Sieben Jahrhunderte in der der Stadt aus dem Jahr 1977 das von Römerstadt Teurnia – Die Egger entdeckte Bauwerk als das spätantike Bebauung am Nordostrand des Gebäude HA (Glaser 1979, 135) und unternahm Holzerberges dort von 1979–1984 und 1992 erneute Ausgra- KATHARINA RAMSTETTER bun gen, die zur Entdeckung wesentlich älterer Bauten führten. Trotz der Ausgrabungen Rudolf Die Siedlungsreste in Teurnia aus dem sog. Areal Eggers, die sich im Wesentlichen auf die Such- HA, die sich unweit des nordöstlichen Abhangs gräben entlang der Mauern des spätantiken Ge- des Holzerbergs befinden, ermöglichen einen bäudes HA beschränkt haben dürften, waren querschnittartigen Überblick über die gesamte selbst für die jüngsten Schichten aus der Spät - Siedlungsspanne von der frühesten Kaiserzeit bis antike noch un gestörte Schichtabfolgen zu ge- an die Wende zum Frühmittelalter1. Bereits winnen. Rudolf Egger hatte das bekannteste Gebäude in diesem Bereich um 1914 freigelegt, welches er als Eine latènezeitliche Besiedlung an dieser Stelle das Gebäude mit kleinem Bad bezeichnete des Holzerbergs kann bisher nur über sekundär (Egger 1916, 55) (Abb. 1). Franz Glaser benannte umgelagertes Fundmaterial erschlossen werden. schließlich in einem neu erstellten Gesamtplan Die älteste Bebauung stammt von einem oder mehreren frühkaiserzeitlichen Holzgebäuden, die bei einem Brandereignis zerstört wurden und nicht genauer als vor die Mitte des 1. Jhs. n. Chr. da tiert werden können (s. auch Ramstetter 2018, 405 f.). Zu den zuordenbaren baulichen Struktu - ren der Holzbauperiode im Areal HA zählt ledig- lich ein inkohlter Nord-Süd orientierter Schwell- balken, der auf einem steinernen Unterlager ruhte. Aufgrund des nur schütteren und aus - schnitthaften Bildes der angetroffenen Holz- bebauung bleibt unklar, ob der festgestellte Brandhorizont einem Innen- oder Außenniveau entspricht.

Nach der Mitte des 1. Jhs. n. Chr., wahrscheinlich in neronisch-vespasianischer Zeit, entstanden ein quadratischer Steinsockelbau mit Lehmfachwerk im aufgehenden (Gebäude ha) und wahrschein- lich das angrenzende hypokaustierte Steinge- bäude (Gebäude HO) mit Wandmalereien am Nordwestrand der Grabungsfläche (Abb. 2a)2. Von diesem Gebäude, das zu den größeren bis- her bekannten hypokaustierten Bauten in Teurnia zählt, wurde dessen Südostseite auf einer Länge von 14,05 m erfasst. Die Errichtung des Gebäu- des HO kann nicht näher datiert werden, da Aus - Abb. 1: Plan des spätantiken Gebäudes mit Apsis (Gebäude gra bungen unterhalb der kaiserzeitlichen Es- HA) nach den Ausgrabungen Eggers. Zeichn. R. Egger (aus triche, auf dem die Hypokaustpfeiler ruhen, noch dem Planarchiv des Österreichischen Archäologischen ausstehen. Es ist daher auch nicht auszuschlie- Instituts; PLN- 08799). ßen, dass sich unterhalb des kaiserzeitlichen

30 LANDESMUSEUM KÄRNTEN | RUDOLFINUM 2018 Abb. 2: Abfolge der kaiserzeitlichen bis spätantiken Bebauung im Nordosten des Holzerbergs im Areal HA in Teurnia. Zeichn. K. Ramstetter

