DIE SCHATTEN DER VERGANGENHEIT Eingereicht von Gerlinde Schaurhofer, BEd Umgang mit der Geschichte des Nationalsozialismus in Oberösterreich – Angefertigt am Institut für Neuere Geschichte NS-Prozesse der Nachkriegsjahre in und Zeitgeschichte den regionalen Medien Beurteiler Univ. Prof. Dr. Michael John

August 2018

Masterarbeit JOHANNES KEPLER zur Erlangung des akademischen Grades UNIVERSITAET

Master of Arts Altenberger Straße 69 im Masterstudium 4040 Linz, Österreich

Politische Bildung www.jku.at

Die Schatten der Vergangenheit Gerlinde Schaurhofer, BEd

Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Masterarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

Die vorliegende Masterarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch.

Wartberg, im August 2018

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Abstract (Deutsch)

Unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs standen die alliierten Mächte und die provisorische österreichische Regierung vor der Aufgabe Politik, Presse, Justiz, Wirt- schaft und Gesellschaft von der Beeinflussung des Nationalsozialismus zu befreien. Auf Grundlage des Verbots- und Kriegsverbrechergesetz sollte eine umfassende Entnazifizierung Österreichs gewährleistet und die ÖsterreicherInnen zur Demokra- tiefähigkeit erzogen werden. Ein geeignetes Instrument dazu schien in den Medien zu liegen. Daher beschäftigt sich diese Arbeit mit der Entstehung der Zeitungsland- schaft in der unmittelbaren Nachkriegszeit, fokussiert auf den Linzer Raum und das Mühlviertel sowie auf die Entnazifizierungsmaßnahmen jene JournalistInnen betref- fend, die auch bereits unter der gleichgeschalteten Presse im Nationalsozialismus tätig waren.

Die Zeitungen waren es auch, die über aufsehenerregende Gerichtsverfahren betref- fend nationalsozialistische Gewaltverbrechen, wie die „Mühlviertler Hasenjagd“, den Eichmann-Prozess und die beiden Gogl-Prozesse berichteten. Wie sich diese Be- richterstattung gestaltete und inwieweit die Printmedien oder andere Akteure zur Aufarbeitung des Nationalsozialismus bzw. zu dessen Verzögerung beigetragen ha- ben, ist Inhalt dieser Masterthesis.

Abstract (English)

Immediately after ending of World War II the allied forces and the provisional Austrian government were confronted with the task to free policy, press, judiciary, economics, and society from the influence of National Socialism. The concept therefore was based on a prohibition law and on a war criminal law, which should guarantee a widespread and raise the Austrians to the ability of democracy. An ap- propriate instrument seemed to be the media. Therefore this thesis, which is focused on the territories around Linz, and the adjacent Mühlviertel region, deals with the general conversion of the newspaper-scenery in the instant post-war area, and the imposing of denazification-sanctions on newspaper journalists, who were even working for the press during the National Socialist regime.

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Spectacular lawsuits about violent crimes during the Natonal Socialist tyranny were reported by Austrian newspapers, too, for example the “Mühlviertler Hasenjagd" (a collective hunt in the Mühlviertel region for prisoners who escaped from the infamous Mauthausen concentration camp in February 1945), the trial on (who grew up in Linz, Austria and who was working for years as commercial agent in the Mühlviertel region before the war), and both Gogl trials (wich were the last trials against a former SS-perpetrator in Austria in 1975). How this coverage was arranged and how far the print media or other players contributed to overcome National Social- ism in that region, is topic of this masterthesis.

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Inhaltsverzeichnis

1 Die Verfolgung von NS-Verbrechen nach dem Zweiten Weltkrieg ...... 12 1.1 Konsequenzen für „Belastete“ und „Minderbelastete“...... 13 1.2 Maßnahmen zur Entnazifizierung der JournalistInnen in der Presse nach 1945 ...... 16 1.3 Volksgerichte zur Entnazifizierung ...... 20 1.3.1 Strafverfolgung nach 1945 von nationalsozialistischen Gewaltverbrechen durch das Volksgericht Linz ...... 22 1.3.2 Geschworenengerichte: Strafverfolgung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen nach 1955 ...... 24 1.4 Entnazifizierungsgesetze – die Reaktion der Printmedien 2 Medien in der Nachkriegszeit ...... 28 2.1 Rolle und Funktion der Medien unmittelbar nach Kriegsende in Oberösterreich ...... 28 2.1.1 Maßnahmen zur Entnazifizierung der Medienlandschaft ...... 29 2.1.2 Geplante Umerziehung mittels Medien: Von der Diktatur zur Demokratie ...... 31 2.2 Tageszeitungen ...... 33 2.2.1 Oberösterreichischen Nachrichten. Herausgegeben von der 12. Heeresgruppe für die Bevölkerung Oberösterreichs...... 33 2.2.2 Oberösterreichische Nachrichten. Unabhängiges Tagblatt österreichischer Demokraten ...... 38 2.2.3 Österreichische Zeitung ...... 45 2.2.4 Österreichische Nachrichten ...... 46 2.3 Parteizeitungen ...... 46 2.3.1 Volksblatt (ÖVP) ...... 47 2.3.2 Tagblatt (SPÖ) ...... 49 2.3.3 Neue Zeit (KPÖ) ...... 53 2.4 Mühlviertler Zeitungen ...... 54 2.4.1 Mühlviertler Post ...... 54 2.4.2 Der Mühlviertler ...... 55 2.4.3 Mühlviertler Nachrichten ...... 56 2.4.4 Mühlviertler Bote ...... 57 2.4.5 Mühlviertler Woche ...... 58 2.5 Vergleich von „belasteten“ und „unbelasteten“ JournalistInnen ...... 60

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3 Die Ahndung von NS-Verbrechen und die Berichterstattung in den Printmedien anhand ausgewählter Beispiele ...... 64 3.1 ‚„Mühlviertler Hasenjagd“ – ein Drama, dessen Brutalität noch nach Generationen nicht vergessen sein wird“ ...... 65 3.1.1 Mediale Darstellung versus Vernehmungsniederschriften rund um die „Mühlviertler Hasenjagd“ – ausgewählte Beispiele aus dem Raum Pregarten und Wartberg/Aist ...... 67 3.1.2 Ferdinand Fröhlich ...... 74 3.1.3 „Mühlviertler-Hasenjagd“ im Heimatbuch von Wartberg/Aist ...... 84 3.1.4 „Hasenjagd – Vor lauter Feigheit gibt es kein Erbarmen“ – Anstoß zur Etablierung einer Denkmalkultur ...... 88 3.1.5 Exkurs Schloss Hartheim ...... 98 3.2 Sonderfall Adolf Eichmann ...... 104 3.2.1 Ein (ober)österreichisches Medienereignis – der Eichmannprozess in ausgewählten Zeitungen ...... 109 3.2.2 Der Prozessbeginn ...... 113 3.2.3 Urteilsverkündung in den Oberösterreichischen Nachrichten, den Mühlviertler Nachrichten und im Mühlviertler Boten ...... 140 3.2.4 Die Vollstreckung des Todesurteils ...... 142 3.3 Der Fall Gogl und die Darstellung in den Medien ...... 147 3.3.1 Die Berichterstattung über das Verfahren in Linz 1972 ...... 153 3.3.2 Der Gogl-Prozess 1975 in zweiter Instanz ...... 168 3.3.3 Synopse beider Gogl-Prozesse ...... 172 4 Zusammenfassung und Resümee...... 180 5 Quellenverzeichnis ...... 189 5.1 Abbildungen ...... 213 5.2 Abkürzungen ...... 214

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Einleitung

Das Medium Presse lieferte unmittelbar nach Kriegsende und auch in Folge einen wesentlichen Beitrag, um über begangene Verbrechen während der Zeit des Natio- nalsozialismus zu informieren. Zeitungen berichteten über Gerichtsprozesse, Entna- zifizierungsmaßnahmen, Verurteilungen und Strafausmaß. Sie nahmen somit ihre Aufgabe als gesellschaftliche Kommunikatoren in einer demokratischen Gesellschaft wahr. Das Pressewesen war daher im untersuchten Zeitraum von 1945 bis 1975 ein wichtiges Medium, um über Ereignisse zu berichten, sie zur Diskussion zu stellen, aber auch, um sie zu rethematisieren.

Wie diese Rethematisierung vonstatten ging bzw. ob oberösterreichische Zeitungen einen wesentlichen Beitrag zur Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangen- heit lieferten, soll Gegenstand dieser Arbeit sein. Deshalb beschäftigt sich diese Masterthesis in erster Linie mit der Frage, wie sich die Informationsvermittlung ver- schiedener Printmedien – in der Hauptsache oberösterreichische Tages- und Wo- chenzeitungen der Nachkriegszeit – über die Ahndung von NS-Verbrechen gestaltete und ob der Nationalsozialismus als rein „deutsches“ Phänomen zur Darstellung ge- langte.

These 1: Im Hinblick auf die Printmedien wird von der Annahme ausgegangen, dass es in den Jahren 1945 bis 1948 zu einer breiten Ablehnung und somit zu einer erkennbaren Distanzierung vom Nationalsozialismus seitens der untersuchten Zeitungen kam, jedoch der Nationalsozialismus als Phänomen gesehen wurde, dem von Deutschland ausgehend die ÖsterreicherInnen zum Opfer fielen. Das Pressewesen war auf diese Weise wesentlich an der Verbreitung der Opfertheorie beteiligt und verhinderte daher eine kritische Auseinandersetzung.

These 2: Nach ungefähr vier Jahrzehnten, nämlich durch den Film „Hasenjagd – vor lauter Feigheit gibt es kein Erbarmen“ wurden die Ereignisse rund um die „Mühlviertler Ha- senjagd“ einem großen Publikum in Österreich näher gebracht. Deshalb hat dieser Film wesentlich zur Rethematisierung dieser Vorkommnisse beigetragen. Erst die

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öffentlichkeitswirksame Wiederbehandlung durch den Kinofilm führte zu einer Ausei- nandersetzung seitens der Bevölkerung in den betroffenen Gebieten und ermöglichte eine Aufarbeitung, die sich in einer entsprechenden Denkmalkultur in diesen Ge- meinden äußerte.

These 3: Im Jahre 1960 gelang es Adolf Eichmann, der für die groß angelegten Judendeporta- tionen verantwortlich gemacht wurde, aufzufinden. Der darauffolgende aufwändige Prozess 1961 in Jerusalem hatte einiges an Medieninteresse hervorgerufen. Durch die printmediale Darstellung dieses Verfahrens in ausgewählten oberösterreichischen Tageszeitungen kam es zu einer Thematisierung des Holocaust in seiner gesamten Tragweite. Es wird von der Annahme ausgegangen, dass der Eichmann-Prozess zwar als Sensation aufgemacht, aber es seitens der untersuchten Medien zu keiner Forderung nach weiterer Verfolgung von NS-StraftäterInnen kam und der National- sozialismus als rein „deutsches“ Phänomen dargestellt wurde.

These 4: Der letzte Prozess wegen nationalsozialistischer Gewaltverbrechen fand 1975 vor dem Oberlandesgericht Wien statt. Der Innviertler Uhrmachermeister und ehemalige SS-Unterscharführer Johann Vinzenz Gogl wurde mehrerer Gewaltdelikte angeklagt, die er in den Konzentrationslagern Mauthausen und Ebensee begangen haben soll- te. Mit der Bearbeitung von Zeitungsartikeln dieser Verfahren wird der Kreis in Bezug auf Darstellung und Aufarbeitung des Nationalsozialismus in den oberösterreichi- schen Printmedien geschlossen. Das forschungsleitende Interesse besteht darin, festzustellen, ob eine Tendenz zur kritischen Auseinandersetzung mit der NS-Zeit erkennbar ist oder ob der Nationalsozialismus, wie angenommen wird, wiederum nur als „deutsches“ Phänomen dargestellt wurde, dem die ÖsterreicherInnen zum Opfer fielen und deshalb die Prozesse (1972 in Linz und 1975 in Wien) bzw. die Berichter- stattung nicht zur Aufarbeitung beitrugen. Die beiden Verfahren rund um Johann Vin- zenz Gogl sind auch deshalb von besonderer Relevanz, da er freigesprochen wurde und diese Prozesse die letzten dieser Art in Österreich darstellen.

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Aufbau und Methodik der Arbeit:

Das erste Kapitel bietet einen Einblick in die Strafverfolgung von NS-TäterInnen durch Volksgerichte, die von 1945 bis 1955 bestanden, um darzulegen, welche Verbrechen zur Ahndung gelangten. Da diese Arbeit auch eine Übersicht über Ent- nazifizierungsmaßnahmen gibt, stellt sich damit einhergehend die Frage, wie diese im Hinblick auf die Medienlandschaft ausgesehen haben.

Im zweiten Kapitel wird erörtert, ob es einen Bruch zwischen JournalistInnen und RedakteurInnen gab, die bereits während des nationalsozialistischen Regimes tätig waren, d.h. ob diese Berufsverbot erhielten oder ob sie ihre Tätigkeit trotz „Belas- tung“ nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs fortsetzen durften. In diesem Zusam- menhang kommt es zur Darstellung, wie sich die Herausgabe von oberösterreichi- schen Zeitungen nach dem Zweiten Weltkrieg gestaltete und welche Funktion ihnen seitens der Alliierten zugedacht wurde.

Im dritten Kapitel der vorliegenden Arbeit liegt der Fokus auf einigen ausgewählten Fällen, die sich im unteren Mühlviertel, (in der Hauptsache im Raum Pregarten und Wartberg/Aist), rund um die sogenannte „Mühlviertler Hasenjagd“ zutrugen. Im Feb- ruar 1944 gelang 419 Häftlingen die Flucht aus dem Konzentrationslager (KZ) Maut- hausen.1 48 Entflohene kamen allein im Gemeindegebiet rund um Wartberg/Aist ums Leben. In diesem Teil der Arbeit wird eruiert, inwieweit die Bevölkerung dieser Ge- meinde an der Ermordung beteiligt war, oder wie in der Ortschronik von Wart- berg/Aist aufgezeichnet, die Morde von (SS)-Männern begangen bzw. von ihnen angeordnet wurden.2 Anhand von Zeitungsrecherchen soll festgestellt werden, wie sich die Berichterstattung über die gerichtliche Verfolgung der „Mühl- viertler Hasenjagd“ gestaltete. Nachgegangen wird hier auch der Frage, inwieweit die Thematik der Opferrolle der ÖsterreicherInnen zur Sprache kam bzw. ob in der da- maligen Berichterstattung (von 1945 bis 1948) eine Distanzierung gegenüber dem Nationalsozialismus stattfand, ob eine weitere Verfolgung von NS-StraftäterInnen seitens der Medien gefordert wurde und inwieweit der Nationalsozialismus als rein „deutsches“ Phänomen zur Darstellung gelangte.

1 Vgl. Kammerstätter, Peter: Der Ausbruch der russischen Offiziere und Kommissare aus dem Block 20 des Konzentrationslagers Mauthausen am 2. Februar 1945, S. 26. 2 Marktgemeinde Wartberg/Aist (Hg.):Ortschronik. Erforschtes, Überliefertes, Erzähltes, 2011, S. 116.

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Da im Zuge der „Mühlviertler Hasenjagd“ immer wieder der Name des ehemaligen Bürgermeisters von Pregarten, Ferdinand Fröhlich, auftaucht, der sich wegen ver- schiedener nationalsozialistischer Verbrechen verantworten musste und es praktisch über seine weitere Biografie nach 1947 wenig bzw. keine Informationen gibt, widmet sich diese Arbeit auch der Frage nach seinem weiteren Werdegang. Da Recherchen in der Literatur bis dato nicht ergiebig waren, sollen Zeitzeugenbefragungen dahin- gehend ein befriedigendes Ergebnis bringen.

Ein weiterer Abschnitt des dritten Kapitels ist einem medialen Großereignis gewidmet – dem Fall Eichmann. Die Berichterstattung über den „Organisator des Holocaust“, der in Deutschland geboren und 1914 nach Linz kam, erstreckte sich von seiner Ent- führung im Mai 1960 bis zur Hinrichtung im Juni 1962. Von speziellem Interesse sind diesbezüglich die Meldungen in den Oberösterreichischen Nachrichten, dem Mühl- viertler Boten und den Mühlviertler Nachrichten in Bezug auf die Thematisierung des Holocaust, die Rolle der ÖsterreicherInnen in diesem Geschehen sowie die Behand- lung der Opferthese: Sahen die JournalistInnen im Nationalsozialismus ein rein „deutsches“ Phänomen, mit dem die ÖsterreicherInnen nichts zu tun hatten oder kam es zu einer kritischen Hinterfragung der Rolle der österreichischen Bevölkerung wäh- rend dieser Zeit? Da Eichmann bereits als Kleinkind von Deutschland nach Linz kam und er in dieser Stadt seine Sozialisation erfuhr, soll hier auch die Frage, ob Zeitun- gen diesen Regionalbezug Eichmanns erwähnten, Berücksichtigung finden. Beson- dere Beachtung wird auch der Frage geschenkt, ob diese breite Rethematisierung der Verbrechen in den Medien zu einer vermehrten Einforderung nach gerichtlicher Verfolgung von NS-TäterInnen Anlass gab.

Ein zusätzlicher Forschungsgegenstand des dritten Kapitels ist das Medieninteresse und die Berichterstattung über zwei Prozesse (1972 und 1975) gegen Johann Vin- zenz Gogl. Der ehemalige SS-Unterscharführer wurde wegen nationalsozialistischer Gewaltverbrechen, begangen in den Konzentrationslagern Mauthausen und Eben- see, angeklagt und freigesprochen. Zeitungsrecherchen in den Oberösterreichischen Nachrichten, dem Mühlviertler Boten und den Mühlviertler Nachrichten haben hier die Klärung der Fragen der Distanzierung zum Nationalsozialismus, aber auch, ob Auf- forderungen zur weiteren Ahndung der NS-TäterInnen erfolgten und inwieweit der

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Nationalsozialismus als rein „deutsches“ Phänomen dargestellt wurde, welchem die ÖsterreicherInnen zum Opfer fielen, zum Inhalt.

Um die oben angeführten Themen zu bearbeiten und die Thesen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, werden qualitative und quantitative Analysen von Zeitungsberichten betrieben. Speziell in der inhaltlichen Analyse der Zeitungsartikel sollen bestimmte Argumentationsmuster sowie getätigte Aussagen zu bestimmten Sachverhalten, Um- ständen oder Gegebenheiten überprüft und zur Wiedergabe gelangen. Um bestimm- te Fragen zu klären, stehen zur Materie „Mühlviertler Hasenjagd“ zusätzlich Zeitzeu- gen und Gerichtsakte zur Verfügung. Mit Hilfe von einschlägiger Literatur soll das Wissen um die dargelegten Themen erweitert und mit den gewonnen Erkenntnissen abgeglichen werden.

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1 Die Verfolgung von NS-Verbrechen nach dem Zweiten Weltkrieg

Als am 5. Mai 1945 die elfte amerikanische Panzerdivision am Linzer Hauptplatz ein- traf, fand diese die „Patenstadt des Führers“ und Hochburg der ehemals „Illegalen“3 durch die Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs großteils zerstört vor.4 Das Ende des Zweiten Weltkriegs sollte auch das endgültige Aus der nationalsozialistischen Ideologie, die den Menschen in jahrelanger Propaganda eingedrillt wurde, bedeuten. Einhergehend mit Beendigung des Zweiten Weltkrieges war daher das primäre Ziel der Siegermächte den Nationalsozialismus wirkmäßig zu deinstallieren – es kam zur Entfernung aller nationalsozialistischen Symbole, zur Auflösung der Nationalsozialis- tischen Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) und zur Amtsenthebung aller Führungs- personen im nationalsozialistischen (NS-) Regime.5

Fast zeitgleich, nämlich bereits im Mai und Juni 1945, begannen die österreichische Regierung sowie die Siegermächte mit der Entnazifizierung der ungefähr 550.000 registrierten NS-Parteimitglieder. Jedoch ist davon auszugehen, dass sich weitaus mehr Personen mit dem NS-Regime identifizierten – Schätzungen zufolge traf dies auf ein Viertel der ÖsterreicherInnen zu.6 Diese Zahl dürfte nicht zu hoch gegriffen- sein, da am 10. April 1938 bei der Abstimmung 99,75 Prozent der Wahlberechtigten den an das Deutsche Reich befürworteten. Jenes Ergebnis muss jedoch auch vor dem Hintergrund gesehen werden, dass es unter der Aufsicht eines diktato- rischen Regimes zustande kam.7

Nicht alle NationalsozialistInnen hatten sich im Dritten Reich der gleichen Verbrechen schuldig gemacht, darum fand neben dem Kriterium der Parteizugehörigkeit auch jenes der Beteiligung Berücksichtigung. Es erfolgte eine Einteilung der registrie-

3 Seit 19.6.1933 war die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei in Österreich verboten und deren AnhängerInnen wurden deshalb als „Illegale“ bezeichnet. Vgl. BGBL Nr. 240 vom 20.6.1933. In: Garscha, Winfried: Der Terror der Nationalsozialisten vor 1938. URL: http://www.doew.at/erinnern/fotos-und-dokumente/1934-1938/krachendes-oesterreich/der-terror- der-illegalennationalsozialisten-vor-1938-wer-waren-die-opfer, abgerufen am 13.5.2018. 4 Vgl. Schuster, Walter u.a. (Hg.): Nationalsozialismus. Auseinandersetzung in Linz.60 Jahre Zweite Republik, 2005, S. 88. 5 Vgl. John, Michael: Bevölkerung in der Stadt. „Einheimische“ und „Fremde“ in Linz. (19. und 20. Jahrhundert), Archiv der Stadt Linz (Hg.), 2000, S. 323-325. 6 Vgl. Schuster: Nationalsozialismus. Auseinandersetzung in Linz, S. 88. 7 Vgl. Stadt Wien: 10.April 1938 – Volksabstimmung für den Anschluss. URL: https://www.wien.gv.at/kultur/chronik/volksabstimmung-1938.html, abgerufen am 12.11.2016.

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rungspflichtigen Personen in „Belastete“ (z.B. wenn diese sogenannten „Illegale“ be- reits vor dem März 1938 der NSDAP beigetreten waren oder „Wehrverbänden“ wie der SS, der Sturmabteilung (SA), dem Nationalsozialistischem Kraftwerkskorps (NSKK) oder dem Nationalsozialistischen Fliegerkorps (NSFK) angehörten) sowie in „Minderbelastete“.8 In Österreich betraf dies insgesamt 550.000 eingetragene Natio- nalsozialistInnen. Zehn Prozent davon schienen als „aktive“ NationalsozialistInnen und Funktionäre auf und gehörten somit der Kategorie der „Belasteten“ an. Alle an- deren galten als „Minderbelastete“ und waren bis auf wenige Ausnahmen genauso wie die „Belasteten“ sühnepflichtig.9

1.1 Konsequenzen für „Belastete“ und „Minderbelastete“

Diese Kategorisierung in „Belastete“ und „Minderbelastete“ hatte auf das Leben der Betroffenen unmittelbaren Einfluss im Hinblick auf ihre Erwerbstätigkeit. So waren manche in der Berufswahl eingeschränkt, da sie zu Beginn der Entnazifizierungs- maßnahmen aufgrund ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit nicht in ihre Berufe oder Betriebe zurückkehren konnten.10 Diese Vorgehensweise stieß in der Öffent- lichkeit vermehrt auf Unverständnis und wurde auch immer wieder in den Zeitungen thematisiert. Der Mühlviertler verteidigte auf der Titelseite vom 19. Dezember 1946 in einem Artikel „Die Sühne ist hart“11 ehemalige NSDAP-Mitglieder und übte Kritik an den Entnazifizierungsmaßnahmen. Das einzige Vergehen, das die Parteimitglieder begangen hätten, wäre in Zeiten der Not der NSDAP beigetreten zu sein. Der Ver- fasser des Artikels argumentierte, dass es damals nur diese Möglichkeit gab, um ei- ne Anstellung zu finden und so für sich und seine Angehörigen zu sorgen.12

„Bei den meisten bedeutete wohl der Beitritt zur Partei einen bloßen Akt der Selbst- erhaltung, sie fühlten sich von der Gefahr bedroht, ihren Beruf zu verlieren und ha- ben sich in menschlicher Schwäche dem Druck gebeugt.“13

8 Vgl. Schuster, Walter: Deutschnational Nationalsozialistisch Entnazifiziert. Franz Langoth. Eine NS-Laufbahn, 1999, S. 244. 9 Vgl. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands: Entnazifizierung in Österreich. URL: http://ausstellung.de.doew.at/m28sm129.html, abgerufen am 17.3.2017. 10 Vgl. ebd. 11 Der Mühlviertler: Die Sühne ist hart, 19.12.1946, S.1. 12 Vgl. ebd. 13 Ebd.

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In Österreich waren zu Beginn der Entnazifizierungsmaßnahmen um die 170.000 Personen betroffen. 100.000 davon hatten eine Anstellung im öffentlichen Dienst und 70.000 gingen einer Tätigkeit im privatwirtschaftlichen Bereich nach. Gemeinsam betraf dies somit etwa 7,5 Prozent der österreichischen Bevölkerung. Jene Regelung hatte neben der wirtschaftlichen Komponente auch einen stark psychologischen Ef- fekt: Oftmals bedeutete der Arbeitsplatzverlust bzw. die Verrichtung einer als min- derwertigen eingestuften Tätigkeit auch einen Rückgang der sozialen Wertschät- zung. Für Dieter Stiefel stellten vorgenannte Maßnahmen somit eines der wirksams- ten Mittel dar, um NationalsozialistInnen öffentlichkeitswirksam zu entmachten. Der Historiker, der eine erste Bilanz der sogenannten Entnazifizierung in Österreich ver- fasste, sah in dieser Vorgehensweise der Koppelung von Arbeitsplatzverlust bzw. Einschränkung der Berufsmöglichkeiten und dem damit einhergehenden sozialen Abstieg eines der wichtigsten Mittel, um „Belastete“ zu bestrafen und sie ihres Ein- flusses zu berauben:14

„Bei langandauernder Arbeitslosigkeit gerät der einzelne daher nicht nur in Existenz- schwierigkeiten, sondern auch in eine Identifikationskrise. Der entlassene National- sozialist wurde daher zur Strafe für sein politisches Verhalten in wirtschaftliche und soziale Unsicherheit versetzt und aus dem arbeitsplatzbestimmten System aus politi- schen Gründen ausgestoßener Arbeitsloser ganz unten in der Werteskala angesie- delt. In dieses Bild paßt auch, daß Nationalsozialisten, die von einer Entlassung ver- schont blieben, Gehaltskürzungen und Rückreihungen im Dienstrang hinzunehmen hatten. Der Entzug des Arbeitsplatzes war daher eines der wirksamsten Instrumente nicht nur zur Entmachtung, sondern auch zur Bestrafung der ehemaligen Nationalso- zialisten.“15

Eine andere Auswirkung war der Ausschluss vom aktiven Wahlrecht. Für „Minderbe- lastete“ wurde diese Einschränkung jedoch bereits 1947 wieder zurückgenommen. Bis 1948 blieb ihnen zusätzlich das Amt der SchöffInnen und Geschworenen sowie das passive Wahlrecht verwehrt. Die Kategorisierung hatte auch in Bezug auf die Finanzen der Sühnepflichtigen Auswirkungen. So stellte die Sühneabgabe eine ein- malige Zahlung dar, die sich nicht nach dem Vermögen richtete. Zusätzlich musste

14 Vgl. Stiefel, Dieter: Entnazifizierung in Österreich. 1981. S. 271. 15 Ebd.

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neben der Lohn- und Einkommenssteuer ebenfalls eine Abgabe geleistet werden. Diese unterlag für „Minderbelastete“ jedoch einer zeitlichen Beschränkung.16

Die Einteilung in „Belastete“ bzw. „Minderbelastete“ war allerdings keine statische. Es fällt auf, dass es immer wieder zu Neueinstufungen bzw. zum Erlass individueller Amnestien kam. Somit wurden die Entnazifizierungsmaßnahmen kontinuierlich abge- schwächt, da damit auch eine Einstellung bzw. Verminderung der Sühneleistung ein- herging. Stiefel wirft in diesem Zusammenhang die Frage auf, inwieweit die österrei- chische Bevölkerung und öffentliche Institutionen gegen die Entnazifizierung Wider- stand geleistet haben. Er bemerkt dazu, dass es schon beachtlich sei, wie viele Wi- derstandskämpfer sowie Antifaschisten ehemaligen Nationalsozialisten und somit ihren Gegnern eine „weiße Weste“17 bescheinigten.18

Die Entnazifizierung in Österreich, die sich über einen Zeitrahmen von zwölf Jahren erstreckte, lässt sich in fünf Phasen einteilen:

1. Die militärische Sicherheitsphase (April 1945 bis Juni 1945), in der es zu In- ternierung seitens der Alliierten kam; 2. die Phase der autonomen Entnazifizierung durch die vier Besatzungsmächte sowie der österreichischen Regierung (Juni 1945 bis Februar 1946); 3. im Jahr 1945 kam es zum Erlass verschiedener Gesetze, welche Einfluss auf die Entnazifizierung hatten. Es waren dies das Verbotsgesetz, das Wirt- schaftssäuberungsgesetz und das Kriegsverbrechergesetz. In dieser Phase (Februar 1946 bis Februar 1947) wurde der österreichischen Regierung die al- leinige Entnazifizierungskompetenz für das ganze Land übertragen. Die Sie- germächte beschränkten sich ab diesem Zeitpunkt auf die Kontrollfunktion; 4. in der vierten Phase (Februar 1947 bis Mai 1948) fand die österreichische Entnazifizierung auf der Grundlage des Verbotsgesetzes (Nationalsozialisten- gesetz) von 1947 statt – die Entnazifizierungsmaßnahmen wurden durchge- führt und abgeschlossen;

16 Vgl. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands: Entnazifizierung in Österreich. 17 Stiefel: Forschungen zur Entnazifizierung, S. 51. 18 Vgl. ebd., S. 50f.

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5. diese letzte Phase war jene der Amnestien und erstreckte sich von 1948 bis 1957.19

Speziell in den ersten Nachkriegsjahren sollte den aktiven NationalsozialistInnen die Tragweite ihrer Handlungen bewusst gemacht werden. Nach Kriegsende waren die Gräueltaten noch eindrucksvoll in den Köpfen der Siegermächte vorhanden. Zu die- sem Zeitpunkt forderten sie auch drakonische Strafen für Personen, die sich unter- schiedlicher Verbrechen schuldig gemacht hatten. Die NationalsozialistInnen sollten genauso behandelt werden, wie sie ihre Feinde behandelt hatten. Diese Einstellung veränderte sich im Laufe der Nachkriegsjahre und je weiter die Kriegsjahre entrück- ten, desto milder fielen auch die Urteile aus, die über die Beschuldigten verhängt wurden.20

1.2 Maßnahmen zur Entnazifizierung der JournalistInnen in der Presse nach 1945

Den JournalistInnen selbst war (speziell im Wiener Raum) nach dem Ende des Zwei- ten Weltkriegs daran gelegen, neben den staatlichen Entnazifizierungsmaßnahmen auch innerhalb der eigenen Reihen mittels interner Untersuchungsausschüsse Ent- nazifizierungen durchzuführen. Bereits in den ersten Maitagen des Jahres 1945 kam es in Wien zur Gründung einer Journalistengewerkschaft. Die Organisation führte mittels Fragebogen Erhebungen über eine ehemalige NSDAP-Mitglied- bzw. Anwär- terschaft unter ihren aufnahmewilligen KollegInnen durch.21 Die Journalistengewerk- schaft wollte erreichen, dass „alle in Zeitungen, Zeitschriften, öffentlichen Presse- diensten und dergleichen tätigen Journalisten der Gewerkschaft angehören müssen, die gemeinsam mit den kompetenten Staatsstellen auch über deren Zulassung ent- scheidet“.22 In einem im März 1946 verfassten Schreiben an Bundeskanzler Leopold Figl bekannte sich die Journalistengewerkschaft ausdrücklich zu der vom Alliierten- Rat geforderten demokratischen Grundhaltung sowie im Besonderen zum Kampf

19 Vgl. Stiefel: Forschungen zur Entnazifizierung. S. 44f. 20 Vgl. ebd., S. 45f. 21 Vgl. Hausjell, Fritz: Die mangelnde Bewältigung des Vergangenen. Zur Entnazifizierung und zum Umgang von Journalistinnen und Journalisten mit der nationalsozialistischen Vergangenheit nach 1945. In: Fabris, Heinz u. Hausjell, Fritz (Hg.): Die vierte Macht: zu Geschichte und Kultur des Journa- lismus in Österreich seit 1945, 1991, S. 30. 22 Neues Österreich, 8.5.1945, S. 2. In: Hausjell: Die mangelnde Bewältigung des Vergangenen, S. 32.

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gegen nationalsozialistische und großdeutsche Ideologien, welche als Vorausset- zung für die Erteilung der Pressefreiheit galten. Es sollten nur jene Personen Auf- nahme in die Gewerkschaft finden, die sich in keiner nationalsozialistischen Organi- sation betätigt bzw. sich nicht in leitender Position im Pressewesen befunden hat- ten.23

„Ausnahmen können nur dann gemacht werden, wenn besonders schwerwiegende Gründe vorliegen, etwa außerordentliche Verdienste um die Befreiung Österreichs oder dergleichen; darüberhinaus können Männer und Frauen nicht in die Gewerk- schaft aufgenommen werden, die, ohne Parteimitglieder oder Parteianwärter zu sein, sich an der nationalsozialistischen Propaganda beteiligt haben, indem sie als Res- sortleiter oder sonst in einer gehobenen Stellung in der Schriftleitung einer national- sozialistischen Tageszeitung oder politischen Zeitschrift tätig waren oder indem sie in Artikeln, Aufsätzen, Gedichten oder anderen Beiträgen für den Nationalsozialismus, den Krieg der Achsenmächte oder seiner Verlängerung eintraten.“24

Da sich auch JournalistInnen um die Aufnahme in die Journalistengewerkschaft be- mühten, die nicht den obengenannten Kriterien entsprachen bzw. um Personen, die den staatlichen Entnazifizierungsmaßnahmen entgehen wollten, genügte gegebe- nenfalls ein Orts- oder Spartenwechsel, die Zulegung eines Decknamens oder die oftmals praktizierte Selbstverleihung akademischer Titel.25

Inwieweit es in den übrigen Bundesländern gewerkschaftliche Untersuchungsaus- schüsse zur Entnazifizierung gab und falls ja, in welchem Umfang sie ihrer Tätigkeit nachgingen, konnte durch vorliegende Recherchen nicht eindeutig geklärt werden. Da es aber vorkam, dass der Bundesverband JournalistInnen ablehnte, welche be- reits Aufnahme in die Landesverbände gefunden hatten, lässt dies den Schluss zu, dass der Bundesverband eine strengere Entnazifizierungspraxis betrieb. Bekannt ist jedenfalls, dass es noch vor der Minderbelastetenamnestie der österreichischen Re- gierung im Jahr 1948 zur Aufnahme von NSDAP-Anwärtern in den Landesverbänden

23 Vgl. Hausjell: Die mangelnde Bewältigung des Vergangenen, S. 30f. 24 Brief an die österreichische Bundesregierung vom 6.3.1946. In: ebd., S. 31. 25 Vgl. ebd., S. 34.

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kam und in Vorarlberg außerdem bereits ehemalige NSDAP-Mitglieder Aufnahme fanden.26

Bereits im Spätsommer 1945 fand die erste Gewerkschaftsversammlung der oberös- terreichischen JournalistInnen statt. Außer dem Initiator Dr. Franz Lettner, der ab Ok- tober 1945 Chefredakteur und ab Juli 1946 Mitherausgeber der Oberösterreichischen Nachrichten war, nahmen an dieser Gründungssitzung Franz Pilsl, Dr. Walter Me- ditsch, Gustav Putz, Rafael Hualla und Rudolf Entinger teil. Mitgliedernnen der ersten Stunde waren u.a. Hans Fink, Rosa Pazelt, Dr. Josef Haider und Dr. Alois Ober- hummer.27 Einige dieser Mitglieder waren während des Zweiten Weltkrieges zumin- dest zeitweise für die gleichgeschaltete Presse tätig.28 Fairerweise muss jedoch an dieser Stelle angemerkt werden, dass dieser Umstand nicht unbedingt Auskunft über den Grad der tatsächlichen Identifikation mit dem NS-Regime geben muss.

Ob nun tatsächlich eine Mitgliedschaft in der Journalistengewerkschaft unmittelbar in der Nachkriegszeit Berufsvoraussetzung war, ging aus der verwendeten Literatur nicht eindeutig hervor.29 Erwiesen ist jedoch, dass bereits in den Jahren 1945 bis 1947 mehrere Personen mit NSDAP-Anwärter- oder Mitgliedschaft in der österreichi- schen Zeitungslandschaft tätig waren bzw. 37 Prozent in der Tagespresse beschäf- tigten Chefredakteure, Redakteure und freie Mitarbeiter der Jahre 1945 bis 1948 zu- mindest zeitweise unter dem NS-Regime oder im faschistischen Ausland als Schrift- stellerInnen oder JournalistInnen gearbeitet hatten.30

„So wie Journalisten und Journalistinnen vor allem in den fünfziger und sechziger Jahren einen wesentlichen Beitrag zum Verschweigen eines Teiles der österreichi- schen Geschichte geleistet haben, so wenig bzw. einseitig haben sie auch die eigene Vergangenheit aufgearbeitet.“31

26 Vgl. Hausjell: Die mangelnde Bewältigung des Vergangenen. S. 36f. 27 Vgl. Gustenau, Michaela: Mit brauner Tinte. Nationalsozialistische Presse und ihre Journalisten in Oberösterreich 1933-1945. In: Oberösterreichisches Landesarchiv (Hg.): Beiträge zur Zeitgeschichte Oberösterreichs.,1992, S. 212. 28 Vgl. ebd., S. 209 (Fink), S. 211 (Lettner), 248 (Hualla), S. 255 (Haider). 29 Vgl. Hausjell: Die mangelnde Bewältigung des Vergangenen. S. 34. 30 Vgl. ebd., S. 37. 31 Ebd., S. 38.

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Durch ein Abkommen vom Herbst 1946, das zwischen der Journalistengewerkschaft und der Regierung abgeschlossen wurde, kam es ab diesem Zeitpunkt zu keiner öf- fentlichen Berichterstattung über JournalistInnen, die zur Zeit des Nationalsozialis- mus vermeintlich oder tatsächlich tätig waren und somit durch ihre Beiträge zur Un- terstützung des NS-Regimes beigetragen haben. Etwaige diesbezügliche Anschuldi- gungen unterlagen einer internen, also vom Untersuchungsausschuss der Journalis- tengewerkschaft durchgeführten Prüfung und blieben somit der Öffentlichkeit vorent- halten.32

Der Umstand, dass ein doch hoher Anteil der NachkriegsjournalistInnen (37 Prozent) in den Jahren 1945 bis 1947 in der Presse Beschäftigten als „vorbelastet“ eingestuft werden kann, erklärt vermutlich die Tatsache, dass es bis in die 1960er Jahre keine JournalistInnen gab, die Erfahrungen mit der Zeit des Nationalsozialismus veröffent- lichten.33

„Die persönliche Verstrickung eines großen Teils der Nachkriegsjournalisten in den Nationalsozialismus sowie deren Nichtaufarbeitung der eigenen Vergangenheit be- hinderte bis weit in die 60er Jahre hinein wesentlich eine von der Presse getragene Aufklärung über die österreichische Mitverantwortung an Verbrechen des NS- Regimes.“34

Fritz Hausjell sah in der Berichterstattung der NachkriegsjournalistInnen eher eine Rechtfertigung für die persönliche Vergangenheit. Diese Ignoranz der individuellen- Rolle als „Schreibtischattentäter“35 verhinderte somit eine kritische Auseinanderset- zung mit der eigenen Vergangenheit und führte zu einer verzögerten Aufarbeitung der NS-Vergangenheit. 36

32 Vgl. Hausjell: Die mangelnde Bewältigung des Vergangenen. S. 38f. 33 Vgl. ebd., S. 39. 34 Ebd., S. 41. 35 Ebd., S. 39. 36 Vgl. ebd.

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1.3 Volksgerichte zur Entnazifizierung

Am 8. Mai 1945 trat das Gesetz zum Verbot der NSDAP sowie am 26. Juni 1945 das Kriegsverbrechergesetz in Kraft. In den vier Besatzungszonen wurden eigene Volks- gerichte zur Entnazifizierung eingerichtet. In Linz befand sich das Volksgericht für die amerikanische Besatzungszone, in Graz für die britische, Innsbruck war für die fran- zösische und Wien für die sowjetische Zone verantwortlich. Die Volksgerichte setzten sich aus drei LaienrichterInnen (SchöffInnen) und zwei BerufsrichterInnen zusam- men. Diese Sondergerichtsbarkeit existierte in der Zeit von 1945 bis 1955. In diesem Zeitraum wurde gegen 136.829 Personen ermittelt. Bei 13.607 Angeklagten kam es zu Schuldsprüchen. Verurteilt wegen nationalsozialistischer Gewaltverbrechen wur- den rund 2.000 Personen. Bei 269 Personen bestand das Strafausmaß in Kerker- strafen zwischen zehn und 20 Jahren. 29 Personen wurden zu lebenslanger Haft und 43 Angeklagte zum Tod verurteilt. Von den 43 zum Tod Verurteilten gelangten 30 zur Vollstreckung und zwei Verurteilte begingen vor der Exekution Selbstmord.37

Auffallend in diesem Zusammenhang ist der Unterschied der Zahl der zum Tode Verurteilten zwischen Wien und Linz: Das Volksgericht Wien in der russischen Be- satzungszone verhängte 27 Todesurteile, wovon es 25 Vollstreckungen und zwei Begnadigungen gab. In Linz waren es wesentlich weniger, nämlich nur drei. Tatsäch- lich kam es jedoch nur in einem Fall zur Exekution, die zwei übrigen zum Tode Verur- teilten wurden begnadigt.38 Diese eine Hinrichtung betraf Johann Ludwig, selbst KZ- Insasse, der als ehemaliger Funktionshäftling für schuldig befunden wurde, Mithäft- linge misshandelt zu haben. Sechs davon so schwer, dass sie an ihren Verletzungen starben.39

1949 erfolgte eine Überprüfung des Volksgerichts Linz durch einen Gerichtsinspek- tor. Er übte große Kritik an der Rechtssprechungspraxis des Volksgerichts und be- zeichnete diese in mehrfacher Hinsicht als „bedenklich“. So zeigte er auf, dass die Freisprüche im Verhältnis zu den Schuldsprüchen 60:40 betragen würden und eine

37 Vgl. Nachkriegsjustiz: Prozesse. Volksgerichte. URL: http://www.nachkriegsjustiz.at/prozesse/volksg/index.php, abgerufen am 21.2.2016. 38 Vgl. ebd. 39 Vgl. Nachkriegsjustiz: Die Höchsturteile des Volksgerichts Linz. URL: http://www.nachkriegsjustiz.at/prozesse/volksg/Hoechsturteile_VgLinz.php#Ludwig, abgerufen am 20.5.2018.

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Tendenz zu Freisprüchen erkennbar sei. Bei 40 Urteilen, in denen der Staatsanwalt eine Überprüfung veranlasst hatte, war es zu einer Aufhebung der Freisprüche durch den Obersten Gerichtshof gekommen.40

Claudia Kuretsidis-Haider und Winfried Garscha, die sich eingehend mit dem Linzer Volksgericht und dessen Rechtspraxis beschäftigt haben, kommen in ihren Analysen zu dem Schluss, dass es gegenüber den drei anderen Volksgerichten zu keinen we- sentlichen Unterschieden kam, jedoch schon ein gewisser Trend zu niedrigeren Stra- fen erkennbar war:41

„Auffällig ist allerdings die relative Milde der Richtersprüche, die sich in der Statistik im überdurchschnittlichen Anteil von Urteilen im untersten Strafrahmen und im unter- durchschnittlichen Anteil von Höchststrafen äußert.“42

Der Verband der Unabhängigen (VdU)43, die politische Vertretung des nationalen Lagers in Österreich, für den die von den Volksgerichten Verurteilten als „politische Gefangene“ galten sowie Regierungsmitglieder wie der parteilose Justizminister Jo- sef Gerö und Bundeskanzler Leopold Figl, Österreichische Volkspartei (ÖVP), setz- ten sich intensiv für die Einstellung der Volksgerichtsbarkeit ein. 1948 kam es zu ei- nem „Zwischenerfolg“: Wenn schon nicht das geforderte Ende dieser Sondergerichte erreicht werden konnte,44 so kam es doch 1948 auf Druck der beiden Großparteien Sozialistische Partei Österreichs (SPÖ) und ÖVP zu Amnestien, von denen zahlrei- che Verurteilte profitierten.45 Parallel dazu stellte das Jahr 1948 auch in der Recht-

40 Vgl. Kuretsisdis-Haider, Claudia u. Garscha, Winfried: Das Linzer Volksgericht. Die Ahndung von NS-Verbrechen in Oberösterreich nach 1945. In: Mayrhofer, Fritz u. Schuster, Walter (Hg.): National- sozialismus in Linz, Bd. 2, 2001, S. 1485. 41 Vgl. ebd., S. 1502. 42 Ebd. 43 Der VdU, Vorläufer der FPÖ und auch als „Sammelbecken“ ehemaliger NationalsozialistInnen be- zeichnet, kandidierte erstmals 1949. Der damalige Innenminister Oskar Helmer, SPÖ, unterstützte diese Parteigründung, in der Hoffnung, dass diese zur Schwächung der ÖVP führen würde. Vgl. Demokratiezentrum Wien: VdU. URL: http://www.demokratiezentrum.org/bildstrategien/oesterreich.html?index=3&dimension=, abgeru- fen am 20.8.2017. 44 Vgl. Kuretsidis-Haider u.Garscha: Das Linzer Volksgericht, S. 1472. 45 Vgl. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands: Entnazifizierung und Fahndung von NS-Verbrechen. URL: http://ausstellung.de.doew.at/m28sm123.html, abgerufen am 18.2.2016.

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sprechung der Volksgerichtsbarkeit eine Zäsur dar. Es fällt auf, dass ab jener Zeit kaum noch Strafen im oberen Bereich verhängt wurden.46

1.3.1 Strafverfolgung nach 1945 von nationalsozialistischen Gewaltverbrechen durch das Volksgericht Linz

Mit Februar 1946 waren erste gerichtliche Vorerhebungen soweit abgeschlossen, dass auch in Linz mit der Volksgerichtstätigkeit begonnen werden konnte.

„Das Oberlandesgericht Linz gibt bekannt, daß beim Landesgericht Linz zur Aburtei- lung der Nazi- und Kriegsverbrecher ein Volksgerichtssenat gegründet wurde.“47

Mit dieser Meldung auf der Titelseite der Oberösterreichischen Nachrichten vom 8. Februar 1946 wurde die Aufnahme der Tätigkeit der Volksgerichte in Linz verlautbart. Zusätzlich zu den bisherigen Volksgerichtssenaten in Wien, die für die sowjetische Besatzungszone zuständig waren, wurden ebensolche bei den Landesgerichten in Graz, Linz und Innsbruck eingerichtet. Diese bestanden aus zwei BerufsrichterInnen und drei SchöffInnen, die bestimmte NS- und Kriegsverbrechen aburteilten, da das Verbotsgesetz und das Kriegsverbrechergesetz auch außerhalb der sowjetischen Besatzungszone Gültigkeit erlangt hatte.48

Um eine gerechte Rechtsprechung zu gewährleisten, sollten nur jene Personen in den Volksgerichtssenat aufgenommen werden, die frei von einer nationalsozialisti- schen Vergangenheit waren.49

„Der nationalsozialistische Volksgerichtshof, der aus lauter fanatischen Parteigän- gern gebildet worden war, sprach dem Volksempfinden Hohn und fällte seine Blutur- teile zu Unrecht im Namen des Volkes. Daß diese Zeit endgültig überwunden ist, be- weisen die neuen Schöffenlisten.“50

46 Vgl. Vgl. Kuretsidis u. Garscha: Das Linzer Volksgericht, S. 1502. 47 Oberösterreichische Nachrichten: Bildung eines Volksgerichtssenates in Linz, 8.2.1946, S. 1. 48 Vgl. ebd. 49 Vgl. Volksblatt: Rechtsprechung durch Volksrichter, 19.2.1946, S. 2. 50 Ebd.

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Dazu mussten die drei politischen Parteien Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ), SPÖ und ÖVP ebenfalls ihren Beitrag leisten. Sie erarbeiteten Namenslisten von LaienrichterInnen. In den Listen waren jeweils 15 HauptschöffInnen sowie sieben ErgänzungsschöffInnen enthalten. Es sei hier ein kurzer Blick auf die Geschlechter- zusammensetzung der SchöffInnen gestattet: So fand sich bei der ÖVP keine einzige Frau, bei der SPÖ schien immerhin eine Ergänzungsschöffin auf und bei der KPÖ fanden sich drei Hauptschöffinnen und zwei Ergänzungsschöffinnen auf der Liste.51

Die Volksgerichte hatten über Verstöße gegen das Verbotsgesetz vom 8. Mai 1945 sowie gegen das Kriegsverbrechergesetz vom 26. Juni 1945 zu urteilen.52 Diese be- inhalteten Verbrechen wie „Hochverrat durch Mitgliedschaft in der illegalen NSDAP vor 1938 oder andere Formen der Vorbereitung des ‚Anschlusses‘, Ausübung be- stimmter Funktionen im NS-Regime, ferner Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit (worunter Quälereien, Misshandlungen und Verletzungen der Menschenwürde ebenso fielen wie Denunziation oder missbräuchliche Bereicherung durch ‚Arisierung‘).“53

Bis jedoch tatsächlich die erste Verhandlung vor dem Volksgericht Linz stattfand, vergingen drei Monate. Am 10. Mai 1946 war es dann soweit. Zwei von vier Linzer Tageszeitungen informierten über dieses Ereignis.54 Diesbezüglich Berichterstattun- gen fanden sich in der kommunistischen Neue Zeit55 und im sozialdemokratischen Tagblatt56. In diesem Prozess musste sich der ehemalige „illegale“ Ortsgruppenleiter Linz/Altstadt wegen des Verbrechens des Hochverrats verantworten. In der ersten Verhandlung erklärte Staatsanwalt Dr. Größwang „den Unterschied zwischen dem Volksgerichtshof der nationalsozialistischen Aera und dem Volksgericht des demo- kratischen Österreich“.57

51 Vgl. Volksblatt: Rechtsprechung durch Volksrichter, 19.2.1946, S. 2. 52 Vgl. Stiefel: Forschungen zur Entnazifizierung, S. 45. 53 Garscha, Winfried u. Kuretsidis-Haider, Claudia: Traurige Helden der inneren Front. Die Linzer Ta- gespresse und die Anfänge der gerichtlichen Ahndung von NS-Verbrechen in Oberösterreich 1945/46. In: Schuster, Walter u.a. (Hg.) Historisches Jahrbuch der Stadt Linz 2003/2004: Stadtarchiv und Stadtgeschichte. Forschungen und Innovationen. Festschrift für Fritz Mayrhofer zur Vollendung seines 60. Lebensjahres, 2004, S. 562. 54 Vgl. ebd., S. 568. 55 Neue Zeit: Hochverräter und Denunzianten stehen vor dem Richter, 13.5.1946, S. 2. 56 Tagblatt: Ein würdiger Jünger des Herrn Eigruber, 11.5.1946, S. 2. 57 Vgl. ebd.

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Im Mühlviertler Boten fand sich zwar kein Artikel über das erste Gerichtsverfahren in Linz, jedoch berichtete die Zeitung am 21. Mai 1946 über eine Anklage wegen Hoch- verrats aufgrund des Verbotsgesetzes.58

Gänzlich fehlte die Prozessberichterstattung in der Wochenzeitung Der Mühlviertler. Recherchen im Zeitraum vom 2. Mai bis 20. Juni 1946 brachten in dieser Hinsicht kein Ergebnis.

1.3.2 Geschworenengerichte: Strafverfolgung nationalsozialistischer Gewalt- verbrechen nach 1955

Die Volksgerichte versahen zehn Jahre ihren Dienst, bis sie im Jahr 1955 abge- schafft und die Ahndung von nationalsozialistischen Gewaltverbrechen an Geschwo- renengerichte übertragen wurde. Von 1955 bis 1975 kam es in 46 Fällen zu Ver- handlungen vor den Geschworenengerichten, in denen 18 Personen für schuldig be- funden wurden.59 Der letzte Prozess wegen nationalsozialistischer Gewaltverbrechen fand 1975 in Wien gegen Johann Vinzenz Gogl statt, indem es zu einem Freispruch kam60 und der, wie noch in einem eigenen Kapitel dieser Arbeit dargelegt wird, im In- und Ausland großes Interesse hervorrief.

1.4 Entnazifizierungsgesetze – die Reaktion der Printmedien

In den untersuchten Zeitungen fanden sich kontinuierlich Artikel, in denen die Verfol- gung der großen Kriegsverbrecher sowie der nationalsozialistischen Führungselite befürwortet wurde. Diese Akzeptanz fehlte jedoch oftmals, wenn Angeklagte sich nach Meinung der JournalistInnen nichts weiter zu Schulden kommen haben lassen, außer sich systemkonform zu verhalten. So verteidigte beispielsweise Der Mühlviert- ler in seinen Artikeln wiederkehrend die „kleinen Nazis“, die nur die ihnen auferlegte Pflicht erfüllt hätten und deshalb im Vergleich zu den tatsächlichen Kriegsverbre- chern die Strafe unverhältnismäßig hoch sei. Zur Kritik gelangte außerdem die unge-

58 Vgl. Mühlviertler Bote: Illegalität erschwindelt…?, 13.5.1946, S. 2. 59 Kuretsisdis-Haider u. Garscha: Das Linzer Volksgericht, S. 1469. 60 Vgl. John, Michael: In den Köpfen und im Stadtbild – zum Umgang mit Hitlers Spuren in Linz. In: Zeitgeschichte 4: Stadt und Erinnerung: Zum Umgang mit der NS-Vergangenheit in österreichischen und deutschen Städten, 39. Jahrgang, Juli/August 2012, S. 280 u. S. 288.

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rechtfertigt hohe Anklagerate, welche auf die Entnazifizierungspolitik der Alliierten zurückgehe, da sie zögerten, das von der Regierung ausgearbeitete Entnazifizie- rungsgesetz zu verabschieden.61

„Die Stimme und das Gewissen des Volkes erwarten und verlangen vom Volksge- richtshof [!] gerechte Strafe und Sühne für die wirklich Schuldbeladenen und Schul- digen im Sinne des Gesetzes. Volkesstimme und Volksgewissen aber lehnen eine Verfolgung Hunderttausender ab, die sich heute rückhaltlos in den Dienst des Volkes und in den Aufbau des Vaterlandes stellen, zu dem sie zurückgefunden haben, und die heute vielleicht schon bessere Österreicher sind, als manche die ihr Österreicher- tum nach außen hin nicht genug betonen können.“62

Neben den vorhin genannten Rechtfertigungen für den „kleinen Nazi“ und oftmaligem Mitschwingen der Opferthese in den Artikeln, hat es sich die Zeitung zur Aufgabe gemacht, vor der ihrer Meinung nach größten politischen Gefahr, dem Kommunismus (gefährlicher noch als der Nationalsozialismus), hinzuweisen:63

„Die bisher gefällten Urteile gegenüber den Nationalsozialisten sind im Verhältnis zum Nürnberger Prozess zu hart. Wenn man den größten Verräter dieses Jahrhun- derts, Papen, freispricht, dann muß man den Mut haben, sich gegen die Demagogie von Links zu Wehr zu setzen, die jeden Nationalsozialisten, der nicht Kommunist werden will, am Galgen sehen möchte. Wenn wir den Rechtsfaschismus über- wunden haben, werden wir es nicht zulassen, daß in Österreich ein noch schlimmerer Linksfaschismus ans Ruder kommt.“64

Im Dezember 1946 informierte Der Mühlviertler im Leitartikel „Die Sühne ist hart“ über die geforderten Zusätze des Alliierten Rates bezüglich des Entnazifizierungsge- setzes. Besondere Kritik wurde an der langen Zeitspanne geübt, die seit Ende des

61 Vgl. Der Mühlviertler: Weniger Fehlurteile!, 12.12.1946, S. 1. 62 Ebd. 63 Vgl. ebd. 64 Der Mühlviertler: Gerechtigkeit auch für ehemalige Nationalsozialisten!, 5.12.1946, S. 3. (Hervorhe- bung im Original). Dieser Artikel erschien in der gleichen Ausgabe vom Der Mühlviertler, in der auch auf S. 5 über die Mühlviertler Hasenjagd („Die Mühlviertler Hasenjagd vor dem Volksgericht“) berichtet wurde.

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Krieges vergangen sei und in der es nicht möglich war, sich auf eine endgültige Fas- sung zu einigen:65

„Seit langen Monaten geistert ein unschönes Wort durch die Zeitungen: Entnazifizie- rung. Eineinhalb Jahre sind seit dem Zusammenbruch des Großdeutschen Reiches vergangen und noch immer war keine klare rechtliche Grundlage für die Bestrafung der ehemaligen Parteiangehörigen und Förderer des nationalsozialistischen Gedan- kens gegeben.“66

In diesem Zusammenhang wurde auch Radio Moskau zitiert, das in einem Beitrag die österreichische Regierung für die schleppende Entnazifizierung verantwortlich machte und ihr sogar unterstellte, sie zu verhindern oder gar zu blockieren:67

„Wollen die leitenden österreichischen Staatsmänner, die bei ihrer Übernahme mit großen Versprechungen dem Volke gegenüber nicht sparten versuchen, die ganze Welt einschließlich der alliierten Mächte, zu düpieren und die Überreste des Nazire- gimes schützen oder wollen sie das Land zu einer wirklichen Demokratie führen? Alles gibt der Annahme Anlaß, daß es die erste dieser Lösungen ist, welcher die der- zeitigen Führer des österreichischen Volkes zustreben.“68

Nach einem erfolgten [und von der Zeitung begrüßten] Freispruch des Linzer Volks- gerichts an einem des Hochverrats Angeklagten forderte Der Mühlviertler abermals eine mildere Handhabung des Verbots- und Kriegsverbrechergesetzes bzw. dessen Novellierung. Die bestehenden Gesetze würden Richter in Gewissenskonflikte brin- gen. Einerseits wären sie von der Schuld mancher Angeklagter überzeugt. Die dafür vorgesehenen Strafen empfänden sie jedoch als unangemessen hoch:69

„Diese Haltung zeugt nicht nur von einem starken, lauteren Charakter, sondern auch von hohem persönlichen Verantwortungsbewußtsein und Mut der an diesem Frei- spruch beteiligten Volksrichter. Was sollte der Richter auch tun? Nach dem starren

65 Vgl. Der Mühlviertler: Die Sühne ist hart, 19.12.1946, Seite 1. 66 Ebd. 67 Vgl. Der Mühlviertler: Verschärfung des Nazigesetzes?, 12.12.1946, S. 2. 68 Ebd. 69 Vgl. Der Mühlviertler: Freispruch nach dem Gewissen, 25.9.1947, Seite 1.

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Buchstaben des Gesetzes mußte er den Angeklagten zu einer mehrjährigen Kerker- strafe verurteilen oder freisprechen. Einen Mittelweg gab es nicht.“70

70 Der Mühlviertler: Freispruch nach dem Gewissen, 25.9.1947, S. 1.

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2 Medien in der Nachkriegszeit

Bereits vor der offiziellen Kapitulation Deutschlands am 8. Mai 194571 erschien am 15. April 1945 in Wien die von der Roten Armee herausgegebene Österreichische Zeitung mit dem Untertitel Frontzeitung für die Bevölkerung Österreichs. Erschei- nungsweise des Blattes war anfangs einmal, kurze Zeit danach zweimal und ab 1. September 1945 sechsmal pro Woche.72

Am 23. April 1945 gründeten die KPÖ, ÖVP und die SPÖ die erste österreichische Nachkriegszeitung, das Neue Österreich. Als Chefredakteur fungierte der Kommunist Ernst Fischer, prominente Herausgeber waren u.a. Leopold Figl (ÖVP) und der Schauspieler Paul Hörbiger.73 Fast 18 Jahre lang änderte sich an dieser Zusammen- setzung nur wenig, bis die Zeitung im Jahre 1963 an einen Privatverlag verkauft wur- de und Ende Jänner 1967 zum letzten Mal erschien.74

2.1 Rolle und Funktion der Medien unmittelbar nach Kriegsende in Oberösterreich

Die US-amerikanische Besatzungsmacht verfolgte nach dem Zweiten Weltkrieg das Ziel einer umfassenden Demokratisierung Deutschlands und Österreichs, in gesell- schaftlicher wie politischer Hinsicht. Jeder Bereich und alle Ebenen sollten von fa- schistischen und nationalsozialistischen Strömungen und Tendenzen „gereinigt“ und in der Folge dafür gesorgt werden, dass diese Ideologie in Zukunft bei der Bevölke- rung auf keinen fruchtbaren Boden mehr fiel. Um das Vorhaben der Installation einer demokratischen Kultur auch umzusetzen, war eine komplette und rigorose Neu- und Umgestaltung der Medienlandschaft geplant. Zivile sowie militärische US- amerikanische Planungsstäbe verfassten zu diesem Zweck ein dreistufiges Modell, in dem als erstes ein absolutes Verbot für alle Medienveröffentlichungen in den besetz-

71 Vgl. Geschichte Österreich: Die Zweite Republik (1945 – heute). URL: http://www.geschichte-oesterreich.com/1945-heute/, abgerufen am 29.8.2016. 72 Vgl. Hausjell, Fritz: Journalisten gegen Demokratie oder Faschismus. Eine kollektiv-biographische Analyse der beruflichen und politischen Herkunft der österreichischen Tageszeitungsjournalisten am Beginn der Zweiten Republik (1945-1947), Teil 1, 1989, S. 196f. 73 Vgl. ORF: Zensur und Kontrolle durch die Alliierten. URL: http://orf.at/stories/2275815/2275893/, abgerufen am 29.8.2016. 74 Vgl. Garscha u. Kuretsidis-Haider:„Traurige Helden der Inneren Front“, S. 564.

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ten Gebieten ausgesprochen wurde. In einem zweiten Schritt sollte es zur Versor- gung der Bevölkerung mit Informationen seitens der Besatzungsmacht in Form von Heeresgruppenblättern kommen. Und die dritte und abschließende Phase sah eine beschränkte Pressefreiheit in Form von Lizenzerteilungen zur Herausgabe von Zei- tungen an politisch zuverlässige Personen vor. Von dieser totalen Neustrukturierung waren auch jene Zeitungen betroffen, die am Anfang bzw. während der NS- Herrschaft mit einem Erscheinungsverbot belegt wurden. Ziel dieser Maßnahmen war der vollständige Bruch in personeller wie in institutioneller Hinsicht. Dieses Vor- haben war jedoch nicht so ohne Weiteres umzusetzen, da es in Bezug auf unbelas- tete JournalistInnen und qualifizierte VerlegerInnen zu Engpässen kam. Zusätzlich zu diesen kamen auch noch technische Schwierigkeiten, wie beispielsweise die Be- schaffung von intakten Druckereimaschinen sowie die Suche nach geeigneten (un- beschädigten) Räumlichkeiten.75

2.1.1 Maßnahmen zur Entnazifizierung der Medienlandschaft

Eine umfangreiche Liste jener Personengruppen, die nicht für eine Mitarbeit in der künftigen Medienlandschaft in Frage kamen, lässt erahnen, wie schwierig sich die Rekrutierung geeigneten Personals gestaltete. So war geplant, falls eine Zugehörig- keit zu einer von ehemals 171 nationalsozialistischen Einrichtungen festgestellt wur- de, diese Person entlassen und keine weitere Verwendung finden sollte.76 Dazu er- folgte eine Einteilung in drei Kategorien:

„Militaristen“77

Dieser Gruppe wurden alle zugeordnet, denen es möglich wäre, militärische Wert- vorstellungen weiterzuführen bzw. in der Gesellschaft wieder zu verankern. Dies be-

75 Vgl. Tweraser, Kurt: Hans Behrmanns Glück und Ende. Anmerkungen zur amerikanischen Presse- politik am Beispiel der „Oberösterreichischen Nachrichten“ 1945-1948. In: Mayrhofer, Fritz u. Schus- ter, Walter (Hg.): Entnazifizierung und Wiederaufbau in Linz, Historisches Jahrbuch der Stadt Linz, 1996, S. 277f. 76 Vgl. Rathkolb, Oliver: US-Medienpolitik und die „neue“ österreichische Journalistenelite. In: Fabris, Heinz u. Hausjell, Fritz (Hg.): Die vierte Macht: zu Geschichte und Kultur des Journalismus in Öster- reich seit 1945, 1991, S. 4. 77 Ebd., S. 52.

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traf auch Berufsoffiziere des Österreichischen Bundesheeres und der Deutschen Wehrmacht.78

„Erz-Nazi Sympathisanten“79

„Um festzustellen, ob Personen, die nicht Mitglieder der Nationalsozialistischen Par- tei waren und daher nicht (automatisch) in die Kategorie der zwangsweise zu entlas- senden oder aus anderen Gründen zu ächtenden fallen – in die Kategorie der ‚Erz- Nazi-Sympathisanten‘ einzureihen sind, gelten die folgenden, auf einen zweifelhaften politischen Charakter einer Person hindeutenden Fakten […]“80

Diese Kategorie bestand ebenfalls wieder aus 14 Untergruppen, in die beispielswei- se hohe Beamte (Ernennung nach März 1938), DenunziantInnen von Gegnern des NS- oder faschistischen Regimes, Nutznießer von Arisierungen, hohe Funktionäre des Roten Kreuzes (nur politisch zuverlässige kamen in diese Positionen), Spende- rInnen großer Geldbeträge an die NSDAP, Personen, die nach dem März 1938 schnelle Beförderungen im Schulwesen, öffentlichen Dienst und in der Presse auf- wiesen und ArbeitnehmerInnen, die zur Bekanntmachung von faschistischem oder nationalsozialistischem Gedankengut beschäftigt waren, fielen.81

„Faschisten“82

Die Einbeziehung dieser Personengruppe sollte eine Kontrolle „ständestaatlicher“ Mitglieder und Sympathisanten gewährleisten. Es war vorgesehen, dass Angehörige der Vaterländischen Front, der sowie Regierungsbeamte in der Zeit von 1934 bis 1938 vor Einstellung bzw. Weiterbeschäftigung in einflussreichen öffentli- chen und zivilen Arbeitsverhältnissen einer genauen Überprüfung bezüglich ihrer po- litischen Einstellung unterzogen werden.83

Jene Richtlinien für den Medienbereich unterschieden sich nicht wesentlich von den allgemeinen Entnazifizierungsrichtlinien, waren aber ausgeweitet auf eine dritte

78 Vgl. Rathkolb: US-Medienpolitik und die „neue“ österreichische Journalistenelite, S. 52f. 79 Ebd., S. 53. 80 Ebd. 81 Vgl. ebd. 82 Ebd., S. 54. 83 Vgl. ebd.

