63280 januar–märz 2011___1 9. jahrgang

Das Magazin des deutschen Musiklebens

„Musik darf nie zum Konsum werden“: Eine Begegnung mit Enoch zu Guttenberg In der Musik hat er die SFR 14,60

CH Heimat gefunden. Doch auf der Suche nach 8,80 |

m der Seelenruhe ist der

Dirigent und überzeugte Naturschützer noch immer. 8,50 | A m D Zum Jubiläumsjahr von Franz Liszt 2011 Ein aufwendiges Porträt Liszts und eine eindrucksvolle Reise in das Rom des 19. Jahrhunderts

Ernst Burger Franz Liszt Die Jahre in Rom und Tivoli 232 Seiten mit CD 379 Abbildungen ISBN 978-3-7957-0715-6 € 49,95 [D]

»Orakel einer aufgewühlten Zukunft« DER SPIEGEL

Inkl. CD mit Interpretationen von Alfred Brendel EDITORIAL

MUSIK U20:

Christian Höppner Vielfalt der Kultur Chefredakteur

HOUSE, BAROCK, HIPHOP, GREGORIANIK, ELEKTRO, ROMANTIK, FUNK, KLASSIK, METAL, COUNTRY, JAZZ, RAP, MUSIQUE CONCRÈTE und und und… und wo können wir das alles erleben? In Live-Konzerten, im Internet, Radio und Fernsehen, auf dem iPad, beim Song Contest, bei Jugend musiziert? Ja und nein – und vor allem an noch viel mehr Orten. Die Individualisierung kultureller und insbesondere musikalischer Ausdrucksformen kennt keine Grenzen. Etwa 300 Jugendkulturen finden derzeit Erwähnung. Wie viele es wirklich sind und welches „Haltbarkeitsdatum“ den einzelnen Ausdrucksformen zugeschrieben werden kann, ist nicht bekannt. „Musik U20“ ist ein Musterbeispiel für kulturelle Vielfalt – im Sinne der drei Grundsäulen der gleich- namigen UNESCO-Konvention. Kulturelles Erbe, zeitgenössische Ausdrucksformen, Kulturen anderer Völker: Alles ist in unserem Land vorhanden und lebt in dieser Generation fort. Fragt sich nur: mit welcher Gewichtung und mit welchen Perspektiven? Rein quantitativ betrachtet, dürfte die Fraktion „Kulturelles Erbe“ unterrepräsen- tiert sein. Aber gibt es überhaupt Fraktionen? Viele Teilnehmer von Jugend musiziert sind ganz selbst- verständlich in unterschiedlichen Kulturwelten zu Hause. Auch die Erfahrung mit der Flashband am Tag der Musik 2010 ist ein weiteres Beispiel. Gerade die jugendlichen Teilnehmer sangen auf der Freitreppe des Konzerthauses Berlin mit großer Begeisterung – und festem Blick auf den Textzettel – mit: „Geh aus mein Herz und suche Freud“. Volkslied und Flashband geht nicht, war bei den Vorbereitungen die vorherrschende Meinung. Dass es doch geht, zeigen immer mehr Beispiele. Beispiele, die eine neue Unbefangenheit dokumentieren, die wir nutzen sollten. Für die Neugierde auf das Andere, Unbekannte, Fremde und auf die eigenen Wurzeln. Ohne kulturelle Teilhabe geht das allerdings nicht. Die ganze Bandbreite kultureller Vielfalt jedem Kind von Anfang an und ein Leben lang zu eröffnen, liegt in unser aller Verantwortung. Dabei darf es allerdings für Gewaltverherrlichung und politische Indoktrination keine Toleranz geben. Aus der Erkenntnis des Missbrauchs von Musik muss viel entschiedener demokratisches Handeln erwachsen. Leider sind noch immer viel zu viele gewaltverherrlichende Produktionen und Computerspiele auf dem Markt. Hier sind Politik und Zivilgesellschaft gefordert, die Entwicklung umzukehren: durch Bildung, Bildung, Bildung – von Anfang an und ein Leben lang.

Ihr

Christian Höppner

 MUSIK ORUM 3 INHALT

IM FOKUS: MUSIK U20 JeKi, Jumu, Jux und Job – wie Deutschlands Jugend und (Popmusik)Kultur Jugend musiziert Zwischen Konformismus, Kontroverse und Kompromiss: Der Musik- wissenschaftler Christoph Jacke über heranwachsende Mediennutzer 8 Geschockt und kompromissbereit Null Bock auf Singen: Susanne Fließ beschreibt den manchmal frust- rierenden Berufsalltag einer Musiklehrerin am Gymnasium 12 Große Bilder – kleine Impressionen … „Wahnsinnig glücklich!“: Die pure Lust der Sophie Mayer an der Musik 14 Recycling als Bühnenshow: Lübecker Schüler komponieren mit Schrott 16

Vom Verschwinden der Musik Verkümmern Gesang und Musik in unserer Gesellschaft? Opernsänger Hanno Müller-Brachmann hält die heikle Lage fest 18 akzente begegnungen bildung.forschung

„MuSopoly“ – zwischen Enoch zu Guttenberg: Kinder musikalisch nicht Gefängnis und Abbey Road Suche nach der Seelenruhe allein lassen! Was hat der Alltag eines Musikschulleiters Er streift weite Bögen zwischen Musik, Matthias Pannes fordert ein Zusammen- mit Monopoly zu tun, dem Spiel um Literatur, Kunst, Geschichte und Natur- wirken von Musikschule und Schulmusik Moneten, Macht und Monopol? schutz – und formt sie zu einem Weltbild, für ein neues Fundament musikalischer Klaus-Dieter Anders zeigt gleichnishaft, das für ihn gerne in Melancholie mündet. Bildung im Grundschulalter 44 wie aus Spiel bitterer Ernst wird, wenn um Für den berühmten Dirigenten Enoch zu die Existenz und Förderkompetenz einer Guttenberg geht es immer darum, den Musikschule gewürfelt wird. Da halten die inneren und äußeren Frieden zu finden – Plagiat oder nicht Plagiat? Ereigniskarten manche finanzielle Über- „in der Musik und auf unserem Planeten“. Gerichte haben immer öfter mit musika- raschung bereit. Das Spiel ums liebe Geld Stephan Mayer traf den überzeugten Um- lischen Urheberrechtsverletzungen zu tun. beginnt auf Seite… 37 weltschützer und eröffnet im MUSIK- Helmut Rösing mit einem Theorieentwurf FORUM seine neue Rubrik „Begegnun- zur Forensischen Popmusik-Analyse 47 gen“. 40

 4 MUSIK ORUM fokus

Rettungsanker oder Wertevermittlung? Education – muss das sein? Juliane Dorsch und Stephan Gehmacher über Sinfonieorchester als Musikvermittler für junge Menschen Musik aus 21 Passion: Student „JeKi“ – wo schadet das Projekt, was kann es leisten? Roland Appell gegen ein Schulfach „Musik Light“: Wolfhagen Sobirey mit einer Köhler differenzierten Betrachtung von „Jedem Kind ein Instrument“ 23 „Ich wollte etwas Neues auf die Landkarte setzen“ Musikalische Parallelwelten Bernd Goetzke, Direktor des Instituts für Früh-Förderung in Hannover, Zwischen Musizieren, Mugge und blickt auf zehn Jahre Unterstützung von musikalischer Exzellenz zurück 26 Selbstfindung: Wie, wo und warum junge Leute Musik machen. „Kostbarer Schatz des Musiklebens“ Eine Umfrage des Potsdamer Insti- Reinhart von Gutzeit, Impulsgeber des Wettbewerbs „Jugend musiziert“, tuts für Musikpädagogik und Musik- zu Gegenwart und Zukunft, Chancen und Gefahren des Leuchtturmprojekts 30 didaktik unter Studenten 34 kulturen dokumentation DMR aktuell Probleme mit der Hymne Die Konferenz zur jüdischen Musik in Potsdam und der Fußball 49 neue töne Geballte Ladung neuerer Musik Junge Klänge beim IMPULS-Festival 52 wirtschaft „Jungs, baut gute Klaviere!“ 175 Jahre Grotrian-Steinweg 55 3. Berliner Appell zur Informationen aus den Projekten, Mitglieds- Digitalisierung verbänden und Fachausschüssen des Deutschen Musikrats porträt Der Deutsche Musikrat veröffentlicht Supplement nach Seite 36 Sieger beim Tag der Musik Forderungskatalog zur Bewältigung der Herausforderungen im digitalen Zeitalter Die Projekte der ersten Preisträger 58 Kirchenmusik in Deutschland: rubriken Aufforderung zum Handeln Editorial 3 Der von Musikrat und kirchenmusika-  Nachrichten 6 lischen Spitzenverbänden veranstaltete MUSIK ORUM Leserbrief 54 Kongress „Einheit durch Vielfalt – Kirche januar– märz 2011___1 Präsentiert: Trockendock 61 macht Musik“ verabschiedet Resolution Rezensionen 62 62

Finale / Impressum 64 Das Magazin des deutschen Musiklebens

 MUSIK ORUM 5 NACHRICHTEN

¸ Kulturelle Vielfalt mit Leben füllen „Kultur gut stärken“ – unter diesem pagne „Ohne Musik keine Bildung“ und Motto sollen am Wochenende um den dem Themenschwerpunkt der Mitglie- 21. Mai, dem Welttag der Kulturel- derversammlung 2011 – „Für Kulturelle len Vielfalt, bundesweit Aktionen, Ver- Vielfalt – gegen Kulturabbau“ – über anstaltungen, Ausstellungen, Lesun- den Aktionstag hinaus stärken wird. Die gen, Konzerte, Tage der offenen Tür beiden Sprecher der Sektion Musik im und Demonstrationen stattfinden. Deutschen Kulturrat, Christian Höpp- Dabei möchte der Deutsche Kul- ner und Hartmut Karmeier, unterstri- turrat mit seinen Sektionen anschau- chen die Notwendigkeit, das Bewusst- lich machen, was kulturelle Vielfalt be- sein für den Wert der kulturellen Vielfalt deutet, welches gesellschaftliche, kul- zu stärken. Der Aktionstag sei eine gute turelle und künstlerische Potenzial in Option, angesichts des dramatischen ihr liegt und wie sie in Zukunft mit Le- Kulturabbaus eine Trendwende der In- ben gefüllt werden kann. Eine Idee, die vestitionsbereitschaft in die bildungs- der Deutsche Musikrat mit der Kam- kulturelle Infrastruktur zu erreichen. McAllister als „Chorknabe“ in Hannover Erste Lampenfieber- Im Rahmen des „Niedersachsentages“ auf der Expo in Shanghai im Juli 2010, bei der der Knabenchor Hannover einen Festakt musikalisch umrahmte, Ambulanz für Musiker hatte Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister sein Versprechen Am Universitätsklinikum Bonn wur- gegeben. Jetzt löste er es ein und besuchte den Chor bei einer Probe. de deutschlandweit die erste Lam- McAllister, als Schüler selbst Chorknabe im Berliner Staats- und Domchor, penfieberambulanz speziell für Mu- ließ es sich nicht nehmen, sich in die junge Sängerschar einzureihen und siker gegründet. „Lampenfieber ist mitzusingen. Er versprach, das Ensemble als musikalisches Aushängeschild ein Tabuthema, über das gerade des Bundeslandes auch in Zukunft zu unterstützen. Foto: Heimo Klemm unter Kollegen nicht gesprochen wird“, betont Déirdre Mahkorn, Oberärztin für Psychiatrie und Psy- „tutti pro“: Erfolgreiche Orchesterpatenschaften chotherapie. Umso höher sei die Die Übernahme von Patenschaften nie Würzburg. Weitere neue Paten- Resonanz auf die neue Ambulanz, durch Profi-Ensembles für Jugendor- schaften sind für 2011 in Vorberei- bei der Anonymität das höchste Ge- chester im Rahmen der Initiative „tutti tung. Bislang existieren insgesamt 40 bot sei. Derzeit sind 40 Patienten pro“ zieht immer weitere Kreise. Al- Patenschaften über die maßgeblich in Behandlung. lein im Oktober und November 2010 vom ehemaligen Bundespräsidenten wurden bundesweit vier neue Pa- Johannes Rau angeschobene Initiati- tenschaften übernommen – von der ve. Die Berufsorchester leisten damit ¸ GEMA: Kitas sollen fürs Singen zahlen WDR Big Band für das Bundesjazzor- einen wichtigen Beitrag für die musi- chester (BuJazzO), von den Münch- kalische Bildung von Jugendlichen, Wenn es nach der GEMA geht, sollen Kindertagesstätten künftig zahlen, ner Philharmonikern für das Odeon aber auch für die Zukunft des Or- wenn sie Liederzettel kopieren und verteilen. Überall in Deutschland haben Jugendsinfonieorchester München, chesternachwuchses. Die Initiative wird Kitas Schreiben vom Musikverwerter mit der Aufforderung bekommen, Li- vom Sinfonieorchester Aachen für das neben der Deutschen Orchesterver- zenzverträge abzuschließen. Jugendsinfonieorchester Aachen und einigung von der Jeunesses Musica- 500 Liederzettel würden die Kindergärten etwa 56 Euro plus Mehrwertsteu- vom Philharmonischen Orchester les Deutschland und dem Verband er kosten. Sozialverbände wie der Paritätische Wohlfahrtsverband raten ihren Würzburg für die Junge Philharmo- deutscher Musikschulen getragen. Einrichtungen allerdings, die Forderungen zu ignorieren. Sie seien unangemes- sen. Neben dem Geld verlangt die GEMA den Kita-Mitarbeitern viel Verwal- tungsarbeit ab. Sie sollen künftig jedes Lied aufschreiben, das sie mit den Kin- personalia dern bei Aufführungen singen, und dabei Titel, Komponist und Verleger nennen. Thomas Oberender Landesmusikrats Berlin (Bild), Schauspieldirektor zum Ehrenpräsidenten Francesco Agnello † bei den Salzburger Fest- gewählt worden (mehr in Mit Barone Francesco Agnello, dem Präsidenten des Italienischen spielen, wird Anfang DMR aktuell, S. XIV). Musikrats (CIDIM) und zahlreicher bedeutender italienischer Musik- Januar 2012 Nachfolger +++ Pianist Thomas institutionen und -vereinigungen, ist ein unermüdlicher Kämpfer für von Joachim Sarto- Leander wurde zum die Verbreitung der klassischen und zeitgenössischen Musik in Italien rius als Intendant der neuen Prorektor der Ro- und im Ausland verstorben. Als Berater im italienischen Kulturminis- Berliner Festspiele. +++ bert Schumann Hoch- terium erzielte Agnello bedeutende Fortschritte im Bereich des italie- Der international renom- schule in Düsseldorf ge- nischen Musikrechts. mierte Pianist Rolf-Die- wählt. +++ Klaus Bern- ter Arens wurde vom Stiftungs- bacher, Ehrenmitglied des Deut- Franz Müller-Heuser † rat der Kulturstiftung Leipzig zum schen Musikrats und Mitbegründer Präsidenten gewählt. Ehrenpräsi- der Musikalischen Jugend Deutsch- Der anlässlich der Mitgliederversammlung des Deutschen Musikrats dent der Stiftung ist Kurt Masur. land, begeht am 25. Januar seinen (DMR) im Oktober zum Ehrenpräsidenten ernannte ehemalige DMR- +++ Christian Höppner, Gene- 80. Geburtstag. Ein ausführliches Präsident Franz Müller-Heuser ist am 30. Dezember in Köln gestor- ralsekretär des Deutschen Musikrats, Gespräch mit ihm lesen Sie im kom- ben. Lesen Sie einen Nachruf auf Seite 51. ist von der Generalversammlung des menden MUSIKFORUM.

