MATERIALMAPPE DER ZERRISSENE von Johann Nepomuk Nestroy

Ansprechperson für weitere Informationen

Mag.ᵃ Julia Perschon | Theatervermittlung T +43 2742 90 80 60 694 | M +43 664 604 99 694 [email protected] | www.landestheater.net

INHALTSVERZEICHNIS

VORWORT ………………………………………………………………………… 3

1. ZUR PRODUKTION ……………………………………………………….... 4

2. INHALT ………………………………………………………………………… 5

3. HERRN VON LIPS´ ZERRISSENHEIT …………………………………. 7

4. JOHANN NEPOMUK NESTROY: BIOGRAFIE ………………………….. 8

5. NESTROY ZU RADIKAL FÜR ÖSTERREICH? ………………………….. 10

6. POSSE …………………………………………………………………………. 13

7. COUPLETS ………………………………………………………………….. 13

8. SPRACHE BEI NESTROY …………………………………………………… 13

9. GLOSSAR …………………………………………………………………… 14

10. TEXTAUSZUG …………………………………………………………………… 15

11. TEAM ……………………………………………………………………………. 17

12. VOR- UND NACHBEREITUNG …………………………………………….. 23

2

VORWORT

Liebe Pädagoginnen und Pädagogen, liebe Besucherinnen und Besucher, ist unser Glück tatsächlich vom Geld abhängig? Was ist dann zu viel, wie viel zu wenig? Bedeutet Wohlstand Freiheit oder Gefangenschaft? Und was, wenn sich das Verhältnis von Arm und Reich mit einem Schlag umkehrte? Diese und andere Fragen beleuchtet Johann Nepomuk Nestroy in seiner wortgewandten Posse DER ZERRISSENE auf lustvolle Weise und mit dem für ihn bezeichnenden, subversiven Witz.

Wir lernen in dieser Posse Herrn von Lips kennen, dem mangelt´s – so könnte man meinen, an nichts – und doch leidet der in grenzenlosem Reichtum und Luxus schwimmende Junggeselle an entsetzlicher Langeweile. Was wäre da geeigneter als der kühne Entschluss, die nächstbeste Frau vom Fleck weg zu heiraten?

Die mehrfach preisgekrönte österreichische Filmregisseurin Sabine Derflinger (u. a. „Vorstadtweiber“ und „Tatort“) wird Nestroys temporeiche Verwechslungskomödie auf die große Bühne des Landestheaters bringen. Als Vorlage dient der Originaltext von Nestroy mit seiner spezifischen Sprache.

In der vorliegenden Materialmappe finden eine ausführliche Inhaltsangabe des Stückes, Hintergrundinformationen zu Johann Nepomuk Nestroy, einen Textauszug, Übungen zu Vor- und Nachbereitung u.v.m.

Ich stehe Ihnen jederzeit gerne für Fragen, Anregungen und Feedback zur Verfügung. Wünschen Sie sich abseits der Materialmappe eine persönliche Vor- oder Nachbereitung, komme ich gerne zu Ihnen an die Schule. In Verbindung mit der Buchung einer Vorstellung ist dieses Angebot kostenlos.

Ich wünsche Ihnen und Ihren Schülerinnen und Schülern humorvolle Stunden im Landestheater Niederösterreich!

Mit herzlichen Grüßen,

Julia Perschon

Theatervermittlung Landestheater Niederösterreich

3

1. ZUR PRODUKTION

Der Zerrissene von Johann Nepomuk Nestroy Premiere: Sa 17.03.2018

Vorstellungen für Schulklassen Di 17.04.2018, Do 17.05.2018, Fr 18.05.2018 jeweils um 10.30 Uhr

Besetzung

Lips, ein Kapitalist Gerald Votava Stifler, Freund von Lips Tim Breyvogel Sporner, Freund von Lips Tobias Artner Wixer, Freund von Lips Stanislaus Dick Madame Schleyer Cathrine Dumont Gluthammer, ein Schlosser Michael Scherff Krautkopf, Pächter auf einer Besitzung des Herrn von Lips Haymon Maria Buttinger Kathi, Anverwandte von Krautkopf Josephine Bloéb Staubmann (Justiziar) Othmar Schratt Anton, Bediensteter bei Lips Helmut Wiesinger

Musiker Helmut Stippich

Inszenierung Sabine Derflinger

Bühne Ina Peichl

Kostüme Isabella Derflinger

Video Petra Zöpnek

Ausstattungsassistenz Tamara Raunjak

Dramaturgie Kai Krösche

Regieassistenz Victoria Halper

Kartenbestellung niederösterreich kultur karten Rathausplatz 19 3100 St. Pölten T 02742 90 80 80 600 [email protected]

4

2. INHALT

DER ZERRISSENE von Johann Nepomuk Nestroy ist eine in drei Akten. Die Erstaufführung fand am 09. April 1844 im als „Benefiz-Vorstellung“ für Nestroy statt. Johann Nepomuk Nestroy war neben Shakespeare und Moliere nicht nur Autor, sondern auch Schauspieler und schrieb kaum eines seiner 83 Theaterstücke ohne Vorlage. Der Stoff für das Stück DER ZERRISSENE stammt von dem französischen Text L'homme blasé (Der gelangweilte Mann) von Félix-Auguste Duvert und Augustin-Théodore de Lauzanne. Ihm verdanktNestroy die Hauptzüge der Handlung. Aber was er aus dem französischenHandlungsgerüst macht, ist von feinster sprachlicher Finesse und großem Witz. Die Regisseurin Sabine Derflinger arbeitet mit dem Originaltext von Nestroy.

Hier finden Sie eine detaillierte Inhaltsangabe:

Im Gartenpavillon des Herrn von Lips findet ein Fest mit großer Gesellschaft statt. Gluthammer ist auf dem Balkon mit der Anbringung eines Geländers beschäftigt, soll jedoch wegen des Lärms damit aufhören. Kathi, das Patenkind von Lips und eine Verwandte seines Freundes Krautkopf, kommt, um eine Schuld der verstorbenen Mutter zu bezahlen. Gluthammer berichtet von seinem Unglück: Am Tag vor seiner Hochzeit hat er seine Braut, Mathilde, verloren, seither fehlt ihm jede Spur von ihr und er glaubt an eine Entführung.

„[…] ich war Strohwittiber, bin Strohwittiber geblieben, und das Stroh bring ich auf der Welt nicht mehr aus'n Kopf.“ (I. Act, 3. Scene)[3]

Lips bezeichnet sich selbst in einem Monolog als „Zerrissenen“: Trotz oder gerade wegen seines Reichtums hat er keine Freude am Leben; er ist gelangweilt, mit Geld allen Schwierigkeiten – und Abenteuern – aus dem Weg gehen zu können. Aber ohne Geld will er auch nicht leben:

„Armut ist ohne Zweifel das Schrecklichste, mir dürft' einer 10 Millionen hinlegen und sagen, ich soll arm sein dafür, ich nehmet's nicht.“ (I. Act, 5. Scene)[4]

Im Gespräch mit seinen drei „Freunden“, Stifler, Sporner und Wixer, beschließt Lips, etwas ganz Verrücktes zu tun: Er will die erstbeste Frau, der er begegnet, heiraten. Dies ist die verwitwete Frau von Schleyer, die frühere Mathilde Flunck, der er einen Antrag macht. Gluthammer glaubt seine „entführte“ Braut Mathilde in der Gewalt des Herrn von Lips. Er rangelt wutentbrannt mit Lips und stürzt gemeinsam mit ihm vom Balkon hinab ins Wasser. Beide werden für tot gehalten.

Lips, der überlebt hat, flüchtet sich zum Hof des Pächters Krautkopf, wo ihn Kathi freudig erkennt. Er will zur Tarnung als Knecht in dessen Dienst treten, was Krautkopf nur ungern tut. Aber auch Gluthammer ist nicht ertrunken, hält sich seinerseits für den Mörder von Lips und flüchtet sich ebenfalls zu seinem Freund Krautkopf. Dieser versteckt ihn vor der vermeintlichen Verfolgung auf seinem Pachthof.

Gluthammer: „Man hat einen Preis auf meinen Kopf gesetzt.“ Krautkopf: „Ah, 's G'richt wirft 's Geld nicht so hinaus.“ (II. Act, 5. Scene)

Kathi versorgt Lips liebevoll, Krautkopf Gluthammer eher unwillig. Stifler, Sporner und Wixer, die im Testament des Herrn von Lips als Erben eingesetzt sind, besichtigen ihre neuen 5

Besitztümer. Alle äußern sich verächtlich über den vermeintlich verstorbenen „Freund“; dies hört auch der verkleidete Lips. Während alle den Hof besichtigen, versieht Lips sein herumliegendes Testament mit einer auf den Tag vor seinem Verschwinden datierten Änderung und setzt Kathi als Alleinerbin ein.