Estrichs im Gebäude HO noch die Reste einer te, die von einer zweiphasigen Ausmalung stam- älteren Holz bebauung befinden. Im Gebäude- men, können indessen nicht für eine Datierung inneren konnten ferner keine ungestörten kaiser- des Ge bäudes HO herangezogen werden. Der ab zeitlichen Nutzungs- und Laufhorizonte doku- der Mitte des 1. Jhs. n. Chr. vorherrschende vier- mentiert werden, da diese durch eine spätere te Pompeianische Stil, der auch ältere Stilele- spät antike Nachnutzung entfernt wurden. Die mente miteinschließt, sowie der darauffolgende zahlreichen polychromen Wandmalereifragmen- Stilplu ralismus in der römischen Wandmalerei

PROVINZIALRÖMISCHE ARCHÄOLOGIE UND ANTIKE NUMISMATIK 31 stellen Faktoren dar, die zu einer ungenauen zeit- grenzende Gebäude HO erheblichen Schaden liche Bestimmung führen (Dörfler 2009, 23–25; nahm. Denn dieses wurde bei einer Wiederin- Dörfler 2012, 259)3. Allgemein sprechen siedlungs - stand setzung im mittleren 4. Jh. n. Chr. komplett ge schichtliche Aspekte für eine Ausstattung des entkernt, ab einer Höhe von ca. 60 cm teils durch Gebäudes HO mit Wandmalerei frühestens für Trockenmauerwerk wieder aufgemauert und eine Anfangsdatierung ab der Mitte des 1. Jhs. n. durch vorgeblendetes Trocken mauerwerk stabili- Chr., nachdem Teurnia unter Claudius zum muni- siert (s. Ram stetter 2018, 407) (Abb. 2c). Die cipium erhoben worden war (Vgl. Dörfler 2012, Brandzer störung zu Ende des 2. bzw. zu Beginn 259). Weiterhin kann eine Errichtung des des 3. Jhs. n. Chr. erweist sich als gleichzeitig mit Gebäudes HO durch die mit dem Gebäude ha der der tieferliegenden Wohnterrassen. Während gemeinsame Hofmauer aus der Steinbauperiode dort in Folge des Schadbrandes die Wohnter- 1 zeitlich eingegrenzt werden (Abb. 2a). Da das rassen komplett aufgegeben wurden und das Gebäude HO bisher nur partiell erforscht ist, blei- entstandene Ruinengelände schließlich im 5. und ben die genaue Ansprache und Funktion dieses 6. Jh. n. Chr. als Friedhof genutzt wurde (Gugl Bauwerks vorerst vage. Es kann sich hier sowohl 2000, 89 f.; 155–160; 240–255), ließ sich im Areal um ein balneum als auch um eine private domus HA ein bis zum mittleren 4. Jh. n. Chr. andauern- handeln. Auf den quadratischen Einraumbau ha der Siedlungshiatus feststellen. Es zeigt sich, (8,89 x 9,21 m) der Steinbauperiode 1 folgte nach dass somit größere Stadtgebiete am Ende des 2. einem Brander eignis, das am Ende des 1. bzw. am bzw. zu Beginn des 3. Jhs. n. Chr. in Teurnia von Anfang des 2. Jhs. n. Chr. angesiedelt werden einer Zerstörung betroffen waren. Allerdings ist kann, das Gebäude ha (11,36 x 7,88 m) (Abb. 2b). auffallend, dass der Forumsbereich, der im Das Gebäude ha der Steinbauperiode 2 war in Vergleich zum Areal HA deutlich näher an den gleichartiger Bauweise mit Steinsockel und auf- Wohn terrassen liegt, von einer Brandzerstörung liegendem Holz- bzw. Fachwerkaufbau wie der verschont blieb4. Über Ursprung, Ausbreitungs- Vor gängerbau der Steinbauperiode 1 errichtet. weg und das etwaige Vorhandensein von mehre- Beim nordöstlichen Gebäudetrakt mit den Räu- ren Brandherden im Stadtbereich Teurnias zu men ha1 und ha3 kann es sich um einen Speicher dieser Zeit lässt sich hierbei nur spekulieren. In mit erhöhtem Boden handeln, während der süd- diesem Kontext sei ein im Jahr 1845 dokumen- westliche Teil zu Wohn zwecken diente, wie ein tierter Altfund eines As des Septimius Severus