Der 12. Februar 1934 in Urfahr und im Mühlviertel

80 Jahre ist es am 12. Februar 2014 her, dass in Weltgeschichte geschrieben wurde: Zum ersten Mal setzten sich Arbeiter mit Waffengewalt gegen die drohende Gefahr einer faschistischen Machtergreifung zur Wehr. Nationen mit mächtigeren Arbeiterparteien, wie in Deutschland oder Italien, hatten vorher die Vernichtung der Demokratie ohne Gegenwehr hinnehmen müssen. „Linz gab der demokratischen Welt das Zeichen, dass Faschismus und Diktatur keineswegs das unvermeidliche Schicksal bedeuteten, um aus der Weltwirtschafts- krise der zwanziger und dreißiger Jahre herauszukommen“ schreibt Josef Weidenholzer in dem Buch „Es wird nicht mehr verhandelt – Der 12. Februar 1934 in Oberösterreich“. Auch das Scheitern der sozialdemokratischen Februarkämpfer schmälert nicht deren historisches Verdienst, für Demokratie und Freiheit gekämpft zu haben.

1920 wurde die „christlichsoziale“ gegründet, obwohl schon das Berufs- Bundesheer christlich-sozial dominiert war. Die Sozialdemokraten riefen als Gegengewicht 1923/24 den Republikanischen Schutzbund ins Leben, der die republikanischen Einrichtungen der Demokratie, wie die Versammlungsfreiheit, schützen sollte. SA-Schlägertrupps traten bereits in Erscheinung. Alle Gruppierungen waren bewaffnet, auch der Schutzbund unterhielt geheime Waffenlager, nach denen die Heimwehr und die Exekutive nach dem Verbot des Schutzbundes durch Dollfuss (Ende Mai 1933) fieberhaft fahndete. Eine dieser Waffen- suchaktionen in der sozialdemokratischen Parteizentrale im Hotel Schiff an der Linzer Landstraße löste schließlich den Februaraufstand aus. Die Linzer Schutzbundführung mit Richard Bernaschek an der Spitze, provoziert durch die maß- losen Übergriffe der Heimwehr, war die für den Ausbruch der Kämpfe aus- schlaggebende Kraft. Die politischen und wirtschaftlichen Ereignisse, die zur „Februarrevolte“ führten, und ihr Scheitern (nicht zuletzt durch das Ausbleiben des ausgerufenen Generalstreiks), sind in zahllosen Publikationen geschildert. Auch über die Kämpfe in Linz gibt es etliche Dokumentationen. Im Folgenden werden aber die Geschehnisse jener tragischen Tage im Stadtteil Urfahr und in den Gemeinden des Umlandes ins Licht gerückt. Dabei werden vor allem die akribische Dokumentation von Dr. Helmut Fiereder im „Jahrbuch der Stadt Linz 1978“, Dr. Peter Kammerstätters Materialsammlung (im O.Ö. Landesarchiv) und die damaligen Berichte aus den Tageszeitungen verwendet.

Die Waffenverstecke in Urfahr

Die Schutzbund-Einheiten in Urfahr versteckten ihre Waffen (Karabiner und Maschinengewehre) in den Schrebergärten in Steg, im Bootshaus des Rudervereins Donau beim Brückenkopf der Eisenbahnbrücke (nahe dem Gasthaus Lindbauer), in den Villen von Dr. Pollak (Leiter des Zahnambulatoriums der OÖ. Gebietskrankenkasse), Dr. Wellner und Hruschka (alle in der Knabenseminarstraße) und in der ESG-Remise beim Bergbahnhof Urfahr. Im Ernstfall konnte der Schutzbund in ganz Linz über rund 2200 Mann und eine Bewaffnung von rund 30 Maschinengewehren, 700 Karabinern und zahlreichen Faustfeuer- 1 waffen verfügen, jedoch über kein einziges Geschütz. In den Waffenarsenalen lagen zwar auch Handgranaten. in deren Gebrauch die Männer aber nicht aus -gebildet waren und die daher nicht eingesetzt wurden. Die „Roten“ waren von vornherein den zusammengeballten Kräften der Heimwehr, der Exekutive und des Bundesheeres, das Artillerie einsetzte, hoffnungslos unterlegen, wobei es ein Phänomen gab: Viele Schutzbündler berichteten später, sie hätten Hemmungen gehabt, auf Soldaten und Polizisten zu schießen. Sie wurden anders eingeschätzt als die Heimwehr, gewissermaßen neutral, wenn nicht sogar auf der „roten“ Seite stehend, was sich als verhängnisvoller Irrtum herausstellte.

Kampf um die Eisenbahnbrücke

Der Ring von Schutzbundstellungen rund um Linz schloss sich in Urfahr. Die Aufgabe des Urfahraner Schutzbundes war die Sicherung des Linzer Stadtzentrums gegen ein Eindringen der Mühlviertler Heimwehr. Gegebenenfalls sollte der Urfahraner Schutzbund über die Donau nach Süden vorgehen. Diesem Konzept entsprechend bezog er Stellungen, von denen aus er die Zufahrtsstraßen zu den Donaubrücken beherrschen konnte. Diese Stellungen befanden sich bei der Eisenbahnbrücke, beim Spatzenbauer und beim Petrinum.