Sogleich beginnt das Buhlen aller Anwesenden um die Hand der plötzlich guten Partie. Kathi will unter vier Augen Lips gerade ihre Zuneigung gestehen, als die drei Enterbten herbeitreten. Lips gibt sich als lebendig zu erkennen, wird nun aber als Mörder Gluthammers angesehen und eingesperrt. Auf der Suche nach einer Fluchtmöglichkeit trifft er unter einer Luke im Boden auf das Kellerversteck des Schlossers. Die beiden, die einander ja tot wähnen, begegnen voller Schrecken dem vermeintlichen Geist.

Erst Krautkopf bringt Klarheit in die Situation, also gibt es weder Mörder noch Ermordete. Die drei „Freunde“ beginnen gleich wieder, sich bei von Lips einzuschmeicheln, werden aber davongejagt. Lips versöhnt sich mit Gluthammer, gibt ihm ein Kapital und auch den Segen zur Verbindung mit Mathilde, was dieser dankend ausschlägt. Mit einer Umarmung zwischen Kathi und Lips und dem Eingeständnis beiderseitiger Liebe schließt das Stück.

„Und in mir is eine Kathilieb' erwacht. Jetzt seh ich erst, dass ich nicht bloß in der Einbildung, dass ich wirklich ein Zerrissener war, die ganze ehliche Hälfte hat mir g'fehlt; […]“ (III. Act, 11. Scene)

Szene aus DER ZERRISSENE. Unbekannter Grafiker der Epoche. In: Illustrirte Zeitung, Bd. 03 (1844), S. 61.

6

3. HERRN VON LIPS´ ZERRISSENHEIT

Auszug aus einem Gespräch mit Hans Weigel am 17. November 1990

Julius Hans Weigel war ein österreichischer Schriftsteller und Theaterkritiker. Er lebte in Wien und in Maria Enzersdorf – ausgenommen von 1938 bis 1945, als er in der Emigration in der Schweiz lebte.

Gibt es für den Begriff „Zerrissenheit“ eine geeignete Definition?

Weigel: „Der Zerrissene“ ist eine Posse, die Nestroy einem französischem Stück entlehnt hat, das L`homme blasé – „der blasierte Mann“ heißt. „Zerrissenheit“ ist eigentlich in unserem Wortschatz kaum vorhanden. Wir meinen einen nervösen, einen belasteten, einen pathologischen Menschen, aber wir haben kaum je die Gewohnheit zu behaupten: „Das ist ein Zerrissener“. Selbst bei der Popularität dieses Stückes von Nestroy ist das Wort in unseren Wortschatz nicht übergegangen. Ich erinnere mich mit Freude an das Zitat „Zerrissen wie das Nacht'gwand von einem Bettelmann“. Das ist eine herrliche, plastische, poetische Umschreibung der äußeren Zerrissenheit.

Was ist die innere Zerrissenheit?

Weigel: Die innere Zerrissenheit ist das Übermaß der Nervosität, die psychische Belastung, es ist ein bißchen Hysterie und ein bißchen Pessimismus; vielleicht ist Melancholie eine der deckensten Umschreibungen.

Inwieweit spielt der Begriff „Weltschmerz“ bei der Zerrissenheit eine Rolle?

Weigel: Ja, die Zerrissenheit entspricht natürlich nicht nur dem Weltschmerz. Zum Beispiel, der Herr von Lips im Zerrissenen ist ein Pessimist, ein nervlich Belasteter. Doch Zerrissenheit ist nicht nur Pessimismus, sondern ist eine Charaktereigenschaft, die mit dem Bild des Österreichers, wie es sich in der Vulgärliteratur und im Vulgärdrama darbietet, völlig verschieden ist. Ich habe einmal eine herrliche Aufführung des Zerrissenen in Zürich miterlebt, da hat Karl Paryla den Herrn von Lips gespielt. Paryla hat sich einen Gang zurechtgelegt; er ist nie gerade gegangen, sondern immer, wenn man geglaubt hat, jetzt geht er dort und dort hin, hat er einen Umweg gemacht und ist woanders hingegangen. Das war ein ganz herrliches optisches Symbol für die Zerrissenheit.

Quelle: Aus einer Fachbereichsarbeit von Stefan Fak (BG und BRG Wien XII), Februar 1991.

Jürgen Hein zum Thema Zerrissenheit bei Herrn von Lips:

Seine Zerrissenheit ist Ausdruck einer tiefgreifenden Entfremdung, und sie ist vielschichtig, sie nährt sich dialektisch aus Weltschmerz und „Geldschmerz“, aus Spaltung in „Herr“- und Knecht“-Sein, aus Gefühl und skeptischem Verstand, aus Aktivitätsdrang und Handlungsunfähigkeit, aus Abenteuerlust und Lebensangst.

Quelle: Hein, Jürgen: „: ‚Der Zerrissene‘“. In: Arntzen, Helmut (Hg.): Komödien-Sprache: Beiträge zum Beiträge zum deutschen Lustspiel zwischen dem 17. und dem 20. Jahrhundert mit einem Anhang zur Literaturdidaktik der Komödie. Münster: Aschendorffsche Verlagsbuchhandlung, 1988, S. 83–97 7

4. JOHANN NEPOMUK NESTROY: BIOGRAFIE

Nestroy, Johann, * 7. Dezember 1801 in Wien (1, Bräunerstraße 3), † 25. Mai 1862 , St. Leonhard 765 (Elisabethstraße 14; Währinger Ortsfriedhof, seit 1881 Zentralfried- hof, Ehrengrab, Gr. 32A, Nr. 6), Schauspieler (Komiker), Theaterdichter, Theaterdirektor, Sänger, Sohn des Hof- und Gerichtsadvokaten Dr. Johann Nestroy (1763-1834) und dessen Gattin Maria Magdalena Constantin (1781-1814).

Nestroy verlebte seine Kindheit und Jugend in der Inneren Stadt. 1808 bis 1810 besuchte er die angesehene Volksschule von St. Anna, 1811 bis 1813 die ersten drei Grammatikklassen des Akademischen Gymnasiums und von 1813 bis 1816 die zwei so genannten Humanitätsklassen im Schottenstift. Wie sein Vater sollte auch der junge Nestroy Jurist werden, brachte aber von Anfang an für diesen Beruf keinerlei Neigung auf. Schon vor seiner widerwilligen Immatrikulation an der juridischen Fakultät der Universität Wien (1820) entdeckte er seine Leidenschaft für das Sing- und Sprechtheater und auch seine eigene schöne Bassbaritonstimme. Während der Schulzeit und der Vorbereitung auf das Studium wurden seine künstlerischen Talente vom Hauskonzert- und Haustheaterwesen in den gut situierten Familien Wiens so stark angeregt , dass er schließlich das vorgegebene Berufsziel vernachlässigte, um sich gänzlich seiner Gesangsausbildung zuzuwenden. Am 8. Dezember 1818 gab er sein Debüt in Händels Oratorium "Timotheus". 1822 brach er sein Jusstudium ab und erhielt am 24. August dieses Jahres die Gelegenheit, am k. k. Hoftheater nächst dem Kärntnertor den Sarastro in Mozarts "Zauberflöte" zu singen. Die Kritik für den jungen Künstler fiel überaus positiv aus, so dass er in weiteren Rollen debütieren konnte und einen Vertrag an der Hofoper für zwei Jahre erhielt. Ein Engagement am Deutschen Theater in Amsterdam (1823–1825) brachte dann seinem Spieltrieb mit über zweihundert Gesangs- und Sprechrollen die reichste Entfaltungsmöglichkeit. In dieser Zeit schrieb er auch sein erstes Stück, "Prinz Friedrich von Korsika" (erst 1841 aufgeführt), sein einziges ernstes Drama überhaupt.