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Gruppe, nämlich jene der SympathisantInnen und Mitglieder des autoritären „Stän- destaates“ in Österreich von 1934 bis 1938.84

Wie oben bereits dargestellt und sich auch im Laufe dieser Arbeit zeigen wird, ist es nicht gelungen, ausschließlich JournalistInnen zu beschäftigen, auf welche die vorhin erwähnten Kriterien zutrafen. Obwohl Tageszeitungen regelmäßig Namenslisten von entlassenen Personen verschiedener Berufsgruppen veröffentlichten, die aufgrund von Entnazifizierungsmaßnahmen gekündigt wurden, traf dies für den eigenen Sek- tor kaum zu. Im Herbst 1946 berichtete jedoch die Presse über KollegInnen, die ver- dächtigt wurden, bereits für das NS-Regime tätig gewesen zu sein. Daraufhin ent- schlossen sich Journalistengewerkschaft und die Pressechefs der drei politischen Parteien, bis zur Klärung des Sachverhalts keine weiteren Berichte über Entnazifizie- rungen in Journalistenkreisen zu veröffentlichen.85

2.1.2 Geplante Umerziehung mittels Medien: Von der Diktatur zur Demokratie

Im Mai 1945 erfolgte mittels Decree No 10 die völlige Kontrolle über alle Veröffentli- chungen in den Zeitungen, des Rundfunks, der Nachrichtendienste, der Filme sowie der Musik- und Theaterveranstaltungen. Bei Publikationen ohne Genehmigung droh- ten harte Strafen. Mit diesem allumfassenden Verbot aller Veröffentlichungen sollte die erste Phase, die „Stunde Null“86, eingeleitet werden, die eine totale Erneuerung der Medienlandschaft in den besetzten Gebieten zum Ziel hatte.87 Ab 15. Mai 1945 standen amerikanische Medieneinheiten, die sich aus 95 Militärs und zwanzig Zivilis- ten zusammensetzten, unter der Führung von US-General Arthur J. McChrystal für ihre Aufgabe, der Neugestaltung der Presselandschaft, bereit. Um diese Mission zu beginnen, mussten jedoch zuerst Genehmigungen unterschiedlicher Armee- Einrichtungen eingeholt werden.88

Tags zuvor am 14. Mai 1945 hatte sich eine Vorausabteilung des Information Service Branch (ISB), bestehend aus vier Amerikanern (Militär- und Zivilpersonen) von Salz- burg nach Linz begeben, um sich nach geeigneten Räumlichkeiten und technischen

84 Vgl. Rathkolb: US-Medienpolitik und die „neue“ österreichische Journalistenelite, S. 54. 85 Vgl. Hausjell: Journalisten gegen Demokratie und Faschismus, Teil 1, S. 332f. 86 Rathkolb: US-Medienpolitik und die „neue“ österreichische Journalistenelite, S. 56. 87 Vgl. ebd. 88 Vgl. Tweraser: Hans Behrmanns Glück und Ende, S. 280-282.

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Geräten umzusehen, die für die Herausgabe einer Zeitung vonnöten waren. Da Linz zu dieser Zeit dem Stadtkommandanten Major Liakos von der 3. Armee unterstand und die Mitarbeiter des Informationsdienstes keine schriftliche Erlaubnis vorweisen konnten (nur die zuständige Besatzungsarmee durfte Bedarf an Zeitungen anmelden und sie dann auch gründen), mussten sie sich dessen Wohlwollen ausliefern. Diese Umstände führten dazu, dass sie ihre Mission nur sehr eingeschränkt ausführen konnten. Mit 30. Mai 1945 erschien die erste von zwei Ausgaben der Wochenzeitung des Österreichischen Kuriers. Geplant war anfänglich seitens des Information Servi- ce Branch die Herausgabe einer Wochen- und einer Tageszeitung, die jedoch an der Vorgabe der Militärs, entweder eine Tageszeitung oder eine Wochenzeitung zu pub- lizieren, scheiterte. Das Ergebnis war die Gründung der Tageszeitung die Salzburger Nachrichten mit Ersterscheinungsdatum 7. Juni 1945.89

Aber auch in Linz waren Kräfte am Werk, die auf eine Zeitungsherausgabe drängten. Einer dieser Befürworter war ein gewisser Dr. Heinrich Freiherr von Siegler.90 Die amerikanische Besatzungsmacht stimmte mit dem in Linz lebenden Siegler überein, der anregte, die alliierte Militärregierung um Bewilligung zur Herausgabe einer par- teipolitisch unabhängigen Zeitung zu ersuchen. Nach dessen Meinung würde eine Zeitung dieses Formats einen wichtigen Bestandteil für die Demokratieerziehung der ÖsterreicherInnen darstellen.91

„In Linz erscheint derzeit keine Tageszeitung obwohl die Bevölkerung und die Lan- deshauptmannschaft dies zweifellos sehr wünschen würden…Schließlich gehört das Vorhandensein einer eigenen Presse zu den ersten Voraussetzungen der Wiederauf- richtung eines demokratischen österreichischen Staatsbewußtseins. Der von der 12. Heeresgruppe in Salzburg herausgegebene ‚Österreichische Kurier‘, der gleichzeitig für Salzburg, Tirol und Oberösterreich scheinbar nur 1 oder 2mal wöchentlich er- scheint ist …unzureichend, da er in den Nachrichten nicht genügend aktuell ist.“92

Als weiteres Argument für eine eigene neutrale Zeitung führte Siegler die Absicht der alliierten Militärregierung an, dass erst nach Herstellung von geordneten Verhältnis-

89 Vgl. Tweraser: Hans Behrmanns Glück und Ende, S.282. 90 Tweraser vermutete hinter dem Namen ein Pseudonym. Vgl. ebd., FN 26, S. 284. 91 Vgl. ebd., S. 284f. 92 Ebd., S 285.

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sen den Parteien die Herausgabe von Zeitungen erlaubt werden würde. Diesen Um- stand betrachtete der Informant auch als größtes Problem, denn niemand war im Stande, die weitere Entwicklung Österreichs vorauszusagen. Um das Informations- defizit auszugleichen und ein Demokratiebewusstsein in der oberösterreichischen Bevölkerung zu verankern, sah er in der Publikation einer unabhängigen Zeitung das geeignete Mittel.93

2.2 Tageszeitungen

Nachdem der erste Schritt des totalen Medienverbots seitens der Alliierten Mächte abgeschlossen war, konnte mit der nächsten Phase, der Implementierung einer von den Siegermächten kontrollierten Zeitungslandschaft, begonnen werden.94 Nachdem im Juni 1945 erstmals eine von den US-Behörden geführte oberösterreichische Ta- geszeitung erschien,95 wurde die Erlaubnis mit Oktober 1945 weiter ausgedehnt. Da- von profitierten vor allem die drei Parteien KPÖ, ÖVP und SPÖ.96

2.2.1 Oberösterreichischen Nachrichten. Herausgegeben von der 12. Heeres- gruppe für die Bevölkerung Oberösterreichs.

Um das Vorhaben in der von Kriegswirren gekennzeichneten Landeshauptstadt auch praktisch umzusetzen, waren infrastrukturelle Maßnahmen unumgänglich. Freiherr von Siegler verfügte auch diesbezüglich über Insiderwissen. Er hatte sich bereits Gedanken über die Umsetzung des Vorhabens gemacht und schlug für den Druck die einzige noch intakte und über geeignete Druckmaschinen verfügende Firma Wimmer KG vor. Um deutlich zu machen, dass diese neue Zeitung keine Nähe zu den drei vormals erschienen Linzer Tageszeitungen (Arbeitersturm, Volksstimme, Oberdonau-Zeitung)97 aufwies, sollte im Titel unbedingt das Wort „Österreich“ auf- scheinen. Auch um die Frage nach geeigneten MitarbeiterInnen hatte sich der um-

93 Vgl. Tweraser: Hans Behrmanns Glück und Ende, S.285. 94 Vgl. Rathkolb: US-Medienpolitik und die „neue“ österreichische Journalistenelite, S. 52. 95 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten, 11.6.1945, S. 1. 96 Vgl. Garscha u. Kuretsidis-Haider: Traurige Helden der inneren Front, S. 564. 97 Vgl. Gustenau: Mit brauner Tinte, S. 109.

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sichtige Informant Gedanken gemacht. So schlug er neben elf anderen Personen Wilhelm Salzer98 und Franz Lettner99 vor.100

Mit der Beschlagnahme der Druckerei Wimmer KG (Herausgeberin der Tages-Post, die als „getarntes“ 101 NS-Blatt einzureihen war), kam es zur Einleitung erster Schrit- te, die die Veröffentlichung einer Armeezeitung der 12. Heeresgruppe in Linz ermög- lichen sollte. Mit der Gründung beauftragt wurde der zivile Armeebeamte Albert W. Reid, der bereits Erfahrungen auf dem Gebiet der Zeitungsherausgabe besaß. Als Chefredakteur fungierte bis Anfang September 1945 der in der deutschen Sprache versierte Feldwebel Helmuth Mayer. Der ausgebildete Journalist Arnold Barach ver- sah als Presseoffizier seinen Dienst und für den wirtschaftlichen Bereich übernahm Samuel Firestone die Verantwortung.102

Am 11. Juni 1945 war es dann soweit: Zum Preis von 15 Pfennig erschien die erste Ausgabe der Oberösterreichischen Nachrichten. Herausgegeben von der 12. Hee- resgruppe für die Bevölkerung Oberösterreichs. Diese Tageszeitung gelangte mit einer Auflagenzahl von 60.000 sechsmal in der Woche zur Publikation.103

Da die Personalsituation auf dem Zeitungssektor aufgrund der Entnazifizierungsbe- stimmungen eine sehr eingeschränkte war, sahen sich die amerikanischen Presseof- fiziere genötigt, auf JournalistInnen zurückzugreifen, die ihren Beruf bereits während der Zeit des Nationalsozialismus ausgeübt hatten.104 Dennoch überrascht es, dass

98 Salzer, Jahrgang 1886, war von 1920 bis 1922 als verantwortlicher Redakteur der christlich-sozialen Oberösterreichischen Arbeiterzeitung und vor 1938 als Mitarbeiter bei der gleichfalls christlich-sozialen Neuen Warte am Inn beschäftigt. 1923 und 1927 erfolgte seine Wahl zum Gemeinderat in Linz. Wäh- rend der Zeit des „Ständestaates“ übte er die Funktion eines Gewerkschaftssekretärs aus. Zu Beginn des NS-Regimes wurde er verhaftet und arbeitete nach seiner Entlassung als Bauschreiber. Danach folgte sein Einzug zur deutschen Wehrmacht. Nach dem Krieg war Salzer von Juni bis Oktober 1945 Teil des Redaktionsteams der Oberösterreichischen Nachrichten. Vgl. Gustenau: Mit brauner Tinte, S. 210f. 99 Dr. Franz Lettner, Jahrgang 1899, versah von 1920 bis 1938 zeitweilig beim sozialdemokratischen Tagblatt seinen Dienst. Mit Dezember 1938 fand er eine Anstellung als freier Mitarbeiter bei der Ta- ges-Post. Ab 1940 wurden ihm bei dieser Zeitung die Bereiche Gaunachrichten, Wirtschaft und Sport übertragen. Vgl. ebd., S. 211f. 100 Vgl. Tweraser: Hans Behrmanns Glück und Ende, S.285. 101 Gustenau: Mit brauner Tinte, S. 70. 102 Vgl. Tweraser: Hans Behrmanns Glück und Ende, S.282. 103 Vgl. ebd. 104 Vgl. ebd., S.284.

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gerade bei den Oberösterreichischen Nachrichten in der Zeit von 1945 bis 1947 mehr als die Hälfte der Redakteure in der gleichgeschalteten Presse tätig waren – zumal diese hohe Beschäftigungsquote um einiges über dem Durchschnitt „belasteter“ Per- sonen lag, die für andere österreichische Tageszeitungen in diesen Jahren arbeite- ten. Durch diesen Umstand rangierten die Oberösterreichischen Nachrichten öster- reichweit an oberster Stelle.105 Zur Verdeutlichung seien nachstehend einige Mitar- beiter der von den US-Behörden geführten Oberösterreichischen Nachrichten er- wähnt, die aufgrund ihrer Beschäftigung bei nationalsozialistischen Medien als „be- lastet“ galten.

Der Sozialdemokrat Franz Lettner gehörte wie Wilhelm Salzer und Franz Pilsl106, ab Juni 1945 zu den ersten Redakteuren der Oberösterreichischen Nachrichten. He- rausgegeben von der 12. Heeresgruppe für die Bevölkerung Oberösterreichs. Ab Oktober 1945 leitete Lettner das Redaktionsteam und wurde mit Juli 1946 Mither- ausgeber der Oberösterreichischen Nachrichten. Lettner war nicht nur journalistisch aktiv, sondern initiierte – wie bereits erwähnt – die erste Gewerkschaftsversammlung in Oberösterreich. Lettner verblieb bis zu seinem Tod 1952 bei den Oberösterreichi- schen Nachrichten.107

Mit Lettner, Salzer und Pilsl versahen drei „belastete“ Redakteure bei den Oberöster- reichischen Nachrichten. Herausgegeben von der 12. Heeresgruppe für die Bevölke- rung Oberösterreichs ihren Dienst. Diese Zeitung wies daher mit 75 Prozent den höchsten Prozentanteil an Redakteuren mit journalistischer NS-Erfahrung auf, der damit dreimal so hoch war wie in den übrigen österreichischen Zeitungen.108

Auch unter den 17 freien Mitarbeitern finden sich sechs Journalisten (35 Prozent), die bereits unter dem NS-Regime im Medienbereich tätig waren: Toni Hofer, Otto Jung- mair, Jean Egon Kieferer, Karl Kolar, Herbert Lange und Vinzenz Müller. Über acht freie MitarbeiterInnen konnte von Hausjell keine Biografie eruiert werden, die Rück-

105 Vgl. Gustenau: Mit brauner Tinte, S. 17. 106 Franz Pilsl, Jahrgang 1913, gelernter Schriftsetzer, war ab 1938 als Sportberichterstatter beim Reichssender Wien sowie bei verschiedenen Zeitungen tätig. Sein Ansuchen um Mitgliedschaft im Reichsverband der deutschen Presse wurde abgelehnt. Vgl. Hausjell: Journalisten gegen Demokratie oder Faschismus, Teil 2, S. 751. 107 Vgl. Gustenau: Mit brauner Tinte, S. 210-212. 108 Vgl. Hausjell: Journalisten gegen Demokratie oder Faschismus, Teil 1, S. 178.

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schlüsse auf eine oder keine journalistische Tätigkeit während der Zeit des National- sozialismus zulassen.109

Als gesichert kann jedoch gelten, dass jene neun Mitarbeiter, die in der Zeit vom 11. Juni 1945 bis 7. Oktober 1945 bei den Oberösterreichischen Nachrichten einer jour- nalistischen bzw. redaktionellen Tätigkeit nachgingen, als „belastet“ einzustufen wa- ren.110

Eine bemerkenswerte Quote für jene Zeitung, an welche die amerikanischen Behör- den besonders strenge Richtlinien bzw. Vorstellungen bezüglich ihrer MitarbeiterIn- nen erstellt hatten.

Doch trotz dieser personellen Kontinuität war eine mit NS-Ideologie bzw. faschistisch gefärbte Berichterstattung nicht zu befürchten, da der Inhalt der Zeitungen, wie Haus- jell festhält, von den amerikanischen Behörden genau kontrolliert wurde.111

„Dies konnte allerdings keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Inhalt der Zeitung haben, da die Oberösterreichischen Nachrichten in dieser Zeit jede Zeile vor Satz und Druck dem Militärkommando in Salzburg vorlegen mußten, obwohl die Zeitung in Linz redigiert und gedruckt wurde.“112

Die Herausgabe der Armeezeitung, in der Feldwebel Helmuth Meyer als Chefredak- teur (zusammen mit den vier Redakteuren und einigen freien Mitarbeitern) fungierte, war von Erfolg gekrönt. Die Auflagenstückzahl betrug Ende Juni 1945 bereits 110.000. Von diesen gelangten 45.000 in Linz und 65.000 im Rest von Österreich in den Vertrieb. Kurze Zeit später gelang eine nochmalige Erhöhung, sodass ab 21. Juli 1945 135.000 Exemplare die Druckerei verlassen konnten.113 Erwähnenswert ist auch der finanzielle Gewinn, der bereits während der ersten zwei Monate erzielt wur- de und der sich auf 542.665,07 Schilling belief.114 Nach dem totalen Medienverbot115

109 Vgl. Hausjell: Journalisten gegen Demokratie oder Faschismus, Teil 1, S. 178-180. 110 Vgl.ebd., S. 178f. 111 Vgl. ebd., S. 180. 112 Ebd. 113 Vgl. Tweraser: Hans Behrmanns Glück und Ende, S. 287 u. S. 289. 114 Vgl. ebd., S. 287 u. S. 291. 115 Vgl. ebd., S. 289.

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konnte somit durch die Herausgabe dieser Zeitung auch in der amerikanischen Be- satzungszone unter Aufsicht der US-Militärbehörden dem Bedürfnis der Bevölkerung nach Information nachgekommen werden. Den BewohnerInnen der sowjetischen Besatzungszone stand diesbezüglich bereits seit 15. April 1945 die Österreichische Zeitung zur Verfügung (s.o.).116

Doch dieser große Erfolg wurde nicht von allen positiv gesehen. Die österreichischen Parteien kritisierten die US-Behörden wegen ihrer Pressepolitik, der Forcierung der unabhängigen Presse und drängten darauf, eigene Parteizeitungen herausgeben zu dürfen. Zum einen sahen sie die Oberösterreichischen Nachrichten in einem Wett- bewerbsvorteil, da das Medium auf eine bereits bestehende Leserschaft zurückgrei- fen konnte.117 Und zum anderen meinten sie, die Demokratieerziehung obliege in erster Linie den politischen Parteien, wofür sie aber über eigene Parteizeitungen ver- fügen müssten.118

„Besonders von den politischen Parteien wurde die amerikanische Bevorzugung der unabhängigen Presse heftig kritisiert. Die Grund-Problematik der amerikanischen Pressepolitik bestand ja in der unabwendbaren Konfrontation zwischen den parteipo- litisch unabhängigen Lizenzträgern und ihren Gegnern, den lokalen und regionalen politischen Eliten, nach denen für Demokratisierungsaufgaben die politischen Partei- en und nicht eine parteiunabhängige Presse zuständig seien.“119

Ab Mitte August 1945 verdichteten sich Hinweise auf eine bevorstehende Wiederher- stellung der Pressefreiheit. Daraufhin entschlossen sich Franz Lettner, Alfred Maleta, Ernst Koref, Franz Haider, Hans Behrmann120 und Otto Nicoleth um Erteilung eines

116 Vgl. Hausjell: Journalisten gegen Demokratie oder Faschismus, Teil 1, S. 196. 117 Vgl. Tweraser: Hans Behrmanns Glück und Ende, S. 306. 118 Vgl. ebd. 119 Ebd. 120 Behrmann, ein Berliner Verleger, war aufgrund seiner antinationalsozialistischen Gesinnung fünf Jahre in verschiedenen Konzentrationslagern, darunter auch Mauthausen, interniert. Mit 5. Mai 1945 erfolgte seine Befreiung aus dem KZ durch die Amerikaner, die ihn mit der Auflösung des Mauthause- ner Frauenlagers beauftragten. Nach Bekanntwerden seiner Erfahrung in der Zeitungsbranche bot ihm der Informations Service Branch Offizier Barrach eine Mitarbeit bei den Oberösterreichischen Nachrichten an, die er mit 13. Juni 1945 begann. Behrmann gewann als ehemaliger KZ-Insaße rasch das Vertrauen der amerikanischen Medienoffiziere, die an seinem offensiven tatkräftigen Geschäfts- sinn Gefallen fanden. So sehr Behrmann das Vertrauen Barrachs genoss, so umstritten war er jedoch wegen verschiedener Delikte (z.B. unrechtmäßige Führung eines Doktortitels, Verwicklungen in dubi- ose Geldgeschäfte), die ihm zu einem späteren Zeitpunkt nachgewiesen wurden.

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Permits anzusuchen. Am 4. September fanden sie sich deshalb beim Information Service Branch ein, um die Erlaubnis zum Druck einer überparteilichen Zeitung ein- zuholen.121 Tatsächlich kam es bereits kurze Zeit später, am 1. Oktober 1945, sei- tens des Alliierten Rates zur Verlautbarung der künftigen Pressefreiheit in Österreich. Neben der nachvollziehbaren Anweisung, kein nationalsozialistisches, alldeutsches bzw. militärisches Gedankengut zu verbreiten, bestand ebenfalls ein Verbot, das un- tersagte, Kritik zu üben, die „bösartige“122 Absichten durchscheinen lassen – über diese hatten Beamte der Militärregierung zu befinden,123 „die auf eine Spaltung der Alliierten abzielte oder die gegen die militärische Sicherheit verstieß.“124 Erwähnens- wert ist auch die Forderung, dass die Verteilungsgebiete, die Auflagenzahl und die Tage der Zeitungserscheinung durch den Information Service Branch vorgegeben wurden sowie als Bezugsquelle für Weltnachrichten ausnahmslos der Nachrichten- dienst des Information Service Branch gestattet war. Weiters stellte die Lizenz selbst kein Eigentumsrecht dar, durfte nicht übertragen werden und konnte seitens der Mili- tärregierung jederzeit widerrufen werden.125

Am 6. Oktober 1945 kam es im Landestheater Linz durch US-General McChrystal zur feierlichen Übergabe der Permits an die Lizenzträger. Diese waren neben den Oberösterreichischen Nachrichten die Parteizeitungen der drei erlaubten Parteien in Österreich (SPÖ, ÖVP, KPÖ)126 sowie fünf Wochenzeitungen (Rieder Wochenspie- gel, Neue Warte am Inn, Salzkammergut-Zeitung, Echo der Heimat, Welser Volks- blatt).127

2.2.2 Oberösterreichische Nachrichten. Unabhängiges Tagblatt österreichi- scher Demokraten

Mit 8. Oktober 1945 wurden die Oberösterreichischen Nachrichten. Unabhängiges Tagblatt österreichischer Demokraten unter Chefredakteur Franz Lettner,128 der die

Vgl. Tweraser: Hans Behrmanns Glück und Ende. S. 289f. 121 Vgl. ebd., S. 295. 122 Ebd., S. 304. 123 Vgl. ebd. 124 Ebd. 125 Vgl. ebd., S. 304f. 126 Vgl. ebd., S. 303. 127 Vgl. Garscha u. Kuretsidis-Haider: Traurige Helden der inneren Front, FN 15, S. 564. 128 Vgl. Hausjell: Journalisten gegen Demokratie oder Faschismus, Teil 1, S. 181.

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amerikanischen Behörden bezüglich seiner politischen Einstellung als verlässlicher Demokrat überzeugt haben dürfte,129 privatisiert. Eigentümer war die Demokratische Druck- und Verlagsgesellschaft Oberösterreich m.b.H. (DDV)130 und ihre Lizenzträger waren Bürgermeister Ernst Koref (SPÖ), Franz Haider, Funktionär der KPÖ, Chefre- dakteur Franz Lettner, Dr. Alfred Maleta (ÖVP) und Dr. Otto E. Nicoleth, Beamter der Landesregierung, dem der parteifreie Part zugedacht war. Hans Behrmann fungierte als Verlagsleiter.131 Diese personelle Zusammensetzung stellte für die amerikani- schen Medienoffiziere eine gute Voraussetzung für die Weiterführung einer parteiu- nabhängigen Zeitung dar.132

Der Gesellschaftsvertrag sah ein Kuratorium bestehend aus Vertretern von Landes- regierung, Stadtverwaltung, der Religionsgemeinschaften, Schulbehörden, Landes- arbeitsamt, Industrie- und Handelskammer, Notariatskammer, Rechtsanwaltskam- mer, Arbeiterkammer, Bauernkammer, Ärztekammer, Gewerkschaftsbund, Frauen- verbänden, Jungendverbänden, Sportverbänden und dem Betriebsrat der Demokra- tische Druck- und Verlagsgesellschaft Oberösterreich m.b.H. vor. Zu den vom Kura- torium gewählten Arbeitsausschuss sollte eine aus drei Personen bestehende Prü- fungskommission einmal im Jahr die Bilanz der Gesellschaft prüfen und sicherstellen, dass der Gewinn gemäß den Gesellschaftsstatuten verwendet wird.133 Ihnen war zu entnehmen, dass 25 Prozent des Gewinns für die Instandhaltung des gepachteten Maschinenparks, 25 Prozent für soziale Zwecke und 50 Prozent zur Veröffentlichung von Material verwendet werden sollte, welches sonst nicht publiziert werden hätte können.134

Auch in der Nachfolgezeitung wurden die strengen Entnazifizierungsrichtlinien nicht so genau genommen. Denn neben Lettner hatte auch Ludwig Viktor Ecker eine wich- tige Position im Redaktionsstab inne. Ecker arbeitete beim Neuen Wiener Tagblatt und war nach dem „Anschluss“ 1938 für diese Zeitung weiter als Schriftleiter tätig. Ab 1946 besetzte er die Stelle des stellvertretenden Chefredakteurs der Oberösterrei-

129 Vgl. Tweraser: Hans Behrmanns Glück und Ende, S. 287. 130 Vgl. ebd., S. 304. 131 Vgl. ebd., S .299-301. 132 Vgl. ebd., S. 302. 133 Vgl. ebd., S.305. 134 Vgl. ebd., S.302.

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chischen Nachrichten.135 Damit waren mit Ecker und Lettner, zwei leitende Redak- teure, wenn auch mit Unterbrechungen, während des Nationalsozialismus als Jour- nalisten tätig. Das Redaktionsteam erhöhte sich von vier auf neun, später dann auf elf MitarbeiterInnen. Auch bei diesen Redakteuren finden sich bekannte Namen, die von den Oberösterreichischen Nachrichten. Unabhängiges Tagblatt österreichischer Demokraten mit übernommen wurden: Willibald Bertl und Franz Pilsl, die beide be- reits während des NS-Regimes tätig waren. Herbert Lange,136 zuvor freier Mitarbei- ter, wurde in die Redaktionsgruppe übernommen. Ein weiterer Journalist mit NS- Vergangenheit, der neu dazukam, war Hans Doppler. Da von zwei MitarbeiterInnen, Eleanore Woita und Richard Entinger, Hausjell keine biografischen Daten zugänglich waren, stufte Hausjell somit mindestens sechs von elf RedakteurInnen als „belastet“ ein.137

Bei den Oberösterreichische Nachrichten. Herausgegeben von der 12. Heeresgrup- pe für die Bevölkerung Oberösterreichs waren 17 freie Mitarbeiter angeführt. Sechs davon (35 Prozent) galten als „belastet“. Bei der Nachfolgezeitung Oberösterreichi- sche Nachrichten Unabhängiges Tagblatt österreichischer Demokraten (künftig in dieser Arbeit als Oberösterreichische Nachrichten bezeichnet) erhöhte sich die Zahl der freien MitarbeiterInnen auf 37. Davon gingen zwölf Personen (32 Prozent) bereits während der Zeit des Nationalsozialismus einer journalistischen Tätigkeit nach. Na- mentlich finden sich unter den „belasteten“ freien Mitarbeiter: Dr. Fritz Berger, Dr. Otto Constantini, Toni Hofer, Hualla Rafael, Otto Jungmair, Karl Kolar, Günther Krebs, Vinzenz Müller, Wilhelm Orthner, Ernst Samhaber, Irene Schimaczek und Karl Gustav Stirner.138

Von einem relativ hohen Anteil an freien Mitarbeitern sind auch hier keine Daten übermittelt, die auf eine journalistische Aktivität im NS-Regime schließen ließen. Da- her konnte von folgenden zwanzig Personen nicht eruiert werden, aus welchen Ein- künften sie bis Ende des Zweiten Weltkriegs ihren Lebensunterhalt bestritten. Dr. Amon, Karl Billinger, Dr. W. Bortenschlager, Ing. Günther Bronner, Dr. Guido Gün- disch, H. F. Handl, Dr. Franz Huber, Felix Kern, Graf Hermann Keyserling, Erika Kit-

135 Vgl. Hausjell: Journalisten zwischen Demokratie oder Faschismus, Teil 2, S. 518. 136 Lange wurde ab 1960 Leiter des Presseamtes der Stadt Linz. Vgl. ebd., S. 660. 137 Vgl. ebd., Teil 1, S. 178-182. 138 Vgl. ebd., S. 181f.

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tel, Dr. H. J. Krist, O. Lange, Dr. Hulda Maria Mical, J. Müller, Dkfm. Eduard Schmidt, Franz Schörgmayer, Dr. Eduard Straßmayr, Hanns Wallner, Prof. Wider und H. Zel- linger.139

Jene „belasteten“ MitarbeiterInnen, die bereits bei den Oberösterreichische Nachrich- ten. Herausgegeben von der 12. Heeresgruppe für die Bevölkerung Oberösterreichs beschäftigt waren, werden hier nicht nochmals angeführt, da diese Informationen bereits Bestandteil voriger Abschnitte war.

Dr. Ludwig Simkovsky (geboren 1900 und gestorben 1972) war ab 1934 bis 1944 bei der Tages-Post beschäftigt. Obwohl es nach Berichten immer wieder zu Differenzen zwischen dem Herausgeber der Tages-Post, Oskar Streit, und Simkovsky kam, blieb Simkovsky bis zur Einstellung der Tages-Post 1944 im Dienst. Simkovsky war nach seiner Entlassung aus Glasenbach140 (Dauer der Inhaftierung ist nicht bekannt), als freier Mitarbeiter bei den Oberösterreichischen Nachrichten beschäftigt und leitete von 1953 bis 1954 das Ressort Außenpolitik.141

Mit 1. September 1953 bekam Rafael Hualla den Posten des Lokalredakteurs der Oberösterreichischen Nachrichten.142 Hualla (geboren 1900, gestorben 1969), der von Anton Fellner143 bereits während der NS-Zeit gefördert wurde und auf dessen Fürsprache er eine Stelle im Gaupresseamt bekam, war nach dem Zweiten Weltkrieg vom 13. August 1945 bis zu seiner Entlassung am 15. Mai 1946 bei den von den US- Behörden betriebenen Radiosender Rot-Weiß-Rot, als Lokalredakteur und Informati-

139 Vgl. Hausjell: Journalisten gegen Demokratie oder Faschismus, Teil 1, S. 181. 140 Offiziell hieß das Lager Glasenbach Camp Marcus W. Orr – benannt nach einem amerikanischen Offizier und bestand bis 1948. In diesem Salzburger Internierungslager waren ehemalige NSDAP-, SA- und SS-Mitglieder sowie mutmaßliche Kriegsverbrecher und Massenmörder untergebracht. Vgl. Lager Glasenbach: Die versäumte Entnazifizierung. Im Schatten der Mozartkugel. URL: http://www.imschatten.org/21.html, abgerufen am 28.8.2017. 141 Vgl. Gustenau: Mit brauner Tinte. S. 240-243; und Rohleder, Edith Sibylle: Die oberösterreichische Tages- und Wochenpresse in ihrer Entwicklung vom Ende der Monarchie bis 1965, Dissertation, 1966, S. 297. 142 Vgl. Rohleder: Die oberösterreichische Tages- und Wochenpresse, S. 297. 143 Der Mühlviertler Bote bezeichnete Fellner als den „Herausgeber des Sudelblattes Österreichischer Beobachter.“ Vgl. Mühlviertler Bote: Illegalität erschwindelt…?, 21.5.1946, S. 3. Fellner war nach dem Zweiten Weltkrieg aufgrund seiner zahlreichen Funktionen während des NS- Regimes im Lager Glasenbach interniert. Nach seiner Entlassung erhielt er eine Stelle in der Betriebs- leitung der VOEST. Vgl. Gustenau: Mit brauner Tinte, S. 226.

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onsassistent beschäftigt. Seine Kündigung kam auf Betreiben des damaligen Chef- redakteurs des Linzer Tagblattes Dr. Alois Oberhummer zustande, der den Radio Officer in Linz, John Mayr, über Huallas journalistische NS-Vergangenheit als Schrift- leiter beim Österreichischen Beobachter informierte. Hualla zählte daher auch zu je- nen „belasteten“ Journalisten, welche bereits ab 1946 ihre journalistische Tätigkeit bei den Oberösterreichischen Nachrichten wieder aufnahmen.144

In diese Riege ist auch Felix Scherr, der bereits vor dem „Anschluss“ 1938 für die nationalsozialistische Neue Zeit von 1935 bis 1937 als verantwortlicher Redakteur und in der Folge während der NS-Zeit beim Arbeitersturm, dem Steyrer Heimatblatt und der Salzkammergut Zeitung tätig war, einzureihen. Scherr dürfte durch seine Qualitäten überzeugt haben und avancierte am 15. April 1956 zum Leiter der Wirt- schaftsredaktion der Oberösterreichischen Nachrichten.145

Ein Name, der von 1945 bis 1952 untrennbar mit den Oberösterreichischen Nach- richten verknüpft war, ist jener von Hans Behrmann. Behrmann, der nach kurzer Zeit zu einer Zentralfigur im Mediengeschäft aufstieg, suchte aufgrund eines Anratens von Presseoffizier Arnold Barach um Erteilung eines Permits für einen Druckverlag an. Die am 20. November 1945 gegründete Brückenverlag Ges.m.b.H. erhielt vom Information Service Branch die Erlaubnis für den Vertrieb von US-amerikanischen Schriften (Amerikanische Rundschau, Heute, Neue Auslese).146 Ein nicht uninteres- santes Detail am Rande ist, dass Behrmann mit der Schriftenreihe „Recht und Ge- setz für jedermann“, die im Brückenverlag hergestellt wurde, im Juni 1946 Probleme mit der US-Besatzungsmacht bekam. Mit der Broschüre „Du warst ein Nazi?! Die politische Verleumdung und ihre Folgen. Wie schützt du dich dagegen?“ zog er sich den Ärger des Information Service Branch zu. Nachdem diese Broschüre reißenden Absatz fand, wurde der Verkauf eingestellt, alle Exemplare eingezogen und vernich- tet.147

Der Gesellschaftsvertrag der Demokratische Druck- und Verlagsgesellschaft Oberös- terreich m.b.H. änderte sich ab 1950 entscheidend. Im Juni dieses Jahres schieden

144 Vgl. Gustenau: Mit brauner Tinte, S. 246-249. 145 Vgl. ebd., S. 238. 146 Vgl. Tweraser: Hans Behrmanns Glück und Ende, S. 324. 147 Vgl. ebd., S. 325.

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die bisherigen Gesellschafter Haider, Zamazal, Nicoleth und Lettner aufgrund unter- schiedlicher Gründe bzw. Differenzen aus. Sie wurden von Behrmann und Maleta ausbezahlt. Die Eigentumsverhältnisse setzten sich danach folgender Maßen zu- sammen: Behrmann erwarb 55 Prozent, Alfred Maleta 40 Prozent und auf Betreiben Behrmanns erhielt der Steuerberater Günther Linke fünf Prozent.148

Hans Behrmann war aber nicht nur ab 1950 Haupteigentümer der Oberösterreichi- schen Nachrichten, sondern weiters noch Korrespondent der United Press, 70 pro- zentiger Hauptgesellschafter und Geschäftsführer der Unabhängigen Zeitungs- und Zeitschriften-Vertriebsgesellschaft m.b.H. in Wien, Mitglied des Kuratoriums der Salzburger Nachrichten, Vorstandsmitglied der Austria-Presseagentur, Vizepräsident des Verbandes österreichischer Zeitungsherausgeber, österreichischer Delegierter im Weltpresseverband sowie Vorstandsmitglied im KZ-Verband.149 Dies änderte sich jedoch ab dem Jahr 1952. Er stand unter Verdacht Steuer-, Zoll- und Devisenverge- hen begangen zu haben. Es folgte eine Einlieferung des vielbeschäftigten Behrmann ins Polizeigefängnis Linz, woraufhin sämtliche Konten der Demokratischen Druck- und Verlagsgesellschaft Oberösterreich m.b.H. gesperrt wurden.150

Die „Affäre Behrmann“ fand auch in der Neuen Zeit wiederkehrend Erwähnung. Die Zeitung konfrontierte die ÖVP und die SPÖ mit dem Vorwurf, gemeinsam mit der US- Behörde, an der Verhinderung der Aufdeckung der Machenschaften Behrmanns be- teiligt gewesen zu sein:151

„Der Skandal Behrmann geht somit weit über den Rahmen einer üblichen Schieber- affäre hinaus. Er wirft nicht nur ein bezeichnendes Licht auf die Zustände hinter den Kulissen der sogenannten ‚unabhängigen Presse‘, sondern auch auf die Methoden der heutigen österreichischen Regierungspolitik.“152

148 Vgl. Tweraser: Hans Behrmanns Glück und Ende. S. 323. 149 Vgl. ebd., S. 324. 150 Vgl. ebd., S. 327. 151 Vgl. Neue Zeit: Hinter den Kulissen des Behrmann-Skandals, 9.10.1952, S. 3. 152 Ebd.

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Die Neue Zeit nahm den Fall Behrmann generell zum Anlass, um über Auswüchse der US-Pressepolitik und den daraus resultierenden negativen Folgen für die Me- dienlandschaft abzurechnen:153

„Behrmann war der Herausgeber der ‚Oberösterreichischen Nachrichten`, berichtete die ‚Neue Zeit‘, die so wie die ‚Salzburger Nachrichten‘ mit amerikanischem Geld ge- gründet worden sind, um sich unter der Tarnung ‚unabhängiger Organe‘ eine starke Position im österreichischen Pressewesen zu schaffen. Der Aufstieg dieses Mannes aus dem Nichts zu einer aufgetakelten ‚Persönlichkeit‘ im österreichischen Presse- wesen sei bezeichnend für den ganzen Pressesumpf, der durch die Einschleppung amerikanischer Methoden entstanden sei.“154

Behrmanns Aufenthalt im Gefängnis war jedoch nicht von langer Dauer. Nach der Hinterlegung von 100.000 Schilling Kaution konnte er das Gefängnis verlassen. Behrmann geriet daraufhin in finanzielle Schwierigkeiten und sah sich gezwungen, Anteile an der Demokratischen Druck- und Verlagsgesellschaft Oberösterreich m.b.H. um zwei Millionen Schilling an Fritz Molden zu verkaufen. Nachdem die Be- legschaft Behrmann nach seiner Haftentlassung daran hinderte, sein Büro in der Demokratischen Druck- und Verlagsgesellschaft Oberösterreich m.b.H zu betreten, zog er mit seiner Familie nach Wien, wo er hoffte, auf dem Printmediensektor wieder Fuß fassen zu können. Doch dieser Wunsch ging nicht mehr in Erfüllung, denn seine Beteiligung am Bildtelegraf brachte nicht das gewünschte Ergebnis und Behrmann starb 1958.155

Wenngleich Behrmann sich mit seinen Machenschaften am Rande der Legalität be- wegte, so war er doch einer der Hauptakteure, wenn nicht sogar die zentrale Figur, die durch ihren geschäftlichen Spürsinn und das Nutzen der Kontakte zu den US- amerikanischen Medienoffizieren wesentlich zum Erfolg der Oberösterreichischen Nachrichten beigetragen hatte.156

153 Vgl. Tweraser: Hans Behrmanns Glück und Ende, S. 328. 154 Ebd. 155 Vgl. ebd. 156 Vgl. ebd.

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2.2.3 Österreichische Zeitung

Bereits vor der offiziellen Kapitulation Deutschlands am 8. Mai 1945157 erschien am 15. April 1945 in Wien die von der Roten Armee herausgegebene Österreichische Zeitung mit dem Untertitel Frontzeitung für die Bevölkerung Österreichs. Es war dies die erste Zeitung, die nach der Befreiung Wiens herausgeben wurde. Erscheinungs- weise des Blattes war anfangs einmal, kurze Zeit später bereits zweimal pro Woche und ab 1. September 1945, außer Montag, täglich.158 Bemerkenswerterweise finden sich auch in dieser Zeitung unter den 21 Redakteuren vier Personen (19 Prozent), die während des NS-Regimes journalistisch tätig waren. Von den 73 freien Mitarbei- terInnen galten ebenfalls vier Personen (6 Prozent) als „belastet“. Wie bei anderen von Hausjell untersuchten Zeitungen ließen sich auch hier von 63 Personen (86 Pro- zent) keine biografischen Daten eruieren.159

Die Überprüfung seitens der sowjetischen Behörden im Hinblick auf die Pressemitar- beiterInnen bezüglich ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit fand in der Öster- reichischen Zeitung auf eher unkonventionelle Weise statt. Die Daten wurden nicht mittels Fragebogen (wie bei den US-Behörden üblich) erhoben, sondern es bestand aus einem Gespräch zwischen BewerberIn und dem zuständigen Personalchef, wo- bei sich letzterer auf seine Menschenkenntnis verlassen haben dürfte.160

„Ich bin von Major Polanski, dem kommunistischen Zellenleiter der Österreichischen Zeitung, aufgenommen worden – und er sagte mir: ‚Wenn Sie ligen (lügen), wir kommen drauf!‘ und ungefähr: ‚Dann gnade Ihnen Gott…‘ Ich glaube, diese sanfte Drohung hat genügt.“161

Für den Inhalt der Österreichischen Zeitung hatte eine eventuelle journalistische Tä- tigkeit von MitarbeiterInnen während der Zeit des Großdeutschen Reiches keine tat- sächliche Bedeutung, da hier ohnehin sowjetische Chefredakteure und Ressortleiter zuständig waren. Schon aus diesem Grund ging seitens der wenigen einschlägig

157 Vgl. Geschichte Österreich: Die Zweite Republik (1945 – heute). URL: http://www.geschichte-oesterreich.com/1945-heute/, abgerufen am 29.8.2016. 158 Vgl. Hausjell: Journalisten gegen Demokratie oder Faschismus, Teil 1, S. 196f. 159 Vgl. ebd., S. 196. 160 Vgl. ebd., S. 199. 161 Ebd.

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„belasteten“ Personen kaum die Gefahr einer Idealisierung oder Verharmlosung des NS-Regimes aus, sofern sie dies überhaupt in Betracht gezogen hätten.162

2.2.4 Österreichische Nachrichten

Die kommunistische Parteileitung zeichnete für die Österreichischen Nachrichten, die von 21. Juni 1945 bis 24. August 1945 täglich herausgegeben wurden, verantwort- lich. Die Redaktion befand sich im Gasthaus Kaiserkrone in Urfahr. Diese Zeitung war für den Vertrieb im Mühlviertel gedacht. Der Preis des Blattes betrug zehn Pfen- nig und enthielt wochentags zwischen vier und sechs Seiten. Inhaltlich setzte sie sich aus amtlichen Verlautbarungen, Veröffentlichung der Verfassungsgesetze von 1945, allgemeinen Aufrufen, Nachrichten aus Österreich und Informationen um das Welt- geschehen zusammen. Nach ungefähr zweimonatiger Erscheinungsdauer erfolgte die Einstellung. Die Nachfolgezeitung ließ jedoch nicht lange auf sich warten. Mit 30. August 1945 kam es erstmals zur Veröffentlichung der Mühlviertler Post. Da sich bei Edith Rohleder keine Namen von MitarbeiterInnen fanden, die in dieser Zeitung be- richteten, kann hier bezüglich nationalsozialistischer Erfahrung auf den Mediensektor keine Aussage getroffen werden.163

2.3 Parteizeitungen

Das Drängen der politischen Parteien auf Herausgabe von Parteizeitungen zeigte vier Monate nach Kriegsende Erfolg. Die US-Besatzungsmacht erteilte mit 8. Oktober 1945 der KPÖ, ÖVP und SPÖ die Erlaubnis zur Veröffentlichung eigener Printme- dien. Dies führte dazu, dass die ÖVP das Linzer Volksblatt, die SPÖ das Tagblatt und die KPÖ die Neue Zeit herausgeben konnte. Ziel war es, eine ausgewogene Presselandschaft zu installieren, die ebenfalls die Aufgabe der Demokratieerziehung wahrnehmen sollte.164

162 Vgl. Hausjell: Journalisten gegen Demokratie oder Faschismus, Teil 1, S. 199f. 163 Vgl. Rohleder: Die oberösterreichische Tages- und Wochenpresse, S. 317f. 164 Vgl. Garscha u. Kuretsidis-Haider: Traurige Helden der inneren Front, S. 564.

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2.3.1 Volksblatt (ÖVP)

Linz wurde während des Zweiten Weltkriegs stark in Mitleidenschaft gezogen. So fanden sich in der ehemaligen Führerstadt nach Bombenabwürfen und Artilleriebe- schüssen kaum intakte Gebäude. Von einer funktionierenden Infrastruktur konnte ebenfalls keine Rede sein.165 Dieser Herausforderung mussten sich auch die politi- schen Parteien, die eine eigene Zeitung herausgeben wollten, stellen. Dem glückli- chen Umstand, dass es MitarbeiterInnen gelang, einige Gerätschaften aus dem zer- störten Verlagshaus des Katholischen Linzer Preßvereins zu retten, ist es zu verdan- ken, dass am 8. Oktober 1945 die erste Ausgabe des Linzer Volksblattes erscheinen konnte. Diese hatte einen Umfang von vier Seiten und stand unter dem Motto: „A gring`s Bürscherl – aber a guter Stimmstock!“166 Erschien die Zeitung in den ersten paar Monaten nur an bestimmten Wochentagen (Dienstag, Donnerstag, Samstag), so war dies ab Dezember 1945 täglich der Fall.167

Doch bevor die erste Ausgabe der Zeitung zur Veröffentlichung gelangte, war auch auf dem Personalsektor noch einiges an Vorarbeit zu leisten. Deshalb wurde bereits während der Septembertage 1945 von Wilhelm Salzer das Redaktionsteam für das Linzer Volksblatt zusammengestellt.168 Salzer, welcher vor 1938 als Journalist des christlich-sozialen Blattes Neue Warte am Inn und während der NS-Herrschaft nicht journalistisch tätig war, wurde von den US-Amerikanern, obwohl von der ÖVP als Chefredakteur vorgesehen, nicht eingesetzt.169 Die zuständigen Organe der Besat- zungsmacht sahen ihn als äußerst ungeeignet an, da er in seiner Funktion als Ge- werkschaftssekretär der christlich-sozialen Partei im Zeitraum von 1934 bis 1938 hö- here Geldbeträge veruntreut hatte.170 Statt seiner wurde Gustav Putz leitender Re- dakteur des Linzer Volksblattes und blieb es dann bis 1950, wobei er in den Jahren 1945 bis 1947 auch Mitherausgeber und Mitverleger des ÖVP-Blattes war. 1952 wechselte Putz zu den Oberösterreichischen Nachrichten, bei denen er dann bis 1953 ebenfalls den Posten des Chefredakteurs inne hatte.171 Hausjell bemerkte, dass in den Jahren 1945 bis 1947 beim Linzer Volksblatt lediglich zwei Redakteure

165 Vgl. John: Bevölkerung in der Stadt, S. 323. 166 Vgl. Rohleder: Die oberösterreichische Tages- und Wochenpresse, S. 282f. 167 Vgl. ebd., S. 276. 168 Vgl. ebd., S. 283. 169 Vgl. Gustenau: Mit brauner Tinte, S. 205f. 170 Vgl. Hausjell: Journalisten gegen Demokratie oder Faschismus, Teil 1, S. 160. 171 Vgl. ebd., Teil 2, S. 773.

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von neun in der nationalsozialistischen Presse tätig waren. Allerdings war nur von Putz bekannt, dass er eine eindeutig antinationalsozialistische Einstellung hatte. Un- ter den freien MitarbeiterInnen befanden sich zumindest fünf (rund 24 Prozent) von 21 Personen, die auch bereits in der gleichgeschalteten NS-Presse tätig waren. Es waren dies Dr. Fritz Berger, Arthur Fischer-Colbrie, Herbert Lange, Dr. Hans Ober- leitner und Rudolf Utsch.172

Erwähnenswert ist ebenfalls die Tatsache, dass Arthur Fischer-Colbrie ab 1940 als Reichsbeamter bereits in der Landesregierung Oberdonau beschäftigt war,173 „sich 1938 mit einem Beitrag am berüchtigten ‚Bekenntnisbuch österreichischer Dichter‘, das – vom ‚Bund deutscher Schriftsteller Österreichs‘ herausgegeben – zum Teil hymnische Huldigungen österreichischer Schriftsteller an enthält“174 be- teiligte und ab 1953 Redaktionsmitglied der ab 1947 wöchentlich erscheinenden Amtlichen Linzer Zeitung war.175 Fischer-Colbrie publizierte in seiner Zeit als Mitar- beiter von Gauleiter Eigruber in einigen Zeitungen – so in der Tagespost (1942), im Steyrer Heimatblatt (1938 bis 1945) oder in der Volksstimme (ab 1938). Vor der Zeit des Anschlusses finden sich seine Artikel bereits in den teilweise „illegalen“ Innviert- ler Nachrichten. Seine Buchveröffentlichungen bzw. seine „Hörfolgen“ für den Reichssender Wien und die Publikationen in nationalsozialistischen Jahrbüchern brachten ihm neben anderen Auszeichnungen 1941 den Anerkennungspreis für Dichter des Reichsgaues Oberdonau ein.176

Die nationalsozialistische Gesinnung Fischer-Colbries bzw. sein schriftstellerischer Einsatz für das System dürften zu keinem Bruch im Berufsleben des Reichsbeamten geführt haben. Wie sonst ließe es sich erklären, dass – wie bei Hausjell berichtet – er bereits 1945 als Landesbeamter arbeiten und ebenfalls ab 1945 beim Linzer Volks- blatt als ständiger freier Mitarbeiter tätig sein konnte?177

172 Vgl. Hausjell: Journalisten gegen Demokratie oder Faschismus, Teil 1, S. 160-162. 173 Vgl. ebd., Teil 2, S. 529. 174 Ebd., S. 529. 175 Vgl. Rohleder: Die oberösterreichische Tages- und Wochenpresse, S. 396. 176 Vgl. Hausjell: Journalisten gegen Demokratie und Faschismus, Teil 2, S. 529. 177 Vgl. ebd., S. 529.

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2.3.2 Tagblatt (SPÖ)

„Unser ‚Tagblatt‘ erscheint wieder. Nach langen und bitteren Jahren haben wir wieder unsere Zeitung, unser eigenes Sprachrohr, das ‚Tagblatt‘.178 Mit diesen Worten be- grüßte die SPÖ das Erscheinen der Zeitung und gab der Freude, ein eigenes Medi- um zur Verbreitung der sozialistischen Idee, um eine gerechte, auf sozialer Gleich- heit basierende Gesellschaftsordnung zu installieren, Ausdruck:179„[…] wir haben für unsere politische Partei unsere politische Zeitung wieder. Das wollen wir gar nicht unterdrücken oder verheimlichen, daß unser ‚Tagblatt‘ politisch eingestellt ist, weil wir die Idee des Sozialismus ja in die Tat umsetzen wollen und die Presse hiebei ein sehr brauchbares Instrument ist… [Das Tagblatt] soll Sprachrohr aller Schaffenden und Wegbereiter einer besseren und gerechteren Gesellschaftsordnung sein.“180

Erschien das Tagblatt bis Anfang Jänner 1946 dreimal pro Woche, so konnte die Zei- tung ab 3. Jänner 1946 bereits von Montag bis Samstag herausgebracht werden.181

Das Presseorgan der SPÖ mit dem Untertitel Zeitung des schaffenden Volkes in Stadt und Land wollte auch über regionale Begebenheiten unterrichtet sein, um dann in ihren Ausgaben darüber berichten zu können. Zu diesem Zweck gab es bereits in der Ersterscheinung Aufrufe an Personen, die berufsbedingt (z.B. Standesbeamte, Gemeindebedienstete) über aktuelle Informationen verfügten.182

Auch diese Zeitung sah sich mit so manchem Problem konfrontiert, denn die Wahl der Redakteure sollte sich als eine regelrechte Herausforderung erweisen. So blieb einem einstigen Linzer Journalisten im Gedächtnis,183 dass „damals jeden Moment ein anderer Redakteur [beim Tagblatt] war.“184 Auch Hausjell wies in seiner Arbeit auf die Problematik hin, geeignetes journalistisches Personal zu finden. Eine Aufgabe, der sich nicht bloß die oberösterreichische Tageszeitung der SPÖ stellen musste, bei der es in den Jahren 1945 und 1947 viermal zum Wechsel der Chefredakteure

178 Tagblatt: Unser Tagblatt erscheint wieder, 8.10.1945, S. 2. 179 Vgl. ebd. 180 Ebd. 181 Vgl. Rohleder: Die oberösterreichische Tages- und Wochenpresse, S. 284. 182 Vgl. Tagblatt: Wir suchen Berichterstatter, 8.10.1945, S. 2. 183 Vgl. Hausjell: Journalisten gegen Demokratie und Faschismus, Teil 1, S. 221. 184 Ebd.

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kam.185 Darunter fiel auch Alois Oberhummer, der seine Karriere als Sekretär des Deutschen Volksbundes für Oberösterreich (einem großdeutschen Parteiverein) be- gann und 1924 politischer Redakteur des Tagblattes wurde.186 Dr. Alois Oberhummer wandte sich in Folge den Sozialdemokraten zu, schied nach deren Verbot (1934) aus der Redaktion aus und betrieb anschließend ein Gemischtwarengeschäft. Dieses Linzer Geschäft avancierte während der NS-Zeit zum Treffpunkt sozialdemokrati- scher Parteigenossen. Im Mai des Jahres 1945 wurde er von seinen Parteikollegen als Landeshauptmann vorgeschlagen und auch eingesetzt.187 Alois Oberhummer hatte diesen Posten jedoch nur einen äußerst kurzen Zeitraum inne, da er die Funk- tion auf Betreiben der US-Besatzungsmacht nach drei Tagen wieder zurücklegen musste. Doch bereits im Oktober 1945 eröffnete sich ihm eine neue berufliche Per- spektive: Er wurde Chefredakteur des Linzer Tagblatts. 188

Nach dem Zweiten Weltkrieg sah sich Linz mit einer großen Anzahl von Flüchtlings- gruppen konfrontiert.189 Darunter waren auch 106.616 deutschsprachige Vertriebe- ne,190 die, wie Oberhummer sich ausdrückte, die „wirtschaftlich und kulturell wert- vollsten Mitglieder“191 seien. Diese Gruppe wollte Oberhummer für die SPÖ gewin- nen.192 Am 9. Februar 1946 erschien von ihm ein Artikel mit deutschnationalen Ten- denzen, indem er sich besonders für die vertriebenen Volksdeutschen aussprach. Er prangerte die Zuwanderung von Personen nach dem Ersten Weltkrieg an, die den OberösterreicherInnen die Arbeitsplätze streitig gemacht hätten und zog Parallelen zur Gegenwart [1946], zu den in Linz untergebrachten „Displaced Persons“. Ober- hummer behauptete, dass auf „Intelligenzler“193 und „Bazillenträger“194 im Land ver- zichtet werden könne. Was das Land in dieser Zeit benötigen würde, wären Men- schen, die arbeiten wollen und dies auch können.195

185 Vgl. Hausjell: Journalisten gegen Demokratie und Faschismus, Teil 1, S. 221. 186 Vgl. John: Bevölkerung in der Stadt, S. 419. 187 Vgl. Gustenau: Mit brauner Tinte, S. 213f. 188 Vgl. Slapnicka: Oberösterreich – die politische Führungsschicht ab 1945, S. 198. 189 Vgl. John: Bevölkerung in der Stadt, S. 287. 190 Vgl. ebd., S. 302. 191 Tagblatt. 18.1.1946. S. 1. In: John: Bevölkerung in der Stadt, S. 302. 192 Vgl. ebd., S. 427. 193 Ebd., S. 308. 194 Ebd. 195 Vgl. ebd.

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„Solche Bazillenträger kann Oberösterreich nicht mehr brauchen. Wir wollen keine Intelligenzler…wir wollen Arbeitskräfte, vor allem Landarbeiter, Forstarbeiter…wir wollen auch Industriearbeiter, die uns Industrien ins Land bringen, vor allem Glasar- beiter aus dem Gablonzer Gebiet, bedürfnislose Spielzeugarbeiter aus dem Erzge- birge… Banatdeutsche und Siebenbürgerdeutsche für die Landwirtschaft.“196

Der Chefredakteur bezog in diesem Artikel eindeutig Stellung für die vertriebenen Volksdeutschen, die guten Willens waren, hart zu arbeiten, sich so zum Vorteil aller Bewohner im Land einbrachten und darum in diesem Land willkommen wären. Dies würde sie dazu berechtigen, sich in Oberösterreich dauerhaft sesshaft zu machen, da sie durch ihre Arbeit ihren Beitrag für die Gesellschaft leisten würden. Im Gegen- satz zu jenen „Intelligenzlern“197, die nicht in der Lage wären, anständige Arbeit zu verrichten.

Oberhummers Wortwahl lässt diesbezüglich Erinnerungen an die Propagandaspra- che des Nationalsozialismus aufkommen. So bemühte er mit „Bazillenträger“198, ein antisemitisches Stereotyp, das „an jüdischer Parasit“ oder ähnliche Vergleiche aus der Tierwelt (Schädlinge, Ungeziefer) erinnerte. Es sei „in diesem Fall von einer anti- semtischen Codierung auszugehen, in der ‚Intelligenzler‘ insbesondere im Zusam- menhang mit ‚Bazillenträger‘ für ‚Juden‘ steht. Auch die Konstruktion des Gegensatz- paares ‚unproduktive, sich hereindrängende Intellektuelle‘ (=Juden) versus ‚produkti- ve Industriearbeiter bzw. Bauern und Landarbeiter‘ (=Deutsche) sei typisch für die- sen Code.“199

Blieb oben genannter Artikel für Oberhummer ohne Folgen, so änderte sich dies mit dem Erscheinen des Beitrages vom 7. Februars 1946 „Gute Österreicher – Gute Kul- turdeutsche“200. Die US-Behörden sahen in dem Beitrag eine Forcierung des Pan- germanismus und zogen daraus dementsprechende Konsequenzen.201

196 Tagblatt. 9.2.1946. S. 1. In: John: Bevölkerung in der Stadt, S. 308. 197 Ebd. 198 Ebd. 199 Kepplinger, Brigitte u. Weidenholzer, Josef: Die Rekonstruktion der Sozialdemokratie in Linz 1945- 1950. In: Historisches Jahrbuch der Stadt Linz, 1996, S. 48. 200 Tagblatt: Gute Österreicher – Gute Kulturdeutsche, 7.2.1946, S. 1. 201 Vgl. John: Bevölkerung in der Stadt, S. 308.

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„Ursache dieser Maßnahme ist ein im ‚Linzer Tagblatt‘ vom 7. D. M. unter der Über- schrift ‚Gute Österreicher – Gute Kulturdeutsche‘ erschienener vom Chefredakteur Dr. Alois Oberhummer geschriebener Leitartikel, der eine direkte Verletzung des Er- lasses Nr. 10 der amerikanischen Militärregierung, wonach es Zeitungen verboten ist, völkische Ideen und Pangermanismus zu verbreiten, bedeutet. Der Ausschuß stellte fest: Was auch das Ziel dieses Artikels gewesen sein mag und was immer seine Veröffentlichung verlanlaßt hat, seine Auswirkung steht in Widerspruch zu den Zielen der Besatzungsmächte und den Interessen des österreichischen Staates. Aus die- sem Anlaß wird daher die Genehmigung zu Herausgabe der Zeitung mit heutigem Tage bis auf weiteres zurückgezogen.“ 202

Dieser Entzug der Bewilligung schlug hohe Wellen und fand auch im New Yorker Rundfunk Beachtung. Der Kommentator verdeutlichte die Einigkeit der Alliierten in Bezug auf „die Verankerung eines selbständigen österreichischen Staates und die restlose Ausmerzung aller nationalsozialistischen, militärischen und pangermani- schen Ideen in Österreich.“203 Der amerikanische Außenminister ließ keinen Zweifel daran, dass sich die Besatzungszeit nach der beobachteten Demokratiefähigkeit Ös- terreichs richten werde und die Verbreitung von pangermanischen Ideen nicht dazu angetan wären, den Abzug der Truppen zu beschleunigen.204

Oberhummers Veröffentlichung dürfte bei seinen KollegInnen kaum Widerhall gefun- den haben, sondern ganz im Gegenteil: Einige Wiener Zeitungen sowie das Zentral- organ der sozialistischen Zeitung, die Arbeiterzeitung, kritisierten den Artikel Ober- hummers scharf und wollten sich eindeutig davon distanziert wissen.205

Es verwundert daher nicht, dass besagter Artikel für das Tagblatt und Oberhummer nicht ohne Folgen blieb: Die Zeitung wurde mit einem einmonatigen Erscheinungs- verbot belegt und Oberhummer musste seinen Platz räumen.206

Oberhummer folgten innerhalb kurzer Zeit drei weitere Chefredakteure, die jedoch auch nicht lange auf ihren Positionen blieben.207 Darunter war Franz Zamazal (der

202 Oberösterreichische Nachrichten: Linzer Tagblatt wird eingestellt, 20.2.1946, S. 2. 203 Neue Zeit: New Yorker Rundfunk zum Verbot des Tagblattes, 23.2.1946, S. 2. 204 Vgl. ebd. 205 Vgl. Volksblatt: Linzer Tagblatt wurde eingestellt, 20.2.1947, S. 2. 206 Vgl. John: Bevölkerung in der Stadt, S. 308.

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spätere Herausgeber des Mühlviertler Boten), der gemeinsam mit Oberhummer bis zum März 1946 die Redaktion führte. Nach diesen hatte Alois Wimberger, jedoch auch nur bis Oktober 1946 den Posten als Chefredakteur inne. Eine etwas längere Zeitspanne verblieb dann der stellvertretende Redakteur der Grazer Neuen Zeit Ludwig Eldersch, nämlich bis zum Frühlingsanfang 1948. Dr. Erich Blumberg, der 1945 aus dem jugoslawischen Exil zurückgekehrt war, nahm dann in der Folge die Stelle als Chefredakteur bis 1950 ein.208

Unter den freien Mitarbeitern fand sich nur ein einziger Name, Vinzenz Müller, wie- der, der bereits bei der nationalsozialistischen Volksstimme als Kunst- und Musikre- ferent tätig war und diese Position auch im Tagblatt inne hatte. Sonst scheinen, laut Hausjell, in den Jahren 1945 bis 1947 unter den ständigen Mitarbeitern der SPÖ Par- teizeitung keine Personen auf, die nationalsozialistisch „belastetet“ waren.209

2.3.3 Neue Zeit (KPÖ)

Die Parteizeitung der KPÖ Oberösterreichs erschien unter dem Titel Neue Zeit (Un- tertitel Organ der Kommunistischen Partei Oberösterreichs) vom 9. Oktober 1945 bis 2. Juli 1957. Bestand das Blatt am Anfang zunächst aus vier Seiten, so steigerten sich diese bis zum Jahr 1950 auf 20. War die Zeitung zu Beginn ihrer Erscheinung nur dreimal in der Woche erhältlich, so änderte sich dies mit Beginn des Jahres 1946. Ab diesem Zeitpunkt erschien sie täglich von Montag bis Samstag.210

In der Neuen Zeit waren im Zeitraum von 1945 bis 1947 überdurchschnittlich viele (30 Prozent) aus der Emigration zurückgekehrte JournalistInnen beschäftigt. Von den zehn RedaktionsmitarbeiterInnen ist bekannt, dass sechs davon vor 1945 einer jour- nalistischen Tätigkeit nachgegangen sind. Vier davon waren Neulinge in der Medien- landschaft.211 Unter den bereits Erfahrenen befand sich Arnolt Bronnen, der Propa- gandaartikel für das NS-Regime verfasste, von 1936 bis 1940 das Reichsfernsehen leitete, sich kurz vor dem Zusammenbruch des Großdeutschen Reiches einer Wider- standsgruppe anschloss und von Mai bis Juli 1945 das Amt des Goiserer Bürger-

207 Vgl. Hausjell: Journalisten gegen Demokratie oder Faschismus, Teil 1, S. 221. 208 Vgl. ebd., S. 223. 209 Vgl. ebd., S. 221-223. 210 Vgl. Rohleder: Die oberösterreichische Tages- und Wochenpresse, S. 319. 211 Vgl. Hausjell: Journalisten gegen Demokratie oder Faschismus, Teil 1, S. 175.

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meisters inne hatte. Ab Ende des Jahres 1945 bis 1950 war Bronnen in der Kulturre- daktion der Neuen Zeit beschäftigt.212

„Die kommunistische Neue Zeit verfügte in den ersten Aufbaujahren der Zweiten Re- publik also über eine – mit einer Ausnahme – nationalsozialistisch eindeutig unbelas- tete Redaktion, in der neben den stark vertretenen aus der Emigration heimgekehr- ten Journalisten die journalistischen Anfänger dominierten.“213

Während des Zeitraums 1945 bis 1948 arbeiteten in der Neuen Zeit zehn Personen als freie MitarbeiterInnen, davon drei weiblichen Geschlechts. Einem sehr hohen An- teil, nämlich 50 Prozent der JournalistInnen, konnte vor 1945 eine eindeutig antinati- onalsozialistische Haltung attestiert werden.214

2.4 Mühlviertler Zeitungen

Mit August 1945 und in der Folge ab Anfang 1946 wurde es auch der Region Mühl- viertel ermöglicht, eigene Zeitungen für die Leserschaft dieses Gebietes herauszu- geben. So erschien ab Ende August 1945 die Mühlviertler Post.215 Zudem bereicher- ten dann Anfang 1946 der Mühlviertler Bote und Der Mühlviertler den Zeitungs- markt.216

2.4.1 Mühlviertler Post

Ersterscheinungsdatum der Mühlviertler Post, die den Untertitel Organ der demokra- tischen Einigung führte, war der 30. August 1945.217 Diese Zeitung, die sich in der sowjetischen Besatzungszone großer Beliebtheit erfreute, erschien dreimal wöchent- lich und das nur relativ kurz, da es mit 31. Jänner 1946 bereits wieder zur Einstellung des Blattes kam. Gedruckt wurde die Mühlviertler Post von der Demokratischen Druck- und Verlagsges.m.b.H. Herausgeber waren die drei damals zugelassenen

212 Vgl. Hausjell: Journalisten gegen Demokratie oder Faschismus, Teil 2, S. 487. 213 Ebd., Teil 1, S. 177. 214 Vgl. ebd., S. 176-177. 215 Vgl. Rohleder: Die oberösterreichische Tages- und Wochenpresse, S. 383. 216 Vgl. ebd., S. 328. 217 Vgl. ebd., S. 384.