Ziegelsplittestrich mit eingelegten Marmor- für Julia Domna (196–211 n. Chr.) aus einem plättchen (opus signinum) nahelegt (s. Ram - aschehaltigem Stra tum im Westen des Holzer- stetter 2018, 406). Das Ge bäude ha der Stein - bergs genannt, der in einem Fundensemble aus bauperiode 1 und 2 bildete zusammen mit dem latènezeitlichen Waffen, Schlacken, Keramik und Gebäude HO eine Siedlungs parzelle, die durch Tier knochen zu Tage kam. Aufgrund der Hetero- eine gemeinsame Hofmauer miteinander verbun- genität ist eine Zusammengehörigkeit der Funde den waren. Im Innenhof befand sich weiters ein jedoch nicht gesichert (Vgl. Gugl 2000, 124–126; min destens 6 m tiefer trockengemauerter Brun- 155). Die Ursachen für eine großflächige Brand- nen, der in der Spätantike mit abgebrochenem zer störung im Osten der Stadt Teurnias können Mauerwerk und Spolien, darunter auch Grabin- bislang insgesamt nur vermutet werden. Es kann schriften, verfüllt wurde. Nördlich, im Außenbe - ein Zusammenhang mit Unruhen während der reich der Hofmauer, befand sich ein Werkplatz Kämpfe des Septimius Severus gegen Anhänger mit einer in Trockenmauer werk gesetz ten Ofen - des Pescennius Niger 193/194 n. Chr. und später anlage, die gegebenenfalls zur Herstellung klei- des Clodius Albinus 195/197 n. Chr. in nerer Holzkohlemengen diente. Das Gebäude ha gesehen werden (Gugl 2000, 156 f.). So wird der der Steinbauperiode 2 wurde schließ lich an der für das Jahr 197/199 n. Chr. inschriftlich überlie- Wende vom 2. zum 3. Jh. n. Chr. bei einem Brand ferte Statthalter Tib. Claudius Candidus der Pro- zer stört, bei dem wahrscheinlich auch das an- vinz Hispania citerior als dux terra marique

32 LANDESMUSEUM KÄRNTEN | RUDOLFINUM 2018 adversus rebelles hh(ostes) pp(ublicos) bezeich- Jhs. und dem Ende des 3. Jhs. n. Chr. nachge- net, der von Amts wegen die Anhängerschaft wiesen (Groh 1996, 184 f.; Rabitsch 2014, 332 f.), des Pescennius Niger und des Clodius Albinus in wohingegen in anderen Stadtquartieren in der den Pro vinzen Hispania citerior, Asia und zweiten Hälfte des 3. Jhs. n. Chr. Bauakti vitäten Noricum verfolgte (CIL II 4114; Alföldy 1974, 168; dokumentiert wurden (Hudeczek 2002, 209 f.). Sünskes Thompson 1990, 155; 157; Gugl 2000, Auch im angrenzenden Norditalien, ähnlich wie 157). Eine jahrgenaue Absicherung für eine sol- für Südnoricum, sind divergierende Entwicklun- che historische Interpretation dieses innerhalb gen im Städtewesen im 3. Jh. n. Chr. festzustel- der Provinz Noricum einzigartigen großflächi- len, die in einer zunehmenden Hierarchisierung gen Zerstörungs horizontes ist dennoch nicht begünstigter Siedlungszentren und einem Verfall möglich, da sowohl das Fundmaterial aus den von Siedlungen mit wirtschaftlich ungünstigem Wohnterras sen als auch das aus dem Areal HA Standort mündeten (Witschel 1999, 257). Es ist am Holzerberg eine derartige Feindatierung somit nicht auszuschließen, dass die bereits wirt- nicht erlaubt (Vgl. Gugl 2000, 158 f.). Gegebe - schaftlich schwächelnde Stadt Teurnia durch die- nenfalls könnte auch die großflächige Zerstö- ses nicht unbedingt kriegerische Brandereignis rung mit anschließender Siedlungsaufgabe so erschüttert wurde, dass die Wohnterrassen bzw. -unterbrechung