Schon vor seinem Aufenthalt in Amsterdam hatte Nestroy Wilhelmine von Nespiesny ken- nengelernt, die er im September 1823 heiratete und die ihn 1827 wegen eines anderen Mannes verließ. 1824 gebar sie ihm den Sohn Gustav. 1825 wechselte Nestroy von Amsterdam nach Brünn und danach trat er abwechselnd auf der Grazer und der Preßburger Bühne auf. In Graz lernte er nach der Enttäuschung mit Wilhelmine von Nespiesny die

8

Schauspielerin Marie Weiler kennen, mit der er eine lebenslange, nicht immer friktionsfreie Verbindung eingehen sollte. Zu dieser Zeit wandte er sich auch von Gesangsrollen ab und entwickelte sich zum Komiker in Sprechstücken. In den Jahren 1828/1829 entstanden die ersten drei abendfüllenden Stücke: "Die Verbannung aus dem Zauberreiche", "Der Einsilbige" und "Der Tod am Hochzeitstage". Nach einem Gastspiel im März 1831 im Theater in der Josefstadt und einem von der Cholera überschatteten Gastspiel in Lemberg erhielt Nestroy durch einen Vertrag mit dem bekannten Theaterdirektor Carl Carl die Chance am Theater an der Wien und etwas später im Leopoldstädter Theater aufzutreten. Ebenso wurde er damals schon als Autor angestellt, mit der Verpflichtung jährlich zwei neue Stücke abzuliefern. Für Nestroy bedeutete dieser, gleichwohl ausbeuterische Vertrag, Aufstieg und Sicherung der bürgerlichen Existenz, die er in den nächsten Jahrzehnten zur Wohlhabenheit ausbaute. In den Jahren 1841 bis 1847 begeisterte er bei Gastspielreisen auch das Publikum in Deutschland und legte so den Grundstein für seine weit über Wien und Österreich hinausreichende Wirkung. 1854 übernahm Nestroy die Direktorenstelle des Carl- Theaters, des vormaligen Leopoldstädter Theaters, die er bis 1860 innehatte, bevor er sich nach Graz zurückzog, wo er seinen Lebensabend verbrachte.

Wie als Schauspieler erreichte Nestroy auch als Bühnenautor um 1830 seinen Durchbruch bei Publikum und Kritik. 1833 entstand das bis heute bekannteste und am meisten gespielte Werk aus seiner Zauberspielphase, nämlich "Der böse Geist Lumpazivagabundus“. Zwischen 1833 und 1881 wurde das Stück über tausendmal gespielt. Einen zweiten Schwerpunkt dieser Phase bilden die frühen Parodien, z. B. "Nagerl und Handschuh“ (1832), "Robert der Teuxel“ (1833), "Weder Lorbeerbaum noch Bettelstab“ (1835), "Die verhängnisvolle Faschingsnacht“ (1839) und die Possen "Zu ebener Erde und erster Stock“ (1835), "Die beiden Nachtwandler“ (1836), "Eine Wohnung ist zu vermieten [...]“ (1837), "Das Haus der Temperamente“ (1837).

In einer zweiten Phase dramatischen Schaffens von etwa 1840 bis 1849 wandte Nestroy sich noch stärker der sprachlichen und dramaturgischen Ausformung der satirischen Posse zu. Nestroy fing in den Komödien dieser Zeit – etwa "Der Färber und sein Zwillingsbruder“ (1840), "Der Talisman“ (1840), "Das Mädl aus der Vorstadt“ (1842), "Die Papiere des Teu- fels“ (1842), "Einen Jux will er sich machen“ (1842), "Liebesgeschichten und Heiratssachen“ (1843), "Der Zerrissene“ (1844) – sein gesellschaftliches Umfeld, die Welt der Bürger und Spießer ein und entwickelte sich zum politischen Satiriker. Mit "Der Unbedeutende“ (1846) und "Der Schützling“ (1847) schrieb er sozialkritische Volksstücke. "Freiheit in Krähwinkel“ (1848), "Lady und Schneider“, "Der alte Mann mit der jungen Frau“, "Höllenangst“ (alle 1849) beweisen das gesellschaftspolitische Engagement des Satirikers Nestroy. Die Stücke der letzten Phase, von 1850 bis 1859, sind weniger satirisch-aggressiv, sie wirken eher resignativ, von bitterem Pessimismus getönt, so etwa "Mein Freund“ (1851) und "Kampl“ (1852). Mit den letzten Einaktern "Frühere Verhältnisse“ und "Häuptling Abendwind“ beweist Nestroy jedoch in seinem Todesjahr noch einmal die nicht erlahmte satirische Kraft seiner Dichtung.

Nach seinem Rückzug nach Graz stand er am 29. April 1862 zum letzten Mal auf der Bühne. Er starb an den Folgen eines Schlaganfalls am 25. Mai 1862 in Graz. Von hier nach Wien überführt, wurde Nestroys Leichnam auf dem Währinger Friedhof beigesetzt und fand 1881 zusammen mit den sterblichen Überresten von Marie Weiler in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof seine letzte Ruhestätte. Sein dichterischer Nachlass kam 1923 in die

9

Obhut der damaligen Wiener Stadtbibliothek, wo er noch heute das Zentrum der Nestroyfor- schung in der ganzen Welt darstellt.

Quelle: https://www.wien.gv.at/wiki/index.php/Johann_Nestroy

5. NESTROY ZU RADIKAL FÜR ÖSTERREICH?

„Nach ihm die Sintflut“

Johann Nepomuk Nestroy sei in keine Sprache zu übersetzen, nicht einmal ins Deutsche. Das Urteil von Hans Weigel über den österreichischen Volksdramatiker ist so richtig wie falsch. Denn dass Nestroy auch abseits von Österreich ein Klassiker auf deutschen Bühnen ist, kann kaum bestritten werden. Auf der anderen Seite ist das Werk des Mannes, der vor 150 Jahren starb, kaum vom politischen und sozialen Umfeld zu trennen, in dem es entstand.

Der Weg zu Nestroy führt durch ein Feld sozialer Anerkennungskämpfe, in dem nicht nur politische Pressionen eine Rolle spielen. Die Positionierung von Nestroy auf der Bühne, zunächst im Gesang, wie zahlreiche Würdigungen zu seinem Todesjahr erinnernd belegen, verweist nicht zuletzt auf eine Aufführungspraxis von Theater, in dem Erfolg haben und Geldverdienen eine nicht unwesentliche Triebfeder sind.

Der Weg zu Nestroy führt auch zu einem Workaholic, der für seine Positionierung einen Lebensweg auf sich genommen hat, der mehr an einen Legionär im zeitgenössischen Fußballbetrieb erinnert als an einen vor sich hinbrütenden Kunstschaffenden.

Nestroy: Der Bühnenautor als erfolgsverwöhnter Schauspieler

10

Nestroy und der Takt der Oper

Nestroys Weg auf die Bühne, daran erinnert Renate Wagner in ihrer neuen Nestroy- Biografie, ist zunächst von der Musik bestimmt. Wagner zeichnet darin das Bild eines rastlosen und nach oben strebenden Mannes, der seine Bühnenwirkung zunächst im Fach der Oper erprobte, bevor er zunehmend Theaterrollen übernahm. Interessant an diesem Übergang von der Oper zum Theater ist der Takt, aus dem sich das Werk Nestroys speist: Die Erfahrung der Bühnenpraxis der Oper hat auch die von Nestroy belebte und radikalisierte Form der Wiener Volkskomödie „getaktet“, die Schnelligkeit und Präzision, mit der Pointen zum richtigen Zeitpunkt gesetzt werden. Auch das Improvisieren verweist letztlich auf eine bis zu Mozart zurückgehende Praxis.

Wenn mit dem Tod von Nestroy die Wiener Volkskomödie, immerhin die einzig virulente „neue“ Theaterform auf deutschen Brettern der Zeit, ihren Abstieg erlebt, drängt sich das Musiktheater, gerade in der populären Wahrnehmung, in den Vordergrund: Nach (und schon in den letzten Lebensjahren von) Nestroy steht Jacques Offenbach mit der bösen bis bissigen Opera bouffon als neuer Erfolgsmotor in der Publikumsgunst vor der Tür.

Das Wienerische als Mittel der Kunst

Dass Nestroy aus dem, man könnte heute sagen, „Entertainment“ kommt, ist zentral für die Ausrichtung seiner Stücke: Er will und sucht ein wachsendes Stammpublikum, sät in diesem eine bissige Satire und lässt so seinen Ruf in die Welt tragen.

Das Wienerische ist bei Nestroy ein Kunstmittel, ein Medium, das eine Berg-und-Tal-Fahrt von Pointen, Kalauern, Nuancierungen ermöglicht und immer wieder zu satirischen Forcierungen reizt. Ein Wiener „Dialektdichter“, als den man ihn oft rezipiert hat, ist er weniger als ein Modernist, der die Möglichkeiten und Feinheiten von Sprache und ihrem oszillierenden Bedeutungsfeld ausnutzt. Peter Handkes Sprachspiele, aber auch die Textmaschinenprosa einer Elfriede Jelinek samt dem Spiel von Bedeutungserzeugung und Bedeutungsabnutzung verweisen bis zurück auf Nestroy.