Nach Ausbruch der Kämpfe um das Hotel Schiff und Gefechten um das Parkbad erteilte um 10.15 Uhr das Kommando des 7. Alpenjägerregimentes einer Schützengruppe der 5. Kompanie den Befehl, den Südbrückenkopf der Eisenbahn- brücke (nahe der Tabakfabrik) zu besetzen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Steger Schutzbund schon seine Stellung beim nördlichen Brückenkopf nahe dem Gasthaus Lindbauer bezogen. Es handelte sich um die 3. Kompanie/55. Abteilung unter dem Kommando von Anton Hager. Die Steger Schutzbündler hatten schon in der Nacht zum 12.Februar (es war der Faschingsmontag) auf Bernascheks Weisung ihre Waffen aus den Verstecken geholt. Dabei kam es zu einem Schusswechsel mit vier Gendarmen des Postens St. Magdalena (Kommandant Rev. Insp. Eduard Bayer), die sich aber bald zurückzogen.

Barrikaden aus Benzinfässern

Die Steger Kämpfer sperrten die Eisenbahnbrück durch Barrikaden aus leeren Benzinfässern, die sie aus einem nahen Lagerplatz holten. Dies beobachtete ein Polizeibeamter vom anderen Donauufer aus, er riet den anrückenden Soldaten, über die Brücke vorzudringen. Das taten sie auch, gerieten aber in heftiges MG-Abwehrfeuer des Schutzbundes. Dieser verstärkte um 13 Uhr seine Stellung, in- dem er ein weiteres MG einsetzte, das vom Petrinum abgezogen und im Bahn- wärterhaus an der Brücke postiert wurde.

Auf der Brücke kam es zu einem tragischen Zwischenfall. Unter den Soldaten auf der Südseite befand sich auch Alois Buchinger: Er war Mitglied der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) und kurz vor dem 12. Februar zum Bundesheer eingezogen worden. Als der junge Mann versuchte, über die Brücke zu seinen Genosssen hinüberzurobben, wurde er von diesen erschossen. Sie hatten nur sei- ne Soldatenuniform gesehen, ihn selbst aber nicht erkannt.

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Am frühen Nachmittag entsandte das Kommando des 7. Alpenjägerregimentes einen Minenwerferzug zur Eisenbahnbrücke, der die Schutzbund-Stellung in einem Obstgarten am nördlichen Donauufer beschoss. Von dort flaute bald das Feuer ab und erlosch schließlich ganz. Um 14.30 Uhr wurde die Bundesheer-Einheit durch einen Zug mit zwei MG verstärkt, die auf die Barrikade des Schutzbundes und das Bahnwärterhaus feuerten. Gegen 16 Uhr begann eine Gebirgshaubitze mit dem Beschuss der Schutzbund-Stellungen am nördlichen Donauufer. Etwas später ließen die Befehlshaber der Bundesheer-Einheiten ihre Toten und Verwundeten durch einen Rettungswagen bergen. Dieser wurde von den Schutzbündlern beschossen.

Trotz des Einsatzes der Geschütze und der zahlenmäßigen Übermacht gelang es dem Bundesheer nicht, die Schutzbund-Kämpfer aus ihren Stellungen bei der Eisenbahnbrücke zu vertreiben. Diese wurden bis in die frühen Morgenstunden des 13. Februar (Faschingsdienstag) gehalten. Bevor sich die Männer zerstreuten, kam es zu einer heftigen Diskussion, da einige von ihnen an einen Verrat durch die Führer glaubten. Sie wollten die Bundesheer-Stellungen am anderen Donauufer stürmen und dann in die Stadt eindringen. An eine Kapitulation dach- te man nicht, weil sie noch über genug Munition verfügten und weil sie sich ge- gen Heer und Heimwehr in den Straßen der Stadt gute Chancen ausrechneten. Als aber bekannt wurde, dass Einheiten der Mühlviertler Heimwehr schon beim Schloss Auhof waren, zerstreuten sich die Männer.

Die Straßenbahner beim Spatzenbauer im Einsatz

Die 1. Schutzbundkompanie/55. Abteilung unter dem Kommando von Franz Schönbauer kam beim Spatzenbauer-Hof (später ein bekannter Heuriger) zum Einsatz. Diese Einheit sammelte sich in ihrer Dienststelle, dem ESG-Bergbahn- hof (die Kompanie war eine reine Straßenbahnereinheit, die am Morgen des 12. Februar die Arbeit niedergelegt hatte). Die Straßenbahner-Schutzbündler entnahmen ihre Waffen aus dem Lager in der ESG-Remise und marschierten zum Spatzenbauer, der etwa 50 m über dem Niveau der Straße nach Ottensheim liegt. Von diesem Punkt aus kann man mit wenigen Mann leicht den Zugang von Ot- tensheim nach Urfahr sperren. Allerdings liegt die Schlosskaserne am anderen Donauufer genau gegenüber dem Spatzenbauer, so dass die Schutzbundstellung im Bereich der Bundesheer-Waffen lag. Am Nachmittag wurden die Stellung mit Maschinengewehren beschossen. Die Schutzbündler erwiderten das Feuer aber nicht und gaben gegen Abend des 12.Februar auf, die Waffen ließen sie zurück.

