Die Frühchristliche Kirche Im Municipium Claudium Virunum
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ZOBODAT - www.zobodat.at Zoologisch-Botanische Datenbank/Zoological-Botanical Database Digitale Literatur/Digital Literature Zeitschrift/Journal: Rudolfinum- Jahrbuch des Landesmuseums für Kärnten Jahr/Year: 2008 Band/Volume: 2006 Autor(en)/Author(s): Dolenz Heimo, Scholger Robert, Niessner Erich Artikel/Article: Die frühchristliche Kirche im Municipium Claudium Virunum. Neue Erkenntnisse luftbildanalytischer, geophysikalischer und archäologischer Untersuchungen. 83-93 © Landesmuseum für Kärnten; download unter www.biologiezentrum.at Die frühchristliche Kirche im Forschungsstand Municipium Claudium Virunum Neben den 2004 ergrabenen Insulabefunden (fullonica) Neue Erkenntnisse luftbildanalytischer, - den Terminus ante bzw. ad quem für die letzten fass- geophysikalischer und archäologischer baren Umbauten bildete dort ein in Siscia geprägter Cen- Untersuchungen tenionalis des Constantius II. für Julianus aus den Jahren 355 bis 361 n. Chr.3- besitzen wir noch Kenntnisse über ein weiteres Bauwerk im unmittelbaren Umfeld der früh- HEIMO DOLENZ christlichen Kirchenanlage. So wurden bereits durch die mit Beiträgen von ERICH NIESNER und ROBERT SCHOLGER Altgrabungen der Jahre 1881 bis 1883 von F. Pichler im sog. „Friedel-Haus" (ca. 50 m südöstlich des Prunnerkreuzes) Wohnbauten und darin u. a. auch ein Münzhortfund aus Im Verlauf der Rettungsgrabungen im Baulos Parzel- der 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts n. Chr. erschlossen.4 le 104 der KG Maria Saal und der dabei freigelegten komplexen Insula-Verbauung samt römischer Walke- Im Prunnerkreuz selbst sind zwei Fragmente von Verklei- rei (fullonica)1 konnten im Jahre 2004 erstmals auch dungsplatten mit Darstellungen von Pilasterkapitellen spätrömische Baubefunde im Weichbild der sog. Bi- eingemauert, die mit großer Wahrscheinlichkeit aus der schofskirche von Virunum archäologisch untersucht frühchristlichen Basilika stammen5. werden. Wie schon bei den Kirchenbauten in den norischen mu- Der Erhaltungszustand der bei dieser Rettungsgrabung nicipia Celeia und Aguntum handelt es sich auch im Falle dokumentierten spätantiken Bausubstanz war als Besorg- der frühchristlichen Kirche von Virunum um einen städ- nis erregend zu bezeichnen, welcher Umstand auch auf tischen Sakralbau in Tallage. Ihre Lokalisierung am Nor- die nahe gelegene frühchristliche Basilika von Virunum drand der Stadt Virunum verwundert gerade in Kenntnis zu übertragen sein wird. des dort massierten Auftretens von Funden anderer ori- entalischer Gottheiten kaum6. Unter martyriologischen Auch die objektbezogene systematische Luftbildanalyse, Gesichtspunkten scheint ein Bezug zur unweit nördlich geophysikalische Messungen und eine erste stratigra- in Verlängerung des Decumanus maximus anschließen- phische Sondierung des Bauwerks belegen nun, dass die den Gräberstraße zumindest theoretisch berücksichti- unter Einsatz von Schwermaschinen erfolgende intensive genswert. Die Lage des christlichen Kultbaus innerhalb landwirtschaftliche Nutzung die Baubefunde dermaßen einer zuvor dicht verbauten Insula spricht jedoch eher für erodiert, dass bereits in naher Zukunft