Paare auf schwere (Geschlechts-)Krankheiten und auch Suchterkrankungen untersucht. Frauen wurden gynäkologisch untersucht, um die Fähigkeit zur Fortpflanzung zu gewährleisten. Es wurde dabei häufig maßgeblich in die Privatsphäre der Heiratswilligen eingegriffen, da ebenso die sexuelle Leistungsfähigkeit sowie das künftige Sozialverhalten in der Ehe beurteilt wurde, da dieses als Voraussetzung als für die „Eheeignung“ wesentlich galt. 120

Während zu Anfang keine gesetzlichen Maßstäbe für die Untersuchungen existierten und die Ärzte nach ihrem eigenen Ermessen vorgingen, wurden im März 1934 mit der „Richtlinie über die ärztliche Untersuchung der Ehestandsdarlehensbewerber“121 jene Krankheiten und Gebrechen, die der Ausstellung eines Zeugnisses entgegenstanden, gesetzlich verankert. Bis der Antrag auf ein Ehestandsdarlehen genehmigt wurde, mussten mehrere organisatorische Etappen durchlaufen werden, denn die Beurteilung erfolgte auch aufgrund der gesundheitlichen Vorgeschichte als auch von Krankheiten Familienangehöriger.122 Bei vorhergehenden Krankheiten des Antragstellers sollten bei den behandelnden Ärzten Rückfragen gestellt werden können, weshalb von Bewerbern verlangt wurde, diese bekannt zu geben.123

120 Niehuss, in: Gerhard (Hrsg), Frauen in der Geschichte des Rechts: von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, 859. 121 dRGBl I,1933, 540. 122 Czarnowski, Das kontrollierte Paar. 189. 123 Czarnowski, Das kontrollierte Paar. 191. 32

5. Rassengesetzgebung

5.1. Vorgeschichte

Eine Rassengesetzgebung wurde bereits lange vor der Machtergreifung 1933 von nationalsozialistischen Autoren gefordert. Schon 1926 sprach sich beispielsweise Alfred Rosenberg, dessen Anschauung später eine große Rolle für die Begriffsbestimmung von „Rasse“ und „Rasseschande“ spielen sollte, in seiner Schrift „Mann und Weib“ für den Kampf gegen das „Rassen- und Geschlechterchaos“ aus. Frauen hätten die Aufgabe, eine rassische Verseuchung und die Geburt von „Neger- und Judenbastarden“ zu verhindern. Die „Rassenschande“ solle mit Zuchthaus oder Todesstrafe bestraft werden.124

Der Rechtsphilosoph Helmut Nicolai, der sich mit dem „gesamten Neuaufbau des Dritten Reiches“ beschäftigte, sah in seiner Rassengesetzlichen Rechtslehre im „Kampf gegen die Rassenschande… die wichtigste Aufgabe der Rechtspolitik“ da „das Recht aus der Rassenseele des Volkes, in dem es Gültigkeit haben soll“ entspringe.125

Dass nicht nur geplant war, Juden aus der Gesellschaft auszuschließen und sie rechtlich von der „arischen Bevölkerung abzusondern, sondern sie vollständig auszuschalten, wurde unter anderem im September 1936 in einer Besprechung mit Vertretern aus dem Ministerium über die Ausschaltung der Juden über die Wirtschaft von Walter Sommer, dem Leiter des aus dem Stab des Stellvertreters Adolf Hitlers verdeutlicht: „Vom Standpunkt der NSDAP aus könne entsprechend dem Parteiprogramm die Judenfrage erst dann als gelöst gesehen werden, wenn es in Deutschland keinen Juden mehr gibt.“126 Aus diesem Grund war auch auf dem ersten Deutschen Juristentag im September 1933 nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten das „Rassenrecht“ zentral. Es folgten Debatten über den Begriff der Rasse bzw. der Rassenschande, für die

124 Rosenberg, Ein Kampf für deutsche Wiedergeburt, 222f. 125 Gruchmann, Blutschutzgesetz und Justiz, 424. 126 Vermerk über eine Besprechung von Vertretern des Reichsministeriums, des Reichswirtschaftsministeriums und der Parteileitung am 29.9.1936, Bundesarchiv Koblenz: R18/5514. 33

Alfred Rosenberg bereits 1930 in seinem Werk „Der Mythos des zwanzigsten Jahrhunderts“ Folgendes forderte:

„Ehen zwischen Deutschen und Juden sind zu verbieten… Geschlechtlicher Verkehr ist je nach der Schwere des Falles mit Vermögensbeschlagnahme, Ausweisung, Zuchthaus und Tod zu bestrafen.“127

Diese Diskussion beschränkte sich im Ergebnis auf den Gegensatz zwischen „Deutschblütigen“ und Juden.128 Bedeutend war eine Abgrenzung des Rassenbegriffs, um den Tatbestand der „Rassenschande“ geltend zu machen. Da es anfangs dazu eine Menge an Meinungen als auch Institutionen gab, die die Aufgabe hatten, eine Grundlage für die Zuordnung zum Judentum herauszuarbeiten, herrschte diesbezüglich Uneinigkeit.129 Daher wurde im April 1933 im Reichsministerium des Innern ein Sachverständiger ernannt, der dafür zuständig war, in Rassefragen, die die Zuordnung zum Judentum betrafen, zu entscheiden, ab 1938 konnte man hierfür „Abstammungsklage“ erheben130

Schon vor dem Erlass der Nürnberger Gesetze war in der Justiz eine klare Tendenz zu einer rassebedingten Auslegung zu erkennen, dies wird in einer Entscheidung vom Landesgerichts Breslau deutlich, das in seinem Urteil schon im Juli 1835 begründete, dass nicht nur der Geschlechtsverkehr zwischen Ariern und Nichtariern unter den Begriff der Rassenschande fallen sollte, sondern bereits „freundschaftlicher Verkehr, soweit er über den Rahmen des rein Geschäftlichen hinausgeht“.131

5.2. Rassengesetzliche Maßnahmen

Den Auftakt für rassenrechtliche Verfolgungsmaßnahmen gegen Juden stellte das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“132 vom 14. Juli 1933 dar. Es diente

127 Müller, Furchtbare Juristen, 97. 128 Müller, Furchtbare Juristen, 98. 129 Przyrembel, „Rassenschande“, 65. 130 Przyrembel, „Rassenschande“ 65. 131 Przyrembel, „Rassenschande“, 64. 132 dRGBl I,1933, 529. 34

der Kontrolle der „Ehegesundheit“ und der Förderung „erwünschter“, „erbgesunder“ Familien133 und sprach „Belasteten“, „Kranken“ und „Untüchtigen“ die Berechtigung zu Nachkommenschaft unter Wegnahme ihrer körperlichen und familiären Selbstbestimmung ab.134 Grundsätzlich zog das Gesetz also eine Grenze zwischen „erbgesunden“ und „erbkranken“ Menschen.135 Unter anderem galten Schizophrenie, erblich bedingte Blindheit, Taubheit, manische Depressionen als auch Alkoholismus als Erbkrankheiten- die Auswahl basierte allerdings weniger auf tatsächlichen erbbiologischen Erkenntnissen, als auf dem Hintergedanken, jene Menschen von der Fortpflanzung abzuhalten, die rassenpolitisch betrachtet für das NS-Regime keinen Nutzen hatten.136

Mit dem „Gesetz zum Schutze der Erbgesundheit des deutschen Volkes“ vom 18.Oktober 1935 wurde die „Rassenhygiene“ zum wesentlichen Gegenstand der Gesundheitsverwaltung.137 Es diente der „eugenischen“ Betrachtungsweise des Nationalsozialismus und verbot unter bestimmten Voraussetzungen Ehen zwischen deutschen Staatsangehörigen und erlegte Verlobten den Nachweis eines Gesundheitszeugnisses vor dem Standesbeamten auf.138

Die Trennung einer kinderlos bleibenden Ehe „erbgesunder Arier“ und die Verbindung mit einem neuen Partner zum Zwecke der Fortpflanzung sollte weitgehend erleichtert werden. Zudem sollten Ehegatten die Möglichkeit haben, sich leicht von einem als „minderwertig“ angesehenen Partner zu lösen, um mit jemand anderem „höherwertigeren“ Nachwuchs zeugen zu können. Auf Verstoß dieses Gesetzes stand Gefängnis nicht unter drei Monaten. Die geschlossenen Ehen wurden für nichtig erklärt. 139 Auf diese Weise wurden die Hürden für eine Eheschließung auf eine neue, vermeintlich sachverständige und objektive Ebene gehoben. „Damit war die Freiheit

133 Czarnowski, Das kontrollierte Paar, 75f. 134 Christians, Die Nürnberger Gesetze, 60. 135 Zur Definition der Erbkrankheiten vgl. Ley, Zwangssterilisation und Ärzteschaft. Hintergründe und Ziele ärztlichen Handelns 1934-19453. 136 Christians, Die Nürnberger Gesetze, 60. 137 Brechtken/Jasch, Die Nürnberger Gesetze, 13. 138 Rickmann, Rassenpflege im völkischen Staat, Vom Verhältnis der Rassenhygiene zur nationalsozialistischen Politik, 157f. 139 Kompisch, Täterinnen. Frauen im Nationalsozialismus, 24. 35

der Eheschließung kein Grundrecht mehr, das jeder Bürger und jede Bürgerin gegen den Staat einklagen konnte.“140

5.3. Nürnberger Rassengesetze

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten begannen die Gremien der Partei und der SS über eine „Rassengesetzgebung“ zu beraten. Dies gipfelte in den vom Reichstag am 15. September 1935 erlassenen Nürnberger Gesetzen, die am 16. September 1935 im Reichsgesetzblatt Teil 1 Nr. 100 verkündet wurden. Die Debatte behandelte im Wesentlichen zwei Leitfragen: Juristen beschäftigten sich mit der Umsetzung eines grundsätzlichen Rassenschutzes im Sinne der nationalsozialistischen Weltanschauung, während Vertreter der Partei die Lösung der „Judenfrage“ forderten. Gleichzeitig wurden in den Ministerien gesetzliche Maßnahmen zur Durchsetzung des „hygienischen Rassismus“ diskutiert.