 6 MUSIK ORUM ¸ Resolution zur Kirchenmusik Ein Ergebnis des Kongresses „Einheit durch Vielfalt – Kirche macht Musik“, der vom Deutschen Musikrat (DMR) zusammen mit kirchenmusikalischen Spitzenverbänden in Berlin veranstal- tet wurde, ist die Resolution „Einheit durch Vielfalt“ zur Kirchenmusik in Deutschland. Sie enthält Forderun- gen an Staat, Zivilgesellschaft und Kirchen ( — siehe DOKUMENTATION auf Seite 62). „Kirchenmusik ist ein unverzichtba- rer Teil des gesellschaftlichen Lebens in Deutschland“, erklärte hierzu DMR- Generalsekretär Christian Höppner. Die Resolution zur Kirchenmusik in Deutsch- „junge ohren preise“ für herausragende Vermittlungsprojekte land sei eine Aufforderung zum Han- Beim vom „netzwerk junge ohren“ ausgelobten „junge ohren konnte sich das Projekt „Stefans Musikworkshop“ durch- deln für Politik, Zivilgesellschaft und Kir- preis“, mit dem alljährlich Initiativen der Musikvermitt- setzen. Der Generalmusikdirektor der Philharmonie Neu- chen, um die Vielfalt kirchenmusika- lung ausgezeichnet werden, erhielt neben dem Klang- brandenburg, Stefan Malzew, erstellte hierzu monatlich lischen Lebens als wichtiges Fundament kunstprojekt „HörHülle“ der Augsburger Aktion „Mehr Videos, die im Internet veröffentlicht wurden. Die Aben- des Musiklandes Deutschland dauer- Musik!“ (im Bild oben links) das Projekt „Erhebe Deine teuer von Tom Dumm, eine Oper in drei Stationen, ebenfalls haft zu sichern und auszubauen. Stimme“ in Zusammenarbeit mit dem Komponisten Knut von „Mehr Musik!“ in Augsburg mit 180 Kindern und Remond einen ersten Preis in der neu eingeführten Ka- Jugendlichen entwickelt, wurden mit einem zweiten Preis ¸ Zwölf Punkte zur tegorie „LabOhr“. In der Kategorie „Musik und Medien“ belohnt (Bild oben rechts). Fotos: A.T. Schäfer Digitalisierung  Neue Studie: Die Stiftung Mozarteum Salzburg  Jubiläum: Die Musikhochschule Lübeck, einzige Zum Schutz des geistigen Eigentums hat in Kooperation mit der Robert Bosch Stiftung eine Musikhochschule des Landes Schleswig-Holstein, feiert in im digitalen Zeitalter hat der Beauf- Untersuchung zum Thema „Qualitäten in der Musikver- diesem Jahr ihr 100-jähriges Bestehen. Hier studieren tragte der Bundesregierung für Kul- mittlung und Konzertpädagogik“ präsentiert. 500 junge Musiker aus über 40 Nationen. tur und Medien, Staatsminister Bernd Deutschlandweit einzigartig: Zum Winter- Neues Kulturportal: In Berlin haben Neumann, ein Zwölf-Punkte-Papier semester 2011/12 startet an der Folk- sich Kuratorium und Mitgliederversamm- veröffentlicht. Aus Sicht des Deut- wang Universität der Künste ein Master- lung des Kompetenznetzwerks Deutsche schen Musikrats zeigt das Papier neue studiengang über vier Semester, der sich Digitale Bibliothek (DDB) konstituiert. Mit Perspektiven zur Bewältigung der He- allein mit der Vokal- und Instrumentalmu- der DDB werden digitale Kopien von Wer- rausforderungen durch die Digitali- sik des Mittelalters befasst. Werbung in ken aller Art (u. a. Noten und Musikstücke) sierung auf. eigener Sache: Der von der Popakademie von über 30000 Kultur- und Wissenschafts- Generalsekretär Christian Höppner: Baden-Württemberg auf Anregung des Selbstver- einrichtungen vernetzt und über ein gemein- „Die Eindeutigkeit, mit der sich der marktungsportals „audiomagnet“ erstellte kostenlose sames nationales Portal der Öffentlichkeit zu- Staatsminister für den Schutz des geis- Leitfaden „Online Künstler-Selbstvermarktung 1.0“ gibt gänglich gemacht.  Dialog: Die Weimarer Frühjahrs- tigen Eigentums einsetzt, ist ein wich- erstmals einen neutralen Überblick, wie sich Musiker tage für zeitgenössische Musik werden in diesem Jahr Gast- tiges Signal für die bisher vorwiegend und Musikerinnen heute selbst vermarkten können. geber der Musikmesse ARTMUSFAIR sein (27.4.-1.5.). verbraucherorientiert geführte Diskus- sion. Dieses Papier stärkt nicht nur das Bewusstsein für den Wert der Kreati-( ) ausgezeichnet vität, sondern stellt einen unmittelba- ren Zusammenhang zwischen kultureller Die Mezzo-Sopranistin und Musikstiftung für united (Nürn- Kompetenz und Wertschätzung des Silvia Hauer (Bild) Integration durch Musik berg) und geistigen Eigentums her.“ Letztlich gewinnt den 39. Bundes- gingen u. a. an folgende Sense meets säßen Urheber und Nutzer in einem wettbewerb Gesang. Der Projekte: Auf der Dance (Bo- Boot, denn ohne Urheber gäbe es keine zweite Preis ging an Ma- Suche nach meinem chum). +++ Kreativität und ohne Kreativität keine raike Schröter (Sop- gelobten Land (Bonn), Der Giga-Hertz- kulturelle Vielfalt, so Höppner. ran), der dritte an die Der goldene Clown Preis, weltweit Der Musikrat unterstützt die For- Sopranistin Gloria (Hamburg), Dorflieder höchstdotierter derungen des Kulturstaatsministers und Rehm. +++ Die Violo- (Bad Vilbel/Dortelweil), Preis für elekt- appelliert an alle Entscheidungsträger, nistin Anne-Sophie Hochzeit im Farben- ronische Musik, auf der Grundlage des Positionspapie- Mutter erhielt die Maecenas- land (Leverkusen), Interkulturelle ging an Gottfried Michael res umsetzungsfähige Konzepte für Ehrung 2010 des Arbeitskreises Musikwerkstatt Sing-Sang-Klang Koenig (Bild). +++ Die Mitglie- einen verantwortungsvollen Umgang selbstständiger Kultur-Institute. +++ (Trier), Mit Musik verbinden derversammlung des Deutschen in der digitalen Welt zu erarbeiten. Das Augsburger Schulprojekt Unse- – durch Musik Grenzen über- Musikrats ernannte Norbert ( — Siehe DOKUMENTATION mit re Show erhält den Bayerischen winden (Erfurt), Music of my Lammert, den Präsidenten des dem „3. Berliner Appell zur Digitali- Rockpreis „Pick up“ 2010. +++ life (Berlin), Musik ohne Gren- Deutschen Bundestags, einstimmig sierung“ auf Seite 62). Förderpreise der Liz Mohn Kultur- zen (Gütersloh), underage uni- zu ihrem Ehrenmitglied.

 MUSIK ORUM 7 FOKUS

Christoph Jacke über heranwachsende Mediennutzer

JUGEND UND

chenkt man den aktuell vor allem in den Massenmedien so sichtbaren, Softmals apokalyptischen Diskursen Glauben, in denen es um das Ver- rohen junger Menschen durch falsche oder gar keine Erziehung, den Verlust jeglicher Werte, die Entgrenzung der Jugend und das Aufweichen jeglicher Grenzen geht, so könnte man Überlegungen zu Jugendkultur und Pop- musik gleich zu Beginn in einem einzigen negativen „Anything Goes“ ver- stummen lassen.

Nun hat aber der berühmte Philosoph Paul Ein Indikator und auch Beleg etwa für die Feyerabend seine postmoderne Lesart der sich in jedem Fall weiterhin vorhandenen vielfäl- eröffnenden Möglichkeiten und neuen Zu- tigen Zusammenhänge aus Jugend- und Pop- sammensetzungen unserer Welten keinesfalls musikkulturen sind nicht zuletzt die großen willkürlich oder beliebig gemeint. Nein, alles empirischen Studien (z. B. Shell Jugendstu- ist möglich, solange es funktioniert. Genauso dien, JIM-Studien, Daten zur Mediensituation verkommt weder die Jugend noch verschwim- in Deutschland/Media Perspektiven). Auch men nun alle Grenzen oder spielt Musik keine die zunehmende wissenschaftliche Reflexion Rolle mehr – hier zumeist eben populäre Musik dieser Zusammenhänge zeugt von umtriebi- als massenwirksame, kommerzielle Musik, ger Beschäftigung (z. B. Arbeitskreis Studium eben Pop, mit allen ihren Nischen und Sei- Populärer Musik, AG Populärkultur und tenarmen für junge Heranwachsende in un- Medien der Gesellschaft für Medienwissen- serer Mediengesellschaft. Diskurse, die in dieser schaft, Berliner Archiv der Jugendkulturen, Hinsicht das Verdrängen des einen durch das Jugend Kultur Archiv der Frankfurter Kunst- andere (z. B. in Freizeitaktivitäten, im Medi- pädagogin Birgit Richard). Und schließlich engebrauch) behaupten, sollten zumindest konnte man zuletzt immer wieder große ganz genau und an konkreten Beispielen Ausstellungen zu Popmusik und Jugendkul- betrachtet und überprüft werden. Ebenso tur beobachten wie etwa „Coolhunters“ (ZKM reagieren etwa extreme und extremistische Karlsruhe, 2006), „InterCool 3.0“ (Dortmunder jugendliche Popmusikkulturen selbst längst U, 2010/2011), „A Star Is Born“ (Folkwang wieder auf dieses vielfältige Angebot an Museum Essen, 2010), „Celebrity Culture“ Möglichkeiten, in dem sie sich auf Funda- (KIT/ZKM Karlsruhe 2010/2011) oder das mentalismen zurückziehen, ganz, wie sie es Rock’n’Popmuseum in Gronau mit seinen aus erwachsenen Tendenzen zu Ende der ständigen Ausstellungen (siehe hierzu auch nuller Jahre kennen. Bildhinweise auf der rechten Seite).

 8 MUSIK ORUM zwischen Konformismus, Kontroverse und Kompromiss (Popmusik)Kultur

Popmusik und Jugendkultur sind in Schu- worden, was viele junge Erwachsene len und an Universitäten auf verschiedene an den ihnen offenstehenden Möglich- Art und Weise angekommen und Thema keiten verzweifeln lässt. Auf der ande- geworden, da wir begreifen wollen, was uns ren Seite bleibt es ein menschliches ständig und seit mindestens 50 Jahren immer Grundbedürfnis, seine Person und Per- erfolgreicher und umfassender umgibt; ganz sönlichkeit in ihrem Kern möglichst stabil gleich, ob wir das nun zunächst involviert auszubilden. Sowohl für den permanen- begeistert oder auch distanziert kritisch be- ten Wandel als auch die Verfestigung gleitend tun. Aus populärer Musik und ihren eines Kerns werden kulturelle Prakti- medienkulturellen Kontexten können wir ken und Techniken benutzt, und zwar einiges über uns und unsere Gesellschaft ler- von Jugendlichen besonders intensiv, als nen.1 Alle diese Selbstvergewisserungen un- Wahlpflichtveranstaltung mit spieleri- serer Gesellschaft wollen die Bedeutung der schem Ernst: Sport, Mode, Games, Po- zumeist jugendlichen Bild- und Klangwelten litik, Clubs, Genussmittel, Sexualität, analysieren und präsentieren. Schauen wir Selbstpräsentationen und vor allem Pop- also noch einmal in gegebener Kürze und musik, die alle diese Ebenen integrie- Konzentration auf die drei hier zentralen ren kann oder in diese diffundiert, weil Begriffe und dahinter stehenden Konzepte sie so anschlussfähig ist. ! und Phänomene.