Geiselnahme beim Petrinum

Die stärkste Stellung des Urfahraner Schutzbundes war am Diesenleithenweg, beim Petrinum. Hier war die 4.Kompanie/51.Abteilung eingesetzt, die der 55. Abteilung als Unterstützung zugeteilt war. Es handelte sich um 150 Mann, groß- teils Arbeitersportler. Der Kommandant, Franz Belik, verfügte über drei Maschinengewehre, von denen er allerdings, wie geschildert, gegen Mittag an die Kämpfer an der Eisenbahnbrücke eines abgeben musste. Um etwa 13 Uhr wollte eine Schipatrouille der 4. Kompanie des 7. Alpenjägerregimentes (elf Mann) von einer Übung in der Koglerau über den Pöstlingberg nach Urfahr gelangen. Der Kommandant der Kompanie erfuhr noch auf dem Pöstlingberg, dass der Schutzbund beim Petrinum Stellung 3 bezogen hatte. Trotzdem ließ er seine Gruppe zum Petrinum abfahren. Sie entging der Gefangennahme, weil sie sich ins Petrinum flüchtete. Einige Schutzbündler, die die Soldaten bis ins Gebäude verfolgten und in die Portierloge eindrangen, wurden nach heftigen Rangeleien entwaffnet und als Geiseln festgehalten. Den Schutzbündlern wiederum gelang es, einen weltlichen Professor des Petrinums, Dr. Rauchbauer, und einen Priester zu fangen. Es war dies Pfarrer Martin Rohrmoser, der nach St. Magdalena gehen wollte. Zwei Dutzend Männer und Frauen, die sich beim Petrinum um eine Klostersuppe angestellt hatten, sahen den dramatischen Geschehnissen teilnahmslos zu. Sie sorgten sich um ihre Almosen und fürchteten, durch den Wirbel durch den Rost zu fallen.

Die Studenten der Oberklassen halfen mit, die fünf Eingänge des großen Gebäudes zu verrammeln, und hielten dort Wache, wobei sei mit Eisenstangen, Krampen, Schaufeln und Hacken ausgerüstet waren. Nach einigen Verhandlungen, die auf Seite des Petrinums von Prof. Dr. Franz Natschläger und Regens Dr. Franz Eibelhuber geführt wurden, tauschte man die Gefangenen aus, wobei allerdings die Schutzbündler ihre Waffen zurücklassen mussten .Die Soldaten schlugen sich dann nach einigen Umwegen über die alte Donaubrücke (später Nibelungenbrücke) in die Schlosskaserne durch.

Die Nacht von Montag auf Dienstag (12./13.Februar) verlief ruhig, vereinzelt hörte man aus dem Stadtgebiet aber noch Schüsse. Die Studenten der unteren Klassen wurden in ihren Kleidern zu Bett geschickt, die Zöglinge des Obergym- nasiums hielten die ganze Nacht hindurch bei den Eingängen des Hauses Wache. Um 10 Uhr erschien eine Polizei-Abteilung. Zur gleichen Zeit nahm die Heeres-Artillerie das Gebiet an der (der Stadt zugewandten Ostseite) des Hauses aufs Korn, wo noch ein Schutzbund-MG stand. Granatsplitter schlugen in mehreren Räumen ein, zu Schaden kam aber niemand. Gegen Mittag erreichte eine vom Pöstlingberg vorstoßende Heimwehr-Einheit unter Führung des Bataillonskommandanten Pühringer aus Rohrbach (einem früheren Zögling der Anstalt) das Petrinum. Die Schutzbündler zogen sich daraufhin zurück.

Um ca. 22.30 Uhr versammelte Schutzbund-Kommandant Kammerer seine Männer bei der Villa Pollak in der Knabenseminarstraße-Ecke Teistlergutstraße. Belik hielt noch eine kurze Rede, dann zerstreuten sich die Männer, von denen die meisten die Waffen wegwarfen. Kammerer und Belik sammelten diese jedoch wieder ein und versteckten sie im Gelände zwischen Diesenleithenweg und Knabenseminarstraße. Das Militär wollte Urfahr erst nach Abschluss der Kämpfe in Linz-Süd „säubern“, doch kam es nicht mehr dazu, weil der Schutz- bund über Nacht jeden Widerstand aufgab, beim nördlichen Brücken- kopf der Eisenbahnbrücke in den ersten Morgenstunden..

Einen brutalen Akt verübte das Bundesheer am Vormittag des 13. Februar: Obwohl zu dieser Zeit keinerlei Schutzbund-Aktivitäten mehr festzustellen waren, wurde Dr. Pollaks Haus in der Knabenseminarstraße von Artillerie aus der Schlosskaserne beschossen. Bei diesem Bombardement wurde ein Kind schwer verletzt und das Haus stark beschädigt. Das Haus Dr. Pollaks war als „Rote Villa“ – es hatte tatsächlich roten Fassadenanstrich – weitum bekannt.

Dietmar E., Finanzbeamter in Gallneukirchen, berichtet, dass sein Vater, damals Schüler der Handelsakademie im Maturajahrgang und in Urfahr wohnhaft, auf Seiten des Schutzbundes 4 bei der „Roten Villa“ eingesetzt war und dabei von seinem Direktor, einem Heimwehrler, betreten wurde. Friedrich E. wurde aber nicht gemaßregelt und konnte im Sommer die Matura erfolgreich ablegen.

