Sorben Im Fernsehen. Inaugural-Dissertation Zur
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Sorben im Fernsehen. Diskursanalytische Betrachtung von deutschsprachigen, öffentlich-rechtlichen Fernsehsendungen zu den Sorben unter Bezugnahme auf Produktionskontexte und ihre Korrelationen zu sorbischen Selbst- und Fremdwahrnehmungen. Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. vorgelegt von Franziska Maria Kiedaisch aus München SoSe 2017 Erstgutachter: Prof. Dr. Werner Mezger Zweitgutachter: Prof. Dr. Michael Prosser-Schell Vorsitzender des Promotionsausschusses der Gemeinsamen Kommission der Philologischen und der Philosophischen Fakultät: Prof. Dr. Joachim Grage Datum der Fachprüfung im Promotionsfach: 26.09.2018 Für Lieselotte Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung S. 1 2 Die Sorben: Thema der Berichterstattung S. 9 2.1 Begriffsklärungen: Minderheit, Nation, Ethnizität und Identität S. 9 2.2 Was macht die Sorben zu einer nationalen Minderheit? Juristische, institutionelle und politische Aspekte S. 18 2.3 Die Definitionsfrage: Wer ist Sorbe? S. 24 2.4 Geschichte. Grundlage für sorbische Selbst- und Fremdwahrnehmungen S. 33 2.5 Weitere Bezugspunkte für Selbst- und Fremdwahrnehmungen S. 59 2.5.1 Sorbische Sprache(n) S. 59 2.5.2 Die Lausitz – Sorbische Heimat? S. 70 2.5.3 Traditionelle Aspekte S. 75 2.5.3.1 Religiöses Leben S. 78 2.5.3.2 Tracht(en) S. 82 3 Theoretischer und methodischer Hintergrund für die Analyse S. 89 3.1 Warum Fernsehsendungen? S. 89 3.2 Zur Untersuchung audiovisueller Kommunikationsinhalte S. 94 3.2.1 Wort, Ton und Bild als audiovisuelle Kommunikationsebenen S. 99 3.2.1.1 Das (bewegte) Bild S. 99 3.2.1.2 Das (gesprochene) Wort S. 103 3.2.1.3 Der Ton: Geräusche und Musik S. 104 3.2.2 Medienkommunikation als Austausch von Zeichen: Die symbolhafte Vermittlung von Bedeutungen S. 107 3.2.3 Diskurse. Oder: „Es gibt keinen Unterschied zwischen dem, was getan, und dem, was gesagt wird.“ S. 113 3.2.4 Kollektiv-Symbole, Normalismus und Gattungen als diskursive Gestaltungsmittel und ihr Bezug zur Realität S. 120 3.3 Methodische Vorüberlegungen für die Analyse von Fernsehsendungen zu den Sorben S. 129 3.3.1 Die Kritische Diskursanalyse nach Jäger S. 131 3.3.2 Die Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring S. 137 3.3.3 Die Wissenssoziologische Diskursanalyse nach Keller S. 141 3.3.4 Die Soziologische Film- und Fernsehanalyse nach Keppler S. 148 3.3.5 Zur konkreten Analyse von Fernsehsendungen zu den Sorben S. 154 3.4 Zu den empirischen Methoden S. 157 3.4.1 Die Teilnehmende Beobachtung und ihre forschungsspezifische Umsetzung S. 158 3.4.2 Das Qualitative Interview und seine forschungsspezifische Umsetzung S. 163 4 Analyse S. 168 4.1 Zur Beschaffenheit des Korpus` und seiner Aufbereitung S. 168 4.2 Quantitativ-statistische Kategorien S. 172 4.2.1 Strukturanalyse I: Quantitativ-statistische Kategorien S. 177 4.2.2 Feinanalyse I: Quantitativ-statistische Kategorien S. 184 4.3 Quantitativ-inhaltliche Kategorien S. 200 4.3.1 Strukturanalyse II: Quantitativ-inhaltliche Kategorien S. 206 4.3.2 Feinanalyse II: Quantitativ-inhaltliche Kategorien S. 222 4.4 Qualitative Kategorien: Kollektiv-Symbole, narrative Strategien und