im östlichen Stadtbereich und auch Bereiche am Holzerberg zeitweise auf- Teurnias mit einem wirtschaftlichen Niedergang gegeben wurden. Da gegen bietet das Stadt - des vergleichsweise kleinen südnorischen quartier am Hügelfuß in der Flur Anger eine ab- Municipiums Teurnia erklärt werden, der nach weichende Siedlungsentwicklung, da dort eine dem Großbrand nicht mehr in Stand gesetzt Verminderung der Siedlungs intensität erst spä- wurde. Vergleichbare Entwicklungen urbaner testens ab der Wende zum 4. Jh. n. Chr.5 und eine Siedlungs kontexte, wo eine Aufgabe größerer völlige Aufgabe um die Mitte des 4. Jhs. n. Chr. Quartiere nach nicht zwingend kriegerisch zu eintritt (Glaser 2002, 138 f.). interpretierenden Bran d ereignissen während der zweiten Hälfte des 2. und im 3. Jh. n. Chr. Um die Mitte des 4. Jhs. n. Chr. wurde das bereits erfolgte, sind beispielsweise mehrfach in Nord- stark verfallende Gebäude HO von Grund auf er- gallien bekannt, während benachbarte Pro - neuert, in Trockenmauerwerktechnik wiederauf- vinzstädte hingegen prosperierten (Coquelet gebaut und mit verkleinerten Raumeinheiten und 2011, 235–246). In den südnorischen Städten einer X- oder Y-förmigen Kanalheizung ausge- Aguntum, und begegnen stattet. Hierzu gleichzeitig dürfte die Neuerrich - bisher keine großflächigen Zerstörungen an der tung des einräumigen und mehrgeschossigen Wende vom 2. zum 3. Jh. n. Chr., wo sich ein Gebäudes HA2 sein (Abb. 2c). Der massive Ein- Kontext mit Unruhen und Auf ständen im Zuge raumbau HA2 wurde schließlich frühestens im der Machtübernahme des Septimius Severus aus gehenden 5. Jh. n. Chr. zum spätantiken Ge- herstellen ließe. So liegt in Aguntum ein Zer- bäude HA, einer mehrräumigen und repräsenta- störungshorizont im Forumsbe reich aus der tiven domus, erweitert (s. Ramstetter 2018, Mitte des 3. Jhs. n. Chr. vor (Auer/Tschurt- 407−409) (Abb. 2d). Die erneute Nutzung des schen thaler 2013, 370–373). Für das municipi- Areals HA nach einem bis zu ungefähr 150 Jahre um Virunum, das zwar von der antoninischen andauernden Siedlungshiatus steht wahrschein- Pestepedemie betroffen war (Piccot tini 1994, lich in Zusammenhang mit einem allmählichen 22–24), sind in spätseverischer Zeit sogar deut- Rückzug von den Talflächen auf die geschützte liche Bauaktivitäten belegt, die mit einer Ver - Hochfläche des Holzerbergs während der Spät - größerung des Stadtgebietes einhergingen antike. Die Erweiterung zu einer spätantiken (Gugl 2000, 160; Piccottini 2002, 105). In Flavia domus mit einer Fläche von 356 m2 umfasst fünf Solva wurde in Teilen der Stadt eine Siedlungs - Raumanbauten in Trockenmauer werktech nik, die unterbrechung erst zwischen der Mitte des 3. um einen Innenhof gruppiert sind. Das nun ent-