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Parteien KPÖ, ÖVP und SPÖ. Verantwortlicher Redakteur des in zunehmenden Ma- ße sozialistisch-lastigen Blattes (ab November 1945 erschienen SPÖ- Parteinachrichten)218 war der Sozialdemokrat Franz Blum. Mit Blum wurde ein ehe- maliger Konzentrationslagerinsasse von Dachau Chefredakteur. Der Jurist Dr. Anton Fellner, seit 1933 illegales NSDAP- und SS-Mitglied sowie enger Mitarbeiter Kal- tenbrunners,219 hatte Blums Verhaftung gleich zu Beginn des „Anschlusses“ veran- lasst. 220

Die Mühlviertler Post hatte es sich zur Aufgabe gemacht, eine Zeitung für alle sein zu wollen. Sie sollte ein, über alle gesellschaftliche Grenzen hinweg verbindendes Ele- ment darstellen.221

„Unsere Zeitung hat sich rasch die Herzen der Mühlviertler erobert. Das ist in erster Linie der Tatsache zu danken, daß es ständig bemüht war, den Bauer mit dem Arbei- ter, den Handwerker mit dem Intellektuellen, den Katholiken mit dem Sozialisten und Kommunisten zu verbinden.“222

Zu den Mitarbeitern der ersten Stunde zählte u.a der Nationalratsabgeordnete für die SPÖ und und Mitarbeiter des Tagblattes Alois Wimberger.223 Auch Wimberger war einer jener Journalisten, über den keine biographischen Daten für die Zeit von 1934 bis 1945 vorliegen.224

2.4.2 Der Mühlviertler

Jeden Donnerstag erschien in Linz Urfahr zu einem Preis von 25 Groschen – der sich bis 1949 auf 70 Groschen steigerte – Der Mühlviertler mit dem Untertitel Organ des werktätigen Volkes, in dessen Zeitungskopf Hammer und Ähre enthalten waren. Diese eher konservativ, katholisch geprägte Zeitung wollte neben ihren LeserInnen aus dem bäuerlichen Milieu auch die Arbeiterschaft des Mühlviertels erreichen. Ob

218 Vgl. Rohleder: Die oberösterreichische Tages- und Wochenpresse, S. 383. 219 Vgl. Gustenau: Mit brauner Tinte, S. 225.. 220 Vgl. ebd., S. 209f. 221 Vgl. Mühlviertler Post, 20.10.1945, S. 1. In: Rohleder: Die oberösterreichische Tages- und Wo- chenpresse, S. 384. 222 Ebd. 223 Vgl. ebd., S. 383. 224 Vgl. Hausjell: Journalisten gegen Demokratie oder Faschismus, Teil 2, S. 906.

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und wieweit sie dieses Ziel erreichte, darüber können nur Vermutungen angestellt werden. Sicher ist jedenfalls, dass es der Zeitung gelang, innerhalb von zwei Jahren eine Verdreifachung ihrer Auflagenstärke zu erzielen: von 10.000 (im Jahre 1945) auf 30.000 (1947). Chefredakteur der Zeitung, die in jedem Dorf lokale Berichterstatter hatte, war von Februar 1946 bis Oktober 1947 Wilhelm Auffermann.225 Auffermann (geboren 1908 und gestorben 1970) war vor 1938 Mitarbeiter des christlich-sozialen Linzer Wochenblattes und von 1938 bis 1942 als Schriftsteller und freier Journalist bei der Linzer Volksstimme tätig.226 Dr. Josef Haider löste Auffermann im Oktober 1947 ab und behielt seinen Posten als Chefredakteur bis März 1949.227 Das Tätig- keitsfeld von Haider (geboren 1920), ehemaliger Schriftleiter der Oberdonau-Zeitung und Kulturredakteur des Linzer Volksblattes (Ende 1945 bis ca. Mitte 1947), erstreck- te sich weiters noch auf das Tagblatt (ab 1952) und den Mühlviertler Boten.228

Mit 30. März 1950 stellte die Zeitung, die erstmals am 30. Jänner 1946 erhältlich war, ihr Erscheinen ein.229 Vermutlich, um ein entstehendes Vakuum in der Zeitungsland- schaft zu verhindern und einen gewissen „Ausgleich“ zu gewährleisten, ließ die Nachfolgezeitung nicht lange auf sich warten:

„Um nun aber im Mühlviertel doch noch eine katholische Wochenzeitung zu haben, entschloß sich der Oberösterreichische Landesverlag das 1938 eingestellte Blatt mit dem Titel MÜHLVIERTLER NACHRICHTEN ab 5. April des Jahres 1950 wieder ins Leben zu rufen.“230

2.4.3 Mühlviertler Nachrichten

Der Erscheinungstag der Mühlviertler Nachrichten war ebenfalls der Donnerstag. Im Jahre 1953 betrug die Auflagenstückzahl 20.000. Bis 1963 konnte sie sich auf 21.880 erhöhen.231

225 Vgl. Rohleder: Die oberösterreichische Tages- und Wochenpresse, S. 328. 226 Vgl. Gustenau: Mit brauner Tinte, S. 195. 227 Vgl. Rohleder: Die oberösterreichische Tages- und Wochenpresse, S. 328. 228 Vgl. Hausjell: Journalisten gegen Demokratie oder Faschismus, Teil 2, S. 565. 229 Vgl. Rohleder: Die oberösterreichische Tages- und Wochenpresse, S. 331. 230 Ebd. 231 Vgl. ebd., S. 364f.

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Wie sich nachstehendem Zitat entnehmen lässt, entbrannte zwischen den zwei Mühlviertler Wochenzeitungen ein regelrechter Wettstreit um die Gunst der LeserIn- nen. Die beiden Zeitungen bezichtigten sich gegenseitig der Lüge und Effekthasche- rei:232

„[…] so sieht die Berichterstattung des MÜHLVIERTLER BOTEN aus: skrupellose Verleumdung. Es behauptet angesichts der zunehmenden Auflage unseres Blattes mit grünem Gesicht, daß es bei den Zeitungen nicht auf die Masse, sondern auf das Gehirn ankommt.[…] Zeitungen, die in der einen Nummer das Blaue vom Himmel lügen, um in der anderen klein beigeben zu müssen, bezeichnet man unter Kollegen als Revolverpresse. (Der Mühlviertler Bauer sagt schlicht und einfach ‚Hetzblatt‘). Für den ‚Mühlviertler Boten‘ wäre es weitaus gesünder, wenn er seinen nichtständigen Mitarbeiter Hiob nicht nur 14tägig beurlauben, sondern überhaupt fristlos entlassen würde.“233

Bei den Mühlviertler Nachrichten waren in der Zeit von 1950 bis 1965 vier Redakteu- rInnen und 25 MitarbeiterInnen beschäftigt.234 Unter diesen findet sich nach Hausjell und Gustenau kein einziger mit einer einschlägigen nationalsozialistischen Vergan- genheit.

2.4.4 Mühlviertler Bote

Auch die SPÖ fungierte als Herausgeberin einer eigenen Mühlviertler Zeitung. Es war dies der Mühlviertler Bote. Er erschien vom 2. Februar 1946 bis 3. April 1954 dreimal in der Woche (Dienstag, Donnerstag, Samstag). Von 1954 bis 1956 reduzier- te sich die Erscheinungsweise auf zweimal pro Woche (Dienstag und Freitag). Ab 7. Juli 1956 gelangte die Zeitung mit dem Untertitel Heimatblatt für das werktätige Volk schließlich noch einmal pro Woche zur Veröffentlichung. Lag die Auflagenstärke im Jahre 1947 bei 18.000 Exemplaren, so betrug diese in den Jahren 1950 bis 1952 15.000 Stück. Im darauffolgenden Zeitraum von 1957 bis 1965 verringerte sich die Auflagenzahl nochmals drastisch und lag durchschnittlich bei 4.500 pro Woche.235

232 Vgl. Rohleder: Die oberösterreichische Tages- und Wochenpresse, S. 330. 233 Der Mühlviertler: Skrupellose Verleumdung, 16.1.1947, S. 2. 234 Vgl. Rohleder: Die oberösterreichische Tages- und Wochenpresse, S. 364 u. S. 366. 235 Vgl. ebd., S. 385.

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Auch im Mühlviertler Boten fanden sich Namen von Journalisten die bereits unter dem NS-Regime journalistisch tätig waren. So beispielsweise der von Gustenau er- wähnte Hannes H. Pilz (Jahrgang 1898), der seit 1937 NSDAP-Mitglied und im Zwei- ten Weltkrieg u.a. bei der Wehrmacht als Presse- und Zensuroffizier sowie Haupt- schriftleiter von Soldatenzeitungen tätig war236 sowie Felix Scherr, geboren 1899,237 der bereits als freier Mitarbeiter bzw. Wirtschaftsressortleiter bei den Oberösterreichi- schen Nachrichten genannt wurde. Weiters war bei Rohleder unter den Mitarbeitern des Mühlviertler Boten der Name Franz Müller zu lesen.238 Falls es sich um densel- ben Franz Müller handelte, den auch Gustenau erwähnte, so war dieser nach 1938, Mitarbeiter bei diversen Zeitungen des NS-Gauverlags Oberdonau.239

2.4.5 Mühlviertler Woche

Dieser Wochenzeitung war nur ein kurzes Dasein auf dem Zeitungssektor beschie- den, da sie nach ungefähr zehn Monaten von der sowjetischen Kommandantur ver- boten wurde. Das Medium, das sich als unabhängig bezeichnete, erschien vom 20. November 1949 bis 26. August 1950 und kostete 50 bzw. 60 Groschen. Verleger, Druckerei, Eigentümer und Herausgeber war die Demokratische Druck- und Verlags- gesellschaft Oberösterreich m.b.H., Linz, Promenade 23. Die Geschäftsstelle der Mühlviertler Woche befand sich in Urfahr.240 Die oben gemachten Angaben über die Eigentumsverhältnisse lassen den Schluss zu, dass somit diese Zeitung ebenfalls zur Behrmann-Gruppe gehörte und es deshalb nicht verwundert, dass – wie Rohle- der schreibt – die Mühlviertler Woche immer wieder Werbungen für die Oberösterrei- chischen Nachrichten einbrachte.241

Auch in dieser Zeitung sind Namen von MitarbeiterInnen, die bereits im NS-Regime als JournalistInnen arbeiteten, anzutreffen:242 Franz Pilsl, Redakteur bei (beiden) Oberösterreichischen Nachrichten243 sowie Wilhelm Auffermann244 und Anneliese

236 Vgl. Gustenau: Mit brauner Tinte, S. 234f. 237 Vgl. ebd., S. 238. 238 Vgl. Rohleder: Die oberösterreichische Tages- und Wochenpresse, S. 385. 239 Vgl. Gustenau: Mit brauner Tinte, S. 261. 240 Vgl. Rohleder: Die oberösterreichische Tages- und Wochenpresse, S. 402. 241 Vgl. ebd., S. 402f. 242 Vgl. ebd., S. 403. 243 Vgl. Hausjell: Journalisten gegen Demokratie oder Faschismus, Teil 1, S. 178 u. S. 181. 244 Vgl. ebd., Teil 2, S. 453.

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Dempf.245 Aber es finden sich ebenso Namen von unbelasteten Mitarbeitern wie Ludwig Eldersch,246 der von März 1946 bis März 1948 Chefredakteur des Linzer Tagblatts247 (s.o.) und u.a. auch beim Neuen Österreich248 tätig war.

245 Vgl. Gustenau: Mit brauner Tinte, S. 266. 246 Vgl. Rohleder: Die oberösterreichische Tages- und Wochenpresse, S. 403. 247 Vgl. Hausjell: Journalisten gegen Demokratie oder Faschismus, Teil 1, S. 223. 248 Vgl. ebd., Teil 2, S. 522.

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2.5 Vergleich von „belasteten“ und „unbelasteten“ JournalistInnen

Die nachstehende Tabelle bietet einen Überblick über die erschienen Zeitungen der unmittelbaren Nachkriegszeit im Linzer und Mühlviertler Raum. Sie soll anhand von Zahlen- und Prozentangaben das Verhältnis von „belasteten“ und „unbelasteten“ Re- dakteurInnen und JournalistInnen aufzeigen.

Die Zahlen der Österreichischen Zeitung, der Oberösterreichischen Nachrichten He- rausgegeben von der 12. Heeresgruppe für die Bevölkerung Oberösterreichs (OÖN1), Oberösterreichische Nachrichten Unabhängiges Tagblatt österreichischer Demokraten (OÖN2), der Neuen Zeit, dem Tagblatt und dem Volksblatt wurden aus Hausjell „Journalisten gegen Demokratie und Faschismus. Teil 1“ entnommen und oben dementsprechend zitiert.

Bei der Mühlviertler Post, Der Mühlviertler, dem Mühlviertler Boten, den Mühlviertler Nachrichten und der Mühlviertler Woche wurden die Namen der RedakteurInnen und MitarbeiterInnen, die bei Rohleder aufscheinen, untersucht, ob diese sich bei Haus- jell „Journalisten gegen Demokratie und Faschismus. Teil 1 und Teil 2“ bzw. bei Gustenau „Mit brauner Tinte“ wiederfinden.

Die Österreichischen Nachrichten, die von Juni bis August 1945 erschienen, finden in der Tabelle keine Erwähnung, da nicht festgestellt werden konnte, wie sich das Mit- arbeiterteam zusammensetzte. Die Zeitung wurde jedoch der Vollständigkeit halber genannt, da sie im Mühlviertel erhältlich war.

Hausjell teilte in seiner Dissertation die JournalistInnen in 16 Kategorien von „A“ bis „P“ ein. Aus diesen bildete er wiederum sechs Hauptkategorien von „I“ bis „IV“.249 Für die vorliegende Arbeit war in erster Linie Hauptkategorie „III“ interessant: „Kurzbe- zeichnung: Journalistische Erfahrung im Faschismus“: In dieser Hauptkategorie sind all jene Journalisten und Schriftsteller der Untersuchungsgruppe zusammengefasst, die während der nationalsozialistischen Diktatur Mitglieder in der Reichsschrifttums- kammer oder in anderen faschistisch verwalteten Staaten weitgehend systemkon- form publizistisch tätig waren. Ebenfalls wurden in die Kategorie III jene JournalistIn-

249 Vgl. Hausjell: Journalisten gegen Demokratie oder Faschismus, Teil 1, S. 87.

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nen miteinbezogen, die bereits während des „Ständestaates“ und in der darauffol- genden Zeit des Nationalsozialismus tätig waren.250 Zusätzlich fanden in Hausjells Studie Interviews, Fragebögen und Zeitzeugenberichte Berücksichtigung.

Tabelle: Gegenüberstellung von „belasteten“ und „unbelasteten“ JournalistInnen und „RedakteurInnen“

Name der Zei- Anzahl Anzahl Belastete Anzahl Anzahl Belastete tung der Re- der be- Redakteu- der freien der be- freie Mit- dakteure lasteten re in Pro- Mitarbei- lasteten arbeiter in gesamt Redakteu- zent ter ge- freien Prozent re in An- samt Mitarbei- zahl ter in Zah- len Österreichische 21 4 19% 73 4 6% Zeitung OÖN1 4 3 75% 17 6 35% 11.6.1945 -7.10.1945 OÖN2 11 6 55% 37 12 32% seit 8.10.1945 Neue Zeit 10 1 10% 8 0 0

Tagblatt 9 0 0 14 1 7%

Volksblatt 9 2 22% 21 5 24%

Mühlviertler Post 1 0 4 0

Der Mühlviertler 3 2 67% 9 0 0

Mühlviertler Bo- 5 2 40% 3 0 0 te Mühlviertler Wo- 1 0 0 23 3 13% che Mühlviertler 4 0 0 25 0 0 Nachrichten

Die Tabelle erhebt, betreffend die Mühlviertler Zeitungen, keinen Anspruch auf Voll- ständigkeit – jedoch wurde jedwede zur Verfügung stehende Literatur durchforstet, um jene Zeitungen, welche in dieser Region nach Kriegsende bis in Anfang der 1950er Jahre erschienen sind, zu erfassen und dem Forschungsinteresse mit der Frage, ob auch in den im Mühlviertel vertriebenen Zeitungen Personen arbeiteten, die bereits in der Presse des Nationalsozialismus tätig waren, nachzugehen.

250 Vgl. Hausjell: Journalisten gegen Demokratie oder Faschismus, Teil 1, S. 31f. u. S. 93.

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Wie aus obiger Tabelle ersichtlich, waren sowohl beim Mühlviertler Boten (SPÖ), als auch bei Der Mühlviertler (ÖVP) sowie bei der Mühlviertler Woche (unabhängig) „be- lastete“ JournalistInnen bzw. RedakteurInnen beschäftigt. Zwar ist die Anzahl der „belasteten“ Redakteure bei Der Mühlviertler und dem Mühlviertler Boten mit jeweils zwei Personen gleich, wird jedoch in Prozenten umgerechnet, so ergibt dies für Der Mühlviertler 67 Prozent und beim Mühlviertler Boten 40 Prozent. Unter den freien Mitarbeitern sind bei beiden Zeitungen keine belasteten Personen zu finden. Etwas anders gestaltete sich die Zusammensetzung bei der Mühlviertler Woche. So galt hier der einzige Redakteur als „nicht belastet“. Demgegenüber wurden von den 23 Mitarbeitern drei Personen bzw. 13 Prozent als „belastet“ eingestuft, da sie bereits in der nationalsozialistischen Presse tätig waren. Zusammenfassend kann im Hinblick auf die Mühlviertler Zeitungen festgehalten werden, dass auch hier mit zwei Aus- nahmen, der Mühlviertler Post und den Mühlviertler Nachrichten, in der Zweiten Re- publik ebenso wieder Personen arbeiteten, die auch bereits in der nationalsozialisti- schen Presse tätig waren.

Der Vollständigkeit halber sei hier darauf hingewiesen, dass auch Hausjell in seiner groß angelegten Studie, die sich mit JournalistInnen beschäftigte, die in den Jahren 1945 bis 1947 für eine Tageszeitung arbeiteten, nicht immer eindeutig eruieren konn- te, ob diese Personen nun „belastet“ waren oder nicht. In der vorliegenden Arbeit fand diese Tatsache auch explizite Erwähnung.

Resümierend kann festgestellt werden, dass die umfassend angestrebte Entnazifizie- rung der US-Militärregierung auf dem JorunalistInnensektor nicht zur Gänze gelun- gen ist. Aufgrund verschiedener Umstände, welche mit der nationalsozialistischen Herrschaft einhergingen (z.B. Krieg, Emigration oder Vernichtung jüdischer sowie politisch verfolgte JournalistInnen), stand nach dem Zweiten Weltkrieg nur ein einge- schränktes Potenzial zur Verfügung. Wie angespannt die Personalsituation gewesen sein musste, lässt auch die Tatsache erkennen, dass selbst in der von der Roten Armee herausgegebenen Österreichischen Zeitung einige Redakteure mit „brauner“ Vergangenheit beschäftigt waren.

Dennoch überrascht es doch sehr, dass gerade bei den Oberösterreichischen Nach- richten Herausgegeben von der 12. Heeresgruppe für die Bevölkerung Oberöster-

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reichs, die von den US-Militärbehörden herausgegeben wurde, und die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, mit Hilfe von Zeitungen eine Umerziehung der Österreiche- rInnen von der nationalsozialitischen Diktatur hin zur Demokratie zu bewerkstelligen, vier von drei Redakteuren (75 Prozent, s.o.), als belastet einzustufen waren. Wobei die Tatsache, Mitglied der Reichsschrifttumskammer oder der NSDAP gewesen zu sein, nicht unbedingt Auskunft über die Identifizierung der JournalstInnen mit dem NS-Regime geben musste.

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3 Die Ahndung von NS-Verbrechen und die Berichterstattung in den Printmedien anhand ausgewählter Beispiele

Nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs und des damit einhergehenden Zusam- menbruchs bzw. Verbotes ehemaliger Medien stellten Zeitungen ein wichtiges Ele- ment der Informationsvermittlung dar. Über sie wurden wirtschaftliche, politische, ge- sellschaftliche Nachrichten, Verlautbarungen jeglicher Art, Suchmeldungen und Be- richte über Verbrechen und deren Verfolgung transportiert. Die Presse war es auch, welche die Bevölkerung über nationalsozialistische Straftaten und die gerichtliche Aufarbeitung in Kenntnis setzte. Eines dieser Ereignisse, die „Mühlviertler Hasen- jagd“ sowie deren prozessuale Verfolgung waren in der zweiten Hälfte des Jahres 1945 bis Ende 1948 ein wiederkehrendes Thema in den oberösterreichischen Zei- tungen. Daher wird im ersten Teil dieses Kapitels die Berichterstattung über ausge- wählte Prozesse betreffend die „Mühlviertler Hasenjagd“ untersucht, um herauszufin- den, wie sich diese gestaltete und ob es wesentliche Unterschiede in den Zeitungen gab.

Der zweite Teil dieses Kapitels ist einem medialen Großereignis gewidmet - dem Fall Eichmann. Dieser Prozess fand zwar nicht in Österreich statt, rief jedoch auch in der oberösterreichischen Presse großes Medienecho hervor. Der Verfasserin dieser Ar- beit sind keine Analysen bekannt, welche sich mit der Berichterstattung in den Ober- österreichischen Nachrichten, den Mühlviertler Nachrichten und dem Mühlviertler Boten rund um den Eichmann-Prozess auseinandersetzen, deshalb wird dies in der vorliegenden Arbeit geschehen. Da sich die Tageszeitung Oberösterreichische Nach- richten als unabhängig sah und sieht sowie die Wochenzeitungen Mühlviertler Nach- richten der ÖVP und der Mühlviertler Bote der SPÖ zugerechnet werden konnten (s. Kapitel 2), soll hier untersucht werden, ob gravierende Unterschiede in der Art der Berichterstattung zu erkennen sind.

Fast ein Jahrzehnt nach Beendigung des Eichmann-Prozesses fand ebenfalls ein aufsehenerregender Prozess um einen NS-Straftäter, Johann Vinzenz Gogl, diesmal in Linz bzw. Wien statt, der im dritten Teil thematisiert wird. Mit der Bearbeitung von ausgewählten Zeitungsartikeln in den beiden Prozessen um Gogl soll der Kreis in

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Bezug auf Darstellung und Aufarbeitung des Nationalsozialismus in den oberöster- reichischen Printmedien geschlossen werden.

In allen diesen Untersuchungsgegenständen liegt der Fokus auf der Thematisierung der Opferrolle, ob eine Distanzierung zum Nationalsozialismus stattgefunden hatte, ob der Nationalsozialismus als rein „deutsches“ Phänomen dargestellt wurde und es gleichsam zu Forderungen nach Verfolgung von NS-Verbrechen kam. Spezifische Forschungsinteressen die einzelnen Fälle betreffend wurden bereits in der Einleitung erwähnt und werden aber nochmals bei den entsprechenden Kapiteln benannt.

3.1 ‚„Mühlviertler Hasenjagd“ – ein Drama, dessen Brutalität noch nach Generationen nicht vergessen sein wird“251

Diese Worte eines Artikels des Mühlviertler Boten bezüglich einer Verhandlung des Volkgerichtes Wien in einem Schwertberger Kinosaal weist auf das Ausmaß jenes schrecklichen Schicksals hin, das die 419 geflüchteten Männer vom Block 20 (sowje- tische Offiziere und Unteroffiziere) erlitten, die am 2. Februar 1945 einen Ausbruch aus dem Konzentrationslager und Kriegsgefangenenlager Mauthausen wagten. Ge- meinsam mit Volkssturmmännern, Hitlerjugend und Gendarmen machte sich die SS auf eine erbarmungslose Jagd, die sogenannte „Mühlviertler Hasenjagd“. Dement- sprechend groß war auch der „Erfolg“ dieser Verfolgungsjagd: Bereits am nächsten Tag gab es eine Meldung über 247 Tote. Bis 7. Februar 1945 steigerte sich diese Zahl auf 350.252 Aufgrund der unerbittlichen Verfolgung überstand nur eine geringe Anzahl an Personen diese brutale Hetzjagd. Zuverlässigen Informationen zu Folge gelang es insgesamt acht Gefangenen, die Flucht zu überleben,253 bei weiteren vier wird dies vermutet. 254

Der Mühlviertler Bote berichtete sehr ausdruckstark über den schlechten Ernäh- rungszustand der Flüchtigen: „[…] eine Fliegenklatsche hätte genügt um diese Men-

251 Mühlviertler Bote: Niedermayer vor dem Volksgericht. Verhandlung in Schwertberg – Treibjagd auf Menschenwracks, 16.12.1948, S. 3. 252 Vgl. Kaltenbrunner: Flucht aus dem Todesblock, S. 120. 253 Vgl. ebd., S. 262 u. S. 303. 254 Vgl. ebd., S. 303.

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schenwracks zu überwältigen“255 und über die Unerbittlichkeit, mit der sie gejagt wur- den. Besagter Artikel hatte neben der Schilderung der Grausamkeiten, denen die Gefangenen ausgesetzt waren, die Schuldfrage, wer den Befehl zur Tötung der Ent- flohenen gab, zum Inhalt. Niedermayer, ein Volkssturmkommandant aus Saxen so- wie ein gewisser Tacher und Jäger standen im Verdacht, „einige dieser armen Teufel erschossen zu haben.“256 Neben diesen Angeklagten lag auch noch bei einer Reihe anderer Personen der Verdacht einer Beteiligung an der Hetzjagd nahe. Einige von ihnen konnten jedoch nicht mehr belangt werden, da sie sich der irdischen Gerichts- barkeit entweder durch Selbstmord entzogen hatten bzw. der Selbstjustiz der Bevöl- kerung nach dem Zusammenbruch des Großdeutschen Reiches zum Opfer gefallen waren. Zentrale Frage dieses „Volksgerichthof“[!]257-Prozesses war, wie auch in eini- gen anderen gleichartigen Verfahren, die Frage der Verantwortlichkeit für den Tö- tungsbefehl.258

Obwohl das Urteil bei Redaktionsschluss noch nicht fest stand, schien für den bzw. die VerfasserIn des Zeitungartikels die Schuldfrage geklärt zu sein und die wahren VerbrecherInnen festzustehen, die bei der SS und den Befehlshabern des Konzent- rationslagers Mauthausen zu suchen seien:259

„Daß sich unfaßbare Schauerszenen gerade in unserer engeren Heimat abspielten, haben jene Männer zu verantworten, die das friedliche Mühlviertel mit dem ‚Lager des Grauens‘ belasteten.“260

Die am Anfang des Kapitels genannte Prophezeiung, dass die „Mühlviertler Hasen- jagd“ noch Generationen von Menschen beschäftigen würde, erfüllte sich tatsächlich. Aber erst Jahrzehnte später kam es dann faktisch zu einer größeren Auseinander- setzung mit dieser Tragödie. Große Bekanntheit erlangten die schrecklichen Ereig- nisse rund um die „Mühlviertler Hasenjagd“ durch den 1994 entstandenen Film „Ha-

255 Mühlviertler Bote: Niedermayer vor dem Volksgericht. Verhandlung in Schwertberg – Treibjagd auf Menschenwracks.,16.12,1948. S. 3. 256 Ebd. 257 Der Begriff „Volksgerichtshof“ dürfte bei manchen JournalistInnen tief im Gedächtnis verankert gewesen sein, da er in einigen Zeitungsberichten immer wieder auftauchte. 258 Vgl. Mühlviertler Bote: Niedermayer vor dem Volksgericht. Verhandlung in Schwertberg – Treibjagd auf Menschenwracks, 16.12.1948, S. 3. 259 Vgl. ebd. 260 Ebd.

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senjagd – Vor lauter Feigheit gibt es kein Erbarmen“ von Regisseur Andreas Gru- ber.261

3.1.1 Mediale Darstellung versus Vernehmungsniederschriften rund um die „Mühlviertler Hasenjagd“ – ausgewählte Beispiele aus dem Raum Pregarten und Wartberg/Aist

Nicht nur die nächste Umgebung von Mauthausen war Schauplatz der „Mühlviertler Hasenjagd“, sondern auch das derzeitige Gemeindegebiet von Wartberg/Aist. Da es rund um diesen Ort ebenfalls zu Tötungen an K-Häftlingen262 im Zuge der „Mühlviert- ler Hasenjagd“ kam,263 wird im Folgenden den Fragen nachgegangen, ob sich der Täterkreis ausschließlich aus Suchtrupps der SS zusammensetzte bzw. ob bei den Verfolgungen und Ermordungen auch die Zivilbevölkerung beteiligt war – und falls ja, ob es zu Verurteilungen kam und wie diese dann medial verarbeitet wurden.

Beinahe zwei Jahre waren seit der schrecklichen Menschenjagd vergangen, als es zum Prozess gegen drei junge Burschen aus dem Raum Pregarten und Wart- berg/Aist kam, indem sie sich wegen Mordes verantworten mussten. Der Mühlviertler berichtete darüber:264

Pregarten. Die ‚Mühlviertler Hasenjagd‘ vor dem Volksgericht. Wegen der am Licht- meßtag 1945 durchgeführten Großfahndung nach den entsprungenen Häftlingen aus dem KZ Mauthausen hatten sich bereits mehrere Männer vor dem Volksgericht zu verantworten. Diesmal standen die drei ehemaligen Hitlerjugend-Angehörigen Fried- rich Aichinger, Josef Schönberger und Johann Praher aus unserer Gemeinde vor der Anklagebank. Den drei Angeklagten wurde zur Last gelegt, daß sie drei Häftlinge

261 Vgl. Filmportal: Hasenjagd – Österreichs erfolgreichster Kinofilm des Jahres 1995. http://www.filmportal.de/person/andreasgruber_01cdf8ce66f741918e39c72f36551e20, abgerufen am 24.10.2016. 262 Als K-Häftlinge wurden geflohene und wieder gefangen genommene Offiziere und Unteroffiziere bezeichnet, die keinem Arbeitskommando zugeteilt waren. Sie wurden offiziell als Geflohene geführt und in das KZ Mauthausen gebracht. Amerikanische und britische Offiziere waren davon ausgenom- men. Vgl. Forum OÖ Geschichte: Opfer im Nationalsozialismus. URL: http://www.ooegeschichte.at/epochen/oberoesterreich-in-der-zeit-des nationalsozialis- mus/opfer/kriegsgefangene-in-oberdonau.html, abgerufen am 5.6.2017. 263 Vgl. Steinmaßl, Franz: Das Hakenkreuz im Hügelland. Nationalsozialismus, Widerstand und Ver- folgung im Bezirk Freistadt 1938-1945, 1988, S. 304f. 264 Vgl. Der Mühlviertler: Die „Mühlviertler Hasenjagd“ vor dem Volksgericht, 5.12.1946, S. 5.

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durch Gewehrschüsse ermordet haben. Die Beschuldigten, die zur Zeit der Tat noch nicht einmal 17 Jahre alt waren, gestanden ihr Verbrechen ein, wurden aber von den Zeugen als ehrliche und anständige Menschen geschildert. Die langjährige national- sozialistische Erziehung und die Unmöglichkeit, die gegebenen Befehle zu verwei- gern, veranlaßten das Gericht, die Angeklagten nach 14 Monate langer Untersu- chungshaft freizusprechen.“265

Auffallend an diesem Artikel war hier die Wortwahl, dass nämlich nicht von KZ-lern wie beispielsweise in der Neuen Zeit266 die Rede war, sondern von entsprungenen Häftlingen sowie der regionale Bezug der Angeklagten. Sie wurden eindeutig als der Gemeinde Pregarten zugehörig, also als jene aus den eigenen Reihen, benannt. Der Beschreibung nach galten sie als ehrlich und anständig. Sie wären es gewohnt ge- wesen, Befehle unhinterfragt auszuführen, weshalb sie selbst keine Schuld träfe. Der Umstand der jahrelangen nationalsozialistischen Indoktrinierung habe bei der Urteils- findung Berücksichtigung erfahren. Deshalb sei das Gericht zu dem Schluss gekom- men, dass die Schuld mit der Untersuchungshaft bereits gesühnt wäre.267

Eine etwas andere Darstellung der Ereignisse lieferte eine Vernehmungsniederschrift mit den Volkssturmkommandanten zur Zeit der „Mühlviertler Hasenjagd“, Leopold Altzinger, vom März 1946. Er gab zu Protokoll, dass den drei Jugendlichen im Feb- ruar 1945 für ihre „Heldentaten“ eine öffentliche Belobigung zuteil wurde. Weiters berichtete er, dass Praher ihn ihm Zuge der Menschenjagd persönlich gebeten hätte, doch einen Häftling erschießen zu dürfen. Altzinger lehnte dieses Ansinnen ab, wor- aufhin ein SS-Mann die Erlaubnis für die Tötung dieser „Schweinehunde“ 268 gege- ben hätte.269

265 Der Mühlviertler: Die „Mühlviertler Hasenjagd“ vor dem Volksgericht, 5.12.1946, S. 5. 266 Vgl. Neue Zeit: Die Mühlviertler Hasenjagd, 11.10.1946, S.3. 267 Vgl. Der Mühlviertler: Die „Mühlviertler Hasenjagd“ vor dem Volksgericht, 5.12.1946, S. 5. 268 Vernehmungsniederschrift mit Leopold Altzinger, Landesgendarmeriekommando Mühlviertel, Pre- garten, 19.3.1946. Abschrift im Besitz der Verfasserin. 269 Vgl. ebd.

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Das Argument des Befehlsnotstands war auch bei einem weiteren Täter, Friedrich Aichinger, Jahrgang 1928, dasselbe wie bei etlichen anderen Personen, die diverser NS-Gewaltverbrechen verdächtigt oder angeklagt waren.270

„Als ich mit dem Häftling zu dem SS Auto kam, schrie mich gleich ein SS Offizier an, warum ich nicht gleich geschossen habe. Er stiess den Häftling vom Auto weg und befahl mir diesen sogleich mit meinem Karabiner zu erschiessen. Dabei drehte er den Häftling um. Ich schoss sogleich mit meinem Karabiner dem Häftling aus der Nähe von Hinten eine Kugel durch den Kopf. Der Häftling stürzte nieder und war so- fort tot.“271

Laut Vernehmungsniederschrift mit Josef Schölmberger, Jahrgang 1929, hat sich die Tötungsaktion ähnlich wie bei Aichinger abgespielt: Ihm und Praher wurde von einem SS-Obersturmführer (an dessen Namen sich Schölmberger nicht erinnern konnte), befohlen, die beiden Häftlinge zu erschießen und das taten sie auch unverzüglich.272

Alle drei Beschuldigten gaben an, bei der Zusammenkunft auf dem Marktplatz in Pregarten vom damaligen Bürgermeister Ferdinand Fröhlich273 informiert worden zu sein, dass in Mauthausen Schwerverbrecher entflohen seien. Es erfolgte eine Grup- peneinteilung der herbeigeeilten 50 Männer, die aus Hitlerjugend (HJ) und Volks- sturmmännern bestand. Der Befehl, gesichtete KZ-Häftlinge sofort zu erschießen, wurde erteilt. Über die Angabe, wer die Instruktion zur Liquidierung der Häftlinge gab, differieren die Angaben. Während Aichinger und Praher zu Protokoll gaben, dass ein Oberleutnant der Gendarmerie Namens Obermaier diesen Befehl angeordnet hätte, wobei sich Praher nicht ganz sicher war,274 gab Schölmberger an275: „Der Bürger-

270 Vgl. Vernehmungsniederschrift mit Friedrich Aichinger, BG Perg, 23.10.1945. Bestand: OOELA Sondergerichte Linz, Schachtel 103, Zl. 4062/46. 271 Ebd. 272 Vgl. Vernehmungsniederschrift mit Josef Schölmberger, BG Perg, 23.10.1946. GZ 8Vr406/46. Be- stand: OOELA Sondergerichte Linz, Schachtel 82, Zl. 3234/46. 273 Ferdinand Fröhlich war nach eigenen Angaben seit 1919 Mitglied des Deutschen Turnvereins, ab 1.3.1933 Mitglied der NSDAP (Mitgliedsnummer 1,520.348), ab dem Frühjahr 1934 bis August SA- Reserve-Truppenführer, von 1934 bis 1937 Mitglied der Vaterländischen Front und von März 1938 wiederum bei der SA. Vgl. Personalfragebogen vom 12.8.1941. Bestand: Stadtarchiv Pregarten, Personalakt Fröhlich Ferdi- nand jun., P6-a. 274 Vernehmungsniederschrift mit Friedrich Aichinger, BG Perg, 23.10.1945. Bestand: OÖELA Son- dergerichte Linz, Schachtel 103, Zl. 4062/46; und Vernehmungsniederschrift mit Johann Praher, BG Perg, 23.10.1945, GZ 8Vr406/46. Bestand: OOELA Sondergerichte Linz, Schachtel 1015, Zl. 2923/46.

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meister [Fröhlich] sagte ausdrücklich, es werden keine Gefangenen gemacht, son- dern [es] ist jeder angetroffene KZ-Häftling sofort zu erschießen.“276

Dieser Behauptung schloss sich auch der bis 1945 gewesene Gendarmerie- Kreisführer von Freistadt, Josef Harthaller, an.277

„Glaublich am zweiten Tage fuhr ich persönlich nach dem südlich gelegenen Gend. Posten und traf ich im Orte Wartberg die Gendarmen Obermaier, Meister Tauber, Meister Winter und möglich noch einen oder zwei Pol. Reservisten. Dort meldete mir Obertl. Obermaier, daß der Bürgermeister von Pregarten, namens Fröhlich, mehrere Flüchtlinge durch HJ-Jungens erschiessen ließ. Die HJ hatte der genannte Bürger- meister aus eigenem Antriebe zur Fahndung aufgeboten. Bürgermeister Fröhlich, den ich noch am selben Tage traf, beklagte sich mir gegenüber, daß sich die Gen- darmen zu wenig rege einschalten und die bisherigen Erfolge lediglich durch den Volkssturm erzielt wurden. Er sagte, die Gendarmen stehen immer in Gruppen bei- sammen und warten, bis ihnen ein Flüchtling in die Hände läuft.“278

Diese „Untätigkeit“ dürfte Harthaller sichtlich gestört haben, da sich Revierinspektor Josef Winter an die Worte erinnerte, mit denen dieser seinem Unmut Ausdruck ver- lieh.

„Ich weiß nun ganz bestimmt, dass der Gend. Kreisführer (jetzt Bezgendkommdt.) Harthaller von Freistadt, am ersten Tage dieser Razzia, es dürfte vormittags oder doch schon Mittag gewesen sein, im Orte Wartberg erschienen ist und dort schimpf- te, weil wir mehrere Gendarmen beisammen waren, darunter auch der Volkssturm und da meinte Harthaller ‚Hier in Wartberg sind alle beisammen und durch das Aisttal gehen die KZ-Häftlinge dutzendweise durch.‘ Er meinte noch, ob wir vielleicht glau- ben, wir wären zur Parade in Wartberg/Aist aufgestellt.“279

275 Vgl. Vernehmungsniederschrift mit Josef Schölmberger, BG Perg, 23.10.1946, GZ 8Vr406/46. Be- stand: OÖELA Sondergerichte Linz, Schachtel 82, Zl. 3234/46. 276 Ebd. 277 Vgl. Vernehmungsniederschrift mit Josef Harthaller, Landesgendarmeriekommando Linz, 22.3.1946. Bestand: OÖELA Sondergerichte Linz, Schachtel 275, Zl. 3502 und Schachtel 422, Zl. 3502/47. 278 Ebd. 279 Vernehmungsniederschrift mit Josef Winter, Landesgendarmeriekommando Mühlviertel, Pregarten, 19.3.1946. Abschrift im Besitz der Verfasserin.

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Dessen ungeachtet behauptete auch Revierinspektor Ernst Augustin, Pregarten, dass es seitens der Gendarmerieführung keinen Schießbefehl auf die Flüchtigen ge- geben hätte:280

„Irgendwelche Befehle, von den Gend. Vorgesetzten stammend, dass Häftlinge, wel- che aufgegriffen werden, zu erschießen wären, sind mir weder schriftlich noch münd- lich bekannt und ich erkläre ausdrücklich, dass solche Befehle in der Gend. Posten- kanzlei nicht gegeben wurden.“281

Ein weiterer Name, der immer wieder im Zusammenhang mit der „Mühlviertler- Hasenjagd“ auftaucht, ist jener des 1898 geborenen Magazineurs Franz Berndl:282

„Unter den zur Jagd Aufgebotenen befand sich auch der Volkssturmmann Franz Berndl […] unter einem Reisighaufen [fand er] einen verstecken KZ-ler. Er brachte den Mann zum SS=Offizier, der dem Vokssturmmann Sprinzensteiner [aus Wartberg] den Befehl erteilte den KZler sofort zu erschießen. Sprinzensteiner weigerte sich, den Befehl auszuführen. Der SS=Offizier beauftragte nun Berndl mit der Mordtat. Berndl, der ein Jagdgewehr trug, schoß den Mann bereitwillig nieder. Am Nachhaus- weg rühmte er sich sogar, daß er seine Sache gemacht und einen KZler umgelegt habe‘“.283

Am 29.4.1947 wurde der Wartberger Berndl vom Volksgericht Linz für schuldig be- funden, am 2. Februar 1945 einem entflohenen Häftling in Steinpichl284 [im gegen- wärtigen Gemeindegebiet Wartberg/Aist] „in der Absicht ihn zu töten, einen Schuss aus einer Schrotflinte abgegeben, durch den der KZ-ler aber nicht getötet worden ist, somit eine zur wirklichen Ausübung des Verbrechens des Mordes führende Handlung begangen, wobei die Vollbringung des Verbrechens nur wegen Unvermögenheit un- terblieben ist.“285

280 Vgl. Vernehmungsniederschrift mit Ernst Augustin, Landesgendarmeriekommando Mühlviertel, Pregarten, 19.3.1946. Abschrift im Besitz der Verfasserin. 281 Ebd. 282 Vgl. Anklageschrift gegen Franz Berndl vom 19.7.1946, Wien, GZ VG 8Vr1782/46. Bestand: OOE- LA Sondergerichte Linz, Schachtel 82, Zl. 3234/46. 283 Neue Zeit: Die Mühlviertler Hasenjagd. Einen entflohenen KZler umgelegt, 11.10.1946, S. 3. 284 Vgl. Urteil Volksgericht Linz gegen Franz Berndl vom 29.4.1947, GZ VG 8Vr1782/46. Bestand: OOELA Sondergerichte Linz, Schachtel 82, Zl. 3234/47. 285 Ebd.

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Falls der Entflohene zu diesem Zeitpunkt noch lebte, brachte Volkssturmführer Knoll, der sich nach Kriegsende erhängte, die Tat zu Ende, indem er den in einer Blutlache Liegenden mit dem Stiefel auf die Brust trat und ihm mehrere Fußtritte gegen die Schläfe verpasste und seine Tat mit den Worten kommentierte, dass dieser nun „hin“286sei.287

Für die Neue Zeit fiel das Strafausmaß, das über Berndl verhängt wurde, eindeutig zu niedrig aus. Dies brachte sie bereits in der Artikelüberschrift „Keine Sühne für Mühlviertler Hasenjagd“ zum Ausdruck.288

„Wir dachten, daß die Zeit, in der ein Menschenleben keinen Pfifferling wert war, vor- über sei. Wie aber sollen die ungezählten Grausamkeiten jemals gesühnt werden, wenn ein feiger Mörder mit drei Jahren Kerker davonkommt?“289

Auch in den Oberösterreichischen Nachrichten fand sich unter der Rubrik „Recht und Gericht“ ein Bericht mit der Überschrift „Mordversuch mit dem Schrotgewehr“290 über den Prozess vor dem Linzer Volksgericht. Während die Neue Zeit detaillierter über den möglichen Tathergang berichtete (z.B. die Rolle Knolls bei dem Mord oder die Weigerung Sprinzensteiners, den Häftling zu erschießen – s. o.), so fehlen diese An- gaben in der Darstellung der Oberösterreichischen Nachrichten völlig und die Leser- schaft erfährt auch nicht, warum Berndl lediglich des Mordversuchs für schuldig be- funden wurde. Kommentarlos werden hier die drei Jahre schweren Kerkers den Le- serInnen zur Kenntnis gebracht.291

„Er war auch bei der Hasenjagd. Wie ein roter Faden zieht sich immer wieder die ‚Mühlviertler Hasenjagd‘ durch die Prozesse beim Volksgerichtshof.“292

Neben einem ausführlichen Bericht des Tathergangs und den bereits schon vorher geschilderten Punkten (Rolle Knolls und die Weigerung Sprinzensteiners) erfahren

286 Neue Zeit: Keine Sühne für die Mühlviertler Hasenjagd, 2.5.1947, S. 3. 287 Vgl. ebd. 288 Vgl. ebd. 289 Ebd. 290 Oberösterreichische Nachrichten: Mordversuch mit Schrotgewehr, 2.5.1947, S. 3. 291 Vgl. ebd. 292 Der Mühlviertler: Er war auch bei der Hasenjagd, 8.5.1947, S. 5.

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hier die LeserInnen von einem zweiten Schuss, der angeblich noch auf den am Bo- den Liegenden abgegeben wurde. Laut Darstellung des Mühlviertlers veranlasste diese Behauptung das Volksgericht (im Artikel fälschlich als „Volksgerichtshof“293be- zeichnet), Berndl zwar wegen Tötungsabsicht für schuldig zu befinden, ihn jedoch nicht wegen Mordes zu verurteilen. Und auch hier wieder der Hinweis auf das relativ milde Urteil:294

„Der Angeklagte wurde lediglich zu drei Jahren schweren Kerkers verurteilt.“295

Aus der Überschrift der Tageszeitung des Linzer Tagblatts war zu erfahren, dass sich der Linzer Volksgerichtshof [!]296 fortgesetzt mit der Mühlviertler Hasenjagd beschäf- tigen musste: „Noch immer die Mühlviertler Hasenjagd“. In dieser Zeitung tauchte erstmals die Aussage auf, dass laut gerichtsmedizinischem Gutachten auf eine Ent- fernung von 15 bis 20 Schritte kaum ein tödlicher Schuss möglich sei.297

Im Mühlviertler war zwar von keinem gerichtsmedizinischen Gutachten, sondern von der Expertise eines Schießsachverständigen die Rede, welcher aber zu einem ande- ren Ergebnis kam:298

„Wie ein Schießsachverständiger aussagte, kann aus dieser Entfernung ein Mensch mit Zwölferschrot getötet werden.“299

Aus dem Protokoll der Hauptverhandlung lässt sich entnehmen, dass es tatsächlich zu Widersprüchen in den Aussagen dieser zwei Gutachter kam. So behauptete Dr. med. Karl Bauer, Prosektor des Allgemeinen Krankenhauses in Linz:300

293 Der Mühlviertler: Er war auch bei der Hasenjagd, 8.5.1947, S. 5. 294 Vgl. ebd. 295 Ebd. 296 Auch hier wird wieder (wie vorhin im Mühlviertler das Linzer Volksgericht fälschlicherweise als Volksgerichtshof benannt. 297 Vgl. Tagblatt: Noch immer die Mühviertler Hasenjagd, 30.4.1947, S. 4. 298 Vgl. Der Mühlviertler: Er war auch bei der Hasenjagd, 8.5.1947, S. 5. 299 Ebd. 300 Vgl. Hauptverhandlung gegen Franz Berndl, Volksgericht Linz, 29.4.1947, GZ VG 8Vr1782/46. Bestand: OOELA Sondergerichte Linz, Schachtel 82, Zl. 3234/46.

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„Es kann aber kaum angenommen werden, dass eine Tötung des Angeschossenen durch diesen Schuss allein verursacht werden konnte.“301

Dieser Angabe setzte der Sachverständige Karl Goluch, Büchsenmacher, entge- gen:302

„Die größte Wahrscheinlichkeit unter den gegebenen Bedingungen, einen Menschen zu töten, entsprächen einer Distanz von 10 – 12m. Bei 15 – 20 Schritten auch noch die Möglichkeit einer Tötung, soferne der Schütze mit der inneren Geschossgarbe trifft.“303

Das Volksgericht kam schließlich zum Schluss, dass Berndl304 „[…] gegen einen Häftling des KZ Lagers Mauthausen, in der Absicht ihn zu töten, einen Schuss aus einer Schrotflinte abgegeben, durch den der KZ ler aber nicht getötet worden ist, so- mit eine zur wirklichen Ausübung des Verbrechens des Mordes führende Handlung begangen, wobei die Vollbringung des Verbrechens nur wegen Unvermögenheit un- terblieben ist, […]“305

Als Begründung für das milde Strafausmaß wertete das Gericht „das Geständnis des Tatsächlichen, eine weitgehende Zwangslage, die Sorgepflicht für Frau und ein Kind, die gute Beschreibung durch den Dienstgeber.“306 Zusätzliche Erleichterungen brachten für Berndl die Abstandnahme vom Vermögensverfall sowie die Anrechnung der Untersuchungshaft.307

3.1.2 Ferdinand Fröhlich

Bei intensiver Beschäftigung mit dem Thema „Mühlviertler Hasenjagd“ taucht konti- nuierlich der Name des ehemaligen Bürgermeisters Ferdinand Fröhlich auf. Fröhlich

301 Hauptverhandlung gegen Franz Berndl, Volksgericht Linz, 29.4.1947, GZ VG 8Vr1782/46. Bestand: OOELA Sondergerichte Linz, Schachtel 82, Zl. 3234/46. 302 Vgl. ebd. 303 Ebd. 304 Vgl. Urteil Volksgericht Linz gegen Franz Berndl, 29.4.1947, GZ VG 8Vr1782/46. Bestand: OOELA Sondergerichte Linz, Schachtel 82, Zl. 3234/47. 305 Ebd. 306 Ebd. 307 Vgl. ebd.

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war als „Illegaler“ einzustufen, da er nach eigenen Angaben bereits im Frühjahr 1932 eine Beitrittserklärung zur Aufnahme in die NSDAP abgab. Seine verlässliche Gesin- nung dürfte ihm auch bei der Einsetzung zum Bürgermeister von Pregarten zugute gekommen sein, da er dieses Amt vom 20. Jänner 1940 bis Kriegsende bekleide- te.308 Fröhlich fand im Zuge der behördlichen Ahndung im Zusammenhang mit der „Mühlviertler Hasenjagd“ immer wieder Erwähnung, im Besonderen wegen der Frage nach dem Schießbefehl. So fällt der Name des ehemaligen Bürgermeisters auch in einem Artikel der Oberösterreichischen Nachrichten, mit der Überschrift „Traurige Helden der inneren Front“, in dem Fröhlich beschuldigt wurde, den Befehl zur Tötung von K-Häftlingen gegeben zu haben.“309

„Fröhlich wird zur Last gelegt, am 2. Februar 1945 an die aufgebotenen Volkssturm- männer in Pregarten den Befehl erteilt zu haben, bei der Jagd auf die 400 entsprun- genen KZler von Mauthausen keine Gefangenen zu machen, sondern sie alle sofort zu erschießen.“310

Diese Beschuldigung deckt sich auch mit der Vernehmungsniederschrift von Moritz Haghofer. Der Hilfsgendarm, der zur Zeit der „Mühlviertler Hasenjagd“ in Pregarten seinen Dienst versah, gab an, sich sehr gut an die Anweisung Fröhlichs zu erinnern und belastete ihn schwer.311

„Bürgermeister Fröhlich hat an die Versammelten mündliche Weisungen gegeben, wie man sich zu verhalten hat und Fröhlich sagte wörtlich: ‚eingesperrt darf kein Häft- ling werden, sondern gleich erschießen.‘“312

An diese Behauptung konnte sich ein gewisser Willibald Bodingbauer nicht erinnern. Aus einer Vernehmungsniederschrift mit Bodingbauer, geboren am 14. Mai.1930, ging diesbezüglich hervor, dass er und seine Nachbarn, die Bauern Guttenbrunner und Spengler, alle wohnhaft in Pregartsdorf, dem Volkssturm zugeteilt waren und so

308 Vgl. Protokoll der Hauptverhandlung Strafsache gegen Ferdinand Fröhlich, Linz, 28.10.1947. GZ VG 6Vr3502/47. Bestand: OOELA Sondergerichte Linz, Schachtel 103, Zl. 4062 und Schachtel 275/3502 und Schachtel 1015, Zl. 2923/46. 309 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Traurige Helden der inneren Front, 29.10.1947, S. 3. 310 Ebd. 311 Vgl. Vernehmungsniederschrift mit Moritz Haghofer, Landesgendarmeriekommando Mühlviertel, Freistadt, 21.3.1946. Bestand: OOELA Sondergerichte Linz, Schachtel 1015, Zl. 2923/46. 312 Ebd.

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auch eines Morgens um ca. fünf Uhr Anfang Februar bei der „Mühlviertler Hasen- jagd“ zum Einsatz kamen. Spengler hatte einen Häftling angeschossen und beauf- tragte Guttenbrunner und Bodingbauer zusammen mit ihm und dem Verwundeten zum Gendarmerieposten Pregarten zu gehen. Am Posten kam es zur Übergabe des Flüchtigen. Spengler sowie ein Hilfs-Gendarm verließen zusammen mit dem Häftling das Gebäude und führten diesen in Richtung Aist. Nach einiger Zeit kam Spengler wieder zurück und teilte seinen Nachbarn mit,313 dass „der Häftling durch einen Ge- nickschuß, auf einer Wiese, nicht weit von der Molkerei Pregarten entfernt (Aisttal) erledigt, bezw. vom Gend. erschossen wurde. […] und so hat mir und dem Gut- tenbrunner der Bauer Spengler, Hausname Hesser in Pregartsdorf erzählt, dass er Spengler [dem Hilfsgendarmen Gassner] mit der Taschenlampe leuchten musste, als die Erschießung durchgeführt wurde.“314

Die zentrale Frage nach dem Schießbefehl konnte nicht eindeutig geklärt werden, da überaus viele Einvernommene ihre Aussage vor dem Volksgericht revidierten und somit Fröhlich entlasteten.315

„Obwohl man es schon bei vielen Volksgerichtsprozessen bemerken konnte, daß Zeugen, die bei der polizeilichen und gerichtlichen Voruntersuchung ihre Angaben sicher und fest machten, bei der Hauptverhandlung ‚umfielen‘, war diese Erschei- nung diesmal besonders auffallend.“316 Wie das Volksblatt weiter berichtete, blieben nur zwei von 17 Zeugen bei ihren ursprünglichen Angaben.317 Deshalb konnte die Frage nach dem Tötungsbefehl wegen der vielen widersprüchlichen Aussagen, wie sie auch Der Mühlviertler in einem Bericht mit der Titelüberschrift „Wer gab den Be- fehl zur Ermordung? Schwere Anklage gegen den ehem. Bürgermeister von Pregar- ten“318 stellte, nicht geklärt werden. Fröhlich durfte sich über einen Freispruch freu-

313 Vgl. Vernehmungsniederschrift mit Willibald Bodingbauer, Landesgendarmeriekommando Mühl- viertel, Pregarten, 20.3.1946. Abschrift im Besitz der Verfasserin. 314 Ebd. 315 Vgl. Volksblatt: Niemand wollte es getan haben, 30.10.1947, S. 3. 316 Ebd. 317 Vgl. ebd. 318 Der Mühlviertler: Wer gab den Befehl zur Ermordung? Schwere Anklage gegen den ehem. Bür- germeister von Pregarten, 17.7.1947, S. 13.

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en.319 Gassner wurde zu 20 Jahren, Haghofer und Spengler zu jeweils zehn Jahren Haft verurteilt. 320

Doch wie Der Mühlviertler erwähnte, war noch ein weiteres Verfahren, in dem sich Ferdinand Fröhlich ebenfalls verantworten sollte, geplant.

„Nebst den oben angeführten Verbrechen wird Fröhlich auch zur Last gelegt, daß er im Jahre 1944 Großrazzien auf ausländische Zwangsarbeiter im Raume Pregarten befahl und sie in Massen mit Stöcken, Gummiknüppeln und Schläuchen züchtigen ließ. Den ausländischen Arbeitern, die bei den umliegenden Bauern als Landarbeiter eingesetzt waren, wurde Arbeitsunlust und Widersetzlichkeit vorgeworden. Diese Beschuldigung genügte Fröhlich zu einer mittelalterlichen Strafaktion. Er ließ die Ar- beiter aus den Betten holen und auf den Exekutionsplatz bringen, wo sie dann ver- prügelt wurden. Wegen dieses Verbrechens werden sich noch weitere 22 Angeklagte mit Fröhlich zu verantworten haben. Bei dem kommenden Verfahren gegen Fröhlich und Genossen handelt es sich um einen der größten Prozesse, die bisher beim Lin- zer Volksgericht zu verzeichnen waren.“ 321

Ehe es dann tatsächlich zum Prozessbeginn kam, mussten noch weitere fünf Jahre vergehen. Dieser lange Zeitraum dürfte dazu beigetragen haben, dass die Erinne- rungsfähigkeit so mancher Zeugen zu wünschen übrig ließ:322

„Das Verfahren litt darunter, daß nicht wenige der Zeugen die in der Voruntersu- chung die Beschuldigten erheblich belastet hatten, nunmehr von einer Beteiligung der Angeklagten an den Schlägereien nichts mehr wissen wollten oder diese erheb- lich abschwächten. Sämtliche Beschuldigten wurden mangels an Beweisen freige- sprochen.“323

319 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Traurige Helden der inneren Front, 29.10.1947, S. 3. 320 Vgl. ebd. 321 Der Mühlviertler: Wer gab den Befehl zur Ermordung? Schwere Anklage gegen den ehem. Bür- germeister von Pregarten, 17.7.1947, S. 13. 322 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Die schwarzen Tage von Pregarten, 9.2.1952, S. 3. 323 Ebd.

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Außer den Oberösterreichischen Nachrichten berichtete nur noch das Volksblatt in einem siebenzeiligen Bericht über den Ausgang des zweitätigen Volksgerichts- Prozesses gegen Fröhlich und Genossen.324

Und so kam es auch in diesem Prozess – wie übrigens in allen recherchierten Fällen, in denen Ferdinand Fröhlich angeklagt war, zu einem Freispruch.

Viele Zeitzeugenspräche sowie erfolglose Telefonate und nicht beantwortete E- mails325 an verschiedene Stellen326 über den Verbleib von Ferdinand Fröhlich nach dem Zweiten Weltkrieg wurden getätigt. Nachforschungen in einer Art Ortschronik, die in der Wenzelskirche in Wartberg/Aist aufbewahrt wird und aus den 1960er Jah- ren stammen dürfte,327 brachten kein Ergebnis. Zwar wird in einem Gerichtsurteil vom 28. Oktober 1947 der Wohnort mit Pregarten Nr. 10 angegeben, die Berufsbe- zeichnung jedoch mit Gemeindesekretär a.D.328 In einer Anklageschrift vom 8. Juli 1947 wurde die Wohnadresse ebenfalls mit Pregarten angegeben. Laut den Erinne- rungen von Zeitzeugen Josef Prammer, sei Fröhlich, Geburtsjahrgang 1900329, nach Kriegsende geflohen, jedoch auf der Flucht gefasst und inhaftiert worden.330 Wie aus einer Niederschrift des Landesgendarmeriekammondos Mühlviertel in Urfahr hervor- geht, entspricht diese Erinnerung der Wahrheit:331

324 Vgl. Volksblatt: Ausgang im Prozeß gegen Fröhlich und Genossen, 9.2.1952, S. 4. 325 Laut Gerichtsurteil vom 7.2.1952 war der Aufenthaltsort zu diesem Zeitpunkt in Pasching Nr. 80. Vgl. Urteil Volksgericht Linz, Ferdinand Fröhlich, Anklage wegen Hochverrat, 7.2.1952. [GZ unleser- lich]. Abschrift im Besitz der Verfasserin. 326 Nach Recherchen in den zugänglichen Online-Sterbematriken der Pfarre Pregarten bis zum Jahr 1958 fand sich kein Hinweis, dass Ferdinand Fröhlich verstorben bzw. in Pregarten begraben worden war. Vgl. Matricula: Sterberegister Oberösterreich. URL:http://data.matricula-online.eu/de/oesterreich/oberoesterreich/pregarten/302%252F01/?pg=31, abgerufen am 4.3.2018. Eine Einsicht in die Sterbematriken der Pfarrgemeinde Pregarten der folgenden Jahre wurde mit der Begründung verweigert, dass diese aus datenschutzrechtlichen Gründen gesperrt sein würden. 327 Es wird nur der Verfasser (Herr Scheuwimmer) in dieser Chronik erwähnt, ein genaues Datum der Entstehung ist jedoch nicht ersichtlich. Dieses Schriftstück hat Ereignisse aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg bis zum Jahr 1955 sowie eine Gefallenen- bzw. Vermisstenliste zum Inhalt. 328 Vgl. Urteil Volkgericht Linz gegen Ferdinand Fröhlich, Michael Gassner, Moritz Haghofer, Max Spengler, 28.10.1947.[GZ unleserlich]. Abschrift im Besitz der Verfasserin. 329 Vgl. ebd. 330 Vgl. Zeitzeugengespräch mit Josef Prammer, 5.5. 2017. 331 Vgl. Landesgendarmeriekommando für das Mühlviertel in Urfahr an die Staatsanwaltschaft beim Landesgericht Linz-Nord, 12.11.1945. Abschrift im Besitz der Verfasserin.

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„Ferdinand Fröhlich wurde, da er von Pregarten geflüchtet ist und auf eine, die Er- mittlung der Wahrheit hindernde Art, auf Zeugen einzuwirken versuchen könnte, bei bestehender Fluchtgefahr und Verabredungsgefahr verhaftet und am 20.8.1945, vom Gend. Posten Pasching, Bez. Linz OOe, dem Gefangenenhaus des Landesgerichtes Linz, Museumstrasse eingeliefert.“332

Aus einer weiteren Vernehmungsniederschrift, in der Fröhlich wegen des Verschwin- dens von Rauchfangkehrermeister Hanausek am 28. April 1945 in Pregarten befragt wurde, lässt sich eruieren, dass er sich zum Zeitpunkt des Antrages auf Zeugenein- vernahme (25. April1946) in Wien beim Volksgerichtshof [!] in Untersuchungshaft befand. Der Verbleib von Hanausek, der laut Zeugenaussagen333 sowie auch des Zeitzeugen Josef Prammer in einen tiefen Schacht in der Nähe einer geplanten Mol- kerei in Pregarten geworfen worden sein soll,334 konnte nicht geklärt werden. Laut Darlegung des damaligen Molkereileiters Muxeneder hatte sich Fröhlich bis zum Verschwinden Hanauseks nie um den unbenutzten und bis dahin von Gerümpel und Unrat freien drei Meter Durchmesser und 20 Meter tiefen Brunnenschacht geküm- mert. Am 30. April 1945 teilte jedoch Fröhlich Muxeneder überraschenderweise tele- fonisch mit,335 er „möge sich nicht aufregen wenn jetzt etwas Erde, in den zur Molke- rei gehörigen Brunnenschaft (gegenüber dem Sportplatz) geworfen werde, denn die Ungarn hätten ein Pferd in den Brunnen geworfen und müsse jetzt verschüttet wer- den.“336

Doch warum wurde der Schacht nach Kriegsende nicht nach der Leiche Hanauseks durchsucht? Die Angaben, dass der Schacht mit Sprengkörpern wie Panzerfäusten, Sprengkapseln, Handgranaten, toten Tieren, vielerlei Müll und Erdreich bis drei Meter unter den Rand angefüllt worden sei, ließen die Ausbaggerung bzw. Räumung des- selben als zu gefährlich und deshalb als unmöglich erscheinen.337

332 Landesgendarmeriekommando für das Mühlviertel in Urfahr an die Staatsanwaltschaft beim Lan- desgericht Linz-Nord, 12.11.1945. Abschrift im Besitz der Verfasserin. 333 Vgl. Anzeige an die Staatsanwaltschaft beim Landesgericht Linz-Nord, 25.4.1946. (Hanausek) Abschrift im Besitz der Verfasserin. 334 Vgl. Zeitzeugengespräch mit Josef Prammer, 5. 5. 2017. 335 Vgl. Anzeige an die Staatsanwaltschaft beim Landesgericht Linz-Nord, 25.4.1946, (Hanausek). Abschrift im Besitz der Verfasserin. 336 Ebd. 337 Vgl. ebd.

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Auch Fröhlich, der im Verdacht stand, mit dem Verschwinden Hanauseks zu tun zu haben, wurde zu diesem Fall befragt. Er beteuerte wie in den anderen Verfahren bzw. Einvernahmen auch hier seine Unschuld.338 Der Fall Hanausek kam schließlich mit der Ausstellung der Todeserklärung per 5. Oktober 1948 zu einem Abschluss.339

Kleines, aber doch interessantes Detail am Rande ist die Aussage Fröhlichs, dass er keine Kinder habe.340 In den Tagebucherinnerungen vom 15. Mai 1945 von Franzis- ka Berger (Pseudonym), einer damals in Pregarten wohnenden jungen Frau, gelang- te dies etwas anders zur Darstellung:341

„Mir gegenüber hockte die Tochter des Bürgermeisters. Sie erzählte mir schluch- zend, daß ihr Vater sich beim Sturz über die Treppe erheblich verletzt hätte und im russischen Lazarett liege. ‚Sie lassen ihn nicht in Ruhe‘, weinte sie, ‚ein russischer Kommissar verhört ihn. Mein Gott, wenn er auch Bürgermeister gewesen ist, so hat er doch niemandem geschadet. Wenn er erst wieder gehen kann, werden sie ihn in ein Straflager für Nazis stecken. Ach Gott, ach Gott‘“.342

Bezugnehmend auf diese Schilderung von Franziska Berger erzählte mir Herr Prammer, dass er sich erinnern könne, dass Fröhlich „ganz am Schluss“ [an seinem Lebensende] zu seiner Tochter, die irgendwo in der Nähe von Linz gewohnt hätte, gezogen sei.343 Ob er tatsächlich eine Tochter hatte und zu dieser zog, konnte auch anhand der vorliegenden Gerichtsakte nicht eindeutig geklärt werden. Jedenfalls wird bei einem aufwändigen Schriftverkehr zwischen der Marktgemeinde Pregarten und dem ehemaligen Bürgermeister344 (diese Angelegenheit wird weiter unten näher be- schrieben) sowie laut Urteil vom 7. Februar1952 (Anklage wegen Hochverrats und in

338 Vgl. Vernehmungsniederschrift mit Ferdinand Fröhlich, Landesgendarmeriekommando Mühlviertel, Urfahr, 30.10.1945. Abschrift im Besitz der Verfasserin. 339 Vgl. Steinmaßl: Das Hakenkreuz im Hügelland, S. 298. 340 Vgl. Vernehmungsniederschrift mit Ferdinand Fröhlich, Landesgendarmeriekommando Mühlviertel, Urfahr, 30.10.1945. Abschrift im Besitz der Verfasserin. 341 Vgl. Berger, Franziska: Tage wie schwarze Perlen. Tagebuch einer jungen Frau 1942-1945,1989, S. 178. 342 Ebd., S. 178f. 343 Vgl. Zeitzeugengespräch mit Josef Prammer, 5.5.2017. 344 Vgl. Marktgemeinde Pregarten an Ferdinand Fröhlich über den Beschluss der Anrechnung der Ruhegenusszeiten und die Versetzung in den Ruhestand vom 9.1.1951. Bestand: Stadtarchiv Pregar- ten, Personalakt Ferdinand Fröhlich jun., P6-a.