„Bei Nestroy gibt es winzige Zwischenszenen, wo ein Satz über die Bühne geht und eine Figur, ein Milieu, eine Epoche dasteht“, schreibt Karl Kraus. Kraus ist eine jener Stimmen, die in ihrer Zeit die Modernität von Nestroy betonen und beachtet sehen wollen – für Kraus typisch ist freilich auch, dass er das Nicht-Verstehen seiner Zeit gegenüber Nestroy immer seinem eigenen Überdurchschauen dieses Theaterdichters kontrastieren muss.

Ein Revoluzzer aus bürgerlichen Verhältnissen

Als zweites von acht Kindern ist Nestroy in Wien in durchaus bürgerliche Verhältnisse geboren worden, und der Mann, der wie der Vater Johann heißt und noch den Heiligen Nepomuk als weiteren Vornamen bekommt, soll wie der Vater die Juristenlaufbahn einschlagen.

Doch Nestroy bleibt nicht nur in Philosophievorlesungen hängen, ihn zieht es, eigentlich mehr nebenbei und bedingt durch die musikalische Förderung, auch ins Gesangsfach, in Richtung Bühne. Ab 1822 singt er in der Bassstimmlage am Wiener Hoftheater. Dieses Engagement soll Grundlage für eine Ehe mit Wilhelmine von Nespiesni sein, die sich bald als Nemesis seiner frühen Theaterjahre erweisen wird.

11

Nestroy beginnt an der Seite Wilhelmines seine „Theaterlehrjahre“: Sie übersiedeln zunächst nach Amsterdam, Brünn, Graz, Preßburg und Lemberg. In den 1820er Jahren entstehen seine ersten Stücke. 1826 wird „Die Verbannung aus dem Zauberreiche“ am Grazer Schauspielhaus uraufgeführt, danach folgen Engagements in Wien, wo er schnell zum beliebten Schauspieler und Dichter von Possen aufsteigt. Von nun an beginnt sich das Rad zu beschleunigen: Nestroy spielt, liefert immer neue Stücke ab - hat Erfolg und legt nach. Sein Markenzeichen, die Posse mit Gesang, wird zur dominierenden Form des Wiener Volkstheaters.

Nur scheinbar harmlose Fabeln

Die scheinbar harmlosen Fabeln seiner Stücke sind durchsetzt mit Anspielungen und Gesangsnummern, den berühmten Couplets, die zur freien Improvisationsform werden. Gegen den Druck der Zensur wünscht Nestroy Abweichung und Erweiterung vom vorgegebenen Text. Auch sonst bewegt er sich in der Zeit des Vormärz auf einem schmalen Grat mit Anspielungsorten wie „Krähwinkel“, der von der Zensur unangreifbar, für das Publikum aber leicht als Stellvertreter für das verkommene Wien sein soll.

Der Erfolg von Stücken wie „Der böse Geist Lumpazivagabundus“ (1833), „Der Talisman“ (1840) und „Einen Jux will er sich machen“ (1842) ist groß. Gemeinsam mit Wenzel Scholz bildet er das Modell eines Komikerpaares, das auch ein Jahrhundert später noch kopiert wurde.

Scharfer Blick auf soziale Entwicklungen

Wie scharf und nuanciert Nestroys Blick gerade auf soziale Entwicklungen ist, macht sein Stück „Zu ebener Erde und erster Stock“ deutlich, das bei seiner Uraufführung am Theater an der Wien im November 1834 eine zweigeschoßige Bühne zeigt, auf der das Publikum auf der Belle Etage eine reiche und im Erdgeschoss, zur ebenen Erde, die armen Leute erblickt. Das Schicksal verteilt Nestroy konträr zur sozialen Schichtung: Die Reichen müssen Schicksalsschläge verkraften, den Armen widerfährt das Glück.

Prophet des Untergangs

Wenn Kraus 1912 in seinem Text „Nestroy und die Nachwelt“ das Genie Nestroy lobt, dann lauschen ihm nicht nur 1.500 Zuhörer: Kraus skizziert hier einen Propheten des - nicht nur österreichischen - Untergangs und dessen schwierige Stellung zur eigenen Zeit: „Der satirische Künstler steht am Ende einer Entwicklung, die sich der Kunst versagt. Er ist ihr Produkt und hoffnungsloses Gegenteil. Er organisiert die Flucht des Geistes vor der Menschheit, er ist die Rückwärtskonzentrierung. Nach ihm die Sintflut.“

Nestroy muss mit seiner Radikalität ein Unverstandener sein - oder anders gefragt: Hat man bei Nestroy in der breiten Wahrnehmung zu sehr an der Oberfläche gekratzt - gerade aus dem Umstand heraus, dass es einfacher ist, über seine Figuren zu lachen als mit ihnen zu lachen? Mitlachen birgt die Gefahr, dass einem das Lachen im Hals stecken bleibt.

Eigentlich wäre gerade der 150. Todestag ein Anlass, sich vor allem in Österreich auf den ganzen Nestroy einzulassen. Einen, der in der Satire Widersprüche aufgezeigt, vertieft hat, anstatt diese zum Weglachen freizugeben.

Quelle: Heidegger, Gerald: „Nach ihm die Sintflut“. In: ORF Online. Artikel vom 25.05.2012.

12

6. POSSE

Literarisch anspruchslose Stücke, Spielvorlagen für niedere Komik mit Verwechslungen, Verkleidungen und überraschende Situationen, derb in der Ausführung ihrer Motive, in Figurenzeichnung und Handlungsführung auf Wiedererkennung von Typen, nicht auf Individualisierung ausgerichtet. Erfolgsgeheimnis der Posse ist das Betonen des Spielelements auf der Ebene der Handlung, der mimischen Manier dem Schauspieler, der lebendige Bezug zum Publikum (durch Lokalbezogenheit von Figur, Handlung und Dialekt, durch illusionsdurchbrechende Mittel wie das Extemporieren (im Moment/ Improvisation), generell durch ein sensibles Reagieren auf Geschmackswandel im Publikum), weiter der Einsatz von Bühnenmusik und Gesang.

Quelle: V. Klotz, Bürgerliches Lachtheater, 2007

7. COUPLETS

Das Couplet (frz. „couplet“: Zeilenpaar) bezeichnet in der Musik ein mehrstrophiges witzig- zweideutiges, politisches oder satirisches Lied mit markantem Refrain. Das Wiener Couplet ist ein Bühnenlied in den Stücken des Alt-Wiener Volkstheaters von Johann Nepomuk Nestroy und Ferdinand Raimund. Seit dem 18. Jahrhundert war das Couplet eine vokale Gattung und wurde in verschiedene Theatergattungen integriert, so in Vaudevilles, Opéras comiques, Singspielen und Possen mit Gesang wie in DER ZERRISSENE sowie Operetten französischer und Wiener Provenienz:

Aufgrund der zeitgenössischen Inszenierung des Zerrissenen fand eine aktualisierende Ergänzung der Lieder im Stück statt. Die Originaltexte der Couplets werden mit Texten angereichert, die einen aktuellen kritischen, politischen und satirischen Bezug haben. Für die Musik zeichnet sich Helmut Stippich verantwortlich, die neuen Texte werden zusammen mit den SchauspielerInnen verfasst.

8. SPRACHE BEI NESTROY

Nestroy hat die Dichtersprache, die Sprache der Literatur gerettet; er hat ihren Ornatus (Ausstattung), wenngleich verwandelt, so doch bewahrt. Er hat am „Fey´rtagsgwandl“ der Dichtersprache herumgebessert, er hat ihm dort Flecken aufgesetzt, wo es ihm zu schön schien, er hat es genäht, wo es Risse bekommen hatte, er hat es ausgebeutelt, wenn es staubig geworden war, und er hat es imprägniert und so einen Stoff erzeugt, der auch wetterfest bleiben konnte und nicht fadenscheinig wurde. Er schuf damit eine Sprache, die – ähnlich wie die Heines oder Büchners – nicht vom Gebrauch zerschlissen wurde. (…) Nestroy führt den Zuschauern und mehr noch den Lesern seiner Stücke – Nestroy ist der Dramatiker für Leser schlechthin – eine Sprache vor, die sie tauglich machen könnte, mit komplexen Situationen besser zu Rande zu kommen. Nestroys Figuren sind nicht selten glücklose Glückssucher, aber sie sind – zumindest auf der Bühne – situationsmächtig, weil sie sprachmächtig sind. (…) Sie wappnen sich mit Phrasen und Programmen, sie sind sich ihres Unwerts bewusst und vertrauen darauf, dass sie mit ihrer Rede den Schein herstellen können, der ihnen zum Erfolg verhilft. Solche Prozesse macht Nestroy durchschaubar und zugleich liefert er auch das Sprachmaterial, um den Launen des Glücks begegnen zu 13 können, auch wenn man sie nicht verstehen kann. Die hochtrabenden Pläne der Nestroy´schen Protagonisten werden meist zuschanden, es bleibt aber ihre Sprache, in der sie die Verlaufskurven ihres Glücks oder Unglücks verfolgen können. Die Kunst der Sprachbilder Nestroys beschränkt sich nicht auf den Witz, dessen analytische Kraft Zusammenhänge zwar schlaglichtartig aufzuhellen vermag, sondern geht in der Deutung der Rätsel, mit denen uns Natur und vor allem Menschen versorgen, so weit, wie die Sprache gehen kann.