PROVINZIALRÖMISCHE ARCHÄOLOGIE UND ANTIKE NUMISMATIK 33 standene Gebäude HA verfügte über einen beheizten apsidalen Empfangs- bzw. Speiseraum (Raum HA1), in dessen Halbrund sich ein Speisesofa (stibadium) befand, wie über einen weiteren beheizbaren Repräsentationsraum (Raum HA3). Ein Merkmal besonderer architek- tonischer Ausgestaltung der domus sind Frag- mente von marmornen Kapitellen, Fenstersäulen (Abb. 3) und einer Halbsäule, die im Bereich der Räume HA3 und HA4 aufgefunden wurden. Da Umarbeitungsspuren fehlen und auch die ent- sprechende marmorne Bauornamen tik stilistisch in die Spätantike datiert, dürfte es sich hierbei um seltene Neuanfertigungen des südalpinen Raums aus nicht sakralem Kontext handeln (Gru- ber 1997, 92 f.; 212). Mit Sicherheit dürfte die domus als Wohnstätte von Angehöri gen der tiburnensischen nobilitas gedient haben. Ele - mente der spätantiken domus-Architektur mit Apsi densälen und beheizbaren Räumen treten unter anderem sowohl bei Bischofsresidenzen (episcopium, domus episcopi) als auch bei prae- toria, Amtssitzen hochrangiger Beamter oder des Statthalters, auf (Real 2003, 222; Ellis 2007, 8; Lavan 2007, 118; Baldini Lippolis 2014, 163− 169), die den gehobenen Lebensstandard der spätrömischen Oberschicht pflegten. Eine Deu- tung als episcopium scheint nach dem gegen- wärtigen Forschungsstand als weniger wahr- scheinlich, da aus der unmittelbaren Umgebung noch kein Kirchengebäude bekannt ist. Denn ein entscheidendes Merkmal für eine Ansprache als domus episcopi, das immer vorhanden sein soll- te, wäre die direkte Nachbarschaft zu einer Kirche mit einem Baptisterium (Baldini Lippolis 2001, 108; Real 2003, 234; Ellis 2007, 8 f.; Baldini Lippolis 2014, 165), die hier jedoch im Falle des Areals HA nicht gegeben zu sein scheint. Auch die kirchlichen Bestimmungen des 4. Konzils von

Abb. 3: Spätantikes Säulchenschaftfragment mit angearbeite- tem Kapitell (Höhe 76,7 cm). Zeichn. G. Gruber

34 LANDESMUSEUM KÄRNTEN | RUDOLFINUM 2018 Karthago aus dem Jahre 436 n. Chr. schreiben Abb. 49). Gemeinhin fällt mit der slawischen eine Nähe der Bischofsresidenz zur Kathedrale Eroberung des Südostalpenraums ein Wechsel vor (Real 2003, 219 f. mit Anm. 1.). Eine Auswer - im Siedlungsbild zusammen, so dass die Höhen- tung der geophysikalischen Unter suchungen siedlungen einer romanisch-germanisch gepräg- mittels Protonenmagnetometer auf den unver- ten Mischbevölkerung verlassen und neue Sied- bauten Flächen des Holzerbergs erbrach te, dass lungen in den Niederungen angelegt wurden auf den ebenen Flächen westlich des Gebäudes (Bar ford 2001, 39; Bekić 2016, 34). Dass die HA ein noch nicht entdeckter Sakral bau eher schrift lich überlieferte slawische Expansion um unwahrscheinlich ist6. Im abfallenden Gelände 592/610 n. Chr. in Südnoricum nicht zu einem Richtung Osten und Süden erscheinen die abrupten Abbruch der Siedlungsaktivität in der Geländegegebenheiten für einen Großbau eben- binnen norischen Hauptstadt führte, zeigt der ge- falls fraglich. An der Nordseite wurde die Bebau- nannte Kontext im Gebäude HA. Die Anzahl an ung bereits durch die Ausgrabun gen Rudolf Fundplätzen, wo ein nahtloser Übergang von der Eggers freigelegt. Da das Ge bäude HA die bisher Spätantike zum frühen Mittelalter vorliegt, ist einzig bekannte domus mit Merkmalen der spät- beim momentanen Forschungsstand noch ziem- antiken Repräsentationsarchi tektur im gesamten lich überschaubar. Keramik der Prager Kultur Südostalpenraum während des 5. und 6. Jhs. n. wurde auch am Hemmaberg an der Wende vom Chr. darstellt, ist ein Zusammenhang mit der 6. zum frühen 7. Jh. n. Chr. im Kontext einer pro- Hauptstadt funktion Tiburnias im 