Hatte sich die Heimwehr aus den Kämpfen weitgehend herausgehalten und diese der Polizei und dem Bundesheer überlassen, tat sie sich nun bei den Verhaftun- gen hervor. Als „Sieger“ fühlten sich die „Hahnenschwänzler“ (im Volk so genannt wegen der Federn auf ihren Hüten) offenbar berechtigt, die Unterlegenen zu mißhandeln Die Schutzbündler waren froh, wenn sie Polizisten oder Soldaten in die Hände fielen, verhielten sich doch diese weitgehend korrekt. Die Kämpfe in Linz hatten 13 Todesopfer gefordert, davon eine Hinrichtung (Bulgari) und zwei Selbstmorde.

Hunderte Schutzbündler wurden verhaftet, viele flohen ins Ausland, vor allem in die Tschechoslowakei und in die Schweiz. 214 Schutzbündler wurden zu Haft strafen von insgesamt 177,25 Jahren verurteilt, einer zum Tod (Anton Bulgari), zwei Todesstrafen wurden in lebenslange Haft umgewandelt. (Ludwig Schwinghammer und Franz Gschwandtner). Bernaschek selbst bekam – in Abwesenheit – 12 Jahre Kerker. Er hat sie nie verbüßen müssen. Als „Lohn“ für seinen heroischen Einsatz für die Arbeiterschaft stand am Ende der Genickschuß durch einen SS-Schergen im KZ Mauthausen.

Von der Tschechoslowakei aus gingen viele der Emigranten in die Sowjetunion (wo sie im Zuge der großen Säuberungswelle Stalins weiterer Verfolgung aus- gesetzt waren, verhaftet wurden und in einem Lager verschwanden) und nach Spanien, wo sie sich an den Kämpfen gegen den Faschistenführer General Franco beteiligten. Richard Bernaschek selbst gelang mit Hilfe des nationalsozialistischen Gefängnisaufsehers Karl Dobler zusammen mit mehreren Genossen die Flucht. Es wurde ihm später der Vorwurf gemacht, er habe mit den Nazis sympathisiert und paktiert. Dies muss ins rechte Licht gerückt werden: Was Bernaschek bei seinem Zwischenaufenthalt in München besonders beeindruckte, war der Kontrast zu Österreich: die Beseitigung der Arbeitslosigkeit, das Wirken der Fürsorge- und Wohlfahrtsorganisationen, die scheinbare Beschränkung der Macht des Kapitals, die Hilfe für die Bauern. Er versuchte zunächst vergeblich, ein Kampfbündnis zwischen der NSDAP und der Sozialdemokratie in Österreich gegen das Dollfuss-Regime zustande zu bringen. Wenige Wochen später, nach den Morden beim Röhm-Putsch am 30.Juni und nach dem Dollfuß- Mord am 25. Juli, erkannte Bernaschek (er hatte immer wieder betont, von marxistischen Grundsätzen nicht abweichen zu wollen), wie sehr er sich in der Beurteilung des Nationalsozialismus, der ihn nur als Propagandamittel benutzt hatte, geirrt hatte. Seine Flucht ins Nazi-Deutschland (sie hatte vorrangig den Zweck, die Öffentlichkeit über die Verhältnisse in Österreich zu informieren) hatte auch negative Folgen: Etliche Genossen gerieten angesichts der Diffamierung Bernascheks in der christlichsozialen Presse als „Nazi“ ins Wanken und traten der – noch illegalen – NSDAP bei, andere der ebenfalls verbotenen KPÖ, weil ihrer Ansicht nach die Sozialdemokratische Partei gestorben war.

„Diktatur da und dort“

Ein Aufenthalt in der Sowjetunion zeigte Richard Bernaschek auch die wahren Verhältnisse im „Arbeiterparadies“ „Hier hat der Arbeiter genauso wenig zu reden wie bei den Nazis. 5

Diktatur da und dort: Das ist nichts für uns“. 1939 unter der Zusicherung von NS-Gauleiter Eigruber, dass ihm nichts geschehen werde, nach Österreich zurückgekehrt, wurde Bernaschek 1944 verhaftet. Im KZ Maut- hausen löschte am 18. April 1945 ein SS-Henker mit einem Genickschuss das abenteuerliche Leben dieses unbeugsamen Arbeiterführers aus.

Gegen 10 Uhr des 12.Februar war den Urfahraner Schutzbündlern ein Coup geglückt: Der Mühlviertler Kommandant der Heimwehr, Graf Peter Revertera aus Helfenberg (er wurde 1934 Landesrat und Sicherheitsdirektor von Oberösterreich), wurde beim Hotel „Kaiserkrone“ an der Freistädterstraße in Urfahr (in dem Haus befand sich später die Bezirkshauptmannschaft Urfahr) erkannt und mitsamt Adjutanten und Chauffeur gefangengenommen. Die Schutzbündler brachten ihn in das Pumpwerk der Linzer Wasserversorgung beim Urnenfriedhof und hielten ihn dort bis Mitternacht fest. Nach dem Scheitern der Erhebung ließ man ihn wieder bedingungslos frei. Im Pumpwerk des Urnenhains wurde der einzige nennenswerte Sabotageakt des Schutzbundes |in ganz Linz gesetzt. Noch am Vormittag zerlegte der Pumpenwärter, Roman Füchsel, die Wasser- pumpe, mit der große Teile der Stadt Linz versorgt wurden. Diese Pumpe wurde aber noch am selben Tag (vermutlich auf Anweisung von Ludwig Bernaschek, Bruder von Richard) wieder instandgesetzt.