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der Folge dann wiederum Freispruch) seine Anschrift mit Pasching Nr. 80 bei Linz und sein Beruf mit ehemaliger Gemeindeangestellter angegeben.345

Auch Peter Kammerstätter, der sich in den 1970er Jahren mit den Ereignissen rund um die „Mühlviertler Hasenjagd“ beschäftigte, berichtete, dass sich Fröhlich ab Au- gust 1945 zumindest zwei Jahre in Untersuchungshaft befunden haben dürfte,346 da er (wie bereits mehrfach in dieser Arbeit beschrieben), verschiedener Straftaten ver- dächtigt und angeklagt wurde. So zu lesen auch in der Neuen Zeit vom 23. Juli 1947.347

„Diesmal wird dem ehemaligen Bürgermeister von Pregarten, Ferdinand Fröhlich, der Prozeß gemacht werden. Er hat dem Volkssturm und der HJ. von Pregarten den Be- fehl gegeben, von den entflohenen russischen Kz.lern von Mauthausen keine Gefan- genen zu machen, sondern alle zu erschießen. Dieser Befehl hat ihm die Anklage nach § 1 des Kriegsverbrechergesetzes eingebracht. Er wird sich auch noch wegen Hochverrats zu verantworten haben. Außerdem hat er bestialische Maßnahmen ge- gen ausländische Zwangsarbeiter in der Gegend von Pregarten anbefohlen. Viele Landarbeiter wurden damals angeblich wegen Widersetzlichkeit mit Stöcken und Gummiknütteln schwer mißhandelt. Neben Fröhlich wird eine Reihe seiner Spießge- sellen vor Gericht erscheinen und die Verhandlung dürfte der größte Prozeß werden, der jemals vor dem Linzer Landesgericht durchgeführt wurde.“348

Nach dem Dafürhalten des Zeitzeugen Josef Prammer hatte die nationalsozialisti- sche Vergangenheit (außer der Untersuchungshaft) keinerlei negative Auswirkungen auf das spätere Leben Fröhlichs – weder in materieller, sozialer oder beruflicher Hin- sicht.349

Diese Vermutung lässt sich zumindest, welche den finanziellen Faktor betrifft, eini- germaßen belegen. Dank Herrn Erwin Zeinhofer, einem äußerst engagierten und hilfsbereiten Heimatforscher aus Pregarten, war es der Autorin doch noch möglich,

345 Vgl. Urteil Volksgericht Linz, Ferdinand Fröhlich, Anklage wegen Hochverrat, 7.2.1952. [GZ unle- serlich]. Abschrift im Besitz der Verfasserin. 346 Vgl. Kammerstätter: Der Ausbruch der russischen Offiziere, S. 171. 347 Vgl. Neue Zeit: Die Ermordung von KZlern anbefohlen, 23.7.1947, S. 3. 348 Neue Zeit: Die Ermordung von KZlern anbefohlen, 23.7.1947, S. 3. 349 Vgl. Zeitzeugengespräch mit Josef Prammer, 5.5.2017.

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Einsicht in den Personalakt des ehemaligen Bürgermeisters von Pregarten zu be- kommen. So existiert ein ziemlich umfangreicher Schriftverkehr zwischen Ferdinand Fröhlich, der Bezirkshauptmannschaft Freistadt, dem Amt der Oberösterreichischen Landesregierung und der Marktgemeinde Pregarten betreffend Bezugsvorschüsse für nicht in Verwendung genommene Bedienstete. Fröhlich meinte, ein Anrecht auf Nachzahlungen zu haben, da er als „minderbelastet“ eingestuft worden war und sei- ner Meinung nach diese Forderung zu Recht bestünde.350 Die Gemeinde Pregarten weigerte sich, diese Ansprüche anzuerkennen, da Ferdinand Fröhlich am 8. Mai 1945 aus Pregarten geflüchtet war, somit seinen Dienstort verlassen hatte und sich nicht um eine neuerliche Anstellung bzw. Weiterführung des Dienstverhältnisses be- mühte.351

„Es steht fest, daß Sie im Mai 1945 ohne Einverständnis der Dienstbehörde, die Dienststelle das Marktgemeindeamt Pregarten und Ihren Dienstort Pregarten verlas- sen haben. Sie haben sich bis zum heutigen Tage weder persönlich noch schriftlich jeweils wieder zum Dienstantritt gemeldet. Die Übernahme in den neuen Perso- nalstand setzt gemäß II. Hauptstück, Abschnitt I, Abs. 1 des Verbotsgesetzes 1947 ein Ansuchen voraus. Dieses Ansuchen wurde Ihrerseits nicht eingebracht. Es kann daher auch die Auszahlung von Dienstbezügen für nicht in Dienstverwendung ge- nommene Bedienstete nicht abgeleistet werden. Desgleichen ist keine Entscheidung der Marktgemeinde Pregarten ergangen, die besagt, daß Sie nicht in Dienstverwen- dung genommen werden. Die von hieramts getroffene Entlassung, welche auf Grund des Ergebnisses des Spruches des Bundesministeriums für Inneres wieder aufgeho- ben wurde, bestand nach hieramtlicher Aktenlage dadurch, daß gegen Sie ein Ver- fahren nach dem Kriegsverbrechergesetz anhängig war, sowie aus dem Personalakt die Zugehörigkeit zur ehemaligen NSDAP. während der Verbotszeit feststand, zu Recht.“352

350 Vgl. Bezirkshauptmannschaft Freistadt an die Marktgemeinde Pregarten vom 14.9.1951 über die Anrechnung der Ruhegenusszeiten von Ferdinand Fröhlich. Bestand: Stadtarchiv Pregarten, Perso- nalakt Fröhlich Ferdinand jun., P6-a. 351 Vgl. Schreiben der Marktgemeinde Pregarten an Ferdinand Fröhlich, wohnhaft in Pasching 80, 9.6.1951. Bestand: Stadtarchiv Pregarten, Personalakt Ferdinand Fröhlich jun., P6-a. 352 Ebd.

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Der Gemeindevorstand von Pregarten musste schließlich doch nach mehrmaligen Interventionen der Bezirkshauptmannschaft Freistadt und des Amtes der Oberöster- reichischen Landesregierung die verlangten Zahlungen für die Zeit vom 1. März 1947 bis 31. Dezember 1950 im gesamten Umfang veranlassen,353 obwohl Fröhlich auch die vollen Bezüge aus einem Dienstverhältnis bei der „ESG oder EBG“354 bezog355. Laut Aufstellung der Bezirkshauptmannschaft Freistadt beliefen sich die Zahlungen für oben angeführten Zeitraum, welche die Marktgemeinde Pregarten zu leisten hat- te, auf insgesamt 11.206 Schilling.356 Mit Beschluss des Gemeindeausschusses vom 22. Dezember 1950 wurde Ferdinand Fröhlich ab 31. Dezember 1950 in den dau- ernden Ruhestand versetzt.357 19 Jahre lang kam der ehemalige Ortsgruppenleiter und Bürgermeister, dem es, trotz erdrückender Beweislast, immer wieder gelungen war, das Gericht von seiner Unschuld zu überzeugen, in den Genuss seiner Pensi- onszahlungen, bis er am 6. Mai 1969 in Linz in der Herrenstraße verstarb.358

Abb. 1: Ferdinand Fröhlich.

353 Vgl. Marktgemeinde Pregarten an das Finanzamt Freistadt vom 14.8.1952 bezüglich der Berech- nung von Steuersätzen für die angeordnete Nachzahlung an Ferdinand Fröhlich. Bestand: Stadtarchiv Pregarten, Personalakt Ferdinand Fröhlich jun., P6-a. 354 Auszugsweise Abschrift aus dem Protokoll zur 11. Gemeinderatsausschusssitzung der Marktge- meinde Pregarten, 22. 12. 1950, angefertigt am 12.12.1951. Bestand: Stadtarchiv Pregarten, Perso- nalakt Ferdinand Fröhlich jun., P6-a. 355 Vgl. ebd. 356 Vgl. Gehaltsaufstellung der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 24.4.1951 an das Marktge- meindeamt Pregarten. Bestand: Stadtarchiv Pregarten, Personalakt Ferdinand Fröhlich jun., P6-a. 357 Vgl. Marktgemeinde Pregarten an die Bezirkshauptmannschaft Freistadt über den Beschluss der Anrechnung der Ruhegenusszeiten und die Versetzung in den Ruhestand, 9.1.1951. Bestand: Stadt- archiv Pregarten, Personalakt Ferdinand Fröhlich jun., P6-a. 358 Vgl. Standesamt Linz: Bestätigung der Sterbedaten von Ferdinand Fröhlich. Email vom 14.3.2018.

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3.1.3 „Mühlviertler-Hasenjagd“ im Heimatbuch von Wartberg/Aist

„Die ‚Mühlviertler-Hasenjagd‘. In der Nacht vom 1. auf den 2. Februar 1945 brachen ca. 150 [!] Häftlinge aus dem Konzentrationslager Mauthausen aus. Am 5. Februar wurden im Rahmen der darauf folgenden Verfolgung beim Bahnhof Gaisbach zwei Geflohene erschossen. Im ‚Poitn-Läh‘ (im Wald an der B 123 in Wolfsegg) wurde ein Flüchtling entdeckt und erschossen. Burschen der Hitlerjugend wurden von SS- Leuten angehalten, zwei russische Häftlinge zu erschießen.“359

Mit diesen vier Sätzen im Heimatbuch, das anlässlich der 900-Jahrfeier im Jahr 2011 der Marktgemeinde Wartberg/Aist entstand, wurde den Vorkommnissen rund um die „Mühlviertler-Hasenjagd“ gedacht. Abgesehen davon, dass die Zahlangabe der Ent- flohenen falsch ist, wird der Eindruck erweckt, dass es in der Umgebung von Wart- berg maximal zur Erschießung von fünf Häftlingen kam. Aus dem zitierten Text geht nicht eindeutig hervor, ob die Burschen die russischen Häftlinge ermordet haben oder nicht. Zweifelsfrei ist jedoch der Festschrift zu entnehmen, dass die SS in die- ses Geschehen involviert war und Befehle erteilt hatte, die Entflohenen zu töten. Auf weitere Begebenheiten bezüglich der „Mühlviertler-Hasenjagd“ bzw. die Rolle der Bevölkerung in dieser Angelegenheit, wurde nicht weiter eingegangen. Dass diese Zahl von maximal fünf Getöteten definitiv nicht stimmen kann, lässt sich aus einer Vernehmungsniederschrift des Gendarmen Obermaier rekonstruieren, der von 48 ermordeten K-Häftlingen im Gebiet von Pregarten, Wartberg/Aist und Hagenberg berichtete. Ungefähr sechs Häftlinge kamen bereits in der Ortschaft Steinpichl (Ge- meinde Wartberg/Aist) zu Tode. Desweiteren berichtete Herr Prammer, der bereits im vorigen Abschnitt als Zeitzeuge zu Wort kam, von ca. 17 bis 18 Toten allein auf dem Bahnhofsgelände in Gaisbach (ebenfalls zur Gemeinde Wartberg/Aist gehö- rig).360 Somit ergibt sich eine Zahl von mindestens 24 Ermordeten im heutigen Ge- meindegebiet von Wartberg/Aist. Diese Zahl lässt daher den Schluss zu, dass die Hälfte der in der Zeit des Nationalsozialismus in der damaligen Großgemeinde Pre- garten Getöteten, allein in Wartberg/Aist zu Tode kamen.

Nach umfangreichen Literatur- und Gerichtsaktenrecherchen bzw. auch unter Einbe- ziehung von Zeitungsartikeln kann hier die eingangs gestellte Frage, ob die Tötungen

359 Marktgemeinde Wartberg/Aist: Ortschronik, 2011, S. 116. 360 Vgl. Kaltenbrunner: Flucht aus dem Todesblock, S. 122.

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der K-Häftlinge nur von SS-Leuten bzw. unter deren Zwang von GemeindebürgerIn- nen der Großgemeinde Pregarten erfolgte, mit großer Bestimmtheit beantwortet wer- den. In den Fällen Berndl, Praher, Aichinger und Schölmberger wurde seitens der Angeklagten und in den Zeitungsberichten immer wieder auf den Befehlsnotstand hingewiesen und bei den Urteilen auch berücksichtigt. Bei allen in dieser Arbeit dar- gestellten Fällen ging die Ermordung der Entflohenen – wenn schon nicht auf Eigen- initiative, so zumindest doch auf große Bereitschaft, diese Tat zu begehen – zurück. Daraus ergibt sich, dass die Ermordungen fast nie unter Zwang stattfanden, sondern die Bereitwilligkeit vorhanden war, die Taten zu begehen.

Obwohl sich viele BewohnerInnen des unteren Mühlviertels an der „Mühlviertler Ha- senjagd“ beteiligten bzw. sich beteiligen mussten, waren nicht alle daran Involvierten bereit, die Entflohenen gefangen zu nehmen oder gar zu töten. Immer wieder gibt es Berichte über versteckte oder offene Verweigerungen.361 So auch im Fall von Franz Berndl, in dem der Postangestellte Franz Sprinzensteiner aussagte:362

„Gleich darauf kam ein SS-Obersturmführer hinzu, der sagte: ‚Legt ihn gleich um.‘ und meinte zu mir, daß ich den KZ.-Häftling erschießen soll. Ich weigerte mich aber und sagte zu dem SS-Obersturmführer, daß ich das nicht machen kann.“363

Trotz dieses offenen Widerstands kam es zu keinerlei Repressionen gegenüber Sprinzensteiner. Auch als sich Sprinzensteiner und ein anderer Angehöriger des Volkssturms Adolf Koppensteiner364 wegbegaben, um nicht bei der Erschießung des Entflohenen zusehen zu müssen, hatte dies keine Konsequenzen seitens der SS für die beiden.365

Selbst in Mauthausen blieb für den dortigen Revierinspektor Fleischmann, der sich dem Befehl eines SS-Mannes widersetzte einen Gefangenen umzubringen, diese Ablehnung ohne Folgen. Die Gendarmen der Dienststellen Mauthausen und

361 Vgl. Der Mühlviertler: Mühlviertler Hasenjagd vor dem Volksgericht, 23.1.1947, S. 13. 362 Vgl. Vernehmungsniederschrift Gendarmerieposten Wartberg/Aist mit Franz Sprinzensteiner, 13.11.1945. Abschrift im Besitz der Verfasserin. 363 Ebd. 364 Adolf Koppensteiner wurde nach dem Zweiten Weltkrieg Vizebürgermeister von Wartberg/Aist. Vgl. Marktgemeinde Wartberg/Aist: Ortschronik, 2001, S. 120. 365 Vgl. Vernehmungsniederschrift Gendarmerieposten Wartberg/Aist mit Adolf Koppensteiner, 12.11.1945. Abschrift im Besitz der Verfasserin.

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Schwertberg dürften sich generell nicht allzu beflissen an der Verfolgung der Entflo- henen beteiligt haben, da sie keine einzige Gefangennahme zu verzeichnen hatten. Sie beschränkten sich darauf, Einbrüche oder Diebstähle von Kleidung und Lebens- mitteln festzuhalten. Obwohl sich die Gendarmen der Posten von Schwertberg und Mauthausen äußerst passiv verhielten, wirkte sich dies nicht weiter negativ aus.366

Soweit bekannt, waren die Gendarmerieposten Schwertberg, Mauthausen, Perg, Tragwein und Pregarten in die Verfolgung involviert. Wobei sich die Rolle der Gen- darmen in erster Linie auf die der „Bystanders“ beschränkte und daher von ihnen keine Morde verübt worden sein dürften. Ausnahmen stellten hier die Pregartner Hilfs-Gendarmen (Moritz Haghofer 1902 – 1969 und Michael Gassner 1903 – 1973, die drei Flüchtige erschossen hatten), dar.367

Berichten ist immer wieder zu entnehmen, dass WartbergerInnen den Entflohenen geholfen hätten, zu überleben. Bis jetzt konnte keine (glaubhafte) Quelle in diesem Zusammenhang ausfindig gemacht werden. Auch in einer Begleitschrift, die zur Er- richtung des Mahnmals in Wartberg/Aist im Gedenken an die „Mühlviertler- Hasenjagd“ erstellt wurde, kam es zu keiner namentlichen Nennung von barmherzi- gen BürgerInnen. Ein Zeitzeuge, der von einer warmen Suppe berichtete, die Flüch- tenden gereicht wurde, stammt aber nicht aus dem Gemeindegebiet von Wart- berg/Aist.368

Nach etlichen Zeitzeugenberichten kann nachstehende Behauptung, die in einer Be- gleitschrift zur Errichtung des Mahnmals in Wartberg/Aist im Gedenken an die „Mühl- viertler-Hasenjagd“ in einem sehr knappen Absatz abgedruckt wurde, dass die Be- wohnerInnen den Entflohenen Hilfe angedeihen ließen, nicht zur Gänze bestätigt werden:

„Es gibt auch in der Gemeinde Wartberg Berichte über Unterstützung für die Verfolg- ten. Unterstützung war es schon, wenn Zivilkleidung auf der Leine oder Nahrungsmit-

366 Vgl. Kaltenbrunner: Flucht aus dem Todesblock, S. 136f. 367 Vgl. ebd., S. 138. 368 Vgl. Struck: Das Jahr 1945 und die Mühlviertler Menschenjagd in der Gemeinde Wartberg ob der Aist, S. 14.

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tel im Freien gelassen wurden. Es wird auch von „Nichts sehen“, Beiseitetreten und Verweigerung des Erschießens berichtet.“369

Auf die Frage nach oben genannten Hilfeleistungen für die Entflohenen reagierten die befragten ZeitzeugInnen teils mit großer Verwunderung bzw. Bestürzung, aber eben auch Ehrlichkeit. Einerseits war ja Mangel an allem (Kleidung, Essen) und an- dererseits war von Schwerverbrechern die Rede, die aus dem KZ ausgebrochen und darum schon zu fürchten waren. Weiters wurde angenommen, dass mit schlimmen Konsequenzen zu rechnen sei, falls die Hilfestellungen bekannt geworden wären. Persönlich sind also den Zeitzeugen aus dem Gemeindegebiet von Wartberg/Aist keine Maßnahmen bekannt, welche die Flüchtenden unterstützt hätten.

Demgegenüber steht der offene Widerstand Sprinzensteiners, der sich weigerte, ei- nen Entflohenen umzubringen. Koppensteiner ging mit Sprinzensteiner weg, um nicht aus nächster Nähe bei der Ermordung zusehen zu müssen. Diese Solidarisie- rung Koppensteiners mit Sprinzensteiner hatte – wie schon vorhin beschrieben – kei- ne negativen Auswirkungen auf die beiden. Obwohl sie keinen aktiven Beitrag zur Ermöglichung der Flucht leisteten (was faktisch auch unmöglich war), so soll diese Weigerung als Beispiel stehen, dass auch in Wartberg/Aist Menschlichkeit und Mut vorhanden waren.

Im Zentrum oben genannter Prozesse stand häufig die Frage nach dem Tötungsbe- fehl. In den in dieser Arbeit abgehandelten Fällen konnte diese Frage, wer nun tat- sächlich den Befehl zur Ermordung der K-Häftlinge gab, nicht eindeutig geklärt wer- den und es kam (im Fall Fröhlich) zu Freisprüchen. Verurteilt wurden wie die vorhin beschriebenen Fälle zeigten, die Ausführenden. Obwohl eine Verurteilung der Taten stattfand, herrschte zugleich aber auch Verständnis (Befehlsnotstand) für die Täter. So im Fall von Praher, Aichinger, Schölmberger, welche zur Tatzeit noch keine 17 Jahre alt waren. Der Umstand, dass sie zumindest sieben Jahre unter dem Einfluss der nationalsozialistischen Ideologie standen und es daher gewohnt waren, Befehle unhinterfragt auszuführen, wurde als Milderungsgrund bei der Urteilsbegründung an- gesehen. Daraus ergibt sich, dass sie zumindest aus moralischer Sicht nicht voll-

369 Struck: Das Jahr 1945 und die Mühlviertler Menschenjagd in der Gemeinde Wartberg ob der Aist, S. 14.

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ständig und somit nicht alleinverantwortlich für ihre Taten gemacht werden konnten, da sie jahrelang unter dem Einfluss nationalsozialistischer Indoktrination standen. Sie waren Opfer des Systems, welches ihnen keine andere Wahl ließ bzw. für dessen Prägung sie keine Schuld traf. Durch diese Darstellung erfolgte eine Stilisierung der Täter zu Opfern. Ähnlich verhält es sich im Fall Niedermayer u.a., in dem die Schuld- frage vorweggenommen wurde, da die wahren Schuldigen die SS-Angehörigen im Lager von Mauthausen zu suchen wären, welche die Verbrechen im „Lager des Grauens“ verübt hätten. Zwar fand auch hier die Grausamkeit der Taten im Zuge der „Mühlviertler Hasenjagd“ Erwähnung, die Täter selbst aber „entlastet“, da diese ja auf Befehl gehandelt hätten.

3.1.4 „Hasenjagd – Vor lauter Feigheit gibt es kein Erbarmen“ – Anstoß zur Etablierung einer Denkmalkultur

Ungefähr ein Jahr nach den Ereignissen um die „Mühlviertler-Hasenjagd“ berichtete die Neue Zeit am 2. März 1946, dass diese Verbrechen allein der NS-Diktatur zuzu- schreiben wären, in welcher jene Inhumanität erzeugt wurde, welche Menschen zu diesen grauenhaften Taten ermutigten bzw. von ihnen verlangten:370

„Das Menschenrecht – primäres Gebot jeder Kulturnation – wurde im Dritten Reich als Humanitätsduselei verhöhnt. An seine Stelle trat der gemeine Mord, der zum Le- bensinhalt versierter SS-Unholde wurde. Kürzlich jährte sich eines der erbärmlichs- ten Verbrechen, das auf unserem Heimatboden von Nazimordgesellen begangen wurde: Die ‚Hasenjagd‘ im Mühlviertel.“371

Um wieder als Kulturnation, die die Menschenrechte achtet und die Demokratie an- erkennt, zu gelten, sei es unumgänglich, das „Schandmal“372, das durch die Taten u.a. im Zuge der „Hasenjagd“ der mitwirkenden Bevölkerung aufgebrannt worden sei, abzuwaschen.373 Dies „wird nur ermöglicht werden, indem wir jede Naziideologie in unserem Volke bekämpfen und eine wahre Demokratie errichten. Ein Demokratie,

370 Vgl. Neue Zeit: Die “Hasenjagd“ im Mühlviertel, 2.3.1946, S. 2. 371 Ebd. 372 Ebd. 373 Vgl. ebd.

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die keinen Völkerhaß kennt und die uns das Ansehen der fortschrittlichen Nachbar- völker zurückgewinnt.“374

Jener Artikel stellte eine der wenigen Ausnahmen dar, der keinen Prozessverlauf bzw. Urteilsverkündung wiedergab, sondern auf den Jahrestag des Geschehens hinwies, das im Gedächtnis bleiben sollte, um ein Wiederaufflammen der NS- Ideologie zu verhindern.

Aus vielen Gesprächen mit BewohnerInnen der Gegend rund um Mauthausen (Nachkriegsgeneration und jünger), war zum Zeitpunkt der Ausstrahlung des Films nichts oder nur wenig von den Geschehnissen bzw. dem Ausmaß der Beteiligung der Bevölkerung an der Verfolgung bekannt. Seit Erscheinen des Films „Hasenjagd – vor lauter Feigheit gibt es kein Erbarmen“ ist eine größere Bereitschaft seitens der Be- völkerung wahrnehmbar, sich für das Thema zu interessieren und damit auseinander zu setzen.

Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges kam es zu keiner öffentlichen oder medialen Darstellung rund um die Ereignisse der „Mühlviertler Hasenjagd“. Die erste Phase der Aufarbeitung und Berichterstattung folgte mit Beginn der gerichtlichen Ahndung der Verbrechen ab der zweiten Hälfte des Jahres 1945. Diese erstreckte sich bis 1948 und beschränkte sich in den Zeitungen in erster Linie auf Prozessberichte.375 Es gab jedoch, wie nachstehend beschrieben, Hinweise auf Gedenkveranstaltungen, die zwar nicht unmittelbar mit der „Mühlviertler Hasenjagd“ in Verbindung gebracht wurden, aber an die Schrecken der Vergangenheit erinnerten.

Obwohl die Sozialistenmorde von Freistadt keinen unmittelbaren Bezug zur „Mühl- viertler Hasenjagd“ aufwiesen, soll hier, da dieses Kapitel von regionaler Gedenkkul- tur handelt, Platz gefunden werden, um einen Artikel vom Der Mühlviertler zu erwäh- nen. Mit den LeserInnen vermutlich noch gut bekannten Begriffen wie „Blut“376 und

374 Neue Zeit: Die “Hasenjagd“ im Mühlviertel, 2.3.1946, S. 2. 375 Vgl. Kaltenbrunner: Flucht aus dem Todesblock, S. 231 u. S. 233. 376 Der Mühlviertler: Sie fielen für Österreichs Freiheit, 2.5.1946, S. 5.

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„Boden“377 wurde hier mit pathetischen Worten aufgerufen, am 1. Mai der Opfer zu gedenken:378

„Die karge Erde des Mühlviertels hat die Blutstropfen vieler mutiger Frauen und Männer getrunken. Helden, die in Freistadt, Peilstein und anderen Orten aufstanden, um dem Wahnsinn der totalen Selbstvernichtung Einhalt zu gebieten. […] Vor einem Jahr wurden sie ermordet. Wir wollen ihrer am 1. Mai gedenken.“379

An und für sich ein verständlicher und nachvollziehbarer Aufruf um diesem tragi- schen Ereignis kurz vor Kriegsende zu gedenken. Doch leider etwas spät – denn die Zeitung erschien am 2. Mai 1946, die Abhaltung des Gedenktages war aber bereits für den 1. Mai anberaumt. Weiters geht aus dem Artikel auch nicht hervor, ob jeder für sich zu Hause der Ermordeten erinnern sollte, oder ob eine Gedenkfeier an einem bestimmten Ort geplant gewesen wäre.

Ebenfalls aus Der Mühlviertler stammt ein Bericht über eine „Gedenkstunde in Maut- hausen“380, die der Landesverband für politisch Verfolgte organisierte. Die Leser- schaft wurde über die Anwesenheit einiger Politgrößen sowie von mehreren tausend vom nationalsozialistischen Regime politisch Verfolgter informiert. Ehemalige Partei- genossen aus Mauthausen mussten etwa 20 Leichen von tschechoslowakischen BürgerInnen exhumieren. Die Toten wurden in Metallsärge umgebettet und sollten in ihrer Heimat die letzte Ruhe finden.381

Vorgenannter Zeitungsartikel ließ den Hinweis auf andere Opfergruppen vermissen. Es war ihm nicht zu entnehmen, dass es neben den politischen Opfern auch eth- nisch, religiös oder aufgrund ihrer sexuellen Orientierung Verfolgte, Juden oder Be- hinderte in Konzentrationslagern oder anderen Tötungsanstalten gab, welche eben- falls zu den Leidtragenden des menschenverachtenden Regimes zählten. Auch der ermordeten russischen K-Häftlinge der „Mühlviertler Hasenjagd“ wurde nicht gedacht bzw. fand sich kein Hinweis in der Zeitung.

377 Der Mühlviertler: Sie fielen für Österreichs Freiheit, 2.5.1946, S. 5. 378 Vgl. ebd. 379 Ebd. 380 Der Mühlviertler: Gedenkstunde in Mauthausen,16.5.1946, S. 5. 381 Vgl. Der Mühlviertler: Gedenkstunde in Mauthausen, 16.5.1946, S. 5.

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In jener zweiten Phase, ab den späten 1940er Jahren bis in die erste Hälfte der 1990er Jahre war das Thema „Mühlviertler Hasenjagd“ in der Öffentlichkeit praktisch nicht präsent.382 Dem Ereignis wurde nicht nur in den Medien keine Beachtung ge- schenkt, auch in jener Art von Gemeindechroniken des Bezirkes Freistadt, die in der Wenzelskirche von Wartberg/Aist aufliegen, das als Kriegerdenkmal fungiert, finden sich nur zwei knappe Sätze:

„Am 1.2.1945 brachen 400 verzweifelte Häftlinge des KZ Mauthausen aus und be- rührten teilweise Pregarten. Über Anordnung der SS hatten sich Bewohner des Mark- tes am Suchdienst zu beteiligen.“383

Fand die „Mühlviertler Hasenjagd“ in der Pregartner Ortschronik zumindest Erwäh- nung, so fehlt dieser Hinweis in der Wartberger Erinnerungsschrift gänzlich.384

Diese Ignoranz änderte sich jedoch mit dem oben erwähnten Film „Hasenjagd – vor lauter Feigheit gibt es kein Erbarmen“, der 1994 in die Kinos385 kam und sich im Jahr 1995 zum erfolgreichsten Film Österreichs entwickelte.386

Matthias Kaltenbrunner bezeichnete diese zweite Phase auch als „Latenzzeit“387, die sich nicht punktuell festmachen lässt. Er sieht in diesem Abschnitt einen langen Pro- zess, der von Franz Kammerstätter in den 1970er Jahre eingeleitet wurde, indem er Personen über ihre Erinnerungen an die „Mühlviertler Hasenjagd“ befragte und diese Ereignisse von damals so wieder ins Bewusstsein holte. Das Ende dieser langen Zeit der Verdrängung markierte für Kaltenbrunner oben erwähnter Film, der besonders der Bevölkerung der betroffenen Gebiete diese Thematik bekannt machte oder sie wieder in Erinnerung rief.388

382 Vgl. Kaltenbrunner: Flucht aus dem Todesblock, S. 231. 383 Ortschronik Pregarten, vermutlich in den 1960er Jahren entstanden. Sie hat die Jahre 1914 bis 1955 zum Inhalt. Aufbewahrungsort: Wenzelskirche Wartberg/Aist, Chronist: Herr Scheuwimmer. 384 Vgl.Ortschronik von Wartberg/Aist, verfasst im März 1963. Aufbewahrungsort: Wenzelskirche Wartberg/ Aist, Chronist: Franz Lettner. 385 Die Erstausstrahlung dieses Films fand, laut Kinobetreiber Dr. Norbert Dattinger, im Kino Katsdorf statt, jenem Kino, in dem auch eine Szene zum Film gedreht wurde. 386 Vgl. Filmportal: „Hasenjagd“. URL: http://www.filmportal.de/person/andreas-gruber_01cdf8ce66f741918e39c72f36551e20, abgeru- fen am 24.10.2016. 387 Kaltenbrunner: Flucht aus dem Todesblock, S. 231. 388 Vgl. ebd.

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Das Jahr 1995 hat für Kaltenbrunner die dritte und letzte Phase, die er als „Wandel der Erinnerungslandschaft“389 bezeichnet, eingeleitet. Seit dieser Zeit nimmt er eine intensivere Auseinandersetzung der Ereignissen rund um die „Mühlviertler Hasen- jagd“ wahr. Sichtbare Zeichen für dieses Umdenken sieht er in der vermehrten Er- richtung von Denk- und Mahnmalen in den betroffenen Orten.390

Der Ort Schwertberg übernahm diesbezüglich fünfzig Jahre später eine „Vorreiterrol- le“. Am 29. Oktober 1995 kam es hier zur Enthüllung eines aus vier Teilen bestehen- den Denkmals. Auf dem Marktplatzboden sind die Worte „Leben und Leben ach- ten“391 zu lesen. Fußspuren im Gehsteig führen zum alten Gemeindeamt, in dessen Hof 1945 der Kaufmann Leopold Böhmberger sieben K-Häftlinge erschoss. Spät aber doch, wurde anlässlich dieser Feierlichkeit der Familie Langthaler, die zwei rus- sische Offiziere bis zur Befreiung versteckt hielt und der Familien Mascherbauer und Wittberger gedacht, die K-Häftlingen Zuflucht gewährten:392

„Stellvertretend für alle, die damals den russischen Offizieren nicht helfen konnten, trugen die Familien Mascherbauer und Hackl, zwei der sieben eisernen Stelen vom Marktplatz zum Eingang des alten Gemeindehauses, wo das Mahnmal [!] errichtet wurde. Das Schüttbild hinter den Stehlen[!], mit Symbolen der NS-Zeit und mit nach oben ringenden Händen, ist hinter Glas fixiert und dokumentiert, daß hier nicht mehr eingegriffen werden kann. Dagegen werden die Spuren aus Metall und Terrakotta, die vom Marktplatz zum Mahnmal führen, sicher bald Abnützungen aufweisen. Sie sind das Zeichen der Veränderung.“393

Jene Gemeinde, in der vermutlich die meisten K-Häftlinge umgebracht wurden,394 wollte mit der Errichtung eines Denkmals ebenfalls an die Opfer der „Mühlviertler Ha- senjagd“ erinnern. Der Gedenkstein wurde 56 Jahre nach den tragischen Ereignis- sen von der Sozialistischen Jugend von Ried/Riedmark gesetzt. 395

389 Kaltenbrunner: Flucht aus dem Todesblock, S. 231. 390 Vgl. ebd. 391 Ebd., S. 250. 392 Vgl. ebd. 393 Oberösterreichische Nachrichten: Wir wollten nicht sprechen. Wir haben es aber nie vergessen, 9.11.1995. In: Kaltenbrunner: Flucht aus dem Todesblock, S. 251. 394 Vgl. Kaltenbrunner: Flucht aus dem Todesblock, S. 251. 395 Vgl. Onlineprojekt Gefallenendenkmäler: Gedenkstätte Ried/Riedmark.

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Abb. 2: Gedenkstein unterhalb der Kirche in Ried/Riedmark.

61 Jahre nach Kriegsende, am 7. Mai 2006, kam es in Gallneukirchen auf der „Aig- ner-Halde“ zur Enthüllung einer Gedenkstätte der etwas anderen Art. So soll dieses Denkmal einerseits an die Opfer der „Mühlviertler Hasenjagd“ und andererseits an das Durchgangslager für gefangene SS- und Wehrmachtsangehörige erinnern. Die- se Zwei-in-Einer-Gedenkstätte gab Anlass zu Kritik, da manche in ihr die Gleichset- zung von zwei total unterschiedlichen Ereignissen sahen. Im Zuge der Denkmalent- hüllung kam es auch hier zur Ehrung zweier Familien, weil sie K-Häftlingen ihre Hilfe zuteil werden ließen:396

„Das Erbarmen hieß Familie Rempelbauer. Das Erbarmen hieß Familie Kramer.“397

Ein Grund für diese späte Anerkennung dürfte bei der Verunsicherung bzw. Angst seitens der Helferfamilien selbst zu suchen sein, die bestrebt waren, ihre Taten im Verborgenen zu belassen, um nicht als illoyal gegenüber Verwandten oder Nachbarn zu gelten:398

„Als mein Vater glücklich [aus dem Krieg] heimgekehrt ist und er davon erfahren hat, war er echt stolz auf uns. Aber auch er wollte, dass es unser Geheimnis bleibt. Wir hatten Verwandte, die waren hohe Nazi, aber die haben uns im Krieg schon sehr ge-

URL:http://www.denkmalprojekt.org/2014/ried-in-der-riedmark_muehlviertler-hasenjagd_bz- perg_oberoesterreich_oe.html, abgerufen am 26.10.2016. 396 Vgl. Kaltenbrunner: Flucht aus dem Todesblock, S. 254f. 397 Kaltenbrunner: Flucht aus dem Todesblock, S. 255. 398 Vgl. ebd., S. 254.

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holfen. Wir bekamen nach Jahren eine Karte aus Russland, wir wussten nun, sie ha- ben die Flucht geschafft. Wir freuten uns sehr. Der Vater hat die Karte zu sich ge- nommen und gesagt, wir reden nicht davon.“399

Auf Initiative von Erwin Kurt und Raimund Guttenbrunner400, Pregartsdorf in Pregar- ten, wurde 2008 eine Kapelle erbaut, in der neben verstorbener Familienmitglieder – Bruder und Schwester kamen beide im Jahr 2008 auf sehr tragische Weise ums Le- ben – auch explizit an die Opfer der „Mühlviertler Hasenjagd“ erinnert wird.401

Diese in ihrer Art einzigartige Gedenkstätte rief bei der Verfasserin der vorliegender Arbeit besonderes Interesse hervor, scheint hier doch zweier Ereignisse gedacht zu werden, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben, denn der verstor- bene Sohn wurde 1963 und die verstorbene Tochter 1968 geboren. Frau Gut- tenbrunner teilte mir auf Anfrage mit, dass ihre Kinder wussten, dass auch das nähe- re Gebiet rund um ihr Elternhaus einen Schauplatz der „Mühlviertler Hasenjagd“ dar- stellte. Die Geschwister verspürten einen latenten Vorwurf, da bekannt war, dass ihr Großvater402 irgendwie in diese Angelegenheit verstrickt war. Als es zur Errichtung der Kapelle an jener Stelle kam, an dem der K-Häftling angeschossen wurde (s.o.), war es den Kindern von Erwin Guttenbrunner eine Herzensangelegenheit, auch an die Opfer der „Mühlviertler Hasenjagd“ zu erinnern, da sie wussten, wie sehr dieses Thema ihren verstorbenen Vater und ihre verstorbene Tante beschäftigte. Aber auch sie selbst hätten immer wieder das Gefühl, sich für die Unmenschlichkeit, die bei der Jagd auf die Entflohenen zu Tage trat, „rechtfertigen“ zu müssen.403

399 Kaltenbrunner: Flucht aus dem Todesblock, S. 254. 400 Vgl. Archiv Gedenkstätte Mauthausen: Email Herr. Lechner, 10.11.2016. 401 Telefongespräch mit Frau Guttenbrunner (Mutter der verstorbenen Geschwister), 21.11.2016. 402 Diese Begebenheit wurde im Kapitel über die mediale Darstellung der „Mühlviertler Hasenjagd“ bereits kurz beschrieben. 403 Telefongespräch mit Frau Guttenbrunner (Mutter der verstorbenen Geschwister), 21.11.2016.

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Abb. 3: Hauskapelle der Familie Guttenbrunner.

Nach Durchsicht verschiedener Vernehmungsniederschriften die „Mühlviertler Ha- senjagd“ betreffend, konnte auch jene von Leopold Guttenbrunner ausgeforscht wer- den. Wie bereits dargelegt, war Guttenbrunner zum Volkssturm eingeteilt und hörte, wie sein Nachbar Max Spengler einen Schuss abgab. Spengler informierte Gut- tenbrunner, dass er einen Entflohenen angeschossen hatte. Guttenbrunner und Bo- dingbauer begleiteten Spengler und den Verwundeten zum Gendarmerieposten Pre- garten.404 Die weiteren Ereignisse sind oben bereits beschrieben worden. Festgehal- ten sei jedoch hier, dass Guttenbrunner nie auch nur im Verdacht stand, dem K- Häftling irgendetwas zu Leide getan zu haben. Das Urteil lautete dann auch zehn Jahre für Spengler, der mit einer Taschenlampe ins Genick des Gefangenen leuchte- te und 20 Jahre für Gassner, der den tödlichen Schuss abfeuerte.405 Gerade diese

404 Vgl. Vernehmungsniederschrift mit Leopold Guttenbrunner, Landesgendarmeriekommando Mühl- viertel, Pregarten, 20.3.1946. Bestand: OOELA Sondergerichte, Schachtel 1015, Zl. 2923/46. 405 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Traurige Helden der inneren Front, 29.10.1947, S. 3.

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Begebenheit zeigt, wie weit die Schatten der Vergangenheit in die jüngere Geschich- te und sogar bis in die Gegenwart hineinreichen können.

Diese einzigartige Gedenkstätte der Familie Guttenbrunner stellt eine Besonderheit dar, denn es wurden erstmals die getöteten sowjetischen Offiziere in die katholische Erinnerungskultur mit einbezogen.406

Abb. 4: Kapelleninschrift rechtsseitig.

Eine weitere Erinnerungsstätte an die „Mühlviertler Hasenjagd“ befindet sich seit 8. November 2015 auf dem Kalvarienberg in Wartberg/Aist.407 Der Arbeitskreis Mahn- mal, der aus VertreterInnen ortsansäßiger Vereine, Parteien und interessierter Bür- gerInnen gebildet wurde, beschloss aufgerüttelt einerseits durch den Film „Hasen- jagd – Vor lauter Feigheit gibt es kein Erbarmen“ und andererseits durch das Buch von Matthias Kaltenbrunner „Flucht aus dem Todesblock“, ein Denkmal für die Opfer, die auf Wartberger Gebiet getötet wurden, zu errichten. Dieses sollte in der Ortsmit- te408 seinen Platz finden und der Arbeitskreis sah aber dann im Kalvarienberg, der jedoch außerhalb des Ortszentrums liegt, die geeignete Örtlichkeit dazu. Es wurde davon Abstand genommen, das Ereignis der „Mühlviertler Hasenjagd“ als solche zu

406 Vgl. Kaltenbrunner: Flucht aus dem Todesblock, S. 256. 407Vgl. Bezirksrundschau: Mahnmal für die Opfer der Mühlviertler Menschenjagd, 27.10.2015. URL http://www.meinbezirk.at/freistadt/lokales/mahnmal-fuer-opfer-der-muehlviertler-menschenjagd- d1525731.html, abgerufen am 6.11.2016. 408 Eine genaue Definition von „Ortsmitte“ liegt nicht vor.

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titulieren, da die Bezeichnung eine sehr zynische sei. Der Arbeitskreis bevorzugte den Ausdruck „Mühlviertlier Menschenjagd“.409

Abb. 5: Denkmal zur Erinnerung an die Opfer der „Mühlviertler Menschenenjagd“, Wartberg/Aist, Kalvarienberg.

Abb. 6: Denkmalinschrift zur Erinnerung an die Opfer der „Mühlviertler Menschenjagd“, Wartberg/Aist, Kalvarienberg.

Eine weitere Gedenkstätte, die an die Geschehnisse der „Mühlviertler Hasenjagd“ erinnert, ist jene im ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen. Im Jahr 1949 wur- de der Block 20, in dem die sowjetischen Kriegsgefangenen untergebracht waren, wieder errichtet. Diese Baracke war als Mahnmal und Erinnerungsort an die „Mühl- viertler Hasenjagd“ gedacht. Aber bereits in den 1950er begann der Verfall. Gegen-

409 Vgl. Audio-Aufzeichnung einer Infoveranstaltung zur Errichtung eines Mahnmals bezüglich der „Mühlviertler Menschenjagd“, Gasthaus Dinghofer, Wartberg/Aist, 28.10.2015.

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wärtig erinnern noch zwei von Wind und Wetter abgenutzte Tafeln an den Aus- bruch.410

Die Initiativen zur Errichtung diverser Gedenkstätten, die sich mit der „Mühlviertler Hasenjagd“ auseinandersetzten, gingen großteils von Privatpersonen bzw. Gruppen aus, die sich diesem Thema widmeten und denen es ein Bedürfnis war, dies auch materiell-sinnhaft-wahrnehmbar auszudrücken. Einen großen Beitrag um die Ge- schehnisse der „Mühlviertler Hasenjagd“ ins Gedächtnis zu rufen, leistete dabei And- reas Gruber mit seinem Film „Hasenjagd – vor lauter Feigheit gibt es kein Erbar- men“.411

Mit diesem Prozess der Bewusst- und Sichtbarmachung der Vergangenheit sind vermutlich vielerlei Diskussionen entstanden, die diese Entwicklung begleitet haben und welche zum Teil auch Kontroversen bezüglich Standort, Inschrift oder Organisa- tion der Feierlichkeiten u.ä. hervorriefen und dadurch zu einer intensiven Auseinan- dersetzung mit dem Geschehen führten. Mit der Miteinbeziehung der Familien Langthaler, Mascherbauer und Wittberger in die Eröffnungszeremonie in Schwert- berg bzw. der Familien Rempelbauer und Kramer in Gallneukirchen, wurde diesen Menschen nach langer Zeit auch öffentlich Dank und Anerkennung für ihren Mut und ihre Mitmenschlichkeit zuteil.

3.1.5 Exkurs Schloss Hartheim

Obwohl die ehemalige Euthanasieanstalt in Schloss Hartheim nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der „Mühlviertler Hasenjagd“ steht, soll sie hier aus mehreren Gründen Erwähnung finden. Zum Ersten soll der Reisebericht eines deutschen Re- dakteurs als Beispiel dienen, wie noch Mitte der 1960er Jahre über bestimmte Bevöl- kerungsgruppen gesprochen wurde und welche Spuren die NS-Propaganda in den Köpfen mancher Menschen hinterlassen hat bzw. diese Indoktrination auch noch in Personen weiterwirkte, welche die NS-Zeit aufgrund ihrer Jugend nicht mehr selbst erlebt hatten. Zum Zweiten, weil auch hier, gleichfalls wie bei der „Mühlviertler Ha-

410 Vgl. Kaltenbrunner: Flucht aus dem Todesblock, S. 247f. 411 Vgl. Filmportal: Hasenjagd - Österreichs erfolgreichster Kinofilm des Jahres 1995. http://www.filmportal.de/person/andreasgruber_01cdf8ce66f741918e39c72f36551e20, abgerufen am 24.10.2016.

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senjagd“, eine entsprechende Gedenkkultur erst in den 1990er Jahren zur Etablie- rung gelangte. Und zum Dritten, da der besagte Redakteur vermutlich seine Reise nicht unternommen hätte, wenn nicht ein ehemaliger KZ-Häftling, dessen Name als Synonym für die Verfolgung von NS-VerbrecherInnen schlechthin steht, wiederum dafür sorgte, dass Schloss Hartheim wegen seiner Funktion während des Großdeut- schen Reiches in die Öffentlichkeit geriet.

Wie bereits dargelegt, waren Forderungen, doch endlich einen „Schlussstrich“ unter die Zeit des Nationalsozialismus zu ziehen, seitens der Politik, der Gesellschaft und der Medien immer wieder vernehmbar. Genau das Gegenteil strebte der ehemalige jüdische KZ-Häftling an. Denn für ihn bedeutete das Ende des Zweiten Weltkriegs den Beginn einer jahrelangen, aufwändigen und ausdauernden Verfolgung von NS-StraftäterInnen.412 Wiesenthal, der es sich zur Lebensaufgabe gemacht hatte, NS-VerbrecherInnen juristischen Verfahren zuzuführen, teilte im Feb- ruar 1964, dem damaligen Justizminister Christian Broder, Ergebnisse bezüglich sei- ner Nachforschungen über die Funktion von Schloss Hartheim während der Jahre 1941 bis 1943 mit.413 Der Inhalt dieses Briefes dürfte auch außerhalb Österreichs auf Interesse gestoßen sein, da sich der deutsche Chefredakteur Christian Geissler im Mai 1964 auf den Weg nach Schloss Hartheim machte, um eigene Untersuchungen anzustellen. Laut Meldungen von Presseagenturen fungierte Schloss Hartheim als Tötungsanstalt von „Schwachsinningen und Körperbehinderten“414. Als es dann zur Einstellung des Euthanasieprogramms kam, fand das Schloss weitere Verwendung als „SS-Mörderschule und Tötungen wurden ausschließlich zum Zwecke der Heran- bildung von abgehärteten SS-Männern vorgenommen.“415.

Bereits beim Fahrkartenverkauf in Deutschland sprach eine junge Reisebüroange- stellte eine ausdrückliche Warnung vor zwielichtigen Subjekten aus, auf die Geissler im Zug unweigerlich stoßen werde – „Pack […] Fremdarbeiter und sowas alles“ 416. In

412 Vgl. Wiesenthal, Simon: Recht, nicht Rache. Erinnerungen, 1988, S. 13. 413 Vgl. Kepplinger, Brigitte u. Reese, Hartmut: Gedenken in Hartheim: Die neue Gedenkstätte, S. 1. URL: http://www.erinnern.at/bundeslaender/oesterreich/e_bibliothek/seminarbibliotheken-zentrale- seminare/gedenkstatten-gedachtnisorte-lernorte/584_Reese- Kepplinger%20Gedenken%20in%20Hartheim%20manuskript%2001.pdf, abgerufen am 15.4.2018. 414 Geissler, Christian: Ende der Anfrage. In: Werkhefte, Zeitschrift für Probleme der Gesellschaft und des Katholizismus, 19. Jg., März 1965, S. 71. 415 Geissler: Ende der Anfrage, S. 71. 416 Ebd., S. 72.

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seinem Eisenbahnabteil angekommen, hörte er Beschwerden von zwei Geschäfts- männern Mitte Vierzig, die ihren Unmut darüber äußerten, dass es zwar keine Schuhputzer mehr gäbe, jedoch Geld in Universitäten investiert werde. Statt Intellek- tuelle heranzubilden, bräuchten „die Leute unten“417 einen „Schliff“, der ihnen wieder lehrt, was richtiges Arbeiten bedeutet. Entsetzt wurde der Chefredakteur Zeuge eines weiteren Vorfalls. Ein betrunkener junger Deutscher schleuderte einer Gruppe von italienischen Gastarbeitern „euch Saustücke sollte man vergasen“418 entgegen. Schockiert wegen diverser Beobachtungen und über die Sprache seiner Mitreisen- den, meinte er sich nicht im Jahre 1964 zu befinden. Fassungslos über das Gehörte fühlte er sich um mehr als 20 Jahre zurückversetzt.419

Am Ziel seiner Reise, im idyllischen Dorf Hartheim angekommen, wunderte sich der Wirt über einen Gast aus dem „Reich“420. Auf Nachfrage über die Funktion von Schloss Hartheim während der NS-Zeit erfuhr der Redakteur von einem Totengräber: „Die Depperten hams verheizt, jeden Tag. Da hast nix gesehen und nix gehört. […] Jede Woche drei Autobusse. Aber geheim, Sie!“421 Beim Eintreffen im Schloss fiel dem Besucher aus Deutschland ein Gedenkstein422 in französischer Sprache auf. Darunter befanden sich übermalte Stellen, die bruchstückhaft Teile von deutschen Wörtern erkennen ließen. Wegen „Haßtendenzen“423 musste der deutsche Text überstrichen werden.424 Die Erinnerung an die Gräuel des nationalsozialistischen Regimes war unerwünscht. Auch in einem Teil des Schlosses, in dem mehrere Woh- nungen untergebracht waren, fanden sich auf drei Türen Zettel mit einer französi- schen Aufschrift. „Von 1940 bis 1944 haben die Nationalsozialisten hier ein Vernich- tungslager gehabt. Alle Installationen sind demontiert. Heute ist der Raum und die Einrichtung eine Ablagerungsstelle für Holz und Kohlen.“425 Auf Nachfrage über die

417 Geissler: Ende der Anfrage, S. 72. 418 Ebd. 419 Vgl. ebd., S. 71f. 420 Ebd., S. 73. 421 Ebd., S. 74. 422 Der 1950 von der französischen Häftlingsorganisation der Überlebenden Mauthausens errichtete Gedenkstein enthielt den Text: „1939–1945. Zehntausende von Freiheitskämpfern wurden von den Nazis in das Vernichtungslager Schloss Hartheim verschleppt. Keiner verließ es lebend." Vgl. Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim. URL: http://www.schloss-hartheim.at/index.php/gedenken-ausstellung/gedenkstaette/denkmaeler- rund-um-das-schloss, abgerufen am 22.4.2018. 423 Geissler: Ende der Anfrage, S. 74 424 Vgl. Geissler: Ende der Anfrage, S. 74 425 Ebd., S. 75.

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Bedeutung des fremdsprachigen Textes reagierten die Wohnungseigentümer arg- wöhnisch und ablehnend. Ein etwa 15jähriges Mädchen gab dann schließlich Aus- kunft. „Vom Krieg ist das noch. Von die Amis.[…] Die hams hier weggemacht, die Narrischen und was zu nix gut warn.“426

Um dem Misstrauen der Bevölkerung entgegenzuwirken und herauszufinden, ob tat- sächlich eine Ausbildungsstätte zur Abhärtung von SS-Angehörigen untergebracht war, gab der Redakteur vor, auf den Spuren seines Bruders, der bei der SS in Hart- heim stationiert gewesen sei, zu sein. Ihm kam vor, dass der Wirt, seit er seinen SS- Bruder erwähnt hatte, freundlicher und zugänglicher wurde. Vom Gastwirt erfuhr er, dass dieser selbst NS-Ortsgruppenleiter gewesen war. Er erbot sich Informationen über Geisslers Bruder einzuholen. Auf die Frage, ob denn noch behördliche Unterla- gen über Schloss Hartheim und dessen Funktion während der Zeit des Zweiten Weltkriegs existieren würden, verzog sich der Mund des Wirtes zu einem Lächeln. „Vor zwei Jahren hat hier einer Akten entdeckt. Es hat ein bißchen ein Geschrei ge- geben deswegen, versteht sich. Aber dann sind die Akten verschwunden. […] Bei der Sicherheitsbehörde in Linz. 1943 war es dann schon aus mit den Depperten. Damals hams dann die Italiener verheizt, überhaupt Ausländer, Kommunisten.“427 Eine persönliche Nachfrage beim Herrn Hofrat und Sicherheitsdirektor in Linz über die verschwundenen Akten brachte kein Ergebnis. Nachdem schon so lange Zeit vergangen war, wäre es unmöglich noch jemanden zu finden, der sich an diese Din- ge erinnern könne. Die Botschaft des Sicherheitsdirektors war eindeutig. An einer Aufarbeitung der Geschehnisse in Schloss Hartheim während des Zweiten Welt- kriegs bestand kein Interesse. Geissler wunderte sich wegen der Aussage bezüglich des angeblich fehlenden Erinnerungsvermögens. Denn laut seinem Dafürhalten gab es noch genügend Personen, welche die Begebenheiten in Schloss Hartheim sehr genau wiedergeben konnten. So musste Geissler immer wieder an den Bericht über Aschewägen, die Zähne und Knochen verloren, die von den Kindern aufgesammelt wurden, denken. Auch der ehemalige Ortsgruppenleiter und redselige Wirt bestätigte die Ansicht des Redakteurs, denn er berichtete äußerst anschaulich über die Morde, wie von einer mühevollen „Arbeit“, die verrichtet werden musste. Besonders der Ge- stank, der beim Verbrennen der Leichen entstanden war, wurde als äußerst ekeler-

426 Geissler: Ende der Anfrage, S. 75. 427 Ebd., S. 77.

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regend und lästig empfunden. Unbedingt erwähnenswert schien dem ehemaligen Ortsgruppenleiter der Unterschied zum KZ Mauthausen zu sein, in dem Menschen nicht bloß getötet, sondern zuvor noch grausam gefoltert wurden. Die größte Diffe- renz bestand jedoch laut Wirt in dem Umstand, dass in Mauthausen nicht ausschließ- lich „Volksschädlinge“ sondern auch Geistliche zu Tode kamen. „Das könnens über- haupt schon gleich gar nicht vergleichen. Im Winter haben sie da manchmal die Leite hinaufgehängt in einen Baum, nackend, und dann Wasser drüber, bis er hartgefroren war, der Deifi. Und sowas jeden Tag. Und sogar Priester hams hingehängt, über zwanzig! Eine Schande, Sie!“428 Auf die Frage, ob denn in Hartheim auch Priester hingerichtet worden wären, reagiert der Gefragte mit Entrüstung.429 „Priester? Keinen einzigen! Wo denkens denn hin!“430

Den Bewohnern von Hartheim wurde jahrelang die Propaganda vom „minderwerti- gem Leben“, das vernichtet gehört, eingedrillt. Manche halfen bei der Verbrennung der Leichen oder leisteten anderweitig ihren Beitrag für die Funktion und Aufrechter- haltung des Vernichtungsvorgangs. Sie fanden auch zwei Jahrzehnte später nichts Verwerfliches dabei, denn ihrer Meinung nach hatten sie ihre Pflicht erfüllt.431 Ge- schwiegen wurde, weil alles „schwer geheim damals war und nix hast sehen dür- fen,432 wenn täglich „die Depperten verheizt wurden.“433

Obwohl sich die Bevölkerung offensichtlich keiner Schuld bewusst war, herrschte Misstrauen gegenüber Recherchen, die Schloss Hartheim und seine Funktion wäh- rend des Zweiten Weltkriegs betrafen.434 Latent dürfte trotzdem die Angst vor der Aufdeckung der Rolle mancher BewohnerInnen in der Umgebung von Schloss Hart- heim vorhanden gewesen sein, insbesondere da im Zuge des Eichmann-Prozesses die Verwicklungen österreichischer Personen in NS-Gräueltaten bekannt und deren Verfolgung gefordert wurde.435 Unter Bedachtnahme dieses Umstands war der Wunsch nach Vergessen begreiflich. Dies wäre laut Aussage des damaligen Pfarrers

428 Geissler: Ende der Anfrage, S. 78. 429 Vgl. ebd., S. 77-80. 430 Ebd., S. 78. 431 Vgl. ebd., S. 81f. 432 Ebd., S. 74. 433 Ebd. 434 Vgl. Geissler: Ende der Anfrage, S, 74. 435 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Eichmann-Prozeß beginnt. Anträge der Verteidigung erwar- tet, 11.4.1961, S. 3.

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bereits auch längst geschehen,436 „aber der Jude Wiesenthal hat halt alles wieder nach oben gestöbert.“437

Einen weiteren „Störfaktor“ des Vergessens stellte der Gedenkstein beim Schloss Hartheim dar, der an die Vorkommnisse während des Zweiten Weltkriegs erinnerte und 1950 von der französischen Häftlingsorganisation der Überlebenden Mauthau- sens errichtet wurde.438 So sah ein Gemeindebeamter in ihm regelrecht einen „Stein des Anstoßes“:439 „Niemand in der Gemeinde ist gefragt worden. Obwohl doch das Denkmal auf gemeindeeigenem Grund und Boden steht. Das war Besitzstörung, Sie, und strafbar. Aber mit solchen Leuten kann man ja nicht reden. Die haben den Krieg gewonnen.“440 Obgleich der ersichtlichen Vernachlässigung Preis gegeben, musste die Erinnerungstafel, wenn auch widerwillig, gepflegt werden.441 „Beim Nahen von solchen Leuten, mit denen man nicht reden kann, gibt nach Möglichkeit die Bezirks- hauptmannschaft Vorwarnung an die Gemeinde Alkoven-Hartheim. Dann wird schnell das Denkmal am Schloss hergerichtet.“442 Die dafür seitens der Gemeinde auferlegten Kosten, die auf großen Unmut stießen, beliefen sich auf jährlich 108,40 Schilling. 443

Fünf Jahre nach der Reportage444 von Chefredakteur Geissler fand 1969 erstmals im Zuge der Mauthausener Befreiungsfeier eine Gedenkfeier für die in Schloss Hartheim Ermordeten statt.445 Im selben Jahr wurde vom Oberösterreichischen Landeswohltä- tigkeitsverein im ehemaligen Aufnahmeraum sowie der Gaskammer eine erste Ge-

436 Vgl. Geissler: Ende der Anfrage, S. 81. 437 Ebd. 438 Vgl. Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim. URL: http://www.schloss-hartheim.at/index.php/gedenken-ausstellung/gedenkstaette/denkmaeler- rund-um-das-schloss, abgerufen am 22.4.2018. 439 Vgl. Geissler: Ende der Anfrage, S. 78. 440 Ebd., S. 79. 441 Vgl.ebd. 442 Ebd. 443 Vgl. ebd. 444 Diese Reportage war vermutlich eine Reaktion auf den Brief Wiesenthals, den dieser im Februar 1964 an den Bundesminister für Justiz, Christian Broder, gerichtet hatte. „Wir erlauben uns hiemit, Ihnen mitzuteilen, dass wir auf Grund längerer Nachforschungen jetzt zum Ergebnis gekommen sind, dass auf dem Gebiete Österreichs in den Jahren 1941-1943 eine Ausbildung von Mördern in einer Anstalt, die als Tötungsanlage bestimmt war, stattgefunden hat. (...) Bei der Tötungsanlage in Öster- reich handelt es sich um das Schloss Hartheim bei Eferding in Oberösterreich. Vgl. Kepplinger u. Reese: Gedenken in Hartheim, S.3. 445 Vgl. ebd.

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denkstätte, die aus einem farbigen Holzkreuz bestand, errichtet.446 Da das Schloss immer noch als Wohnstätte diente und es immer wieder zu Zwischenfällen sowie un- erfreulichen Begegnungen von Besuchern und Mietern der ehemaligen NS- Euthanasieanstalt kam, wurde auf Initiative des Vereines Schloss Hartheim eine gänzliche Neugestaltung beschlossen.447 Nachdem die letzten Mieter 1999 ausgezo- gen waren, konnte mit der umfangreichen Renovierung begonnen werden. Auch hier hatte es fast 60 Jahre gedauert, bis es zu einer Aufarbeitung der NS-Vergangenheit kam und 2003 Schloss Hartheim als Lern- und Gedenkort eine neue Zweckwidmung erfuhr.448

3.2 Sonderfall Adolf Eichmann

Im Jahre 1960 konnte jener Mann gefasst werden, der als „Organisator der grau- samsten Vernichtungsmaschinerie“449 große Bekanntheit erlangte: Adolf Eich- mann.450 Eichmann, am 16. März 1906 in Deutschland geboren, kam 1914 nach Linz, 451 in jene Stadt, die während der NS-Zeit als einer der Führerstädte Hitlers große Bedeutung zukam.452 Hier wuchs Adolf Eichmann neben jüdischen Nachbarn in der Bischofstraße auf. 1927 wurde einem dieser Nachbarn, dem Präsidenten der jüdischen Kultusgemeinde, Benedikt Schwager, im Zuge der 50jährigen Bestandsfei- er der Israeltischen Kultusgemeinde in Anwesenheit von hohen Würdenträgern der Republik, des Landes und der Stadt Linz das silberne Ehrenzeichen der Republik Österreich verliehen. Unter den Gratulanten befand sich auch der Älteste der protes- tantischen Gemeinde in Linz, Adolf Eichmann sen.453 Dieses Ereignis würde nicht vermuten lassen, dass in Linz in den 1920er Jahren dennoch ein latenter Antisemi-

446 Vgl. Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim. URL:http://www.schloss-hartheim.at/index.php/gedenken-ausstellung/gedenkstaette/denkmaeler-rund- um-das-schloss, abgerufen am 22.4.2018. 447 Vgl. Kepplinger u. Reese: Gedenken in Hartheim, S. 3. 448 Vgl. Schloss Hartheim: Geschichte 1945-2003. URL:http://www.schloss-hartheim.at/index.php/historischer-ort/geschichte-1945-2003, abgerufen am 22.4.2018. 449 John: Bevölkerung in der Stadt, S. 176. 450 Vgl. Niederleitner, Heinz: In weiter Ferne so nah. Der Eichmann-Prozeß in drei oberösterreichi- schen Parteizeitungen. In: Oberösterreichischer Musealverein – Gesellschaft für Landeskunde, Jahr- buch 2001, Bd. 146/1, S. 645. 451 Vgl. ebd., S. 639 452 Vgl. John: Bevölkerung in der Stadt, S. 16. 453 Vgl. ebd., S. 175.

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tismus vorhanden war. Dieser wurde zwar nicht öffentlich von den damaligen politi- schen Eliten verbalisiert, trat jedoch in der Parteipresse zutage.454 Mit der Ver- schlechterung der Wirtschaftslage schwand auch die Zurückhaltung im Hinblick auf den Antisemitismus.455 So berichtete beispielsweise die Linzer Kultusgemeinde in einer ihrer Zeitschriften vom Februar 1931 von „schweren wirtschaftlichen und politi- schen Angriffen, die gegen uns geplant und bewerkstelligt werden“456 sowie „von bösartigen Umtrieben“457. Organisationen, wie etwa der Kampfbund für deutsche Kul- tur, der aus national und deutschnational eingestellten jungen Männern (z.B. Bur- schenschaftern, Lehrern, Sportlern) bestanden, formierten sich.458 Illegale National- sozialisten starteten im Dezember 1936 und 1937 Maßnahmen gegen jüdische Ge- schäftsinhaber (Steinwürfe), bezichtigten sie in Flugblättern der Steuerhinterziehung und bezeichneten sie als „Ausbeuter“459 und „Blutsauger460. Auch im Österreichi- schen Beobachter461, der in Linz gedruckt und dessen Auflage im Jahr 1937 unge- fähr 250.000 Stück betragen haben soll, kam es zur Verunglimpfung von jüdischen Firmeninhabern und zu Boykottaufrufen.462 Obwohl die jüdische Bevölkerung wegen der zunehmenden Aggression beunruhigt war und sie eine Machtergreifung der Nati- onalsozialisten als nicht unrealistisch einschätzte, vertraute sie auf den Schutz des Staates bzw. ausländischer Mächte.463 Die Geschichte zeigte, dass sich diese Hoff- nung nicht erfüllte und der in Linz aufgewachsene Adolf Eichmann als „Schreibtisch- täter“ für den Massenmord an sechs Millionen Juden mitverantwortlich sein sollte.464 Doch bis Eichmann wegen seiner Verbrechen Rechenschaft ablegen musste, sollte noch geraume Zeit vergehen. Mittels ehemaliger NationalsozialistInnen bzw. deren SympathisantInnenen gelang ihm 1946 die Flucht aus einem US-amerikanischen Kriegsgefangenenlager. Sein neues Betätigungsfeld fand er in einem Forstamt am Rande der Lüneburger Heide. Otto Henninger, wie Eichmann sich einige Zeit nannte, verblieb dort vier Jahre. Obwohl die Bevölkerung davon wusste, dass sich in der Ge-

454 Vgl. John: Bevölkerung in der Stadt, S. 176. 455 Vgl. ebd., S. 177. 456 Ebd., S. 177. 457 Ebd. 458 Vgl. ebd., S. 177f. 459 Ebd., S. 180. 460 Ebd. 461 Der Völkische Beobachter war ein publizistisches Parteiorgan der NSDAP. Vgl. ebd. 462 Vgl. ebd. 463 Vgl. John: Bevölkerung in der Stadt, S. 212. 464 Vgl. ebd., S. 176.

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gend ehemalige SS-Leute aufhielten, unternahm sie nichts, um gegen sie vorzuge- hen, denn eine Konfrontation mit der Vergangenheit war unerwünscht. Es herrschte die Meinung, dass die großen NS-Verbrecher abgeurteilt seien und damit der Ge- rechtigkeit Genüge getan worden wäre. Es galt vorwärts zu blicken und nicht in der Vergangenheit herumzuwühlen. Außerdem gab es einen gemeinsamen Feind: die Besatzer. Diese Verweigerung der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit zog sich hinauf bis in höchste Kreise, so forderte auch Konrad Adenauer, dass endlich Schluss sein müsse mit der „Naziriecherei“465. Deshalb verwundert es auch nicht, dass es ehemaligen Nationalsozialisten relativ rasch wieder gelang, in einflussreiche Positionen aufzusteigen. Obwohl Eichmann in Deutschland unbehelligt blieb, ent- schloss er sich 1950 zur Flucht. Diese gelang ihm wiederum durch ehemalige SS- Angehörige, deren Kontakte bis nach Rom, in den Vatikan, reichten. Zehn weitere Jahre lebte Eichmann unter dem Namen Ricardo Klement als freier Mann in Argenti- nien – jenem Land, in dem viele ehemalige Nationalsozialisten Zuflucht vor Verfol- gung suchten und fanden.466

Obwohl es immer wieder Hinweise über den Aufenthaltsort Eichmanns in Argentinien gab, wurde diese Spur seitens der deutschen Behörden nur sehr lasch verfolgt. Erst als der damalige Generalstaatsanwalt von Hessen, Dr. Fritz Bauer,467 den israeli- schen Geheimdienst über den Verbleib Eichmanns informierte, wurden Schritte zu dessen Verfolgung unternommen. Bauer unterließ es, die deutschen Be- hörden über Eichmanns Wohnort zu informieren, da er befürchtete, diese könnten Eichmann warnen.468

465 Deutschlandfunk: Der Fall Ricardo Klement. Organisator des Massenmordes. (Limbergh, Margare- te), 23.5.2010. URL: http://www.deutschlandfunk.de/organisator-des-massenmords-der-fall ricardoklement- doklment.724.de.html?dram:article_id=99837, abgerufen am 5.3.2018. 466 Vgl. ebd. 467 Der engagierte Sozialdemokrat und Jurist Dr. Fritz Bauer floh 1936 vor dem NS-Regime nach Dä- nemark und kehrte 1949 nach Deutschland zurück. 1956 wurde er als Generalstaatsanwalt nach am Main berufen. Diese Funktion übte er auch bis zu seinem plötzlichen Tod im Jahre 1968 aus. Fritz Bauers große Anliegen waren die Etablierung einer demokratischen Justiz sowie die konse- quente Verfolgung und Aufarbeitung von NS-Verbrechen. Dass die Frankfurter Ausschwitz-Prozesse zustande kamen, ist großteils auf die Initiative Dr. Bauers zurückzuführen. Vgl. Humanistische Union: Fritz Bauer – Stationen eines Lebens. (Wojak, Irmtrud). 1.1.1998. URL:http://www.humanistischeunion.de/wir_ueber_uns/geschichte/geschichtedetail/back/geschichte/a rticle/fritz-bauer-stationen-eines-lebens, abgerufen am 8.3.2018. 468 Vgl. ebd.