Die Nürnberger Rassegesetzen setzten sich aus dem „Reichsbürgergesetz“141 und dem „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“142 (im Folgenden auch „Blutschutzgesetz“ genannt) zusammen. Das Ziel des Gesetzes war es, das Parteiprogramm der NSDAP aus dem Jahre 1920 zu realisieren. Dessen Punkt 6 schrieb die Forderung vor, dass „das Recht, über Führung und Gesetze des Staates zu bestimmen“ nur dem Staatsbürger zukommen dürfe.143

140 Czarnowski, Das kontrollierte Paar, 70. 141 dRGBl I,1935, 1146. 142 dRGBl I,1935, 1146. 143 Ley, „Zum Schutz des deutschen Blutes“, 21. 36

„Die Nürnberger Gesetze […] stellten eine neue Entwicklungsphase […] des deutschen Volkes dar. Sie sollten das staatsrechtliche Modell entwickeln, nach dem […] die „Fremdvölkischen“ in Botmäßigkeit zu halten waren. Die Nürnberger Gesetze versahen die nazistische These vom „arischen Herrenmenschen“ und vom „jüdischen Untermenschen“ mit einer legalen Fassade.“144

5.4. Erste Verordnung zum Gesetz

Um die Anwendbarkeit der beiden Gesetze zu erweitern, wurde am 14. November 1935 eine „Erste Verordnung“ erlassen - diese war von großer Bedeutung, da darin unter anderem in ihrem Artikel 5 die Begriffe des Juden und des jüdischen Mischlings genauer definiert und die Bestimmungen hinsichtlich der Eheschließung zwischen Juden und Jüdinnen bzw. jüdischen Mischlingen präzisiert wurden.145 Die Verordnung enthielt keine Definition für den Begriff des „deutschen oder artverwandten Blutes“- eine solche wurde unterlassen, um, nachdem Deutschland das „Antikominternpaktes“ mit Japan unterzeichnete, zu verhindern, dass Japaner nicht unter die diskriminierende Bestimmung fallen.146

„§2 (1) Die Vorschriften des §1 gelten auch für die staatsangehörigen jüdischen Mischlinge. (2) Jüdischer Mischling ist, wer von einem oder zwei der Rasse nach volljüdischen Großelternteilen abstammt, sofern er nicht nach §5 Abs. 2 als Jude gilt. Als volljüdisch gilt ein Großelternteil ohne weiteres, wenn er der jüdischen Religionsgemeinschaft angehört hat.“147

Innerhalb der bisherigen Gruppe der Nichtarier wurde somit nun zwischen Volljuden, (Personen von mindestens drei jüdischen Großeltern abstammend) „Judenmischlinge ersten Grades“ (Personen mit einem jüdischen Elternteil oder zwei jüdischen

144 Goguel, in: Brechtken/Jasch/Kreutzmüller/Weise (Hrsg), Juden unterm Hakenkreuz, 145f. 145 Goguel, in: Brechtken/Jasch/Kreutzmüller/Weise (Hrsg), Juden unterm Hakenkreuz, 213. 146 Goguel, in: Brechtken/Jasch/Kreutzmüller/Weise (Hrsg), Juden unterm Hakenkreuz, 147. 147 dRGBl I, 1935, 1146. 37

Großeltern und „Mischlinge zweiten Grades“, Personen mit einem jüdischen Großelternteil, differenziert.148 Zu der Lösung, „Mischlinge“ unter Sonderrecht zu stellen, kam es deshalb, weil die Kontrahenten der Rassenexperten im Reichsinnenministerium argumentierten, die Gleichstellung von „Halbariern“ mit den Juden würde außenpolitisch zu großes Aufsehen erregen; dem stimmte der Führer zu.149

Aufgrund der erstmaligen Unterscheidung zwischen Mischlingen und Juden, setzte für ebendiese Mischlinge eine Verbesserung ihrer Lage ein, da sie vorerst von den seit der Machtergreifung erlassenen, auf alle Juden anwendbaren Gesetze nicht mehr erfasst wurden. „Das Reichsbürgergesetz und das Blutschutzgesetz“ sind insofern als Einheit anzusehen, als sie gemeinsam die Grundlage bilden, auf der sich die nach national- sozialistischer Erkenntnis notwendige Scheidung des deutschen und jüdischen Volkes vollzieht“.150

5.5. Blutschutzgesetz

Mit Hilfe des „Gesetzes zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“151, im Folgenden auch „Blutschutzgesetz“ genannt, wurden (sexuelle) Beziehungen zwischen Deutschen und Juden kriminalisiert, um die deutsche Rasse „rein“ zu halten. Eine Ehe sollte verboten werden, wenn „aus ihr eine die Reinerhaltung des Deutschen Blutes gefährdende Nachkommenschaft zu erwarten“ war.152 Es bildete eine Grundlage für die Verfolgung Tausender Männer und Frauen unter Außerachtlassung des Gleichheitssatzes. Eine Masse an Rechtsexperten, wie Ministerialbeamte des Reichsjustiz-ministeriums, Richter der Landgerichte, sowie die Strafsenate des Reichsgerichts, setzte sich mit der Auslegung des Blutschutzgesetzes auseinander, da sich diese aufgrund von vagen Formulierungen bezüglich dem zu ahnenden Delikt des

148 Büttner, Die Not der Juden teilen, 29. 149 Büttner, Die Not der Juden Teilen, 28. 150 Stuckart/Globke, Kommentare zur dt. Rassengesetzgebung, 46. 151 dRGBl I,1935, 1146. 152 Stuckart/Globke, Kommentare zur dt. Rassengesetzgebung, 95. 38

„außerehelichen Geschlechtsverkehrs“ und dem betroffenen Personenkreis schwierig gestaltete. 153

5.5.1. Gesetzestext

Das Gesetz wurde im Herbst 1935 als Bestandteil der Nürnberger Rassegesetze erlassen und hatte folgenden Wortlaut154: „§ 1 (1) Eheschließungen zwischen Juden und Staatsangehörigen deutschen oder artverwandten Blutes sind verboten. Trotzdem geschlossene Ehen sind nichtig, auch wenn sie zur Umgehung dieses Gesetzes im Ausland geschlossen sind. (2) Die Nichtigkeitsklage kann nur der Staatsanwalt erheben. § 2 Außerehelicher Verkehr zwischen Juden und Staatsangehörigen deutschen oder artverwandten Blutes ist verboten. § 3 Juden dürfen weibliche Staatsangehörige deutschen oder artverwandten Blutes unter 45 Jahren in ihrem Haushalt nicht beschäftigen. § 4 (1) Juden ist das Hissen der Reichs- und Nationalflagge und das Zeigen der Reichsfarben verboten. (2) Dagegen ist ihnen das Zeigen der jüdischen Farben gestattet. Die Ausübung dieser Befugnis steht unter staatlichem Schutz. § 5 (1) Wer dem Verbot des § 1 zuwiderhandelt, wird mit Zuchthaus bestraft. (2) Der Mann, der dem Verbot des § 2 zuwiderhandelt, wird mit Gefängnis oder mit Zuchthaus bestraft. (3) Wer den Bestimmungen der §§ 3 oder 4 zuwiderhandelt, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen bestraft. § 6 Der Reichsminister des Innern erläßt im Einvernehmen mit dem Stellvertreter des Führers und dem Reichsminister der Justiz die zur Durchführung und Ergänzung des Gesetzes erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften. § 7 Das Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung, § 3 jedoch erst am 1. Januar 1936 in Kraft.“