mit der vollstän- eine Entstehung auf gestiftetem Privatgrund.7 digen Zerstörung dieses über die Landesgeschichtsschrei- bung an Bedeutung hinausreichenden Bodendenkmals Die Entdeckung der frühchristlichen Basilika südöstlich zwangsläufig zu rechnen ist. des sog. Prunnerkreuzes glückte dem damaligen Wiener Stadtarchäologen O. Harl.8 Anhand charakteristischer Mit anderen Worten ausgedrückt stellt die nun in Pla- Bewuchsmerkmale auf Luftbildern erschloss sich ihm die nung genommene, mehrere Feldkampagnen in An- frühchristliche Bischofskirche, welche in westöstlicher spruch nehmende archäologische Untersuchung des Erstreckung beinahe die gesamte Insulabreite umfasste christlichen Kultbaus auf den Parzellen 67, 101 und 102 (ca. 32 x 24 m mit einem Innenraum von 12 x 26 m und der KG 72140 Maria Saal ein Gebot der. Stunde dar. Nur östlich angebauter Exedra). An beiden Seiten befanden dadurch werden überhaupt noch Erkenntnisse über sich seiner Meinung nach zwei schmale Räume; an der eines der bedeutendsten christlichen Bauwerke Noricu- Ostseite lag ein den Hauptraum sowie die Räume nörd- ms zu fassen sein. lich und südlich davon begleitender Raum. Zudem er- kannte er Trockenmarken von Fußböden. Zu diesem Zwecke wurde die betreffende Ackerfläche .durch das Landesmuseum Kärnten vom Grundeigen- Eine Umzeichnung der Bischofskirche publizierte F. Gla- tümer Herrn R. Toff gepachtet und durch das Bundes- ser im Jahre 19969und bezeichnete sie als „langgestreck- denkmalamt Wien, Abteilung für Bodendenkmale, die tes Gebäude (30 x 9m) mit einem freistehenden Halbrund, archäologische Untersuchung des antiken Baukörpers das man als Priesterbank am Ostende einer Kirche deuten genehmigt.2 kann". Im folgenden Jahr erschien dieselbe Luftaufnah- PROVINZIALRÖMISCHE ARCHÄOLOGIE UND FELDFORSCHUNG 83 © Landesmuseum für Kärnten; download unter www.biologiezentrum.at Abb. 2: Luftbild 1/1992: Virunum; frühchristliche Kirche und Abb. 1: Umzeichnung der frühchristlichen Kirche mit Baptisterium. Baptisterium(?). Aufn. S. Tichy, Bearb. I. Mairer Zeichn. F. Glaser (1996, Abb. 22) Selbst in die Ausführungen von S. Ladstätter zur Spätanti- me und Rekonstruktionszeichnung der Bischofskirche10, ke in der römischen Geschichte Österreichs fand die früh- wobei jedoch nicht nur auf gut erkennbare Querannexe, christliche Kirche in Virunum Erwähnung.12 Ausdrück- sondern auch auf ein Gebäude mit quadratischem Einbau lich betont wird dabei, dass die Frage, ob es sich dabei in der verlängerten Längsachse der Kirche nach Westen um eine Bischofskirche handle, erst durch archäologische verwiesen wurde. Für Letzteres ist eine Deutung als Bap- Feldforschung zu klären sei. Da das Christentum im 4. tisterium mit Taufbecken vorgeschlagen worden. Jahrhundert weitgehend auf städtische Siedlungsräume beschränkt blieb und aufgrund des Umstandes, dass im Dieselbe Umzeichnung fand dann Eingang in die Karan- Amphitheater der Nemesiskult schon um 315/316 n. Chr. tanien-Publikation von P. Gleirscher, wobei die Kirche vermutlich durch die städtischen Magistrate geschlossen mit kreuzförmigem Grundriss und angrenzender Tauf- wurde, setzt sie die Entstehung der Virunenser Kirche kapelle seiner Meinung nach „die Existenz einer frühen noch ins 4. Jahrhundert. Die