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Ein weiterer Name, der mit der Ergreifung Eichmanns in Verbindung gebracht wird, ist jener von Simon Wiesenthal. Der ehemalige KZ-Gefangene, Architekt und Initiator des Jüdischen Dokumentationszentrums (gegründet 1947 in Linz), machte es sich zur Lebensaufgabe, NS-VerbrecherInnen ausfindig zu machen und vor Gericht zu bringen.469 Bereits kurze Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Simon Wiesenthal auf Adolf Eichmann aufmerksam. Wiesenthal verfolgte das gleiche Ziel wie Fritz Bauer: Eichmann sollte vor Gericht gebracht werden, um sich für seine Taten zu ver- antworten. Wiesenthal verfügte über Informationen, dass sich Eichmanns Frau kurz vor Kriegsende in Altaussee, Fischerndorf 8, niedergelassen hatte. Wie bekannt wur- de, beabsichtigte Eichmann, seine Frau dort am Silvestertag des Jahres 1949 zu be- suchen. Mit Hilfe eines Aufgebots von mehreren Kriminalbeamten sollte der Gesuch- te während des Aufenthalts bei seiner Familie gefasst werden. Dazu kam es jedoch nicht, da Eichmann gewarnt worden sein dürfte und fliehen konnte. Trotz dieses Rückschlages gab Wiesenthal nicht auf und verfolgte immer wieder Hinweise, die auf den Verbleib Eichmanns hindeuteten. Ende April des Jahres 1959 gelang es ihm schließlich, den Aufenthaltsort Buenos Aires, ausfindig zu machen. Diesen teilte er den israelischen Behörden mit, die kurz darauf zwei junge Männer nach Linz in Wie- senthals Büro sandten. Da von Eichmann kaum Bilder vorhanden waren, die seine Identifizierung ermöglichten, übergab Wiesenthal den Männern Fotografien von Eichmanns Bruder Otto und eine, die Eichmann als jungen Mann darstellte. Dem is- raelischen Geheimdienst gelang es tatsächlich, Eichmann ausfindig zu machen und ihn nach zu bringen. 470 Einen Tag nach der Verkündung des israelischen Mi- nisterpräsidenten, David Ben Gurion, von Eichmanns Festnahme erhielt Wiesenthal am 24. Mai 1960 ein Telegramm von Yad VaShem471, das seine Verdienste um die Festnahme eines der meistgesuchten NS-Verbrecher würdigte und ihn zu „seinem glänzende Erfolg“472 beglückwünschte.473

Diese Verlautbarung war der Auftakt zu einer zwei Jahre andauernden, teilweise weltweiten und sehr ausführlichen Berichterstattung über den Mann im Glaskasten,

469Vgl. Wiesenthal: Recht, nicht Rache, S. 36. 470 Vgl. ebd., S. 98-101. 471 Yad VaShem ist eine Gedenkstätte in Israel, die an die jüdischen Opfer des Holocaust erinnert. Vgl. Friends of Yad VaShem. URL: http://www.yad-vashem.net/index.php?id=47, abgerufen am 12.3.2018. 472 Wiesenthal: Recht, nicht Rache, S. 106. 473 Vgl. ebd., S. 106f.

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Adolf Eichmann, der in Jerusalem seinem Prozess entgegensah.474 Auch in Öster- reich rief dieses Medienereignis großes Interesse hervor. Viele Zeitungen berichteten darüber, u.a. auch die Oberösterreichischen Nachrichten, die Mühlviertler Nachrich- ten und der Mühlviertler Bote. Um sich ein ungefähres Bild machen zu können, wie viele LeserInnen diese drei Zeitungen erreichten, sei nachstehend kurz die Auflagen- stückzahl erwähnt. Nicht zu vergessen dabei ist, dass vermutlich, wenn ein Haushalt eine Zeitung bezog, das Blatt mehrere Personen lasen. Die Mühlviertler Nachrichten hatten von 1960 bis 1962 eine Auflagenstückzahl von ca. 22.000475, beim Mühlviert- ler Boten betrug sie ca. 4.500476 und bei den Oberösterreichischen Nachrichten 45.000.477 Diese drei regionalen Zeitungen stehen im Zentrum der angestellten Un- tersuchungen über die Medienberichterstattung um den Fall Eichmann.

Die für diese Masterarbeit relevante Berichterstattung über Adolf Eichmann erstreck- te sich von seiner Entführung im Mai 1960 bis zur Hinrichtung im Juni 1962 sowie den darauffolgenden Todesmeldungen. Die Untersuchungszeiträume wurden an jene von Heinz Niederleitner, der drei oberösterreichische Parteizeitungen (Linzer Volks- blatt, Neue Zeit, Linzer Tagblatt) ebenfalls auf verschiedene Inhalte bezüglich des Eichmann-Prozesses untersuchte, angelehnt. Niederleitner hatte folgende Zeiträume einer Analyse unterzogen:

1. Meldung von der Entführung 24. Mai bis 9. Juni 1960 2. Vorlage der Anklageschrift 24. Februar 1961 3. Prozessbeginn 5. April bis 10. Mai 1961 4. Urteilsverkündung 9. Dezember bis 19. Dezember 1961

Demgegenüber wurden in dieser Masterarbeit im Besonderen jene Zeiträume (Mel- dung von der Entführung, Prozessverlauf, Urteilsverkündung und die Vollstreckung des Todesurteils) in vier Kategorien eingeteilt und in entsprechenden Abschnitten bearbeitet:

474 Vgl. Zeit-online: Holocaust. Israel veröffentlicht geheime Eichmann-Dokumente. URL: http://www.zeit.de/wissen/geschichte/2011-04/eichmann-prozess-israel-dokumente, abgerufen am 3.9.2017. 475 Vgl. Rohleder: Die oberösterreichische Tages- und Wochenpresse, S. 365. 476 Vgl. ebd., S. 386. 477 Vgl. ebd., S. 300.

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1. Meldung von der Entführung 20. Mai bis 2. Juli 1960 2. Vorlage der Anklageschrift und Prozessbeginn 28. Jänner bis 27. Mai 1961 3. Urteilsverkündung 7. Dezember bis 30. Dezember 1961 4. Vollstreckung des Todesurteils 26. Mai bis 16. Juni 1961

Die meisten und für die vorliegende Arbeit relevanten Artikel veröffentlichten die un- tersuchten Zeitungen von Jänner bis Mai 1961. Deshalb wurden die in diesem Zeit- raum erschienen Zeitungen mit Inhalten über den Eichmann-Prozess angeführt und auszugsweise wiedergegeben. Diese Vorgehensweise dient zur leichteren Nachvoll- ziehbar der gewonnen Rückschlüsse.

Um die eingangs aufgestellte Hypothese belegen zu können, sind in diesem Kapitel folgende Fragen von besonderem Interesse:

 Kam es in den bearbeiteten Zeitungen zur Thematisierung des Holocaust?  Wurde die Staatsbürgerschaft Eichmanns in den Printmedien behandelt?  Fand eine Verbreitung der Opferthese statt bzw. wurde eine Aufarbeitung des Nationalsozialismus seitens der Zeitungen gefordert?  Wie werden die am Nationalsozialismus beteiligten Deutschen und Öster- reicherInnen dargestellt – waren Unterschiede erkennbar?  Gab es Hinweise auf einen wiedererstarkten Antisemitismus oder ist er in den Anfängen der 1960er Jahre kein Thema mehr?  Kam es zur Forderung nach Verfolgung von NS-Verbrechen?

3.2.1 Ein (ober)österreichisches Medienereignis – der Eichmannprozess in aus- gewählten Zeitungen

„Lang lebe Deutschland, lang lebe Argentinien, lang lebe Österreich! Dies sind die drei Länder, mit denen ich am engsten verbunden war und die ich niemals vergessen werde. Ich habe zeit meines Lebens an Gott geglaubt und sterbe auch im Glauben an Gott.“478

478 Mühlviertler Nachrichten: Eichmanns Henker kam um Mitternacht, 7.6.1962, S. 2.

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Dies waren die letzten Worte des ehemaligen SS-Obersturmbannführers Adolf Eich- mann, bevor sich die Falltür unter dem Galgen in der Nacht vom 31. Mai auf den 1. Juni 1962 öffnete. Eichmanns Hinrichtung waren drei erfolglose Gnadengesuche von seinem Verteidiger Dr. Servatius, Eichmanns Frau sowie Eichmanns Bruder, einem in Linz tätigen Rechtsanwalt, vorausgegangen.479

Mit dem Tod von Adolf Eichmann beendeten die Mühlviertler Nachrichten die Be- richterstattung über den Eichmann-Prozess in Jerusalem. Auch für die Oberösterrei- chischen Nachrichten und den Mühlviertler Boten markierte die Hinrichtung Eich- manns den Abschluss einer zwei Jahre (von Mai 1960 bis Juni 1962) dauernden Be- richterstattung, in der die LeserInnen über Eichmann als Person, seine Bezüge zu Österreich und das Prozessgeschehen informiert wurden. Doch zuerst zurück zum Anfang der Berichterstattung über den Fall Eichmann in ausgewählten oberösterrei- chischen Zeitungen.

Am 9. Juni 1960 informierten die Mühlviertler Nachrichten ihre LeserInnen über die Verhaftung des ehemaligen SS-Obersturmbannführers und „Beauftragten Himmlers für die Liquidierung des Judentums A. Eichmann“.480 Nach seiner Gefangennahme in Argentinien brachte ihn der israelische Geheimdienst nach Jerusalem. Es folgten Hinweise, über den Wohnsitzwechsel Eichmanns 1932 von Linz nach München so- wie auf die Erweiterung seiner Sprachkenntnisse (Jiddisch und Hebräisch). Auch der Grund seiner Festnahme wurde angeführt.481 Der ehemalige Judenreferent hatte „dann ab 1942 eine besondere Aufgabe, den Massenmord an Juden zu beschleuni- gen. Ihm schreibt man auch die Gaskammern zu. Sechs Millionen Menschen fanden in diesen und durch KZ-Methoden den Tod.“482

Die Wochenzeitung bezog sich auf nicht näher genannte Nachforschungen und teilte mit, dass Eichmann nach 1945 in der Gegend um Altaussee gelebt haben soll, von wo er dann in den Nahen Osten und anschließend nach Argentinien flüchtete.483

479 Vgl. Mühlviertler Nachrichten: Eichmanns Henker kam um Mitternacht, 7.6.1962, S. 2. 480 Mühlviertler Nachrichten: Der Liquidator des Judentums verhaftet, 9.6.1960, S. 2. 481 Vgl. ebd. 482 Ebd. 483 Vgl. ebd.

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Laut den Oberösterreichischen Nachrichten vom 8. Juni 1960 hatte die Entführung Eichmanns durch den israelischen Geheimdienst für unverhohlenes Unverständnis – um nicht zu sagen Entrüstung – seitens der argentinischen Regierung gesorgt. Be- sonders die Tatsache, dass die amtlichen Stellen über die Operation einer Gruppe von Freiwilligen, die schon länger nach Eichmann suchte, nicht informiert wurden, stieß seitens des argentinischen Außenministeriums auf Empörung.484 Doch nicht nur das offizielle Argentinien äußerte seinen Unmut über die Entführung Eichmanns. In zahlreichen Briefen aus unterschiedlichen Ländern kam es deshalb gegenüber dem israelischen Regierungschef David Ben Gurion zur Androhung von Gewaltakten.485

Nach Darstellung der israelischen Regierung konnte von einer gewaltsamen Entfüh- rung jedoch keine Rede sein, denn Eichmann habe ein Schriftstück verfasst, indem er sich nach eintägiger Bedenkzeit am 23. Mai 1960 freiwillig bereit erklärte, sich ei- nem israelischen Gericht zu stellen,486 um „die einfachen, ungeschminkten Tatsa- chen über seine letzten Dienstjahre in Deutschland zu berichten, damit seine Erklä- rung ‚künftigen Generationen überliefert‘ werden könne. Er habe diesen Entschluß gefaßt, um seinen inneren Frieden zu finden.“487

Auch die folgenden zwei Berichte der Oberösterreichischen Nachrichten vom 9. und 10. Juni 1960 hatten vorwiegend den Protest Argentiniens über das Vorgehen und die Behauptung der Entführung sowie Rückstellungsforderungen Eichmanns zum Inhalt. Argentinien wies Israel darauf hin, falls Eichmann wegen Völkermordes ange- klagt werden sollte, so müsse dies laut internationaler Konvention in jenem Land, in diesem Fall Deutschland, geschehen, in dem die Ermordungen stattgefunden hätten. Sollte Israel die Rückstellung Eichmanns nicht veranlassen, so würde Argentinien die Angelegenheit der UNO unterbreiten. Am 23. Juni 1960 wurde dann tatsächlich die Problematik im UNO-Sicherheitsrat behandelt und der Rückstellungsantrag Argenti- niens ohne Gegenstimmen, jedoch mit zwei Stimmenthaltungen, abgelehnt.488

484 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Eichmann ging freiwillig nach Israel, 8.6.1960, S. 3. 485 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Argentinisch-israelische Spannung im Eichmann-Konflikt, 9.6.1960. S. 3. 486 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Eichmann ging freiwillig nach Israel, 8.6.1960, S. 3. 487 Ebd. 488 Vgl. Mühlviertler Bote: Blick ins Geschehen, 2.7.1960, S. 2; und Oberösterreichische Nachrichten: Argentinisch-israelische Spannung im Eichmann-Konflikt, 9.6.1960, S. 3; und Oberösterreichische Nachrichten: Argentinien fordert Rückstellung Eichmanns, 10.6.1960, S. 3; und Oberösterreichische Nachrichten: Fall Eichmann im Sicherheitsrat, 23.6.1960, S. 3.

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Die Oberösterreichischen Nachrichten setzten in ihren insgesamt fünf Berichten über Eichmann augenscheinlich voraus, dass die Bevölkerung wusste, um wen es sich bei Eichmann handelte. Außer Eichmanns Rang (SS-Obersturmbannführer) erfuhr die Leserschaft wenig über die Person Eichmanns und wessen man ihn verdächtigte, da die Berichte hauptsächlich die Entführungsthematik und den damit einhergehenden Protest Argentiniens sowie die Zuständigkeit der Gerichtsbarkeit zum Inhalt hatten.

Im Gegensatz dazu gaben die Mühlviertler Nachrichten (s.o.) in ihrem einzigen Be- richt einen kurzen Überblick über die Verbrechen, die zur Gefangennahme durch den israelischen Geheimdienst führten. Im selben Artikel fand auch Linz als Wohnort Eichmanns Erwähnung – ähnlich zu lesen im Mühlviertler Boten.489 In einem der ins- gesamt drei erschienen Artikel zum Fall Eichmann wurde dieser zweimal als Organi- sator für die Endlösung der Judenfrage und somit als Verantwortlicher für den Tod von sechs Millionen Juden genannt. Es fand sich jedoch, genauso wie bei den Ober- österreichischen Nachrichten, kein Linz- bzw. Oberösterreichbezug.490

Bei den sieben Berichten der Oberösterreichischen Nachrichten war im Untersu- chungszeitraum491 von Mai bis Anfang Juli 1960 vorherrschendes und zentrales Thema die Entführung Eichmanns. Der Grund für die Entführung konnte keinem der Artikel entnommen werden. Im Gegensatz dazu berichteten die Mühlviertler Nach- richten und der Mühlviertler Bote, dass es mit der Inhaftierung Eichmanns gelungen wäre, jenen Mann zu fassen, der Hauptverantwortlicher für die „Endlösung der Ju- denfrage“ sei. Somit waren zumindest die ungefähr 26.500 LeserInnen der beiden Mühlviertler Zeitungen informiert, um wen es sich bei Eichmann handelte bzw. wes- wegen er verdächtigt wurde und dass es einen Massen- bzw. Völkermord an der jü-

489 Vgl. Mühlviertler Nachrichten: Der Liquidator des Judentums verhaftet, 9.6.1960, S. 2. 490 Vgl. Mühlviertler Bote: Blick ins Geschehen, 4.6.1960, S. 2. 491 Vgl. Anzahl der untersuchten Zeitungsberichte vom 20. Mai 1960 bis 2. Juli 1960.  Oberösterreichische Nachrichten. UZ: 20. Mai bis 30. Juni 1960: Sieben Berichte: 8.6; 9.6.; 10.6.; 23.6.; 24.6; 25.6.; 26. 6. 1960.  Mühlviertler Nachrichten. UZ: 26. Mai bis 30. Juni 1960: ein Bericht am 9.6.1960.  Mühlviertler Bote. UZ: 21. Mai bis 2. Juli 1960: drei Berichte: 4. 6.; 18.6.; 2.7.1960. Die Differenz der Untersuchungstage ergibt sich im aktuellen und in den nachstehenden Kapiteln aus den unterschiedlichen Zeitungstypen (Tages- und Wochenzeitungen). Wie bereits erwähnt erschienen die Oberösterreichische Nachrichten täglich, die Mühlviertler Nachrichten jeweils am Donnerstag und der Mühlviertler Bote immer samstags. Der exakte Untersuchungszeitraum ist jeweils am Ende des Kapitels angegeben.

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dischen Bevölkerung gegeben hatte. Als einzige der drei Zeitungen erwähnten die Mühlviertler Nachrichten Eichmanns Bezug zur oberösterreichischen Landeshaupt- stadt, indem sie Linz als einen seiner früheren Wohnorte angaben.

3.2.2 Der Prozessbeginn

Im Untersuchungszeitraum Ende Jänner bis Anfang Juni 1961 fanden intensive Vor- bereitungen zum Prozessbeginn bzw. der Prozessdurchführung statt. Ab Ende Jän- ner 1961 kam es auch in einigen Zeitungen wieder vermehrt zu Meldungen über den sich in Anbahnung befindlichen Eichmann-Prozess. Alle Protokolle der Einvernah- men des Vorverfahrens wurden der Presse übergeben und standen somit sämtlichen JournalistInnen zur Verfügung. Manche Zeitungen beorderten sogar eigens für die- sen Prozess abgestellte Berichterstatter nach Jerusalem.492 Aber auch das österrei- chische Innenministerium entsandte zwei offizielle Beobachter nach Israel. Diese Vorgehensweise lässt die Bedeutung erahnen, die diesem Verfahren auch von be- hördlicher Seite zugemessen wurde.493

Mit April 1961 waren die umfangreichen Vorerhebungen soweit abgeschlossen und der Prozess gegen den ehemaligen SS-Obersturmbannführer konnte beginnen. Die- ser fand im Jerusalemer Bezirksgericht im Zeitraum vom 10. April bis 15. August 1961 statt. Adolf Eichmann musste sich wegen

 Verbrechen gegen das jüdische Volk, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen,  Mitgliedschaft in einer feindlichen Organisation (SS und – diese wa- ren vom internationalen Militärtribunal in Nürnberg als verbrecherisch einge- stuft worden)  und dem israelischen Gesetz zur Bestrafung von Nationalsozialisten und nati- onalsozialistischen Kollaborateuren

492 Vgl. Garscha, Winfried R.: Eichmann: Eine Irritation, kein Erdbeben. Zu den Auswirkungen des Prozesses von Jerusalem auf das Österreich des „Herrn Karl“. In: Falch, Sabine u. Zimmermann, Mo- she (Hg.): Von den Anfängen des Eichmann-Prozess 1961. Österreich – Israel –Studien, Bd. 3, 2005, S. 186. 493 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Eichmann-Prozeß beginnt, Anträge der Verteidigung erwar- tet, 11.4.1961, S. 3.

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verantworten.

Durch die breit angelegte Prozessberichterstattung auch in Österreich, erfuhren viele Menschen erstmals ausführlich vom Ausmaß des Massenmordes an der jüdischen Bevölkerung.494

Der erste Bericht in den Oberösterreichischen Nachrichten des Jahres 1961 kreiste um die Frage der Durchführung des Eichmann-Prozesses. Es fanden Spekulationen über ein Sondergericht, das eingerichtet werden sollte bzw. über die noch zu bestel- lenden Richter, statt. Indessen stand der Verteidiger fest: Dr. Servatius aus Deutsch- land, der vom Staat Israel ein Honorar von 20.000 Dollar erhalten sollte. Des Weite- ren wurde auch die Besorgnis des Generaldirektors des Jüdischen Weltkongresses wiedergegeben, der Befürchtungen über einen groß angelegten Prozess äußerte. Seiner Meinung nach würde der wiedererstarkende Antisemitismus nicht in seiner gesamten Tragweite wahrgenommen, da dieser auch – oder gerade durch gerichtli- che Schuldsprüche – bagatellisiert werden würde.495 „So hat der in Genf amtierende Generaldirektor des Jüdischen Weltkongresses, Dr. Rigner auf einer Pressekonfe- renz in Tel Aviv gewarnt: der Eichmann-Prozeß werde eine Weltoffensive des neo- nazistischen Antisemitismus auslösen, und ihre Träger seien bekannte Männer des ‚internationalen Nazi-Bundes‘, die sich demnächst in dem schwedischen Malmö zu einer Konferenz vereinigen wollten. Und so sind in jüngster Zeit neue Vorwürfe ge- gen die Justiz der Bundesrepublik Deutschland laut geworden, sie lasse antisemiti- sche Missetäter mit schändlich leichten Strafen davonkommen und durch die Richter in Österreich bestrafe man kleine Taschendiebe schwerer als aktive Antisemiten, ja selbst in den USA habe ein Richter als Recht erkannt, Propaganda gegen Juden sei- en kein Verbrechen und darum straffrei.“496

Generalstaatsanwalt Hausner empfing laut zweitem Bericht der Oberösterreichischen Nachrichten vom 2. Februar 1961 den Verteidiger Adolf Eichmanns Dr. Robert Ser- vatius. Er sollte einer Veröffentlichung der 15 Anklagepunkte zustimmen. Servatius

494 Vgl. Garscha: Eichmann: Eine Irritation, kein Erdbeben, S. 186. 495 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Um die Durchführung des Eichmann-Prozeßes. Eigenbericht der Oberösterreichischen Nachrichten aus Haifa, 31.1.1961, S. 8. 496 Ebd.

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wurde ein Vieraugengespräch mit Eichmann ohne Anwesenheit weiterer Personen zugesagt.497

Im dritten Bericht vom 3. Februar 1961 der Oberösterreichischen Nachrichten gaben Simon Wiesenthal und der Amtsdirektor der Wiener Kultusgemeinde Krell in Anwe- senheit der in- und ausländischen Presse, des israelischen Botschafters und des Chefs der Staatspolizei, Rupertsberger, Namen von NS-VerbrecherInnen bekannt. Darunter befanden sich auch ehemalige Mitarbeiter Eichmanns, die sich noch in Ös- terreich aufhalten sollten. Namentlich wurden jedoch nur Franz Murer, Gutsbesitzer und Obmann der Landwirtschaftskammer Liezen sowie Friedrich Engg, wohnhaft in Innsbruck, die beide des Mordes an polnischen Juden bezichtigt wurden, genannt. Die Identität der restlichen sechs mutmaßlichen NS-VerbrecherInnen gelangte we- gen Fluchtgefahr nicht an die Öffentlichkeit. Zuzüglich zu den Informationen über die acht Mitarbeiter Eichmanns wurde noch auf das Belastungsmaterial von weiteren 40 bis 50 vermutlichen NS-StraftäterInnen hingewiesen und verlautbart, dass aus Israel 979 Dossiers von KriegsverbrecherInnen an die Untersuchungszentrale in Ludwigs- burg überbracht wurden, von denen zehn bis 15 Prozent österreichische BürgerInnen betreffen würden. Mit dieser öffentlichen Bekanntgabe vor der Presse erhofften sich Wiesenthal und Krell eine erhöhte Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und eine zügi- gere Verfolgung von NS-TäterInnen.498

Der vierte Bericht der Oberösterreichischen Nachrichten vom 24. Februar 1961 bes- tätigte die Veröffentlichung der 15 Punkte beinhaltenden Anklageschrift, die Dr. Ser- vatius bereits am 1. Februar 1961 erhalten hatte. Der vermutliche Prozessbeginn wurde mit 10. April 1961 angegeben.499

Seinen ersten Bericht dieses Jahres im Zusammenhang mit dem Eichmann-Prozess brachte der Mühlviertler Bote am 18. März 1961 mit einem Bild von Simon Wiesen- thal und der Ankündigung seines Buches500 „Ich jagte Eichmann“501. Die Zeitung bes-

497 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Dr. Servatius heute bei Eichmann, 2.2.1961, S. 3. 498 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Der Fall Eichmann zieht weite Kreise in Österreich, 3.2.1961, S. 2. 499 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Eichmann: 15 Anklagepunkte, 24.2.1961, S. 3. 500 Vgl. Mühlviertler Bote: „Ich jagte Eichmann“, 18.3.1961, S. 3. 501 Ebd.

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tätigte, dass Wiesenthal tatsächlich jener Mann sei,502 „der Eichmann wirklich jag- te“503 – und verwies auf das Ansinnen Wiesenthals dem Prozess beiwohnen zu wol- len. Auch die vom Innenministerium veranlasste Entsendung von Polizeioberkom- missär Josef Wiesinger aus Linz fand Erwähnung.504 „Er ist der einzige österreichi- sche Beobachter beim Eichmann-Prozess in Israel.“505

In der Ausgabe vom 25. Februar 1961 der Oberösterreichischen Nachrichten erfolgte der fünfte Bericht über die endgültige Festlegung des Prozessbeginns. Dieser sollte am 11. April 1961 stattfinden. Während der Ermittlungen hatten 39 Personen Eich- mann belastet. Eine Namensliste der Belastungszeugen kam in Jerusalem zur Veröf- fentlichung.506

Der israelische Justizminister Pinchas Rosen lehnte laut sechstem Bericht der Ober- österreichischen Nachrichten vom 22. März 1961 eine Gewährung der Immunität von Belastungszeugen aus der Bundesrepublik Deutschland (BRD) ab und kündigte gleichzeitig die Verfolgung von Personen an, die sich nationalsozialistischer Verbre- chen schuldig gemacht hatten.507

Der zweite Artikel des Mühlviertler Boten vom 25. März 1961 wies auf den kommen- den Eichmann Prozess sowie auf das Vorhandensein einer Liste von Kriegsverbre- chern, die vom Jüdischen Weltkongress erstellt wurde, hin. Die Aufzählung beinhalte- te Daten von 1.500 Personen. Manche davon waren in der Zwischenzeit zwar schon verstorben, andere jedoch standen aufgrund ihrer Funktionen im Licht der Öffentlich- keit.508 „Diese Liste enthält auch Namen hoher Offiziere der deutschen Bundeswehr und des deutschen diplomatischen Corps, die dem Hitlerregime gedient haben.“509

Neun Tage später berichteten nach dem Mühlviertler Boten auch die Oberösterrei- chischen Nachrichten in ihrem siebten Bericht vom 27. März 1961 über die Entsen-

502 Vgl. Mühlviertler Bote: „Ich jagte Eichmann“, 18.3.1961, S. 3. 503 Ebd. 504 Vgl. ebd. 505 Ebd. 506 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Eichmann-Prozess am 11. April, 25.2.1961, S. 9. 507 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Israel gewährt keine Immunität für Entlastungszeugen, 22.3.1961, S. 3. 508 Vgl. Mühlviertler Bote: Liste mit 1500 Kriegsverbrechern, 25.3.1961, S. 2. 509 Ebd.

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dung Josef Wiesingers nach Israel. Der Polizeijurist und Polizeioberkommissär zeigte sich überaus erfreut, dass er nach zehn Jahren wieder Gelegenheit erhalten würde, „ein Stück Welt“510 zu sehen.511

Der israelische Ministerpräsident ließ im achten Bericht der Oberösterreichischen Nachrichten „Ben Gurion über die Schwere der Verantwortung“512 vom 4. April 1961 in einem Interview keinen Zweifel an der Hauptschuld der Deutschen an der „Tragö- die“513 der europäischen Juden, wirft aber gleichzeitig Frankreich, den USA und Großbritannien vor, nichts zur Rettung dieser Menschen getan zu haben.514

In einem weiteren und somit neunten Artikel der Oberösterreichischen Nachrichten der gleichen Ausgabe, wurde auf eine Sensationsmeldung einer argentinischen Zei- tung verwiesen. Den Informationen zufolge sei die Zeugenaussage des Arztes Josef Mengele im Zuge des Eichmann Prozesses geplant.515

Neben den Hinweisen auf die Prozessformalitäten in einer Ausgabe der Oberöster- reichischen Nachrichten vom 8. April 1961 fällt ein Aufsatz von Walter Pollak516 auf, der versuchte, die Probleme bzw. die Gründe zu analysieren, weshalb die Verfolgung bzw. Auffindung von Holocaust-Schuldigen so schwierig sei und warum sich die Be- völkerung mit diesem Thema auch nicht auseinandersetzen wollte. Pollak bezog sich u.a. auf einige erschienene Bücher, die diese Themen zum Inhalt hatten.517

„Weil die Masse der Deutschen, selbst die meisten Antisemiten unter ihnen, die grausame physische Vernichtung des jüdischen Volkes nicht gewollt hat, wollte sie

510 Oberösterreichische Nachrichten: Fährt nach Jerusalem, 27.3.1961, S. 4. 511 Vgl. ebd. 512 Oberösterreichische Nachrichten: Ben Gurion über die schwere Verantwortung der Alliierten für das jüdische Schicksal, 4.4.1961, S. 2. 513 Ebd. 514 Vgl. ebd. 515 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Mengele als Zeuge?, 4.4.1961, S. 2. 516 Walter Pollak war von 1953 bis 1966 Chefredakteur der Oberösterreichische Nachrichten. Vgl. http://www.nachrichten.at/aboservice/ueber_uns/geschichte_medienhaus_wimmer/art140,53160, abgerufen am 11.7.2017. 517 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Man kann dieser Frage nicht ausweichen, 8.4.1961, S. 3. u. S. 9.

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auch nachher nichts damit zu tun haben, war also geneigt, und ist es weithin bis auf den heutigen Tag, Augen und Ohren davor zu verschließen.“518

Pollak sah einerseits einen zentralen Fehler in der Zuweisung der Kollektivschuld seitens der Siegermächte an alle Deutschen. Dies habe zur Entstehung einer einge- schworenen Schicksalsgemeinschaft der gesamten deutschen Bevölkerung geführt, auch wenn diese nichts mit den Verbrechen und VerbrecherInnen des Nationalsozia- lismus zu tun hatten oder zu tun haben wollten. Hier sei auch einer der Gründe zu finden, warum es so schwierig sei, der NS-VerbrecherInnen habhaft zu werden und Informationen über den früheren Bekanntenkreis von Eichmann zu bekommen. Und andererseits in der „propagandistischen Verwirrung“519 über die Zahlen der nun tat- sächlich getöteten Juden, die von 5,721.800 Millionen Vermissten von zwei bis zwei- einhalb Millionen, „die individuell vernichtet wurden“520, reichen würden. Aber nicht nur NationalsozialistInnen seien an der Ermordung beteiligt gewesen, sondern auch die KollaborateurInnen unter der jüdischen Bevölkerung hätten den Tod von Juden zu verantworten. Neben diesen Personen gäbe es jedoch auch andere, nämlich jene Deutschen, die Menschen mit jüdischer Herkunft durch „unzählige Fälle von Hilfeleis- tungen“521 zum Überleben verhalfen. Die grauenerregenden Filme über die Vor- kommnisse in den Konzentrationslagern hätten den Zweck der Aufklärung gänzlich verfehlt.522 „Es wäre richtiger gewesen, die Menschen objektiv mit der Entwicklung der antisemitischen Maßnahmen des Dritten Reiches bis zu ihrer grausam-tragischen Endkonsequenz zu konfrontieren.“523

Pollak betonte die Wichtigkeit, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen, sprach aber gleichzeitig davon, dass die Menschen das ganze Ausmaß nicht erkannt haben und auch nicht erkennen konnten, da sie nichts davon wussten.524

„Die Endlösung war für den einzelnen nicht vorausschaubar. Die Maßnahmen haben sich Schritt um Schritt entwickelt. Forcierte Auswanderung, der Plan, die Juden in

518 Oberösterreichische Nachrichten: Man kann dieser Frage nicht ausweichen, 8.4.1961, S. 3. 519 Ebd. 520 Ebd. 521 Ebd., S. 9. 522 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Man kann dieser Frage nicht ausweichen, 8.4.1961, S. 9. 523 Ebd. 524 Vgl. ebd., S. 3.

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Madagaskar anzusiedeln, selbst die Nürnberger Gesetze haben sich erst von einer Durchführungsverordnung zur anderen bis zu ihrer ganzen Härte fortgesetzt. All das befreit keinen von der Notwendigkeit, sich darüber Rechenschaft abzulegen, wieso es soweit kommen konnte, sich mit dem zu konfrontieren, was er erst nach dem Krieg erfahren hat.“525

Doch nicht nur ehemalige NationalsozialistInnen wären zu Handlangern geworden und würden somit das System unterstützen. Einen Teil der Mitschuld am Holocaust hätten auch andere Staaten bzw. die Juden selbst zu tragen, indem sie weniger be- güterten Juden die Einreise bzw. Solidarität verwehrten, als dies noch möglich gewe- sen sei.526 „Der größte Teil der zivilisierten Welt weigerte sich mittellosen Flüchtlin- gen Obdach zu gewähren.“527 Hass, blinder Gehorsam und die moderne Technik mit der Möglichkeit zur Massenvernichtung hätten den Holocaust somit erst möglich ge- macht.528

Im Hinblick auf den kommenden Eichmann-Prozess gab Pollak der Hoffnung Aus- druck, dass dieser „vor aller Welt klarstellt, daß nicht das deutsche Volk, sondern eine verhältnismäßig kleine Schicht das getan hat, was geschehen ist.“529 Pollak warnte vor den Folgen, falls der Hass, „wenn auch menschlich noch so verständlich, von der anderen Seite her gegen das deutsche Volk aufbrechen würde. Das Schick- sal selbst hat einen Fingerzeig gegeben: während das jüdische Volk als Folge dieses Krieges wiederum seinen Staat gewonnen hat, hat das deutsche Volk als Folge des Krieges seine staatliche Einheit verloren.“530

Für den Chefredakteur war der Nationalsozialismus und die damit einhergehende Katastrophe kein einzigartiges Phänomen, sondern er mahnte zur Wachsamkeit und Selbstreflexion.531 „Das gleiche kann morgen in anderer Form wieder aufbrechen, weil es sich um bedrohliche Symptome unserer Zeit handelt. Deshalb ist es an jedem von uns, an dieser Frage nicht vorbeizugehen, sondern uns Rechenschaft abzule-

525 Oberösterreichische Nachrichten: Man kann dieser Frage nicht ausweichen, 8.4.1961, S. 3. 526 Vgl. ebd. 527 Ebd., S. 9. 528 Vgl. ebd. 529 Ebd. 530 Ebd. 531 Vgl. ebd.

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gen. Ebenso wichtig, wie die Schuld festzustellen, ist die Wachsamkeit neues Unheil zu verhindern.“ 532

Die in rot gehaltene Überschrift „Am Dienstag beginnt der Prozeß gegen Eichmann“ auf der Titelseite des Mühlviertler Boten (dritter Bericht), war sicherlich dazu geeig- net, die Aufmerksamkeit der LeserInnen zu gewinnen. Der kurze Artikel berichtete über den Prozessbeginn am 11. April 1961 sowie über die 50.000 Worte umfassende Anklageschrift, deren Verlesung vermutlich sieben Stunden beanspruchen würde.533

In der gleichen Ausgabe des Mühlviertler Boten fand sich ein Kurzartikel, der sich auf die Staatsbürgerschaft Eichmanns bezog. Meldungen zufolge ließ ein Sprecher des Innenministeriums der Bundesrepublik verlautbaren, dass „die Staatsangehörigkeit Eichmanns ungewiß“534 sei. Daraufhin meldete sich auch das österreichische Innen- ministerium zu Wort und gab bekannt, dass Eichmann definitiv keine österreichische Staatsbürgerschaft besitzen würde.535

Da der Bericht der Oberösterreichischen Nachrichten „Erklärungen zum Prozeß ge- gen Eichmann“536 vom 11. April 1961 der einzige war, der im o.a. Untersuchungszeit- raum einige der wenigen Stellungnahmen von Politikern zum Prozess enthielt, er- scheint es zielführend ihn einer eingehenden Analyse zu unterziehen. Anlässlich des Prozessbeginns am 11. April 1961 distanzierte sich Bundeskanzler Konrad Adenauer vom Nationalsozialismus und versicherte die Ausrottung dieser Ideologie aus den Köpfen der Deutschen, denn „es gebe im moralischen Leben des deutschen Volkes kein nationalsozialistisches Empfinden mehr“.537 Er unterstrich das Interesse an der Pflege von freundschaftlichen Beziehungen mit Israel und betonte die sofortige Be- reitschaft Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg das „Unrecht wieder gut zu ma- chen“538. Der Bundeskanzler informierte die Presse über das Fehlen jeglichen Inte- resses an der Durchführung des Prozesses in Deutschland, da Eichmann kein deut- scher Staatsbürger sei, darum sollte „man Israel ruhig die Genugtuung lassen ihn vor

532 Oberösterreichische Nachrichten: Man kann dieser Frage nicht ausweichen, 8.4.1961, S. 9. 533 Vgl. Mühlviertler Bote: Am Dienstag beginnt der Prozeß gegen Eichmann, 8.4.1961, Seite 1. 534 Mühlviertler Bote: Eichmann war kein Österreicher, 8.4.1961, Seite 1. 535 Vgl. ebd. 536 Oberösterreichische Nachrichten: Erklärungen zum Prozess gegen Eichmann. Adenauer: Wir sind Rechtsstaat geworden, 11.4.1961, S. 1. 537 Oberösterreichische Nachrichten: Erklärungen zum Prozess gegen Eichmann, 11.4.1961, S. 1. 538 Ebd.

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ein eigenes Gericht zu stellen“.539 Deshalb sei es auch sinnlos, über den Gerichtsort zu diskutieren. Er wäre sich darüber im Klaren, dass es zu einem Aufsehen erregen- der Prozess kommen würde, aber „wir müssen das ertragen und durchleben.“540 Schicksalsergeben und auf die Rechtsprechung des Gerichts vertrauend würde die Bundesrepublik dem Prozess entgegensehen.541

Der damalige Bürgermeister von , Willy Brandt, sah im Eichmann-Prozess eine Gelegenheit,542 „die ganze Angelegenheit noch einmal ernst zu überdenken. Auf der anderen Seite dürfen wir in Deutschland den Prozeß nicht fürchten und uns so indi- rekt mit dem identifizieren, was geschehen ist. Man darf auch nicht die Verantwor- tung für die Vergangenheit der Jugend auferlegen, die sie unter keinen Umständen verdient.“543

Für Brandt war der Nationalsozialismus genauso wie für Adenauer Geschichte – ein Phänomen, das der Vergangenheit angehörte. Eichmann stünde vor Gericht und nicht das deutsche Volk. Darum gäbe es keine Veranlassung, eine etwaige Mitschuld der Bevölkerung an der Ermordung der Juden zu thematisieren. Somit bräuchte auch keine Vergangenheitsbewältigung mehr stattfinden. Obwohl auch der CDU-Politiker Kai-Uwe von Kassel explizit die Behauptung der Kollektivschuld (wie Brandt und Adenauer) ablehnte, so sprach er doch im Gegensatz zu Brandt und Adenauer – es entstand der Eindruck, dass für Adenauer die Aufarbeitung mit der materiellen Hilfe- stellung für Israel abgeschlossen worden war – das Thema einer (unumgänglichen) Vergangenheitsbewältigung an:544

„[…] die Vergangenheit dürfe nicht ignoriert werden, weil sie lästig sei. Die Bewälti- gung der Vergangenheit sei in erster Linie ein Problem der Erwachsenen. Sie dürfe auch dann nicht ignoriert werden, wenn man sich darüber klar sei, daß die unbe- schreiblichen Methoden und Ausmaße der Menschenvernichtung im ‚Dritten Reich‘ damals den meisten verborgen geblieben seien.“545

539 Oberösterreichische Nachrichten: Erklärungen zum Prozess gegen Eichmann, 11.4.1961, S. 1. 540 Ebd. 541 Vgl. ebd. 542 Vgl. ebd. 543 Ebd. 544 Vgl. ebd. 545 Ebd.

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Adenauer, Brandt und Kassel sahen keine Notwendigkeit, die deutsche Jugend mit der NS-Vergangenheit zu konfrontieren, da sie mit den damals begangenen Verbre- chen nichts zu schaffen hatte. Ein weiterer Punkt der Übereinstimmung der drei Poli- tiker war jener der Schuldfrage: Es habe zwar Deutsche gegeben, die nationalsozia- listische Verbrechen begangen hätten, die Mehrheit der Deutschen wäre jedoch dar- an nicht beteiligt gewesen bzw. hätte davon nichts gewusst.

Für Adenauer und Brandt war die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit eine erzwungene, etwas, das ertragen werden musste und mit Beendigung des Eichmann-Prozesses überstanden sein würde.546

Dass genau dieser Fall nicht eintreffen sollte, kam in einem anderen Artikel der Oberösterreichischen Nachrichten des gleichen Tages zum Ausdruck, indem u.a. sehr kontrovers über Debatten die Todesstrafe betreffend berichtet wurde. So be- fürchtete ein hochrangiger Offizier der israelischen Armee, dass bei Verhängung der Todesstrafe über Eichmann ein symbolischer Schlussstrich unter die nationalsozialis- tischen Verbrechen gezogen werden könnte und eine weitere Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus bzw. eine Verfolgung dieser Taten nicht mehr stattfin- den würde. Die Bestrebungen seitens der israelischen Behörden gingen jedoch in die entgegengesetzte Richtung. Aus diesem Grund würden den beiden österreichischen Prozessbeobachtern, Josef Wiesinger und Franz Maier, Informationen über weitere KriegsverbrecherInnen, deren Aufenthaltsort in Österreich vermutet wurde, überge- ben werden.547

Verteidiger Servatius brachte laut zwölftem Bericht der Oberösterreichischen Nach- richten vom 11. April 1961 Einwände über die Zuständigkeit des Gerichts vor. Die drei aus Deutschland stammenden Richter seien befangen, das israelische Gesetz über die Bestrafung von Nationalsozialisten und NS-Kollaborateuren sei nicht recht- mäßig.548 „Wir können jetzt nicht den Nazi-Staat verurteilen, dem Eichmann angehört hat. Er wird der Verantwortung für Taten beschuldigt, die ihm vom Staat auferlegt

546 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Erklärungen zum Prozess gegen Eichmann, 11.4.1961, S. 1. 547 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Eichmann-Prozeß beginnt. Anträge der Verteidigung erwar- tet, 11.4.1961, S. 3. 548 Vgl. ebd.

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wurden. Er wurde gezwungen Taten für den Staat zu begehen.“549Jene Personen, die dies bestätigen und ihn entlasten könnten, wären aber von Vornherein ausge- schlossen, da sie ehemalige SS-Offiziere wären und es ihnen somit unmöglich sei, in Israel zu erscheinen.550

Die beiden Prozessbeobachter Josef Wiesinger und Leo Maier, bekräftigten, dass Informationen seitens Israels zu erwarten seien, in denen Namen von Kriegsverbre- cherInnen genannt werden würden, die sich immer noch unbehelligt in Österreich aufhalten sollten.551

Gleich zu Prozessbeginn des ersten Tages kam es – wie im 13. Bericht in den Ober- österreichischen Nachrichten vom 12. April 1961 zu lesen war, zu einer Unterbre- chung, da Dr. Servatius mehrere Einwände erhoben hatte. So seien erstens die Rich- ter seiner Ansicht nach befangen und zweitens wäre „das israelische Gesetz über die Bestrafung von Nazis und Kollaborateuren nicht zuständig.“552 Weiters bezweifelte er die Zuständigkeit des Gerichts und forderte einen neutralen und internationalen Ge- richtshof.553

Der Artikel „Der Verteidiger Eichmanns erhob präzise Einwände“554 vom 12. April 1961 stellte den 14. Bericht der Oberösterreichischen Nachrichten dar und vertiefte die Inhalte der Titelseite und führte nochmals jene Einwände an, warum es zu einer Unterbrechung des Prozesses kam. „Wir können jetzt nicht den Nazi-Staat verurtei- len, dem Eichmann angehört hat. Er wird der Verantwortung für Taten beschuldigt die ihm vom Staat auferlegt wurden. Er wurde gezwungen diese Taten für den Staat zu begehen.“555 Außerdem würde es Eichmann unmöglich gemacht, Entlastungs- zeugen aufzubieten, da diese zumeist ehemalige SS-Offiziere seien und ihnen in Is- rael die gerichtliche Verfolgung drohen würde.556

549 Oberösterreichische Nachrichten: Eichmann-Prozeß beginnt. Anträge der Verteidigung erwartet, 11.4.1961, S. 3. 550 Vgl. ebd. 551 Vgl. ebd. 552 Oberösterreichische Nachrichten: Verteidiger fordert für Eichmann einen internationalen, neutralen Gerichtshof, 12.4.1961, S. 1. 553 Vgl. ebd. 554 Oberösterreichische Nachrichten: Der Verteidiger Eichmanns erhob präzise Einwände, 12.4.1961, S. 3. 555 Ebd. 556 Vgl. ebd.

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Im 15. Bericht der Oberösterreichischen Nachrichten vom 13. April 1961 war Gideon Hausner abgebildet und die Leserschaft erfuhr, dass der israelische Generalstaats- anwalt im Verfahren gegen Eichmann aus einem Wiener Elternhaus stammte. Der Saal des Volkshauses, in dem das Sondergericht für den Zeitraum des Verfahrens gegen Eichmann untergebracht war, ließ Spekulationen dahingehend zu, dass der Saal entweder sehr groß gewesen sein musste oder aber kein allzu großes Interesse am Verfahren gegen Eichmann bestand, da der Gerichtssaal nur halb voll war.557

Im 16. Artikel vom 15. April 1961 berichteten die Oberösterreichischen Nachrichten, der Verteidiger Eichmanns, Dr. Servatius, versuche hartnäckig die Zuständigkeit des Sondergerichts in Israel sowie die Unbefangenheit der Richter in Frage zu stellen. Ziel dieser Vorgehensweise dürfte, nach Feststellung, dass Eichmann kein österrei- chischer Staatsbürger wäre, die Überstellung Eichmanns nach Deutschland gewesen sein, um ihn dort vor ein deutsches Gericht zu stellen.558

Schützenhilfe bekam Dr. Servatius dabei von dem jüdischen Pulitzer-Preisträger und Geschichtsprofessor der Harvard Universität Dr. Oscar Handlin. Dies ging aus dem 17. Bericht vom 15. April 1961 der Oberösterreichischen Nachrichten hervor. Handlin kritisierte ebenso wie die Verteidigung Eichmanns die Umstände, unter denen es zu diesem Prozess gekommen war (z.B. Entführung Eichmanns aus Argentinien, Ver- stöße gegen das Völkerrecht) und unterstellte dem israelischen Gericht, dass es nicht nur an der Rechtsfindung interessiert sei, sondern noch eine Reihe anderer Mo- tive eine Rolle spielen würden.559

Der fünfte Bericht auf der Titelseite (mit wiederum in Rot gehaltener Überschrift) „Adolf Eichmann steht vor einem israelischen Tribunal. 39 Zeugen und rund 500 Journalisten“560 des Mühlviertler Boten vom 15. April 1961 wies auf die Abhaltung des Prozesses in Jerusalem und nicht – wie von Dr. Servatius gefordert – in

557 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Ankläger Hausner: Reparationen sind keine Sünde, 13.4.1961, S. 3. 558 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Im Eichmann-Prozeß noch keine Entscheidung über die Anträge des Verteidigers gefallen, 15.4.1961, S. 2. 559 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Juridische Perspektiven des Eichmann-Prozeßes, 15.4.1961, S. 43. 560 Mühviertler Bote: Adolf Eichmann steht vor einem israelischen Tribunal, 15.4.1961, S. 1.

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Deutschland hin. Es war vom „ungeheuerlichen Umfang der Beschuldigungen“561 die Rede und dass darob die Zahl der 39 Zeugen eine relativ geringe sei. Für den israe- lischen Ministerpräsidenten Ben Gurion sollte die Abhaltung des Prozesses primär dazu dienen, die Welt und hier vor allem die jungen Leute auf die begangenen Ge- walttaten der NationalsozialistInnen hinzuweisen und die Menschen darüber aufzu- klären:562 „…die Jugend Israels, die Jugend Deutschlands, die neue Generation auf der ganzen Welt weiß wenig oder nichts über den letzten Krieg und über die verbre- cherischen Ziele des Nationalsozialismus.“563 Interessant ist die Wortwahl bezüglich des Transportes Eichmanns nach Israel:564 „Der ‚Endlöser‘ der Judenfrage, Adolf Eichmann, der bis vor einem Jahr unter einem Pseudonym in Argentinien lebte, war von Agenten des israelischen Geheimdienstes nach Israel gebracht worden.“565

Der sechste Bericht des Mühlviertler Boten vom 15. April 1961 hatte abermals und alleinig die Frage der Staatsbürgerschaft Eichmanns zum Inhalt. Das österreichische Innenministerium wies darauf hin, dass Eichmann in Deutschland geboren und zu- sammen mit seiner Familie nach Linz übersiedelt wäre. Eichmanns Vater habe dann zu späterer Zeit die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten.566 „Da aber Eich- mann jun. damals bereits großjährig war, konnte sich die Verleihung der österreichi- schen Staatsbürgerschaft nicht mehr auf ihn erstrecken. Eichmann habe auch nie- mals um seine Einbürgerung in Österreich angesucht.“567

Die Tatsache, dass Eichmann vor einem israelischen Gericht der Prozess gemacht wurde, veranlasste laut 18. Bericht der Oberösterreichischen Nachrichten vom 18. April 1961 den sudetendeutschen SPD Abgeordneten Wenzel Jaksch zur Forderung, dass auch „der Mord an zwei Millionen deutschen Heimatvertriebenen nach 1945 vor einem unabhängigen Weltforum gesühnt werden müßte“.568 Die Abhaltung des Pro- zesses in Israel stieß auch innerhalb einiger jüdischer Organisationen auf Kritik, weshalb sie sich veranlasst sahen, sich vom Prozess zu distanzieren.569

561 Mühviertler Bote: Adolf Eichmann steht vor einem israelischen Tribunal, 15.4.1961, S. 1. 562 Vgl. ebd. 563 Ebd. 564 Vgl. ebd. 565 Ebd. 566 Vgl. Mühlviertler Bote: Blick ins Geschehen, 15.4.1961, S. 2. 567 Mühlviertler Bote: Blick ins Geschehen, 15.4.1961, S. 2. 568 Oberösterreichische Nachrichten: Die andere Seite, 18.4.1961, S. 2. 569 Ebd.

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Mit der auszugsweise wiedergegebenen Inhaltszusammenfassung der rund zehn- stündigen Anklagerede des Generalstaatsanwaltes Gideon Hausners im 19. Bericht der Oberösterreichischen Nachrichten vom 19. April 1961, wurde das Ausmaß der Judenvernichtung erahnbar und die Zahl von sechs Millionen getöteter Juden ge- nannt. Eichmann wurde als der Organisator, als der „Grundpfeiler des nationalsozia- listischen Komplotts zur Vernichtung des jüdischen Volkes bezeichnet“570, der inner- halb des nationalsozialistischen Deutschlands samt den eroberten Gebieten für die Deportation und in der Folge für die Tötung von Juden zuständig war. Um dieses Ziel der Ausmerzung zu erreichen, ließ Eichmann Vernichtungslager im Osten errichten, von deren Eignung er sich beispielsweise in Treblinka und Chelmno persönlich über- zeugte. Da es seitens Hollands, Belgiens, Norwegens, Italiens und Dänemarks im- mer wieder zu Solidaritätsakten mit den Juden gekommen war, sei Eichmann teils selbst in diese Länder gereist, um diese Hilfeleistungen verschiedenster Arten zu unterbinden.571

Dem 20. Bericht der Oberösterreichischen Nachrichten vom 20. April war zu entneh- men, dass es laut Tonbandmitschnitten keinen schriftlichen Befehl von Hitler direkt an Eichmann zur Vernichtung der Juden gegeben hatte. Diese Tötungsanweisung sei von Heydrich gekommen, der ihm mitteilte: „Der Führer hat die physische Ver- nichtung befohlen.“572 Eichmann gab zwar zu, einen logistischen Anteil an den Ju- dendeportationen geleistet zu haben, wies aber darauf hin, dass er persönlich keinen Juden getötet hätte. Er verstand sich als einen funktionierenden Teil des nationalso- zialistischen Regimes, das ihm keine andere Wahl ließ, als die Befehle zu befolgen, auch wenn diese bei ihm Unverständnis oder gar Missfallen hervorriefen. So erzählte er von einer Begebenheit im Osten, bei der junge Totenkopf-SS-Männer auf eine Gruppe Juden geschossen hatten. „Ich sagte damals, wir erziehen unsre Jugend zu Sadisten. Wie kann man einfach in einen Haufen hineinschießen.“573 Für Eichmann dürfte festgestanden haben, dass ihn für seine Taten die Todesstrafe erwartete und so bot er als Sühneleistung an, sich öffentlich selbst zu erhängen.574 „Doch weiß ich

570 Oberösterreichische Nachrichten: Eichmann-Prozeß – Staatsanwalt beendet Anklagerede, 19.4.1961, S. 2. 571 Vgl. ebd. 572 Oberösterreichische Nachrichten: Eichmanns Verhör im Tonband abgespielt, 20.4.1961, S. 2. 573 Ebd. 574 Vgl. ebd.

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natürlich, daß ich meine Hände nicht in Unschuld waschen kann. Obgleich an mei- nen Händen kein Blut klebt, weiß ich, daß mir die Todesstrafe bevorsteht.“575

„Der vor einem israelischen Gericht angeklagte ehemalige SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann, von Hitler-Deutschland als ‚Endlöser der Judenfrage‘ bestimmt, hat zu seinem Verteidiger gesagt: ‚Ich habe auf Befehle des Staates gehandelt und bin in diese Angelegenheit, die ich heute als Wahnsinn betrachte, hineingezogen wor- den‘.“576 Im ersten Bericht der Mühlviertler Nachrichten vom 20. April 1961 wurde Eichmann als „weder gebrochen noch aufdringlich selbstbewußt, als eher schmäch- tig“577 dargestellt. Des Öfteren werden die Worte Servatius wiedergegeben, dass nicht Eichmann, sondern Hitler vor Gericht stehen müsste. Auch die Zuständigkeit des Gerichts in Israel, das von der Verteidigung in Frage gestellt wurde, kam vor. Hervorgehoben gedruckt war in den Mühlviertler Nachrichten von der Anprangerung des Verteidigers bezüglich der “rechtswidrigen Entführung Eichmanns aus Ar- gentinien“578 zu lesen. In der Folge wurde der Chefredakteur Alfred Lahner vom Linzer Volksblatt zitiert, der im Verfahren einen Stellvertreterprozess sah, da er nicht nur Eichmann und den Deutschen gelte, sondern auch an die benachbarten arabi- sche Staaten eine Warnung darstelle, „das mißlungene Werk nie wieder zu versu- chen.[…] Es ist ja bekannt, daß sich zahlreiche nationalsozialistische Kriegsverbre- cher heute in Araberstaaten befinden, wo sie nicht nur ihre militärische, sondern vor allem ihre antijüdische Vergangenheit zu gern gesehenen Bundesgenossen gemacht hat.“579 Und es wurden jene Fragen aufgeworfen, die sich vermutlich ehemalige Nati- onalsozialistInnen, die sich diverser Verbrechen schuldig gemacht hatten und unbe- helligt ihr Leben lebten, stellten: „Wird Eichmann ihre Namen nennen? Wird er arabi- sche, wird er in West- und Ostdeutschland wieder zu Rang und Würden gekommene einstige NS-Größen bloßstellen?“580 Der Umstand, dass sich auch in Österreich noch Personen befanden, die in Verdacht standen sich während des Nationalsozialismus verschiedener Verbrechen schuldig gemacht zu haben und wieder hohe Positionen

575 Oberösterreichische Nachrichten: Eichmanns Verhör im Tonband abgespielt, 20.4.1961, S. 2. 576 Mühlviertler Nachrichten: Eichmann-Verteidiger: Hitler müßte vor Gericht stehen!, 20.4.1961, S. 3. 577 Ebd. 578 Ebd., (Hervorhebung im Original). 579 Ebd. 580 Ebd.

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bekleideten (s.o. Oberösterreichischen Nachrichten vom 3. Februar 1961), kam nicht zur Erwähnung.581

Wie im siebten Bericht des Mühlviertler Boten vom 22. April 1961 zu lesen war, wei- gerte sich Eichmann, seine Schuld einzugestehen. In diesem Artikel wurden sehr prägnant und verständlich die wichtigsten Punkte rund um das Prozessgeschehen, in erster Linie die Einwände der Verteidigung, wie beispielsweise die gewaltsame Ent- führung aus Argentinien oder die Polizei habe Druck auf Eichmann ausgeübt, wie- dergegeben. Ein weiteres Thema war wiederum jenes der Staatsbürgerschaft und das daraus, laut Servatius, resultierende Recht des Schutzanspruches gegenüber den deutschen Behörden. Die Bonner Behörden sahen dies etwas anders: Da kein Auslieferungsvertrag zwischen Deutschland und Israel existierte, bestünde auch nicht die Absicht, einen Auslieferungsantrag zu stellen.582 „Bundeskanzler Adenauer und andere Regierungsmitglieder haben dezidiert das Recht des Staates Israel aner- kannt, über jenen Mann Gericht zu sitzen, der für die Ermordung von Millionen Juden schuldig sei. Adolf Eichmann habe jeden Anspruch auf Rechtshilfe durch Deutsch- land durch seine Verbrechen verwirkt.“ 583

Dieses Zitat lässt den Eindruck entstehen, dass Deutschland kein Interesse hatte, den Prozess im eigenen Land stattfinden zu lassen. Es scheint, als ob die Bundesre- publik es begrüßte, möglichst wenig mit dem Fall Eichmann zu tun zu haben.

Laut 21. Bericht der Oberösterreichischen Nachrichten vom 22. April 1961 kam es während des Prozesses zur Anhörung der Tonbandaufzeichnungen, die im Zuge der Einvernahmen mit Polizeihauptmann Avner Less angefertigt wurden. In diesen wies Eichmann mehrmals ausdrücklich darauf hin, dass der Befehl zur Vernichtung der Juden von Adolf Hitler selbst gekommen sei und dieser Anordnung absolut Folge zu leisten war: „Führerbefehle waren gesetzlich bindend.“584 Er selbst hätte mit dem Plan der Judenvernichtung nichts zu tun gehabt, denn er wäre nicht der Kopf der Or- ganisation gewesen, sondern maximal ein Komplize. Im Zuge der Einvernahme be- lastete Eichmann den ehemaligen SS-General Kurt Becher, der eine Auswanderung

581 Vgl. Mühlviertler Nachrichten: Eichmann-Verteidiger: Hitler müßte vor Gericht stehen!, 20.4.1961, S. 3. 582 Vgl. Mühlviertler Bote: Eichmanns Antwort auf die Anklage: „Nicht schuldig“, 22.4.1961,S. 2. 583 Ebd. 584 Oberösterreichische Nachrichten: Verhör im Eichmann-Prozeß fortgesetzt, 22.4.1961, S. 2.

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ungarischer Juden nach Palästina verhinderte und der es nach dem Krieg zu einem erfolgreichen Geschäftsmann in der Bundesrepublik gebracht hatte, schwer.585

Der ständige Korrespondent aus Kairo, P.F., informierte am 22 April 1961 im 22. Be- richt in den Oberösterreichischen Nachrichten über die sehr negativen Reaktionen der umliegenden arabischen Staaten bezüglich des Eichmann-Verfahrens, das als ‚„ungesetzlich‘ und als ‚die kläglichste Farce in der Geschichte der Justiz‘ bezeichnet wird“.586 Die arabischen Staaten unterstellten Israel, den Prozess für eigene politi- sche Interessen zu nutzen und entrüsteten sich wegen des Terrors Israels über die Palästinenser. Außerdem hätten die Palästinenser genauso unter dem Antisemitis- mus des „Dritten Reiches“ gelitten, da aufgrund dessen zahllose Einwanderer nach Palästina gekommen seien.587

In der dritten Woche des Prozesses ging es im 23. Bericht der Oberösterreichischen Nachrichten vom 25. April u.a. um die Frage, ob Eichmann während seiner Aussagen unter Druck gesetzt wurde. Dazu fand eine Befragung des Polizeihauptmanns Avner Less statt, der die Vernehmungen durchgeführt hatte. Mit dem Geschichtsprofessor Salo Whittmayer-Baron trat erstmals ein nicht-israelischer Zeuge vor Gericht auf. Seine Befragung dürfte zur Klärung der Anzahl der jüdischen Bevölkerung Europas in den 1930erJahren gedient haben. Er bezifferte sie mit rund zehn Millionen.588

Dem 24. Bericht vom 26. April in den Oberösterreichischen Nachrichten war zu ent- nehmen, dass Generalstaatsanwalt Hausner eine Erklärung des früheren SS-Majors Dieter Wisliceny, die sich auf die Vernichtung der Juden bezog, wiedergab. Jenes Schriftstück wurde im Zuge des Nürnberger Kriegsverbrecherprozesses angefertigt, in dem Wisliceny schuldig gesprochen und zum Tod verurteilt wurde. Seine Hinrich- tung erfolgte 1948.589

585 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Verhör im Eichmann-Prozeß fortgesetzt, 22.4.1961, S. 2. 586 Oberösterreichische Nachrichten: Die Araber und der Eichmann-Prozeß. Von unserem ständigen Korrespondenten P.F. aus Kairo, 22.4.1961, S. 10. 587 Vgl. ebd. 588 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Kreuzverhör um die Aussagen Eichmanns, 25.4.1961, S. 2. 589 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Eichmann-Prozeß: Verlesung eidesstaatlicher Erklärungen, 26.4.1961, S. 2.

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Generalstaatsanwalt Hausner beantragte laut 25. Bericht vom 27. April 1961 der Oberösterreichischen Nachrichten die Zulassung der eidesstattlichen Erklärungen von Dr. Wilhelm Höttl590, die im Zuge des Nürnberger-Prozesses angefertigt wurden. In einem der Dokumente behauptete der Mitarbeiter des ehemaligen Reichssi- cherheitsamtes, dass Eichmann ihm erzählt habe, „daß Himmler mit der Zahl der ge- töteten Juden nicht einverstanden gewesen sei, weil die Zahl sechs Millionen betra- gen müsse“.591 Der Artikel hatte weiters noch das Rechtshilfeabkommen zum Inhalt, das den Zeugen Immunität gewähren sollte. Diese Vereinbarung würde jedoch im Fall Eichmann keine Gültigkeit haben und die Zeugen müssten damit rechnen, in Is- rael gerichtlich verfolgt zu werden.592

Der Bericht Nummer 26 der Oberösterreichischen Nachrichten vom 28. April 1961 hatte hauptsächlich Überlegungen, wie Frankreich, die USA und die damaligen Man- datsbehörden vor Beginn des Zweiten Weltkrieges den Juden bezüglich ihrer Ausrei- se behilflich hätten sein können, zum Inhalt. Eichmann, der im Herbst 1937 eine Rei- se nach Palästina unternommen hatte, erteilte dem Vorschlag von den Mandatsbe- hörden eine Absage, die anboten, jährlich 50.000 Juden aufzunehmen, wobei jede Person 1000 Pfund Sterling hätte mitnehmen dürfen. Der SS-Oberstrumbannführer lehnte mit der Begründung ab, dass seitens der Nationalsozialisten nicht beabsichtigt sei, den Juden ihr Geld ins Ausland transferieren zu lassen. Eichmanns Verteidiger, Dr. Servatius, vertrat die Meinung, dass das Gericht nur jene Beweismittel zulasse, die zur Belastung des Beschuldigten beitrugen. Die Schwierigkeiten, die sich bei der Finanzierung der jüdischen Auswanderer ergeben hätten, blieben jedoch ohne Be- rücksichtigung.593

590 Wilhelm Höttl war während des Zweiten Weltkriegs Leiter des Nachrichtendienstes in Wien. Der promovierte Historiker wurde 1942 Mitglied der Waffen-SS und war ein enger Freund Ernst Kal- tenbrunners. Kaltenbrunner berief ihn ins Reichssicherheitsamt und machte ihn zum Leiter der Spio- nageabteilung für den Südosten. Knapp vor Kriegsende bot Höttl dem US-Geheimdienst seine Diens- te an und trat als Kronzeuge der Anklage im Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozess auf. Trotz seiner NS-Vergangenheit und dem Protest seitens der Lagergemeinschaft Mauthausen erhielt Höttl, der 1952 in Bad Aussee ein Privatgymnsasium gründete, vom damaligen Landeshauptmann Josef Krainer das Goldene Ehrenzeichen des Landes Steiermark verliehen. Vgl. Der Standard: „mit dem bösen Blut“, (Heller, Andrè), 29.12.2005. URL: http://derstandard.at/2031027/Andre-Heller-mit-dem-boesen-Blut, abgerufen am 14.7.2017. 591 Oberösterreichische Nachrichten: Rechtshilfe gilt nicht im Fall Eichmann, 27.4.1961, S. 3. 592 Vgl. ebd. 593 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Eichmann-Prozeß: Verlesung der Dokumente über Behinde- rung der jüdischen Emigration, 28.4.1961, S. 2.