153 Przyrembel, in: Brechtken/Jasch/Kreutzmüller/Weise (Hrsg), Die Nürnberger Gesetze, 92. 154 dRGBl I,1935, 1146. 39

5.5.2. Begriffsbestimmungen

Während zu Beginn der Umsetzung der Rassengesetzgebung innerhalb der Justiz debattiert wurde, ob eine Rassenschande nicht nur bezüglich Verbindungen zwischen Juden und Nichtjuden geltend gemacht werden konnte, sondern auch jener zwischen Ariern und anderen Nichtariern, so wurde dies von Stuckart explizit ausgeschlossen, da sich die Nürnberger Gesetze rein auf die „Rassenschande, begangen mit Juden“ beschränken sollte.155

Bei der Auslegung des Gesetzes stellte sich die Abgrenzung, wer „Jude“ war, als schwierig heraus, da die Nationalsozialisten danach strebten, den Begriff rassisch zu definieren und nicht danach, ob jemand einer jüdischen Gemeinschaft zugehörig war. Die Regelungen sollten den Kreis der Juden so weit wie möglich fassen. Adam begründet das Scheitern dieses Bestrebens mit dem unsystematischen Aufbau der Rechtsvorschriften, sowie logische Unstimmigkeiten der Rechtsbegriffe.156 §5 des Reichsbürgergesetzes bestimmte, dass man von mindestens drei der Rasse nach volljüdischen Großeltern abstammen musste, um Jude zu sein. Auch wenn man von zwei volljüdischen Großeltern abstammte und bei Erlass des Gesetzes die Zugehörigkeit einer jüdischen Religionsgemeinschaft nachgewiesen werden konnte oder noch nach Erlass beitrat, galt man als Jude. 157 „Da das biologische Merkmal der Rasse […] aus sich allein heraus nicht juristisch faßbar ist, vertauschte man in der dritten Generation den Rassenbegriff mit dem juristisch faßbaren Merkmal der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft […] Juristisch arbeitete man also niemals mit der biologischen Abstammung, sondern mit dem Rechtsbegriff der Religionszugehörigkeit, was den rassischen Gesichtspunkten aber nicht entsprach.“158

Jude war ferner, wer von zwei volljüdischen Großeltern abstammte, die mit Juden verheiratet waren oder Juden heiraten würden. Auch Kinder, die aus einer Ehe zwischen Personen mit jeweils zwei jüdischen Großeltern hervorgingen, sofern die Ehe

155 Przyrembel, „Rassenschande“, 159. 156 Adam, Judenpolitik im Dritten Reich, 142. 157 RGBl I,1935, 1146. 158 Adam, Judenpolitik im Dritten Reich, 142. 40

nach Inkrafttreten der Nürnberger Gesetze erfolgte, galten als Juden. Außereheliche Kinder von denen ein Elternteil Jude, der andere Halbjude war, waren ebenfalls als Juden anzusehen.

Ein Großelternteil galt dann als jüdisch, wenn er „reinrassig“ war, „gemischtrassige“ hatten keinen Einfluss. Ein Beitritt eines „reinrassiger“ Juden zur christlichen Glaubensgemeinschaft hatte keinerlei Auswirkungen. Jedoch war der Beitritt zum Judentum eines Großelternteils insofern relevant, dass als Folge beide Teile als Volljuden galten; ein anschließender Austritt änderte daran nichts. Die Konfession der Großeltern stellte also den wesentlichen Faktor für die Abgrenzung dar. Ein Kind galt auch dann als Jude, wenn es mindestens drei Großeltern hatte, das der jüdischen Gemeinde angehörte, unabhängig von der eigenen Konfession.159 Stuckart und Globke begründeten diese Regelung wie folgt160:

„Denn die Zugehörigkeit zur jüdischen Religionsgemeinschaft muss in der Regel als ein solch starkes Bekenntnis zum Judentum angesehen werden, dass mit einer Weitergabe der jüdischen Einstellung an die Nachkommen gerechnet werden muss.“

Stuckart und Globke erweitern in ihrem Kommentar den Auslegungsspielraum des Blutschutzgesetzes enorm, indem sie sagen161:

„Ein volldeutschblütiger Großelternteil, der etwa aus Anlaß seiner Verheiratung mit einem Juden zur jüdischen Religionsgemeinschaft übergetreten ist, gilt […] für die rassische Einordnung seiner Enkel als volljüdisch […] Wie lange der Großelternteil der jüdischen Religionsgemeinschaft angehört hat, ist gleichgültig. Aber auch die […] Führung in den Listen einer Synagogengemeinde oder die widerspruchslose Zahlung jüdischer Kultussteuern müssen […] als ausreichende Merkmale angesehen werden.“162

Unmittelbar nach dem „Anschluss“ wurde die Rassengesetzgebung des NS-Regimes auch in Österreich umgesetzt. Aufgrund des durch die Nürnberger Rassengesetze weit

159 Przyrembel, „Rassenschande“, 160. 160 Stuckart/Globke, Kommentare zur dt. Rassengesetzgebung, 64. 161 Stuckart/Globke, Kommentare zur dt. Rassengesetzgebung, 64. 162 Stuckart/Globke, Kommentare zur dt. Rassengesetzgebung, 64. 41

ausgelegten Judenbegriffs galten nun 25000 Menschen der österreichischen Bevölkerung, die nicht der jüdischen Religionsgemeinschaft angehörten, als Juden.163 Die rechtlich unübersichtliche Lage mit ihren zahlreichen vage formulierten Begriffen boten der Rechtsprechung die Möglichkeit einer verschärften Rechtsprechung, die einflussreiche Kommentarlandschaft trug ebenfalls wesentlich zu den tendenziell radikaleren Entscheidungen bei. Der Kommentar zur Rassengesetzgebung von Stuckart und Globke schuf eine rechtliche Basis für eine sehr großzügige Auslegung der Begriffe des Blutschutzgesetzes – unter anderem lassen sie „die widerspruchslose Zahlung jüdischer Kultussteuern“ ausreichen, um ein Großelternteil als „volljüdisch“ gelten zu lassen.164

Klar war, dass nicht nur der Beischlaf, sondern auch geschlechtliche Handlungen zwischen Juden und Staatsangehörigen deutschen und artverwandten Blutes, durch die die Befriedigung des Geschlechtstriebes dienen, unterbleiben sollten, um nicht nur das „Deutsche Blut“ reinzuhalten, sondern auch den „Schutz der deutschen Ehre“ zu gewährleisten.165 Der Geschlechtsverkehr zwischen „Mischlingen ersten Grades“ oder zweiten Grades und „Deutschblütigen“ sowie zwischen „Mischlingen zweiten Grades“ untereinander fiel nicht unter das Gesetz.166

Ebenso war es Juden nicht mehr erlaubt, weibliches Hauspersonal „deutschen oder artverwandten Blutes“ unter 45 Jahren einzustellen (§ 3).167 Dieses Verbot hatte den Zweck, die Frauen „vor rasseverderblichen geschlechtlichen Gefährdungen zu schützen“168 und kam zur Anwendung, sobald einem Haushalt ein männlicher Jude angehörte, der das 16. Lebensjahr vollendet hatte, da mit Erreichung dieses Alters die Geschlechtsreife angenommen wurde.169

163 Kohl/Neschwara/Olechowski/Reiter-Zatloukal, Rechts- und Verfassungsgeschichte, HG Wiener Arbeitsgemeinschaft Rechtsgeschichte, 308. 164 Stuckart/Globke, Kommentare zur dt. Rassengesetzgebung, 64. 165 Goguel in Brechtken/Jasch/Kreutzmüller/Weise (Hrsg), Juden unterm Hakenkreuz, 149. 166 Stuckart/Globke, Kommentar zur dt. Rassengesetzgebung, 111f. 167 RGBl I,1935, 1146. 168 Stuckart/Globke, Kommentar zur dt. Rassengesetzgebung, 113. 169 Stuckart/Globke, Kommentar zur dt. Rassengesetzgebung, 114. 42

„Der Stürmer“170 äußerte sich über die Konsequenzen des Geschlechtsverkehrs zwischen arischen Frauen und Juden wie folgt171:

„Der männliche Same wird bei der Begattung ganz oder teilweise von dem weiblichen Mutterboden aufgesaugt und geht so in das Blut über. Ein einziger Beischlaf eines Juden bei einer arischen Frau genügt, um deren Blut für immer zu vergiften. Sie hat mit dem „artfremden Eiweiß“ auch die fremde Seele in sich aufgenommen…“