Jugend

Kultürlich gibt es weiterhin Jugendliche Bildquellen dieser Doppelseite: und ebenso kultürlich haben diese sich im • Webdesign der Internetpräsentation www.inter-cool.de zur gleichnamigen Ausstellung 2010 in Dortmund mit ständigen Abgleich an ihren Unterschieden Bild- und Medienwelten junger Menschen. Die Aus- zu anderen Bevölkerungsteilen und -schich- stellung ist ein Kooperationsprojekt des Goethe-Insti- tuts Frankfurt, des Hartware MedienKunstVerein Dort- ten abzuarbeiten. Nur über dieses vielfältige mund und des Kulturbüros der Stadt Dortmund. Wechselspiel aus Konformismen, Kontrover- • Grafik von Kommunikationsdesign-Studenten am sen und Kompromissen bilden sich indivi- Campus Essen (Katrin Peter, Andreas Ruck), gezeigt 2006 im Rahmen eines Workshops zur Ausstellung duelle und kollektive Identitäten bei jungen „coolhunters – Jugendkulturen zwischen Medien und Menschen (aber auch bei den ihnen Gegen- Markt“ im Zentrum für Kunst- und Medientechnologie (ZKM) in Karlsruhe. überstehenden) aus. Diese Identitäten sind zwar in unseren Medienwelten auf der einen Seite immer beweglicher und komplexer ge-

 MUSIK ORUM 9 FOKUS

Nun hat sich das Konzept Jugend mitt- lerweile ausgedehnt, da man mit immer kratisierungstendenzen im Produzieren und weniger gesellschaftlichen Zwängen normiert Popmusik Diskutieren von Popmusik, während die gro- und daher teilweise erst sehr spät das wird, ßen Zeiten des Popmusikfernsehens als Voll- was Gesellschaft dann als „erwachsen“ defi- Ob nun in Ausprägung von Jazz, Punk, programm, wie wir es bei MTV oder VIVA niert.2 Gleichzeitig haben junge Heranwach- Dubstep, schlichten Coverversionen, aufwen- kannten, gezählt sind. Deswegen verschwin- sende bestimmte ehemals ihnen vorbehalte- digen Mash-Ups, als Film-Soundtrack oder det aber Popmusik keineswegs aus den Me- ne Felder längst nicht mehr nur für sich. Der Musik zu und Setting von Computer-Spie- dien, sie sucht sich und ihren Rezipienten mit Drogen, Revolution und Rolling Stones len wie Guitar Hero: Popmusik bleibt vor al- nur neue Wege und Mittel der Aufbereitung. aufgewachsene Vater oder Großvater eignet lem in ihrer Rezeption, Nutzung und Wei- sich bekanntlich schwer zur Abgrenzung, es terverarbeitung in Form von z. B. Blog-Ein- Kultur sei denn, man tituliert ihn als Spießer und trägen, Fanzines oder sogar eigenen Songs/ eignet sich genau die Praktiken an, von de- Tracks bzw. Programmen ein ganz zentraler Will man nun Jugendliche und ihre Nut- nen sich der Großvater absetzen wollte. So Bestandteil von jugendlichen Mainstream- und zungen und Aneignungen von Popmusik kommen dann etwa neue Moden wie das Sub-Kulturen: „Popmusik ist ein kultureller verstehen, so sollte man die ihnen vorausge- Interesse an Schlager und Volksmusik oder Rahmen, um Erfahrungen zu organisieren, setzten Kulturen begreifen. Kulturen grun- die „classics on a twist“ zustande, die ursprüng- Sinn zu artikulieren, Bedürfnisse zu entfalten, dieren und rahmen die jugendlichen Indivi- lich konservative Vorhaben wie Schrebergar- ein Erfahrungs- und Handlungszusammen- duen, Gruppen und Kollektive, sie sind ge- ten, Sonntagsgarderobe und Tanztee ausgra- hang, der einen entscheidenden Faktor bei wissermaßen die Interpretationsfolie der Wirk- ben, wieder als cool umschreiben und derzeit der Herausbildung von Identität und Subjek- lichkeitsmodelle und werden im ständigen boomen, mal oberflächlich ironisch gebro- tivität Heranwachsender darstellt.“4 Abgleich zwischen kognitiv autonomen Ak- chen, mal durchaus seriös und mit Haltung Popmusik ist, noch umfassender formu- teuren und sozialen Orientierungen an an- gemeint. liert, ein Lebensstil und Kommunikationspro- deren angewendet.5 An dieser Definition zeigt Gleichzeitig ist Jugend heutzutage immer zess, innerhalb dessen sich insbesondere Ju- sich die Schwierigkeit des gegenseitigen Ver- auch eine medialisierte Jugend, mittlerweile gendliche spielerisch und höchst aktiv auf den stehens und auch der wissenschaftlichen Be- kann man die Generationen bereits schon Bereichen Produktion, Distribution, Rezep- obachtung solcher „fremder“ Kulturen: Für wieder kaum noch an ihren Medientechno- tion/Nutzung und Weiterverarbeitung zu- unterschiedliche Kulturbeobachtungen gel- logien definieren, wie eine Zeit lang gesche- nächst bewegen, mitunter aber auch qualifi- ten eben auch unterschiedliche Beobachtungs- hen, da diese immer rascher entwickelt und zieren und professionalisieren. Dabei werden kulturen. Diese laufen in der Regel unhinter- etabliert werden. Festzuhalten bleibt, dass die – anknüpfend an neue Technologien dieser fragt und unsichtbar ab, weswegen sie prin- neuen Medienwelten nicht nur zu neuen Ebenen – neue Umgangsweisen kreiert, die zipiell so reibungslos funktionieren, schwer Freizeitpraktiken führen, sondern selbst mitt- wiederum neue Felder konstituieren. Man fassbar sind und man sich oftmals über Ein- lerweile als Bestandteile der Identitätskonstruk- denke nur an den Schallplattenspieler als Pop- heimische Zugänge und Informationen ver- tionen und Ein-/Abgrenzungen fungieren.3 musikinstrument im HipHop oder die com- schafft. puterisierten Möglichkeiten neuer Musiksoft- Nur mit einem gehörigen Maß an gegen- ware und auch deren Dekonstruktion/Über- seitiger Toleranz kann man versuchen, die arbeitung in elektronischen Popmusikstilen kulturellen Ähnlichkeiten, Unterschiede und wie Glitch, Minimal oder Drum’n’Bass. Vor dialektischen Dynamiken auf einer letztlich allem Computer- und Internettechnologien sehr wohl gemeinsamen Grundlage (Kultur) sorgen für neue Mitmach- und also Demo-

 10 MUSIK ORUM Schwierige Abgrenzung bei immer weniger gesellschaftlichen Zwängen: Junge Heranwachsende haben ehemals ihnen vorbehaltene Felder längst nicht mehr nur für sich. Grafik: Workshop zur Ausstellung „coolhunters“ / Janine Bell, Andreas Ruck (siehe Bildhinweis auf S. 9)

1 vgl. dazu ausführlich Christoph Jacke: Einführung Populäre Musik und Medien, Münster u. a. 2009. 2 vgl. grundlegend und historisch: Jon Savage: Teenage. Die Erfindung der Jugend (1875-1945), Frankfurt/New York 2008 sowie Detlef Siegfried: Time Is on My Side. Konsum und Politik in der westdeutschen Jugendkultur der 60er Jahre, Göttingen 2006. Eine Erweiterung des Konzepts Jugend kommt den Jugendindustrien freilich entgegen, erst nach und nach beginnen diese auch für zu erfassen. Und da Kulturen so flexibel und dersetzung mit Popmusik als einem der zent- den Popmusik- und Unterhaltungsbereich die älteren wenig griffig wirken, wenn sie auch durch ralen Felder von Populärkultur statt.6 Und und alten Käuferschichten zu entdecken. 3 vgl. Birgit Richard, Jan Grünwald, Marcus Recht, Nina Medialisierungen immer beobachtbarer wer- kann die gesamte Kultur Pop im Sinne eines Metz: Flickernde Jugend – Rauschende Bilder. Netzkul- den, bemüht man sich auch zunehmend um Lebensstils eben nicht mehr zentral gegen turen im Web 2.0, Frankfurt/New York 2010. deren Sammlung und Archivierung. So las- andere Kulturen vor allem der Älteren und 4 Peter Wicke: Vom Umgang mit Popmusik, Berlin 1993, sen sich u. a. die Archivierungen und Musea- Eltern eingesetzt werden, dann bilden sich S. 15. 5 vgl. grundlegend Siegfried J. Schmidt: Kognitive Auto- lisierungen von popmusikalischen Jugendkul- offensichtlich Verzweigungen, Verbünde mit nomie und soziale Orientierung. Konstruktivistische turen und jugendkulturellen Popmusiken anderen Kulturen (z. B. Games) oder auch Bemerkungen zum Zusammenhang von Kognition, Kom- erklären. Spezialisierungen auf bestimmte, für die an- munikation, Medien und Kultur, Frankfurt/M. 1996 sowie Hier zeigt sich die herausragende Bedeu- deren Generationen kaum noch nachvollzieh- zum Transfer auf Jugend-, Popmusik- und Subkulturen: Christop Jacke, Christoph: Medien(sub)kultur. Geschich- tung dieser Beschäftigungen: Denn wenn man bare Techniken und Technologien heraus. ten – Diskurse – Entwürfe, Bielefeld 2004. Popmusikkulturen „nur“ sich selbst überlässt, Dass diese Handlungen und Bedürfnisse 6 vgl. Simon Frith: „Live Music Matters“, in: Scottish werden sie zwar für die in den Szenen bzw. freilich ganz genau seitens der Unterhaltungs- Music Review, Nr. 1/2007, S. 1-17; URL: Kulturen Handelnden weitergereicht, drohen industrien beobachtet und gegebenenfalls von www.scottishmusicreview.org/index.php/SMR/article/ view/9/8 (Stand: 12.12.2010). aber für eine analytische, systematische und ihnen kommerzialisiert und lanciert werden, 7 vgl. die kritische, aktuelle Studie des Informatikers und reflektiert-kritische Aufarbeitung jenseits von ist zwar eine Binsenweisheit. Diese sollte aber Musikers Jaron Lanier: Gadget. Warum die Zukunft uns Trendforschung und Marktdiagnostik verlo- nicht vergessen werden, wenn man sich mit noch braucht, Frankfurt/M. 2010. ren zu gehen, auch in den Tiefen des Cyber- neuesten Entwicklungen seitens der Jugend- Einführende Literatur space. Dort wird zwar selten eine (popmusi- lichen auseinandersetzt. Plattformen wie das Baacke, Dieter (Hg.): Handbuch Jugend und Musik, kalische) Tatsache wie eine Band-Homepage bald schon wieder veraltete „Myspace“ oder Opladen 1998 vergessen, oftmals aber der zu ihr gehörige aktuell „Facebook“ und „Twitter“ sind schließ- Grimm, Fred: Wir wollen eine andere Welt. Jugend in Zugang oder die Datenpflege. Nichts ist so lich nicht aus gutem Willen entstanden oder Deutschland 1900-2010. Eine private Geschichte aus alt wie die unbearbeitete Homepage von auf- und ausgebaut worden, um jungen Men- Tagebüchern, Briefen, Dokumenten, Berlin 2010 gestern. schen (so auch Popmusikern) ein Sprachrohr Neumann-Braun, Klaus; Richard, Birgit (Hg.): Cool- hunters. Jugendkulturen zwischen Medien und Markt, zu sein, sondern aus handfesten finanziellen Frankfurt/M. 2005 7 Fazit Interessen. Genau an diesem Punkt wird die Richard, Birgit; Krüger, Heinz-Hermann (Hg.): inter-cool Forderung an die Politik fällig und klar, zu- 3.0. Jugend Bild Medien. Ein Kompendium zur aktuellen Es lässt sich also klar erkennen, dass es künftig die sich mit diesen Themenfeldern Jugendkulturforschung, München und Paderborn 2010 weiterhin Jugend geben wird, so sehr sich beschäftigenden Ausbildungs- und Reflexions- Zacharias, Wolfgang: Kulturell-ästhetische Medienbil- dung 2.0. Sinne, Künste, Cyber, München 2010 auch der Begriff und das Konzept immer stätten noch wesentlich besser auszustatten, wieder verändern können. Gleiches gilt ebenso um es nicht bei jugendlicher Selbstqualifika- Der Autor für Kultur und Popmusik. Die jungen Heran- tion und elterlichem Missverstehen zu belas- Dr. Christoph Jacke ist seit 2008 Professor für Theorie, wachsenden werden in einer Mediengesell- sen. Damit wir die Welten der nachfolgen- Ästhetik und Geschichte der Populären Musik im Studien- schaft sozialisiert und ständig mit immer wieder den Generationen verstehen, ihnen aber auch gang „Populäre Musik und Medien“ im Fach Musik an neuen und verfeinerten Medientechnolo- eine ausgereifte Behutsamkeit im Umgang der Universität Paderborn und Sprecher der „AG Populär- kultur und Medien“ in der Gesellschaft für Medienwissen- gien konfrontiert, lernen diese meist quasi- mit neuen Phänomenen, Technologien, Musi- schaft. Jüngste Veröffentlichung: Einführung in Populäre automatisch anwendend zu verstehen. An- ken und Medien mit auf den Weg geben Musik und Medien (LIT, 2009). Weitere Informationen: hand dieser Technologien aber eben auch können. U www.christophjacke.de, www.uni-paderborn.de/musik außerhalb (Live-Business, Hausmusik etc.) findet auch weiterhin eine latente Auseinan-