Nestroys sprachliche Vorgaben sind keine billigen Lebenslehren, sondern liefern Muster, mit denen wir zumindest Gleichnisse für das Unerklärliche des Schicksals und des Glückes versuchen können. Die vermutung, dass Nestroy seine Figuren mit dieser Gabe der Rede ausstatte, einfach um den Tod hinwegzureden, ist so abwegig nicht: Nestroys „ans Panische grenzende Todesfurcht“ wäre vielleicht eines der Motive für jene Intensität und Kraft der Rede, die auch die beste Vergewisserung dafür ist, dass wir noch am Leben sind: So lange ich rede, bin ich.

Quelle: Wendelin Schmidt-Dengler, So lange ich rede, bin ich: Nestroy und die Sprache

9. GLOSSAR

Marchandmode Modewarenhändler, Putzmacher = Hutmacher

Schnipfer Lausbub schnabulieren essen, gut oder fein speisen

Pantalon Hose einen Terno gemacht eine Dreierreihe im Lotto

Equipage elegante Kutsche

Kopulation Trauung, Begattung

Göd Pate dalkert, dalket ungeschickt, unbeholfen

Dalk Dummkopf, Tölpel

Schlegel Geflügel, Wild

14

10. TEXTAUSZUG

Sechste Szene Stifler, Sporner, Wixer (kommen aus der Mitte rechts);Herr von Lips Stifler (zu Lips) Und, sag' doch, was ist's mit dir? Die Gesellschaft wird immer lauter, du wirst immer stiller. Es herrscht eine allgemeine Bestürzung unter den Gästen, weil sie dich nicht sehn. Lips Sie sollen sich trösten, früher haben s' mich alle doppelt g'sehn, also gleicht sich das wieder aus. Wixer Wenn s' sehn, du kommst nicht, so verlier'n sie sich halt schön stad, die Anhänglichkeit, die wir haben, die kann man nicht prätendieren von so gewöhnliche Tischfreund'. Lips Freilich! Wixer Bist du lustig, ist's recht, bist du traurig, sind wir auch da und essen stumm in uns hinein, das heißt Ausdauer im Unglück! Stifler, Sporner Auf uns kannst du zählen! Lips An euch drei hab' ich wirklich einen Terno g'macht. Stifler Komm, trink noch ein Glas Champagner mit uns! Lips Ich hab' keine Freud' mehr dran. Wie ich noch zwanzig Jahr' alt war, damals ja – aber jetzt! Stifler Ich finde jetzt alles am schönsten. Lips Ja, wenn man so jung is als wie du! Stifler Nu, gar so jung. Wixer Du mußt dich zerstreuen. Lips Das is leicht g'sagt, aber mit was? Wixer Wir begleiten dich, geh auf Reisen! Lips Um zu sehn, daß es überall so fad is als hier? Stifler Nein, er meint Naturgenuß, Alpen, Vulkane, Katarakte – Lips Sag' mir ein Land, wo ich was Neues seh'; wo der Wasserfall einen andern Brauser, der Waldbach einen andern Murmler, die Wiesenquelle einen andern Schlängler hat, als ich schon hundertmal g'sehn und gehört hab'! – Führ' mich auf einen Gletscher mit schwarzem Schnee und glühenden Eiszapfen, segeln wir in einen Weltteil, wo das Waldesgrün lilafarb, wo die Morgenröte paperlgrün is! – Laßts mich aus', die Natur kränkelt auch an einer unerträglichen Stereotypigkeit. Wixer (zu Sporner) Gib ihm doch auch einen Rat, du Engländer ex propriis. Sporner Ich sage: Pferde, nichts als Pferde! (Zu Lips.) Halte dir zehn bis fünfzehn Stück Vollblut, verschreibe dir Jockeis, besuche alle Wettrennen, und du wirst ganz umgewandelt! 15

Lips Am End' gar selbst zum Roß! Nein, Freund', ich reit' gern aus zur Bewegung, ich fahr' gern aus zur Bequemlichkeit, aber wie man alle seine Gedanken und Ideen bloß auf Rasse, Vollblütigkeit und Familienverhältnisse der Pferd' konzentrieren kann, dafür hab' ich keinen Sinn, so leer is weder mein Kopf noch mein Herz, daß ich Stallungen draus machen möcht– Wixer So mach' sonst verruckte G'schichten, begeh Narrenstreich', das is auch eine Unterhaltung. Sporner Und überdies englisch! Lips (zu Sporner) Freund, blamier' dich nicht, du kennst die Nation schlecht, die du so mühselig kopierst, wenn du glaubst, daß die Narrheit eine englische Erfindung is. An Narren fehlt's nirgends, aber es sind meist arme Narren, folglich red't man nicht von ihnen. Stifler Bruder, jetzt treff' ich das Rechte. Eins ist dir noch neu – der Eh'stand. Lips Eh'stand? Das is, glaub' ich, wenn man heirat't? Darüber existieren so viele Beschreibungen, so viele Sagen der Vorzeit und Memoiren der Gegenwart – was soll ich da Neues finden? Stifler Treffe nur eine originelle Wahl! Lips Eine originelle Wahl? Wie is das möglich? Wähl' ich vernünftig, so haben schon Hundert' so gewählt, und wähl' ich dumm, so haben schon Millionen Leut' so gewählt; aber wenn ich – ja, freilich – (von einer Idee ergriffen) ich hab's! Stifler und Wixer Was? Lips Die originelle Wahl! Ich wähle ohne Wahl, ich treffe eine Wahl, ohne zu wählen.(mit festem Entschluß) Das erste fremde Frauenzimmer, welches mir heut' begegnet, wird meine Frau! Stifler Bist du toll –? Wixer (zugleich) Laß nach –! Lips Schön oder wild, gut oder bös, jung oder alt – alles eins – ich heirat' sie! Sporner Das ist echt englisch! Stifler Wenn aber – setzen wir den Fall – Lips (in heiterer Stimmung) Kein Aber, kein positus! Unbedingt die erste, die mir begegnet! Ich sag' euch, Freunde, ich g'spür' jetzt schon die heilsame Wirkung von diesem Entschluß, die Spannung, die Neugierd', wer wird die erste sein?

16

11. TEAM

Inszenierung / Regie: Sabine Derflinger

Sabine Derflinger, geboren in Oberösterreich, studierte an der Filmakademie Wien in den Fachrichtungen Buch und Dramaturgie. 1996 schloss sie das Studium mit ihrer Diplomarbeit „Filmerzählungen - Zwischen Epik & Dramatik“ ab. Seitdem verfolgte sie ihre Filmkarriere im Bereich Drehbuch und Regie und produzierte verschiedene preisgekrönte Spielfilme und Dokumentationen (z. B. Vollgas, Schnelles Geld, Eine von Acht, 42plus, Tag und Nacht, Dämmerung über Burma).

2010 wurde sie auch als Produzentin aktiv und gründete ihre eigene Produktionsfirma Derflinger Film (u.a. "Jasmila Zbanic", "Em Familia" – Globo TV), zusätzlich führte sie auch bei div. Fernsehproduktionen in Deutschland und Österreich Regie.

2011 führte sie als erste weibliche Regisseurin bei der bekannten Kult-Krimiserie Tatort Regie und gewann den Grimme-Preis 2014 für die Folge „Angezählt“ 2015/2016 inszeniert Sabine Derflinger die neue TV-Serie "Vorstadtweiber", die zur erfolgreichsten österreichischen TV-Komödien-Serie der letzten zehn Jahre avanciert ist und mit dem "Metropolis Award 2016" für die beste Regie-TVSerie für "Vorstadtweiber" Staffel 2 Folge 6“ ausgezeichnet wurde.