5.5.3. Differenzierung zwischen Mischlingen ersten und zweiten Grades

Die erste Verordnung zum Blutschutzgesetz172 beruft sich bezüglich der Differenzierung zwischen Juden und „Mischlingen“ auf die erste Verordnung zum Reichsbürgergesetz173 und legt genauere Eheverbote zwischen Juden und jüdischen Mischlingen fest. Danach war es Juden und staatsangehörigen jüdischen Mischlingen, die einen volljüdischen Großelternteil hatten, nicht gestattet eine Ehe einzugehen. Staatsangehörige jüdische Mischlinge mit zwei volljüdischen Großeltern mussten die Genehmigung des Reichsministers des Innern und des Stellvertreters des Führers einholen um mit Staatsangehörigen „deutschen oder artverwandten Blutes“ oder mit staatsangehörigen jüdischen Mischlingen eine Ehe zu schließen (§3 Abs. 1). §3 Abs.2 verwies darauf, dass bei einem solchen Antrag die „körperlichen, seelischen und charakterlichen Eigenschaften des Antragstellers“ sowie die „Dauer der Ansässigkeit seiner Familie in Deutschland“ als auch seine „sonstige Familiengeschichte“ berücksichtigt werden musste. Die letzte Entscheidungsinstanz behielt sich Hitler in §7 der ersten Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ und §16 der ersten Verordnung des Gesetzes zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre selbst vor. Bestrebte ein Mischling ersten Grades die Ehe mit einem „Deutschblütigen“, so musste

170 „Der Stürmer“ war eine antisemitische Wochenzeitung aus Nürnberg, die sich einer besonders destruktiven Sprache bediente und ihren fanatischen Rassismus einer hetzerischen Berichterstattung zu verbreiten wusste. Die Zeitung erschien zwischen 1923 bis 2. Februar 1945, vgl https://www.historisches-lexikon- bayerns.de/Lexikon/Der_Stürmer._Deutsches_Wochenblatt_zum_Kampf_um_die_Wahrheit#Hass_ und_Diffamierung 171 Kalmar, Zeit ohne Gnade, 177. 172 RGBl I,1935, 1334. 173 RGBl I,1935, 1333. 43

eine Ausnahmegenehmigung beantragt werden, die tatsächlich vielmehr ein rechtliches Phantom darstellte, um international das Ausmaß der eherechtlichen Einschränkungen zu kaschieren.174 Der Weg zu einer Entscheidung über den Antrag war langwierig, ging über mehrere Behörden und Parteidienststellen und endete in den meisten Fällen mit der Ablehnung.175

Nach welchem Schema bei dem Genehmigungsverfahren vorgegangen werden musste, legte das Innenministerium am 23.12.1935 fest. Nachdem der Antrag an die Verwaltungsbehörde gestellt wurde, befasste sich diese mit den „körperlichen, seelischen und charakterlichen Eigenschaften“ und der „politischen Zuverlässigkeit“ des „halbjüdischen“ Antragstellers sowie mit den familiären Hintergründen. 176 Nachdem der „Reichsausschuss zum Schutze des deutschen Blutes“ über den Antrag entschied, wurden die „rassischen Merkmale“ vom Reichsgesundheitsamt näher untersucht.177 Zwischen staatsangehörigen jüdischen Mischlingen mit einem volljüdischen Großelternteil „sollte“ gemäß §4 der Verordnung ebenfalls keine Ehe eingegangen werden.178

§6 der Verordnung war sehr weit gefasst und beinhaltete das generelle Verbot von Ehen, aus denen Nachkommen hervorgehen könnten, die die Reinerhaltung des deutschen Blutes gefährden konnten. Wenige Tage später wurde diese Bestimmung präzisiert, indem ein Rundschreiben aus dem Innenministerium „Zigeuner, Neger und Bastarde“ als die für die Bestimmung relevanten Gruppen bezeichnete.179 Wie oben erläutert, wurde zwischen Mischlingen ersten und zweiten Grades unterschieden. Mischlinge zweiten Grades war es nicht gestattet, im öffentlichen Dienst oder der NSDAP tätig zu werden. Eine Ehe konnten sie nur mit „Deutschblütigen“ eingehen. Bei Mischlingen ersten Grades gestaltete sich der Eingriff in das Eherecht deutlich gravierender. Eine Ehe mit anderen „Mischlingen ersten Grades“ war ohne Hindernisse

174 Büttner, Die Not der Juden Teilen, 29. 175 Strauß, Reichsinnenministerium und Rassengesetzgebung: Aufzeichnungen von Dr. Bernhard Lösener, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 285. 176 Essner, Die „Nürnberger Gesetze“ oder Die Verwaltung des Rassenwahns, 174. 177 Essner, Die „Nürnberger Gesetze“ oder Die Verwaltung des Rassenwahns, 174. 178 RGBl I,1935, 1334. 179 Friedländer, Das Dritte Reich und die Juden. Die Jahre der Verfolgung 1933–1939, 170. 44

möglich. Diese Möglichkeit blieb bestehen, da die nationalsozialistische Rassenbiologie der Auffassung war, aus solchen „Bastardverbindungen“ würden kaum Kinder hervorgehen.180

Die Rassengesetzgebung des NS-Regimes hatte keine Möglichkeiten, in die zwischenmenschlichen Beziehungen neben der Ehe zwischen „Halbjuden“ und „Deutschblütigen“ einzugreifen, da die Rassenschande ausschließlich auf Volljuden abstellte. Nachdem das Ersuchen Stuckarts an die Polizei, „Konkubinaten“ und „wilden Ehen“ verstärkt nachzugehen erfolglos blieb, da kein Register über jüdische Mischlinge geführt wurden, wurde das Bestreben nach einer diesbezüglichen Strafbestimmung immer größer.181 Allerdings wurde weder eine solche Norm eingeführt noch eine Sippenamtsverwaltung, die die Unterlagen für eine polizeiliche Verfolgung von Konkubinaten bereitstellen sollte.182Demnach befanden sich „Mischlinge“ nichtsdestotrotz in einer angenehmeren Lage als Volljuden, da sie aus der Gesellschaft nicht vollständig ausgeschlossen wurden. Obwohl die Rassenpolitik als das Hauptziel des Nationalsozialismus konsequent verfolgt wurde, wurde die Thematik der Mischlinge als eine solche angesehen, mit der man sich auch erst zu einem späteren Zeitpunkt auseinandersetzen könne. 183

Schlossen Juden und „Deutschblütige“ im Ausland eine Ehe, um die Bestimmungen des Blutschutzgesetzes zu umgehen, so konnte diese für nichtig erklärt werden. „Typische Versuche, durch die Maschen des Gesetzes zu schlüpfen“ sollten damit verhindert werden.184

5.6. Auswirkung auf das Sozialverhalten

Die Geltung des Blutschutzgesetzes war nicht nur rechtlich sehr bedeutend, sondern wirkte sich auch stark auf das soziale Verhalten der jüdischen Bevölkerung aus. Sie

180 Büttner, Die Not der Juden teilen, 29. 181 Essner, Die „Nürnberger Gesetze“ oder Die Verwaltung des Rassenwahns, 184. 182 Essner, Die „Nürnberger Gesetze“ oder Die Verwaltung des Rassenwahns, 183. 183 Meyer in Richarz/Lorenz (Hrsg), Studien zur jüdischen Geschichte, für die Stiftung Institut für die Geschichte der deutschen Juden, 9f. 184 Werle, Justiz-Strafrecht und polizeiliche Verbrechensbekämpfung im Dritten Reich, 187. 45

begannen, den Kontakt zu Gleichaltrigen des anderen Geschlechts zu scheuen, um Beziehungen, die zur Auseinandersetzung mit ihrer Abstammung führen konnten, gar nicht erst entstehen zu lassen.185 Dass diese Angst berechtigt war, zeigen Fälle, in denen bereits die bloße Annäherung an eine arische Frau für einen jüdischen Mann äußerst schwerwiegende Folgen haben konnte. Vor allem aus der jüdischen Religionsgemeinschaft Ausgetretene lebten oft in dem Glauben, die Rassengesetzgebung würde sie nicht betreffen und sahen so keinen Anlass, ihre soziale Lebensart anzupassen.

Das Risiko, welches mit diesem „unvorsichtigen“ Verhalten verbunden war, zeigt unter anderem der Fall des Dr. Alfred Fleisch, welcher in seiner Wohnung von der Gestapo mit einer arischen Frau überrascht wurde.186 Eine „Rassenschande“ konnte nicht nachgewiesen werden, trotzdem wurde er wegen „versuchter Rassenschande“ verhaftet und eine einjährige Gefängnisstrafe gegen ihn verhängt.

Dies wird in dem Urteil der Gestapo folgendermaßen begründet:

„Dr. Alfred Israel Fleisch wurde am 12. Juli 1939 in den Nachmittagsstunden von den Kriminalbeamten festgenommen, weil er mit der deutschblütigen Irmgard Fröschl, geb. Zulehner, in seiner Wohnung Rassenschande betreiben wollte. Obwohl Fleisch bestritt, die Obgenannte in seine Wohnung zum Zwecke des Geschlechtsverkehrs mitgenommen zu haben, ist doch durch Zeugenaussage erwiesen, dass Fleisch als typischer Jude die Rassengesetze des Führers missachtet und immer wieder arische Frauen in seine Wohnung hinaufnimmt, um sie zu schänden.“

Die Situation führte zwangsläufig dazu, dass Juden gegebenenfalls ihre Abstammung gegenüber ihren Partnern verschwiegen, um der Ablehnung zu entgehen. Dies konnte dazu führen, dass im Falle einer Anklage höher bestraft wurde, mit der Begründung eine Deutschblütige „heimtückisch“ belogen und in Folge das deutsche Volk „geschändet“ zu haben.