 MUSIK ORUM 11 FOKUS

n dieser Geschichte geht es Susanne Fließ über den manchmal frustrierenden Inicht um Wunder, sie handelt Berufsalltag einer Musiklehrerin am Gymnasium vielmehr vom ganz normalen Schulalltag, aber auch von hohen Erwartungen, null Bock und grimmiger Entschlossenheit. Und ein Wunderkind kommt Geschockt UND auch darin vor. KOMPROMISSBEREIT Erster Schultag, September 2010, am Max- Born-Gymnasium in Germering bei München. Mehr als 1000 Schüler strömen an diesem Morgen in das Schulgebäude – versiert und lässig die alten Hasen, schüchtern die neuen Fünftklässler. Nicht nur die jüngsten Schüler nander Interviews führen zu lassen, in denen den zentralen Leistungstests und in den zahl- betreten an diesem Tag einen unbekannten Hobbies und auch musikalische Vorlieben reichen Wettbewerbserfolgen zum Ausdruck Raum, auch Erika Zimmer, Musikerin mit zur Sprache kommen sollen. „Was ist dein kommt, und ein reiches Schulleben, das von Hauptfach Violoncello, gehört zu den Neu- Lieblingslied?“, lautet eine der Fragen, deren allen Mitgliedern der Schulgemeinschaft ge- lingen am „Max Born“. Ebenso wie für die Beantwortung Erika Zimmer auch deshalb tragen wird“, unterstreicht Christoph auf der Schüler in den Fünften soll diese Schule im interessiert, weil sich daraus Anknüpfungs- Homepage der Schule. „Wir hoffen, ein Kon- nächsten Jahr ihre Anlaufstelle, ihr vertrau- punkte für die weitere Gestaltung des Unter- zept von gymnasialer Bildung und Erziehung tes Umfeld werden. Für sie als Lehrerin na- richts ergeben könnten. Am Ende der Frage- umzusetzen, mit dem das Max-Born-Gym- türlich auch die neue berufliche Heimat. runde muss sie jedoch feststellen, dass sie nicht nasium ein attraktiver Lern- und Lebensraum Erika Zimmer hat jahrelang in einem der ein einziges der genannten Lieder kennt. Die für Lehrer, Schüler und Eltern ist und mit vier musischen Innenstadt-Gymnasien Mün- musikkulturelle Kluft zwischen ihr und 30 dem wir unsere Absolventen möglichst gut chens unterrichtet, im Pestalozzi-Gymnasium. elf- bis zwölfjährigen Kindern ist so groß, dass und umfassend auf die außerschulische Be- Dort leitet sie unter anderem das Unterstu- es ihr für einen Moment die Sprache ver- rufs- und Lebenswelt vorbereiten.“ fenorchester mit 70 Jungen und Mädchen. schlägt. Wer hat hier wann etwas versäumt? Erika Zimmer will mit ihren Qualifikatio- Mit der neuen beruflichen Aufgabe an ei- Wo ist sie ausgestiegen, obwohl sie selbst zwei nen einen Teil dazu beitragen und durch- nem naturwissenschaftlich-technologischen Kinder im Alter ihrer Schüler hat? stöbert im Unterricht gemeinsam mit den und sprachlichen Gymnasium an der Peri- Erfreulicher ist das Ergebnis auf die Frage, Sechstklässlern das Schulbuch für den Mu- pherie der bayerischen Landeshauptstadt wer ein Instrument spielen kann. Hier heben sikunterricht nach einem gemeinsamen Song. beginnt nun ein Abenteuer. Es hält schöne tatsächlich fast alle Fünftklässler den Finger. Die Suche danach gestaltet sich regelmäßig Überraschungen für sie bereit, aber auch ei- Eine echte Überraschung, die sich vielleicht zäh. Nur Lemon Tree der Band Fool’s Gar- nige Schocks. ein wenig damit erklären lässt, dass diese 5. den schafft den Sprung ins Repertoire der Einer fünften Klasse und zwei sechsten Klasse mit der Fremdsprache Latein beginnt. Klasse. Ansonsten singt sie, am Klavier sit- Klassen erteilt die 51-Jährige fortan zwei Stun- Denn Eltern, die für ihre Kinder Latein aus- zend, die Lieder oft genug allein, während den pro Woche Musikunterricht. So sieht es wählen, gehören offenbar zu denen, die sich die Schüler kichernd oder gelangweilt zu Kon- der Lehrplan vor, und so betritt Erika Zim- überhaupt ein wenig mehr in deren Freizeit- sumenten werden. mer an ihrem ersten Unterrichtstag „ihre“ fünf- gestaltung einbringen. „Das war mein zweiter Schock“, so ihr te Klasse. In den beiden sechsten Klassen – dort ist Resümee des ersten Vierteljahrs. „Die Schü- Englisch erste Fremdsprache – wendet sich ler waren peinlich berührt, voller Skepsis und Was ist dein Lieblingslied? das Blatt. Beim gleichen Interview-Spiel er- Lustlosigkeit. Während ich unterstellte, dass lebt Erika Zimmer einerseits das ihr bereits das gemeinsame Singen ein großes, heimeli- Manche Dinge haben sich nicht geändert, bekannte Phänomen, nicht eines der Lieb- ges Wohlfühlerlebnis werden würde.“ Die la- seit die Autorin dieser Zeilen selbst in die lingslieder der Schüler zu kennen. Doch schwe- pidare Antwort der Schüler auf die Frage nach Schule gegangen ist: Vor dem Matheunter- rer wiegt: Nur ein sehr kleiner Teil der Kin- ihrem beharrlichen Schweigen: „Null Bock.“ richt herrscht das blanke Grauen, Biologie der spielt ein Instrument! Und dazu gehört So tut Erika Zimmer etwas, dass sie sich bis wird in weiten Teilen mit Interesse wahr- auch die Stimme. dahin nicht vorstellen konnte: Sie mimt die genommen (Tiere, Menschenkunde), Spra- strenge Lehrerin, die mit Sanktionen droht, chen sind nützlich wegen der Popmusik und Null Bock auf Singen wenn die Kinder es nicht wenigstens einmal der Musikunterricht ist die willkommene versuchten. Auszeit zwischen den wirklich wichtigen Der Direktor der Schule, Robert Chris- Dass die Kinder nicht gerne singen, daran Hauptfächern. toph, ist selbst Geisteswissenschaftler. Er trifft das Max-Born-Gymnasium kaum eine Die neuen Fünftklässler sind zum Glück unterrichtet Latein, Deutsch und Italienisch Schuld. Es ist wohl eher ein gesamtgesellschaft- noch nicht so abgebrüht, es kann eine erste und versucht, gemeinsam mit dem Kollegium liches Phänomen, an dem Eltern, Medien, vorsichtige Beziehung zwischen der Lehrkraft am Max-Born-Gymnasium den Begriff Schul- Kindergärten und Grundschulen alle ihren und ihren Anvertrauten hergestellt werden. familie mit Leben und Inhalt zu füllen. „Dazu Anteil haben. Wer das Singen nicht als selbst- Um die mehr als 30 Schüler kennen zu ler- gehören eine hohe Unterrichtsqualität, wie verständliches künstlerisches Ausdrucksmit- nen, beschließt die Musiklehrerin, unterei- sie in den hervorragenden Platzierungen bei tel schon als Kleinkind zu lieben gelernt hat,

 12 MUSIK ORUM Peinlich berührt : Schüler mögen nicht gern gemeinsam singen.

Bilanz ist der idealistische Plan dem Kom- promiss gewichen. Auch das Liederbuch Sing & Swing – für die Unterstufe an bayerischen Gymnasien he- rausgegeben von Lorenz Mayerhofer und Wal- ter Kern – ist eine Ansammlung von Kom- promissen. Im Kapitel „Weihachten“ finden sich Maria durch ein Dornwald ging neben Rudolph The Rednosed Reindeer oder Christ- © knipseline/pixelio / bearb. mas Song von John Lennon. Eine disparate Sammlung, zusammengestellt in der Hoffnung, der schämt sich, weil er Vergleiche zieht zwi- „Wenn es um Musikerbiografien geht, sind den Zeitgeist und Geschmack der Jugend- schen dem, was in Fernsehen und Radio zu die Schüler weit aufmerksamer“, sagt Erika lichen zu treffen. Hier wird auch Erika Zim- hören ist und seiner eigenen Performance. Zimmer. Im Moment steht Beethoven auf mer pessimistisch, wenn sie erzählt, dass kein „Ich kann nicht singen“ ist dann auch immer dem Stundenplan, seine Symphonien, sein Schulkonzert mehr ohne Mission impossible wieder das Argument, das Erika Zimmer bereits Leben, seine Taubheit, seine Depressionen oder andere Filmmusik auskommt, während von den 12- bis 13-Jährigen hört. Sicherlich – das alles ist für die Kinder offenbar leichter ein Brandenburgisches Konzert ein echtes „No auch eine Schutzbehauptung, damit man nicht nachzuvollziehen als die praktische Musik. go“ ist. blöd dasteht vor den Kumpels, denn mit Ein- Viele Dinge lassen sich gut erklären, indem Sollten auch Musiklehrer allmählich un- tritt in die Pubertät entsteht ja ein weiteres man sich an solch einer Biografie entlang- ter Artenschutz gestellt werden? Soll man sich Hemmnis auf dem Weg zum coolen Zeitge- hangelt: Was ist eine Sinfonie? Was ist ein auf die Suche nach den Schuldigen begeben? nossen. Orchester? Wer war schon einmal in einem Es ist wohl produktiver, nach den Unschul- Sinfoniekonzert? (Keiner der Sechstklässler). digen zu suchen, den Kindern nämlich, die Konsens nur über Charthits Die Aufmerksamkeit versiegt, wenn die Be- sich allemal begeistern lassen, wenn man selbst richterstattung endet und die Aufgabe lau- nur genügend Feuer im Herz trägt. Die Suche nach dem Liedgut, das sowohl tet: Hört euch den ersten Satz der 5. Sym- Das eingangs erwähnte Wunderkind heißt die Pädagogin als auch ihre Schüler beherr- phonie an! Vielleicht ist es von 12-jährigen übrigens Arabella Steinbacher. Die weltbe- schen, ist in den nächsten Wochen immer Kindern zu viel verlangt, die sieben Minu- rühmte Geigerin ist eine ehemalige Schülerin wieder das Thema, sowohl in der fünften wie ten, die der Satz dauert, still zu sitzen und des Max-Born-Gymnasiums und konzertierte auch in den beiden sechsten Klassen. Die Elf- nicht mit dem Nachbarn zu kichern. erst kürzlich in der Aula der Schule. Auf solch und Zwölfjährigen lassen sich noch für Neues Erika Zimmer ist auch darüber ein biss- eine prominente Absolventin sind alle stolz. begeistern, mehrere Unterrichtsstunden lang chen erschrocken. Aber weil sie in den Wo- Jetzt muss nur noch jemand den Bewunde- ist Reinhard Meys Der Mörder ist immer der chen ihrer neuen Unterrichtstätigkeit eine rern erklären, dass Erfolg ein Prozess ist und Gärtner das angesagte Stück. Weit schwieri- gewisse Grimmigkeit und missionarischen Eifer nicht etwa der große Wurf. Zum Glück gibt ger ist es in den beiden sechsten Klassen. Hier entwickelt hat, stellt sie parallel zum Hörbei- es dafür Pädagogen wie Erika Zimmer. ist auch der Ausländeranteil relativ hoch, spiel die Aufgabe: „Schreibe eine Geschichte wodurch das Repertoire noch mehr aus- zu der Musik, die du gerade hörst!“ Die Re- einander driftet. Einigen kann man sich un- aktion ist bemerkenswert: „Es war plötzlich ter diesen Umständen fast nur auf die aktu- still im Raum, die Kinder schrieben und brann- ellen Charthits, die allerdings ohne die be- ten darauf, anschließend ihre Geschichte vor- kannten Sound-Effekte so kläglich klingen, zulesen.“ Räuber kommen darin vor, gar eine dass allen sehr schnell die Lust vergeht. Schießerei, die Atmosphäre dieser konvulsi- Wunderkind aus dem Wie ist ein stimulierender Musikunterricht vischen Musik überträgt sich auf ihre Hörer. „Max Born“: in einer gymnasialen Unterstufe unter solchen Arabella Voraussetzungen möglich? Erika Zimmer hat Bach: eine Mission impossible Steinbacher einige Einsichten gewonnen: „Im Schulorches- ter des Pestalozzi-Gymnasiums, wo ich ja noch Wer wie die Cellistin Erika Zimmer mit immer das Unterstufenorchester leite, sind Beginn eines Schuljahrs eine neue Stelle an- 70 Kinder in der Lage, sich mit großer Innig- tritt, steuert unweigerlich auf die Weihnachts- keit über einen langen Zeitraum in ihre Auf- zeit zu. „Mein fester Entschluss, als ich im gaben als Musiker zu vertiefen. Ein Zustand, September begann, war: Die Schüler sollen den ich inzwischen als paradiesisch empfin- Johann Sebastian Bach und seine großen Kan-

© Arabella Steinbacher de. Verglichen damit ist der Unterricht am taten kennen lernen, zumindest die bekann- Die Autorin Max-Born-Gymnasium elementar.“ Er gehor- testen Choräle. Davon bin ich inzwischen ab- Susanne Fließ studierte Germanistik und Philosophie che vielfach disziplinarischen Grundsätzen und gerückt, denn insgeheim kann ich es kaum und ist Pressereferentin in der Bundesgeschäftsstelle ähnele damit der Art, über die viele Schüler- ertragen, wenn sich jemand über diese Mu- „Jugend musiziert“ in München. generationen berichten könnten. sik, die mir heilig ist, lustig macht.“ In ihrer

 MUSIK ORUM 13 FOKUS

»WAHNSINNIG glücklich!«

An Opas Steinway-Flügel: Sophie Mayer (10).

Foto: privat

 14 MUSIK ORUM Sophie, was gefällt dir am Musizieren? Es macht mir Spaß, Stücke vom ersten Takt bis zum vollendeten Werk zu erarbeiten. Bei der Po- saune liebe ich vor allem den tiefen Sound. Beim Klavier sind die Herausforderungen größer. Aber wenn man es mal kann, macht es wahnsinnigen Spaß. Außerdem kenne ich von zu Hause auch nichts anderes: Rund um mich trötet es den gan- zen Tag, da ja in der Familie alle irgendein Instru- ment spielen.

Du hast bei „Jugend musiziert“ einen 1. Preis gewonnen: Was war das für ein Gefühl? Ich hatte ja die Klavierbegleitung zu Kontra- bass-Solo. Das war eine unglaublich schwere Lite- ratur. Nach meinem Vorspiel war ich mir sicher, dass es nicht schlecht war, obwohl ich vorher sehr nervös war. Aber ich konnte im richtigen Moment meine Nerven unter Kontrolle bringen. Das war ein entscheidender Pluspunkt. Und als ich dann nach langem Warten endlich erfahren habe, dass es der 1. Preis war, habe ich mich total gefreut und war einfach wahnsinnig glücklich. Ich hatte mich fünf Monate lang darauf vorbereitet und am Ende war es nicht umsonst. Ich habe mir gedacht, so schlecht kann ich ja schein- bar nicht sein.

Junge Menschen hören gerne Musik. Willst du bei „Jugend musiziert“ Aber selbst Musik machen oder singen – weitermachen? dazu haben viele „Null Bock“. Ja, auf jeden Fall, diesmal gibt es ja die Klavier- Solowertung. Der Ausgang wird sicher spannend, Für andere ist es wiederum die pure Lust. weil das Niveau im Solospiel offenbar sehr hoch Wie für Sophie Mayer. ist, sagt mein Klavierlehrer.

Gibt es schon konkrete Pläne? Die zehnjährige Schülerin aus dem bayerischen Klar, schon seit September arbeite ich an vier Kolbermoor hat bei „Jugend musiziert“ im Fach Stücken: ein Präludium von Bach, ein Satz aus einer Klavierbegleitung den 1. Preis gewonnen, spielt neben Beethoven-Sonate, ein Walzer von Grieg und ein Piano auch noch Posaune im örtlichen Musikverein. Stück von Bartók. Die Stücke habe ich soweit drauf, Sophie Mayer steht für so viele leidenschaftliche es geht jetzt vor allem um die Dynamik, Musika- Kinder und junge Leute in Deutschland, denen das lität und die Feinheiten. Musizieren einfach „wahnsinnig viel Spaß“ macht. Und die überaus glücklich sind mit den kleinen oder Wie viel Zeit verbringst du an deinen großen Erfolgen, die sie dabei erzielen. Instrumenten? Das MUSIKFORUM besuchte die junge Pianistin. Zurzeit sind es in der Woche etwa achteinhalb Stunden mit meinen beiden Instrumenten – Un- terricht, Üben und Orchester.

Hast du schon einmal daran gedacht, die Musik zum Beruf zu machen? Ja, schon oft. Ich könnte mir vorstellen, vielleicht mal an die Musikhochschule zu gehen. Wie auch immer: Für eine Solo-Karriere wird es wohl eher nicht reichen. Da müsste ich noch viel, viel mehr üben!

 MUSIK ORUM 15 FOKUS

Recycling ALS BÜHNENSHOW

Aus Plastikmüll, Altmetall und professionellem Stepptanz haben Lübecker Schüler ein Stück komponiert: wunderbare Schrott-Musik.