Dr. Koref schildert in seinen Erinnerungen die Begegnung mit Revertera zehn Jahre später im ehemaligen Polizeigefängnis in der Linzer Mozartstraße, wohin die Nazis viele führende „Rote“ und Schwarze“ in einer Zelle zusammen- gepfercht hatte. Sie waren alle nach dem Attentat auf Hitler im Juli 1944 von der Gestapo verhaftet worden. Als Koref in eine andere Zelle verlegt wurde, fand er in dieser Graf Revertera vor. Dieser streckte ihm, berichtet Koref, die Hand zum Willkommen mit den Worten entgegen: „Das Vergangene soll vergessen sein!“. In der Zellengemeinschaft habe sich, so Koref, Revertera als Gentleman er- wiesen. Nach dem Krieg lebte Revertera als Forstwirt und E-Werk-Betreiber in Helfenberg. Er starb 1966. Die Haft Korefs dauerte bis September 1944.

Der NS-Oberbürgermeister von Linz, Dr. Franz Langoth, als Lehrer ein Berufskollege und als ehemals großdeutscher Landeshauptmann-Stellvertreter „ein geschätzter Bekannter“ Korefs (so dieser in seinen Memoiren), hatte offenbar bei , Chef des Reichssicherheits-Hauptamtes und Himmler-Stellvertreter, für Koref interveniert, und Kaltenbrunner, einst Korefs Schüler am Bundesrealgymnasium in Linz, verfügte per Telegramm die Freilassung Korefs und rettete ihn vor der Einlieferung ins KZ Dachau, die ihm Gauleiter Eigruber bereits angekündigt hatte. Kaltenbrunner wurde 1946 von den Alliier- ten als einer der Hauptkriegsverbrecher gehängt.

Um die Person von Dr. Langoth entspann sich in den achtziger Jahren eine heftige politische Diskussion. Er galt als „guter Nazi“, den man für die Greueltaten der Nationalsozialisten nicht verantwortlich machen wollte. Er war aber SS-Brigadeführer und Richter des Volksgerichtshofes. Als solcher hatte er 118 Schuldsprüche gefällt, davon 41 Todesurteile, berichtet der Linzer Historiker Michel John. So wurde die Linzer Klosterschwester Camilla Estermann hinge- richtet, weil sie französischen Zwangsarbeitern Lebensmittel und Kleider gegeben hatte. Langoth, der sich auch nach 1945 als überzeugter Nazi zeigte und trotzdem bei

6 der Entnazifizierung ungeschoren blieb, starb 1953. 20 Jahre später wurde eine Straße nach ihm benannt, 1986 aber in Kaisergasse ungetauft. 1988 kam es zu einer Straßenbenennung in Urfahr-Steg/Dornach/ in der Nähe des Gasthofes Lüftner, nach Franz Jägerstätter. Die Langoth-Straße hätte aufgrund von Initiativen verschiedener Gruppierungen, u.a. des Bundes sozialistischer Freiheitskämpfer und Opfer des Faschismus, 1986 nach dem (inzwischen selig gesprochenen) Wehrdienstverweiger aus St. Radegund benannt werden sollen. Schließlich beschloss der Stadtsenat mit den Stimmen der SPÖ und ÖVP und gegen die Stimmen der FPÖ die Umbenennung der Langothstraße in Kaisergasse. Mit Stadtsenatsbeschluß vom 11. Jänner 1988 wurde schließlich eine Straße in Urfahr nach Jägerstätter benannt.

Die Geschichte spannt hier einen Bogen zum Jahr 1934: Das „Linzer Volksblatt“ berichtete am 23. Februar 1934 unter dem Titel „Widmungen an die Soldaten“: “Für die tapferen Soldaten des Alpenjägerregimentes Nr. 7 haben die Frauen von St. Radegund 1000 Stück Zigaretten gespendet, gesammelt durch Hochwürden Herrn Pfarrer Franz Wimmer“. Ob auch die erzkatholische Frau Franziska Jägerstätter, damals noch Schwaninger (die Hochzeit fand erst am 9. April 1936 statt) für die „tapferen Soldaten“ gespendet hat, ist nicht überliefert...

Arbeitersamariter als „marxistische Bestien“

Doch zurück zu Koref .Er war von 1930 bis 1934 Abgeordneter zum National- rat, wurde im Februar 1934 bis Juli dieses Jahres in „Schutzhaft“ genommen und vom Landesschulrat vorzeitig in Pension geschickt.. Die „Tagespost“, Vorläufer der OÖN, diffamierte ihn als „Einpeitscher“ der Revolte. Koref betont aber in seinen Erinnerungen, „wir standen alle treu zur Partei, aber um den Aufstand wussten wir nichts, an dem Aufstand warten wir nicht beteiligt“. Das „wir“ bezieht sich auf die Zellengenossen Korefs im Linzer Landesgericht, lauter Parteivorstandsmitglieder. Die „liberale“ „Tagespost“ tat sich in diesen Tagen stets durch hasserfüllte Berichterstattung hervor. So bezeichnete das Blatt jene sechs unbewaffneten Arbeitersamariter, die von Welser Bundesheer-Soldaten auf der Bühne des Arbeiterheimes in Holzleiten bei Thomasroith im Haus- ruck-Kohlenrevier niedergeknallt wurden, als „marxistische Bestien“. Ein Pfarrer im Hausruck-Kohlenrevier verweigerte den „Verbrechern“ (so seine Rechtfertigung) ein katholisches Begräbnis (viele Rote waren aber christlich!). Am Linzer Barbarafriedhof wurde hingegen vom Linzer Bischof für die Toten der Exekutive ein Denkmal geweiht.