Anlage wird als 30 x 9 m Christengemeinde in Virunum, wohl bereits im 4. Jahr- langes Gebäude beschrieben, das „einen apsidalen Ostab- hundert" illustrierte11. schluss sowie eine freistehende Klerusbank" aufweist.13 84 PROVINZIALRÖMISCHE ARCHÄOLOGIE UND FELDFORSCHUNG © Landesmuseum für Kärnten; download unter www.biologiezentrum.at Luftbildanalyse Rund zwanzig im Frühjahr 2005 digital näher ausgewer- teten Luftbildern aus Befliegungen der Jahre 1992 bis 2004 war zu entnehmen, dass die Priesterbank offenbar in ei- ner Apsis und nicht in einem Rechteck eingeschrieben ist (Abb. 2 und Abb. 3), ein Sachverhalt, der - ohne Nachweis dafür - bereits von S. Ladstätter erwähnt wurde.19 Den neuen Luftbildern zufolge scheint die Apsis als Halb- kreis in Hauptschiffbreite angelegt und so insgesamt eine Querannex- bzw. Querschiffkirche mit apsidalem Schluss im Osten rekonstruierbar. Der Apsisscheitel selbst ist jedoch nicht klar und deutlich auszumachen, da er von einem alten Feldweg nach Töltschach (Parz. 101, KG 72140 Maria Saal) überlagert wird.20 Ebenfalls ersichtlich ist, dass der südliche Querannex etwa im südlichen Drittel eine West-Ost-Trennung auf- weist (Abb. 3). Auf unserer Abbildung 3 zeichnen sich noch jeweils in der Westmauer des Hauptschiffes und des nördlichen Seitenschiffes Tor- bzw. Eingangsbereiche ab. Abb. 3: Luftbild 6/1994: Virunum; frühchristliche Kirche. Aufn. S. Tichy, Bearb. I. Mairer Die Nordhälfte des mit den West-Ost-Achsen der Kirche nur scheinbar fluchtenden sog. Baptisteriumsgebäudes Die bautypologische Einordnung des Kirchengrundrisses (Abb. 1 und Abb. 2) ist zudem symmetrisch in drei Räume am Nordrand Virunums als Querannexkirche erfolgte geteilt, wobei sich die Ostmauer des westlichen Raumes durch F. Glaser14, wobei unter Beigabe der vorgenannten offensichtlich auch noch weiter nach Süden hin in Rich- Rekonstruktionszeichnung aus dem Jahre 1996 (Abb. 1) tung der Ostwange der vermeintlichen quadratischen Pis- sogar Maßangaben für die Stärke der freistehenden Pries- cina erstreckt und somit für Letztgenannte auch im Osten terbank (ca. 1,10 m) und der Wände (0,60 m) niedergelegt eine räumliche Abteilung vorzuliegen scheint. wurden. Nicht auszuschließen, im konkreten Fall sogar wahrschein- Weniger konkret blieb die nachfolgende Beschreibung licher, ist eine Grundrissrekonstruktion des Luftbildbe- des Gebäudes durch Ch. Gugl, der darin einen „etwa fundes als Kirche mit Doppelapsidenschluss (Abb. 5), ver- 30 x 9 m großen Bau mit apsidenförmigem Abschluss gleichbar etwa der frühchristlichen Kirche in Celeia, der oder halbrundem Einbau" erkennt, dessen zeitliche Basilika Beligna in Aquileia21, der Kirche im Asklepieion Einordnung nicht zu treffen und der nur vermutungs- von Milet22 oder der Basilika des karthagischen Pilgerzent- weise den ältesten Kirchenanlagen Binnennoricums rums Bir Ftouha23. Als Querannexbasilika entspricht der zuzurechnen sei.15 Grundriss darüber hinaus noch dem der frühchristlichen Kirchen am Duel, am Hoischhügel, in Oberlienz und letzt- Schließlich wurde noch für das Hineinragen der Apsis in lich dem der Bischofskirche von Teurnia in Bauperiode I24. den Decumanus maximus16 ein in der Spätantike geän- Somit scheint eine Datierung der Virunenser Anlage