Im Büro von Schulleiter Peter Flittiger wummert die Decke. Seit drei Tagen klingt’s nach einer Mischung aus Möbelrücken und Trampolinspringen auf Linoleum. Doch der Chef der Thomas-Mann- Schule lächelt: „Das ist unser Stepp-Percussion-Workshop“, sagt er auf dem Weg in den oberen Musikraum. Zwei Stockwerke höher sind die Tische und Stühle beiseite gerückt. Die Fensterscheiben sind von innen beschlagen und es riecht nach frisch verschwitzten Schülern. Rote Wangen haben die 20 Siebt- bis Zehntklässler, und ihre Mimik verrät begeisterte Konzentration. Wie lange sie noch „musizieren“, das kann Flittiger nicht sagen: Der Trommelklang füllt den Raum dröhnend bis in jede Stuhlritze und in jeden Kreidekrümel hinein.

 16 MUSIK ORUM Es ist echte Schrott-Musik, die die Jugendlichen hier unter Anleitung des Hamburger Profimusi- kers Bernhard Prodoehl (43) präsentieren. Laut und wunderbar gewaltig dreschen sie auf alte Fund- stücke vom Schrottplatz ein und entlocken dem Plastik- und Metallmüll einen mitreißenden Rhyth- mus. Der 15-jährige Nico Cremer platziert seinen Trommelwirbel auf weißen Plastikkanistern und einem Einkaufswagen. Sarah Arewa (15) bringt ein altes Backblech samt Grünkohldeckel zum Erzittern und Musiklehrer Martin Salomon (43) beweist sein musikalisches Talent anhand der Fett- platte eines Elektrogrills.

Idee aus der Not geboren „Das Musikstück besteht aus einem Grund- Groove mit Breaks dazwischen und einem Steppteil in der Mitte“, erklärt der Lehrer in der Pause und hinterlässt damit beim Laien eine Menge Fragezei- chen. Musiker Prodoehl hilft: „Weltweit populär gemacht hat diese Musik die Gruppe Stomp.“ Die Schlagwerker aus dem englischen Brighton hätten Altteile vom Schrottplatz geholt und sie mit funk- tionstüchtigen Alltagsgegenständen und Haus- haltsgeräten zu einem äußerst ungewöhnlichen Percussion-Ensemble samt Tanz- und Theaterele- menten wieder zusammengeführt. „Die Idee entstammt im Grunde der Not ar- mer Musiker, die sich kein Instrument leisten kön- nen“, erklärt der Mann mit dem gewinnenden Lächeln zwischen dem roten Szene-Bart und dem glatt rasierten Haupt, der sich von dem Kult u. a. in den Straßen von New York hat inspirieren las- sen.

Schüler als Percussion-Profis Den Schülern ist nicht nur anzusehen, dass sie die musikalische Form des Recyclings faszinierend finden – es ist auch zu hören. Im Verlauf des zehn- minütigen Stücks präsentieren sie sich in der Gruppe und in ihren Solostücken erst als Percussion-Profis und dann sogar als Stepptänzer. Mit dem typischen „Klacke-di-Klack“ sausen die Fußspitzen und Absätze so über den Boden, dass der Hamburger Profi voll des Lobes ist. „Was die Schüler in diesem Workshop geleistet haben, ist erstaunlich“, sagt der große schlanke Mann, der seine Crew innerhalb von drei Tagen für zwei Auftritte fit gemacht hat. Dass der 43-Jährige – er war als Tänzer und Choreograf schon rund um die Welt auf Tournee – nach Lübeck gekommen ist, haben die Schüler auch ihrem Schulleiter zu verdanken. „Wir sind recht gute Freunde“, verrät Flittiger schmunzelnd, während zwei Stockwerke über ihm erneut der Fußboden zu beben beginnt.

Text und Bilder: Cosima Künzel Quelle: Lübecker Nachrichten

 MUSIK ORUM 17 FOKUS

© Buntschatten/pixelio © Ist das Niveau deutscher Nachwuchs- Sänger gesunken? Oder anders: Stimmt die Wahrnehmung, dass Gesang und Musik in unserer Gesellschaft verkümmern? Opernsänger Hanno Müller- Brachmann beschreibt eine heikle Lage VOM Verschwinden DER MUSIK

Wie ist der Zustand des Sängernachwuchses Um weitere Ursachenforschung zu betrei- waren, wurde nach dem Krieg in Familie, Kin- in Deutschland? Mit dieser Frage beschäftigt ben, wurde ein runder Tisch mit den an der dergarten und Schule immer weniger gesun- sich seit vielen Jahren der „Bundeswettbe- Ausbildung beteiligten Institutionen einberu- gen. Der natürliche Zugang zum Singen, die werb Gesang Berlin“ (BWGB). Neben dem fen. Er sollte gemeinsam mit den Mitgliedern unmittelbare frühkindliche Erfahrung ver- Deutschen Musikwettbewerb ist er in unse- des Fachausschusses Ursachen analysieren und kümmerten. Wobei allerdings zwischen den rem Land ein zweiter großer und, europa- Lösungswege suchen. alten und neuen Bundesländern zu differen- weit gesehen, sogar der größte nationale Schnell waren sich die versammelten Ex- zieren ist. In der DDR hatte das Singen in Gesangswettbewerb. perten einig in der Wahrnehmung, dass das den Krippen, Kitas und Schulen sowie in der Mehr noch: Der Bundeswettbewerb Ge- Singen aus unserer Gesellschaft verschwin- Ausbildung der entsprechenden Berufe ei- sang spiegelt repräsentativ die Ausbildungs- det. Gesangspädagoge Martin Christian Vo- nen wesentlich höheren Stellenwert. situation in diesem für das Musikleben so wich- gel, Rektor der Hochschule für Musik Det- Der Rückgang des Singens verlief zudem tigen Fach. Und registriert damit auch spe- mold, und Birgit Jank von der Abteilung parallel zum Rückgang in der Bindung der zifische Veränderungen in der deutschen Schulmusik der Universität Potsdam sahen Menschen zur Kirche – mit ihren regelmäßi- Musiklandschaft. So wurde dem Fachausschuss eine Ursache dafür in Adornos Reaktion auf gen Singerfahrungen in den Gottesdiensten, des BWGB, der für Reglement und Juroren- Erfahrungen mit dem „Dritten Reich“. Viele im Chor oder Pfadfinderlager. „Singen ist pein- wahl zuständig ist, mehrfach zugetragen, dass Schulmusiker waren seinem Diktum „Gesun- lich“ war und ist auch heute noch ein schmerz- im Wettbewerb zwar die Besten prämiert wür- gen haben wir lange genug!“ gefolgt und hatten lich oft gehörter Satz von Jugendlichen. Die den, diese aber den Anforderungen der gro- sich mehr auf das Analysieren und das Hören haben in Zeiten von G8 auch kaum die Zeit, ßen Gesangsbühnen im Vergleich mit der in- von Tonkonserven verlegt. ein so intensives Hobby wie Musizieren zu ternationalen Konkurrenz nicht genügten – pflegen. Ausnahmen bestätigen die Regel. Melden sich Liedgut „verbrannt“ Wer indes als junger Mensch schon den die Besten vielleicht nicht zur Teilnahme, weil mutigen Schritt hin zu einem Sängerberuf der Bundeswettbewerb Gesang nicht attrak- Von den Nationalsozialisten war das Sin- gegangen ist, sieht sich oft mit einer mäßigen tiv genug ist? gen als gemeinschaftsbildendes Element er- Bezahlung an kleinen und mittleren Thea- An der Anziehungskraft jedoch scheint es kannt und benutzt worden; sie missbrauch- tern konfrontiert. Dort verdient mancher Solist nicht zu liegen, wenn man die repräsenta- ten den reichen Schatz deutscher Lieder für weniger als die sozial besser abgesicherten tive Umfrage eines beauftragten unabhängi- ihr ausgrenzendes, menschenverachtendes Kollegen aus dem Chor. So verwundert es ges Kulturmarktforschungsinstituts zu Grun- System und verbrannten ihn damit für nach- nicht, wenn vor allem die auf der Bühne so de legt. Hierin wurden die Akzeptanz und kommende Generationen. „Kein schöner Land dringend benötigten Männer vor diesem Qualität des Bundeswettbewerbs unter re- in dieser Zeit“ blieb den Kindern der Täter „Traumberuf“ zurückschrecken. Während der nommierten Gesangspädagogen ermittelt. Die regelrecht im Halse stecken. Musiker- und Sängerberuf in Entwicklungs- Ergebnisse waren ausgesprochen positiv. Obwohl weder das Volkslied noch die ur- und Schwellenländern soziale Aufstiegschan- sprünglichste Form des Musizierens, das Sin- cen bietet und ein Sprungbrett „nach oben“ gen, an dem rassistischen Wahnsinn Schuld bedeutet, müssen deutsche Interessenten

 18 MUSIK ORUM Risiken für ihre Lebensplanung in Kauf neh- Ausbildung“ statt – erscheint nicht zielfüh- len müssen, um mit italienischen, französi- men. Was eine Erklärung dafür sein dürfte, rend. Es droht nämlich die Spaltung des Lehr- schen, russischen, englischen und vielleicht warum so viele hoch motivierte Kandidaten körpers in „Künstler“ (die sich erst mit Päda- auch tschechischen Gesangspartien inter- z. B. aus Mittelamerika oder China bei inter- gogik beschäftigen, wenn – nicht selten zu nationalen Maßstäben zu genügen. Das heißt, nationalen Wettbewerben oder an den im spät – eine Lehrtätigkeit angestrebt wird) und wir müssen uns um korrekte Aussprache und internationalen Vergleich extrem kostengüns- „Pädagogen“, denen die notwendige Bühnen- das Verständnis des Gesungenen intensiv tigen deutschen Musikhochschulen anzutref- erfahrung und das Wissen um die realen Be- bemühen. Meist findet sich in den Vorlesungs- fen sind. rufsanforderungen fehlen. verzeichnissen ausschließlich Italienisch. Die Wer die eigene Stimme als Instrument Hier sollten wir vom Handwerk lernen, angelsächsischen Ausbildungsstätten sind uns entdeckt, wendet sich zunächst an Musik- in dem von alters her praktische, technische hier mit ihren „diction lessons“ von Mutter- schulen. Hier sind die Wartelisten lang. Viele Fähigkeiten vom ausübenden Meister an die sprachlern einen Schritt voraus. Musikschulen befinden sich als „freiwillige Lehrlinge weitergereicht werden. Ausüben Bereits im Jahr 2000 hat eine Untersu- Leistungen“ der Landkreise und Kommunen und Weitergeben sind zwei Seiten derselben chung von Heiner Gembris ergeben, dass die in einer finanziell angespannten Lage, sind verantwortungsvollen Medaille, des „Musi- Ausbildung nicht praxisgerecht genug ist (Von teilweise in ihrer Existenz bedroht. Was Aus- kerseins“. der Musikhochschule auf den Arbeitsmarkt, wirkungen auf die Vertragsgestaltung mit den Ein weiterer Aspekt – neben der Vermitt- Augsburg 2005). Diese wurde beim Jahres- Pädagogen hat: Kann man mit befristeten lung einer abrufbaren Atem- und Gesangs- kongress des Bundesverbands deutscher Ge- Verträgen zu Niedriglöhnen gute Pädagogen technik in der Hochschulausbildung – ist das sangspädagogen in Nürnberg vorgestellt. Nach gewinnen? Genau die sind aber nötig, denn Thema Sprache. Die Zeiten, in der unsere zehn Jahren und der Umstellung auf Bache- die Arbeit mit jungen Stimmen bedarf eines Stadttheater Opern in deutscher Übersetzung lor und Master hätten Gesangstudenten im großen Verantwortungsbewusstseins und ist spielten, sind erfreulicherweise vorbei. Ande- Schnitt ein Jahr an Studienzeit verloren, sonst hochkomplex. Eine Alternative sind private rerseits hat das zur Folge, dass wir uns bereits habe sich nichts geändert, beklagt Jan Ham- Gesangslehrer, aber wer kann deren Quali- in der Ausbildung auf andere Sprachen einstel- mar vom BDG. ! tät beurteilen?

Fragen von Qualität und Entlohnung

© Paul Georg Meister/pixelio Der Bundesverband deutscher Gesangs- pädagogen (BDG) ist sich des Problems der Qualitätskontrolle der Ausbilder sehr bewusst. Der Begriff „Gesanglehrer“ oder „Vocalcoach“ ist gesetzlich nicht geschützt. Man bemüht sich hier um ein zusätzliches System per Gü- tesiegel des BDG. Dieselbe Frage von Qualität und Entloh- nung stellt sich auch bei der Ausstattung der Hochschulen: Kann man mit den derzeit gel- tenden Honorarsätzen wirklich die Besten bewegen, ihr Wissen weiterzugeben – und zwar nicht nur an künftige Sänger, sondern auch an Schulmusiker und Chorleiter, die oft von Lehrbeauftragten unterrichtet werden und sehr wichtige Multiplikatoren von „gesun- dem“ oder auch „ungesundem“ Singen sind? Die Einstellung, dass weniger begabte Sänger und weniger er- folgreiche Studenten immerhin noch als Pädagogen tätig sein kön- nen, ist gefährlich. Die Filterung in die- se Richtung – sie findet vielerorts schon im 1. Semester zwischen den Studiengän- gen „Gesangspädagogik“ und „Künstlerische

Lange Wartelisten an Musikschulen, unterbezahlte und teilweise nicht ausreichend qualifizierte Pädagogen: Junge Talente, die die eigene Stimme als Instrument entdecken, haben in Deutschland eher mit Gegenwind zu kämpfen.