Koref berichtet, dass er bei dem ihm seit langem bekannten Linzer Polizeidirektor Dr. Viktor Benz unter Berufung auf seine Abgeordneten-Immunität Protest gegen seine Verhaftung erhoben habe. Dr. Benz, ein „absoluter, ehrenwerter Mann“ (zit. Koref) habe ihn mit der Weisung entlassen, sich nicht in der Öffentlichkeit zu zeigen und sich zur Verfügung zu halten. Am nächsten Tag wurde aber Koref verhaftet, und Dr. Benz erklärte „in sichtlicher Verlegenheit“, er müsse Koref über höhere Weisung in Schutzhaft nehmen.

Auf Polizeidirektor Dr. Benz, einen entschiedener Nazi.-Gegner, wartete ein tragisches Schicksal. Beim Einmarsch der Nazis wurde er mit anderen leitenden Linzer Polizeibeamten am 14. März verhaftet .Diese wurden erschossen oder (wie Dr. Bernegger) brutal erschlagen. Benz, der den Kampf gegen die Nazis bis zum Einmarsch im März 1938 geführt hatte, hielt sich, um zu den Geschehnis- sen etwas Abstand zu gewinnen, in seiner Sommerwohnung in 7

Schloss Haus (Wartberg o.d. Aist) auf, das damals noch Starhemberg gehörte, und wurde nach seiner Verhaftung von SS-Angehörigen auf der Fahrt nach Linz in einem Wald bei Gallneukirchen (im Tumbachholz) „auf der Flucht“ erschossen. Reichsmarschall Hermann Göring hatte für seinen Verwandten Dr. Bentz keinen Finger gerührt. „Es musste leider sein“ soll Göring den Mord kommentiert haben.

Schwerer Stand der „Roten“ im Mühlviertel

In den seit jeher katholisch und christlich-sozial geprägten Landgemeinden des Mühlviertels hatten die „Roten“ in den dreißiger Jahren einen schweren Stand. Man sah in ihnen die Wegbereiter des Kommunismus und befürchtete von ihnen, aufgeheizt vor allem durch hasserfüllte Brandreden von Heimwehrführer Ernst Rüdiger Starhemberg, Enteignungen, Eingriffe in die Familien und Ausschaltung der Religion. Die tiefen Gräben zwischen Arbeiterschaft und Kirche, die auch nach dem Rückzug der Priester aus politischen Funktionen (1933) do- minierenden Einfluss auf Schule und Familie hatte, sollten erst durch Kardinal König und ÖGB-Präsident Benya Ende der fünfziger Jahre zugeschüttet werden.

Am Haupttor des Neuen Domes war nach der Ermordung von Dollfuss eine Gedenktafel angebracht worden. 2006 wurde eine Zusatztafel montiert, auf der festgehalten wird, dass diese Gedenktafel „aus heutiger Sicht keine Zustimmung zur damaligen Politik“ bedeute. Noch 1955 hatte Eduard Ploier, Präsident der Katholischen Aktion, bei einer Diskussion in Gallneukirchen erklärt, es sei undenkbar, dass ein Christ auch Sozialist und ein Sozialist auch Christ sein könne.

Heimwehr-Ortsgruppen gab es 1934 fast in jeder Mühlviertler Gemeinde, Schutzbund- Einheiten nur in den größeren, wie in Freistadt, Rohrbach, Gallneukirchen, Engerwitzdorf oder Bad Leonfelden, und natürlich in den Arbeiter-Regionen des Bezirkes Perg, wie in Mauthausen oder Langenstein und St.Georgen/Gusen. Im Bezirk Freistadt agierte der Schutzbund nur in Freistadt, Kefermarkt und Tragwein. Heimwehrführer Starhemberg, im Volksmund „der Fürscht“ genannt, wurde durch seine gigantischen Ausgaben für die Heimwehr, die er uniformierte und ausrüstete, und durch die Kosten seiner politischen Agitation in den Ausgleich getrieben. So musste er das seit 1411 in Familien- besitz befindliche Schloss Riedegg verkaufen. Käufer war der Engländer John Slater, von dem es 1936 die Mariannhiller Missionare erwarben. Viele betagte Mühlviertler erinnern sich noch an die überwältigend gut besuchten Versammlungen mit Starhemberg als Redner, weil es für alle Teilnehmer gratis Gulasch oder Würstel mit Bier gab – für die vielen Arbeitslosen eine willkommene Mahlzeit.