185 Ley, „Zum Schutze des deutschen Blutes“, 85. 186 Ley, „Zum Schutze des deutschen Blutes“, 86. 46

„Durch die willkürlichen Verhaftungen der Gestapo unter Druck gesetzt, reichten selbst ‚deutschblütige’ Partner, die mit ihren Gatten in jahrelanger Ehe verbunden waren, die Scheidung ein.“ 187

5.7. „Aushebungen“ als Druckausübung auf Mischehepaare

Um zu erreichen, dass sich so viele Mischehepaare wie möglich scheiden lassen, wurde auf verschiedene Arten Druck auf den „arischen“ Teil der Paare ausgeübt, damit dieser Gebrauch von dieser Möglichkeit machte. Dies wurde nicht nur durch Maßnahmen das Vermögen und das soziale Ansehen betreffend erreicht, Paare wurden überdies durch Methoden schikaniert, die das Zusammenleben mit ihrem jüdischen Partner unerträglich machen sollten. Ein häufiges Instrument war die „Aushebung“ von Juden.188 Dabei wurden Juden am Tag oder auch nachts in ihren Wohnungen aufgesucht, aufgefordert ihre Sachen zu packen und mitzukommen mit der Begründung, Dokumente müssten geprüft werden. Die „Aushebungen“ sollte den Anschein erwecken, der Ehepartner würde nun deportiert. In vielen Fällen kehrte der Ausgehobene wieder nach Hause zurück; durch diese stetige Ungewissheit und die immer wiederkehrende Angst vor der drohenden Deportation des Ehepartners wurde versucht, die Zusammengehörigkeit von Paaren und Familien zu schwächen; viele lebten aus einem sicherheitshalber immerzu gepackten Koffer. 189 Die Einstellung gegenüber dem Judentum der Juden selbst entwickelte sich in eine Art Selbsthass, die eigene Herkunft wurde verleugnet, in extremen Fällen wurde sich sogar zum Nationalsozialismus und dessen Weltanschauung bekannt. 190

187 Przyrembel, „Rassenschande“, 100. 188 Schnell, Überlebensstrategien von Mischehe-Paaren im Nationalsozialismus am Beispiel ausgewählter lebensgeschichtlicher Texte, 77. 189 Schnell, Überlebensstrategien von Mischehe-Paaren im Nationalsozialismus am Beispiel ausgewählter lebensgeschichtlicher Texte 77. 190 Ley, „Zum Schutz des deutschen Blutes, 130. 47

6. Schutz durch die Ehe

Obwohl die Eingriffe in die Regelung über die Eheschließung einschneidend waren und probiert wurde bestehende Mischehen durch Druckausübung zu trennen, brachte die Mischehe dem jüdischen Teil, solange die Ehe bestand, Schutz. Dieser Schutz reichte so weit, dass man unter glücklichen Umständen der Deportation entging. 191 Nach der Scheidung oder dem Tod des nichtjüdischen Partners wurde der Schutz nur dann weiterhin gewährt, wenn aus der Ehe ein nun schutzbedürftiges Kind hervorgegangen ist. In allen anderen Fällen wurde der jüdische Hinterbliebene meist deportiert. 192 Obwohl Juden in Mischehen eine gewisse Sicherheit genossen, so war deren Leben keineswegs sorglos, da sie nie wussten, ob und wann Maßnahmen gegen Mischehen auf sie zukamen. 193

6.1. „Privilegierte“ und „nicht privilegierte“ Mischehen

Innerhalb der Mischehen wurde auf Forderung Hitlers von den Nationalsozialisten zwischen „privilegierten“ und „nichtprivilegierten Mischehen“ unterschieden, was sich auf einschneidende Eingriffe in deren Lebensbereiche auswirkte. Darunter fielen die Entscheidung über eine Unterbringung in Judenhäusern und der Umgang mit den Vermögen und dem Hab und Gut wie Schmuck, Gold- und Silbersachen und Perlen.194

Dass ein Teil der „Mischehen“ privilegiert wurde, wird als Taktik angesehen, um verhindern zu können, dass sich nichtjüdische Verwandte aus Solidarität gegen das System stellten, da Hitler in Hinblick auf eine Kriegsführung, die er für die nicht allzu ferne Zukunft ins Auge gefasst hatte, der Meinung war, eine gute Atmosphäre schaffen zu müssen, um sich Unterstützung für den bevorstehenden Kampf zuzusichern.195 Folglich wurde die Differenzierung gesetzlich nicht präzise verankert, Hermann

191 Walk, Das Sonderrecht für die Juden im NS-Staat, 336. 192 Meyer, Die Verfolgung und Ermordung der Hamburger Juden 1933-1945, 83. 193 Hilberg, Täter, Opfer, Zuschauer, 150. 194 Büttner, Die Not der Juden teilen, 45. 195 Büttner, Die Not der Juden teilen, 44. 48

Göring ordnete allerdings am 28. Dezember 1938 im Reichsministerium die Bekanntgabe „bis zu den untersten Staatsstellen“ an.196 Eine Ehe war nur dann privilegiert, wenn dies ausdrücklich in einer Ausnahmeregelung bestimmt wurde, die übrigen Gesetzte waren uneingeschränkt auf sie anzuwenden. Die Formulierung der Bestimmungen führte zu einer für die Betroffenen undurchsichtige Rechtslage, in der sie oft auf das billige Ermessen der verantwortlichen Amtsträger angewiesen waren.197

In Gesetzen, die strenge Eingriffe in die Lebensführung der Juden enthielten, stellten die „privilegierten“ Mischehen Ausnahmefälle dar, bei denen die Bestimmungen nicht greifen sollten. Dabei sollte unterschieden werden, je nachdem ob der Mann der deutsche Part des Ehepaares war, oder die Frau. War in einer „Mischehe“ der Mann Jude, so wurde diese gegenüber einer Familie, in der die Frau jüdisch war, stark benachteiligt. Familien mit jüdischem Ehemann hatten kaum eine Möglichkeit, den extremen rechtlichen Diskriminierungen und auch denen im Alltag zu entgehen.

Ein anschauliches Beispiel stellt hier das „Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden“198 dar, das sie unter anderem vom gesetzlichen Mieterschutz ausschloss. Dort wurde geregelt, dass die Vorschriften dann nicht anzuwenden waren, wenn die Ehegattin der jüdische Teil des Ehepaares war, oder wenn aus der Ehe Kinder entstanden sind, die nicht als Juden galten. Die Anordnung über die Privilegierung bestimmter Mischehen verschonte die begünstigten Familien bis zum Kriegsbeginn vor einigen schwerwiegenden Maßnahmen. § 7 des „Gesetzes über Mietverhältnisse mit Juden“ lautete: „Abkömmlinge, die als Juden gelten, bleiben außer Betracht“.199 Somit waren Kinder, die dem jüdischen Kultusverband angehörten und im mosaischen Glauben erzogen wurden, als „Geltungsjuden“ rechtlich wie „Volljuden“ einzustufen und standen so einer „Privilegierung“ der Familie im Wege.

196 Heim, Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland, 584. 197 Büttner, Die Not der Juden teilen, 44. 198 RGBl I,1939, 864. 199 RGBl. 1939 I, 864. 49

Es galten also diejenigen in Mischehe lebenden Juden als privilegiert, die Ehegatte einer deutschen Frau waren, sofern aus der Ehe ein oder mehrere Kinder hervorgegangen sind, welche als Mischlinge ersten Grades galten und diejenigen jüdischen Frauen eines deutschen Ehemannes, wenn deren Kinder als Mischlinge ersten Grades anzusehen waren, oder die Ehe kinderlos war.200 Im Umkehrschluss galt eine Ehe als „nicht privilegiert“ wenn der Mann Jude war und aus der Ehe keine Kinder hervorgingen oder dann, wenn die aus der Ehe hervorgegangenen Kinder jüdisch erzogen wurden.201 „Deutschblütigen“ in Mischehe lebenden Frauen sollte ermöglicht werden zu rekonvertieren, für den Fall, dass sie zum Judentum konvertiert waren.202

In einer im September 1941 erlassenen Verordnung wurden jüdische Ehepartner von dem Gebot, ab dem sechsten Lebensjahr in der Öffentlichkeit einen „Judenstern“ zu tragen, ausgenommen. Männliche jüdische Ehepartner einer kinderlosen Mischehe waren als „nicht Privilegierte“ nicht von der Ausnahme umfasst. 203