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An diesem 19. Verhandlungstag kam u.a. im 27. Bericht der Oberösterreichichischen Nachrichten der sogenannten Madagaskar-Plan zur Sprache. Laut diesem sollte eine Einigung des nationalsozialistischen Deutschland mit den alliierten Staaten getroffen werden. Demgemäß war die Deportation von 150.000 Juden vorgesehen, um für sie auf Madagaskar einen eigenen Lebensbereich zu schaffen.594

Dr. Servatius drängte nachdrücklich auf persönliche Zeugenaussagen von SS- Obersturmbannführer Wilhelm Höttl, SS-Hauptsturmbannführer Eberhard von Thad- den und SS-Standartenführer Walter Huppenkothen. Prinzipiell hatte das Gericht keine Einwände gegen das Erscheinen dieser drei Zeugen, machte jedoch darauf aufmerksam, dass es nicht bevollmächtigt sei, ihnen Immunität zuzusagen oder Visa zu gewähren. Generalstaatsanwalt Hausner ließ durchblicken, dass er sich für freies Geleit von Höttl und Huppenkothen einsetzen würde, dies aber für von Thadden, der von 1943 bis 1945 Judenreferent im Auswärtigen Amt in Berlin war, aber keinesfalls in Frage käme. Um der Verteidigung entgegenzukommen, wies Hausner auf die Möglichkeit der Zeugeneinvernahme in den jeweiligen Heimatländern hin.595

Am 21. Verhandlungstag wurden Zeugen der Staatsanwaltschaft gehört, die laut 28. Bericht der Oberösterreichischen Nachrichten vom 2. Mai 1961 „die grausame Durchführung der Maßnahmen gegen Juden in Galizien und Russisch-Polen schil- derten.“596 Während der Zeugenaussagen geriet ein aus Ungarn stammender Jude völlig außer sich und beschimpfte Eichmann als „Bluthund“597. Der sichtlich aufge- wühlte Mann, dessen gesamte Familie dem Holocaust zum Opfer gefallen war, musste aus dem Saal geleitet werden.598

Vier Entlastungszeugen, so die Oberösterreichischen Nachrichten in ihrem 29. Be- richt vom 4. Mai 1961, erklärten sich bereit, in Deutschland ihre Aussage zu machen. In der BRD deshalb, weil sie sich laut israelischen Gesetzen diverser Kriegsverbre- chen schuldig gemacht hatten. Dies betraf den damaligen Vorgesetzten Eichmanns, den ehemaligen SS-Führer Franz Six, den Stellvertreter Eichmanns und SS-

594 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Jerusalem: Servatius-Zeugen zugelassen, 29.4.1961, S. 2. 595 Vgl. ebd. 596 Oberösterreichische Nachrichten: Erster Zwischenfall im Eichmann-Prozeß. Verfahren soll am 1. Juli beendet sein, 2.5.1961, S. 2. 597 Ebd. 598 Vgl. ebd.

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Obersturmbannführer Hermann Krumey, den früheren Referenten für Judenfragen im Reichsaußenministerium Eberhard von Thadden sowie den einstigen Kriegsverwal- tungsrat und späteren Rechtsanwalt Max Merten. Alle vier wollten bezeugen, dass es seitens Eichmanns keine Kompetenzüberschreitungen gegeben hätte. Während die- ses Prozesstages kamen ZeitzeugInnen zu Wort, die den Aufstand der Juden im Warschauer Ghetto und dessen brutale Niederschlagung schilderten. Berichtete ei- ner jener Zeugen noch vom unvergleichlichen Heldenmut vieler Juden, die Wider- stand geleistet hatten, so erfährt die Leserschaft im nächsten Satz, dass aber nicht bloß NationalsozialistInnen Juden töteten. Es kam auch vor, dass Juden mit den Na- tionalsozialistInnen kooperierten und somit zu Verrätern wurden. Kam dies ans Ta- geslicht, so erfolgte eine Exekution durch die eigenen Leute.599

Neben vielen grauenhaften Schilderungen eines jüdischen Arztes aus Wilna fiel in dieser Ausgabe der Oberösterreichischen Nachrichten im 30. Bericht vom 5. Mai 1961 abermals der Name Franz Murer600 sowie der Hinweis über jene Anschuldigun- gen vom 2. Februar 1961, die seitens der Israelischen Kultusgemeinde gegen ihn vorgebracht wurden. Es folgte eine sehr knappe Nachkriegsbiografie, aus der her- vorging, dass Murer in Russland zu 25 Jahren Freiheitsentzug verurteilt und im Jahre 1955 wieder an Österreich überstellt wurde. Das in der Folge anhängende Strafver- fahren kam jedoch wegen der bereits verbüßten Haftstrafe in der Sowjetunion zur Einstellung. Eine neuerliche Anklage hänge vom Prüfungsergebnis der vorliegenden Unterlagen ab.601

599 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Eichmanns-Entlastungszeugen nicht nach Israel, 4.5.1961, S. 3. 600 Franz Murer, der spätere Bezirksbauernobmann von Liezen, auch der „Schlächter von Wilna“ ge- nannt, lebte bis 1947 unbehelligt auf seinem Hof im steirischen Gaishorn. 1948 konnte er mit Hilfe Simon Wiesenthals gefasst und an die Sowjetunion ausgeliefert werden. Dort wurde er 1948 zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Im Jahre 1955 erfolgte seine Übergabe an die österreichischen Be- hörden, die ihn jedoch entgegen den Vereinbarungen des Staatsvertrages nicht weiter verfolgten. Erst 1961 wurde im Zuge des Eichmann-Prozesses bzw. weil aufgrund dessen ständig neue Zeugenaus- sagen gegen Murer gemacht wurden, das Verfahren wieder aufgenommen. Aber auch in diesem Ver- fahren konnte der Angeklagte das Gericht von seiner Unschuld überzeugen und es endete mit einem Freispruch. Vgl. Korso: „Mein Freund Murer“, (Wimmler, Karl). 9.12.2008. URL: http://korso.at/content/view/3514/186/index.html, abgerufen am 14.7.2017. 601 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Zeugen schildern Judentragödie in Litauen. Franz Murer im Eichmann-Prozeß belastet, 5.5.1961, S. 2.

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Am 16. Mai 1961 informierten die Oberösterreichischen Nachrichten in ihrem 31. Be- richt über die Vernehmung des amerikanischen Richters Michael Angelo Musmanno. Dr. Servatius hatte vergeblich gegen dessen Einvernahme wegen Befangenheit pro- testiert. Musmanno, der von offizieller Seite den Auftrag erhalten hatte, das Schicksal Hitlers zu untersuchen, gelang es nach dem Zweiten Weltkrieg, mit Personen aus dem direkten Umfeld Hitlers in Kontakt zu kommen. Auf die Frage, ob er auch mit Göring gesprochen hatte, antwortete Musmanno:602 „Ja. Und die Grausamkeiten tauchten in der Unterhaltung auf. Er (Göring) sagte, er sei sich nicht bewußt gewe- sen, daß das Programm der jüdischen Vernichtung solche Ausmaße erreicht habe, wie berichtet wurde. Er sagte, die Personen, die am meisten dafür verantwortlich wa- ren, seien Hitler, Bormann, Geobbels, Himmler, Heydrich und Eichmann gewe- sen.“603 Auch vom Missfallen, welches Ribbentrop über die Einmischung Eichmanns in Angelegenheiten des Auswärtigen Amtes empfunden hätte, war die Rede.604

Die Mühlviertler Nachrichten stellten mit dem zweiten Bericht vom 18. Mai 1961 Mu- rer und die Umstände seiner Verhaftung nach dem Zweiten Weltkrieg etwas anders dar, als die Oberösterreichischen Nachrichten vom 5. Mai 1961. Die Mühlviertler Nachrichten berichteten fälschlicherweise, dass er in der Sowjetunion zu einer 15jährigen Kerkerstrafe verurteilt und aus dieser vorzeitig entlassen wurde, woraufhin ihn das Justizministerium von der schwarzen Liste gestrichen hatte.605 Beim Lesen dieses Artikels könnte somit der Eindruck entstehen, dass Murer seine Strafe zur Genüge verbüßt hätte (vorzeitige Entlassung) und wieder voll rehabilitiert sei. Auch der neuerliche Grund für eine eventuelle Wiederaufnahme eines Verfahrens gegen ihn wegen Beteiligung an der Erschießung von Juden sowie dass der Beschuldigte deshalb auch bereits vom Dienst beurlaubt wurde, fehlte (s.o.).

Wie der Mühlviertler Bote in seinem achten Bericht vom 20. Mai 1961 erwähnte, wur- den Tonbandaufzeichnungen von der Einvernahme Eichmanns abgespielt. Auf die- sen behauptete er, dass er sich „nur widerwillig der von Hitler angeordneten Aktion zur Vernichtung der europäischen Judenschaft gefügt“606 und er keine Ahnung ge-

602 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Richter aus USA, Mitglied des Nürnberger Tribunals, als Zeuge im Eichmann-Prozeß, 16.5.1961, S. 2. 603 Ebd. 604 Vgl. ebd. 605 Vgl. Mühlviertler Nachrichten: Verhaftung aufgrund des Eichmann-Prozeßes, 18.5.1961, S. 3: 606 Mühlviertler Bote: Blick ins Geschehen, 29.4.1961, S. 2.

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habt hätte, wer für die Massentötungen verantwortlich war. Grundsätzlich habe die Zuständigkeit und Verantwortung nicht bei ihm, sondern an einer „höheren Stelle“607 gelegen. Jedenfalls sei er trotz allem zur Sühneleistung einer öffentlichen Selbst- strangulierung bereit.608 Eichmann war, so scheint es, bemüht, sich als Befehlsemp- fänger des Systems darzustellen, der seine Anweisungen erhalten und somit seine Arbeit getan hatte, da dies zu seiner Pflicht gehörte und weil dies einfach von ihm erwartet wurde.

Der Mühlviertler Bote vom 20. Mai 1961 berichtete in seinem letzten Artikel, der den neunten Bericht im Untersuchungszeitraum609 darstellte, über die völlige Ignorierung des Eichmann-Prozesses in der Sowjetunion und führte auch drei mögliche Gründe dazu an. Erstens dürfte die Zahl jener Menschen in den osteuropäischen Ländern, die mit den Nationalsozialisten kollaborierten, eine sehr hohe gewesen sein. Zwei- tens könnte es im Zuge der Prozessberichterstattung zu einer Erstarkung des Natio- nalbewusstseins der jüdischen Bewohner der UdSSR kommen:610 „Es würde eine genaue Prozeßberichterstattung nicht in den Rahmen der negativen Politik Moskaus gegenüber Israel passen“.611

Auffallend in allen Berichten dieses Zeitraums war, dass Verfolgungsaufforderungen von KriegsverbrecherInnen immer nur von jüdischer Seite kamen (Simon Wiesenthal, Jüdische Kultusgemeinde, Jüdischer Weltkongress, israelische Regierung). Es gab keine Berichte im Zusammenhang mit dem Eichmann-Prozess, in denen die österrei- chischen Behörden von sich aus tätig wurden. Erst durch das Verfahren gegen Eichmann kamen Namen wie Murer oder Höttl in die Schlagzeilen. Besonders über Höttl fallen die Informationen sehr spärlich aus. Den drei Berichten der Oberösterrei-

607 Mühlviertler Bote: Blick ins Geschehen, 29.4.1961, S. 2. 608 Vgl. ebd. 609 Vgl. Anzahl der untersuchten Zeitungsberichte vom 28. Jänner 1961 bis 27. Mai 1961.  Vgl. Oberösterreichische Nachrichten. UZ: 28. Jänner bis 25. Mai 1961: 31 Berichte: 31.1.; 2.2.; 3.2.; 24.2.; 25.2.; 22.3.; 27.3.; 4.4.; 4.4.; 8.4.; 11.4.; 11.4.; 12.4.; 12.4.; 13.4.; 15.4.; 15.4.; 18.4.; 19.4.; 20.4.; 22.4.; 22.4.; 25.4.; 26.4.; 27.4.; 28.4.; 29.4.; 2.5.; 4.5.; 5.5.;16.5.1961.  Mühlviertler Nachrichten. UZ: 2. Februar bis 25. Mai 1961: zwei Berichte: 20.4.; 18.5.1961.  Mühlviertler Bote. UZ: 28. Jänner bis 27. Mai 1961: neun Berichte: 18.3.; 25.3.; 8.4.; 8.4.; 15.4.; 22.4.; 29.4.; 20.5; 20.5. 1961. 610 Vgl. Mühlviertler Bote: Blick ins Geschehen, 20.5.1961, S. 2. 611 Ebd.

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chischen Nachrichten war lediglich zu entnehmen, dass Höttl SS-Sturmbannführer war und während des Nürnberger-Prozesses als Zeuge ausgesagt hatte und zum damaligen Zeitpunkt in Bad Aussee lebte. Franz Murer wurde von den Oberösterrei- chischen Nachrichten und den Mühlviertler Nachrichten zwar erwähnt, wobei aus dem Bericht der Oberösterreichischen Nachrichten jedoch lediglich hervorging, dass die Vorwürfe, welche die israelische Kultusgemeinde gegen ihn vorgebracht hatte, geprüft werden würden. Die Mühlviertler Nachrichten berichteten dann am 18. Mai 1961 von einer Wiederaufnahme des Verfahrens des Straflandesgerichts Graz ge- gen Murer.

Der damalige Chefredakteur Walter Pollak von den Oberösterreichischen Nachrich- ten verfasste zum Thema Verfolgung von NS-StraftäterInnen den einzigen vorgefun- denen Kommentar und bezog sich dabei auf Literatur von acht verschiedenen Auto- ren. Er sah die Schwierigkeit oder den Grund für die Nichtverfolgung in der Zuwei- sung der Kollektivschuld an alle Deutschen. Er schränkte zwar ein, dass einige weni- ge nationalsozialistische Verbrechen begangen hätten, aber die überwiegende Mehrheit sei frei von Schuld. Vielmehr habe es etliche Deutsche gegeben, die Juden verschiedene Hilfeleistungen zuteil werden ließen. Damit lässt er durchblicken, dass, falls diese Unterstützung bekannt geworden wäre, die Deutschen somit selbst zu Op- fern geworden wären. Einen großen Anteil an der Nichtverfolgung der StraftäterInnen hatten, laut Pollak, indirekt die Alliierten. Der Mythos der Kollektivschuld sei durch sie in die Welt gesetzt worden und stemple daher alle Deutschen als VerbrecherInnen ab. Diese Schuldzuweisung erschwere daher die Verfolgung von NS-Kriegs- und GewaltverbrecherInnen. Ob es tatsächlich zu einer Kollektivschuldzuweisung seitens der Alliierten kam oder dies auf das schlechte Gewissen der Deutschen, denen eine Mitschuld bewusst war, zurückzuführen ist, darüber herrscht selbst in Historikerkrei- sen Uneinigkeit. Nicht nur die deutsche Presseberichterstattung gestaltete sich dies- bezüglich sehr kontrovers.612 Auch die Anklagevertreter der alliierten Mächte beim Nürnberger-Prozess waren sich uneins. Während der englische Hauptankläger nicht explizit auf die Kollektivschuldfrage einging, plädierte die französische Anklagevertre- tung auf eine „Gesamtverantwortung“613 der deutschen Bevölkerung. Hingegen wies

612 Vgl. Krösche, Heike: Zwischen Vergangenheitsdiskurs und Wiederaufbau. Die Reaktion der deut- schen Öffentlichkeit auf den Nürnberger Prozess gegen Hauptkriegsverbrecher 1945/46, den Ulmer Einsatzgruppenprozess und den Sommer-Prozess 1958, Dissertation, 2008, S. 110. 613 Ebd., S. 118.

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der US-amerikanische Hauptankläger im Nürnberger-Prozess darauf hin, dass nicht die Absicht bestünde, das gesamte deutsche Volk für die Verbrechen zur Verantwor- tung zu ziehen. Im Gegenteil, er sah in der deutschen Bevölkerung Betrogene und deshalb auch Mitankläger, da diese ebenfalls Opfer der nationalsozialistischen Füh- rungselite wären. Eine ähnliche Ansicht äußerte auch die sowjetische Anklagevertre- tung und stieß damit in der deutschen Nachkriegsgesellschaft auf große Zustim- mung.614

Einen weiteren Grund sah Pollak darin, dass selbst die größten Antisemiten unter den Deutschen die totale Vernichtung der Juden nicht gewollt hätten, das gesamte Ausmaß nicht zu erahnen gewesen wäre und sie sich deshalb auch nicht mit dem Thema beschäftigen wollten. Auch herrsche keine Klarheit über die Zahl der tatsäch- lich getöteten Juden. Diese reiche von zwei bis sechs Millionen.615 Zusätzlich würden nicht nur alleine die Deutschen die Verantwortung für den Massenmord tragen. Die Juden selbst hätten sich durch das Kollaborantentum zu KomplizInnen des NS- Regimes gemacht und könnten deshalb nicht frei von Schuld sein.616

Walter Pollak unterschied in seinem Aufsatz nicht zwischen Deutschen und Österrei- cherInnen. Somit ging nicht klar hervor, ob bei den Deutschen die ÖsterreicherInnen bereits mit bedacht waren oder ob er die ÖsterreicherInnen generell von vornherein als nicht belastet betrachtete. Jedenfalls entsteht durch das Lesen des Aufsatzes im Jahr 2018 der Eindruck, dass nur die Deutschen die Verbrechen begangen hätten und die ÖsterreicherInnen in diesem Geschehen unbeteiligt waren.

Der Chefredakteur der Oberösterreichischen Nachrichten sah in den Alliierten (Kol- portage der Kollektivschuld) und den Juden (KollaborateurInnen), Mitverantwortliche für die Blockierung bei der Verfolgung von NS-StraftäterInnen. Ebenfalls stellte für ihn die nicht feststehende Zahl getöteter Juden einen weiteren Faktor dar, der die Zahlenangabe unglaubwürdig und unseriös erscheinen ließ. Somit stand die Frage im Raum, ob es tatsächlich zu Judenermordungen in dieser Dimension gekommen war.

614 Vgl. Krösche: Zwischen Vergangenheitsdiskurs und Wiederaufbau, S. 118f. 615 Laut Zeugenaussagenaussage Höttls beim Nürnberger Kriegsverbrecherprozess belief sich die Zahl der getöteten Juden auf ca. fünf bis sechs Millionen. Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Man kann dieser Frage nicht ausweichen, 8.4.1961, S. 3. 616 Vgl. ebd. , S. 9.

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Obwohl Pollak die Schuld einiger und das Nichtwissen bzw. die Nichtbeteiligung der großen Masse an den Gräueltaten des Nationalsozialismus anmerkte, warnte er zum Schluss seines Kommentars eindringlich vor blindem Gehorsam sowie der Gefahr vor Verhetzung, wie sie gegen die Juden von 1938 bis Kriegsende betrieben wurde. Pollak ließ dabei unerwähnt, dass antisemitische Zeitungen und Zeitschriften (z.B. Linzer Fliegende Blätter) in der oberösterreichischen Landeshauptstadt bereits ab ca. 1900 Verbreitung fanden und jüdische Organisationen sich durch Strafanzeigen ge- gen diese Form der Judenhetze zur Wehr setzten. Er lässt ebenfalls außer Acht, dass diese Verächtlichmachung und Diskriminierung nicht erst mit 1938 begonnen und somit eine längere Vorgeschichte hatte.617

Der Autor vermied die ÖsterreicherInnen direkt in Bezug zum Nationalsozialismus zu bringen – er schrieb beispielsweise von „Menschen“618, die sich die grauenhaften KZ- Filme anschauen mussten, die bewirkt hätten, dass die Bevölkerung mit diesen furchtbaren Taten nicht in Verbindung gebracht werden wollte und somit jede Kon- frontation mit der Vergangenheit ablehnte. Diese „Schocktherapie“ seitens der Alliier- ten hätte aber genau das Gegenteil bewirkt. Die Meinung der Masse, für diese Taten wären einige Wenige verantwortlich, da sie ja selbst diese verabscheuungswürdigen Taten nicht verübt hätten, wäre dadurch nur bestärkt worden.

Jene Zuteilung einer Mitschuld der Alliierten am Holocaust kam auch von anderer Stelle, nämlich vom damaligen Ministerpräsidenten Ben Gurion, der darauf verwies, dass die Hauptschuld zwar die Deutschen träfe, die Alliierten jedoch ebenfalls eine schwere Verantwortung für die Vernichtung der Juden tragen würden, da sie diese nicht gerettet hätten, als es möglich gewesen war. Mit einem Appell an die Leser- schaft zur Wachsamkeit und Selbstreflexion beschloss Pollak seinen Kommentar. Eine Einforderung bezüglich weiterer Verfolgung von NS-KriegsverbrecherInnen fin- det sich in diesem Artikel allerdings nicht.619

617 Vgl. John, Michael: „Bereits heute schon ganz judenfrei…“. Die jüdische Bevölkerung von Linz und der Nationalsozialismus. In: Mayrhofer Fritz u. Schuster, Walter (Hg.): Nationalsozialismus in Linz, Bd. 2, 2001, S. 1317. 618 Oberösterreichische Nachrichten: Man kann dieser Frage nicht ausweichen, 8.4.1961, S. 3. 619 Vgl. Ebd., S. 3 u. S. 9.

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Eine Gemeinsamkeit in der Berichterstattung gab es jedoch in allen untersuchten Zeitungen. Sie berichteten über eine Verteidigungslinie von Dr. Servatius, nämlich jene der Pflichterfüllung Eichmanns. In fünf (von 31) Ausgaben der Oberösterreichi- schen Nachrichten ist davon zu lesen, dass Eichmann aufgrund seiner Stellung zur Befehlserfüllung verpflichtet war. Servatius prangerte den nationalsozialistischen Staat bzw. Adolf Hitler als die wahren Schuldigen an, die vor Gericht stehen müss- ten. Eichmann sei in dieser großen Maschinerie des Regimes nur ein kleiner Teil, ein „kleines Rädchen“ gewesen, das zu funktionieren hatte. Ähnlich zu lesen in den Mühlviertler Nachrichten sowie in einer von zwei Ausgaben und im Mühlviertler Boten in ebenfalls einer von neun Ausgaben.

Eine weitere Angelegenheit, über die in den Oberösterreichischen Nachrichten zweimal, beim Mühlviertler Boten ebenfalls zweimal und in den Mühlviertler Nachrich- ten nie geschrieben wurde, war die Staatsbürgerschaft Eichmanns. Weder Deutsch- land noch Österreich wollten ihn als jeweiligen Staatsbürger anerkennen. Dies dürfte in erster Linie einen finanziellen Hintergrund gehabt haben, denn der Anwalt Eich- manns hatte vor, die deutsche Regierung auf Erstattung der Anwaltskosten zu kla- gen. Zusätzlich befürchteten die österreichischen Behörden eine weit größere Aus- weitung der Ansprüche. Deshalb war dem damaligen Innenminister Josef Afritsch besonders daran gelegen, eine Bestätigung der österreichischen Staatsbürgerschaft Eichmanns auf alle Fälle zu verhindern:620

„Ich brauch von Ihnen einen Bericht, dass der Eichmann deutscher Staatsbürger ist, […] Weil wenn der als Österreicher verurteilt wird, dann zahlen wir uns mit den Wie- dergutmachungen deppert. Bei dem Prozess hängen sich eine Menge Opferverbän- de mit Forderungen an, verstehns?“621

Die Klärung der Staatsbürgerschaft im Sinne der österreichischen Regierung brachte dann auch Leo Maier622, Kriminalpolizist, (später Leo Frank) zustande. Laut Staats-

620 Vgl. Garscha: Eine Irritation, kein Erdbeben, S. 205. 621 Die Presse: Wie Eichmann vom Österreicher zum Deutschen wurde, 26.11.2011. URL: http://diepresse.com/home/zeitgeschichte/711960/Wie-Eichmann-vom-Oesterreicher-zum- Deutschen-wurde, abgerufen am 24.7.2017. 622 Leo Maier, war neben Josef Wiesinger zweiter offizieller Beobachter des Eichmann-Prozesses. Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Eichmann-Prozess beginnt: Anträge der Verteidigung erwartet, 11.4.1961, S. 3.

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bürgerschaftsgesetz von 1918 hatte Eichmann als österreichischer Staatsbürger zu gelten. Demnach genügte es, in Österreich einen ordentlichen Wohnsitz zu haben. Diesen hatte Eichmanns Vater – und somit auch die österreichische Staatsbürger- schaft. Deshalb ging sie auch auf seinen minderjährigen Sohn über. Der findige Mai- er entdeckte jedoch einen anderen Umstand, um Eichmann als deutschen Staats- bürger gelten zu lassen: Da Eichmann 1933 Österreich verließ, um in Bayern der Österreichischen Legion beizutreten und es sich bei dieser um einen militärischen Verband handelte, wurde Eichmann die Staatsbürgerschaft rückwirkend entzogen.623

Die Thematik des Holocaust wurde ebenfalls in fünf Ausgaben der Oberösterreichi- schen Nachrichten von 31 und im Mühlviertler Boten in zwei von neun Ausgaben ge- bracht. Bei den Mühlviertler Nachrichten gab es in diesem Zeitraum keinen Hinweis auf die massenweise Tötung von Juden. Es fiel jedoch der Name jenes Mannes, der an Judenerschießungen beteiligt gewesen sein sollte: Franz Murer. Der spätere Be- zirksbauernobmann, von der jüdischen Bevölkerung als „Schlächter von Wilna“624 bezeichnet, war wegen seiner Grausamkeiten im Getto bekannt und gefürchtet.625 Die Mühlviertler Nachrichten erwähnten die Verurteilung Murers im Jahre 1948. Die- se wurde jedoch fälschlicherweise mit 15 Jahren angegeben – tatsächlich betrug sie jedoch, wie erwähnt, 25 Jahre. Murer wurde auch nicht, wie von den Mühlviertler Nachrichten berichtet, vorzeitig entlassen sondern gemäß den Vorgaben des Staats- vertrages626 1955 nach Österreich überstellt. Da die österreichischen Behörden nach dem Eintreffen Murers in Österreich von weiteren Untersuchungen absahen, befand er sich auf freiem Fuß.627

Der Fall Murer war laut untersuchten Zeitungsberichten im oben angegebenen Zeit- raum der einzige, aus dem eine Wiederaufnahme bzw. Verfolgung von NS-Straftaten resultierte. Im Jahre 1963 kam es – nicht zuletzt durch die Hartnäckigkeit Simon Wiesenthals, der viele Beweise gegen den Bezirksbauernkammerobmann in Liezen

623 Ebd. 624 Spiegel online: Wie der „Schlächter von Wilna“ davonkam, 12.3.2018. URL:http://www.spiegel.de/einestages/franz-murer-wie-der-schlaechter-von-wilna-davonkam-a- 1196765.html, abgerufen am 10.5.2018. 625 Vgl. ebd. 626 Vgl. Stadt Wien: Staatsvertrag betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokra- tischen Österreich, Teil II, Artikel 18. URL:http://www.1020-wien.at/staatsvertrag.php, abgerufen am 17.3.2018. 627 Vgl. Wiesenthal: Recht, nicht Rache, S. 32.

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zusammentrug – zum Prozess, der mit einem Freispruch endete. 628 „Unter Hochru- fen, von einem Blumenmeer empfangen, verließ Franz Murer das Gericht.“629

In lediglich einem Bericht der Oberösterreichischen Nachrichten wurden die geringen Schuldsprüche in Österreich wegen Neoantisemitismus kritisiert. Aus diesem Artikel lässt sich deshalb ableiten, dass Juden auch nach Bekanntwerden der an ihnen ver- übten Verbrechen immer noch unter verschiedenen Verfolgungen zu leiden hatten. Dies beantwortet somit die eingangs gestellte Vermutung, dass auch nach dem Zwei- ten Weltkrieg in Österreich noch antisemitische Tendenzen vorhanden waren.

3.2.3 Urteilsverkündung in den Oberösterreichischen Nachrichten, den Mühl- viertler Nachrichten und im Mühlviertler Boten

Nachdem der Prozess gegen Eichmann am 11. April 1961 begonnen hatte und mit 4. August 1961 bis zur Urteilsverkündung vertagt wurde, kam es dann am 11. Dezem- ber 1961 zu einem Urteil. Eichmann nahm, wie schon so oft zuvor, ohne das Publi- kum eines Blickes zu würdigen, in seiner gläsernen Zelle Platz. Ruhig und gefasst ließ er den Anfang der Urteilsbegründung, die auf zwei Tage angelegt war, über sich ergehen. Da Eichmann in allen 15 Anklagepunkten, darunter Verbrechen gegen das jüdische Volk und die Menschheit sowie wegen Kriegsverbrechen, schuldig gespro- chen wurde, beantragte Generalstaatsanwalt Hausner die Todesstrafe.630 Der Ver- teidiger betonte in seiner Schlussrede abermals, dass Eichmann nur ein “kleines Rädchen“631 in der Vernichtungsmaschinerie gewesen wäre. Servatius appellierte an das Gericht, doch Milde walten zu lassen, Gerechtigkeit hätte es bereits bewiesen. Eichmanns Schlussworte verwiesen wiederum darauf, dass er nur auf Befehl gehan- delt und seine Pflicht erfüllt hätte und er somit Opfer des nationalsozialistischen Sys- tems geworden wäre:632 „Nicht ich trage die Schuld an diesen Ereignissen. An den Morden waren die politischen Führer schuld. Sie sind es, die bestraft werden sollten.

628 Vgl. Profil: Holocaust: Ich habe euch nicht vergessen. Momente aus dem Leben Simon Wiesen- thals, 24.9.2005. https://www.profil.at/home/holocaust-ich-momente-leben-simon-wiesenthals-122195, abgerufen am 23.7.2017. 629 Wiesenthal: Recht, nicht Rache, S. 32. 630 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Gericht sprach Eichmann schuldig, 12.12.1961, S. 3. 631 Oberösterreichische Nachrichten: Der Staatsanwalt beantragt die Todesstrafe für Adolf Eichmann, 14.12.1961, S. 3. 632 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Der Staatsanwalt beantragt die Todesstrafe für Adolf Eich- mann, 14.12.1961, S. 3.

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Es ist ein großer Irrtum anzunehmen, daß ich fanatisch die Verfolgung der Juden betrieben habe. Alle meine Vorgesetzten haben versucht, die Schuld auf mich abzu- schieben.“633

Diese Vereidungsstrategie war nicht neu. Ähnlich argumentierte bereits Dr. Hermann Jahreiss während des Schlussplädoyers im Namen der gesamten Verteidigung beim Nürnberger Kriegsverbrecherprozess, indem er in Hitler den allein Schuldigen für die begangenen Verbrechen sah.634

Ob diese Argumentsstrategie tatsächlich Berücksichtigung fand, sollte sich nach 121 Sitzungen herausstellen. Am 15. Dezember 1961 nahm Eichmann in einem übervol- len Gerichtssaal „unbewegt und in strammer Haltung“635 sein Urteil entgegen. Der Verurteilte „ist am Halse aufzuhängen, bis der Tod eintritt.“636 Die Urteilsverkündung rief großes Medieninteresse hervor und wurde auch live im Rundfunk übertragen. „Viele Geschäfte in Jerusalem hatten Radios aufgestellt, um die sich die Menschen scharrten.“637 Da die Möglichkeit eines Gnadengesuches an den israelischen Staats- präsidenten Itzhak Ben Zwi bestand, existierte auch die Chance einer Aufhebung des Todesurteils. Falls es jedoch zur Ablehnung des Begnadigungsansuchens käme, müsste ein Sondergesetz erlassen werden, da bis zum damaligen Zeitpunkt die To- desstrafe in Israel nicht zur Anwendung gelangt war.638 Doch vorerst gab die Vertei- digung ihre Berufung gegen das Urteil bekannt.639

Ähnlicher Inhalt wie in den Oberösterreichischen Nachrichten fand sich im Mühlviert- ler Boten. In ihrem einzigen Artikel berichtete die Mühlviertler Wochenzeitung über die Anfechtung des „allgemein erwarteten“640 Todesurteils, das über den „Endlöser

633 Ebd. 634 Vgl. Krösche: Zwischen Vergangenheitsdiskurs und Wiederaufbau, S. 117. 635 Oberösterreichische Nachrichten: Adolf Eichmann hörte unbewegt sein Todesurteil, 16.12.1961, S. 3. 636 Ebd. 637 Ebd. 638 Vgl. ebd. 639 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Eichmann Berufung eingelegt, 20.12.1961, S. 3; und Ober- österreichische Nachrichten: Eichmann Verteidiger beraten 23.12.1961, S. 3. 640 Mühlviertler Bote: Ohne Überschrift, 23.12.1961. S. 2.

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der Judenfrage“641verhängt worden war sowie die Absicht der Verteidiger nochmals Eichmanns Entführung aus völkerrechtlicher Sicht zu thematisieren.642

Im Gegensatz dazu beteiligten sich die Mühlviertler Nachrichten nicht an der Bericht- erstattung über den Schuldspruch, die Urteilsverkündung oder die geplante Berufung gegen das Todesurteil. Lediglich im Jahresrückblick „1961 geschah es…“643 wurde diesem langwierigen Verfahren ein Satz gewidmet.644„Dezember: Adolf Eichmann wird in erster Instanz zum Tode durch den Strang verurteilt.“645

Weder in den Oberösterreichischen Nachrichten, den Mühlviertler Nachrichten oder im Mühlviertler Boten wurde im Untersuchungszeitraum646 Bezug auf Eichmanns Vergangenheit in Oberösterreich bzw. Linz genommen. Als einzige Zeitung berichte- ten die Oberösterreichischen Nachrichten über die Schlussworte Eichmanns und sei- nes Verteidigers, in denen Eichmann in erster Linie als „Opfer des Systems“, als „kleines Rädchen“, das in der großen Maschinerie funktioniert hätte, dargestellt wur- de. Er hätte nichts anderes getan, als seine Pflicht erfüllt. Schuld sei nicht Eichmann, sondern die NS-Führungselite.647

3.2.4 Die Vollstreckung des Todesurteils

„Ich war kein verantwortlicher Führer und fühle mich daher nicht schuldig. Den Spruch des Gerichts kann ich nicht als gerecht anerkennen und bitte Sie, Herr Staatspräsident, von dem Gnadenrecht Gebrauch zu machen und anzuordnen, dass

641 Ebd. 642 Vgl. ebd. 643 Mühlviertler Nachrichten: 1961 geschah es, 28.12.1961, S. 2. 644 Vgl. ebd. 645 Ebd. 646 Vgl. Anzahl der untersuchten Zeitungsberichte vom 7. Dezember 1961 bis 30. Dezember 1961:  Oberösterreichische Nachrichten. UZ: 9. Dezember bis 30. Dezember 1961: fünf Berichte: 12.12.; 14.12.; 16.12.; 20.12.; 23.12.  Mühlviertler Nachrichten. UZ: 7. Dezember bis 28. Dezember 1961: ein Bericht: 28.12.1961.  Mühlviertler Bote. 9. Dezember bis 30. Dezember: ein Bericht: 23.12.1961. 647 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Der Staatsanwalt beantragt die Todesstrafe für Adolf Eich- mann, 14.12.1961, S. 3.

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das Todesurteil nicht vollstreckt wird.“648 Wie den Oberösterreichischen Nachrichten vom 1. Juni 1962 zu entnehmen war, lehnte Staatspräsident Ben Zwi Adolf Eich- manns Gnadengesuch ab.649 In der darauffolgenden Ausgabe berichtete die Zeitung ausführlich über die Vollstreckung des Todesurteils. Der Reuter Korrespondent Ayre Wallenstein beschrieb die Haltung Eichmanns als „ruhig, beherrscht und bis zuletzt herausfordernd.“650

Die letzten Worte Eichmanns, welche die Mühlviertler Nachrichten wiedergaben, wurden an anderer Stelle (s.o.) bereits erwähnt. Hinzuweisen wäre noch auf den Be- zug Eichmanns zu Linz, da zu erfahren war, dass Verteidiger Servatius, Eichmanns Frau und Eichmanns Bruder, einem in Linz tätigen Rechtsanwalt, an den israelischen Staatspräsidenten ein Gnadengesuch gestellt hatten.651

Auch der Mühlviertler Bote berichtete über die Vollstreckung des Todesurteils und bezog sich auf Aussagen eines kanadischen Pastors, der Eichmann besuchte. Der Gottesmann schilderte, dass Eichmann „bis zuletzt weder Gewissensbisse noch Reue gezeigt“652 und bis zum Schluss gehofft hatte, als „Befehlsempfänger“653 doch noch begnadigt zu werden.654

Mit einer Sensationsmeldung in der gleichen Ausgabe wartete der Mühlviertler Bote auf. Alois Brunner, Mitarbeiter Eichmanns im Judenreferat der Gestapo in Wien, plante die Entführung des Präsidenten der Zionistischen Weltorganisation Nahum Goldmann. Der Präsident sollte gegen Eichmann ausgetauscht werden. Brunner, der in Österreich zum Tod verurteilt worden war und bis November 1961 unter dem Na- men Georg Fischer in Damaskus lebte, heuerte im Sommer 1961 einen Libanesen an, der die Entführung ausführen sollte. Der Libanese war bei Verwandten Brunners in Wien untergebracht und wollte hier sein Vorhaben mit Hilfe „prominenter Nazi und

648 Der Standard: Israel veröffentlicht Adolf Eichmanns Gnadengesuch, 28.1.2016. URL: https://derstandard.at/2000029871132/Israel-veroeffentliche-Adolf-Eichmanns-Gnadengesuch, abgerufen am 25.3.2018. 649 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Eichmanns Gnadengesuch durch Ben Zwi abgelehnt, 1.6.1962, S. 1. 650 Oberösterreichische Nachrichten: Adolf Eichmann hingerichtet, 2.6.1962, S. 3. 651 Vgl. Mühlviertler Nachrichten: Eichmanns Henker kam um Mitternacht, 7.6.1962, S. 2. 652 Mühlviertler Bote: Der millionenfache Judenmörder Adolf Eichmann hingerichtet, 9.6.1962, S. 2. 653 Ebd. 654 Vgl. ebd.

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SS-Leute“655 organisieren. Der deutsche Abwehrdienst vereitelte den Plan und ver- anlasste die Verhaftung bzw. Ausweisung mehrerer involvierter Personen.656

Wie ein roter Faden zog sich im Untersuchungszeitraum657 des letzten Teils der Be- richterstattung abermals die Verteidigungslinie Eichmanns als „das kleine Rädchen“, „als Opfer des Systems“, der seinen Kopf hinhalten musste, obwohl er doch nur sei- ne Befehle ausgeführt hatte. Eichmann, der Befehlsempfänger, der wie so viele an- dere nur seine Pflicht erfüllt hatte – diese Verteidigungsstrategie Eichmanns bzw. seines Rechtsanwaltes fand sich in allen drei untersuchten Zeitungen. Zum einen herrschte vermutlich bei vielen LeserInnen der Zeitungen Entsetzen, Abscheu und Unverständnis über die Taten Eichmanns. Zum anderen waren mutmaßlich viele, wenn auch nicht in dieser Dimension, in einer ähnlichen Lage wie Eichmann: Auch sie gehörten in der Vergangenheit dem NS-System an und mussten ihre Befehle ausführen, ob sie dies nun wollten oder nicht.

Bereits kurz nach Bekanntwerden der Entführung nach Israel wollten Eichmanns Ge- schwister verhindern, dass ihr Bruder in Jerusalem vor Gericht gestellt wird. Sie strebten eine Verhandlung vor einem internationalen Gerichtshof an. Zu diesem Zweck wandten sie sich an den evangelischen Superintendenten von Linz, Wilhelm Mensing-Braun658. Dieser bezeugte dem ehemaligen SS-Sturmbannführer in einem Schreiben eine „grundanständige Gesinnung“659, lobte seine „große Hilfsbereit- schaft“660 sowie sein „gütiges Herz“661. Für Mensing-Braun lag es außerhalb seiner

655 Mühlviertler Bote: Nazi und Araber wollten den Zionistenchef Goldmann entführen und gegen Adolf Eichmann austauschen, 9.6.1962, S. 2. 656 Vgl. ebd. 657 Vgl. Anzahl der untersuchten Zeitungsberichte vom 26. Mai 1962 bis 16. Juni 1962:  Oberösterreichische Nachrichten. UZ: 28. Mai bis 9. Juni 1962: drei Berichte: 1.6; 2.6; 4.6.1962.  Mühlviertler Nachrichten. UZ: 26. Mai bis 14. Juni 1962: ein Bericht am 7.6. 1962.  Der Mühlviertler. UZ: 28. Mai bis 16. Juni 1962: zwei Berichte: 2.6.; 9.6.1962. 658 Wilhelm Mensing-Braun stammte aus Deutschland. Er war evangelisch-lutherische Theologe und von 1941 bis 1966 Superintendent in Linz. Vgl. Der Standard: Linzer Ex-Superintendent lobte NS-Verbrecher Eichmann, 21.8.2011. URL: https://derstandard.at/1313024733777/Berliner-Aussenamts-Akten-Linzer-Ex-Superintendent- lobte-NS-Verbrecher-Eichmann, abgerufen am 18.3.2018. 659 Ebd. 660 Ebd. 661 Ebd.

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Vorstellungskraft, dass Eichmann „je zu Grausamkeit oder verbrecherischen Hand- lungen fähig gewesen wäre“662. Diese positive Bewertung über Eichmanns Charakter sandte er an den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland. Der damalige Bi- schof und Vertreter des Rates der Evangelischen Kirche Deutschlands, Hermann Kunst, leitete das Schreiben mit der Einschätzung, es sei „mindestens interes- sant“663, an die Bundesregierung unter Konrad Adenauer weiter.664

Große Kontroversen löste das im Jahr 1964 erschienene Buch von Hannah Arendt665 „Eichmann in Jerusalem. Von der Banalität des Bösen“ aus.666 Darin analysierte sie Eichmanns Beweggründe, die ihn zu jenen Verbrechen veranlassten, für die er an- geklagt und auch verurteilt wurde. Eichmann sah im Judentum eine Bedrohung des deutschen Volkes, der arischen Rasse. Deshalb war er von der Notwendigkeit die Juden zu vernichten, überzeugt. Dieser Aufgabe kam er dann mit großer Gewissen- haftigkeit nach. Er tat es, weil es das System von ihm erwartete, weil es seine Arbeit war, die er bestmöglich ausführen wollte. Arendt sah im Organisator des Judenmords nicht das „Monster“ oder „Ungeheuer“, sondern einen dienstbeflissenen, korrekten und pflichtbewussten Bürokraten, der von einem extremen Karrieredenken durch- drungen war. Obwohl Eichmann sich bewusst war, dass er ein Verbrechen an den Juden beging, entlastete er sein Gewissen dadurch, dass er dem großen Ganzen damit diene, dem Staat, dem Volk, seinem Führer.667 Hannah Arendt machte „neben der Organisation dieses neuartigen Verbrechens vor allem die moralische Entlastung des Tätergewissens durch den totalitären Staat verantwortlich.“668 Für die Prozessbe- richterstatterin zeigte der Prozess auf, wie „leicht“669 in einem totalitären Staat das unvorstellbar Grausame angeordnet und durchgeführt werden konnte. Das NS- Regime ermöglichte den TäterInnen das Begehen von Verbrechen und sich frei von

662 Spiegel online: Gütiges Herz, 22.8.2011. URL: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-80075303.html, abgerufen am 18.3.2018. 663 Ebd. 664 Vgl. ebd. 665 Hannah Arendt, Politikwissenschafterin und Philosophin, wurde 1961 als Prozessbeobachterin vom US-amerikanischen Magazin New Yorker nach Jerusalem entsandt. Vgl. Spiegel online: „Das Böse ist nur banal?“, 36/2001. http://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/spiegel/pdf/20017823, abgerufen am 25.3.2018. 666 Vgl. 3sat: Hannah Arendt und die „Banalität des Bösen“. URL: https://www.3sat.de/page/?source=/ard/sendung/190615/index.html, abgerufen am 19.3.2018. 667 Vgl. Spiegel online:„Das Böse ist nur banal?“, 36/2001. 668 Ebd. 669 Ebd.

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Schuld oder Verantwortung zu fühlen.670 „Die neu etablierten Staatswahrheiten ga- ben vielen Tätern die Sicherheit, einer darüber hinausgehenden Verantwortung ent- hoben zu sein und persönlich moralisch integer zu bleiben.“671

Dieser von Arendt beschriebene Aspekt der „persönlichen Schuldlosigkeit“ könnte auch einer der Faktoren gewesen sein, dass viele ÖsterreicherInnen sich in einer Art Schicksalsgemeinschaft verbunden sahen. Ihnen waren Erfahrungen mit der Zeit des Nationalsozialismus gemeinsam und sie sahen sich verpflichtet, Befehle und Anord- nungen zu befolgen und Gesetze einzuhalten. Dieser Umstand bietet möglicherweise eine Erklärung, weshalb Verfolgungsaufforderungen von NS-Straftaten ausschließ- lich von jüdischer Seite kamen. Laut den untersuchten Zeitungsberichten war der Fall Murer der einzige, in dem es im untersuchten Zeitraum im Zusammenhang mit dem Eichmann-Prozess zu einer strafgerichtlichen Verfolgung kam. Eine doch sehr gerin- ge Zahl, wenn bedacht wird, welch hohe Wellen dieser Prozess in der Zeitungsland- schaft schlug und das Ausmaß der Grausamkeiten somit auch in der Öffentlichkeit bekanntgeworden sein musste. Dieses Ergebnis scheint den Vorwurf der israelischen Behörden, der „zögerlichen Verfolgung“672 von NS-Verbrechen, zu bekräftigen.

Generell muss das Ergebnis im Hinblick auf gerichtliche Verfolgung von nationalsozi- alistischen Gewaltverbrechen als eher bescheiden angesehen werden. Obwohl um- fangreiche Ermittlungen der eingerichteten Sonderabteilung stattfanden, kam es in der Zeit von 1963 bis 1975 lediglich zu 15 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren wegen NS-Verbrechen.673 Wird der Zeitraum nach der Volksgerichtstätigkeit ab 1956 bis zum Jahr 2006 einer Betrachtung unterzogen, so ergeben sich in Summe 35 Pro- zesse, die dann tatsächlich zur Durchführung gelangten.674

Obgleich Eichmann in der oberösterreichischen Landeshauptstadt aufgewachsen war, dieser Umstand auch in den Medien Erwähnung fand sowie Teile seiner Familie

670 Vgl. Spiegel online:„Das Böse ist nur banal?“, 36/2001. 671 Ebd. 672 Oberösterreichische Nachrichten: Der Fall Eichmann zieht weite Kreise in Österreich, 3.2.1961, S. 2. 673 Vgl. Garscha: Eine Irritation, kein Erdbeben, S. 208-211. 674 Vgl. Nachkriegsjustiz: Die 35 österreichischen Prozesse wegen NS-Verbrechen seit Abschaffung der Volksgerichte. URL:http://www.nachkriegsjustiz.at/prozesse/geschworeneng/35prozesse56_04.php, abgerufen am 17.8.2017.

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in Linz lebten, erfolgte eine adäquate Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit in Ös- terreich mit Adolf Eichmann relativ spät. Sie geschah erst durch die Ausstellung im Linzer Landesgericht vom 19. März bis 11. Mai 2012 „Der Prozess – Adolf Eichmann vor Gericht“.675 Die oberösterreichische Landeshauptstadt war nach dem Zweiten Weltkrieg auch der Wohnort jenes Mannes, der sich unermüdlich dafür einsetzte, dass die Verbrechen der NationalsozialistInnen nicht in Vergessenheit gerieten und die Schuldigen zur Verantwortung gezogen wurden – Simon Wiesenthal. 676

In Linz wuchs Eichmann heran und kam mit antisemitischen und deutschnationalen Strömungen in Berührung und von Linz aus gelang es Wiesenthal auch, einen wich- tigen Beitrag zur Ergreifung Adolf Eichmanns zu leisten.677 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass besonders in den Oberösterreichischen Nachrichten und teilweise auch im Mühlviertler Boten sehr ausführlich über den Prozess berichtet wurde, jedoch wie auch in den Mühlviertler Nachrichten eine Involvierung der öster- reichischen Bevölkerung am Holocaust oder anderer nationalsozialistischer Verbre- chen nicht klar und deutlich zur Sprache kam. Es fand sich auch in allen drei Zeitun- gen keine Kritik am Verhalten der ÖsterreicherInnen während des Jahres 1938 bzw. in der Zeit des Nationalsozialismus. In den untersuchten Medien war eine Tendenz zu erkennen, dieses Geschehen und die damit begangenen Verbrechen als rein „deutsche“ Angelegenheit darzustellen.

3.3 Der Fall Gogl und die Darstellung in den Medien

Dieser Teil beschäftigt sich mit der Berichterstattung über zwei Prozesse, die eben- falls großes Medieninteresse hervorriefen und die bis heute die letzten ihrer Art dar- stellen.678 Johann Vinzenz Gogl stand 1972 und 1975 vor Gericht. Er hatte sich we- gen diverser nationalsozialistischer Gewaltverbrechen, begangen in den Konzentra- tionslagern Mauthausen und Ebensee, zu verantworten.

675 Vgl. Bundesministerium Justiz: Der Prozess: Adolf Eichmann vor Gericht. URL:https://www.justiz.gv.at/web2013/home/justiz/aktuelles/aeltere_beitraege/2012/der_prozess__ad olf_eichmann_vor_gericht_ausstellung_im_landesgericht_linz~2c94848535a081cf01363eaa4d06050. de.html, abgerufen am 26.7.2017. 676 Vgl. John: Bevölkerung in der Stadt, S. 301. 677 Vgl. ebd., S. 16 u. S. 301. 678 Vgl. John: In den Köpfen und im Stadtbild – zum Umgang mit Hitlers Spuren in Linz, S. 280.

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Das forschungsleitende Interesse besteht in diesem Fall festzustellen, ob sich die drei untersuchten Zeitungen (Oberösterreichische Nachrichten, Mühlviertler Nach- richten, Mühlviertler Bote) in ihrer Berichterstattung über den Fall Gogl wesentlich voneinander unterschieden. Im Zentrum der Untersuchungen steht hier ob eine Ten- denz zur kritischen Auseinandersetzung mit der NS-Zeit erkennbar war oder ob der Nationalsozialismus, wie angenommen wird, wiederum nur als „deutsches“ Phäno- men dargestellt wurde, dem die ÖsterreicherInnen zum Opfer fielen.

Johann Vinzenz Gogl, in Südtirol geboren, zog 1939 mit seinen Eltern in die Nähe von Innsbruck. Bereits mit 17 Jahren meldete er sich freiwillig zur Waffen-SS, wurde jedoch als frontuntauglich eingestuft und kam im Herbst 1940 als Aufseher in das Konzentrationslager Mauthausen und später in das Konzentrationslager Ebensee.679

Der Aufmerksamkeit eines ehemaligen KZ-Insassen Walter Kehraus war die Ausfor- schung des ehemaligen SS-Unterscharführers Johann Vinzenz Gogl zu verdanken. Kehraus verständigte Simon Wiesenthal über den Aufenthaltsort Gogls, der dann auch eine Anzeige wegen NS-Verbrechen in die Wege leitete.680 Am 8. Juni 1964 kam es zur ersten Einvernahme Gogls im Bezirksgericht Schwanenstadt. Sieben Jahre sollten vergehen, bis es dann am 13. April 1971 zum Erlass des Haftbefehls gegen Gogl kam, dem am 4. Mai 1972 die erste Gerichtsverhandlung folgte.681

Ein Ereignis, das Simon Wiesenthal kaum für wahrscheinlich gehalten hatte. Laut seinen Erfahrungen war es sehr schwierig, dass in Österreich Verfahren gegen NS- VerbrecherInnen eingeleitet wurden. Falls es zu dennoch zur gerichtlichen Ahndung kam, lag die Einstellungs- bzw. Freispruchsrate äußerst hoch:682

679 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Linz: Monsterprozeß begann mit Konterschlag der Verteidi- gung, (OÖN-gs), 5.4.1972, S. 7. 680 Vgl. Wiesenthal: Recht, nicht Rache, S. 374. 681 Vgl. Holzinger, Gregor: Das letzte Urteil. Die beiden Prozesse gegen Johann Vinzenz Gogl. In: Jahrbuch Mauthausen, 2014, Bundesministerium für Inneres (Hg.): KZ-Gedenkstätten und die neuen Gesichter des Rechtsextremismus, 2015, S. 77. 682 Vgl. Wiesenthal: Recht, nicht Rache, S. 374.

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„Zwischen 1971 und 1972 wurden in Österreich Hunderte Verfahren gegen mutmaß- liche Naziverbrecher eingestellt. In den folgenden vier Jahren wurden fünf der acht noch offenen Fälle durch Freisprüche der Geschworenen beendet.“683

Die Hauptverantwortlichen für diesen Umstand sah Wiesenthal in der Politik. Zwi- schen SPÖ und ÖVP entbrannte in den Nachkriegsjahren ein Wettstreit um die Gunst der Wählerstimmen von ca. 550.000 registrierten ehemaligen NSDAP- Mitgliedern. Eine Maßnahme mit großer Signalwirkung kam von der SPÖ, die bereits 1947 das Funktionsverbot für ehemalige NSDAP-Mitglieder aufhob. Von 1945 bis 1949 bestand die Bundesregierung aus einer Koalition von KPÖ, ÖVP und SPÖ. Da- nach wurde Österreich von 1949 bis 1966 von einer großen Koalition684 geführt. Dies stellte die SPÖ vor die Aufgabe, geeignete Personen für die Besetzung unterschied- licher Posten zu rekrutieren. Der Koalitionspartner der ÖVP hatte aufgrund des Holo- caust, der Verfolgung und Emigration von Sozialdemokraten ein großes Vakuum an Akademikern zu verzeichnen. Dieses Defizit galt es zu beheben und so erleichterte die SPÖ ehemaligen NSDAP-Mitgliedern den Zugang zu den diveresen Ämtern und Posten.685

„Insbesondere die Vereinigten Österreichischen Eisen- und Stahlwerke (VOEST) ge- rieten auf diese Weise zu einem Sammelbecken von Wirtschaftsmanagern, die dem zuständigen sozialistischen Minister so willig dienten wie seinerzeit dem Führer. Der Bund Sozialistische Akademiker (BSA) hieß unter Kennern bis in die sechziger Jahre nur BSS.“686

Aber nicht nur die SPÖ hatte in ihrem Funktionärskader Mitglieder mit nationalsozia- listischer Vergangenheit. Diesbezüglich übertraf die ÖVP die SPÖ. 2005 kam es zur Veröffentlichung einer vom damaligen Bundesparteivorsitzenden Alfred Gusenbauer (SPÖ) in Auftrag gegebenen Historikerstudie. In dieser sollte die Rolle der Nach- kriegsfunktionäre der SPÖ während der NS-Zeit überprüft werden. Nach fünf Jahren

683 Vgl. Wiesenthal: Recht, nicht Rache, S. 374. 684 Nach dem Ende der großen Koalition von ÖVP und SPÖ folgte von 1966 bis 1970 eine Alleinregie- rung der ÖVP. Vgl. John, Michael: Protest, Unruhe und ein violetter Mantel – 1968 und die Folgejahre in Linz. In: Mayrhofer, Fritz u. Schuster, Walter (Hg.): Linz im 20. Jahrhundert, 2010, Bd. 2, S. 839. 685 Vgl. Wiesenthal: Recht, nicht Rache, S. 374. 686 Ebd., S. 355.

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kamen die Experten zu dem Ergebnis, dass in der SPÖ zehn Prozent und in der ÖVP zwölf Prozent der Funktionäre im höheren Bereich eine nationalsozialistische Ver- gangenheit aufwiesen.687

Eine Stelle, welche die SPÖ in der großen Koalition hauptsächlich für sich reklamie- ren konnte, war jene des Innenministers, dem auch das Sicherheitswesen und somit die Polizei unterstand.688 Oskar Helmer bekleidete dieses Amt von 1945 bis 1959. Aus taktischen Gründen (Schwächung der ÖVP) setzte er sich bereits 1947 für die Gründung des VdU ein und bekundete damit gleichzeitig seinen Einsatz für die Sym- pathisantInnen der (ehemaligen) Anhänger der nationalsozialistischen Ideologie.689 Dieses Klientel sollte auch bei der Bundespräsidentenwahl 1957, in der der Sozial- demokrat Adolf Schärf für dieses Amt kandidierte und darauffolgend die Stimmen- mehrheit erhielt, angesprochen werden:690

„Wer einmal schon für Adolf war, wählt Adolf auch in diesem Jahr.“691

Aber es war kein Spezifikum der SPÖ, sich der Unterstützung des Dritten Lagers zu versichern. Wenn es um die Macht bzw. den Machterhalt ging, avancierte die FPÖ zunehmend zum berühmten „Zünglein an der Waage“.

In Oberösterreich gelang es der SPÖ in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre erstmals in der Zweiten Republik Stimmenmehrheit gegenüber der ÖVP zu erlangen. Mit dem knappen Ergebnis von 46,0 Prozent gegenüber der ÖVP mit 45,2 Prozent war sie die stimmenstärkste Partei in der Landtagswahl 1967 in Oberösterreich und hatte mit 23 Mandaten gleich viele wie die ÖVP. Landeshauptmann wurde wiederum der bereits seit 1945 amtierende Heinrich Gleißner. Der ÖVP Politiker Gleißner hatte dieses Amt erstmals im „Ständestaat“ 1934 bis 1938 inne. Ermöglicht wurde die Wahl Gleißners

687 Vgl. Profil: Rote Gewissenserforschung. Die SPÖ veröffentlicht geheime Protokolle, 2.7.2005. URL:https://www.profil.at/home/zeitgeschichte-rote-gewissenserforschung-die-spoe-protokolle- 116032, abgerufen am 12.5.2018. 688 Vgl. Wiesenthal: Recht, nicht Rache, S. 354. 689 Vgl. Demokratiezentrum Wien: VdU. URL: http://www.demokratiezentrum.org/bildstrategien/oesterreich.html?index=3&dimension=, abgeru- fen am 20.8.2017. 690 Vgl. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands: Die SPÖ und ihre braunen Wurzeln. URL: http://www.dokumentationsarchiv.at/SPOE/Braune_Flecken_SPOE.htm, abgerufen am 3.4.2018. 691 Ebd.

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zum neuerlichen Landeshauptmann durch den sogenannten Gleißner-Peter-Pakt692. Bereits in der Wahlnacht hatte eine Gruppe der ÖVP Verhandlungen mit dem FPÖ- Parteiobmann und ehemaligen Obersturmführer der Waffen-SS, Friedrich Peter, Kontakt aufgenommen. Mit Unterstützung der FPÖ, die zwei Mandate errungen hat- te, konnte Gleißner wiedergewählt werden.693

Doch nicht nur auf Länderebene in Oberösterreich konnten die Sozialdemokraten Wählerstimmen dazugewinnen, auch bei der Nationalratswahl 1970 war die SPÖ stimmenstärkste Partei. Dieses Ergebnis brachte auch eine Änderung der Mandats- verhältnisse mit sich. So erhielt die SPÖ 81, die ÖVP 79 und die FPÖ 5 Mandate. Obwohl die FPÖ gegenüber der Nationalratswahl von 1966 ein Mandat eingebüßt hatte, profitierte sie vom Wahlergebnis 1970.694 Ohne absolute Mandatsmehrheit bil- dete die SPÖ eine Alleinregierung. Dies führte dazu, dass die SPÖ auf die Unterstüt- zung der FPÖ, mit Friedrich Peter als Clubomann, angewiesen war. Diese sicherte sie sich, indem sie das Wahlrecht minderheitenfreundlich änderte. Nach vier Jahren Alleinregierung der ÖVP stand ab April 1970 Bruno Kreisky an der Spitze einer von der FPÖ tolerierten Minderheitsregierung. Im Kabinett fanden sich unter elf Ministern vier ehemalige NSDAP-Mitglieder, darunter auch ein SS-Mitglied.695 Innenminister im ersten Kabinett Kreisky wurde Otto Rösch. Der neue Innenminister, einer von vier „Ehemaligen“, bekleidete dieses Amt von 1970 bis 1977.696 Während dieser Zeit kam es zu einer massiven Verkleinerung der Sonderabteilung für NS-Verbrechen, bis es 1975 schließlich zur gänzlichen Auflösung kam.697 Obwohl das erste Kabinett Kreisky aus rund einem Drittel ehemaliger Parteiangehöriger der NSDAP bestand, führte dies

692 Leopold Helbich und der spätere Landeshauptmann Erwin Wenzl waren hauptverantwortlich für den Gleißner-Peter-Pakt. Für die Unterstützung der FPÖ bei der Landeshauptmannwahl erhielt Alois Bachinger das Amt des dritten Landtagspräsidenten, Karl Maier den des Landesschulratspräsidenten und Friedrich Peter wurde Landesschulinspektor. Vgl. Sandgruber, Roman: Die ÖVP in Oberösterreich, S. 33. URL:http://docplayer.org/39556685-Die-oevp-in-oberoesterreich.html, abgerufen am 1.4.2018. 693 Vgl. John: Protest, Unruhe und ein violetter Mantel, S. 839. 694 Vgl. Bundesministerium für Inneres: Nationalratswahl 1970. URL: https://www.bmi.gv.at/412/Nationalratswahlen/Nationalratswahl_1970/start.aspx, abgerufen am 7.4.2018. 695 Vgl. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands: Geschworenenprozesse 1956-1975, Überblick. URL: http://ausstellung.de.doew.at/b146.html, abgerufen am 1.4.2018. 696 Vgl. aeiou. Österreich-Lexikon: Die Innenminister der Zweiten Republik. URL: http://www.aeiou.at/aeiou.encyclop.i/i483870.htm, abgerufen am 3.6.2018. 697 Vgl. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands. Geschworenenprozesse 1956-1975, Überblick.

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bis auf wenige Ausnahmen unter den österreichischen JournalistInnen zu keinem größeren Aufruhr. Erst als Wiesenthal das deutsche Nachrichtenmagazin Der Spie- gel davon in Kenntnis setzte, wurde diese Tatsache auch im Ausland bekannt und teilweise scharf kritisiert. Dies war der Beginn des Kreisky-Wiesenthal-Konflikts, der dann im Jahr 1975 seinen Höhepunkt erreichte.698

Bruno Kreisky befürchtete bei der Nationalratswahl 1975 die absolute Mehrheit (wel- che die SPÖ seit 1971 besessen hatte) zu verlieren. Aus diesem Grund wollte er sich die FPÖ als Koalitionspartner sichern. Friedrich Peter wäre in dieser als Vizekanzler vorgesehen gewesen. Wiesenthal fand heraus, dass der Vizekanzler in spe einer Brigade der Waffen-SS angehörte. Diese Truppe hatte an der Ostfront Massenmorde an Zivilisten begangen. Als Wiesenthal dies veröffentlichte, verteidigte Kreisky Peter mit großer Vehemenz und beschuldigte Wiesenthal der Kollaboration mit den Natio- nalsozialisten. Wie Hans Rauscher in seinem Artikel über den ehemaligen Bundes- kanzler Kreisky resümierte, blieb dessen zornentbrannter Gegenschlag auf die Ent- hüllung Wiesenthals unverständlich.699

„Kreiskys Reaktion war menschlich und politisch verheerend; sie leistete der Ver- schleierung und Verharmlosung der NS-Verbrechen in Österreich massiven Vor- schub. Warum ein Jude, der vor der Vernichtung durch die Nazis fliehen musste, das Mitglied einer NS-Mörderbande derart schützte, ist auch heute, knapp vor Kreiskys 100. Geburtstag, weiterhin unerforscht.“700

Kreiskys Annäherungspolitik an Hunderttausende ehemalige NSDAP-Mitglieder und SympathisantInnen leistete ihren Beitrag zur Sicherung der absoluten Mehrheit bei den Wahlen von 1971. Dieses Entgegenkommen hatte Signalwirkung in Richtung Beschwichtigung der Vergangenheit. Eine kritische Auseinandersetzung mit den Ge- schehnissen der NS-Zeit und der Rolle der ÖsterreicherInnen wurde durch Kreiskys Agieren keinesfalls forciert.701

698 Vgl. Wiesenthal: Recht, nicht Rache, S. 355f. 699 Vgl. Der Standard: Kreisky, Wiesenthal, Friedrich Peter, (Rauscher, Hans), 17.9.2010. https://derstandard.at/1284594593525/Hans-Rauscher-Kreisky-Wiesenthal-Friedrich-Peter, abgerufen am 8.4.2018. 700 Ebd. 701 Vgl. Der Standard: Kreisky, Wiesenthal, Friedrich Peter, (Rauscher), 17.9.2010.

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3.3.1 Die Berichterstattung über das Verfahren in Linz 1972

Vorgenannte Umstände erläutern die pessimistische Sicht Wiesenthals bezüglich der Verfolgung und Verurteilung von ehemaligen nationalsozialistischen StraftäterInnen. Im April 1972 trat schließlich jenes Ereignis ein, dass ohne Wiesenthals Einsatz ver- mutlich nicht zustande gekommen wäre.

Am Landesgericht in Linz erfolgte die Eröffnung eines Prozesses wegen nationalso- zialistischer Gewaltverbrechen im ehemaligen KZ Mauthausen gegen Johann Vin- zenz Gogl.702 Dieses Verfahren gegen einen ehemaligen SS-Unterscharführer stieß im In- und Ausland auf großes Medieninteresse und die Presse berichtete teilweise sehr ausführlich über den Prozessverlauf.

Laut erstem Bericht der Oberösterreichischen Nachrichten vom 4. April 1972 wurde der 48jährige Uhrmachermeister Johann Vinzenz Gogl aus Ottnang am Hausruck beschuldigt, von 1943 bis 1945 im Konzentrationslager Mauthausen in seiner Funkti- on als Wachtposten zahlreiche Morde verübt zu haben. Für das Beweisverfahren wurden 24 Zeugenaussagen in Aussicht gestellt. Die Verteidiger Gogls waren Dr. Sailer aus Ried/Innkreis und Dr. Haslinger aus Linz. Den Vorsitz in dem „Monsterpro- zeß“703 hatte Oberlandesgerichtsrat Dr. Koppauer, Vertreter der Anklage war Dr. Bauer.704

Am 5. April 1972 folgten zwei Artikel der Oberösterreichischen Nachrichten über den Prozess um Johann V. Gogl. Es gab einen Hinweis auf die ihm zur Last gelegten Vergehen sowie die Hervorhebung seines untadeligen Lebenswandels.705

„Der Mann mit dem graumelierten Haar, der auf der Anklagebank im Schwurgerichts- saal des Linzer Landesgerichts sitzt, ist 48 Jahre alt. Rund 42 Jahres seines bisheri- gen Lebens hat er sich nachweislich und zweifelsfrei als braves Mitglied unserer Ge- sellschaft wohl verhalten und hat die Gesetze geachtet; Justitia hatte niemals Anlaß

702 Vgl. Wiesenthal: Recht, nicht Rache, S. 374. 703 Oberösterreichische Nachrichten: Ab heute Mauthausenprozeß. Anklage ist 103 Seiten lang, 4.4.1972, S. 5. 704 Vgl. ebd. 705 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Linz: Monsterprozeß begann mit Konterschlag der Verteidi- gung, (OÖN-gs), 5.4.1972. S. 7.