In der „Höhle des Löwen“

Ein spektakuläres Schauspiel in Form eines Aufmarsches mit 3500 Schutzbündlern hatte sich am 20. Oktober 1929 auf einer großen Wiese beim Schloss Waxenberg im Mühlviertel abgespielt, Besitz Starhembergs, dessen Vorfahren sich schon vor Jahrhunderten durch die brutale Unterjochung des Volkes „aus- gezeichnet“ hatten. So hatte Gotthard von Starhemberg 1597 als Anführer der barbarischen „Mühlviertler Streif“ 27 wahllos auf der Straße aufgegriffene Bauern auf Bäumen aufhängen lassen, „damit sie die Birnen besser 8 sehen“. Begleitet wurde der spektakuläre Schutzbund-Aufmarsch von 1929 in Waxenberg – die Teilnehmer aus Linz, Wels, Steyr, aus dem Kohlenrevier, von Freistadt, Reichenau, Aigen-Schlägl, Rohrbach, Pürnstein, Herzogsdorf und von Walding oder Mauthausen waren größtenteils zu Fuß gekommen – von zahlreichen Schutzbund-Kundgebungen in anderen Orten des Mühlviertels, wie in Freistadt, Bad Leonfelden, Oberneukirchen und Reichenthal. Das „Tagblatt“ schrieb: „Dem Starhemberg gibt der Großmut des Proletariats und der Langmut der Republik noch keineswegs den Freibrief, unentwegt die friedliche Bevölkerung zu beunruhigen. Daher suchen wir ihn heute in seiner Domäne auf, um ihm auf seinem eigenen Grund und Boden zu sagen, was wir von seinem frechen Treiben und seinem Charakter halten.“ Und weiter: „Der freche Junge, der Woche für Woche die Vertrauensmänner der Arbeiterschaft beschimpft, ist ...nicht imstande, trotz aller Heimwehrbanden, die er in seinem Schloss versteckt hielt, auch nur einen Arbeiter vom Besuch seines Territoriums abzuhalten. Und so was will die Heimat schützen!“

Wie sehr der Gesinnungsterror der Dollfuss-Starhemberg-Ära die Menschen einschüchterte, zeigt ein Beispiel aus Gallneukirchen. Hier stand einmal der siebenjährige Josef W., Söhnchen eines Bindermeisters, vor einem Dollfuss-Plakat und sagte keck ein Gedichtchen auf, das ihn offenbar sein Vater gelehrt hatte: „Das ist der kleine Engelbert, dem links und rechts a Fotzn ghert“. Dollfuss wurde wegen seines kleinen Wuchses in der Flüsterpropaganda „Millimetternich“ (nach dem dominierenden Politiker des Wiener Kongresses 1815) genannt. Der Spottvers des unwissenden Dreikäsehochs, von wohlmeinenden Mitbürgern „nach oben“ gemeldet, kostete den Vater 14 Tage Arrest. In Gall- neukirchen gibt es auch eine Beziehung zum austrofaschistischen Anhaltelager in Wöllersdorf an der Piesting (NÖ.), in das politische Häftlinge aller Couleurs eingeliefert wurden: Der Gallneukirchner Gendarmerie-Postenkommandant Karl Simon wurde 1935 stellvertretender Lagerkommandant. 1938, als die Nazis kamen, wurde Simon schwer verfolgt.

Ständig quälte die Heimwehr die Sozialdemokraten und die Schutzbund-Leute mit Hausdurchsuchungen, die vor allem der Waffensuche galten. Davon wusste auch Sepp Steyskal, damals Gallneukirchner Schutzbundführer, ein Lied zu singen. Dreimal suchten ihn die Heimwehrtrupps heim und richteten in seiner Wohnung jedes Mal ein Chaos an. Sie zertrümmerten das Geschirr in der Kredenz und zerstachen mit ihren Bajonetten die Pölster und Tuchenten.

Am 12. Februar 1934 kam es im Mühlviertel zu keinen Kämpfen. Es blieb in allen Orten ruhig, sieht man von Mauthausen ab. Der Ort und seine Nachbar- gemeinden mit den vielen Steinarbeitern gehörte zu den Zentren der oberöster- reichischen Arbeiterbewegung. Am 12. Februar sammelten sich hier rund 300 Schutzbündler. Ihre Waffen waren in den Steinbrüchen versteckt. Aber das vereinbarte Zeichen zum Losschlagen kam nicht. Das Bundesheer, das starken Widerstand erwartete, konzentrierte seine Kräfte und erarbeitete einen Angriffs- plan. Doch als die Truppen in Mauthausen eintrafen, war niemand mehr da – die Schutzbündler hatten sich schon zerstreut. Die Freistädter Abordnung wurde auf dem Heimweg verhaftet und bis April inhaftiert. In St. Georgen/Gusen und in Luftenberg suchte die Heimwehr erfolglos nach Waffen. Der sozialdemokratische Betriebsrat in einer Linzer Roßhaarspinnerei, Johann Weinzinger aus Luftenberg, wurde seiner Funktion enthoben. Der Versuch, einen dem 9

Regime genehmen Betriebsrat einzusetzen, scheiterte: Die Belegschaft ging einfach nicht zur Versammlung. Weinzinger wurde zur Polizei zitiert und sollte die Betriebsratskasse übergeben. Doch die Polizei kam zu spät, Weinzinger hatte das Geld nicht mehr. Es war an die Frau eines inhaftierten Schutzbündlers weiter- geben worden, die für vier Kinder zu sorgen hatte. Weinzinger, dem man vorwarf, sich über das Regime abfällig geäußert zu haben, wurde zu einer Woche Kerker verurteilt, die er dann im Urlaub absaß...

Jedenfalls haben die Mühlviertler Arbeiter in den Wochen nach der sozial- demokratischen Niederlage und in der Illegalität (die Partei und ihre Gliederun- gen und Organisationen wurden verboten, deren Vermögen beschlagnahmt und die sozialdemokratischen Mandatare aus den Ämtern gejagt) großartige Leistungen erbracht. Sie brachten viele gefährdete und verfolgte Menschen über die Grenze in die Tschechoslowakei und besorgten den Transport illegalen Propagandamaterials über die Grenze nach Österreich.