Inszenierungsarten S. 236 4.4.1 Struktur- und Feinanalyse der `Nicht-Inszenierung´ S.242 4.4.2 Struktur- und Feinanalyse von Beiträgen ohne Ereignis S. 259 4.4.3 Struktur- und Feinanalyse von ereignisbezogenen Beiträgen S. 279 4.4.4 Struktur- und Feinanalyse von langen Diskursfragmenten S. 307 4.4.5 Struktur- und Feinanalyse von NIF S. 324 4.4.6 Struktur- und Feinanalyse eines systemimmanenten Diskursfragments S. 332 5 Fazit: Kulturelle Differenz zwischen Exotik, ´regionaler Besonderheit` und `Nicht-Normalität´ S. 335 6 Literaturverzeichnis S. 342 1 Einleitung „Sorben im Fernsehen? Wie bitte?“ Das war eine der üblichen Reaktion, wenn ich fernab der Lausitz von meiner Dissertationsschrift erzählte. Schon während meiner Magisterarbeit bemerkte die weit verbreitete Unkenntnis zu den Sorben. Den meisten Gesprächspartnern war es unangenehm oder gar peinlich, dass sie bisher noch nichts von dieser anerkannten nationalen Minderheit Deutschlands gehört hatten. Häufig schloss sich hier die Frage an, ob im Fernsehen überhaupt zu den Sorben berichtet wird: „Wie kann es sein, dass man noch nie etwas von den Sorben gehört hat?“, wurde dabei gefragt. Anders die Situation in Sachsen, wo ich seit geraumer Zeit lebe: Erzählte ich hier von meinem Forschungsschwerpunkt, so waren die Reaktionen gespalten. Einerseits bekam ich von nicht-sorbischen Gesprächspartnern viel Interesse bekundet, andererseits zweifelten auch einige den Sinn meiner Arbeit an. Häufig schloss sich hier die Frage an, wie viele Sorben es überhaupt noch gäbe und ob sich eine sorbische Kultur nicht auf die Ausübung von Folklore beschränke. „Das sieht man doch im Fernsehen“, wurde dabei oft begründet. Gänzlich verschieden dazu die Reaktionen unter Sorben: Hier bekam ich ausschließlich Zuspruch für mein Dissertationsprojekt. Die Gesprächspartner merkten oft an, dass Berichterstattungen häufig mit einer Reduzierung ihrer Kultur auf wenige, auffällige Elemente einherginge, dass sie sich nicht hinreichend präsentiert sähen und eine kultur- wissenschaftlich vorgehende Untersuchung von Fernsehsendungen zum Sorbischen aus diesem Grund längst überfällig sei. „Warum werden wir in der Berichterstattung immer wieder als Trachten tragendes, Eier malendes Volk dargestellt?“, wurde dabei oft von sorbischer Seite gefragt. Auch die wissenschaftliche Begründung einer Untersuchung von Fernsehsendungen unter kulturanalytischen Gesichtspunkten stand zur Disposition: „Warum untersucht du als Kulturwissenschaftlerin Fernsehsendungen? Sind dafür nicht Medienwissenschaftler zuständig?“, wurde beispielsweise kritisch angemerkt. Eine Korrelation zwischen ethnischen Gesichtspunkten und wissenschaftlichem Interesse schien in meinem Bekanntenkreis zudem nicht ausgeschlossen: „Bist du Sorbin oder warum interessierst du dich für die Sorben?