Schauspiel / Herr von Lips: Gerald Votava

Gerald Votava ist Schauspieler, Musikant, Kabarettist & Autor. Im Kino war er in Maikäfer flieg!, Hotel Rock´n´Roll, Kater (Auswahl) zu erleben, einem Film- und Fernsehpublikum ist er bekannt aus den SerienSchlawiner, Schnell ermittelt, SOKO Donau, Janus,Tatort (Auswahl). Am Rabenhoftheater spielter er in Iba de gaunz oamen Leit von Christine Nöstlinger (Regie: Anatole Sternberg), Columbo Dreams von Peter Waldeck (Regie: Thomas Gratzer) und in Hafen Wienvon Ernst Molden (Regie: Thomas Gratzer). Votava ist Gitarrist der Bands „Familie Lässig“ und „Die Jolly Friends“. Als Kabarettist war er in Narzissmus und Tiere und Was gibt es Neues? (Auswahl) zu erleben, als Radiomoderator war er für FM4 (bis 2009) und Ö3 (bis 1999) tätig. Votava wurde für Projekt X mit der „Romy“ und dem „Salzburger Stier“ ausgezeichnet.

17

Schauspiel / Stifler: Tim Breyvogel

Geboren 1978 in Essen. Sein Schauspielstudium an der Universität für Musik und Darstellende Kunst in Graz schloss Tim Breyvogel mit dem Würdigungspreis für besondere künstlerische Leistungen des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur ab. Er war Ensemblemitglied bei den Vereinigten Städtischen Bühnen Krefeld/Mönchengladbach und am Staatstheater Mainz, und spielte als Gast u.a. am Volkstheater Wien, Schauspielhaus Graz sowie dem Werk X, wo er zuletzt in der Neuinszenierung der Proleten Passion 2015ff. von Christine Eder mit Musik von Gustav und Knarf Rellöm mitwirkte. 2013 wurde er im Rahmen des bosnisch- herzegowinischen Festivals BH. Drame Zenica für die Produktion Potocary – Erscheinungen aus dem silbernen Zeitalter als bester Schauspieler ausgezeichnet.

Ab der Spielzeit 2016/17 ist Tim Breyvogel Ensemblemitglied am Landestheater Niederösterreich.

Schauspiel / Sporner: Tobias Artner

Tobias Artner wurde 1988 in Berlin geboren. Er studierte von 2012 bis 2016 am „Thomas-Bernhard-Institut“ des Mozarteum in Salzburg. Hier arbeitete er u.a. mit Volker Lösch, Niklaus Helbling, Karin Drechsel und Kai Ohrem zusammen. 2015 gewann Tobias Artner mit seinem Jahrgang einen Ensemblepreis beim Schauspielschultreffen. Im gleichen Jahr war er für eine deutsch-israelische Co-Produktion unter der Regie von Christine Umpfenbach in Tel Aviv. 2016 gastierte er am KosmosTheater in Wien und er ist Mitglied der Gruppe „KollektivEINS“, die in den letzten Jahren Theaterstücke und Filme in Berlin, Potsdam und Ludwigsburg realisierten.

Ab der Spielzeit 2016/17 ist Tobias Artner Ensemblemitglied des Landestheaters Niederösterreich.

18

Schauspiel / Wixer: Stanislaus Dick

Geboren 1990 in Wien. Nach der Matura begann er sein Schauspielstudium am Konservatorium Wien, das er 2016 abschloss. Während seiner Ausbildung arbeitete er mit den Regisseurinnen Dora Schneider und Cornelia Rainer zusammen. Zuletzt war Stanislaus Dick am TAG – Theater an der Gumpendorfer Straße in der Koproduktion Empört Euch, ihr Krähwinkler in der zentralen Rolle des Ultra zu sehen. Außerdem wirkte er bereits in mehreren Filmproduktionen, wie Höhenstraße in der Regie von David Schalko, mit.

Ab der Spielzeit 2016/17 ist Stanislaus Dick Ensemblemitglied des Landestheaters Niederösterreich.

Schauspiel / Madame Schleyer: Cathrine Dumont

Cathrine Sophie Dumont, 1989 in Saarbrücken geboren, entdeckte ihre Liebe zur Schauspielerei schon früh und sammelte erste Bühnenerfahrungen im Jugendclub des Saarländischen Staatstheaters. Von 2011 bis 2015 studierte sie schließlich Schauspiel in Wien. Während ihres Studiums spielte Cathrine Sophie Dumont u.a. am Theater in der Josefstadt, am Kons.theater in Wien, bei den Komödienspielen in Porcia, am Schauspielhaus Zürich sowie am Theater der Künste Zürich. Zuletzt war sie im Schauspielstudio am Theater Chemnitz in Perplex und Caligula zu sehen. 2017 schloss Sie Ihr Masterstudium im Fach Schauspiel an der Zürcher Hochschule der Künste ab.

Ab der Spielzeit 2017/18 ist Cathrine Sophie Dumont Ensemblemitglied am Landestheater Niederösterreich.

19

Schauspiel / Gluthammer: Michael Scherff

Geboren 1964 in Wien. Nach seiner Schauspielausbildung an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Mozarteum in Salzburg spielte er an zahlreichen österreichischen und deutschen Bühnen, darunter am Landestheater Salzburg, den Salzburger Festspielen, am Staatstheater Braunschweig, dem Ernst- Deutsch-Theater Hamburg, dem Bayerischen Staatsschauspiel, den Städtischen Bühnen Frankfurt und dem Schauspielhaus Wien. Zudem war er in zahlreichen Film- und Fernsehproduktionen zu sehen.

Seit der Spielzeit 2012/13 Ensemblemitglied des Landestheaters Niederösterreich.

Schauspiel / Krautkopf: Haymon Maria Buttinger

Geboren 1953 in Wien.

Schauspielstudium am Konservatorium für Musik und darstellende Kunst Wien.

Engagements u.a. am Schauspielhaus Zürich, Schauspielhaus Bochum, Thalia Theater Hamburg, Theater an der Wien, Ronacher. 1993 bis 1999 Ensemblemitglied am Wien. Seit 2010 regelmäßig als Gast am Volkstheater. Daneben auch für Film und Fernsehen tätig. Außerdem Lyriker und Musiker.

1988 Auszeichnung mit dem Schauspielpreis der Wiener Filmakademie. 2014 Auszeichnung mit dem Dorothea- Neff-Preis als Bester Schauspieler sowie Nominierung für den Nestroy Preis als Bester Schauspieler.

20

Schauspiel / Kathi: Josephine Bloéb

Josephine Bloéb wurde 1992 in Innsbruck geboren. 2016 absolvierte sie ihr Schauspielstudium am Max Reinhardt-Seminar in Wien.

Sie sammelte schon an mehreren Theatern Erfahrung. Unter anderem in Der Sturm von William Shakespeare, unter der Regie von Michael Sturminger, bei den Sommerspielen Perchtoldsdorf, 2015.

In der Spielzeit 2016/17 war sie festes Ensemblemitglied im Theater in der Josefstadt in Wien, wo sie in der Uraufführung von Ödön von Horvath’s ‚Niemand’ und in ‚Anatol’ von Arthur Schnitzler mitwirkte (Regie: Herbert Föttinger),im ‚Mädl aus der Vorstadt’ von Johann Nepomuk Nestroy (Regie: Michael Schottenberg), sowie in Romeo & Rosalinde, frei nach William Shakespeare, Regie: Meo Wulf.

Auch im Film und TV ist sie zu sehen. In dem ORF-Spielfilm Die Heilerin, unter der Regie von Holger Barthel, 2004. Weiters spielte sie im Tatort Vergeltung unter der Regie von Wolfgang Murnberger, 2011. Zuletzt war sie in dem Kinofilm Vals unter der Regie von Anita Lackenberger, 2014 zu sehen.

Ab der Spielzeit 2017/18 ist Josephine Bloéb Ensemblemitglied des Landestheaters Niederösterreich.

Schauspiel / Staubmann (Justiziar): Othmar Schratt

Geboren 1956 in St. Georgen am Längsee. Er erhielt seine Schauspiel- und Gesangsausbildung am Konservatorium der Stadt Wien. Anschließend ging er auf Tourneen mit der Österreichischen Länderbühne und machte eine Operettentournee durch Deutschland und die Schweiz. Von 1985 bis 2005 war er Ensemblemitglied am Stadttheater St. Pölten. Er hatte diverse Film- und Fernsehauftritte, u. a. Wurlitzer, Seniorenclub. Er spielte bei den Sommerspielen in Bad Ischl, Bad Hall, Bad Deutsch-Altenburg und bei der Stegreifbühne Tschauner.

Seit der Spielzeit 2005/06 Ensemblemitglied des Landestheaters Niederösterreich.

21

Schauspiel / Anton: Helmut Wiesinger

Geboren 1952 in Linz. Sein Schauspielstudium absolvierte er an der Bruckneruniversität Linz. Theaterengagements führten ihn ans Stadttheater Koblenz, zu den legendären Komödianten in Wien, an die Württembergische Landesbühne Esslingen, die Fränkische Landesbühne, das Landestheater Linz u. v. m. Fernseherfahrung machte er u. a. bei Schlosshotel Orth, Julia und Der Bulle von Tölz. Er arbeitete als Sprecher, Moderator und Autor beim ORF.

