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SWR2 Zeitwort 04.02.1956: Als "Deutsche " startete die Fluggesellschaft der DDR Von Thomas Koch

Sendung: 04.02.2017 Redaktion: Ursula Wegener Produktion: SWR 2017

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Autor: Es ist ein bitterkalter Februar Tag am Flughafen Schönefeld. Das Thermometer auf der Piste sinkt auf 8 Grad Unternull. Die linientreue Besatzung der Iljuschin IL – 14 P lässt sich weder vom Wetter noch von den sportlichen Erfolgen des Klassenfeindes beeindrucken. Planmäßig hebt die zweimotorige Propellermaschine in Ost-Berlin ab und nimmt Kurs auf Prag. Zwei Fluggesellschaften streiten sich zu dieser Zeit um die Nachfolge der Vorkriegs- Lufthansa. Eine im Westen, die in Köln ansässige Deutsche Lufthansa-West und das sozialistische Luftfahrtunternehmen im Osten. Der Ost-Lufthansa stand Arthur Pieck vor, der Sohn des ersten Staatspräsidenten . Der Streit um den Namen sollte erst 1963 vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag beendet werden. Die Ost-Flieger unterlagen. Sie mussten ihre Maschinen umlackieren. Die Gesellschaft hieß fortan „“. Damals noch Lufthansa-Ost, hatte sie den volkseigenen Flugbetrieb bereits 1955 aufgenommen. An Bord saßen allerdings zunächst ausschließlich gewählte Vertreter der DDR-Nomenklatura. Die Airline war zunächst ein reiner Regierungsflugdienst. Das Maschinenmaterial kam vom großen Bruder im Osten und es war selten auf der Höhe der Zeit. Als die Interflug 1963 in die Luft ging, tat sie das immer noch mit inzwischen völlig veralteten sowjetischen Iljuschin 14-Maschinen. Damit wurde Mitte der 60er Jahre der komplette Luftverkehr abgewickelt. Immerhin saßen inzwischen deutsch Piloten in der Kanzel. Ab 1957 wurden sie in Uljanowsk an der Wolgau ausgebildet und übernahmen das Kommando im Cockpit. Organisiert war die Interflug nach dem Muster der „Aeroflot“. Das bedeutete Verantwortung für landwirtschaftlichen Flugbetrieb ebenso wie für die Ost-VIP’s. Gut 30 Prozent der Flüge ging für Beförderung für Politgrößen drauf. Die Volksvertreter konnten auf besonders viel Beinfreiheit hoffen. Auch im sozialistischen Flugbetrieb gab es natürlich eine First und eine Economy Class. In den 80er Jahren wandelte sich das Bild der „Interflug“. Damals fliegt sie unter anderem West-Berliner in den Urlaub an die Schwarzmeerküste und beschaffte damit Devisen. Ausgewählte linientreue Piloten mit Stasi-Testat bedienen Langstreckenverbindungen unter anderem natürlich nach Kuba, aber auch nach Ostasien und Afrika und bringen unter argwöhnischer Beobachtung der westlichen Behörden Asylbewerber mit, die sich dann teilweise über Schönefeld nach West- Berlin absetzen. Der wegen der zu kurzen Strecken chronisch defizitäre Inlandsverkehr ist inzwischen eingestellt. Doch noch über 8000 Mitarbeiter versorgen die Flugsicherung, den Agrarflug und die fünf DDR-Flughäfen. Aber die Betriebskosten der antiquierten Flugzeuge drohen der Interflug über den Kopf zu wachsen. Die sowjetischen Hersteller sind außerstande, zeitgemäßes Material zu liefern. Und so kommt es zu einem unheiligen Deal zwischen der real existierenden sozialistischen Interflug und dem Klassenfeind – der Airbus Industries. Drei Airbus A- 310 düsen schließlich mit DDR-Flagge auf dem Leitwerk. Tatkräftig befördert wird das Geschäft vom bekennenden Flugzeugnarren und ehemaligem Airbus- Aufsichtsratsvorsitzenden Franz Josef Strauß. Und dann schließt sich der Kreis. Als die Interflug 1992 als Folge der Wiedervereinigung abgewickelt wird, kommen die drei Airbusse in den Besitz der Bundesregierung. Das neue Einsatzgebiet: Flugservice für hochrangige Politiker, Staatsgäste und andere VIP’s. So endete es, wie es begann. Von der Lufthansa zur Lufthansa.

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