5. Jh. n. Chr. zu fanen Nachnutzung der vierten und fünften Kir- suchen. So bedingte die Verlagerung der Pro- chen anlagen aufgefunden (Ladstätter 2000, 56; vinzhauptstadt von Virunum nach Tiburnia 63; 201 f.). Auch an den slowenischen Fund- gleich zeitig auch eine institutionelle Anwesen- plätzen von Gorenj Mokronog, Pristava bei Bled heit höherer Amtsträger. Hierbei kann es sich und Kranj scheint es zu einem kulturellen Aus- sowohl um Funktionäre der ostgotischen Verwal - tausch und einer Koexistenz der ortsansässigen tung als auch um solche der römischen Parallel- südostalpinen Bevölkerung und den Zuge zo- verwaltung handeln7. Der in der Stifterinschrift im genen gekommen zu sein (Milavec 2012, 78 f.). Mosaik der extra muros genannte vir Wahr scheinlich steht der Befund aus dem spectabilis Ursus im senatorischen Rang, kann Gebäude HA in Zusammenhang mit einer einst- sowohl einen hochrangigen Amtsträger der weiligen Persistenz der ortsansässigen roma- römischen als auch ostgotischen Verwaltung um nisch-germanisch geprägten Bevölkerung in der 500 n. Chr. in Tiburnia belegen8. ehemaligen Provinzhauptstadt auch noch nach der slawischen Expansion. Ein wichtiges Zeugnis Bei späteren Umbaumaßnahmen, die im Zusam - für das Fortdauern christlicher Glaubensvorstel- men hang mit einer letzten Nachnutzungsphase lungen im Umkreis von Tiburnia ist der Grabstein nach einem Brandereignis im 6. oder in der zwei- des im Jahre 533 n. Chr. verstorbenen diaconus ten Hälfte des 6. Jhs. n. Chr. stehen, wurde in Nonnosus aus Molzbichl, der in der frühmittelal- Raum HA3 ein neuer Estrich eingezogen. Aus terlichen Kirche des ausgehenden 8. Jhs. n. Chr. der Unterfütterung für den neuen Estrich zur Abdeckung einer Reliquiengrube wiederver- stammt ein Keramikensemble mit spätantiker wendet wurde, in der auch die letzten Überreste scheiben- bzw. nachgedrehter Gebrauchskera - des Nonnosus aufbewahrt waren. Ohne entspre- mik und importierten Amphoren (s. Ramstetter chende Ortskenntnisse über den Verbleib des 2018, 409). Exzeptionell ist das bereits frühmit- Ortsheiligen, die die slawische Eroberung über- telalterliche Gefäßfragment des Prager Typs der dauert hatten, wäre eine Translation der Grab- Entwicklungsstufe Murska Sobota 1B, deren stätte im ausgehenden 8. Jh. n. Chr. nicht denk- absolute Datierung in der ersten Hälfte des 7. bar (Vgl. Glaser 1989, 117 f.). Jhs. n. Chr. mittels kalibrierter Radiokarbonda - tierungen abgesichert ist (Bekić 2016, 54–57; 92

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PROVINZIALRÖMISCHE ARCHÄOLOGIE UND ANTIKE NUMISMATIK 37 Sünskes Thompson 1990: J. Sünskes Thompson, Wolfram 1990: H. Wolfram, Die Goten. Von den Aufstände und Protestaktionen im Imperium Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahr- Romanum. Die severischen Kaiser im Span- hunderts. 3. Auflage (München 1990). nungs feld innenpolitischer Konflikte (Bonn 1990). Wolfram 1995: H. Wolfram, Grenzen und Räume. Geschichte Österreichs vor seiner Entstehung. Witschel 1999: Ch. Witschel, Krise – Rezession – Österreichische Geschichte 378–907 (Wien Stagnation? Der Westen des römischen 1995). Reiches im 3. Jahrhundert n. Chr. Frankfurter Althist. Beitr. 4 (Frankfurt a. Main 1999).