 MUSIK ORUM 19 FOKUS

Pool an singenden licher Förderung in Deutschland im Aufbruch könnten viele junge Menschen erreicht und Menschen vergrößern ist, wäre eine Plattform für Erfahrungsaus- „infiziert“ werden. Das muss nicht übermä- tausch und gegenseitige Hilfestellung notwen- ßig Arbeit bedeuten, ein wiederholter Kon- Außerdem müssen wir uns darüber im dig. Übrigens auch, um zu unterstreichen, wie takt in Absprache mit Erzieherinnen oder Leh- Klaren sein, dass nicht eine gute Abschluss- viele Wählerstimmen es sind, die sich für den rern würde aber viel bewirken können. Hier note das eigentliche Ziel der Ausbildung ist. Erhalt einer musikalischen Kultur in Deutsch- sei das Kanon-Singen empfohlen, wobei man Schließlich entscheidet das Vorsingen über land einsetzen und ihre politischen Vertreter mit einfachen Mitteln die eigene Stimme und Engagements. Gefragt ist zudem die Fähig- an der Umsetzung messen wollen. Hierfür die Polyfonie entdecken kann, sich selbst und keit, in einem anspruchsvollen Beruf bis zum bietet sich etwa die „chor.com 2011“ in Dort- anderen zuhört – eine in jeder Situation des Rentenalter zu bestehen. Hier gibt es allzu mund an, die Fachmesse des Deutschen Lebens nicht zu unterschätzende Fähigkeit. oft eine große Diskrepanz. Taxi fahrende Chorverbands. Wie macht man der Politik klar, dass die Hochschulabsolventen sind Ressourcenver- Eine weitere Idee wäre, den Kontakt von Förderung unserer Musiktradition kein schwar- schwendung und eine Katastrophe: persön- „Hochkultur“ zur Basis zu personalisieren. Im zes Loch für Subventionen, sondern eine lich, künstlerisch und volkswirtschaftlich. Selbstversuch habe ich die allerbesten Erfah- Investition in den Humus einer humanen Was dringend vonnöten ist und sich in rungen gemacht, als ich im Papageno-Kos- Gesellschaft ist? Dass Tradition nicht die der Bestandsaufnahme aufdrängt, ist eine flä- tüm Vorschulgruppen oder untere Grund- Bewahrung der Asche, sondern das Weiter- chendeckende, nachhaltige, qualitativ hoch- schulklassen durch die Berliner Staatsoper reichen der Flamme bedeutet? wertige Vermittlung des Singens von Klein- geführt habe. Dort gibt es unendlich viel zu Heute kann die „Kulturnation“ Deutsch- kindbeinen an, um den Pool an singenden entdecken, und Kindern wird eine Hemm- land von Venezuela und Brasilien lernen, wie Menschen zu vergrößern. Viele Menschen schwelle genommen, wenn im Dialog die man mit Hilfe von musikalischer Bildung soziale in unserem Land erkennen das und handeln. Werkstätte des Maskenbildners, des Requisi- Brennpunkte entschärft. Wo bleibt „El siste- In Berlin hat Daniel Barenboim einen teurs oder des Beleuchtungsinspizienten be- ma“ für Berlin-Neukölln? „Musikkindergarten“ gegründet, der Deutsche sichtigt wird. Hier wird ein Keim gelegt, der Chorverband führt sein „Felix“-Projekt in 4000 schnell aufgehen kann und nachhaltig trägt. Verantwortung von Musikern Kindergärten mit 25000 Kindern durch (500 Wäre jeder Profimusiker „Pate“ einer Kin- dem Nachwuchs gegenüber Kindergärten kommen jährlich hinzu), in dergartengruppe oder Grundschulklasse, Nordrhein-Westfalen gibt es neben „JeKi“ Es kann uns Musikern und Veranstaltern (Jedem Kind ein Instrument) nun auch „Je- nicht nur darum gehen, noch in zehn Jahren KisS“ (Jedem Kind seine Stimme). „Canta CDs zu verkaufen und Konzertsäle zu fül- prima“ ist ein Projekt der Frankfurter Hoch- len. Wir ausübenden Musiker haben eine ge- schule für Musik, „SMS“ (Singen macht Sinn!) sellschaftliche Verantwortung – dem Kultur- eines in Ostwestfalen-Lippe. An der Nürn- gut Musik, unseren großen Meistern und der berger Musikhochschule gibt es das Projekt nachwachsenden Generation gegenüber. „Wachsen mit Musik“ in der Kooperation von © Müller-Brachmann All die genannten Probleme zu lösen, ist Kindergärten, Vorschulen und Hochschule. die Aufgabe vieler Verantwortlicher: von Die Drogerie-Kette DM bietet „Lass uns sin- Rektorenkonferenz, Bühnenverein, Kultusmi- gen!“ an, der Carus-Verlag kümmert sich um nisterkonferenz, BDG, Chorverband und je- Volks- und Wiegenlieder, ebenso die Sony dem einzelnen Pädagogen. Kommunikation Music Group. Viele Opernhäuser und Or- und Einsicht in Handlungsbedarf erscheint chester haben musikpädagogische Program- dringend notwendig. Der Musikrat ist hier me auf den Weg gebracht. sicherlich in der Rolle des Moderators. Die Probleme beim Namen zu nennen, erschien Plattform für Erfahrungs- dem BWGB als Verpflichtung- austausch und Hilfestellung Vom aktuellen „Bundeswettbewerb Ge- sang Berlin“, der im Dezember sein Abschluss- Die Menschen erkennen den Sinn sänge- konzert in der Komischen Oper Berlin hatte, rischer und musikalischer Betätigung für ihre gibt es übrigens Erfreuliches zu berichten: Das Kinder (Stärkung des Selbstwertgefühls, Stär- Niveau bezeichnete die Jury durchgehend als kung des Sprachzentrums, Ausbau sozialer sehr gut, vor allem im Juniorwettbewerb, wo Kompetenz – Eigenschaften, die jedes Wirt- sich erfreulich viele Männer durchsetzen schaftsunternehmen dringend benötigt) und konnten. Hinsichtlich der Anzahl unserer suchen kompetente Anbieter. All diese Pro- Musiktheater und Hochschulen und hinsicht- jekte und Bemühungen sollten sich freilich lich unseres Selbstverständnisses als „Kultur- besser vernetzen. „Brauchen mehr Vernetzung und eine nation“ gibt es allerdings noch einiges zu tun. Umso mehr, als sie in krassem Gegensatz Plattform aller, die sich für den Erhalt der Daniel Barenboim hat einmal gesagt: „Musik zum scheinbar unaufhaltsamen Abbau des musikalischen Kultur einsetzen“: ist nicht elitär, aber der Umgang der Gesell- Musikunterrichts an öffentlichen Schulen ste- Hanno Müller-Brachmann, Autor dieses Arti- schaft mit ihr!“ kels, ist Konzert- und Opernsänger (Deutsche hen, wie zuletzt in Niedersachsen oder Ber- Staatsoper Berlin) sowie Gesangspädagoge Singen macht Spaß, bringt Menschen zu- lin – unabhängig davon, welche politische an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ sammen und bildet: intellektuell, sozial und Couleur regiert. Um deutlich zu machen, was Berlin und Vorsitzender des „Bundeswettbe- emotional. Lasst uns die Flamme weiterrei- auf dem Gebiet musikalischer und gesang- werbs Gesang Berlin e. V.“ chen!

 20 MUSIK ORUM © BR/Martin Fengel

Juliane Dorsch und Stephan Gehmacher über Sinfonieorchester als Musikvermittler für Jugendliche

RETTUNGSANKER ODER Wertevermittlung?

ducation? Muss das sein? Die Antwort muss eine ideelle sein, und ’ Zugang zu musikalischen Werken: EEine Frage, der sich Orchester sie lautet: Es macht möglicherweise einen ent- Unter Anleitung von Musikern des Sympho- nieorchesters des Bayerischen Rundfunks immer wieder aufs Neue stellen scheidenden Unterschied! Jugendlichen den Reichtum an ästhetischen erkunden Schüler Pentatonik und Chromatik müssen. Erfahrungen zu eröffnen, den die Arbeit ei- in Bartóks Oper Herzog Blaubarts Schloss. Angesichts der ungesicherten Breitenwir- nes Klangkörpers hervorbringt, ihnen das kung von Musikvermittlung fällt es leicht, in Werkzeug in die Hand zu geben, sich diese lichen durchaus etwas zu bieten hat, hat der die Defensive zu geraten – auf sozialer wie Fülle selbst zu erschließen, betrachten wir als Junge stellvertretend für viele seine Altersge- auf wirtschaftlicher Ebene. Die Education- eine essenzielle Aufgabe. Was also kann ein nossen erst während des Projekts erlebt. Arbeit eines Sinfonieorchesters rettet weder Sinfonieorchester leisten? Und: Was kann nur Das Beispiel zeigt, warum sich die Jugend- die Welt noch sichert sie, für sich genom- ein Sinfonieorchester leisten? arbeit eines Orchesters nicht auf klassische men, den Fortbestand des eigenen Konzert- Dass Musik bei Jugendlichen im Allgemei- Begabtenförderung beschränken darf. „Es liegt publikums. Was für einen Unterschied macht nen einen hohen Stellenwert hat, ist unbe- an uns, unseren Kindern den Wert von Musik es schon, wenn Kinder zum ersten und viel- stritten. „Ohne Musik weiß ich gar nicht, was zu vermitteln und ihnen zu zeigen, wie wich- leicht einzigen Mal im Leben die Probe eines ich machen soll“, so der 13-jährige Teilneh- tig und wertvoll Musik sein kann“, so Mariss Sinfonieorchesters besuchen oder drei Tage mer eines Response-Projekts, bei dem Schü- Jansons, Chefdirigent des Symphonieorchesters lang zusammen mit Orchestermitgliedern ler zusammen mit Orchestermusikern eine des Bayerischen Rundfunks. „Wenn man ihnen komponieren und experimentieren, mit In- musikalische Antwort auf ein bereits beste- diese Informationen vorenthält, darf man nicht strumenten, die sie vorher noch nie in der hendes Werk erarbeiten. Dass „Musik“ auch erwarten, dass die Jugend von selber an die- Hand hatten? klassische Musik bedeuten kann und Jugend- se Musik herantritt.“ !

 MUSIK ORUM 21 FOKUS

Aktiv zuhören und – Höranleitung und führen Gespräche mit lichen Musikern Anwendung. In der Kam- so oft wie möglich – selbst Dirigenten und Orchestermitgliedern; Diskus- mermusik-Werkstatt gehen die Teilnehmer sionsteilnehmer setzen sich in Workshops ein Wochenende lang in Klausur und pro- musizieren zusammen mit Musikern und Wissenschaft- ben Seite an Seite mit Orchestermitgliedern. Wie mittlerweile viele Orchester im lern intensiv mit einem Werk auseinander; Die Ergebnisse ihrer Arbeit präsentieren sie deutschsprachigen Raum hat deshalb auch in Response-Projekten entdecken Jugend- in einem abschließenden Konzert. das Orchester des Bayerischen Rundfunks ein liche ihre kreativen musikalischen Fähigkei- Seit 2004 besteht zudem eine Partnerschaft umfangreiches Education-Programm entwi- ten. Basis aller Formate ist das aktive Zuhö- mit dem Bayerischen Landesjugendorches- ckelt. Ansatzpunkt der Vermittlungsarbeit ist ren und – so oft wie möglich – das eigene ter (BLJO). Während dreier Arbeitsphasen die unmittelbare Erfahrung von Musik dort, Musizieren. im Jahr fungieren Musiker des Symphonie- wo sie entsteht – auf der Bühne. Musik und Neben den Vermittlungsprojekten bleibt orchesters als Mentoren; zusätzlich findet alle Theater müssen für Menschen ein Anlass die Begabtenförderung ein wichtiger Teil der zwei Jahre ein Probenwochenende und Kon- bleiben, sich zum gemeinsamen Erleben an Jugendarbeit. Wichtigster Bestandteil ist die zert mit Mariss Jansons statt. Dies bedeutet einem bestimmten Ort einzufinden. Vor die- Akademie des Symphonieorchesters des harte, aber befriedigende Arbeit für die Do- sem Hintergrund setzt das Education-Kon- Bayerischen Rundfunks. Sie bietet jungen zenten. Alle Orchestermitglieder, die sich heute zept des Symphonieorchesters für Jugend- Hochschulabsolventen im Anschluss an ihr engagieren, waren früher selbst Mitglied in liche vor allem auf Formate, die sie aktiv mit Studium eine zweijährige Ausbildung im Jugendorchestern und möchten diese wert- einbeziehen und ihre Fragen und Antwor- Orchester. Der Grundsatz eines gezielten, volle Erfahrung weitergeben. ten ernst nehmen. Schülermoderatoren ge- langfristigen und regelmäßigen Engagements ben Gleichaltrigen in Probenbesuchen eine findet jedoch auch bei der Arbeit mit jugend- Seltene Gelegenheit, den Beruf des Orchester- musikers kennen zu lernen Für die meisten jungen Musiker tut sich während der Arbeitsphasen eine ganz neue Welt auf: Erhalten sie im Instrumentalunter- richt eine vorwiegend solistische Ausbildung, so entdecken sie hier, dass das Berufsbild des Musikers weit mehr Optionen aufweist als das des Konzertsolisten. Für Jugendliche im entscheidenden Alter zwischen 15 und 18 Jahren eine seltene Gelegenheit, den Beruf des Orchestermusikers kennen zu lernen. Die hier erzielten Erfolge wirken noch lange nach – vor allem, was die Leidenschaft fürs Musizieren angeht. Etwa 50 Prozent der BLJO- Mitglieder möchten Musik zu ihrem Beruf machen, vor allem aber musizieren nahezu alle Ehemaligen später in Laienorchestern und -ensembles. Als Baustein musikalischer Bildung hat die Vermittlungsarbeit von Sinfonieorchestern eine Leuchtturmfunktion. Vielleicht gelingt es gerade durch den Kontakt mit den Besten ihres Fachs, Jugendlichen zu zeigen, dass Musik Lebensinhalt sein kann.

Begabtenförderung: Im Rahmen einer Die Autoren Partnerschaft mit dem Bayerischen Landes- Juliane Dorsch studierte Kulturwirtschaft und Musik- jugendorchester geben die „Symphoniker“ geschichte in Passau, Granada und London; ihr dortiges den jungen Musikern wertvolle Anleitung. Promotionsverfahren steht vor dem Abschluss. © BR/Markus Dlouhy Seit 2008 ist sie Managerin des Musikfestivals Klang & Raum in Irsee/Allgäu, 2010 wurde sie Referentin für Jugendarbeit beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks.

Stephan Gehmacher, studierter Jurist, war von 1995 bis Tipps vom Meister: Auch Mariss Jansons, 2001 Konzertreferent der Salzburger Festspiele. Von 2001 bis 2002 war er als persönlicher Referent von Sir Chefdirigent des Symphonieorchesters, Simon Rattle, anschließend bis 2008 als Leiter der künst- engagiert sich in der Vermittlungsarbeit und lerischen Planung der Berliner Philharmoniker tätig. Seit erklärt jungen Talenten Details einer Partitur. September 2008 ist er Manager des Symphonieorches- © BR/Matthias Schrader ters des Bayerischen Rundfunks.

 22 MUSIK ORUM © Dieter Schütz – pixelio.de/bearb.

etzt man sich eine halbe S Stunde lang in das Foyer Wolfhagen Sobirey macht sich Sorgen um Ausfälle und einiger deutscher Musikhoch- Zeitverluste bei der Talentförderung schulen, könnte man denken, man sei in Asien und gelegentlich ginge ein blonder Tourist durch den Raum. Ein Problem wird sicht- bar: In anderen Ländern der Welt WO SCHADET werden junge Menschen offenbar besser auf ein Musikstudium vorbereitet als in Deutschland.