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gefunden, ihm auch nur drohend den kleinen Finger zu zeigen. Auf sechs Jahre sei- nes Lebens aber haben sich dunkle, drohende Schatten gesenkt: Die Staatsanwalt- schaft Linz zeichnet von dem Uhrmachermeister Johann Vinzenz Gogl aus Ottnang am Hausruck in einer 103 Seiten langen Anklageschrift das Bild einer mordlustigen Bestie.“706

In ähnlicher Tonart wurde dann über den „biederen, bisher unbescholtenen und gut beleumdeten Uhrmachermeister Johann Gogl aus der kleinen Ortschaft Ottnang am Hausruck“707, bei dem während der Untersuchungshaft Unterernährung und Herz- probleme diagnostiziert wurden, berichtet. Für Gogl musste es „wie eine Art Balsam gewesen sein […], daß die Verteidigung gleich von allem Anfang an der schwerwie- genden Anklage ein gewichtiges Äquivalent entgegensetzt hat.“708 Der sich aufgrund seiner Erkrankungen auf freiem Fuß befindliche Angeklagte war Familienvater und hatte neben seiner Ehefrau auch noch zwei Kinder zu versorgen. Wobei der Um- stand, dass eines von den zwei Kindern schwer behindert war und nie in der Lage sein würde, selbst für seinen Unterhalt aufzukommen, besondere Erwähnung fand.709

Nachfolgende Inhalte der Anklageschrift, deren Verlesung einige Stunden dauerte, bezogen sich auf Details, die „grauenhaft, unvorstellbar und zum Teil sogar ekelerre- gend“710 waren. „Man hört gebannt hin, weil man weiß, daß solche Greueltaten da- mals tatsächlich in solchen Lagern geschehen sind, und man erschaudert bei den schrecklichen Details, von denen dieses zeitgeschichtliche Horrorbuch erzählt.“711 Auch die Wirkungsstätte Gogls, in der er die Verbrechen begangen haben soll und dessen Funktion fand Erwähnung.712

„Das KZ Mauthausen gehörte der Stufe III an und war für schwer belastete, insbesondere auch kriminell vorbestrafte und asoziale, das heißt kaum noch

706 Oberösterreichische Nachrichten: Linz: Monsterprozeß begann mit Konterschlag der Verteidigung, (OÖN-gs), 5.4.1972. S. 7. 707 Oberösterreichische Nachrichten: Grauenhafte Details in der Anklage, 5.4.1972, S. 7. 708 Ebd. 709 Vgl. ebd. 710 Ebd. 711 Ebd. 712 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten Linz: Monsterprozeß begann mit Konterschlag der Verteidi- gung, (OÖN-gs), 5.4.1972. S. 7.

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erziehbare Schutzhäftlinge vorgesehen. Und in diesem Lager, so behauptet die Anklage, habe sich der junge Mann Vinzenz Gogl zu einem Zeitpunkt, als er selbst erst auf der Schwelle zum Erwachsenenwerden stand, in einen brutalen, mordlustigen, sadistischen und grausamen Henkersgesellen des NS-Regimes verwandelt.“713

Weitere Ausführungen bezogen sich auf das geringe Publikumsinteresse, besonders, dass die „Jugend, die doch gestern noch schulfrei hatte, diesem Prozeß überhaupt keine Beachtung zu schenken scheint: Nicht ein einziger Sechzehn-, Siebzehn- oder Achtzehnjähriger hat sich an diesem Vormittag in den großen Saal verirrt.“714

Ob tatsächlich die Jugend der Prozesseröffnung fernblieb, konnte im Zuge dieser Arbeit nicht eruiert werden. Es sollte aber davon Abstand genommen werden, Ju- gendlichen oder jungen Erwachsenen Anfang der 1970er Jahre eine generelle Gleichgültigkeit gegenüber der NS-Vergangenheit zu unterstellen. Ihr kritisches poli- tisches Bewusstsein stellte in erster Linie die linke Szene Ende der 1960er Jahre un- ter Beweis. So wurde in einem Flugblatt des VSStÖ (Verband sozialistischer Studen- tInnen Österreichs) „Nazigeist + Bürokratenjustiz = Polizeistaat“715 das Verhalten von Polizisten anlässlich von Wahlversammlungen der Nationaldemokratischen Partei (NDP) kritisiert. Aber auch der Prozess um Johann V. Gogl wurde von der linken Szene mit Interesse verfolgt.716

Obwohl die entsetzlichen Taten Gogls aufgezählt wurden, entstand durch die Be- richterstattung in den Oberösterreichischen Nachrichten der Eindruck eines treusor- genden, pflichtbewussten, bis zu den Vorwürfen unbescholtenen, wertvollen (arbei- tenden) Mitglieds der Gesellschaft. Bereits in seinen jungen Jahren wurde er im KZ Mauthausen mit VerbrecherInnen konfrontiert, für deren Rückeingliederung in die Gesellschaft es kaum eine Chance gab. Die Untersuchungshaft machte aus Gogl, der obendrein noch für Frau und Kinder zu sorgen hatte, einen schwerkranken Mann, der sich jetzt in einem aufwändigen Prozess verantworten musste, dem kaum Inte- resse und seitens der Jugend totales Desinteresse entgegengebracht wurde. Beson-

713 Oberösterreichische Nachrichten Linz: Monsterprozeß begann mit Konterschlag der Verteidigung, (OÖN-gs), 5.4.1972. S. 7. 714 Oberösterreichische Nachrichten: Grauenhafte Details in der Anklage, 5.4.1972, S. 7. 715 John: Protest, Unruhe und ein violetter Mantel, S. 845. 716 Vgl. ebd.

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ders letztere Angabe, die sich auf die Ignoranz des Verfahrens der jungen Generati- on bezieht, muss dementiert werden. Wie vorhin dargelegt, zeigten hier in erster Li- nie Linksgerichtete Interesse am Prozess des ehemaligen SS-Unterscharführers.

Die Tatsache, dass im KZ Mauthausen auch politische Gefangene bzw. Personen, die aufgrund ihrer jüdischen, religiösen, ethnischen Zugehörigkeit oder wegen ihrer geschlechtlichen Orientierung unter schrecklichen Bedingungen inhaftiert waren,717 geht aus dem Artikel nicht hervor.

Unterschiedlicher Meinung waren laut viertem Bericht der Oberösterreichischen Nachrichten vom 5. April 1972 Staatsanwalt Dr. Bauer und die Verteidiger Gogls über die rechtliche Beurteilung der Straftaten. So war der Staatsanwalt überzeugt, dass in diesem Fall das österreichische Strafgesetz Anwendung zu finden habe, das keine Verjährung der Taten Gogls vorsah. Anderer Meinung waren Dr. Haslinger und Dr. Sailer: In diesem Fall müsste das damalige Reichsstrafgesetz angewendet werden, demzufolge die Gogl angelasteten Taten bereits als verjährt gelten würden. Es fand eine Anberaumung des Prozesses auf vier Wochen statt.718

Laut Anklageschrift wurden Gogl folgende Taten angelastet:719

„I. im Konzentrationslager Mauthausen

a) Ermordung von Angehörigen aus alliierten Fallschirmspringern gebildeten Steineträgerkommandos am 6.9.1944 b) Ermordung von Angehörigen eines aus der so genannten ‚Welser Gruppe‘ ge- bildeten Steineträgerkommandos am 18. und 19.9.1944 c) Ermordung zahlreicher Häftlinge durch Erschlagen, Erschießen, Treiben in den Drahtzaun, Hetzen von Hunden auf sie und Jagen über den Abgrund des Steinbruchs in der Zeit zwischen 28.11.1943 und Ende September 1944

717 Vgl. Das Konzentrationslager Mauthausen: Häftlingsgruppen. URL: https://www.mauthausen-memorial.org/de/Wissen/Das-Konzentrationslager-Mauthausen-1938- 1945/Haeftlingsgruppen, abgerufen am 27.7.2017. 718 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Rechtliche Beurteilung umstritten, 5.4.1972, S. 7. 719 Vgl. Holzinger: Das letzte Urteil, S. 78.

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II. im Konzentrationslager Ebensee

a) Ermordung des französischen Häftlings Leon Saliemonas in der Nacht von 16. auf 17.11.1944 b) Ermordung des deutschen Häftlings Hermann Kelchner ebenfalls in der Nach vom 16. auf 17.11.1944 c) Ermordung eines namentlich unbekannten russischen Häftlings im Früh- jahr 1945“720

Auch der zweite Verhandlungstag, über den die Oberösterreichischen Nachrichten in ihrem fünften Bericht vom 6. April 1972 informierten, ließ aufgrund der wenigen Zu- schauer auf nur mäßiges Interesse seitens der Öffentlichkeit schließen. Das Publi- kum beschränkte sich auf einige „Stammkiebitze“721. Die Konfrontation mit dem ers- ten Anklagepunkt, verantwortlich für die brutale Ermordung von 40 holländischen und sieben englischen Fallschirmspringern im September 1944 gewesen zu sein, ließen Gogl jene Worte sagen, die im weiteren Prozessverlauf zu seinem Standardreper- toire im Hinblick auf seine Verteidigung gehörten:722 „Das ist nicht wahr, das stimmt auf keinen Fall.[…]. Ich habe mit diesen Ermordungen nichts zu tun, Herr Vorsitzen- der, und dabei bleibt`s.“723 Großes Gewicht bekamen die Anschuldigungen durch mehrere Zeugenaussagen sowie jener von Ministerialrat Karl Fitting aus Bonn, der bereits 1945 gegenüber den Amerikanern über die Liquidierung der Fallschirmsprin- ger berichtete und explizit Gogl als Verantwortlichen für diese Ermordungen nannte. Gogl sei „Kommandoführer gewesen und hätte sich in einem Blutrausch befunden. Dies so betonte der Zeuge, sei ihm deshalb besonders im Gedächtnis geblieben, da er selbst damals als Leichenträger eingeteilt war und die Ermordung eines Teils der Häftlinge aus nächster Nähe miterleben mußte.“724 Gegen Schluss der Verhandlung führte die Verteidigung ein Zeugenprotokoll an, in dem behauptet wurde, Gogl sei das Opfer einer Verwechslung mit einem anderen SS-Mann.725

720 Anklageschrift gegen Johann Gogl, S. 50f., Landesgericht Wien GZ 20Vr3625/75, Bd. 7. Das Ver- fahren wurde in Linz unter der Geschäftszahl LG Linz 18Vr485/64 begonnen. Vgl. Holzinger: Das letzte Urteil, S. 78. 721 Oberösterreichische Nachrichten: Die Todesstiege und ihre Opfer. Gogl: „Habe damit nichts zu tun!“, (OÖN-gs), 6.4.1972. S. 7. 722 Vgl. ebd. 723 Ebd. 724 Ebd. 725 Vgl. ebd.

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Wie im sechsten Bericht der Oberösterreichischen Nachrichten vom 7. April zu lesen war, belastete der einzige Überlebende der Welser Gruppe726, Richard Dietl, den An- geklagten schwer. Er beschuldigte Gogl, in seiner Funktion als Kommandoführer bei der Tötung und Misshandlung von Angehörigen der Gruppe, „denen staatsfeindliche Betätigung vorgeworfen wurde“727, dabei gewesen zu sein. Der ehemalige SS- Unterscharführer wurde neben dieser Tat auch noch etlicher anderer Morde beschul- digt.728 Dazu „meinte der Angeklagte fast entschuldigend: ‚Es tut mir leid, Herr Vorsit- zender, das habe ich nicht gemacht.‘“729

Die Berichterstattung vom 8. April 1972 der Oberösterreichischen Nachrichten in ih- rem siebten Bericht drehte sich um weitere brutale Begebenheiten. Aus der 103 Sei- ten umfassenden Anklageschrift ging hervor, dass Gogl u.a. im Nebenlager Ebensee Schießübungen auf einen griechischen Häftling veranstaltet haben soll. Er wollte sei- ne neue Pistole einem Test unterziehen. Gogl reagierte auf diese sowie weitere Vor- würfe mit Unverständnis und blieb bei seiner Strategie:730 „Ich kann diese Zeugen- aussagen nicht verstehen, ich habe dazu nichts zu sagen. […] Der Zeuge muß bei dieser Aussage unter einem Druck gestanden sein. Ich kann das nicht verstehen.“731 Für eine Verzögerung im Prozessablauf sorgte das unentschuldigte Fernbleiben ei- nes Geschworenen. Der Vorsitzende bestrafte dieses Verhalten mit einer Geldbuße von 1000 Schilling.732

Unter Gogls großgehaltenem Profilbild (es nahm ungefähr zwei Drittel des Berichts ein) wurden im ersten Artikel des Mühlviertler Boten vom 8. April 1972 sehr kompri-

726 Die sogenannte Welser Gruppe setzte sich aus Personen verschiedener politischer Richtungen zusammen, darunter großteils Kommunisten. Es fanden sich jedoch auch Großdeutsche und Katholi- ken in dieser Gruppierung. Vgl. Welser Gruppe. URL: http://www.ooegeschichte.at/epochen/oberoesterreich-in-der-zeit-des- nationalsozialismus/widerstand/widerstandsgruppen/welser-gruppe.html, abgerufen am 28.7.2017. 727 Oberösterreichische Nachrichten: Die Vernichtung der Welser-Gruppe: Angeklagter: „Tut mir leid…“, (OÖN-gs), 7.4.1972. S. 7. 728 Vgl. ebd. 729 Ebd. 730 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: 1000S Geldbuße für Geschworenen. Unentschuldigt da- heimgeblieben, (OÖN -gs), 8.4.1972. S. 8. 731 Ebd. 732 Vgl. ebd. Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Heute erste Zeugen, 11.4.1972, S. 6.

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miert die Vorwürfe derer Gogl angeklagt war, aber auch Gogls Bestreiten der Taten, wiedergegeben.733

Franz Eder brachte zu Beginn des ersten Artikels der Mühlviertler Nachrichten vom 20. April 1972 ein Bibelzitat aus dem Johannesevangelium „Was ist die Wahrheit?“734 und räumte ein, wie schwierig die Wahrheitsfindung generell und im Fall Gogl spe- ziell sei, da die ihm vorgeworfenen Taten bereits 27 Jahre zurücklagen.735 „Auch der Gogl-Prozeß ist eine Quelle vieler Zweifel. Wenn man erlebt hat, wie einmal ein als Zeuge vernommener Richter von seinem Erinnerungsvermögen im Stich gelassen worden ist, obwohl es in dem Indizienprozess um eine nur etliche Monate zurücklie- gende Tat gegangen war, der muß Zeugenaussagen über Delikte, die fast drei Jahr- zehnte zurückliegen, um so problematischer finden.“736 Eder unterzog die unter- schiedlichen Meinungen über Kriegsverbrecher einer Betrachtung und teilte sie in drei Gruppen ein. „Die Radikalen der einen Seite sähen gern die Todesstrafe als Sühne, andere wiederum sprechen sich für eine nur symbolische Bestrafung aus, während viele Zeitgenossen prinzipiell oder mit Rücksicht auf die Familie des Be- schuldigten jedes ‚Bohren in der Vergangenheit‘ ablehnen.“737 Nach einer sehr knap- pen Schilderung der Gogl vorgeworfenen Taten betonte er die Verantwortung, wel- che auf den Schultern aller am Prozess bzw. an der Urteilsfindung beteiligten Perso- nen liege:738 „Auf sie kommt nach wochenlanger Verhandlungsdauer die alles ent- scheidende und harte Gewissenfrage zu: ‚Was ist die Wahrheit?‘“739

Im achten Artikel der Oberösterreichischen Nachrichten vom 11. April 1972 folgten Informationen über den Beginn der zweiten Verhandlungswoche, in der erste Zeu- geneinvernahmen am Verhandlungsplan standen. Es tauchten weitere Anschuldi-

733 Vgl. Mühlviertler Bote: Mauthausen-Prozeß begann. Johann Gogl: „Schuldlos!“, 8.4.1972, S. 3. 734 Dieses Bibelzitat kommt in der Einheitsübersetzung von 1980 nicht mehr vor. Unter Joh 19,5 findet sich laut Einheitsübersetzung: „Jesus kam heraus, er trug die Dornenkrone und den purpurroten Man- tel. Pilatus sagte zu ihnen Seht, da ist der Mensch!“ Vgl. Die Bibel. Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift 1980, Katholische Bibelanstalt, 8. Auflage, 2009. 735 Vgl. Mühlviertler Nachrichten: Was ist die Wahrheit?, (Eder, Franz), 20.4.1972, S. 2. 736 Ebd. 737 Mühlviertler Nachrichten: Was ist die Wahrheit?, (Eder), 20.4.1972, S. 2. 738 Vgl. ebd. 739 Ebd.

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gungen auf, die Gogl zur Last legten, im Sommer und Herbst 1943 verschiedene Bluttaten begangen zu haben.740

Die Verteidigung bot laut neuntem Bericht der Oberösterreichischen Nachrichten vom 12. April 1972 drei Entlastungszeugen auf. Ein Kärntner Gemeindebeamter entkräfte- te die Anschuldigungen gegen Gogl, da dieser von Juni 1943 bis Juli 1944 mit ihm seinen Dienst auf dem Loiblpass versehen hätte und er somit Morde bzw. Untaten, die ihm vom November 1943 bis September 1944 zur Last gelegt wurden, nicht be- gangen haben konnte. Ein Salzburger Pensionist behauptete, Gogls Namen während seiner Haft in Mauthausen und Ebensee nicht vernommen zu haben. Hätte sich Gogl verschiedener Verbrechen schuldig gemacht, so würde er sich auch daran erinnern: „Es gab so viele SS-Leute, daß einem nur solche Leute im Gedächtnis geblieben sind, von denen man etwas abbekommen hat.“741 Ein weiterer Zeuge, der ebenfalls von 1939 bis 1945 im KZ Mauthausen inhaftiert war, konnte sich zwar an Gogl, nicht jedoch an die von ihm zur Last gelegten Taten erinnern. Er wies darauf hin, dass es viele brutale Schläger gegeben habe, Gogl aber nicht darunter zu suchen sei. Au- ßerdem habe es in Mauthausen einen SS-Mann gegeben, der eine gewisse Ähnlich- keit mit Gogl aufwies, derentwegen eine Verwechslung möglich wäre.742

Ein Zeuge der Anklage erkannte, wie im zehnten Bericht der Oberösterreichischen Nachrichten vom 13. April zu lesen war, den Angeklagten auf einem Foto, das wäh- rend Gogls Zeit in Mauthausen entstanden sein musste, wieder. Dieser Zeuge, Wal- ter Kehraus743, Jude, vom Beruf Kellner und ehemaliger Widerstandskämpfer sowie von 1941 bis 1945 KZ-Häftling in Mauthausen, gab an, dass Ähnlichkeiten zwischen Gogl und einem SS-Mannes namens Trum bestanden haben. Er konnte Gogl jedoch eindeutig als jenen Mann identifizieren, der ihm schwere Misshandlungen zugefügt hatte. Als Beweis seiner Verletzungen zeigte er seine Narben auf der Brust, die von Gogls Messerstichen stammten. Gogl stritt auch dieses Mal alles ab und behauptete abermals, er fiele einer Verwechslung mit einem SS-Unterscharführer Bühner zum

740 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Heute erste Zeugen, 11.4. 1972, S. 6. 741 Oberösterreichische Nachrichten: Linzer Prozeß: Gogl von Zeugen der Verteidigung entlastet, (OÖN-gs), 12.4.1972, S. 7. 742 Vgl. ebd. 743 Walter Kehraus verständigte 1964 Simon Wiesenthal vom Aufenthaltsort Gogls – s.o.

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Opfer. Kehraus war ob dieser Behauptung sichtlich aufgebracht und meinte:744 „[…] diese Behauptung von Verwechslungen sei typisch für die Aussagen aller SS- Männer, die vor Gericht stünden.“745

Der „unnötige Prozeß“746 – so die Ansicht einiger Juristen – dürfte (entgegen erster Zeitungsberichte) doch so einiges an Interesse hervorgerufen haben. Die Rechts- kundigen, welche sich zu Wort meldeten, gründeten laut elftem Bericht der Oberös- terreichischen Nachrichten vom 14. April 1972 ihre Meinung darauf, dass der Straf- rechtsgedanke nicht mehr zum Tragen komme, da

a) keine Gefahr für die Wiederholung seitens Gogls für eventuelle Gewalttaten bestehe und b) falls der Angeklagte die Taten tatsächlich begangen haben sollte, er ja bereits schon seit langer Zeit wieder resozialisiert war.

Außerdem herrschte Kritik an der Durchführung des Beweisverfahrens, das sich hauptsächlich auf das Erinnerungsvermögen von Zeugenaussagen über Begeben- heiten stütze, die bereits fast 30 Jahre zurücklagen.747

Der Fall Gogl dürfte in Oberösterreich einiges Aufsehen erregt haben, da die Oberös- terreichischen Nachrichten zu diesem Verfahren eine Umfrage durchführten. In die- ser meinten zehn von zwölf Personen, dass es unmöglich sei, nach 30 Jahren die Wahrheit herauszufinden. Ein Interviewter bezeichnete das Verfahren gar als „Un- sinn“748 und es solle doch endlich ein Schlussstrich gezogen werden. Aber auch ein gewisses Verständnis für Kriegsverbrechen war anzutreffen, denn im Krieg käme es nun einmal zu diversen Grausamkeiten. Lediglich zwei Personen, ein Mann (29) und eine Frau (das Alter war nicht angegeben, aber der Abbildung nach zu urteilen, ebenfalls noch keine 30 Jahre), räumten die Schwierigkeit der Wahrheitsfindung ein,

744 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Heftiger Wortwechsel mit Zeugen. Gogl: „Sie verwechseln mich!“, (OÖN-gs), 13.4.1972, S. 6. 745 Ebd. 746 Oberösterreichische Nachrichten: Wahrheitsfindung nach 28 Jahren? Umfrage eines Oberösterrei- chische Nachrichten-Nachrichtenteams, 14.4.1972, S. 6. 747 Vgl. ebd. 748 Oberösterreichische Nachrichten: Wahrheitsfindung nach 28 Jahren?, 14.4.1972, S. 6.

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wollten aber Kriegsverbrechen verurteilt wissen.749 „Man kann nur hoffen, daß noch viele solcher Kriegsverbrecher gefunden und verurteilt werden.“750

Wiederum wurden laut zwölftem Bericht der Oberösterreichischen Nachrichten vom 14. April 1972 grausame Details der Misshandlungen bzw. Tötungen zutage geför- dert. Doch trotz dieser furchtbaren Schilderungen hatte sich der ehemalige SS- Unterscharführer augenscheinlich seinen Humor bewahrt. Denn für Lachen sorgte bei Gogl eine Wortmeldung des ehemaligen KZ-Insassen Herbert Melching. Er hatte sich nach seiner Verhaftung 1939 durch die Gestapo freiwillig nach Mauthausen ge- meldet: „weil die Österreicher doch gemütliche Leute sind.“751 Der Heiterkeitsanflug Gogls verschwand jedoch nach der Aufforderung Melchings, der sich an Gogl wandte und ihn aufforderte: „Herr Gogl, wenn Sie ein Mann sind, dann stellen Sie sich jetzt da vor den Richter und sagen: ‚Jawohl, so war`s!‘“752 Einige Personen im vollbesetz- ten Saal pflichteten dieser Aufforderung mit Bravo-Rufen bei. Ein Zuhörer verlangte sogar „Aufhängen!“753 Obwohl die Beweislage erdrückende Ausmaße annahm, blieb Gogl (trotz eindeutiger Identifizierung zweier Zeugen) bei seiner Verteidigungslinie: Er falle einer Verwechslung zum Opfer und könne sich an nichts erinnern.754

Über weitere Anschuldigungen Herbert Melchings berichteten die Oberösterreichi- schen Nachrichten am 15. April 1972 in ihrem 13. Bericht. Der ehemalige KZ-Insasse beschuldigte neben Gogl auch zwei weitere Unterscharführer, Bühner und Kramer, des Mordes an KZ-Häftlingen. Als der Vorsitzende Melching ein Bild Bühners zeigte, erkannte Melching ihn nicht, Gogl dagegen identifzierte Bühner eindeutig. Auf zwei Zeugen aus Luxemburg wartete das Gericht vergeblich, sie leisteten der gerichtlichen Ladung keine Folge. Auch auf die Aussage eines ehemaligen SS-Unterscharführers aus der Bundesrepublik musste das Gericht verzichten, da dieser sich knapp vor Prozessbeginn selbst getötet hatte.755

749 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Wahrheitsfindung nach 28 Jahren?, 14.4.1972, S. 6. 750 Ebd. 751 Oberösterreichische Nachrichten: Dramatik erreichte Höhepunkt. Zeuge will von Gogl Geständnis: „Seien Sie doch ein Mann!“, (OÖN-gs), 14.4.1972. S. 8. 752 Ebd. 753 Ebd. 754 Vgl. ebd. 755 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Verteidigung holte Terrain auf. Zeuge verübte Selbstmord, (OÖN-gs), 15.4.1972, S. 8.

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Die Oberösterreichischen Nachrichten beschränkten sich während des Verfahrens um Gogl nicht nur auf die Veröffentlichung von Berichten und Meinungsumfragen. Auch Leserbriefe, die die einschlägige Meinung der Verfasser wiedergaben, wurden publiziert. So zweifelte Wilhelm Wakolbinger die Sinnhaftigkeit des Prozesses gegen Gogl und generell gegen Kriegsverbrecher an. Speziell Gogl habe ja bereits durch seinen Lebenswandel (Inhaber eines florierendes Geschäftes, angesehener Bürger, Steuerzahler) in den letzten 30 Jahren bewiesen, welch wertvolles Mitglied der Ge- sellschaft er geworden sei. Der Leserbriefschreiber sah in der bevorstehenden Straf- rechtsreform eine Chance, endlich mit „diesem überholten Gedankengut“756, die To- desstrafe dürfe nicht verjähren, „[…] Schluß zu machen. So mancher Richter könnte überdies hiedurch einem Gewissenskonflikt enthoben werden, der Allgemeinheit wä- re gedient (man denke nur an den Justizaufwand) und niemandem geschadet. So- weit noch (rachesüchtige oder politische) gegenteilige Meinungen bestehen, sollten sie unter Bedachtnahme auf die praktischen Gegebenheiten endlich abgelegt wer- den.“757 Auch ein zweiter Leserbriefschreiber sah den Sachverhalt ähnlich:758 „Ich finde, man sollte die Vergangenheit auf sich beruhen lassen. Dem Judentum wird damit nur ein übler Dienst erwiesen.“759

Den Auftakt zur dritten Verhandlungswoche bildeten zwei weitere Mordanschuldi- gungen. Diese Taten soll Gogl im November 1944 an einem deutschen und einem französischen Häftling im Lager Ebensee begangen haben. Wie im 15. Bericht der Oberösterreichischen Nachrichten vom 18. April 1972 zu lesen war, dürfte die Befra- gung des einstigen Häftlings Richard Steinberg an dessen Belastbarkeitsgrenze ge- stoßen sein, da er auf die Nachfrage nach genaueren Details plötzlich höchst erregt zu sein schien und ausrief: „Die Justiz möge endlich Schluß damit machen, die Ver- gangenheit nach 28 Jahren immer wieder wachzurütteln.‘ Steinberg mußte nach sei- ner Aussage ärztlich versorgt werden.“760 Ein weiterer Zeuge, der SS- Unterscharführer Max Krämer, war ebenfalls von Steinberg stark belastet worden. Krämer, der bereits 1947 im Dachauer Prozess des Mordes an Häftlinen der Lager

756 Oberösterreichische Nachrichten: Eine Verurteilung wird zur bloßen Rache. Leserbrief von Dr. Wil- helm Wakolbinger, unter: Ihre Meinung bitte, Extrateil, 15.4.1972. 757 Ebd. 758 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Übler Dienst. Leserbrief von Erich Pühringer, unter: Ihre Meinung bitte, Extrateil. 15.4.1972. 759 Ebd. 760 Oberösterreichische Nachrichten: Zeuge zum Linzer Schwurgericht: „Macht doch endlich Schluß!“, 18.4.1972, S. 7.

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Ebensee und Mauthausen mit 20 Jahren Haft bestraft wurde, beteuerte im laufenden Prozess seine Unschuld und entlastete gleichzeitig den Angeklagten.761

Robert Steichen, Bürgermeister und ehemaliger Lager-Insasse im KZ Ebensee, iden- tifizierte Gogl laut 16. Bericht der Oberösterreichischen Nachrichten vom 19. April 1972 eindeutig als Mörder eines Mitinsassen. Dieser behauptete, in der Nacht zum 17. November 1944 Augenzeuge bei der Ermordung des Häftlings Hermann Kelch- ner gewesen zu sein. In der Gegenüberstellung des unter Eid stehenden Steichen reagierte Gogl äußerst wütend auf dessen Anschuldigungen und blieb bei seiner Aussage: Er sei das Opfer einer Verwechslung mit einem anderen Unterscharfüh- rer.762

Wie im 17. Bericht der Oberösterreichischen Nachrichten vom 25. April 1972 zu le- sen war, trat der Zeuge und ehemalige Lagerschreiber Hans Maršálek als sehr glaubwürdig auf und erinnerte sich gut an Gogl und dessen Beteiligung an der Er- mordung der alliierten Fallschirmspringer sowie der Welser Gruppe. Der Oberpolizei- rat Maršálek versicherte, dass Gogl damals als Kommandoführer im Steinbruch tätig war und er somit die Liquidierungen zu verantworten hatte. Der Angeklagte blieb bei diesen Beschuldigungen unbeeindruckt. Auch auf die Mitteilung des Vorsitzenden des Gerichts, dass Gogls Behauptungen äußerst unglaubwürdig erschienen, beharr- te er auf seiner Verteidigungsstrategie:763 „Ich bleibe dabei, was ich bisher gesagt habe.“764

Zum Lokalaugenschein kam laut 18. Bericht der Oberösterreichischen Nachrichten vom 26. April 1972 der Beschuldigte samt Gattin. Sie versorgte den „interessierten und offenbar gutgelaunten Beobachter“765 [Gogl] bei der Besichtigung der vermeintli- chen Tatorte mit Tee. Scheinbar war dem Angeklagten sehr daran gelegen, sein frü- heres Leben vor seiner Frau als moralisch einwandfrei darzustellen, da er bei der Besichtigung des Lagerbordells dieser versicherte: „Na, na, da bin i nie drinnen

761 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Zeuge zum Linzer Schwurgericht: „Macht doch endlich Schluß!“, 18.4.1972, S. 7. 762 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Zeuge belastet Gogl, 19.4.1972, S. 6. 763 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Linzer Mauthausenprozeß: Wiener Oberpolizeirat als Zeuge, (OÖN-gs), 25.4.1972, S. 7. 764 Ebd. 765 Oberösterreichische Nachrichten: Lokalaugenschein in Mauthausen. Gogl zeigte keinerlei Regung, (OÖN-gs), 26.4.1972. S. 6.

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g`wesen.“766 Einigen der Anwesenden ging bei der Begehung der Todesstiege buch- stäblich die Luft aus. Für den Berichterstatter kaum vorstellbar, dass es Häftlinge schafften, 50 Kilogramm schwere Granitsteine die 186 Stufen hinauf zu schleppen. Abermals konfrontierte der Vorsitzende Oberlandesgerichtsrat Dr. Koppauer den An- geklagten mit den Vorwürfen und stellte ihm, wie schon des Öfteren, die Frage: „Und Sie bleiben dabei, Herr Gogl, daß bei Ihren Kommandos keinerlei Mißhandlungen oder Tötungen vorgekommen sind?“767 Gogl bejahte diese Vermutung, worauf der Vorsitzende erwiderte: „In Ihrem Herzen wird es aber vielleicht anders ausse- hen…?“768 Die zurechtweisende Antwort des ehemaligen Unterscharführers:769 „Sie brauchen mir hier nicht ins Gewissen reden, Herr Vorsitzender!“770

In einer Anhörung von zwei Zeugen aus der UdSSR kamen im 19. Bericht der Ober- österreichischen Nachrichten vom 27. April 1972 weitere schreckliche Taten zur Sprache, die Gogl begangen haben sollte. Einer der Zeugen gab an, der Beschuldig- te sei ihm lediglich unter der Bezeichnung „Schwarzer Panther“771, der Schäferhunde auf Inhaftierte gehetzt haben soll, bekannt gewesen. Gogls richtigen Namen kannte er nicht. Vor Gericht stellte sich dann heraus, dass der Belastungszeuge einen Schä- ferhund nicht von einer Dogge unterscheiden konnte.772

Der 20. Bericht der Oberösterreichischen Nachrichten vom 3. Mai 1972 informierte über den Abschluss des Beweisverfahrens gegen den ehemaligen SS- Unterscharführer Gogl.773

Einigkeit herrschte laut 21. Bericht der Oberösterreichischen Nachrichten vom 4. Mai 1972, bei allen drei Schlussrednern über das Problem der Wahrheitsfindung nach fast 30 Jahren. Einer der Verteidiger, Dr. Haslinger, berief sich auf die Aussage von Juristen, dass jegliches Vergeltungsbedürfnis nach mindestens 20 Jahren erloschen sein müsste und daher die Durchführung von entsprechenden Verfahren sich erübri-

766 Oberösterreichische Nachrichten: Lokalaugenschein in Mauthausen. Gogl zeigte keinerlei Regung, (OÖN-gs), 26.4.1972. S. 6. 767 Ebd. 768 Ebd. 769 Vgl. ebd. 770 Ebd. 771 Oberösterreichische Nachrichten: Zeugen aus der UdSSR, 27.4.1972, S. 6. 772 Vgl. ebd. 773 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Heute Plädoyers, 3.5.1972, S. 5.

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gen würde. Zudem „warnte er die Laienrichter eindringlich davor, den Angeklagten wegen dessen SS-Vergangenheit etwa mit einer Kollektivschuld in Verbindung zu bringen.“774 Der zweite Verteidiger Gogls, Dr. Sailer, machte auf die „zahlreichen Wi- dersprüche“775 aufmerksam und „zerpflückte nochmals alle Zeugenaussagen der An- klage.[…] Wenn auf die zum Teil verschiedenartige Verantwortung Gogls hingewie- sen werde, so dürfe man nicht vergessen, daß sich der Angeklagte ebenso wie die Zeugen nach so langer Zeit irren können.“776 Staatsanwalt Dr. Bauer indessen stellte klar, dass die getätigten Zeugenaussagen für einen Schuldspruch ausreichen wür- den.777

Der Prozess gegen Gogl, welcher laut 22. Bericht der Oberösterreichischen Nach- richten vom 5. Mai 1972 in der Öffentlichkeit kaum Interesse hervorgerufen hatte, fand am 4. Mai 1972 in Linz seinen Abschluss. Nach fast fünfwöchiger Verhand- lungsdauer endete das Gerichtsverfahren gegen den Angeklagten mit einem ein- stimmigen Freispruch der Geschworenen. Sie hatten alle an sie gerichteten 23 Fra- gen mit Nein beantwortet. Dieser Spruch blieb jedoch nicht frei von Kritik. Einigen ZuhörerInnen, denen das Urteil missfiel, „machen ihrer Empörung mit Worten (‚Eine Schande!‘) Luft und knallen demonstrativ lautstark die Tür zu.“778 Auf die Ankündi- gung des Staatsanwaltes Dr. Bauer, Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil einzu- legen, folgten zahlreiche Bravorufe sowie zustimmender Beifall des noch verbliebe- nen Publikums.779

Der Gerichtsreporter Günther Schädel780 (OÖN-gs), der im Fall Gogl die mehrheitli- chen Prozessberichte verfasste, zollte im 23. Bericht der Oberösterreichischen Nach- richten vom 5. Mai 1972 den Laienrichtern großen Respekt. Sie hätten diese schwere Aufgabe nicht aus beruflichen Gründen übernommen, sondern sie wären ihrer

774 Oberösterreichische Nachrichten: Heute Urteil im NS-Prozeß. Plädoyers dauerten den ganzen Tag, (OÖN-gs), 4.5.1972. S. 7. 775 Ebd. 776 Ebd. 777 Vgl. ebd. 778 Oberösterreichische Nachrichten: Gogl einstimmig freigesprochen. Beifall für den Staatsanwalt, (OÖN-gs), 5.5.1972, S. 1 u. S. 5. 779 Vgl. ebd. 780 Günther Schädel verfasste für die Oberösterreichische Nachrichten Gerichts- und Sportreportagen. Schädel wurde 1988 in Linz/Altstadt ermordet. Das Verbrechen wurde nie aufgeklärt. Informationen lt. Telefongespräch mit Herrn Reif, Archivar der Oberösterreichische Nachrichten vom 31.7.2017.

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staatsbürgerlichen Pflicht nachgekommen und waren bestrebt, nach bestem Wissen und Gewissen ihr Urteil zu fällen: „Ging es doch für diese Männer und Frauen um einen genauso hohen Preis wie für den Staatsanwalt und den Angeklagten, nämlich Recht und Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen!“781 Dahingehend äußerte Schädel auch Unverständnis und Befremden gegenüber jenen, die dieses Ringen um Wahr- heit und Gerechtigkeit seitens der Geschworenen dann mit „Schmährufen“782 quittier- ten.783

Neben der Information über die Tumulte und Proteste empörter Zuschauer wegen des Urteils nahmen im zweiten Bericht des Mühlviertler Boten vom 13. Mai 1972 die Kosten, die der Prozess verursacht hatte, breiten Raum ein. „24 Verhandlungstage, Unmengen von Protokollen, die ins Archiv wandern, Tausender geleisteter Arbeits- stunden von Juristen und Erhebungsbeamten, monatelange Vorbereitung des Vorsit- zenden, der praktisch gänzliche Ausfall von zwei weiteren Richtern für ihren Ge- schäftsbereich – und Kosten von gut einer Viertelmillion Schilling, die der Prozeß hervorrief, dies alles diente den Bemühungen, die objektive Wahrheit herauszube- kommen. Allein die angereisten Zeugen hatten Gebühren von mehr als 50.000 Schil- lingen zu fordern.“784 Es wurden nochmals die Tötungsdelikte aufgezählt, derer Gogl angeklagt war und die einstimmige Verneinung aller LaienrichterInnen auf die ihnen gestellten Fragen sowie der darauf erfolgte Freispruch.785

Laut 24. Bericht der Oberösterreichischen Nachrichten vom 15. Mai 1972 äußerte sich Vizekanzler Häuser786 sehr kritisch über den Freispruch Gogls und betonte die politische Dimension dieser Entscheidung. 787 Denn es würden Fragen laut, „ob in all

781 Oberösterreichische Nachrichten: Es ging um einen hohen Preis, (Schädel, Günther), 5.5.1972, S. 5. 782 Ebd. 783 Vgl. ebd. 784 Mühlviertler Bote: Tumulte nach Gogl-Freispruch. Prozeßkosten eine Viertelmillion, 13.5.1972, S. 6. 785 Vgl. ebd. 786 Ing. Rudolf Häuser war von 1970 bis 1976 Sozialminister und Vizekanzler der SPÖ. Vgl. Österreichischer Gewerkschaftsbund: Rudolf Häuser: Zum 90. Geburtstag. 17.3.1999. URL:https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_19990317_OTS0148/rudolf-haeuser-zum-90- geburtstag, abgerufen am 3.8.2017. 787 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Häuser zu KZ-Prozeß, 15.5.1972, S. 2.

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diesen Fällen nach Recht und Gerechtigkeit entschieden wurde oder ob Einflüsse neofaschistischer Kräfte entscheidend waren.“788

Wie dem 25. Bericht der Oberösterreichischen Nachrichten vom 15. Mai 1972 zu entnehmen war, erläuterte Vizekanzler Häuser seine getätigten Aussagen im Zuge des Gogl-Prozesses. Einerseits fragte er nach der Sinnhaftigkeit von „Prozessen die- ser Art“789 nach so langer Zeit und betonte auch gleichzeitig, dass er weder die Rechtsstaatlichkeit der Gerichte in Frage stellen, noch der Justiz neofaschistische Beeinflussung anlasten wolle. Seine Bemerkung sollte dazu dienen, um jenen Fra- gen Aufmerksam zu schenken,790 „die breite Kreise in Österreich wie im Ausland be- wegen. […] Das Stellen dieser Fragen sei jedenfalls zweckdienlicher als der Versuch, den Kopf in den Sand zu stecken.“791

Diese kargen Informationen im zweiten Artikel vom 18. Mai 1972 bildeten den Ab- schluss der Berichterstattung über den Gogl-Prozess in den Mühlviertler Nachrichten. Sie waren eingebettet in einen kurzen Bericht über die jährliche Gedenkfeier in der Gedenkstätte Mauthausen. Aus dem Text erfährt die Leserschaft nichts über den Prozessverlauf bzw. Ausgang, sondern lediglich über die „hohe politische Brisanz“792 des Gogl-Prozesses.793

3.3.2 Der Gogl-Prozess 1975 in zweiter Instanz

Nachdem das Urteil gegen Johann Vinzenz Gogl vom Obersten Gerichtshof wegen falscher Belehrung aufgehoben wurde, fand ab 17. November 1975 ein weiterer Pro- zess gegen ihn am Landesgericht Wien statt.794

Laut erstem Bericht der Oberösterreichischen Nachrichten vom 18. November 1975, folgten der Prozesseröffnung unter dem Vorsitz von Dr. Salomon nur eine „Hand-

788 Oberösterreichische Nachrichten: Häuser zu KZ-Prozeß, 15.5.1972, S. 2. 789 Oberösterreichische Nachrichten: Häuser präzisiert Aussage. KZ-Prozesse neu überdenken, 17.5.1972, S. 5. 790 Vgl. ebd. 791 Ebd. 792 Mühlviertler Nachrichten, ohne Überschrift, 18.5.1972, S. 42. 793 Vgl. ebd. 794 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: SS-Mann-Gogl erneut vor Gericht: „Ich bin oft verwechselt worden“, 17.11.1975, S. 7.

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voll“795 Zuseher – darunter auch Simon Wiesenthal. In dem für drei Wochen anbe- raumten Schwurgerichts-Prozess sollte über Schuld oder Unschuld Gogls zu den ihm vorgeworfenen Taten befunden werden, wobei sich die Anklage nur noch auf jene Morde in Ebensee beschränkte und jene Tötungen, die er im Lager Mauthausen al- leine begangen haben soll. Trotzdem wogen die ihm vorgeworfenen Taten noch schwer:796

a) „Mitwirkung an der Ermordung von 40 holländischen Fallschirmjägern im Sep- tember 1944. b) Wenige Tage später sollen auf seine Anordnung Mitglieder der sogenannten ‚Welser Gruppe‘, eine kommunistische Widerstandsbewegung, [wie bereits vorhin angeführt, bestand diese Gruppe aus Mitgliedern unterschiedlicher poli- tischer Lager], auf der Flucht erschossen‘ worden sein. c) Im Nebenlager Ebensee hat Gogl laut Anklage drei Häftlinge, einen Franzo- sen, einen Russen und einen Deutschen, auf brutale Weise umgebracht.“797

Erwartungsgemäß bekannte sich Gogl auch dieses Mal nicht schuldig und die Ver- teidigungsstrategie blieb ebenfalls die gleiche: Er sei das Opfer von Verwechslungen mit einer ihm sehr ähnlich sehenden Person, die bereits kurz nach dem Zweiten Weltkrieg zum Tod verurteilt wurde.798

Der Angeklagte hatte laut zweitem Bericht der Oberösterreichischen Nachrichten vom 19. November 1975 am zweiten Prozesstag die Rolle des Retters für sich re- klamiert. Weil er KZ-Häftlingen geholfen hätte, wäre er von den SS-Leuten wegen seines Mitgefühls verspottet und beschimpft worden. So hätte er einen Häftling von der Welser Gruppe, der mit den Händen auf einen Pfahl aufgehängt gewesen war, aus dessen Lage befreit, worauf ihn SS-Männer mit „weicher Bruder“799 beleidigt hät- ten. Ein anderes Mal soll sich Gogl vor ein Loch im Zaun gestellt haben. Damit wollte er eine Erschießung der Häftlinge verhindern. Daraufhin folgte seine Ablösung, weil

795 Oberösterreichische Nachrichten: SS-Mann-Gogl erneut vor Gericht: „Ich bin oft verwechselt wor- den“, 17.11.1975, S. 7. 796 Vgl. ebd. 797 Ebd. 798 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: SS-Mann-Gogl erneut vor Gericht: „Ich bin oft verwechselt worden“, 17.11.1975, S. 7. 799 Oberösterreichische Nachrichten: Gogl zeichnet sich menschlich: „Habe Häftlingen sogar gehol- fen“, 19.11.1975, S. 2.

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er ein „feiger Hund“800 sei. Kurze Zeit später waren diese Häftlinge, die der Welser Gruppe angehörten und zuvor zum Steine tragen bestimmt worden waren, alle tot. Nach diesen Schilderungen musste der Vorsitzende die Verhandlung unterbrechen, da der Angeklagte zu weinen begann. Der ehemalige SS-Unterscharführer wurde an diesem Prozesstag noch mit drei weiteren Morden konfrontiert. Abermals betonte er seine Unschuld und begründete diese mit der Weigerung bei der Strangulierung des französischen Häftlings Leon Saliemonas zuzusehen. Er empörte sich über „so eine Schweinerei“801 und verließ den Schauplatz der Ermordung.802

Wie im dritten Bericht der Oberösterreichischen Nachrichten vom 20. November 1975 dargelegt, erschütterten die beiden Zeugen Johann Maršálek (61) und Walter Kehraus (53), die vor Behandlungsbeginn beide bedroht wurden, wenn sie als Zeu- gen erscheinen würden, das am vorigen Verhandlungstag von Gogl selbst beschwo- rene Bild des empathischen humanen Wachtpostens. Kehraus beschrieb die Tötung von zwei Häftlingen, indem Gogl und zwei andere SS-Männer diese in den Draht- zaun des Lagers Mauthausens geworfen hätten. Auch Kehraus selbst zählte zu den Opfern des Beschuldigten, da dieser ihn „niedergeschlagen und mit einem Messer auf ihn eingestochen“803 habe. Bei der Zeugengegenüberstellung verteidigte sich der Angeklagte mit den bekannten Worten: „Ich bleibe dabei, daß ich es nicht war.“804 Nachdem Gogl wieder behauptete, Kehraus müsse ihn mit einem ihm sehr ähnlich sehenden SS-Mann verwechseln, warf ihm dieser ein verächtliches „Du Feigling“805 an den Kopf. Der zweite Zeuge Johann Maršálek belastete den Angeklagten eben- falls schwer, denn seinen Angaben zufolge hatte der ehemalige SS-Unterscharführer sehr wohl seinen Beitrag an den Morden der Welser Gruppe sowie der vierzig hol- ländischen Fallschirmspringer geleistet.806

Der Mühlviertler Bote berichtete in seinem einzigen Bericht vom 22. November 1975 über den Freispruch Gogls 1972 und die Wiederaufnahme des Verfahrens wegen

800 Oberösterreichische Nachrichten: Gogl zeichnet sich menschlich: „Habe Häftlingen sogar gehol- fen“, 19.11.1975, S. 2. 801 Ebd. 802 Vgl. ebd. 803 Oberösterreichische Nachrichten: Gogl-Prozeß spitzt sich zu. Anonyme Drohungen für Zeugen, 20.11.1975, S. 5. 804 Ebd. 805 Ebd. 806 Vgl. ebd.

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unrichtiger Belehrung der Geschworenen. Es erfolgte eine Aufzählung jener Ankla- gepunkte, die bereits in den Oberösterreichischen Nachrichten vom 18.11.1975 Er- wähnung fanden.807

Auch während des weiteren Prozessverlaufs wurde Gogl laut viertem Bericht der Oberösterreichischen Nachrichten vom 28. November 1975 schwer belastet. Der belgische Staatsbürger, ehemalige Widerstandskämpfer und Lagerschreiber Camille Scholtes bezichtigte Gogl an der Ermordung des französisch-stämmigen Denunzian- ten Leon Saliemonas, im Lager Ebensee beteiligt gewesen zu sein. „Zeuge Scholtes sah drei über und über mit Blut bespritzte SS-Männer, unter ihnen Gogl, aus einer der Werkstätten kommen. Drinnen baumelte die Leiche des Franzosen an einem Strick. ‚Freitod durch Erhängen‘, mußte der Schreiber Scholtes vermerken.“808 Da der Körper von Saliemonas von Stichwunden übersät war, schloss Scholtes eindeutig auf Mord. Gogl mit den Vorwürfen konfrontiert behauptete wiederum: „Was der Zeuge sagt, ist falsch.“809 Dennoch gab er zu, dass der Tod von Saliemonas, der zuvor An- gehörige einer Widerstandsgruppe verraten hatte, bei ihm Genugtuung hervorrief.810 In seinen Schlussworten forderte der Staatsanwalt Dr. Gottfried Straßer „strengste Bestrafung“811 für Gogl. Gleichzeitig bezeichnete er den Angeklagten, wie im fünften Bericht der Oberösterreichischen Nachrichten vom 2. Dezember 1975 nachzulesen war, „als kleines Rädchen in einem perfekten Mechanismus“812, räumte aber ein, „ein gewisser Sadismus müsse schon vorhanden gewesen sein.“813 Zwei Anklagepunkte wurden fallengelassen und somit hatten die Geschworenen über die Beteiligung an der Ermordung an einem französischen Häftling sowie der Welser Gruppe zu befin- den. Der Verteidiger Dr. Mayrhofer plädierte auf nicht schuldig und unterstrich diese Forderung anhand einer Unterschriftenliste, unterzeichnet von etlichen hundert Per- sonen, die sich für einen Freispruch des ehemaligen SS-Unterscharführers einsetz- ten.814

807 Vgl. Mühlviertler Bote: Im KZ-Mauthausen „auf der Flucht erschossen“, 22.11.1975, S. 8. 808 Oberösterreichische Nachrichten: Gogl-Prozeß: Angeklagter von Augenzeugen schwer belastet, 28.11.1975, S. 5. 809 Ebd. 810 Vgl. ebd. 811 Oberösterreichische Nachrichten: Heute Urteil im Gogl-Prozeß, 2.12.1972, S. 6. 812 Ebd. 813 Ebd. 814 Vgl. ebd.

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Den Abschluss der Berichterstattung der Oberösterreichischen Nachrichten über den Gogl-Prozess bildete der sechste Bericht vom 3. Dezember 1975 über den ergange- nen Urteilsspruch des Landesgerichts für Strafsachen in Wien. Die Geschworenen hatten am 2. Dezember 1975 über Schuld oder Unschuld Gogls befunden und ihr Urteil gefällt: Gogl wurde zum zweiten Mal freigesprochen.815

3.3.3 Synopse beider Gogl-Prozesse

Die Ankündigung der 103 Seiten langen Anklageschrift und dem Aufgebot an Zeugen in den Oberösterreichischen Nachrichten ließ vermuten, dass es sich bei dem Pro- zess, in dem der Uhrmachermeister Johann Vinzenz Gogl aus Ottnang/Hausruck, der verschiedener grauenhafter Taten beschuldigt wurde, um eine „große Sache“ handeln musste und diese Angelegenheit einen größeren Zeitrahmen816 in Anspruch nehmen würde. Umso erstaunlicher dann die Information über das geringe Interesse der Öffentlichkeit, dem Prozess beizuwohnen.

Diese Behauptung des Desinteresses der Jugend an der Vergangenheit dürfte nicht ganz der Wahrheit entsprochen haben. Obwohl es in Linz bis in die 1970er Jahre zu keiner intensiven gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung mit der Zeit des Nati- onalsozialismus kam, hatte doch der Gogl-Prozess einiges an Interesse hervorgeru- fen. Besonders die linke Szene in Studenten- und Schülerkreisen begann sich Ende der 1960er Jahre intensiver mit der Vergangenheit der Elterngeneration und deren Rolle während der NS-Zeit auseinanderzusetzen. Diese Beobachtung lässt daher durchaus auf ein kritisches politisches Bewusstsein schließen. Jene Kreise sprachen sich dezidiert gegen Rechtsextremismus und Faschismus aus. Sie strebten eine um- fassende Demokratisierung an und lehnten sich gegen Autoritäten auf.817

815 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Gogl wieder freigesprochen, 3.12.1972, S. 7. 816 Vgl. Anzahl der untersuchten Zeitungsberichte von vom 30. März 1972 bis 27. Mai 1972.  Oberösterreichische Nachrichten. UZ: 4. April bis 25. Mai 1972: 25 Berichte: 4.4.; 5.4., 5.4.; 5.4.; 6.4.; 7.4.; 8.4.; 11.4.; 12.4.; 13.4.; 14.4.; 14.4.; 15.4.; 15.4.; 18.4.; 19.4.; 25.5.; 26.4.; 27.4.; 3.5.; 4.5.; 5.5.; 5.5.; 15.5.; 17.5.  Mühlviertler Nachrichten: UZ: 30. März bis 25. Mai 1972: zwei Berichte: 20.4.; 18.5.1972.  Mühlviertler Bote: UZ: 1. April bis 27. Mai 1972: zwei Berichte: 8.4.; 13.5.1972. 817 Vgl. John: Protest, Unruhe und ein violetter Mantel, S. 844f.

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Der Angeklagte Johann Vinzenz Gogl wurde zu Beginn der Berichterstattung als an- ständiges, biederes und wertvolles Mitglied der Gesellschaft dargestellt, der einem fast ein bisschen leidtun konnte, da er sich für vermeintliche Taten verantworten musste, die um die 30 Jahre zurücklagen. Der Empathieanflug schwand jedoch mit zunehmender Konfrontation und Beschreibung der ihm zur Last gelegten Taten.

Ein weiterer Punkt war die Berichterstattung über die unterschiedliche Meinung der Juristen (Staatsanwalt und Verteidiger) bezüglich Anwendung des Gesetzes, wel- ches für Gogl herangezogen werden sollte (Strafgesetz versus Reichsstrafgesetz).

Diskussionspunkt war in zwei Leserbriefen bzw. Umfragen die Sinnhaftigkeit der Kriegsverbrecherprozesse nach fast 30 Jahren. Die Meinungen darüber reichten von „Unsinn“818, bis Gogl habe die Verbrechen im Krieg begangen – da wären ja von al- len Seiten Verbrechen begangen worden – und es sollte doch endlich ein Schluss- strich unter die Vergangenheit gezogen werden. Von den zwölf befragten Personen vertraten zehn ähnliche Meinungen. Nur zwei jüngere Personen (jeweils männlich und weiblich) wollten Kriegsverbrechen verfolgt wissen, egal wie lange diese zurück- lagen. Zusammengefasst lassen diese veröffentlichte Umfrage bzw. die Leserbriefe eindeutig die Tendenz zur Nichtverfolgung von nationalsozialistischen Kriegsverbre- cherInnen erkennen.

Ähnlich kam dies auch im ersten Artikel und einzigen Kommentar „Was ist die Wahr- heit?“819 von Franz Eder von den Mühlviertler Nachrichten zum Ausdruck, indem er die Meinungen zu Kriegsverbrechen in drei Kategorien teilte:820

a) der radikale Teil der Bevölkerung, der für dieses Verbrechen die Todesstrafe forderte b) jener gemäßigte Teil, der nur eine symbolische Bestrafung anstrebte (wie die- se aussehen sollte, wurde nicht beschrieben); c) jene Gruppe, die jedes Wiederaufrollen von Vergangenem aus Rücksicht auf den Beschuldigten sowie dessen Familie ablehnte.

818 Oberösterreichische Nachrichten: Wahrheitsfindung nach 28 Jahren?, 14.4.1972, S. 6. 819 Mühlviertler Nachrichten: Was ist die Wahrheit?, (Eder), 20.4.1972, S. 2. 820 Vgl. ebd.

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Das Urteil selbst bzw. die Publikumsreaktionen wurden von den Mühviertler Nach- richten ignoriert. Lediglich im Zuge einer Information über die jährliche Gedenkfeier in der Gedenkstätte Mauthausen erfährt die Leserschaft über die „hohe politische Bri- sanz“821 des Gogl-Prozesses.

Der erste von zwei Berichten des Mühlviertler Boten gab sehr komprimiert die Vor- würfe gegen Gogl wieder, wobei ungefähr zwei Drittel ein Profilbild Gogls einnahm, das ihn als älteren, schon etwas ergrauten, biederen Herrn im Steyreranzug zeigte.

Die nachfolgende Nachricht des Mühlviertler Boten beinhaltete die „Reinwaschung“ Gogls und nahm Bezug auf die Tumulte nach der Urteilsverkündung und den darauf- folgenden lautstarken Protestrufen der Urteilsgegner. In diesem Zusammenhang drang auch die Frage der Sinnhaftigkeit von Prozessen über Verbrechen, die im Na- tionalsozialismus begangen wurden, durch. Die hohen Kosten wurden dem fehlen- den Interesse bzw. dem Nichtverständnis der Bevölkerung für dieses Verfahren ge- genübergestellt. Auch ein Artikel (neben dem Prozessbericht) in großen Lettern: „Noch immer 622 Linzer in Baracken“822 könnte dazu angetan gewesen sein, Zweifel am Nutzen des über den 250.000 Schilling aufwändigen Prozess zu wecken bzw. zu verstärken.

Auch Günther Schädel, der als Gerichtsreporter 13 Berichte und Kurznachrichten in der Gogl-Angelegenheit verfasste, erwähnte in seinem einzigen Kommentar die „ho- hen Kosten“823 in körperlicher, geistiger und seelischer Hinsicht. Diesen Preis muss- ten in erster Linie die Geschworenen „zahlen“. Sie waren nach dem Urteil von jenen ZuseherInnen, denen das Urteil missfiel, mit lautstarken Unmutsbekundungen kon- frontiert. Schädel resümierte, dass es sich die Geschworen mit der Urteilsfindung nicht leicht gemacht hätten und mit dem Urteil „Recht und Gerechtigkeit zum Sieg“824 verholfen hätten.825

821 Oberösterreichische Nachrichten: Häuser zu KZ-Prozeß, 15.5.1972, S. 2. 822 Mühlviertler Bote: Noch immer 622 Linzer in Baracken, 13.5.1972, S. 5. 823 Oberösterreichische Nachrichten: Es ging um einen hohen Preis, (Schädel), 5.5.1972, S. 5. 824 Ebd. 825 Vgl. ebd.

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Simon Wiesenthal, der eigentliche „Initiator“ des Prozesses, schloss sich der Mei- nung Günther Schädels nicht an. Er wies in seinem Werk „Recht, nicht Rache“ auf Beobachtungen eines Freundes während des Verfahrens hin:826 „Alle Zeugen mach- ten präzise Angaben, die den Angeklagten aufs schwerste belasteten. Aber unter den Zuhörern herrschte eine Atmosphäre, die das Urteil vorwegnahm. Eine Reihe ehemaliger SS-Männer rief ihrem Kameraden Mut zu und machte die jüdischen Zeu- gen durch Zwischenrufe lächerlich. ‚Man hat gedacht, man ist nicht im Jahr 1972, sondern im Jahr 1942‘, erzählte mir ein Freund, der der Verhandlung beigewohnt hatte.“827

Die Erwähnung der Unterstützungsrufe für Gogl lassen die Oberösterreichischen Nachrichten und auch die beiden untersuchten Mühlviertler Wochenzeitungen ver- missen. Ein weiteres Detail, das aufzuführen wert erscheint, war, dass Schädel zwar von den „Schmährufen“828 der enttäuschten Zuhörer (und das zweimal) berichtete, aber die Reaktion der Befürworter nicht berücksichtigte. „Lauter als die Empörung ehemaliger Häftlinge klangen jedoch die ‚Bravo‘-Rufe der ehemaligen SS-Männer.“829 Den Abschluss der Berichterstattung in den Oberösterreichischen Nachrichten sowie den Mühlviertler Nachrichten bildete die Äußerung Häusers über die „hohe politische Brisanz“830 des Urteils, das Reaktionen im In- wie im Ausland hervorgerufen hätte. Außer der Bemerkung der Oberösterreichische Nachrichten, dass es (negative) Re- aktionen auf das Urteil gegeben haben musste, fanden sich zu dieser Angelegenheit keine weiteren Hinweise. Der Mühlviertler Bote negierte die Äußerung Häusers und die Mühlviertler Nachrichten erwähnten diese Aussage nur nebenbei. Dass es kriti- sche Medienberichte zum Urteil aber gegeben hatte und zwar von anderen Zeitun- gen, ist im Jahrbuch der Gedenkstätte Mauthausen 2014 zu lesen: „Die Folge dieses Freispruchs waren nicht nur empörte Medienberichte, sondern auch internationale Proteste: In Washington stürmten etwa Mitglieder der Jewesh Defense League die österreichische Botschaft, wo sie eine Hakenkreuzflagge und ein Schild mit dem Text ‚Don`t visit Nazi Austria‘ anbrachten.“831

826 Vgl. Wiesenthal: Recht, nicht Rache, S. 374f. 827 Ebd., S. 374. 828 Oberösterreichische Nachrichten: Es ging um einen hohen Preis, (Schädel), 5.5.1972, S. 5. 829 Wiesenthal: Recht, nicht Rache, S. 376. 830 Oberösterreichische Nachrichten: Häuser zu KZ-Prozeß, 15.5.1972, S. 2. 831 Holzinger: Das letzte Urteil, S. 78.

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Ein anderes Faktum, welches bei den untersuchten Zeitungen nicht zur Sprache kam und zumindest bei der Volksstimme Entrüstung hervorrief, war das Bekanntwerden, dass sich unter den Geschworenen ehemalige verdiente NSDAP-Mitglieder befan- den: „Wo noch in der Welt ist es möglich, dass ehemalige engagierte NS-Mitglieder über Kriegsverbrecher zu Gericht sitzen?“832

Wie angekündigt legte die Staatsanwaltschaft im Mai 1972 Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil ein833, das der Oberste Gerichtshof aufhob. Der zweite Prozess wurde an das Landesgericht Wien delegiert, wo es dann auch im November 1975 zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens kam.834 Auffallend ist bei allen drei untersuch- ten Zeitungen835 die verringerte Berichterstattung gegenüber dem ersten Prozess. Der Mühlviertler Bote berichtete in einem einzigen Artikel über den seinerzeitigen Freispruch Gogls, die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Aufzählung der An- klagepunkte. Auch bei den Oberösterreichischen Nachrichten ließ sich eine vermin- derte Berichterstattung feststellen. So veröffentlichte sie über den zweiten Prozess nur sechs Artikel, während im Linzer Prozess 25 Berichte zu verzeichnen waren. Die zweite Mühlviertler Wochenzeitung, die Mühlviertler Nachrichten, ließen eine Beteili- gung an der Berichterstattung gänzlich vermissen.

Gogl wurde nicht mehr so oft wie in den Artikeln des Jahres 1972 als Uhrmacher- meister aus Ottnang/Hausruck genannt, sondern stattdessen als gebürtiger Südtiro- ler bezeichnet. Zusätzlich zu seiner Verteidigungstaktik, alle ihm vorgeworfenen Ta- ten abzustreiten und auf Verwechslung zu pochen, legt er sich im zweiten Prozess die Rolle des empathischen, hilfsbereiten Aufsehers zu, der versuchte, Morde zu verhindern, wenn es ihm möglich war. Diese Strategie zeigte Wirkung: Am 2. De- zember 1975 durfte sich Gogl wiederum über einen Freispruch freuen, den der Staatsanwalt mit den Worten kommentierte, dass Gogl sicherlich nur „ein kleines

832 Volksstimme: Proteste gegen Gogl-Freispruch, 6.5.1972, S. 2. 833 Vgl. Mühlviertler Bote: Gogl-Freispruch: Nichtigkeitsbeschwerde, 3.6.1972, S. 6. 834 Wiesenthal: Recht, nicht Rache, S. 377. 835 Vgl. Anzahl der untersuchten Zeitungsberichte von 13. November 1975 bis 20. Dezember 1975:  Oberösterreichische Nachrichten. UZ: 18. November bis 5. Dezember 1975: Sechs Berichte: 18.11.; 19.11.; 20.11.; 28.11.; 2.12; 3.12.  Mühlviertler Nachrichten. UZ:13. November bis 18. Dezember 1975: kein Bericht.  Mühlviertler Bote. UZ: 15. November bis 20. Dezember 1975: ein Bericht: 22.11.1975.

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Rädchen“836 in der NS-Maschinerie gewesen sei. Mit diesen Worten hatte sich Eich- mann 14 Jahre zuvor ebenfalls für seine Taten gerechtfertigt (s.o.). Eine ähnliche Sichtweise ließ sich auch aus den Leserbriefen bzw. der Umfrage der Oberösterrei- chischen Nachrichten ableiten: Es war Krieg und im Krieg geschehen nun einmal Verbrechen auf beiden Seiten. Es blieb einem ja nichts anderes übrig, als die Anord- nungen auszuführen, man handelte auf Befehl. Deshalb könnten diese Taten keine Verbrechen darstellen.837

Auch die Reaktion des damaligen Ersten Staatsanwalts am Wiener Landesgericht ließ erkennen, dass er erhebliche Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Verfolgung von NS-Verbrechen hatte und der Meinung war, doch endlich Schluss mit den Kriegsver- brecherprozessen zu machen.838 „Wem nützen eigentlich Naziprozesse? Hat sich so ein Mensch nach Jahrzehnten sozial und politisch integriert, so halte ich es für sinn- los und unnotwendig, jemand aus dem sozialen Gefüge zu reißen.“839

Diese Aussage bringt die Meinung der in den Oberösterreichischen Nachrichten ab- gedruckten Stellungnahmen der befragten Personen bzw. der Leserbriefschreiber vortrefflich auf den Punkt und spiegelt die mehrheitlichen Anschauungen sehr gut wider. Wie beim ersten Prozess dürfte das Urteil auch außerhalb Österreichs mit In- teresse verfolgt worden sein:840 „Eher betreten, zum Teil sogar fassungslos, nahmen die Korrespondenten und Berichterstatter der ausländischen Zeitungen und Presse- agenturen diesen zweiten Freispruch Gogls auf. Im Hinblick darauf, daß ein Schuld- spruch wegen Gogls schwerer Krankheiten zweifellos nur formellen Charakter gehabt hätte – Gogl wäre haftunfähig gewesen – so meinten einige, wäre eine Verurteilung im Sinne der demokratischen Rechtsprechung angezeigt gewesen.“841

Der Urteilspruch hatte nicht nur Auswirkungen auf das Leben Gogls, sondern es war eine vergebene Chance, sich eindeutig vom Nationalsozialismus zu distanzieren. Zu hinterfragen wäre auf alle Fälle die Einstellung des Ersten Staatsanwaltes gewesen.

836 Oberösterreichische Nachrichten: Gogl wieder freigesprochen, 3.12.1972, S. 7. 837 Vgl. Oberösterreichische Nachrichten: Wahrheitsfindung nach 28 Jahren?, 14.4.1972. S. 6. 838 Vgl. Wiesenthal: Recht, nicht Rache, S. 379. 839 Ebd. 840 Vgl. Arbeiter-Zeitung: Gogl zum zweitenmal freigesprochen. Nach mehrstündiger Beratung der Geschworenen – Staatsanwalt erbot Bedenkzeit, (Karas, Christa). 3.12.1975. S. 5. 841 Ebd.

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Denn wenn dieser die Verfolgung von NS-StraftäterInnen mit jener Skepsis betrach- tete wie vorhin dargelegt, konnte und kann dies zu einer nicht zu unterschätzenden Bestärkung von rechtsradikalen oder neonationalsozialistischen Gruppierungen füh- ren.

Dieser Freispruch wurde seitens der drei untersuchten Medien keinerlei näherer Be- trachtung oder Kritik unterzogen. Konnten sich die Oberösterreichischen Nachrichten und der Mühlviertler Bote zugute halten, über den Prozess bzw. das Urteil berichtet zu haben, so gilt dies für die Mühlviertler Nachrichten nicht. Diese Wochenzeitung hatte einen Mantel des Stillschweigens über die Sache Gogl gebreitet.