Alle anderen antijüdischen Maßnahmen und Vorschriften, die bis 1938 angewandt wurden, betrafen auch die jüdischen Partner einer Mischehe. Der „Arisierung“ von Geschäften, der Zwang zur Namensänderung (Zusatznamen Sara oder Israel) und der Verschließung zahlreicher Berufsfelder konnte nicht ausgewichen werden. Das Deutsche Beamtengesetz204 entließ „jüdisch versippte Ehegatten“ aus dem Staatsdienst und auch das Besuchen von Gymnasien und Hochschulen war nur beschränkt und nur bis Juni 1942 möglich. Ab Jänner 1942 wurden auch die Maßnahmen, die aus Rücksichtnahme auf „deutschblütige“ Angehörige ergriffen wurden, aufgegeben und Männer und Frauen, die in einer Mischehe lebten, zum „auswärtigen Arbeitseinsatz“ nach Theresienstadt aufgefordert.205

Im Oktober 1943 wurde die Anordnung erlassen, auch „deutschblütige“ Ehemänner als „jüdisch Versippte“, in Arbeitslager der Organisation Todt zu überstellen. Diese

200 Hilberg, Täter, Opfer, Zuschauer, 274. 201 Meyer, Die Verfolgung und Ermordung der Hamburger Juden, 82. 202 Meyer, Die Verfolgung und Ermordung der Hamburger Juden, 81. 203 Walk, Das Sonderrecht für die Juden im NS-Staat, 347. 204 RGBl I, 1937, 39. 205 Meyer, Verfolgung und Ermordung der Hamburger Juden, 86. 50

Anordnung wurde im Oktober 1944 im Zuge des „Sonderkommando J“ umgesetzt.206 1945 wurde der Abtransport von Juden in das Konzentrationslager Theresienstadt angeordnet. Von der Anordnung waren nunmehr alle arbeitsfähigen Juden und Jüdinnen, auch Geltungsjuden erfasst. Ausgeschlossen waren nur noch „Mischlinge“, die das 16. Lebensjahr noch nicht erreicht hatten; auch minderjährige „Geltungsjuden“ sollten nach Theresienstadt überstellt werden. 207

6.2. Auflösung von Mischehen

Das Blutschutzgesetz und sein Verbot der Heirat von Juden und Deutschen hatte nun aber keinen Einfluss auf solche Ehen, die schon vor dem Erlass des Gesetzes geschlossen wurden, sondern betraf nur neue Mischehen. Auf diesem Wege konnte also das Ziel der NSDAP, bestehende Mischehen aufzulösen, nicht erreicht werden. Das Bürgerliche Gesetzbuch setzte für die Ehescheidung ein Verschulden voraus, das unter keinen Umständen von der Abstammung eines Menschen abgeleitet werden konnte.

Auch §1333 BGB208, der die Anfechtung der Ehe ermöglichte, wenn der Ehegatte „der sich bei der Eheschließung in der Person des anderen Ehegatten über solche persönlichen Eigenschaften des anderen Ehegatten geirrt hat, die ihn bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe vor Eingehung der Ehe abgehalten haben würden“ war für die Anfechtung einer „Rassenmischehe“ nicht einschlägig, da sie binnen sechs Monaten nach Entdeckung des Irrtums geltend gemacht werden musste. Zudem handelt es sich bei der „Rasse“ nicht um eine persönliche Eigenschaft. Auch bei einer der Einstufung als solche wird sie bei der Heirat dem Partner wohl bekannt gewesen sein. Aufgrund des Umstandes, dass im Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums (BBG)209 erstmals die Abstammung folgenschwere Rechtsfolgen nach sich zog, begannen erste Juristen in

206 Büttner, Die Not der Juden teilen, 66. 207 Walk, Das Sonderrecht für die Juden im NS-Staat, 406. 208 RGBl I, 1896, 195. 209 RGBl I, 1933, 175. 51

ihren Aufsätzen die Möglichkeit, Mischehen aufzulösen, zu behandeln.210 Laut dessen §3 Abs.1, dem sogenannten „Arierparagraphen“, waren „Beamte, die nicht arischer Abstammung sind, in den Ruhestand zu versetzen“.211 Dieses Gesetz betraf alle unmittelbaren und mittelbaren Beamten des öffentlichen Rechts und schuf somit die Grundlage für die „Säuberung“ der öffentlichen Verwaltung.212

Auf diese Weise wurde die Rassenzugehörigkeit zur „persönlichen Eigenschaft“ erhoben. Im Anschluss wurde der Umstand, dass diese Eigenschaft einem Ehepartner sehr wahrscheinlich nicht verborgen geblieben war, umgangen, indem ausgeführt wurde, dass „bis vor kurzem … allgemein im Volke die Anschauung verbreitet war, dass der Jude sich vom Arier nur durch seine Religion unterscheide“ und dass nun, wo die „inneren Zusammenhänge der Rassenfrage“ klar wurden, dieser Irrtum über die Bedeutung der Rasse dem Eigenschaftsirrtum gleichzusetzen wäre.213 Die Frist von 6 Monaten begann folglich erst mit dem Zeitpunkt, in dem die Zugehörigkeit zur jüdischen Rasse ihre für den Nationalsozialismus enorme Bedeutung erhielt, was somit frühestens am 30. Jänner 1933 geschah.

Die Umsetzung dieser neuen Erläuterungen in die Rechtsprechung erfolgte zügig- Ende 1933 wurde unter anderem vom Landgericht Köln erstmals ein Urteil veröffentlicht, in dem die Rassenzugehörigkeit selbstverständlich als persönliche Eigenschaft betitelt wurde.214 Die Aufhebung einer arisch-jüdischen Ehe, die bereits ab der Machtergreifung 1933 durch ebengenannte Vorgehensweise praktiziert wurde, wurde mit dem neuen Ehegesetz im Jahr 1938 rechtlich verankert.

Das OLG Karlsruhe führte im Zusammenhang mit der Frage über die Zulassung einer Eheaufhebungsklage aus, man „hätte erst neuerdings erkannt, dass die jüdische Rasse hinsichtlich des Blutes, des Charakters und der ganzen Lebensauffassung von der arischen Rasse völlig verschieden“ sei und eine Paarung eines Ariers mit einer Jüdin

210 Müller, Furchtbare Juristen, 101. 211 Dreier/Sellert, Recht und Justiz im „Dritten Reich“, 109. 212 Brüdigam, Faschismus an der Macht, 160. 213 Müller, Furchtbare Juristen, 101. 214 Büttner, Die Not der Juden teilen, 31. 52

deshalb „nicht nur nicht wünschenswert, sondern verderblich, ja widernatürlich“.215 Das Reichsgericht bejahte die Möglichkeit des Irrtums über die Rassenzugehörigkeit und begründete dies dadurch, dass „wegen der besonderen Eigentümlichkeiten der verschiedenen Rassen… die Zugehörigkeit… insbesondere zur jüdischen Rasse, nach der natürlichen Lebensauffassung als wesentlicher Bestandteil der Persönlichkeit…“ erscheine.216

Nachdem das Landesgericht Köln 1934 in einer Rechtssache bezüglich einem Ehemann, der die Ehe anfechten wollte, da er sich über die „nichtarische Abstammung“ seiner Frau geirrt hatte, die Klage abwies, entschied über den Fall als letzte Instanz das Reichsgericht. Der Ehemann hatte im Laufe der Ehe erfahren, dass seine Schwiegermutter in der gesetzlichen Empfängniszeit Geschlechtsverkehr mit einem Juden hatte. Eine jüdische Abstammung seiner Ehefrau war daher nicht ausgeschlossen. Das Reichsgericht argumentierte, dass auch lediglich der Umstand, dass die Ehefrau jüdischer Abstammung sein konnte, ausreichen würde, um als Eigenschaft iSd §1333 BGB zu gelten. Eine Anfechtung sollte deshalb möglich sein, damit der „Makel“ nicht an Kinder, die aus der Ehe hervorgehen, weitergegeben werden können. 217

Grundsätzlich war bei der Scheidung einer Mischehe neben dem verantwortlichen Richter auch der Zeitpunkt der Einreichung ausschlaggebend. Während zu Anfang der NS-Herrschaft die Rassenzugehörigkeit in den Urteilen über Scheidungen von Mischehepaaren noch keine bedeutende Rolle spielte, so wurde ab 1941 mit der zunehmend radikalen Judenpolitik immer häufiger die Scheidung aufgrund der rassischen Zugehörigkeit zum Judentum eingereicht.218 Auch Ehen, die zuvor problemlos verliefen wurden oft aus gesellschaftlichen Gründen geschieden. Männer, die nach Beendigung der Ehe nach wie vor sexuellen Kontakt mit ihren geschiedenen

215 Dreier/Sellert, Recht und Justiz im „Dritten Reich“, 268. 216 Dreier/Sellert, Recht und Justiz im „Dritten Reich“, 267. 217 Küssner, Die Familienrechtlichen Entscheidungen des Landgerichts Köln in der Zeit von 1933 bis 1945, 183. 218 Küssner, Die Familienrechtlichen Entscheidungen des Landgerichts Köln in der Zeit von 1933 bis 1945, 303. 53

Frauen hatten, wurden der „Rassenschande“ schuldig gesprochen und im Laufe des Krieges mit immer radikaleren Methoden zu Tode gefoltert.219

6.3. Wannsee-Konferenz

Die Wannsee-Konferenz am 20.Jänner 1942, bei der die Ministerien für Inneres und für Justiz vertreten waren sowie die Funktionäre der SS-Dienststellen, sollte den Grundstein für die „Endlösung der Judenfrage“ legen.220 Die Debatte bezüglich dieser ereignete sich im Großen und Ganzen zwischen Reinhard Heydrich, dem Chef des Reichssicherheitshauptamtes und Wilhelm Stuckart, dem Mitverfasser der Nürnberger Gesetze.