Längst ziehen Hochschulprofessoren aus- wärtige Studienbewerber vor – wegen ihrer ? besseren Vorbildung. „Bildungsinnenländer“, die während der Schulzeit ihr Instrument erlernten, haben abnehmend Chancen, ei- WAS KANN LEISTEN? nen Studienplatz zu bekommen. Feststeht: Deutschland hat ein Ausbildungsdefizit. Und das darf durch ein gut gemeintes Projekt wie „Jedem Kind ein Instrument“ (JeKi) nicht noch vergrößert werden. 25 Prozent der Berufsorchester der Welt gunsten dieses Ästhetischen Fachs. In Ham- Unterstützung, um etwas bewirken zu kön- befinden sich in Deutschland. Ein großer Schatz burg soll jetzt der Musikpflichtunterricht am nen. Was wir brauchen, ist ein grundlegen- und ein Identitätsmerkmal der Musikkultur Gymnasium, eine der letzten Bastionen der der, kontinuierlich stattfindender Musikun- unseres Landes. Diesen Schatz sollten wir Kestenberg-Reform, zugunsten eines „Bereichs terricht, der von professionellen Kräften erteilt erhalten, und deswegen brauchen wir einen Künste“ abgeschafft werden. wird – nicht nur zeitlich begrenzte Aktivitä- qualifizierten Instrumentalisten-Nachwuchs. Sprechen wir Politiker auf diese Entwick- ten und Events, keine Billiglösungen. Für manchen mag es paradox erscheinen: lungen an, antworten sie stereotyp: „Wir tun Auch darf der JeKi-Großgruppenunterricht Aber gerade die Förderung junger begabter doch so viel! Wir schicken Künstler in die nicht mit dem qualifizierten Einzelunterricht Musiker kann durch den JeKi-Unterricht ge- Schulen, ermuntern Ehrenamtliche, sprechen der Musikschule oder beim privaten Instru- fährdet werden, hält er doch womöglich vom Stiftungen an, die sich für Musik engagieren, mentallehrer verwechselt werden und darf Besuch einer Musikschule ab. wir unterstützen den Aufbau von Musikkin- den Unterricht der Musikschule nicht gefähr- dergärten, schaffen ,Kulturschulen’, wir finan- den. So wie in Duisburg, wo vorgeschlagen Abschied vom Fach „Musik“ zieren JeKi …“. Dass immer mehr Musikpro- wurde, die öffentliche Musikschule mit 6500 fis in die Kindergärten und Schulen gehen, Schülern zu schließen. Man habe doch JeKi Seit einigen Jahren wird hierzulande öf- ist eine großartige Entwicklung. Doch: Künstler mit 3500 Schülern in der Stadt, das sei billi- fentlich viel Gutes über den Musikunterricht sollten Zutat sein, quasi die „Sahne auf dem ger. geredet, freilich in Sonntagspredigten. Beim Kuchen“ – das Schulfach Musik verdrängen Trotz aller Bewegung im Bildungsbereich, Geldausgeben sieht es anders aus, da ist die und professionelle Pädagogen unnötig ma- trotz allem innovativen Experimentieren sollte Entwicklung rückläufig. Musikunterrichtsstun- chen dürfen sie aber nicht. In aller Regel be- eine grundsätzliche Aufgabenverteilung im den werden kontinuierlich verringert. Nur noch nötigen sie sogar deren Unterstützung, um Blickfeld bleiben: Das Schulfach Musik ist die in wenigen Bundesländern gibt es an Grund- erfolgreich sein zu können. Und JeKi-Lehr- Grundlage unseres Musiklebens. Nur hier schulen ein Schulfach, das sich „Musik“ nennt. kräfte, die nicht für das Schulfach Musik, erreichen wir alle Kinder und Jugendlichen. Baden-Württemberg hat den Fächerverbund sondern eben für den Instrumentalunterricht Ein professioneller, kreativer, motivierender „Mensch, Natur und Kultur ( MNK)“ erfun- ausgebildet wurden, sollten nicht – in einem Musikunterricht in allen Schulen mit Singen, den, ein greulicher Mix aus Kunst, Heimat- „Musikunterricht mit Instrumenten in der Instrumentalspiel, Hören, Improvisieren, Be- kunde, Sachkunde und textilem Werken – Hand“ – den Schulmusiker spielen und die wegen, Tanzen, Musikgeschichte und Theo- zu dem auch die Musik gehört, die aber Ausbreitung eines „Schulfachs Musik light“ rie liegt im Interesse aller Bereiche der Mu- bezeichnenderweise im Namen des Fachs nicht anschieben. sik, im Interesse aller Musikakteure. Auf keinen mehr vorkommt. Fall sollte sich das Schulfach Musik zu einem Die Erfahrungen sind wie befürchtet. Seit Wir brauchen Unterricht, Instrumentalunterricht entwickeln. Einführung des Mischfachs ist die Zahl der keine Billiglösungen Die öffentlichen Musikschulen wirken in Musikstunden in Baden-Württemberg wei- zunehmendem Maße bei der musikalischen ter zurückgegangen. Die Kultusministerkon- In Wahrheit findet deutschlandweit eine Allgemeinbildung der Schulen (und Kitas) mit, ferenz empfiehlt konsequent die Einführung Entprofessionalisierung der schulischen Mu- werden hier immer wichtiger. In erster Linie des „Ästhetischen Fachs“ (Musik und …) und sikangebote statt, und das rasant. Fakt ist doch: aber stehen sie für außerschulische Vertie- befürwortet die Abschaffung des Musikleh- Die Künstler kommen meist nur einmal im fung und Spezialisierung, für die Talent- und rerstudiengangs in den Ausbildungsstätten zu- Jahr und die Ehrenamtlichen brauchen zu oft Begabtenförderung sowie die Studienvorbe-

 MUSIK ORUM 23 FOKUS © Duisburger Philharmoniker

reitung. Wer im Elternhaus, in Kita und Schule an Musik herangeführt wird und mehr ler- nen möchte, braucht die Musikschule, braucht den fördernden und fordernden qualifizier- ten Instrumental-, Gesangs-, Bewegungs- und Tanzunterricht.

JeKi als Schnupperkurs Welche Rolle kommt dann JeKi zu? „Je- dem Kind ein Instrument“ sollte sich als Maß- nahme zwischen dem Schulfach Musik ei- nerseits und der Musikschule bzw. Instru- mentalpädagogik andererseits positionieren. JeKi ist Zusatzimpuls, Schnupperkurs, ist Ins- trumentenmotivation. JeKi ist eine Erweite- rung des schulischen Musikangebots – auch wenn die Erweiterung leider manchmal al- lein steht. JeKi sollte trotzdem bleiben, , und nicht zum Schulfach mutieren. Mit Steckt in diesem JeKi-Schüler ein herausragendes Talent? Dann braucht er die qualifizierte JeKi können wir Kinder erreichen, die sonst Unterstützung einer Musikschule. nicht zu einem Instrumentalunterricht gekom- men wären. Wenn wir den Unterricht gut machen, könnten viele beim Musizieren blei- bildenden Schulen. Was bedeutet das? Schule sche Ausbildungsdefizit, nicht egal sein kann, ben. Mit „Jedem Kind ein Instrument“ ma- von 8 bis 16 Uhr, bei „ganztägiger Bildung worauf wir methodisch reagieren müssen. chen wir Lust auf Musik, steigern die musi- und Betreuung“ (wie in Hamburg) eventuell Andererseits sollten wir einen großen Vor- kalische Allgemeinbildung und die Basis des bis 18 Uhr? Im Wettbewerb zwischen offe- teil des Einzelunterrichts nicht aus den Au- Musiklebens vergrößert sich. Damit die Men- ner und gebundener Ganztagsschule gilt gen verlieren: die individuelle Begegnung der schen sich nicht nur von Musik berieseln las- mittlerweile die gebundene als Siegerin – also Lehrkraft mit dem Schüler. Zu viele Eltern sen, sondern auch selbst Musik machen, da- verpflichtende Anwesenheit der Schüler bis sind mit sich selbst beschäftigt, vernachlässi- mit Deutschland ein Land der Instrumen- 16 Uhr und später? gen gar ihre Kinder. Viele Musikschüler schät- tenliebhaber und musikbegeisterten Konzert- Die Entwicklung zur Ganztagsschule, die zen es, einmal pro Woche einen Erwachse- gänger bleibt – ein Land der Liebhaberor- unter Gesichtspunkten allgemeiner Bildung nen 45 Minuten lang gesichert für sich allein chester, der Freunde der Berufsorchester und grundsätzlich zu begrüßen ist, verringert in zu haben. Das anbieten zu können, sollte uns der Orchesterkonzerte. zunehmendem Maß das Zeitfenster, das Kin- trotz JeKi wichtig bleiben. JeKi kann nicht Spitzenförderung sein, ist der und Jugendliche für die Musikschule und Die JeKi-Gruppen sind in aller Regel nicht vielmehr Breitenförderung. Immerhin wissen für jeden anderen außerschulischen Unter- nur größer, sondern deutlich heterogener als wir: Je breiter die Basis, desto höher kann richt haben. Noch gibt es wenige Ansätze die Kleingruppen (3 bis 4 Schüler) der Mu- sich eine Spitze entwickeln. Die allseits er- effizienter Kooperationen zwischen Schulen sikschule, was Motivation, Vorerfahrung, häus- hofften Gewinne des Instrumentalspiels – im und Musikschulen im Ganztagsbetrieb, bei lichen Hintergrund und Lernfähigkeit angeht. Hinblick auf soziale, motorische und eventu- denen auch individueller Einzelunterricht und Das entsprechende pädagogische Know-how ell kognitive Effekte – versuchen wir zu nut- das Üben ganztägig in der Schule gesichert muss entwickelt werden. Derzeit wird viel zen („musizierende Kinder entwickeln sich sind. Die Folgen sind abzusehen: Erosion des experimentiert, es ist meist ein „Learning by besser“). Schulfachs Musik und Einengung des vertie- doing“, manchmal leider auch ein „Friss Vo- Doch leider: Bei JeKi sind die Instrumen- fenden Unterrichts in der Musikschule. Statt- gel oder stirb!“. Aber dieser „schulische Ins- te Zweck und nicht nur Mittel zum Zweck. dessen „Events“, gelegentliche Besuche von trumentalunterricht“ scheint möglich. Es gibt Wenn die Schule Kindern Instrumente in die Orchestermusikern und Ehrenamtlichen, als Lehrkräfte, die bereits gut damit zurecht- Hand drückt und sie diese auch mit nach Musikschulersatz ein experimentierender kommen. Genau dieses Know-how sollte sys- Hause nehmen lässt, kann es sich doch nur Instrumentalunterricht in Großgruppen. Bitte tematisch gesammelt und weitergegeben wer- um einen Instrumentalunterricht handeln. Schluss mit dieser Entwicklung! den. Wofür sollten sie die Instrumente sonst mit- Dennnoch sind Instrumentalpädagogen in nehmen? Know-how entwickeln der Regel so ausgebildet, dass sie jedem Schüler einen persönlichen Unterricht erteilen, eine Musik-Erosion durch Zurück zu JeKi. Unter welchen Bedingun- Einzelunterweisung geben wollen. Denn je- Ganztagsschule gen könnte das Projekt gelingen? der Mensch lernt anders, hat andere Stärken Der JeKi-Instrumentalunterricht in der und Schwächen. Natürlich ist eine Kombi- Die größte Bedrohung der öffentlichen Großgruppe bietet auch soziales Lernen. Das nation von Einzel- und Gruppenunterricht der Musikschule und des privaten Instrumental- ist kostbar. Aber instrumentaltechnisch und Königsweg. Aber das fordert viel Organisa- unterrichts – da dürfen wir uns nichts vor- musikalisch wird man deswegen in aller Re- tionsbereitschaft aller Beteiligten und kostet machen – ist derzeit allerdings die Ausbrei- gel langsamer voranschreiten als im Einzel- zusätzliche Entgelte, findet deswegen leider tung des Ganztagsbetriebs an den allgemein unterricht. Was uns, mit Blick auf das deut- selten statt.

 24 MUSIK ORUM Bitte kein Fach »Musik Light«! Eher wirksam ist die Einrichtung eines viel- fältigen musikalischen Schullebens, mit viel Bitte kein neues Lehrer-Prekariat! Gesang und Tanz, mit vielen Musikprojek- ten, Schulkonzerten, Konzertbesuchen, mit betreutem Üben am Nachmittag. Klar, die Wir brauchen die systematische Qualifi- Die Schüler müssen nach ein oder zwei Nachmittagsbetreuung in der Schule kostet zierung für diesen neuartigen „schulischen JeKi-Jahren erkannt haben, was sie noch an Honorare für die beteiligten Fachkräfte. Die- Instrumentalunterricht“ als Pflicht-Lehrveran- Wunderbarem hinzulernen können, und se sollten wir aber zur Verfügung stellen. staltung an den Musikhochschulen und als sollten gegebenenfalls für einen weiterfüh- Erfolgreicher Unterricht beginnt mit qua- Fort- und Weiterbildung für bereits tätige renden Instrumentalunterricht motiviert sein. lifizierten und motivierten Lehrkräften. Bitte Lehrkräfte. JeKi-Unterricht sollte nur von Lehr- Schlimm ist der Gedanke, dass JeKi-Schüler kein neues Lehrer-Prekariat! JeKi braucht kräften erteilt werden, die das Instrument und und Eltern nach ein, zwei Jahren glauben, Vergütungen, die den fachlichen Leistungen seine Vermittlung studiert haben. Bitte keine nun könne das Kind sein Instrument spielen entsprechen, braucht Beschäftigungsbedingun- Hilfslehrer! und der Lernprozess sei beendet. gen, die ein langfristiges Engagement der Das Singen, Tanzen und Musikhören sollte Alle wissen, wie grundlegend wichtig das Lehrkräfte ermöglichen. nur eine gelegentliche methodische Unter- familiäre Umfeld ist. Manchen Kindern kann stützung des JeKi-Unterrichts sein. Es darf keine man gar kein Instrument mit nach Hause Der Autor: Aufweichung des Instrumenten-Schnupper- geben. Was tun, wenn da kein Lebensum- Prof. Wolfhagen Sobirey ist neben seiner Lehrtätigkeit kurses zugunsten eines „Musikunterrichts mit feld ist, in dem das Instrument sicher aufbe- an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg Instrumenten in der Hand“, einer „Light- wahrt ist, wo die notwendige regelmäßige Präsident des Landesmusikrats Hamburg und Mitglied im Bundesvorstand des Verbands deutscher Musikschu- Konkurrenz“ zum Schulfach Musik, geben. und konzentrierte Beschäftigung mit dem Ins- len. Seit 2005 ist er Mitglied im Präsidium des Deutschen Zentrum jedes Schnupperkurses, jedes Instru- trument möglich ist? Elterngespräche sind ein Musikrats sowie im Bundesfachausschuss Musikalische mentalunterrichts ist und bleibt die emotio- Weg, denn Unterricht ist Teamwork – Team- Bildung des Musikdachverbands. nale Begegnung eines Menschen mit einem work zwischen Schüler, Lehrer und Eltern. Instrument, angeleitet von einem professio- Das funktioniert aber nicht mit allen Eltern. ! Mehr zu JeKi auf Seite 44. nellen Instrumentalpädagogen. Das sollte auf jeden Fall ein „lebensbegleitendes“ Instrument sein. Das Orff-Instrumentarium ist für ele- ANZEIGE mentare Musikerlebnisse und als methodi- sches Werkzeug kostbar, kann ein Weg zum „richtigen“ Instrument sein, hat aber nicht das „Zeug“ zum lebensbegleitenden musikalischen Ausdrucksmittel. Vermutlich ist es falsch, dass die Politik in Hamburg und Nordrhein-Westfalen einen zwei- oder gar dreijährigen Gruppenunter- richt vorgeschrieben hat. Die Möglichkeit einer effektiven Zusammenarbeit in den Gruppen endet erfahrungsgemäß früher. Die einen soll- ten nicht überfordert werden, die anderen nicht gebremst. Die binnendifferenzierte Me- thodik, die es versteht, jedem Kind in der Grup- pe eigene Ziele und Methoden anzubieten, ist unter Instrumentalpädagogen noch nicht genug verbreitet.