ANMERKUNGEN

1 Die Dissertation über „Kaiserzeitliche und spätantike 6 Allerdings ermöglichen die Messungen mittels eines Bauten auf dem Holzerberg in Teurnia/St. Peter in Holz“ Protonenmagnetometers aufgrund der geologischen wurde im Februar 2018 an der Albert-Ludwigs-Uni- Beschaffenheit des schotter- und schluffhaltigen Morä- versität Freiburg abgeschlossen. nen hügels keine Darstellung von exakten Grundrissen, 2 Für die älteren kaiserzeitlichen Steinsockelbauten der dennoch kann mittels dieser Prospektionsmethode das Stein bauperioden 1 und 2 unter dem Gebäude HA Bebauungsraster auf dem Holzerberg erschlossen wer- wurde die Bezeichnung Gebäude ha nach Glaser 1992, den; zu den geophysikalischen Untersuchungen durch 110 f. beibehalten. Die Bezeichnung Gebäude HO am St. Groh und V. Lindinger (Glaser 2016). Nordrand der Grabungsfläche wurde durch die Ver- 7 Zu den Verwaltungsstrukturen der Romania Gothica, s. fasserin neu vergeben und orientiert sich an den bisher Wolfram 1990, 290 f.; Maier 2005, 215; 217 f. von Glaser vergebenen Bezeichnungen für die Gebäu- 8 Bei Ursus im Range eines vir spectabilis muss es sich de HA-HN auf dem Holzerberg (vgl. Glaser 1979, 135). hierbei nicht zwingend um den ostgotischen dux han- 3 Am Beispiel des Sockelzonendekors der Wandmale - deln (vgl. Egger 1955, 36; Wolfram 1990, 291; Wolfram reien von Teurnia und Virunum zeigte I. Dörfler eine 1995, 62). Analoge Verwaltungsstrukturen wie in Rae- Beständigkeit bestimmter Motive von der zweiten tien, wo ein ostgotisches Dukat literarisch bezeugt ist, Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. bis in die erste Hälfte des 4. Jhs. müs sen nicht zwingend auf die ostgotische Provinz n. Chr. auf (Dörfler 2012, 259–263). Nori cum Mediterraneum übertragen werden, da es sich 4 Freundl. Mitt. Dr. J. Eitler (Wien). beim raetischen Friedensdukat um eine Ausnahmeer - 5 Zur jüngsten Prägung der kaiserzeitlichen Bebauung scheinung des ostgotischen Verwaltungsapparates unterhalb der basilica extra muros zählt ein Antoninian han delt (Maier 2005, 237; Heitmeier 2014, 477–480). des Aurelian mit einem terminus post quem von 272 n. Mit Ursus im Rang eines vir spectabilis kann auch ein Chr. (Praher 2005, 73-76.); Münzen der Prägeperiode anderer Amtsvertreter der ostgotischen Verwaltung 260–275 n. Chr. sind jedoch auch noch Bestandteil des mit senatorischem Rang wie z.B. einem comes Münzumlaufs des frühen 4. Jh. n. Chr. (Ladstätter 2000, Gothorum civitatis vorliegen (Maier 2005, 212–221). 76; Vgl. Peter 2001, 157–159).

38 LANDESMUSEUM KÄRNTEN | RUDOLFINUM 2018