“, fragten vor allem Personen aus den neuen Bundesländern, wenn ich ihnen von meiner Dissertation erzählte. Diese Fragen und Bemerkungen meiner Bekannten machen bereits das Spektrum deutlich, wie Fernsehsendungen zu den Sorben und die wissenschaftliche Beschäftigung damit 1 wahrgenommen werden können. Als Kulturwissenschaftlerin interessiere ich mich für die Grundlage jener Wahrnehmungen, weshalb ich im Folgenden untersuchen möchte, wie Sorbisches im Fernsehen repräsentiert und verhandelt wird und welche Begründungen dafür in Frage kommen. Doch wie komme ich überhaupt darauf, öffentlich-rechtliche Fernsehsendungen zu untersuchen? Öffentlich-rechtliches Fernsehen ist deshalb ein bedeutender Bestandteil gegenwärtiger (Alltags-) Kultur1, weil es eine entscheidende Rolle bei der Vermittlung von Wissen einnimmt. Als gesetzlich legitimierte Anbieter von Informationen müssen öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten gemäß ihrer Programmgrundsätze und -aufträge eine sogenannte `Grundversorgung´ mit gesellschaftlich relevanten Informationen für die Öffentlichkeit bereitstellen. Fernsehsendungen öffentlich-rechtlicher Prägung bieten damit Wissensbestände an, denen eine gesellschaftliche Relevanz zugewiesen wird, indem sie von medialen Kommunikatoren aufgegriffen und durch die Übermittlung von bedeutungs- tragenden Zeichen beschrieben werden. Auch wenn sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr in jedem Wohnzimmer ein Fernsehgerät finden lässt, ist öffentlich-rechtliches Fernsehen, das auf den unterschiedlichsten Empfangsgeräten auch losgelöst von einer zeitlich gebundenen Programmstruktur rezipiert werden kann, für viele Menschen nach wie vor ein integraler Bestandteil der alltäglichen Lebenswelt.2 Diese Forschungsarbeit wird sich in der Folge deshalb mit öffentlich-rechtlichen Fernseh- sendungen zum Sorbischen beschäftigen, weil sie darüber Aufschluss geben können, wie über eine nationale Minderheit Deutschlands gesprochen und nachgedacht wird. 1 Ich möchte `Kultur´ als einen Komplex von sinnhaften Weltbezügen definieren, mit denen sich handelnde Subjekte ihre Wirklichkeit erklären, indem sie ihr auf Grundlage von verfestigten Wissensbeständen Sinn zuweisen. Dieser Kulturbegriff geht demnach mit der Annahme einer auf Praxis basierenden Bedeutungszuschreibung und Welterschließung einher, weshalb Kultur weder als universell gültig noch als überzeitlich konstant betrachtet werden kann. Doch ist Kultur historisch bedingt, indem sie auf tradierten Mustern und Ideen, Werten und Normen basiert und damit auch an eine bestimmte Zeit, einen bestimmten Ort und eine bestimmte Gesellschaft gebunden ist. Kultur ist demnach immer sowohl von Kontinuität als auch Wandel bestimmt und kann dabei mit Repräsentativzwecken oder einer alltagskulturellen Verankerung einhergehen. Somit meint Alltagskultur in dieser Arbeit diejenige Kultur, die von den Subjekten `gelebt´ wird, die demnach eine identitätsstiftende Funktion beinhaltet, wohingegen unter `Repräsentativkultur´ die `gezeigte´ Kultur zu verstehen ist, die nicht unmittelbar mit einer kulturellen Identität korreliert, sondern im Sinne eines „strategischen Essentialismus“ („strategic essentialism“) auch mit politischen oder ökonomischen Zwecken einhergehen kann. Vgl. zum Konzept des „strategischen Essentialismus“: Spivak, Gayatri C.: More on Power/Knowledge. In: Landry, Donna; MacLean, Gerald (Hg.): The Spivak Reader. Selected Works of Gayatri Chakravorty Spivak. London / New York 1996, S. 142-174, hier: S. 159 2 Vgl. dazu beispielsweise die konstant hohen Einschaltquoten öffentlich-rechtlicher Sendungen. Abzurufen unter: >https://www.agf.de<. Zudem