Seit der Spielzeit 2005/06 Ensemblemitglied des Landestheaters Niederösterreich.

Musiker: Helmut Stippich

Geboren 1979 im Lavanttal in Kärnten. Nach seinem Musikpädagogikstudium in Graz war er als Klavierlehrer tätig. Seit 2010 ist er Mitglied bei den „Neuen Wiener Concert Schrammeln“, wo sein Spiel am Klavier, Akkordeon, Schrammelharmonika und Gesang in verschiedensten Formationen zum Einsatz kommen z.B. bei Mischwerk, Dickbauer - Stippich - Havlicek und Stippich & Stippich. Seit 2010 ist er als musikalischer Leiter für die Festspiele Reichenau als Komponist und Arrangeur sowie Theatermusiker tätig, ebenso wie als Korrepetitor am Schauspielhaus Graz und als Chorreferent. Verschiedene musikalische Reisen führten ihn u.a. nach Peking, Bethlehem und Brasilien. Stippich lebt als freischaffender Künstler in Graz

22

12. VOR- UND NACHBEREITUNG

Im folgenden Abschnitt finden Sie Fragen und Übungen zur Vor- und Nachbereitung des Theaterstückes DER ZERRISSENE. Es geht nicht darum, den SchülerInnen das Theaterstück vorher schon zu „erklären“ oder später etwas „abzufragen“. Die Theaterrezeption ist genau wie die Produktion von Theaterstücken ein kreativer Prozess. Jede/r ZuschauerIn nimmt Theater anders wahr, es gibt dabei kein Richtig und kein Falsch.

Es geht vielmehr darum, vor dem Theaterbesuch Neugier zu wecken, die Sinne zu schärfen sowie sich nach dem Theaterbesuch über das Gesehene auszutauschen. Des Weiteren können Ihnen die Impulse helfen sich gemeinsam mit den SchülerInnen Themen des Stückes anzunähern.

Es empfiehlt sich die Übung „Zitate“ (S. 25) durchzuführen sowie den Textauszug (S. 15) mit verteilten Rollen lesen zu lassen, sodass die SchülerInnen auf die einzigartige Sprache von Nestroy eingestimmt werden.

VOR DEM THEATERBESUCH

Die ersten zwei Übungen helfen, sich der Rolle des Zuschauers oder der Zuschauerin zu nähern und schärfen Wahrnehmung und Konzentration.

Etwas ist anders

Die Gruppe sitzt als ZuschauerInnen vor einem markierten Bühnenraum. Vier SpielerInnen kommen auf die Bühne und drei von ihnen stellen, setzen oder legen sich in einer selbst gewählten Position als Standbild auf die Bühne (d.h. sie bewegen sich nicht). Die ZuschauerInnen schließen die Augen. Der/die vierte SpielerIn verändert drei kleine Details an dem Standbild. Die ZuschauerInnen öffnen die Augen und raten, was verändert wurde.

Was seht ihr?

Zwei Spieler sitzen nebeneinander auf zwei Stühlen. Die anderen SchülerInnen setzen sich als ZuschauerInnen, den zwei SpielerInnen gegenüber. Sie geben als Spielleiterin folgende Vorgabe: Die Beiden sollen einfach nichts tun und nur dasitzen. Essentiell ist, dass Sie Ihnen diese Vorgabe ins Ohr flüstern, sodass es das Publikum nicht hört. 5 Minuten lang soll das Publikum die beiden nun ganz genau beobachten und beschreiben, was es sieht. Die SchülerInnen im Publikum sollen ihre Wahrnehmungen, kleinen Episoden und Geschichten, die sie vielleicht sehen, laut aussprechen.

Nach 5 Min. nennen die zwei SpielerInnen Ihren Darstellungsauftrag. Wahrscheinlich sind einige Geschichten entstanden, obwohl die Vorgabe an die beiden war nichts zu tun.

Anhand dieser Übung können Sie den SchülerInnen erklären, dass im Theater jede Handlung auf der Bühne vom Publikum interpretiert wird und mit einer Bedeutung versehen.

Wort für Wort

Alle stehen oder sitzen im Kreis. Zum Thema „Glück“ und/oder „Geld“ versucht man, zusammen einen Text zu erfinden, eine Geschichte zu spinnen. Zusammen wird hier sehr wörtlich genommen, denn jeder darf reihum nur ein Wort sagen. So werden die Sätze

23 gebildet. Interpunktionszeichen werden ausgesprochen, zählen aber nicht als Wort. Der, die das kann als eigenständiges Wort gezählt werden, muss aber nicht.

Tipp: Schnell spielen. Wer zögert, fliegt raus. Sofort! Die Storys in der Ich-Erzähler-Form dichten und im Präsens bleiben. Wenn es reihum bei zu großen Gruppen zu lang dauert, kann man sich einen Ball zuwerfen. So bleiben alle wach!

Ballnetz spinnen

Person A wirft Ball zu Person B usw. Die SchülerInnen müssen sich merken, von wem sie den Ball bekommen haben und zu wem sie diesen werfen. Ein Imaginäres Spinnennetz entsteht. Ein zweiter Ball mit neuer Reihenfolge wird zugeworfen.

Variation: Jeder Ball bekommt eine Assoziation. Ball 1: Was bedeutet Wohlstand für mich? Ball 2: Was bedeutet Glück für mich?

Statusspiel – Hoch/Tief

Herr von Lips ist zu Beginn des Stückes ein reicher Mann, später versteckt er sich als Knecht am Gutshof seines Pächters Herrn Krautkopf.

Hoch-Status spielen: respektiert, selbstsicher, dominant Tief-Status spielen: ergeben, unsicher, unterwürfig

Zwei SpielerInnen gehen auf die Bühne und bekommen von den ZuschauerInnen zwei komplementäre Rollen zugeschrieben z.B. Herr und Knecht oder Arzt und Krankenschwester. Nun beginnen sie eine freie Improvisation, wobei die eine Person den Hoch-Status einnimmt und die andere den Tief-Status. Im Laufe der Szene wechseln beide fließend ihren Status aus.

Tipp: Das Schwierige hier, den Rollenwechsel langsam und fließend zu gestalten. Der Statusunterscheid sollte am Anfang und Ende extrem sein, aber glaubwürdig bleiben.

Variation: Hoch-Tief kann man auch prima üben, indem sich zwei Reihen von SpielerInnen gegenüberstellen, die einen vertreten den Hoch-Status, die anderen den Tief-Status. Paarweise gehen sie aufeinander zu, in der Mitte gibt es eine kurze Szene und dann gehen sie weiter auf die andere Seite und in die andere Rolle.

Kämpfe um deine Nummer

Die SchülerInnen gehen frei im Raum herum. Alle wählen für sich eine Nummer zwischen 1 und 3, ohne irgendjemandem die Wahl mitzuteilen. SchülerInnen mit der Nummer 1 spielen einen hohen Status, SchülerInnen mit der 2 spielen etwas tiefer als SchülerInnen mit einer 1 und SchülerInnen mit der Nummer 3 spielen Tiefstatus.

Spielregeln: - Einer müssen versuchen, jedermann zu dominieren, doch vorzugsweise dominieren sie einen Zweier. - Zweier brauchen Dreier, um sie zu beherrschen, und Einser, um zu ihnen 24 aufzublicken. - Dreier blicken zu allen auf, aber sehnen sich nach einem Zweier, um einen Bezug zu haben.

Zitate

Untenstehend finden Sie Zitate aus dem Stück DER ZERRISSENE. Geben Sie jedem Schüler/jeder Schülerin vor dem Vorstellungsbesuch ein Zitat. ohne zu verraten, wer den Satz sprechen wird. Je nachdem wie groß Ihre Klasse ist, bekommen Einige denselben Satz.

Vor der Vorstellung können die Jugendlichen ihre Gedanken zu dem Zitat notieren und überlegen, was der Satz für sie, unabhängig von der Geschichte bedeutet.

Während des Vorstellungsbesuchs lautet die Aufgabe, den eigenen Satz wiederzufinden.

Nach der Vorstellung soll jede(r) seinen/ihren Satz vorlesen, und zwar so gestaltet und mit der jeweiligen Emotion, wie er / sie den Satz in der Aufführung gehört hat. Sie können auch zwei Variationen des Satzes, mit zwei verschiedenen Emotionen, ausprobieren lassen.

Anschließend können Sie die Klasse fragen: - Wer hat den Satz gesagt? War es eine Person oder mehrere? - Zu wem wurde er gesagt? - In welchem Kontext wurde der Satz gesagt? - Wie fühlst Du Dich, wenn Du den Satz liest und Dich in die jeweilige Figur bzw. in den jeweiligen Gedanken hineinfühlst? - Wie sind die Gedanken zum Satz nach der Vorstellung verglichen mit den Gedanken vor der Vorstellung.