Heydrich forderte, dass Mischlinge 1. Grades den Volljuden gleichgestellt werden sollten. Nur Mischehen, aus denen Kinder hervorgegangen waren sollten eine Ausnahme darstellen sowie Mischlinge, die von „den höchsten Instanzen des Staates“ ausdrücklich ausgenommen wurden.221 Ebendiese Mischlinge, die im Deutschen Reich verbleiben durften, sollten zwangssterilisiert werden, „um jede Nachkommenschaft auszuschließen und das Mischlingsproblem endgültig zu bereinigen“, gleichzeitig sollten Mischlinge 2.Grades („Vierteljuden“) „Deutschblütigen“ gleichgestellt werden.222 In der darauffolgenden Diskussion wurden die Vorschläge Heydrichs von Stuckart zurückgewiesen, da die Umsetzung mit einem zu hohen Verwaltungsaufwand verbunden war.

Stuckart schlug hingegen vor, eine Zwangsscheidung von Mischehen gesetzlich zu verankern und alle „Mischlinge ersten Grades“ zu sterilisieren „um […] den biologischen Tatsachen Rechnung zu tragen.223 Dieser Lösungsweg wurde ebenfalls nicht durchgesetzt um eine zusätzliche Belastung für die Krankenhäuser zu vermeiden, denn die Durchführung sei „allein wegen des Ärzte- und Krankenbettenmangels nicht

219 Hilberg, Täter, Opfer, Zuschauer, 152. 220 Zentner, Anmerkungen zu „Holocaust“. Die Geschichte der Juden im Dritten Reich, 96. 221 Adam, Judenpolitik im Dritten Reich, 321. 222 Adam, Judenpolitik im Dritten Reich, 321. 223 Essner, Die „Nürnberger Gesetze“ oder Die Verwaltung des Rassenwahns, 415. 54

möglich“ gewesen.224

Zu einer generellen Zwangsscheidung von Mischehen“ kam es deshalb nicht, ungeachtet dessen ermöglichte das Ehegesetz von 1938 die Scheidung aufgrund der Rasse. Da diesbezüglich an dieser Stelle keine Einigung erzielt werden konnte, wurde die Thematik auf die Folgekonferenzen verschoben. Nachdem auch diese keine Lösung hervorbrachten kam es im Oktober 1943 zu der Entscheidung Otto Thieracks und Himmlers, die jüdischen Mischlinge vorläufig nicht deportieren zu lassen.225

224 Essner, Die „Nürnberger Gesetze“ oder Die Verwaltung des Rassenwahns, 415. 225 Meyer, „Jüdische Mischlinge“, Rassenpolitik und Verfolgungserfahrung 1933–1945, 12. 55

7. Nachkriegszeit

7.1. Deutschland

Nachdem das Regime kapitulierte, ging die Gesetzgebung auf die Besatzungsmächte über. Die Alliierten begannen, nationalsozialistische Rechtsvorschriften aus der deutschen Rechtsordnung zu entfernen und setzten die Rassengesetze, das Nazi- Schutzrecht und andere Sondergesetze außer Kraft. Dies erfolgte durch Gesetze, in sehr eingeschränktem Ausmaß durch Gewohnheitsrecht, durch Richterrecht und zahlreiche Verordnungen. Der Volksgerichtshof, die Sondergerichte und Polizeigerichte verloren ihre Gerichtsbarkeit.

Ein beträchtlicher Teil der Normen des Dritten Reiches wirkte allerdings fort, was nicht zuletzt an der Juristenschaft der Nachkriegszeit lag, die sich von dem dem Nationalsozialismus zugrundeliegenden Weltbild nicht distanzierten und an einer Neuorientierung bei der Gesetzgebung kein Interesse hatten.226 Die offensichtlich nationalsozialistischen Formulierungen des Gesetzes wurden entfernt, was verblieb wurde als „demokratisches“ oder „freiheitliches“ Gesetz präsentiert. 227

Am 23. Juni 1950 wurde das „Gesetz über die Anerkennung freier Ehen rassisch und politisch Verfolgter“228 für politisch Verfolgte erlassen. Dessen §1 ermöglichte denjenigen, denen „aus rassischen Gründen die standesamtliche Eheschließung unmöglich gemacht worden war“ die Eheschließung rückwirkend als rechtgültig geschlossen erklären zu lassen. Dies galt auch dann, wenn einer der Betroffenen bereits verstorben war (§2 Abs. 4). Der Antrag musste innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des Gesetzes gestellt werden.

226 Müller, Furchtbare Juristen, 226f. 227 Müller, Furchtbare Juristen, 229. 228 BGBl I,226/1950. 56

7.2. Österreich

Die Entnazifizierung wurde in Österreich anders umgesetzt als in Deutschland. In Österreich wirkten ab 1946 die vier Besatzungsmächte und die drei im Parlament vertretenen Parteien zusammen. Hier wurden die Gesetze zur Entnazifizierung vom Nationalrat einstimmig beschlossen, die Besatzungsmächte stimmten diesen ebenfalls zu. In Deutschland arbeiteten hauptsächlich die Besatzungsmächte an der politischen Säuberung.229 Durch die „Bestrafung der in verbrecherischen Handlung verwickelten Personen, Ausschaltung der Repräsentanten des Regimes und Umschulung der breiten Volksmassen“ sollte auf eine vollständige Entnazifizierung hingearbeitet werden.230

Die Amerikaner erstellten einen siebenseitigen Fragenkatalog, der „jede mögliche Beziehung zum Nationalsozialismus aufdecken sollte“231 Der bürokratische Aufwand ließ dieses Vorhaben allerdings scheitern. Am 11. September 1945 wurde der „Alliierte Rat“ ins Leben gerufen. Dessen Aufgabe bestand darin, die Rechtslage in Österreich unabhängig von der deutschen Gesetzeslage zu reformieren, wobei der Schwerpunkt auf der Entnazifizierung lag.232 Er entschied über Sachverhalte, die den gesamten Staat betrafen, während für die Angelegenheiten der einzelnen Besatzungszonen die jeweiligen Militärregierungen mit der Entscheidungsbefugnis betraut wurden. Ebenfalls im September kam es zur Gründung einer Kommission aus Beamten der Staatsämter für Inneres und Justiz. Diese sollte eine Liste erstellen, die „als Kriegsverbrecher vor österreichischen Gerichten zur Verantwortung gezogen werden sollten.“233 Als gesetzliche Grundlage diente das Kriegsverbrechergesetz (KVG).234 „Zwischen 1945 und 1955 wurden in 136.829 Fällen gerichtliche Voruntersuchungen wegen des Verdachts nationalsozialistischer Verbrechen oder ‚Illegalität‘

229 Stiefel, in: Meissl/Mulley/Rathkolb (Hrsg), Verdrängte Schuld, verfehlte Sühne, 29. 230 Mitteis/Lieberich, Deutsche Rechtsgeschichte, 494 231 Stiefel, in: Meissl/Mulley/Rathkolb (Hrsg), Verdrängte Schuld, verfehlte Sühne, 29. 232 Eisterer, in: Steininger/Gehler (Hrsg), Österreich im 20. Jahrhundert. Ein Studienbuch in zwei Bänden, 156. 233 Schuster, Deutschnational. Nationalsozialistisch. Entnazifiziert, 226. 234 StGBl. Nr. 32/1945. 57

(Mitgliedschaft bei der NSDAP zur Zeit ihres Verbots 1933-1938) eingeleitet. 23.477 Urteile wurden gefällt, davon 13.607 Schuldsprüche“235

7.3. Entnazifizierungsgesetze

Die provisorische Staatsregierung, unter der Leitung von Karl Renner für die Umsetzung der „Unabhängigkeitserklärung“ gegründet, vereinigte die Gesetzgebungsgewalt und die Vollziehung der Gesetze in sich und erließ am 1. Mai 1945 maßgebliche Gesetze.236