Anders die kommunistische Volksstimme, welche sich durchaus kritisch über das Urteil äußerte und diese Unzufriedenheit auch ausdrückte:842 „Und wenn in einem Prozess gegen einen SS-Mann aus Mauthausen noch soviele Zeugen über sein Wü- ten und seine Grausamkeiten aussagen, so nützt das nichts, er wird freigesprochen; von fürchterlicher Blutschuld freigesprochen; ja er wird von gewissen Leuten sogar gefeiert.“843

Allen Zeitungen voran standen die Oberösterreichischen Nachrichten in der Bericht- erstattung über den Fall Gogl. Sie schilderten die grausamen Verbrechen, derer Gogl angeklagt war, machten sie als Aufsehen erregendes Ereignis auf und stellten sie als verabscheuungswürdig dar. Eine Distanzierung zum Nationalsozialismus fand jedoch nicht statt.

Nach eingehender Beschäftigung mit den Oberösterreichischen Nachrichten, den Mühlviertler Nachrichten und dem Mühlviertler Boten kann hier festgehalten werden, dass keine dieser Zeitungen eine Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalso- zialismus in Österreich verlangte, sich kritisch zum Urteil äußerte, keine weitere Ver- folgung von NS-Straftaten forderte (im Gegenteil, sie in Frage stellte) und mit ihren Leserbriefen und Umfragen ebenfalls die „individuelle Opfertheorie“844 wiedergab, es unterließ sie zu hinterfragen und sie dadurch stützte. Nach all diesen Erkenntnissen

842 Vgl. Volksstimme: Die politische Moral in Österreich, 5. 12.1975, S. 2. 843 Ebd. 844 Diese wurde gestützt durch Aussagen wie „Es war ja Krieg und die Befehle mussten ausgeführt werden“, „Verbrechen gab es auf allen Seiten“. Vgl. Umfrage in den Oberösterreichische Nachrichten, 13.4.1972. S. 6.

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ist daher festzustellen, dass die analysierten Zeitungen keinen Beitrag zur Aufarbei- tung leisteten.

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4 Zusammenfassung und Resümee

Mit der Verabschiedung des Kriegsverbrechergesetzes und des Verbotsgesetzes von 1945 bekundete die österreichische Provisorische Regierung ihren Willen, den von den alliierten Behörden geforderten Demokratisierungsprozess einzuleiten. Eine Maßnahme, die diesbezüglich Wirkung zeigen sollte, war die von den Besatzungs- mächten und der österreichischen Regierung beschlossene Entnazifizierung in allen Bereichen, die jedoch nur partikular gelang und zunehmend ins Kreuzfeuer der Kritik geriet. Durch Neueinstufungen der „Belasteten“ und häufige Amnestien unterblieben vermehrt negative Folgen für ehemalige NSDAP-Mitglieder und Funktionäre. Stellver- tretend für diese Vorgehensweise soll hier der ehemalige Bürgermeister von Pregar- ten stehen. Nach überaus langwierigen und aufwändigen Recherchen konnte der Werdegang von Ferdinand Fröhlich, der in der Nachkriegszeit einiger NS-Verbrechen angeklagt war und jedes Mal einer Verurteilung entging, geklärt werden. Fröhlich, der bereits Anfang Mai 1945 vor den herannahenden Alliierten floh, jedoch aufgegriffen werden konnte, war aufgrund seiner Funktion und seiner Parteizugehörigkeit seit 1933, im Sinne des Verbotsgesetzes von 1945, als „Belasteter“ einzustufen und hat- te demnach alle sich daraus ergebenden Konsequenzen zu tragen. Die Novellierung des Verbotsgesetzes von 1947 ermöglichte jedoch dem ehemaligen Bürgermeister eine Neueinstufung in „minderbelastet“. Auf diesen Umstand berief er sich, als er ab Ende der 1940er Jahre an die Gemeinde Gehaltsanforderungen stellte und eine An- erkennung seiner Pensionsanrechnungszeiten, während er der Gemeinde Pregarten als Bürgermeister (1938 bis 1945) vorstand, beanspruchte. Beides musste ihm ge- währt werden. Obwohl Fröhlich seit Mai 1945 seinen Dienst in der Gemeinde nicht mehr versah und er seit 1947 als Angestellter in Linz einem Beruf nachging, kam be- hördlicherseits (Landesregierung und Bezirkshauptmannschaft) die Anweisung der von Fröhlich beanspruchten Gehaltsauszahlung, die sich vom 1. März 1947 bis zum 1. Jänner 1951 erstreckte, Folge zu leisten. Obgleich der ehemalige Bürgermeister zahlreicher NS-Verbrechen angeklagt und noch weiterer verdächtigt wurde, hatte seine NS-Vergangenheit, ausgenommen seine Untersuchungshaft, keinen negativen Einfluss in finanzieller wie in beruflicher Hinsicht, da er ab 1947 wieder als Angestell- ter eines Linzer Unternehmens tätig war und er von 1947 bis Anfang 1951 doppeltes Gehalt bezog. Fröhlich kehrte nicht wieder nach Pregarten zurück und starb am 4. Mai 1969 in Linz.

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Nicht selten wurde den „belasteten“ Personen Hilfe von ehemaligen Widerstands- kämpfern oder anderer vom NS-Regime Verfolgter zuteil, indem sie ihnen eine ma- kellos politische Vergangenheit bescheinigten und ihnen so eine Wiedereingliede- rung in die Gesellschaft ermöglichten. Negative Konsequenzen, wie sie das Entnazi- fizierungsgesetz vorsah, konnten somit meist zur Gänze vermieden werden.

Auch in der Berichterstattung der untersuchten Zeitungen häuften sich, je größer die zeitliche Distanz zum Zweiten Weltkrieg wurde, Beanstandungen über die harten Entnazifizierungsmaßnahmen gegenüber dem „kleinen Nazi“, die sich auch in der Forderung der Parteien nach Reintegration der betroffenen Personen widerspiegelte. Neben der ÖVP tat sich diesbezüglich auch die SPÖ hervor, deren Innenminister Helmer sich bereits 1947 für die Gründung der VdU aussprach und so viele „Ehema- lige“ zumindest symbolisch rehabilitierte und seitens der SPÖ die Bereitschaft signa- lisierte, einen Schlussstrich unter die Zeit des Nationalsozialismus zu ziehen.

Unmittelbar nach Kriegsende besaß die rigorose Neugestaltung und Kontrolle der Medienlandschaft für die alliierten Mächte hohe Priorität. Damit sollte ein Weiterbe- stehen oder ein Wiederaufflammen der nationalsozialistischen Ideologie verhindert werden. Ein besonderes Anliegen der US-amerikanischen Behörden stellte die Instal- lation einer unabhängigen Presse dar. Mit der Erteilung eines Permits an eine Perso- nengruppe, unter der sich neben Hans Behrmann auch Vertreter der SPÖ, KPÖ und ÖVP befanden, sahen sie dies gewährleistet. Durch die Unterstützung der amerika- nischen Medienoffiziere (allen voran Barrach) gewannen die Oberösterreichischen Nachrichten einen Wettbewerbsvorsprung gegenüber anderen Zeitungen, da sie bis zum Erscheinen weiterer Printmedien bereits einer großen Leserschaft bekannt wa- ren. Dieser Umstand dürfte einen Faktor darstellen, der zu jenem Erfolg führte, der bis dato anhält, da diese Zeitung noch immer existiert.

Jenen Bruch, der seitens der US-Militärbehörden in personeller wie in institutioneller Ebene angestrebt war, gab es nicht. Die Emigrationsbewegungen, die bereits wäh- rend der Zeit des „Ständestaates“ einsetzten und sich in der Zeit des Nationalsozia- lismus verstärkten, hinterließen ein Vakuum in den verschiedensten Bereichen. Da auch nach Errichtung der Demokratie viele ExilantInnen Österreich fern blieben, ent- stand ein Defizit, das es aufzufüllen galt. Dies betraf auch den Zeitungssektor. Mit-

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glieder der Reichsschrifttumskammer waren während der Zeit des Nationalsozialis- mus in den unterschiedlichen Medienbereichen tätig und fanden dort auch nach En- de des Zweiten Weltkriegs wieder die Möglichkeit einer Anstellung. Eine pro- nationalsozialistische Berichterstattung war aber wegen der Zensurbestimmungen kaum zu befürchten. Diese Ansicht findet sich auch in dem Umstand bestätigt, dass es – bis auf eine Ausnahme – bei keiner der untersuchten Zeitungen in der Zeit von 1945 bis 1948 zu einer verklärenden oder idealisierenden Darstellung des National- sozialismus kam. Dass aber Entgleisungen stattfanden und dementsprechend ge- ahndet wurden, lässt sich anhand des Erscheinungsverbots des Tagblatts aufgrund des Artikels von Chefredakteur Oberhummer wegen Verbreitung pangermanistischer völkischer Ideen aufzeigen.

Die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit in den Zeitungen beschränkte sich in der unmittelbaren Nachkriegszeit auf Prozessberichterstattungen. Es wurde über die großen Kriegsverbrecherprozesse berichtet und diesbezügliche Vergehen scharf verurteilt. Etwas differenzierter gestaltete sich die Berichterstattung der „Mühl- viertler Hasenjagd“. Prinzipiell wurden die Taten auch hier als verwerflich dargestellt, aber die Umstände und Bedingungen, unter denen sie begangen wurden, entschul- digt – so wurde den LesereInnen suggeriert, dass der tatsächlich Schuldige der nati- onalsozialistische Staat sei, der die Menschen geprägt hätte und diese somit Opfer des Systems geworden seien.

Aber auch anderen Opfern des Regimes wurde in den Zeitungen gedacht: Jenen, die ihr Leben für Führer, Volk und Vaterland ließen. Die Andenken an die toten Kämpfer wurden mittels Errichtung von Kriegerdenkmälern und bei Feiern des Kamerad- schaftsbundes hoch gehalten. Bei den untersuchten Zeitungen waren diese Gedenk- feiern besonders im Mühlviertler Boten und in den Mühlviertler Nachrichten immer wiederkehrende Themen, aber auch die Oberösterreichischen Nachrichten räumte den Heldengedenken ihren Platz ein. Anderen Opfern des NS-Regimes wurde bis auf wenige Ausnahmen (angekündigte Gedenkfeier der ermordeten Sozialisten in Freistadt) kaum Raum gegeben.

Eine kritische Auseinandersetzung mit NS-Verbrechen unter Beteiligung der Öster- reicherInnen fand in der unmittelbaren Nachkriegszeit nicht statt. Dies traf auch für

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die Geschehnisse rund um die „Mühlviertler Hasenjagd“ zu. Erstmalige Erwähnung fand sie, die Marktgemeinde Wartberg betreffend, in der Ortschronik aus dem Jahre 2011, in der die Zahl der Entflohenen und im Ortsgebiet von Wartberg Getöteten fälschlicherweise eklatant nach unten nivelliert wurde. Als Pionier im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit der „Mühlviertler-Hasenjagd“ hat sich Peter Kammerstätter erwiesen. Er legte in den 1970er Jahren eine umfangreiche Materialsammlung über die grausame Menschenjagd im Februar 1945 an, die jedoch keine größere Reso- nanz in der Gesellschaft bezüglich der Aufarbeitung der Ereignisse hervorrief. Sie setzte öffentlichkeitswirksam erst mit dem Film „Hasenjagd – Vor lauter Feigheit gibt es kein Erbarmen“ ein. Der Kinofilm war für viele Menschen Anlass, sich näher mit dem Thema zu beschäftigen und weckte bei einigen den Wunsch, dem Geschehen in jenen Gegenden, auf deren Boden die Menschenjagd stattgefunden hatte, der Op- fer zu gedenken. Bis zur Umsetzung des Vorhabens waren oftmals viele Zusammen- künfte, Diskussionen und kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit notwendig. Im Zuge des Projekts kamen somit auch Personen, die sich bis zu jenem Zeitpunkt nicht oder kaum mit dieser Thematik auseinandergesetzt hatten, in Berührung. Daher gab der Film den Anstoß zu einer Aufarbeitung der „Mühlviertler Hasenjad, die sich infolge in einer sichtbaren Gedenkkultur in den betroffenen Gegenden ausdrückte.

Die Indoktrination mit der Ideologie des Nationalsozialismus hatte bei Menschen des ehemaligen Deutschen Reiches seine Spuren hinterlassen. Fast 20 Jahre nach Kriegsende und zwei Jahre nach Beendigung des Eichmann-Prozesses, in dem die Bevölkerung Österreichs über die Gräueltaten von NS-VerbrecherInnen erfuhr, be- dienten sich manche einer Sprache, die die Verachtung für die Opfer zum Ausdruck brachte („Narrische, Depperte, die zu nix gut waren, habens verheizt“). In der Umge- bung von Schloss Hartheim fehlte jegliches Verständnis für das Bedürfnis der Hinter- bliebenen, der („minderwertigen“) Opfer an einer würdigen Stätte zu gedenken. Die Übermalung des Gedenksteins in der ehemaligen Euthanasieanstalt brachte nach- drücklich die Ansicht zum Ausdruck, dass das Andenken an die Toten sowie eine Auseinandersetzung mit der NS-Zeit unerwünscht waren. Ziemlich zeitgleich mit dem Beginn der Aufarbeitung der „Mühlviertler Hasenjagd“, nämlich in der zweiten Hälfte der 1990er, Jahre fand dann eine intensivere Auseinandersetzung mit der Funktion von Schloss Hartheim während der NS-Zeit statt. Auch hier ging die Initiative zur Aufarbeitung und der Errichtung von Gedenkstätten von Privatpersonen bzw. Verei-

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nen aus, denen es ein Anliegen war, an die grausamen Ereignisse zu erinnern und den Geschehnissen in einem entsprechenden Rahmen zu gedenken.

Seitens der österreichischen Behörden und der Politik bestand offenbar nur geringes bis kein Interesse, Ereignisse der NS-Vergangenheit und die Verstrickungen der Be- völkerung darin näher zu untersuchen und kritisch zu hinterfragen. Bis zur Errichtung einer eigenen Sonderabteilung in der ersten Hälfte der 1960er Jahre gab es keine Institution, die sich speziell mit NS-Kriegsverbrechen und deren Verfolgung beschäf- tigte. Diese Aufgabe übernahm in Eigeninitiative Simon Wiesenthal. Alle in dieser Arbeit aufgelisteten gerichtlichen Verfolgungen von NS-Verbrechen, mit Ausnahme der „Mühlviertler Hasenjagd“, sind fast ausnahmslos der Beharrlichkeit und Ausdauer von Simon Wiesenthal zu verdanken. Gemeinsam mit Dr. Fritz Bauer ermöglichte der studierte Architekt die Auffindung und Verhaftung von Adolf Eichmann und war we- sentlich an der Anklageerhebung an Franz Murer beteiligt. Durch die Übergabe von Belastungsmaterial im Zuge des Eichmann-Prozesses seitens der israelischen Be- hörden bzw. jüdischer Organisationen erfuhr die Bevölkerung, dass sich auch in Ös- terreich noch nationalsozialistische GewaltverbrecherInnen befinden würden. Eine Forderung nach gerichtlicher Ahndung dieser Gewalttaten kam ebenfalls wieder von jüdischer Seite. Sie zeigte dann auch insofern Erfolg, da eine eigene Abteilung ein- gerichtet wurde, als dessen Leiter Josef Wiesinger fungierte. Durch diese Gruppe konnte umfangreiches Belastungsmaterial vor allem von ÖsterreicherInnen zusam- mengetragen werden, das an die Staatsanwaltschaften und Gerichte übermittelt wur- de. Während der Regierung Kreisky 1970 und 1971 kam es unter Innenminister Rösch zu einer massiven Verkleinerung der Abteilung und 1975 am Höhepunkt der Peter-Kreisky-Wiesenthal-Affäre zu einer kompletten Auflösung dieser Einrichtung. Obwohl umfangreiche Ermittlungen stattfanden, war das Ergebnis ein relativ gerin- ges: In der Zeit von 1963 bis 1975 kam es lediglich zu 15 rechtskräftig abgeschlos- senen Verfahren wegen NS-Verbrechen. Wird der Zeitraum nach der Volksgerichts- tätigkeit ab 1956 bis zum Jahr 2006 einer Betrachtung unterzogen, so ergeben sich in Summe 35 Prozesse, die dann tatsächlich zur Durchführung gelangten.

Wiesenthal war es auch, der 1964 die ehemalige Euthanasieanstalt Hartheim durch einen offenen Brief an den damaligen Justizminister Christian Broder wieder ins Licht der Öffentlichkeit rückte. Durch diese Aktion bewahrte er die Geschehnisse in

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Schloss Hartheim vor dem Vergessen und lieferte daher einen Anstoß zur Auseinan- dersetzung mit der NS-Vergangenheit, der sich in der Errichtung einer Gedenkstätte, die für alle zugänglich war, äußerte. 1964 war auch jenes Jahr in dem Simon Wie- senthal Anzeige gegen den ehemaligen Unterscharführer Johann Vinzenz Gogl we- gen NS-Verbrechen erstattete. Acht weitere Jahre sollten vergehen, bis es zum ers- ten Prozess gegen Gogl kam, auf den der zweite folgte. In beiden Fällen durfte sich Gogl über einen Freispruch freuen, der im In- wie im Ausland zu Kritik Anlass gab.

Überwogen beim Fall Gogl die Forderungen nach Einstellung der Ahndung von NS- Verbrechen bzw. wurde die Sinnhaftigkeit der Verfolgung hinterfragt, stand dieser Punkt beim Eichmann- sowie den „Hasenjagd“-Prozessen außer Zweifel. Obwohl die Taten Gogls verabscheut wurden, kam es wiederholt zur Betonung seiner sozialen Reintegration. In dieser Hinsicht bot Gogl vermutlich eine Identifikationsfigur für so manche „Ehemalige“ und daher verwundert es auch nicht, wenn viele über diese Zeit den Mantel des Schweigens gebreitet sehen wollten. Diesem Ansinnen wurde auch nachgekommen, da es ab Mitte der 1970er Jahre nach dem letzten Gogl-Prozess zur Einstellung aller Ermittlungsverfahren kam. Garscha vermutete, dass diese Eindäm- mung aus Angst vor Geschworenensprüche geschah, die skandalähnliche Ausmaße annehmen könnten. Dieses Szenario sollte durch diese Maßnahme vermieden wer- den.845

Bis es zu einer breiteren kritischen gesellschaftlichen Reflexion im Hinblick auf den Umgang mit dem Nationalsozialismus kam, sollten nochmals mehr als zehn Jahre vergehen. Erst die Bundespräsidentschaftskandidatur Kurt Waldheims in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre, in der seine Zugehörigkeit zu einer Einheit der SS während des Zweiten Weltkriegs bekannt wurde, sorgten für eine öffentliche Thematisierung der NS-Zeit. Auch hier war es wiederum die jüdische Organisation World Jewish Congress, welche der New York Times Dokumente eines österreichischen Journalis- ten zukommen ließ, die zu einem Paradigmenwechsel in Österreich bezüglich natio- nalsozialistischer Vergangenheitsbewältigung führen sollte.846

845 Vgl. Garscha: Eine Irritation, kein Erdbeben, S. 213. 846 Vgl. Demokratiezentrum: Waldheim-Debatte. URL: http://www.demokratiezentrum.org/wissen/wissensstationen/waldheim-debatte.html, abgerufen am 19.8.2017.

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Etwas länger, fünf Jahrzehnte nach Beginn des Eichmann-Prozesses in Jerusalem, hatte es gebraucht, bis sich auch in Oberösterreich die Justiz mittels einer Ausstel- lung dieses Themas unter dem Motto „Der Prozess – Adolf Eichmann vor Gericht“ annahm. Zwischen März und Mai 2012 konnten im Schwurgerichtssaal des Landes- gerichtes Linz Originalfilmausschnitte über den Prozess, Zeitzeugenberichte, Pres- seberichte sowie eine Biografie des „Organisator des Holocaust“ einer näheren Be- trachtung unterzogen werden.847

Die Komponenten, weshalb diese langen Zeitspannen vergehen mussten, um eine kritische Auseinandersetzung der Gesellschaft mit der Zeit des Nationalsozialismus zu ermöglichen, sind sicherlich vielfältig. Einige mögliche wurden in der vorliegenden Arbeit aufgezeigt:

a) Es gab keinen totalen Bruch, keine „Stunde Null“, keinen generellen Neuan- fang in keiner Organisation, Institution oder in der Medienlandschaft. Der Wille zu einem Schnitt mit der Vergangenheit drückte sich in den Entnazifizierungs- bestimmungen aus, die jedoch – je mehr Zeit verging – immer mehr „aufge- weicht“ wurden und somit an Wirksamkeit verloren. Mit dieser Intervention sei- tens der Politik wurden die Entnazifizierungsmaßnahmen stetig mehr entkräf- tet. Auch die Presse, die gegen die „harten“ Entnazifizierungsvorschriften auf- trat, erwies sich diesbezüglich als Partnerin für SPÖ und ÖVP. Dass diese Forderungen auch dem Ansinnen der VdU entgegenkamen, braucht keiner näheren Betrachtung unterzogen werden. b) In den untersuchten Zeitungen gab es unmittelbar nach dem Zweiten Welt- krieg keine einzige, die sich lediglich aus „Unbelasteten“ zusammensetzte. Diese Tatsache, dass JournalistInnen und RedakteurInnen mit verschieden ausgeprägter nationalsozialistischer Vorerfahrung bei den Zeitungen beschäf- tigt waren, lässt die Vermutung zu, dass diese wenn überhaupt nur mäßig an einer differenzierten Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Ver- gangenheit, in welcher es demnach Berührungspunkte mit ihrer eigenen Bio- grafie gegeben hätte, interessiert waren.

847 Bundesministerium Justiz: Der Prozess: Adolf Eichmann vor Gericht. URL:https://www.justiz.gv.at/web2013/home/justiz/aktuelles/aeltere_beitraege/2012/der_prozess__ad olf_eichmann_vor_gericht_ausstellung_im_landesgericht_linz~2c94848535a081cf01363eaa4d06050. de.html, abgerufen am 26.7.2017.

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c) Mit der Auflösung der Sonderabteilung Mitte der 1970er Jahre zur Ermittlung von nationalsozialistischen Gewaltverbrechen tat die Politik ihr Übriges, um diesbezügliche Vorerhebungen und Untersuchungen zu erschweren und ver- mittelte den Eindruck, dass es keiner weiteren Verfolgung mehr bedürfe. d) Beide Großparteien signalisierten in der Zweiten Republik ehemaligen Natio- nalsozialistInnen Offenheit und Bereitschaft für eine Mitarbeit in der Partei. Dies führte dazu, dass bei der ÖVP zwölf Prozent und bei der SPÖ zehn Pro- zent der Funktionäre ehemalige Nationalsozialisten waren. Die FPÖ erwies sich zudem ab den 1960er Jahren zunehmend als das berühmte „Zünglein an der Waage“. Deshalb ist es nicht weiter verwunderlich, dass sich die Großpar- teien der Loyalität der FPÖ versichern wollten und von einer Verfolgung bzw. kritischen Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus Abstand nahmen. Als Wiesenthal auf diesen Umstand aufmerksam machte, entbrannte ein Konflikt, indem Kreisky Peter vehement verteidigte und Wiesenthal verun- glimpfte.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass in der Berichterstattung über die Prozesse bzw. die Taten immer wieder die Opferthese als großes verbindendes Element steht – nachzulesen bei der „Mühlviertler Hasenjad“, dem Eichmannprozess sowie den beiden Gogl-Verfahren. Das System des Nationalsozialismus, dem sich die ÖsterreicherInnen beugen mussten, der NS-Staat, Hitler samt seiner Führungseli- te, so das vorherrschende Argumentationsmuster, sind die wahren Schuldigen, sie gehörten vor Gericht gestellt. Die Angeklagten waren lediglich ganz normale pflicht- bewusste Männer, „kleine Rädchen“ im System, denen nichts anderes übrig blieb, als zu funktionieren und Befehle auszuführen.

Auf allen möglichen Ebenen im behördlichen und universitären Bereich, in der Politik sowie im Mediensektor waren ehemalige NationalsozialistInnen als Führungskräfte und MitarbeiterInnen tätig. Das Zusammenwirken dieser Kräfte sowie auch das überwiegende Desinteresse der Bevölkerung an einer Aufarbeitung des Nationalso- zialismus verhinderte somit lange Zeit eine kritische Auseinandersetzung mit diesem Zeitabschnitt. Erst ein Generationenwechsel in allen Bereichen sowie die „Waldheim- Debatte“, die durch einen österreichischen Journalisten ans Licht der Öffentlichkeit

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gelangte, gaben den Anstoß für eine breit angelegte Diskussion und Reflexion in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre.

Gegenwärtig unterscheidet sich die Medienlandschaft grundsätzlich von jener, wie sie noch vor zwanzig Jahren oder davor bestand. Durch die hochentwickelte Techno- logie im Kommunikationsbereich ist es möglich, Nachrichten in Sekundenschnelle global zu versenden. Dadurch ist einer unüberschaubaren Zahl von Personen mög- lich, sich an dieser Form der Interaktion zu beteiligen und verleiht ihnen somit ein enormes Maß an Medienmacht. Neben der Chance, dieses Potenzial auf alle nur erdenklichen Arten positiv zu nutzen (ein Beispiel wäre die Weiterentwicklung der Demokratie), so bergen diese neuen Medien auch die Gefahr von Manipulation in sich. Eine Kontrolle der Flut von Mitteilungen ist nur sehr eingeschränkt bis gar nicht möglich. Diese Gegebenheiten fordern daher seitens der Gesellschaft, der Politik und der Medien selbst, einen verantwortungsvollen Umgang mit diesen kaum überschau- baren Möglichkeiten, sowie eine Menschenbildung, welche Personen Kritikfähigkeit, Urteilsfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit und Selbstreflexion ermöglicht, um neben der Medienmacht auch Medienmündigkeit zu erlangen.

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Der Mühlviertler: Sie fielen für Österreichs Freiheit, 2.5.1946, S. 5.

Der Mühlviertler: Gedenkstunde in Mauthausen,16.5.1946, S. 5.

Der Mühlviertler: Die „Mühlviertler Hasenjagd“ vor dem Volksgericht, 5.12.1946, S. 3.

Der Mühlviertler: Gerechtigkeit auch für ehemalige Nationalsozialisten!, 5.12.1946, S. 3.

Der Mühlviertler: Weniger Fehlurteile, 12.12.1946, S. 1.

Der Mühlviertler: Verschärfung des Nazigesetzes?, 12.12.1946, S. 2.

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Der Mühlviertler: Skrupellose Verleumdung,16.1.1947, S. 2.

Der Mühlviertler: „Mühlviertler Hasenjagd“ vor dem Volksgericht, 23.1.1947, S. 13.

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Der Mühlviertler: Wer gab den Befehl zur Ermordung? Schwere Anklage gegen den ehem. Bürgermeister von Pregarten, 17.7.1947, S. 13.

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Linzer Volksblatt: Niemand wollte es getan haben, 30.10.1947, S. 3.

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Mühlviertler Bote: Illegalität erschwindelt…?, 13.5.1946, S. 2.

Mühlviertler Bote: Niedermayer vor dem Volksgericht. Verhandlung in Schwertberg – Treibjagd auf Menschenwracks, 16.12.1948, S. 3

Mühlviertler Bote: Blick ins Geschehen, 4.6.1960, S. 2.

Mühlviertler Bote: Fall Eichmann führt zu Weigerungen, 18.6.1960, S. 2.

Mühlviertler Bote: Blick ins Geschehen, 2.7.1960, S. 2.

Mühlviertler Bote: „Ich jagte Eichmann“, 18.3.1961, S. 3.

Mühlviertler Bote: Am Dienstag beginnt der Prozeß gegen Eichmann, 8.4.1961, S. 1.

Mühlviertler Bote: Eichmann war kein Österreicher, 8.4.1961, S. 1.

Mühviertler Bote: Adolf Eichmann steht vor einem israelischen Tribunal, 15.4.1961, S. 1.

Mühlviertler Bote: Blick ins Geschehen, 15.4.1961, S. 2.

Mühlviertler Bote: Eichmanns Antwort auf die Anklage: „Nicht schuldig“, 22.4.1961, S. 2.

Mühlviertler Bote: Blick ins Geschehen, 29.4.1961, S. 2.

Mühlviertler Bote: Der millionenfache Judenmörder Adolf Eichmann hingerichtet, 9.6.1962, S. 2.

194

Die Schatten der Vergangenheit Gerlinde Schaurhofer, BEd

Mühlviertler Bote: Mauthausen-Prozeß begann. Johann Gogl: „Schuldlos!“, 8.4.1972, S. 3.

Mühlviertler Bote: Noch immer 622 Linzer in Baracken, 13.5.1972, S. 5.

Mühlviertler Bote: Tumulte nach Gogl-Freispruch. Prozeßkosten eine Viertelmillion, 13.5.1972, S. 6.

Mühlviertler Bote: Gogl-Freispruch: Nichtigkeitsbeschwerde, 3.6.1972, S. 6.

Mühlviertler Bote: Im KZ-Mauthausen „auf der Flucht erschossen“, 22.11.1975, S. 8.

Mühlviertler Nachrichten: Der Liquidator des Judentums verhaftet, 9.6.1960, S. 2.

Mühlviertler Nachrichten: Eichmann-Verteidiger: Hitler müßte vor Gericht stehen!, 20.4.1961, S. 3.

Mühlviertler Nachrichten: Verhaftung aufgrund des Eichmann-Prozeßes, 18.5.1961, S. 3.

Mühlviertler Nachrichten: 1961 geschah es, 28.12.1961, S. 2.

Mühlviertler Nachrichten: Eichmanns Henker kam um Mitternacht, 7.6.1962, S. 2.

Mühlviertler Nachrichten: Was ist die Wahrheit? (Eder, Franz), 20.4.1972, S. 2.

Neue Zeit: Die “Hasenjagd“ im Mühlviertel, 2.3.1946, S. 2.

Neue Zeit: Hochverräter und Denunzianten stehen vor dem Richter, 13.5.1946, S. 2.

Neue Zeit: Die Mühlviertler Hasenjagd, 11.10.1946, S. 3.

Neue Zeit: Die Mühlviertler Hasenjagd vor dem Volksgericht, 18.10.1946, S. 3.

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Die Schatten der Vergangenheit Gerlinde Schaurhofer, BEd

Neue Zeit: New Yorker Rundfunk zum Verbot des Tagblattes, 23.2.1946, S. 2.

Neue Zeit: Keine Sühne für die Mühlviertler Hasenjagd, 2.5.1947, S. 3.

Neue Zeit: Die Ermordung von KZlern anbefohlen, 23.7.1947, S. 3.

Neue Zeit: Hinter den Kulissen des Behrmann-Skandals, 9.10.1952, S. 3.

Oberösterreichische Nachrichten. Herausgegeben von der 12. Heeresgruppe für die Bevölkerung Oberösterreichs, 11.6.1945, S. 1.

Oberösterreichische Nachrichten: Linzer „Tagblatt“ wird eingestellt, 20.2.1946, S. 2.

Oberösterreichische Nachrichten: Mordprozeß vor dem Linzer Volksgericht, 20.1.1947, S. 3.

Oberösterreichische Nachrichten: Mordversuch mit Schrotgewehr, 2.5.1947, S. 3.

Oberösterreichische Nachrichten: Traurige Helden der inneren Front, 29.10.1947, S. 3.

Oberösterreichische Nachrichten: Die schwarzen Tage von Pregarten, 9.2.1952, S. 3.

Oberösterreichische Nachrichten: Eichmann ging freiwillig nach Israel, 8.6.1960, S. 3.

Oberösterreichische Nachrichten: Argentinisch-israelische Spannung im Eichmann- Konflikt, 9.6.1960, S. 3.

Oberösterreichische Nachrichten: Argentinien fordert Rückstellung Eichmanns, 10.6.1960, S. 3.

Oberösterreichische Nachrichten: Fall Eichmann im Sicherheitsrat, 23.6.1960. S. 3.

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Die Schatten der Vergangenheit Gerlinde Schaurhofer, BEd

Oberösterreichische Nachrichten: Um die Durchführung des Eichmann-Prozeßes. Eigenbericht der „Oberösterreichischen Nachrichten“ aus Haifa, 31.1.1961, S. 8.

Oberösterreichische Nachrichten: Dr. Servatius heute bei Eichmann, 2.2. 1961, S. 3.

Oberösterreichische Nachrichten: Der Fall Eichmann zieht weite Kreise in Österreich, 3.2.1961, S. 2.

Oberösterreichische Nachrichten: Eichmann: 15 Anklagepunkte, 24.2.1961, S. 3.

Oberösterreichische Nachrichten: Eichmann-Prozess am 11. April, 25.2.1961, S. 9.

Oberösterreichische Nachrichten: Israel gewährt keine Immunität für Entlastungs- zeugen, 22.3.1961, S. 3

Oberösterreichische Nachrichten: Fährt nach Jerusalem, 27.3.1961, S. 4.

Oberösterreichische Nachrichten: Ben Gurion über die schwere Verantwortung der Alliierten für das jüdische Schicksal, 4.4.1961, S. 2.

Oberösterreichische Nachrichten: Mengele als Zeuge?, 4.4.1961, S. 2.

Oberösterreichische Nachrichten: Man kann dieser Frage nicht ausweichen (Pollak, Walter), 8.4.1961, S. 3 u. S. 9.

Oberösterreichische Nachrichten: Erklärungen zum Prozess gegen Eichmann. Ade- nauer: Wir sind Rechtsstaat geworden, 11.4.1961, S. 1.

Oberösterreichische Nachrichten: Eichmann-Prozeß beginnt. Anträge der Verteidi- gung erwartet, 11.4.1961, S. 3.

Oberösterreichische Nachrichten: Verteidiger fordert für Eichmann einen internatio- nalen, neutralen Gerichtshof, 12.4.1961, S. 1.

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Die Schatten der Vergangenheit Gerlinde Schaurhofer, BEd

Oberösterreichische Nachrichten: Der Verteidiger Eichmanns erhob präzise Einwän- de, 12.4.1961, S. 3.

Oberösterreichische Nachrichten: Im Eichmann-Prozeß noch keine Entscheidung über die Anträge des Verteidigers gefallen, 15.4.1961, S. 2.

Oberösterreichische Nachrichten: Juridische Perspektiven des Eichmann-Prozeßes, 15.4.1961, S. 43.

Oberösterreichische Nachrichten: Die andere Seite, 18.4.1961, S. 2.

Oberösterreichische Nachrichten: Eichmann-Prozeß: Staatsanwalt beendet Anklage- rede, 19.4.1961, S. 2.

Oberösterreichische Nachrichten: Eichmanns Verhör im Tonband abgespielt, 20.4.1961, S. 2.

Oberösterreichische Nachrichten: Verhör im Eichmann-Prozess fortgesetzt, 22.4.1961, S. 2.

Oberösterreichische Nachrichten: Die Araber und der Eichmann-Prozeß. Von unse- rem ständigen Korrespondenten P.F. aus Kairo, 22.4.1961, S. 10.

Oberösterreichische Nachrichten: Kreuzverhör um die Aussagen Eichmanns, 25.4.1961, S. 2.

Oberösterreichische Nachrichten: Eichmann-Prozeß: Verlesung eidesstaatlicher Er- klärungen, 26.4.1961, S. 2.

Oberösterreichische Nachrichten: Rechtshilfe gilt nicht im Fall Eichmann, 27.4.1961, S. 3.

Oberösterreichische Nachrichten: Eichmann-Prozeß: Verlesung der Dokumente über Behinderung der jüdischen Emigration, 28.4.1961, S. 2.

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Die Schatten der Vergangenheit Gerlinde Schaurhofer, BEd

Oberösterreichische Nachrichten: Jerusalem: Servatius-Zeugen zugelassen, 29.4.1961, S. 2.

Oberösterreichische Nachrichten: Erster Zwischenfall im Eichmann-Prozeß. Verfah- ren soll am 1. Juli beendet sein, 2.5.1961, S. 2.

Oberösterreichische Nachrichten: Eichmanns-Entlastungszeugen nicht nach Israel, 4.5.1961, S. 3.

Oberösterreichische Nachrichten: Zeugen schildern Judentragödie in Litauen. Franz Murer im Eichmann-Prozeß belastet, 5.5.1961, S. 2.

Oberösterreichische Nachrichten: Richter aus USA, Mitglied des Nürnberger Tribu- nals, als Zeuge im Eichmann-Prozeß, 16.5.1961, S. 2.

Oberösterreichische Nachrichten: Gericht sprach Eichmann schuldig, 12.12.1961, S. 3.

Oberösterreichische Nachrichten: Der Staatsanwalt beantragt die Todesstrafe für Adolf Eichmann, 14.12.1961, S. 3.

Oberösterreichische Nachrichten: Adolf Eichmann hörte unbewegt sein Todesurteil, 16.12.1961, S. 3.

Oberösterreichische Nachrichten: Eichmann Berufung eingelegt, 20.12.1961, S. 3.

Oberösterreichische Nachrichten: Eichmann Verteidiger beraten, 23.12.1961, S. 3.

Oberösterreichische Nachrichten: Eichmanns Gnadengesuch durch Ben Zwi abge- lehnt, 1.6.1962, S. 1.

Oberösterreichische Nachrichten: Adolf Eichmann hingerichtet, 2.6.1962, S. 3.

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Die Schatten der Vergangenheit Gerlinde Schaurhofer, BEd

Oberösterreichische Nachrichten: Ab heute Mauthausenprozeß. Anklage ist 103 Sei- ten lang, 4.4.1972, S. 5.

Oberösterreichische Nachrichten: Rechtliche Beurteilung umstritten, 5.4.1972, S. 7.

Oberösterreichische Nachrichten: Linz: Monsterprozeß begann mit Konterschlag der Verteidigung, (OÖN-gs), 5.4.1972, S. 7.

Oberösterreichische Nachrichten: Grauenhafte Details in der Anklage, 5.4.1972, S. 7.

Oberösterreichische Nachrichten: Die Todesstiege und ihre Opfer. Gogl: „Habe damit nichts zu tun!“, (OÖN-gs), 6.4.1972, S. 7.

Oberösterreichische Nachrichten: Die Vernichtung der Welser-Gruppe: Angeklagter: „Tut mir leid…“, (OÖN-gs), 7.4.1972, S. 7.

Oberösterreichische Nachrichten: 1000 S Geldbuße für Geschworenen. Unentschul- digt daheimgeblieben, (OÖN-gs), 8.4.1972, S. 8.

Oberösterreichische Nachrichten: Heute erste Zeugen, 11.4.1972, S. 6.

Oberösterreichische Nachrichten: Linzer Prozeß: Gogl von Zeugen der Verteidigung entlastet, (OÖN-gs), 12.4.1972, S. 7.

Oberösterreichische Nachrichten: Heftiger Wortwechsel mit Zeugen. Gogl: „Sie ver- wechseln mich!“, (OÖN-gs), 13.4.1972, S. 6.

Oberösterreichische Nachrichten: Wahrheitsfindung nach 28 Jahren? Umfrage eines OÖN-Nachrichtenteams, 14.4.1972, S. 6.

Oberösterreichische Nachrichten: Dramatik erreichte Höhepunkt. Zeuge will von Gogl Geständnis: „Seien Sie doch ein Mann!“, (OÖN-gs), 14.4.1972, S. 8.

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Die Schatten der Vergangenheit Gerlinde Schaurhofer, BEd

Oberösterreichische Nachrichten: Verteidigung holte Terrain auf. Zeuge verübte Selbstmord, (OÖN-gs), 15.4.1972, S. 8.

Oberösterreichische Nachrichten: Eine Verurteilung wird zur bloßen Rache, Leser- brief von Dr. Wilhelm Wakolbinger, unter: Ihre Meinung bitte, Extrateil, 15.4.1972.

Oberösterreichische Nachrichten: Übler Dienst, Leserbrief von Erich Pühringer, unter: Ihre Meinung bitte, Extrateil, 15.4.1972.

Oberösterreichische Nachrichten: Zeuge zum Linzer Schwurgericht: „Macht doch endlich Schluß!“, 18.4.1972, S. 7.

Oberösterreichische Nachrichten: Zeuge belastet Gogl, 19.4.1972, S. 6.

Oberösterreichische Nachrichten: Flugblatt an Hitlers Geburtshaus. Jugendgruppe legte Blumen nieder, (OÖN-ph), 24.4.1972, S. 7.

Oberösterreichische Nachrichten: Linzer Mauthausenprozeß: Wiener Oberpolizeirat als Zeuge, (OÖN-gs), 25.4.1972, S. 7.

Oberösterreichische Nachrichten: Lokalaugenschein in Mauthausen. Gogl zeigte kei- nerlei Regung, (OÖN-gs), 26.4.1972, S. 5 u. S. 6.

Oberösterreichische Nachrichten: Zeugen aus der UdSSR, 27.4.1972, S. 6.

Oberösterreichische Nachrichten: Heute Plädoyers, 3.5.1972, S. 5.

Oberösterreichische Nachrichten: Heute Urteil im NS-Prozeß. Plädoyers dauerten den ganzen Tag, (OÖN-gs), 4.5.1972, S. 7.

Oberösterreichische Nachrichten: Gogl einstimmig freigesprochen. Beifall für den Staatsanwalt, (OÖN-gs), 5.5.1972, S. 1 u. S. 5.

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Die Schatten der Vergangenheit Gerlinde Schaurhofer, BEd

Oberösterreichische Nachrichten: Es ging um einen hohen Preis, (Schädel, Günther), 5.5.1972, S. 5.

Oberösterreichische Nachrichten: Häuser zu KZ-Prozeß, 15.5.1972, S. 2.

Oberösterreichische Nachrichten: Häuser präzisiert Aussage. KZ-Prozesse neu überdenken, 17.5.1972, S. 5.

Oberösterreichische Nachrichten: SS-Mann-Gogl erneut vor Gericht: „Ich bin oft ver- wechselt worden“, 17.11.1975, S. 7.

Oberösterreichische Nachrichten: Gogl zeichnet sich menschlich: „Habe Häftlingen sogar geholfen“, 19.11.1975, S. 2.

Oberösterreichische Nachrichten: Gogl-Prozeß spitzt sich zu. Anonyme Drohungen für Zeugen, 20.11.1975, S. 5.

Oberösterreichische Nachrichten: Gogl-Prozeß: Angeklagter von Augenzeugen schwer belastet, 28.11.1975, S. 5.

Oberösterreichische Nachrichten: Heute Urteil im Gogl-Prozeß, 2.12.1975, S. 6.

Oberösterreichische Nachrichten: Gogl wieder freigesprochen, 3.12.1975, S. 7.

Tagblatt: „Unser Tagblatt erscheint wieder, 8.10.1945, S. 2.

Tagblatt: Ein würdiger Jünger des Herrn Eigruber, 11.5.1946, S. 2.

Tagblatt: Noch immer die Mühviertler Hasenjagd, 30.4.1947, S. 4.

Volksblatt: Linzer Tagblatt wurde eingestellt, 20.2.1947, S. 2.

Volksstimme: Proteste gegen Gogl-Freispruch, 6.5.1972, S. 2.

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Die Schatten der Vergangenheit Gerlinde Schaurhofer, BEd

Volksstimme: Die politische Moral in Österreich, 5. 12.1975, S. 2.

Gerichtsakte

Vernehmungsniederschrift mit Friedrich Aichinger, BG Perg, 23.10.1945. Bestand: OOELA Sondergerichte Linz, Schachtel 103, Zl. 4062/46.

Vernehmungsniederschrift mit Johann Praher, BG Perg, 23.10.1945. GZ 8Vr406/46. Bestand: OOELA Sondergerichte Linz, Schachtel 1015, Zl. 2923/46.

Vernehmungsniederschrift mit Ferdinand Fröhlich, Landesgendarmeriekommando Mühlviertel, Urfahr, 30.10.1945. Abschrift im Besitz der Verfasserin.

Vernehmungsniederschrift mit Adolf Koppensteiner, Gendarmerieposten Wart- berg/Aist, 12.11.1945. Abschrift im Besitz der Verfasserin.

Vernehmungsniederschrift mit Franz Sprinzensteiner, Gendarmerieposten Wart- berg/Aist, 13.11.1945. Abschrift im Besitz der Verfasserin.

Vernehmungsniederschrift mit Leopold Altzinger, Landesgendarmeriekommando Mühlviertel, Pregarten, 19.3.1946. Abschrift im Besitz der Verfasserin.

Vernehmungsniederschrift mit Ernst Augustin, Landesgendarmeriekommando Mühl- viertel, Pregarten, 19.3.1946. Abschrift im Besitz der Verfasserin.

Vernehmungsniederschrift mit Josef Winter, Landesgendarmeriekommando Mühl- viertel, Pregarten, 19.3.1946. Abschrift im Besitz der Verfasserin.

Vernehmungsniederschrift mit Michael Gassner, Landesgendarmeriekammando Mühlviertel, Freistadt, 20.3.1946. Bestand: OOELA Sondergerichte Linz, Schachtel 1015, Zl. 46 und Schachtel 275, Zl. 3502/47.

Vernehmungsniederschrift mit Willibald Bodingbauer, Landesgendarmeriekommando Mühlviertel, Pregarten, 20.3.1946. Abschrift im Besitz der Verfasserin.

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Die Schatten der Vergangenheit Gerlinde Schaurhofer, BEd

Vernehmungsniederschrift mit Leopold Guttenbrunner, Landesgendarmeriekomman- do Mühlviertel, Pregarten, 20.3.1946. Bestand: OOELA Sondergerichte, Schachtel 1015, Zl. 2923/46.

Vernehmungsniederschrift mit Moritz Haghofer, Landesgendarmeriekommando Mühlviertel, Freistadt, 21.3.1946. Bestand: OOELA Sondergerichte Linz, Schachtel 1015, Zl. 2923/46.

Vernehmungsniederschrift mit Josef Harthaller, Landesgendarmeriekommando Linz, Schärding, 22.3.1946. Bestand: OOELA Sondergerichte Linz, Schachtel 275, Zl. 3502 u. Schachtel 422, Zl. 3502/47.

Anzeige an die Staatsanwaltschaft beim Landesgericht Linz-Nord, 25.4.1946. (Ha- nausek). Abschrift im Besitz der Verfasserin.

Anklageschrift gegen Franz Berndl, Wien, 19.7.1946, GZ VG8Vr1782/46. Bestand: OOELA Sondergerichte Linz, Schachtel 82, Zl. 3234/46.

Anklageschrift gegen Ferdinand Fröhlich, Michael Gassner, Moritz Haghofer, Max Spengler, VG Linz, 8.7.1947, [GZ unleserlich]. Abschrift im Besitz der Verfasserin.

Vernehmungsniederschrift mit Josef Schölmberger, BG Perg, 23.10.1946, GZ 8V406/46. Bestand: OOELA Sondergerichte Linz, Schachtel 82, Zl. 3234/46.

Urteil Volksgericht Linz gegen Franz Berndl vom 29.4.1947, GZ VG8Vr1782/46. Be- stand: OOELA Sondergerichte Linz, Schachtel 82, Zl. 3234/47.

Hauptverhandlung gegen Franz Berndl, 29.4.1947, VG Linz, GZ VG8Vr1782/46. Be- stand: OOELA Sondergerichte Linz, Schachtel 82, Zl. 3234/46.

Protokoll der Hauptverhandlung Strafsache gegen Ferdinand Fröhlich, 28.10.1947, Volksgericht Linz, GZ VG6Vr3502/47. Bestand: OOELA Sondergerichte Linz, Schachtel 103, Zl. 4062 und Schachtel 275/3502 und Schachtel 1015, Zl. 2923/46.

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Die Schatten der Vergangenheit Gerlinde Schaurhofer, BEd

Urteil Volksgericht Linz gegen Ferdinand Fröhlich, Michael Gassner, Moritz Hagho- fer, Max Spengler, 28.10.1947. [GZ unleserlich]. Abschrift im Besitz der Verfasserin.

Urteil Volksgericht Linz, Ferdinand Fröhlich, Anklage wegen Hochverrat, 7.2.1952. [GZ unleserlich]. Abschrift im Besitz der Verfasserin.

Stadtarchiv Pregarten

Personalfragebogen vom 12.8.1941. Bestand: Stadtarchiv Pregarten, Personalakt Ferdinand Fröhlich jun., P6-a.

Marktgemeinde Pregarten an Ferdinand Fröhlich über den Beschluss der Anrech- nung der Ruhegenusszeiten und die Versetzung in den Ruhestand vom 9.1.1951. Bestand: Stadtarchiv Pregarten, Personalakt Ferdinand Fröhlich jun., P6-a.

Gehaltsaufstellung der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 24.4.1951 an das Marktgemeindeamt Pregarten. Bestand: Stadtarchiv Pregarten, Personalakt Ferdi- nand Fröhlich jun., P6-a.

Schreiben der Marktgemeinde Pregarten an Ferdinand Fröhlich, wohnhaft in Pa- sching 80, 9.6.1951. Bestand: Stadtarchiv Pregarten, Personalakt Ferdinand Fröhlich jun., P6-a.

Bezirkshauptmannschaft Freistadt an die Marktgemeinde Pregarten, 14.9.1951 über die Anrechnung der Ruhegenusszeiten von Ferdinand Fröhlich. Bestand: Stadtarchiv Pregarten, Personalakt Ferdinand Fröhlich jun., P6-a.

Abschrift aus dem Protokoll zur 11. Gemeinderatsausschusssitzung der Marktge- meinde Pregarten am 22.12.1950, angefertigt am 12.12.1951. Bestand: Stadtarchiv Pregarten, Personalakt Ferdinand Fröhlich jun., P6-a.

Marktgemeinde Pregarten an das Finanzamt Freistadt vom 14.8.1952 bezüglich der Berechnung von Steuersätzen für die angeordnete Nachzahlung an Ferdinand Fröh- lich. Bestand: Stadtarchiv Pregarten, Personalakt Ferdinand Fröhlich jun., P6-a.

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Die Schatten der Vergangenheit Gerlinde Schaurhofer, BEd

Internet

Nachkriegsjustiz: Prozesse. Volksgerichte. URL:http://nachkriegsjustiz.at/prozesse/volksg/index.php, abgerufen am 21.2.2016.

Geschichte Österreich: Die Zweite Republik (1945 – heute). URL:http://www.geschichte-oesterreich.com/1945-heute/, abgerufen am 29.8.2016.

ORF: Zensur und Kontrolle durch die Alliierten. URL:http://orf.at/stories/2275815/2275893/, abgerufen am 29.8.2016.

Landesbibliothek Oberösterreich: Mühlviertler Bote. URL:http://aleph21prodlbo.obvsg.at/F/CCKFF8RXU3R6156BXYDXUES8GL9HC16G 3R9BNFSKAEM483ENFY20359?func=itemglbal&doc_library=LBO01&doc_number= 000438415&year=&volume=&sub_library=XOLB, abgerufen am 6.1.2017.

Landesbibliothek Oberösterreich: Mühlviertler Nachrichten. URL:http://aleph21prodlbo.obvsg.at/F/CCKFF8RXU3R6156BXYDXUES8GL9HC16G 3R9BNFSKAEM483ENFY23790?func=fullsetset&set_number=000552&set_entry=00 0008&format=999, abgerufen am 6.1.2017.

Oberösterreichische Nachrichten: Mahnmal für die Opfer der Menschenjagd, 2.2.2015. URL:http://www.nachrichten.at/oberoesterreich/muehlviertel/Mahnmal-fuer-die-Opfer- der-Menschenjagd;art69,1631466 vom 2.2.2015, abgerufen am 24.10.2016.

Filmportal: Hasenjagd – Österreichs erfolgreichster Kinofilm des Jahres 1995. http://www.filmportal.de/person/andreasgruber_01cdf8ce66f741918e39c72f36551e2 0, abgerufen am 24.10.2016.

Onlineprojekt Gefallenendenkmäler: Gedenkstätte Ried/Riedmark. URL:http://www.denkmalprojekt.org/2014/ried-in-der-riedmark_muehlviertler- hasenjagd_bz-perg_oberoesterreich_oe.html, abgerufen am 26.10.2016.

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Die Schatten der Vergangenheit Gerlinde Schaurhofer, BEd

Bezirksrundschau: Mahnmal für die Opfer der Mühlviertler Menschenjagd. 27.10.2015. URL:http://www.meinbezirk.at/freistadt/lokales/mahnmal-fuer-opfer-der-muehlviertler- menschenjagd-d1525731.html, abgerufen am 6.11.2016.

Stadt Wien:10.April 1938 – Volksabstimmung für den Anschluss. URL:https://www.wien.gv.at/kultur/chronik/volksabstimmung-1938.html, abgerufen am 12.11.2016.

Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands: Entnazifizierung in Öster- reich. URL:http://ausstellung.de.doew.at/m28sm129.html, abgerufen am 17.3.2017.

Landesarchiv Oberösterreich: Tagblatt. URL:http://www.landesarchivooe.at/xchg/SID7F237AD612430EE5/hs.xsl/1243_DEU HTML.htm, abgerufen am 13.4.2017.

Landesarchiv Oberösterreich: Die neue Zeit. URL:http://www.linz.at/archiv/bestand/archiv_uebersicht_details.asp?b_id=44;82; 387, abgerufen am 14.4.2017.

Forum OÖ Geschichte: Opfer im Nationalsialismus. URL:http://www.ooegeschichte.at/epochen/oberoesterreich-in-der-zeit- desnationalsozialismus/opfer/kriegsgefangene-in-oberdonau.html, abgerufen am 5.6.2017.

Landesarchiv Oberösterreich. Pfarrmatriken. URL:http://www.landesarchiv-ooe.at/1320_DEU_HTML.htm, abgerufen am 16.6.2017.

Österreichischer Gewerkschaftsbund: Rudolf Häuser: Zum 90. Geburtstag. 17.3.1999. URL: https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_19990317_OTS0148/rudolf- haeuser-zum-90-geburtstag, abgerufen am 3.8.2017.

207

Die Schatten der Vergangenheit Gerlinde Schaurhofer, BEd

Oberösterreichische Nachrichten: Walter Pollak. URL:http://www.nachrichten.at/aboservice/ueber_uns/geschichte_medienhaus_wim mer/art140,53160, abgerufen am 11.7.2017.

Der Standard: „mit dem bösen Blut“,(Heller, Andrè), 29.12.2005. URL:http://derstandard.at/2031027/Andre-Heller-mit-dem-boesen-Blut, abgerufen am 14.7.2017.

Korso: „Mein Freund Murer“, (Wimmler, Karl), 9.12.2008. URL:http://korso.at/content/view/3514/186/index.html, abgerufen am 14.7.2017.

Profil: Holocaust: Ich habe euch nicht vergessen. Momente aus dem Leben Simon Wiesenthals, 24.9.2005 URL:https://www.profil.at/home/holocaust-ich-momente-leben-simon-wiesenthals- 122195, abgerufen am 23.7.2017.

Die Presse: Wie Eichmann vom Österreicher zum Deutschen wurde, 26.11.2011. URL:http://diepresse.com/home/zeitgeschichte/711960/Wie-Eichmann-vom- Oesterreicher-zum-Deutschen-wurde, abgerufen am 24.7.2017.

Bundesministerium Justiz: Der Prozess: Adolf Eichmann vor Gericht. URL:https://www.justiz.gv.at/web2013/home/justiz/aktuelles/aeltere_beitraege/2012/d er_przess__adolf_eichmann_vor_gericht_ausstellung_im_landesgericht_linz~2c9484 8535a081cf01363eaa4d060503.de.html, abgerufen am 26.7.2017.

Mauthausen Memorial: Das Konzentrationslager Mauthausen. Häftlingsgruppen. URL:https://www.mauthausen-memorial.org/de/Wissen/Das-Konzentrationslager- Mauthausen-1938-1945/Haeftlingsgruppen, abgerufen am 27.7.2017.

Forum OÖ Geschichte: Welser Gruppe. URL:http://www.ooegeschichte.at/epochen/oberoesterreich-in-der-zeit-des- nationalsozialismus/widerstand/widerstandsgruppen/welser-gruppe.html, abgerufen am 28.7.2017.

208

Die Schatten der Vergangenheit Gerlinde Schaurhofer, BEd

Nachkriegsjustiz: Die 35 österreichischen Prozesse wegen NS-Verbrechen seit Ab- schaffung der Volksgerichte. URL:http://www.nachkriegsjustiz.at/prozesse/geschworeneng/35prozesse56_04.php, abgerufen am 17.8.2017.

Demokratiezentrum Wien: Waldheim-Debatte. URL:http://www.demokratiezentrum.org/wissen/wissensstationen/waldheim- debatte.html, abgerufen am 19.8.2017.

Demokratiezentrum Wien: VdU. URL:http://www.demokratiezentrum.org/bildstrategien/oesterreich.html?index=3&dim ension=, abgerufen am 20.8.2017.

Im Schatten der Mozartkugel: Lager Glasenbach. Die versäumte Entnazifizierung. URL:http://www.imschatten.org/21.html, abgerufen am 28.8.2017.

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Die Schatten der Vergangenheit Gerlinde Schaurhofer, BEd

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Der Standard: Linzer Ex-Superintendent lobte NS-Verbrecher Eichmann, 21.8.2011. URL: https://derstandard.at/1313024733777/Berliner-Aussenamts-Akten-Linzer-Ex- Superintendent-lobte-NS-Verbrecher-Eichmann, abgerufen am 18.3.2018.

3sat: Hannah Arendt und die „Banalität des Bösen“. URL:http://www.3sat.de/page/?source=/ard/sendung/190615/index.html, abgerufen am 19.3.2018.

Spiegel online: „Das Böse ist nur banal?“, 36/2001. URL:http://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/spiegel/pdf/20017823, abgerufen am 25.3.2018.

Der Standard: Israel veröffentlicht Adolf Eichmanns Gnadengesuch, 28.1.2016. URL:https://derstandard.at/2000029871132/Israel-veroeffentliche-Adolf-Eichmanns- Gnadengesuch, abgerufen am 25.3.2018.

Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands: Geschworenenprozesse 1956-1975, Überblick. URL:http://ausstellung.de.doew.at/b146.html, abgerufen am 1.4.2018.

Sandgruber, Roman: Die ÖVP in Oberösterreich, S. 33. URL:http://docplayer.org/39556685-Die-oevp-in-oberoesterreich.html, abgerufen am 1.4.2018.

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Die Schatten der Vergangenheit Gerlinde Schaurhofer, BEd

Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands: Die SPÖ und ihre braunen Wurzeln. URL:http://www.dokumentationsarchiv.at/SPOE/Braune_Flecken_SPOE.htm, abge- rufen am 3.4.2018.

Bundesministerium für Inneres: Nationalratswahl 1970. URL:https://www.bmi.gv.at/412/Nationalratswahlen/Nationalratswahl_1970/start.asp, abgerufen am 7.4.2018.

Der Standard: Kreisky, Wiesenthal, Friedrich Peter, (Rauscher, Hans), 17.9.2010. URL:https://derstandard.at/1284594593525/Hans-Rauscher-Kreisky-Wiesenthal- Friedrich-Peter, abgerufen am 8.4.2018.

Kepplinger, Brigitte u. Reese, Hartmut: Gedenken in Hartheim: Die neue Gedenkstät- te, S. 3. URL:http://www.erinnern.at/bundeslaender/oesterreich/e_bibliothek/seminarbibliothek en-zentrale-seminare/gedenkstatten-gedachtnisorte-lernorte/584_Reese- Kepplinger%20Gedenken%20in%20Hartheim%20manuskript%2001.pdf, abgerufen am 15.4.2018.

Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim. URL:http://www.schlosshartheim.at/index.php/gedenkenausstellung/gedenkstaette/d enkmaeler-rund-um-das-schloss, abgerufen am 22.4.2018.

Schloss Hartheim: Geschichte 1945-2003. http://www.schloss-hartheim.at/index.php/historischer-ort/geschichte-1945-2003, ab- gerufen am 22.4.2018.

Spiegel online: Wie der „Schlächter von Wilna“ davonkam, (Sachslehner, Johannes), 2.3.2018. URL: http://www.spiegel.de/einestages/franz-murer-wie-der-schlaechter-von-wilna- davonkam-a-1196765.html, abgerufen am 10.5.2018.

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Die Schatten der Vergangenheit Gerlinde Schaurhofer, BEd

Profil: Rote Gewissenserforschung. Die SPÖ veröffentlicht geheime Protokolle, (Lackner, Herbert), 2.7.2005. URL: https://www.profil.at/home/zeitgeschichte-rote-gewissenserforschung-die-spoe- protokolle-116032, abgerufen am 12.5.2018.

Garscha, Winfried: Der Terror der Nationalsozialisten vor 1938. URL:http://www.doew.at/erinnern/fotos-und-dokumente/1934-1938/krachendes- oesterreich/der-terror-der-illegalen-nationalsozialisten-vor-1938-wer-waren-die-opfer, abgerufen am 13.5.2018.

Nachkriegsjustiz: Die Höchsturteile des Volksgerichts Linz. URL:http://www.nachkriegsjustiz.at/prozesse/volksg/Hoechsturteile_VgLinz.php#Lud wig, abgerufen am 20.5.2018. aeiou. Österreich-Lexikon: Die Innenminister der Zweiten Republik. URL: http://www.aeiou.at/aeiou.encyclop.i/i483870.htm, abgerufen am 3.6.2018.

Mailverkehr:

Archiv Gedenkstätte Mauthausen: Herr Lechner, 10.11.2016.

Standesamt Linz: Bestätigung der Sterbedaten von Ferdinand Fröhlich, 14.3.2018.

Zeitzeugen-, Telefongespräche und Audioaufnahmen

Interview mit Herrn Josef Prammer (Jg. 1930), 4.8.2015.

Interview mit Herrn Josef Schaumberger (Jg. 1922), 1.9.2015, (mittlerweile verstor- ben).

Interview mit Frau Gisela Franz (Jg. 1930), 3.10.2015, (mittlerweile verstorben).

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Audio-Aufzeichnung einer Infoveranstaltung zur Errichtung eines Mahnmals bezüg- lich der „Mühlviertler Menschenjagd“ im Gasthaus Dinghofer, Wartberg/Aist, 28.10.2015.

Interview mit Frau Maria Zika (Jg. 1930),15.11.2015.

Interview mit Frau Maria Hofinger (Jg. 1928), 17.5.2016.

Zeitzeugengespräch mit Herrn A.G. (Jg. 1936), 25.10.2016. Herr A.G. möchte ano- nym bleiben.

Telefongespräch mit Frau Guttenbrunner (Mutter der verstorbenen Geschwister Gut- tenbrunner), 21.11.2016.

Interview mit Herrn Prammer Josef (Jg. 1930), 5.5.2017.

Telefongespräch mit Herrn Reif, Archivar der Oberösterreichische Nachrichten, 31.7.2017.

5.1 Abbildungen

Abbildung 1: Ferdinand Fröhlich, Bürgermeister von Pregarten während der NS-Zeit. Foto: Erwin Zeinhofer, 23.11.2009.

Abbildung 2: Gedenkstein „Mühlviertler Hasenjagd“ unterhalb der Kirche in Ried/Riedmark. Foto: Gerlinde Schaurhofer, 22. April 2013.

Abbildung 3: Hauskapelle der Fam. Guttenbrunner, Pregartsdorf. Foto: Gerlinde Schaurhofer, 7.1.2017.

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Abbildung 4: Kapelle Familie Guttenbrunner, Kapelleninschrift rechtsseitig, Pregartsdorf. Foto: Gerlinde Schaurhofer, 7.1.2017.

Abbildung 5: Denkmal zur Erinnerung an die Opfer der „Mühlviertler Men- schenjagd“. Wartberg/Aist, Kalvarienberg. Foto: Gerlinde Schaurhofer, 20.11.2016.

Abbildung 6: Denkmalinschrift zur Erinnerung an die Opfer der „Mühlviertler Menschenjagd, Wartberg/Aist, Kalvarienberg. Foto: Gerlinde Schaurhofer, 20.11.2016.

5.2 Abkürzungen

a.D. außer Dienst Bd. Band bzw. beziehungsweise ca. cirka CDU Christlich Demokratische Union Deutschlands DDV Demokratische Druck- und Verlagsgesellschaft m.b.H. d.h. das heißt FN Fußnote Gestapo Geheime Staatspolizei GZ Geschäftszahl HJ Hitlerjugend ISB Information Service Branch Jg. Jahrgang KPÖ Kommunistische Partei Österreichs KZ Konzentrationslager lt. laut NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter Partei NSFK Nationalsozialistisches Fliegerkorps NSKK Nationalsozialistischem Kraftwerkskorps OOELA Oberösterreichisches Landesarchiv

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OÖN1 Oberösterreichische Nachrichten Herausgegeben von der 12. Heeresgruppe für die Bevölkerung Oberösterreichs OÖN2 Oberösterreichische Nachrichten Unabhängiges Tagblatt öster- reichischer Demokraten ÖVP Österreichische Volkspartei SA Sturmabteilung sen. Senior s.o. siehe oben SPÖ Sozialistische/Sozialdemokratische Partei Österreichs SS Schutzstaffel u.a. unter anderem UdSSR Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken VdU Verband der Unabhängigen VOEST Vereinigte Österreichische Eisen- und Stahlwerke VG Volksgericht z.B. zum Beispiel Zl. Zahl

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Danksagung

Am Ende dieser Arbeit ist es mir ein Bedürfnis, all jenen meinen Dank auszuspre- chen, die mich während der Anfertigung dieser äußerst umfangreichen und aufwän- digen Masterthesis in irgendeiner Weise unterstützt haben, auch wenn sie hier nicht explizit erwähnt werden.

Zuerst gebührt mein Dank Herrn a. Univ. Prof. Dr. Michael John, der meine Master- arbeit betreut und begutachtet hat, für die hilfreichen Anregungen sowie für die kon- struktive und wertschätzende Kritik bei der Erstellung der Arbeit.

Bedanken möchte ich mich für das entgegengebrachte Vertrauen und die Bereit- schaft, mir Einblicke in ihre zutiefst persönlichen Lebensgeschichten zu gewähren, bei allen in der Arbeit angeführten Zeitzeuginnen und Zeitzeugen.

Auch Herrn Franz Steinmaßl, der mir seine Materialsammlung über die „Mühlviertler Hasenjagd“ zur Verfügung stellte, gilt mein Dank.

Ebenfalls möchte ich mich bei meinen Kindern Antonia, Clemens und Isabell sowie bei Laurenz und Ludwig für die Geduld, das Interesse und die Hilfsbereitschaft, aber auch für die zahlreichen Debatten und Ideen, die maßgeblich dazu beigetragen ha- ben, dass die Arbeit in dieser Form vorliegt, bedanken. Großen Dank möchte ich an dieser Stelle meiner Tochter Isabell aussprechen, mit der ich gemeinsam das höchst interessante und lehrreiche Studium „Politische Bildung“ absolvieren durfte und die mich in jeder Phase des Studiums unterstützte und diese Arbeit auch Korrektur gele- sen hat.

Ein großes Dankeschön möchte ich schlussendlich dem sehr engagierten Heimatfor- scher Herrn Erwin Zeinhofer aussprechen. Durch seine Hilfe konnte nach vielen un- befriedigenden Recherchen das Rätsel um den Verbleib von Bürgermeister Ferdi- nand Fröhlich gelöst und die Masterarbeit komplettiert werden.

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