Diese Fragen können die SchülerInnen auch schriftlich für sich beantworten.

Zitate:

Herr von Lips, ein Kapitalist

- „Eh´stand? Das is, glaub ich, wenn man heirat´t? Darüber existieren so viele Beschreibungen, so viele Sagen der Vorzeit und Memoiren der Gegenwart – was soll ich da Neues finden?“

- „Die originelle Wahl! Ich wähle ohne Wahl, ich treffe eine Wahl, ohne zu wählen. Das erste fremde Frauenzimmer, welches mir heut´ begegnet, wird meine Frau!“

- „Das ist Aufregung, so ein Moment reißt ei´m die Schlafhauben vom Kopf, das ist Senf für das alltägliche Rindfleisch des Lebens.“

- „Is es denn so wunderbar? Mir ist der Schuß zum Heiraten kommen, und der Schuß trifft zufällig Sie. Besser als ein anderer Schuß, der bald mich selbst getroffen hätt´.“

25

- „Sie müssen wissen, mein Inneres ist zerrissen wie die Nachtwäsch´ von einem Bettelmann – da hab´ ich mich also unlängst erschießen wollen, und derweil ich so im Schuß ein Testament aufsetz´ zugunsten meiner Freunde, is mir der Schuß zum Erschießen vergangen.“

- „Lassen S´ mich ung´schoren! Ich will von der Welt und ihren Faxen nix mehr wissen, ich zieh´ mich zurück in eine stille, reizende Verborgenheit.“

Stifler, Freund von Lips

- „Natürlich! Wir sehen uns zum ersten Mal. Es sind aber noch ein paar Ihrer ehemaligen Anbeter hier, die müssen wir avisieren; ein indiskretes Wort könnte viel – suchen wir sie im Garten auf! Die werden staunen!“

- „Die passendste Grabschrift für ihn wäre: `Er war zu dumm für diese Welt´.“

Wixer, Freund von Lips

- „Bist du lustig, ist´s recht, bist du traurig, sind wir auch da und essen stumm in uns hinein, das heißt Ausdauer im Unglück!“

- „So mach´ sonst verruckte G´schichten, begeh Narrenstreich´, das ist auch eine Unterhaltung.“

- „Ich bin nit bös drüber, daß der Lips ersoffen is.“

Madame Schleyer

- Nichts als das kleine Haus da heraußen, von dem ich die Hälfte an eine Sommerpartei verlass´. Jetzt hab´n mir die Gläubiger auf das Haus greifen wollen. In der Desperation hab´ ich den Entschluß gefasst, einen Ball zu geben; denn das Haus, worin mein Mann g´storben is, lass´ ich mir nicht entreißen.“

- „So einen Goldfisch zu fangen bei der Zeit, wo jede Gott dankt, die einen Hechten erwischt!“

- „Einen Millionär, der die Sekunden zählt, darf man nicht eine Minute warten lassen.“

- „Sechs Wochen?! – Ich glaub´ wenn die Braut in einer Viertelstund´ den Entschluß faßt, so könnt´ der Bräutigam doch längstens in acht Tagen mit den Anstalten fertig sein.“

Gluthammer, ein Schlosser

- „Die reichen Leut´ haben halt doch ein göttliches Leben. Einen Teil vertrinken s´, den anderen Teil verschnabulieren s´, a paar Teil´verschlafen s´, den größten Teil verunterhalten s´!“- Schad, ich hätt zum Reichtum viel Anlag´ g´habt; wenn sich so ein Millionär meiner angenommen hätt´, hätt´ mich ausg´bild´t – aus mir hätt´ was werden können.“

26

- „Meister? Ich bin seit fünf Monaten wieder G´sell´ und nur mit Krebsaugen blick´ ich auf meine Meisterschaft zuruck.“

- „Im Verlauf der Begebenheiten wird das alles klar. Sie ist von der Stund´ an nicht mehr nach Haus kommen, ich hab´s´ g´sucht, ich hab´s´ g´meld´t, es war alles umsonst, ich war Strohwitiber geblieben, bin Strohwitiber geblieben, und das Stroh bring´ ich auf der Welt nicht mehr aus´n Kopf.“

- „Sein Leben will ich, nix als sein Rauberleben. Is denn nirgends ein Mordinstrument? Mein Hab und Gut für ein Taschenfeidl! Eine Million für a halbe Portion Gift! Ein Königreich, wenn mir ein Tandler a alte Guillotine verschafft.“

Krautkopf, Pächter auf einer Besitzung des Herrn von Lips

- „Wenn ein Göd stirbt, so weint man in der ersten Stund´ und in der zweiten fragt man, ob er ei´m was vermacht hat, und is das nicht der Fall, so schimpft man in der dritten Stund´ über ihn und in der vierten arbeit´t man wieder darauf los wie vor und eh´.“

- „Der Pursch schaut mir so ung´schickt aus. Versteht Er was? Kann Er ordentlich ackern?“

- „Warum nit gar! Jetzt is halt um ein´ Narr´n weniger auf der Welt – den Schaden kann die Welt verschmerzen.“

Kathi, Anverwandte von Krautkopf

- „Freilich, wenn man was schuldig ist, muß man zahlen.“

- „Nicht wahr, Sie haben ihn recht gern? Er ist so gut – so ein herzensguter Herr – er verdient´s, und ihm fehlt ja nix zu seinem Glück als ein treues Herz – o, sie werden ihn g´wiß recht glücklich machen.“

- „Ich versteh´ blutwenig vom Heiraten, aber daß so eine einen Mann glücklich macht, das glaub ich mein Lebtag nit.“

- „Is´s möglich! Ja – ja, er lebt! Mein Herr Göd is nicht ertrunken - !!“

Anton, Bediensteter bei Lips

- „Seine Gäst´ sein fidel, aber er – keine Spur! Er hat ein zerrissenes Gemüt, da kann der Wein nicht in den Kopf steigen.“

27

NACH DEM THEATERBESUCH

Gute Fragen!

Die Fragen sind als Anregung gedacht. Geben Sie die Fragen Ihren SchülerInnen in der Gruppe zurück und lassen Sie verschiedenen Interpretationen, Spekulationen und Fantasien zu. Durch die vielfältigen Gedanken und Überlegungen der Jugendlichen wird es möglich, eine eigene Haltung zu dem Gesehenen zu entwickeln.

Was ist in dem Theaterstück alles passiert?

Hast Du Fragen zur Geschichte?

Habt ihr etwas nicht verstanden?

Welches war der spannendste Moment?

Womit fing es an und wie setzte sich die Geschichte fort?

Gibt es eine Szene die Dir besonders in Erinnerung geblieben ist? Was ist da genau passiert?

Gibt es eine Szene, die Dir nicht gefallen hat? Woran könnte das liegen?

Welche Szenen gibt es in dem Stück noch?

Wie endete das Theaterstück?

Hättest Du Dir ein anderes Ende gewünscht?

Wie viele Schauspieler und Schauspielerinnen waren auf der Bühne?

Wie sind die Namen der Figuren, kannst Du Dich daran erinnern?

Welche Figur würdest Du am liebsten selbst spielen? Warum?

Wie haben sich die Figuren gefühlt?

Wie sind die Verhältnisse der Figuren untereinander?

An welchen Orten spielt das Theaterstück?

Konnte man die Orte im Bühnenbild erkennen?

Was gab es bei dem Bühnenbild Besonderes zu entdecken?

Ist Dir das Licht aufgefallen?

Wie sahen die Kostüme aus?

Kannst Du das Kostüm Deiner Lieblingsfigur beschreiben?

Haben die Figuren Requisiten (= bewegliche Gegenstände auf der Bühne) benutzt?

Was hat Dich beim Spiel der SchauspielerInnen besonders beeindruckt?

28

Was war schön? Was war traurig? Was war lustig?

DER ZERRISSENE in 5 Bildern erzählt

Sammeln Sie gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern, welche Szenen im Stück vorgekommen sind. Notieren Sie die Szenen auf einzelnen Zettel. Anschließend wird die Gruppe in Kleingruppen zu max. 5 Schülerinnen und Schüler eingeteilt. Jede Gruppe erhält gleich viele Zettel mit unterschiedlichen Szenen drauf. Aufgabe ist es, die Geschichte in Standbildern zu erzählen.

Bei der Präsentation kann auf die chronologische Reihenfolge geachtet werden.

Variation: Weiters können die Schülerinnen und Schüler eine Lieblingsszene aus dem Stück wählen und diese in einem Standbild darstellen.

29