Das am 8. Mai 1945 beschlossene Verbotsgesetz (VbtG)237 bestimmte die Auflösung der NSDAP und dessen Organisationen. §3 verbot darüber hinaus, sich außerhalb dieser Organisationen für diese „irgendwie zu betätigen“. Zudem sollten ehemalige Angehörige der NSDAP als auch der SS oder SA, sowie der Wehrverbände durch die Gemeinde erfasst und in Folge in ihren politischen Rechten eingeschränkt und zu Sühnemaßnahmen verpflichtet werden.238 1947 erfuhr das Gesetz eine Novelle, mit der ehemalige Nationalsozialisten in „Belastete“ und „Minderbelastete“ eingeteilt wurden. Einfache Parteimitglieder galten als minderbelastet und somit als „Mitläufer“, deren Sühnemaßnahmen meistens nur zeitlich beschränkt galten.239 Als „strafrechtliche Ergänzung“ des Verbotsgesetzes wurde das KVG erlassen, welches Verbrechen pönalisieren sollte, die „im Zuge des Krieges, aus politischer Gehässigkeit oder in Ausübung dienstlicher Gewalt begangen worden waren“.240 Ein Verfassungsüberleitungsgesetz bestimmte das Wiederinkrafttreten der Bundesverfassung aus dem Jahr 1920, damit wurden alle danach aufgekommenen Verfassungsgesetze, darunter das Verfassungsgesetz 1934, aufgehoben.241

235 Vgl http://www.nachkriegsjustiz.at/prozesse/volksg/index.php. 236 Kohl/Neschwara/Olechowski/Reiter-Zatloukal, Rechts- und Verfassungsgeschichte, 308f. 237 StGBl. Nr. 13/1945. 238 Stiefel, in: Meissl/Mulley/Rathkolb (Hrsg), Verdrängte Schuld, verfehlte Sühne,32. 239 Stiefel, in: Meissl/Mulley/Rathkolb (Hrsg), Verdrängte Schuld, verfehlte Sühne, 33. 240 Stiefel, in: Meissl/Mulley/Rathkolb (Hrsg), Verdrängte Schuld, verfehlte Sühne, 32. 241 StGBl Nr 4/1945. 58

Des Weiteren wurde das Gesetz über die Wiederherstellung des Rechtslebens in Österreich242 (kurz Rechtsüberleitungsgesetz oder RÜG) erlassen. Dieses setzte alle nach dem 13. März 1938 erlassenen Gesetze und Verordnungen „die mit dem Bestand eines freien unabhängigen Staates Österreich oder mit den Grundsätzen einer echten Demokratie unvereinbar sind, die dem Rechtsempfinden des österreichischen Volkes widersprechen oder typisches Gedankengut des Nationalsozialismus enthalten“ außer Kraft.

Das Rechtsüberleitungsgesetz zog 34 Kundmachungen nach sich, von denen vier familienrechtlicher Natur waren. Das Blutschutzgesetz, Erbgesundheitsgesetz, sowie das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses wurden samt Ausführungsverordnungen außer Kraft gesetzt.243 Das Kriegsende bedeutete nicht, dass der österreichische Gesetzgeber wieder zu dem Eherecht zurückkehrte, das vor 1938 galt. Das EheG wurde durch das RÜG übernommen.244 Da nach §§ 15ff EheG die Eheschließung vor einem Standesbeamten stattfinden musste, verlangte die katholische Kirche mit dem Ende der NS-Herrschaft die Gültigkeit von Ehen, die nach kirchlichem Recht geschlossen wurden. Die Frage, ob die obligatorische Zivilehe aufrechterhalten werden sollte, wurde zum fundamentalen Streitpunkt zwischen ÖVP nn m unter Entfernung von typisch nationalsozialistischen Bestimmungen bestehen. Das Eheverbot der Blutsverschiedenheit (§4) sowie der Scheidungsgrund der Unfruchtbarkeit (§§53, 58) wurden aus dem Ehegesetz entfernt.245

Die Entnazifizierung des Eherechts in Deutschland war eine umfassendere. Dort wurde zusätzlich die „Verweigerung der Fortpflanzung“ (§48) als Scheidungsgrund aus dem Gesetz entfernt und darüber hinaus die „Auflösung der häuslichen Gemeinschaft“ nach §55 um eine Kinderschutzklausel erweitert.246

242 StGBl. Nr. 6/1945. 243 Lehner, Familie-Recht-Politik, 216. 244 Lehner, Familie-Recht-Politik, 219. 245 Lehner, Familie-Recht-Politik, 217. 246 Lehner, Familie-Recht-Politik, 217. 59

8. Zusammenfassende Erläuterungen

Die Familie war der Dreh- und Angelpunkt für das NS-Regime um seine Bevölkerungspolitik durchzusetzen. Dies schlug sich in zahlreichen Eingriffen in das Familienrecht und somit die Privatsphäre der Menschen nieder. Die damals vorherrschende Einteilung von Menschen in höher- und minderwertige Klassen zeigte sich auch in der Rollenverteilung zwischen Mann und Frau sehr deutlich. Frauen wurden auf ihre Funktion als Mutter reduziert, die ihre Bedürfnisse der Familie zu unterstellen hatte. Die Ehe verlor ihre Bedeutung für die Verwirklichung individueller Bedürfnisse. Vor allem im nationalsozialistischen Scheidungsrecht wird deutlich, dass die Sinnhaftigkeit einer Ehe rein am Nutzen für die „Volksgemeinschaft“ gemessen wurde. Das Zerrüttungsprinzip sollte gegenüber dem Verschuldensprinzip in den Hintergrund rücken.

Durch eine radikale Rassengesetzgebung wurde die Verfolgung der Juden durchgesetzt. Das Blutschutzgesetz war zwar nur eines von zahlreichen Sonderbestimmungen bezüglich der rechtlichen Behandlung von Juden, doch war es die Grundbasis für die politische Verfolgung aufgrund von „rassischen“ Aspekten. Mischehen hatten eine Sonderstellung, denn der jüdische Teil eines „Mischehepaares“ genoss grundsätzlich eine bessere Behandlung als Juden oder „Mischlinge“, die in keiner Mischehe lebten. Die Ausgrenzung aus der Gesellschaft war bei ihnen weniger eine Zeit lang weniger ausgeprägt, da das NS-Regime die nichtjüdischen Ehegatten nicht gegen sich aufbringen wollte.

Auch wenn viele in Mischehe Lebenden dem politischen Druck, der auf sie ausgeübt wurde, standhalten konnten, so war das Leben in einer Mischehe dennoch von zahlreichen Schwierigkeiten geprägt. Häufig wurde die Scheidung rein aus gesellschaftlichen oder politischen Gründen eingereicht. Zudem wurden die Maßnahmen, die gegen die jüdische Bevölkerung in den letzten Jahren des Krieges angewandt wurden, beinahe in derselben Intensität auf in Mischehen lebende Juden angewandt. Es ist unschwer zu erkennen, dass bei einem noch länger andauernden Krieg auch die Übrigen einer Deportation nicht entgangen wären; für sie war es somit 60

nur noch „eine Frage der Zeit.“ Meyer schreibt, „die Mischehe verschaffte dem Großteil der Betroffenen eines: den notwendigen Zeitaufschub zum Überleben“.247

247 Meyer, Die Verfolgung und Ermordung der Hamburger Juden 1933-1945, 87. 61

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 Stuckart/Globke, Kommentare zur deutschen Rassengesetzgebung, 1. Reichsbürgergesetz vom 15. September 1935, Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre vom 15. September 1935, Gesetz zum Schutze der Erbgesundheit des deutschen Volkes (Ehegesundheitsgesetz) vom 18. Oktober 1935: nebst allen Ausführungsvorschriften und den einschlägigen Gesetzen und Verordnungen, München 1936

 Tenholt, Die Unauflöslichkeit der Ehe und der kirchliche Untergang mit wiederverheirateten Geschiedenen, Münster 2001

 Tidl, Die Frau im Nationalsozialismus, Wien 1984

 Volkmar, Großdeutsches Eherecht. Kommentar zum Ehegesetz vom 6. Juli 1938 mit sämtlichen Durchführungsvorschriften, München 1939

 Wagner, Nationalsozialistische Frauenansichten. Vorstellungen von Weiblichkeit und Politik führender Frauen im Nationalsozialismus, Frankfurt am Main 1996

 Walk, Das Sonderrecht für die Juden im NS- Staat: eine Sammlung der gesetzlichen Maßnahmen und Richtlinien, Inhalt und Bedeutung, Heidelberg 1996

 Werle, Justiz-Strafrecht und polizeiliche Verbrechensbekämpfung im Dritten Reich, Berlin/New York, 1989

 Zentner, Anmerkungen zu „Holocaust“. Die Geschichte der Juden im Dritten Reich, Köln 1984

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9.1. Internetquellen

 Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden: dRGBl. 1939, bezogen auf: http://alex.onb.ac.at/cgicontent/alex?aid=dra&datum=1939&page=1095&size=45 (abgerufen am 12.5.2019)

 Gesetz über die Anerkennung freier Ehen rassisch und politisch Verfolgter: BGBl. Nr. 27, bezogen auf:

https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?start=//*%5B@attr_id=%27bgbl150s0 226.pdf%27%5D#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl150s0226.pdf %27%5D__1558098004745 (abgerufen am 17.11.2019)

 https://www.degruyter.com/downloadpdf/books/9783486714937/978348671493 7.fm/9783486714937.fm.pdf (abgerufen am 17.11.2019)

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