Die sogenannte „vaterlandstreue“ Bevölkerung

Die dramatischen Ereignisse des Februar 1934 haben natürlich auch in den von christlich- sozial indoktrinierten Verfassern geschriebenen und entsprechend gefärbten Gendarmerie- und Gemeindechroniken ihren Niederschlag gefunden. In der Gemeinde-Chronik von Engerwitzdorf z.B. heißt es: „Es kam zu keinerlei Reibungen zwischen politischen Gegnern. Die Ortschaften werden von Patrouillen der Gendarmerie und der Heimwehr durchzogen, und es wurden bei Sozialdemokraten und Kommunisten Hausdurchsuchungen nach Waffen etc. vorgenommen, die jedoch ergebnislos blieben...Um 19 Uhr mussten die Haustore geschlossen werden, am 13.Februar die Tore auch tagsüber geschlossen bleiben. Die Bevölkerung hat sich anstandslos den Anordnungen gefügt. ...Unter der vaterlandstreuen Bevölkerung herrschte eine einmütige Zusammenhaltung, wo- durch die andersgesinnte Bevölkerung es nicht wagte, ungesetzliche Handlungen zu vollführen...“ In der Festschrift von Wartberg o. d. Aist, 1984 anlässlich der Markterhebung herausgegeben, heißt es: „Im Februar 1934 brach eine Revolte aus. Die Schule blieb vom 13. bis 16. Februar geschlossen. Die Handarbeitslehrerin, eine recht aktive Sozialistin, sollte verhaftet werden. jedoch wurde aus familiären und gesundheitlichen Gründen davon Abstand genommen.“

Heimwehr-Trupps aus den Linz-nahen Orten des Mühlviertels fuhren auf Last wagen nach Linz. So berichtet ein Zeitzeuge aus Engerwitzdorf, er habe den Heimwehrführer Franz S.(pendlingwimmer) aus Klendorf, am 12. Februar 1934 gesehen, wie er in voller Uniform Gewehre an seine Männer ausgab und wie diese dann gemeinsam auf einem Lastwagen nach Linz fuhren. Ob und in welchem Umfang sie in die Kampfhandlungen involviert waren, darüber gibt es keine Quellen. Eine Frau aus Amberg, Gemeinde Engerwitzdorf, berichtet, dass die Schutzbündler (eine maßgebliche Rolle spielte Karl F.(riedinger), Schmied in Wolfing) ihre Gewehre in einen Teich warfen und heimgingen. Jedenfalls erlaubte es der fehlende Schutzbund-Widerstand im Mühlviertel der Heimwehr, ihre Kräfte in die Kampfgebiete abzuziehen. Die Heimwehrkompanie Aigen i. M. beispielsweise marschierte 10 unter dem Kommando von Revertera nach Urfahr und wurde später in den Kämpfen in Ebensee eingesetzt.

Leider werden in vielen Heimatbüchern die Ereignisse des 12. Februar völlig ausgeblendet. Dabei wäre eine objektive Schilderung der Februar-Ereignisse 1934 im Sinne einer Vermittlung historisch-politischer Bildung und damit des Bewußtseins wichtig, dass die Demokratie, die wir heute als selbstverständlich genießen, unseren Eltern und Großeltern der Einsatz von Gut und Leben wert war. Wenn nicht einmal ein Oberst des heutigen Bundesheeres und ehemals führender ÖVP-Funktionär einer Mühlviertler Gemeinde wußte, woher der Linzer Bulgariplatz seinen Namen hat, ist das erschütternd.

Quellen: „Linzer Tagblatt“ 1934 „Linzer Volksblatt“ 1934 „Tagespost“ Linz 1934 Persönliche Gespräche mit Zeitzeugen und Nachkommen von Februar-Kämpfern Peter Kammerstätter: „Der Aufstand des Republikanischen Schutzbundes am 12. Februar 1934 in Oberösterreich. Eine Sammlung von Materialien; Dokumenten und Aussagen von Beteiligten“, Linz 1983, O.Ö. Landesarchiv Linz

Literatur: Richard Bernaschek: „Die Tragödie der österreichischen Sozialdemokratie“, in „Österreich, Brandherd Europas“, Zürich und Prag 1934 Helmut Fiereder: „Der Republikanische Schutzbund in Linz und die Kampfhandlungen im Februar 1934“, in „Historisches Jahrbuch der Stadt Linz“, 1978, nach einem Forschungs- seminar an der Universität Salzburg 1975 Harry Slapnicka: „Oberösterreich zwischen Bürgerkrieg und “, Linz 1975 Inez Kykal – Karl R. Stadler: „Richard Bernaschek. Odyssee eines Rebellen“, Wien 1976 Ernst Koref: „Die Gezeiten meines Lebens“, Wien-München 1980 Josef Weidenholzer-Brigitte Perfahl-Hubert Hummer: „Es wird nicht mehr verhandelt....Der 12. Februar 1934 in Oberösterreich“, Linz 1984 SPÖ-Bezirksorganisation Linz-Stadt (Hrsg.): „Die Bewegung lebt – 100 Jahre Linzer Sozialdemokratie“, Linz 1988 Thomas Karny: „Lesebuch zur Geschichte der oberösterreichischen Arbeiter“, Grünbach/ Freistadt 1990 Wilhelm Mayrhofer: „Festschrift zum 100 Jahr-Jubiläum der SPÖ Gallneukirchen“, Linz 2013

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