Wir brauchen die Talente Unter dem Strich darf JeKi besonders be- gabte Kinder nicht vom Besuch der Musik- schule abhalten, nur weil ein JeKi-Instrumen- talunterricht in der Schule eventuell kostenlos ist. Wir brauchen alle Talente. Die Talent- suche sollte immer dazu gehören, Aufmerk- samkeit ist wichtig. Verfahren sind zu entwi- ckeln, damit herausragend talentierte, stärker motivierte Kinder schnell erkannt und an die Musikschule bzw. den privaten Lehrer wei- tervermittelt werden. Zeitverluste bei der Ta- lentförderung darf sich unsere Musikausbil- dung nicht mehr erlauben. FOKUS

»ICH WOLLTE etwas Neues AUF DIE

Direktor Bernd Goetzke, Motor im Aufbau von Musiktalenten, blickt auf zehn Jahre Institut für Früh-Förderung an der Hochschule für Musik und Theater Hannover zurück

usikalische Begabtenförderung muss im Kindesalter beginnen. Aber dann setzte – nach meiner Wahr- M Die Anforderungen an ein Musizieren auf höchstem Niveau setzen nehmung – gegen Ende der 90er Jahre ein eine gezielte, vielseitige und stringente Förderung von Anfang an voraus. Umdenken ein. Oder besser: Man begann Dieser Erkenntnis folgte in Hannover die Tat: Im Jahr 2000 wurde an der zu differenzieren. Breitenförderung blieb das A und O, natürlich, aber das eine sollte dortigen Hochschule für Musik und Theater das Institut zur Früh-Förde- das andere nicht mehr ausschließen. rung musikalisch Hochbegabter (IFF) gegründet – mit einem in Deutsch- Es bedeutet keine Diskriminierung einer land immer noch einmaligen „Früh-Studium Musik“. Mehrheit, wenn man eine Minderheit för- dert. Spitzen- und Breitenförderung schlie- Auf Initiative des heutigen Institutsdirek- verstanden sein. Andererseits wären schon ßen sich nicht nur nicht aus, sondern ge- tors Bernd Goetzke wurde das IFF in Form Beobachtungen auf der Ebene der „Wir- hören zusammen. Dies war mein Credo, eines regulären neuen Studiengangs für Kin- kung“, also der nachprüfbaren Resultate und in dem Moment, als ich dafür eine der und Jugendliche ab ca. 13 Jahren in den eines Ausbildungssystems, Inspiration genug Akzeptanz spürte, begann ich Pläne für das Hochschulbetrieb integriert. Ergebnis eines gewesen für die Initiative unserer Instituts- IFF zu schmieden. intensiven Zusammenwirkens der Hochschule gründung. Letztendlich musste ich einfach für Musik und Theater Hannover, der betei- den Versuch unternehmen, etwas Neues Warum reichte die bisherige Konzep- ligten Fachministerien und der Stiftung Nie- auf die Landkarte zu setzen. tion, nach der hochbegabte Jugendliche als dersachsen. Wir hatten lange darauf gewartet, hatten Jungstudenten gefördert werden, nicht aus? Das IFF setzt auf Vielseitigkeit und Inten- sozusagen unsere Antennen auf Empfang Goetzke: Qualität, Intensität und Viel- sität der Ausbildung, auf individuelle Betreu- gestellt und dann gehandelt. Man muss nur seitigkeit müssen zusammenkommen. ung und geschickte Nutzung zeitlicher Res- einige wenige Jahrzehnte zurückschauen: Reiner Instrumentalunterricht, so gut er sourcen, wozu auch neue Wege in der Im Bildungsbereich war ein Begriff perver- sein mag, reicht nicht aus. In Einzelfällen Abstimmung mit den allgemein bildenden tiert und unbrauchbar geworden: der der können geniale Instrumentallehrer vielleicht Schulen gehören. Für das MUSIKFORUM „Elite“. Und eine „falsche“ Elite konnte nicht alles vermitteln, aber das ist die absolute sprach Hans Bäßler mit Direktor Bernd Goetz- von einer „richtigen“ beerbt werden. So Ausnahme. Wer hätte denn auch Zeit dafür? ke. verschwand ein Wort und eine Idee geriet Das Talent muss Wurzeln schlagen, und unter Generalverdacht: Dem Besonderen, dazu gehört z. B., dass die Ohren zusam- Begründet sich die Einrichtung Ihres z. B. dem besonderen Talent, war zu miss- men mit den Fingern (oder der Stimme) Instituts aus einem erkannten Defizit in der trauen, jedenfalls war an ein „System“ der ausgebildet, dass Metrum/Rhythmus und Gesellschaft? Förderung nicht zu denken. Empfinden – gerade in der gegenseitigen Bernd Goetzke: Ich scheue mich Bedingtheit dieser beiden Parameter – ge- eigentlich, das Wort „Defizit“ in den Mund fördert werden. Und wenn dies früh genug zu nehmen. Das klingt so, als sei hier ein Es bedeutet keine geschieht, verbinden sich alle Bereiche mit- Loch gewesen, das nur zuzuschütten war. einander, verschmelzen zu einem tragfähi- Tatsächlich handelt es sich aber um lang- Diskriminierung einer gen Fundament für eine Entwicklung, die same, sensible Prozesse, um einen allmäh- eben nicht so bald an Grenzen stößt. So lichen Wandel des Denkens, der in der Mehrheit, wenn man schafft man – ganz nebenbei – die Grund- Gesellschaft stattfand und uns einen Impuls lage für ein Berufsleben und für einen „rich- gab, den wir aufgenommen haben. eine Minderheit fördert tigen“ Umgang mit der Musik. Und für diese Vermutlich haben Sie aber ganz Recht vielseitige Art der Ausbildung braucht man mit dem Hinweis auf ein Defizit. Eines hängt Ich empfand eine Art Schockstarre. das Zusammenwirken mehrerer Pädagogen, vom anderen ab, die Frage nach Ursache Diesen Zustand konnte man am besten eben „ein System“. und Wirkung ist also legitim. Im Grunde ertragen, indem man ihn ideologisch recht- waren es mehrere einander ergänzende, fertigte: Es war gut so, Breitenförderung zu Welche Hindernisse waren auf dem sich unheilvoll verstärkende Defizite. Dass betreiben, das Allgemeine über das Beson- Weg zur Institutsgründung zu überwinden? tatsächlich Ursachen auf gesellschaftlicher dere zu stellen, die Gruppe über das Indi- Goetzke: Im Hinblick auf Hochbegab- Ebene zu suchen sind, will reflektiert und viduum. tenförderung waren und sind auch heute

 26 MUSIK ORUM LANDKARTE SETZEN«

Frühförderer musikalischer Exzellenz: Bernd Goetzke

noch Vorurteile und Vorbehalte anzutreffen, fung, die wir zu bestehen haben. Traurig ich es nie erwartet hätte. Ich verstand: auch wenn sie viel schwächer geworden macht es allenfalls, dass so vielen Men- Sobald man etwas bewegt, gibt es auch sind. „Den armen Kindern wird ihre Kind- schen einfach der Überblick fehlt und sie Gegenwind. In gewisser Weise war man heit genommen“, heißt es immer wieder. nicht verstehen können, was wir tun. Das auch verblüfft, vielleicht deshalb, weil man „Sie sollen doch Spaß haben, mit Freunden können wichtige Menschen sein, etwa nicht längst auf so etwas gekommen war. zusammen sein und viele Dinge tun, nicht auch Schuldirektoren, die im Grunde gar Schon bald gab es wachsende Unterstüt- nur eine Sache in dieser Intensität. Der nicht gegen die Sache eingestellt sind. Im zung. Viele sagten mir, ihnen sei schlagartig Ernst des Lebens kommt früh genug.“ Es Fach Sport ist das anders. Davon glaubt klar geworden, dass die Nachwuchsförde- wird gemutmaßt, die meisten Talente seien jeder etwas zu verstehen, was sich dann rung auf möglichst hohem Niveau der Ast gar nicht so begabt, sie würden nur von auch in allgemeiner Akzeptanz niederschlägt. ist, auf dem auch die Musikhochschule sitzt. ihren überehrgeizigen Lehrern und Eltern Wir können uns nicht länger auf die Vor- gedrillt, um eigene unerfüllte Wünsche auf arbeit von Privatlehrern und Musikschulen die Kinder projizieren zu können. Die Kin- Die alte Erfahrung: stützen, auch wenn diese in unserem Land der verwahrlosten auf der sozialen Ebene, so verantwortlich, flächendeckend und gut vereinsamten in der Einzelhaft am Klavier… Sobald man etwas betrieben wird wie kaum woanders. undsoweiter. Die wenigen Vorbehalte, auf die ich traf, Eigentlich haben wir diese Art von Vor- bewegt, gibt es hatten nichts mit dem musikalischen Kon- würfen nun genug gehört. Wir haben sie zept zu tun, sie waren eher Reflexe jener so oft widerlegt und enttarnt als Mangel an auch Gegenwind gesellschaftlichen Ebene, von der hier schon Informiertheit, bisweilen auch als ideologi- die Rede war. Und es gab ein paar Empfind- sche Borniertheit. Wer sind diese Menschen, lichkeiten, weil ich in meiner Euphorie nicht die so denken und sich äußern? Ihre eige- Gerade in der Musikhochschule mit allen und jedem über alles gesprochen nen Biografien wären auch zu untersuchen. werden Ihre Überlegungen aber doch wohl hatte, bevor ich es zu Papier brachte. Privat- Wie gesagt, hier und da gibt es dieses sofort auf große Resonanz gestoßen sein… lehrer und Musikschulen hatten zunächst Denken durchaus noch. Aber Skepsis, die Goetzke: Eigentlich schon, was nicht Sorge, dass wir ihnen ihre besten Schüler uns entgegenschlägt, hat ja doch auch eine heißt, dass es keinerlei Widerstände gegeben abspenstig machen könnten. Inzwischen wichtige Funktion. Darin sehe ich eine Prü- hätte, gerade auch von Seiten, von denen haben sich diese Sorgen verflüchtigt – wir

 MUSIK ORUM 27 FOKUS

Im Kopf ist man viele sind Partner, wissen, dass wir in einem Boot schule, die nun ihre Klassen sozusagen auch sitzen. Schritte voraus, aber dann für Kinder und Jugendliche geöffnet haben. Und natürlich: Wir waren im frühen kommt die Realität mit Einige Lehraufträge sind hinzugekommen. Stadium nicht vorbereitet, es gab keine be- Und die Stiftung Niedersachsen hat uns reitgestellten Kapazitäten. Diese mussten ihren Zwängen mit einer Stiftungsprofessur (Violine) für erst geschaffen werden. drei Jahre einen kraftvollen Anschub gege- ben. Diese Professur ist nach den drei Jah- Inwieweit konnten Sie auf Modelle Zahlen herum. Darum: Wie viele Konzerte ren von der Hochschule übernommen wor- andernorts zurückgreifen? wurden selbst veranstaltet, wie viele vermittelt? den und bildet eine der Säulen des IFF. Goetzke: Eigentlich gar nicht. Etwas Goetzke: Wir hatten in unserem Jubi- Darüber hinaus wurde die Unterstützung, Vergleichbares zu unserem Projekt – der läumsjahr 2010, das wir intensiv gefeiert die wir von dritter Seite, vor allem durch Integration eines Kinder-Instituts als Studien- haben, sage und schreibe 35 Konzerte auf Stiftungen, erhalten, immer wichtiger. Unbe- gang in eine Hochschule – gab es nicht. dem Programm. 17 davon haben wir in dingt zu nennen wären hier die Bruno- Doch will ich mich inhaltlich überhaupt Eigenregie veranstaltet, zu den anderen 18 Frey-Stiftung und die Stiftung Kulturregion nicht als Reformator darstellen. Was zu tun sind wir von externen Veranstaltern einge- Hannover. Diese beiden Institutionen ist in einer solchen Ausbildung, das war mir laden worden. Dieser Anteil der externen finanzieren z. B. unsere Sommerakademie. seit 30 Jahren sonnenklar, da gibt es keine Konzerte überwiegt in anderen Jahren mit Da handelt es sich immerhin um eine fünf- wirklichen Geheimnisse. Dass es getan etwa 90 Prozent sehr deutlich. Und insge- stellige Summe, Jahr für Jahr. Weitere Stif- werden konnte, darauf musste man warten samt sind es dann auch weniger Termine. tungen haben einzelne Projekte gefördert, und hoffen – dann handeln. Ich hatte in Mehr als 25 Konzerte können wir eigent- auch ein Lions Club ist dabei – und zwei anderen Ländern ja vieles gesehen (z. B. in lich nicht schaffen. Dieser Bereich hat sich Menschen haben uns bereits in ihrem Moskau und Tokio). Auch hier gibt es schon in einer Weise entwickelt, dass wir eigent- Testament bedacht. Modelle, die inspiriert haben, die aber auch lich eine Konzertagentur bräuchten. So halten wir uns bislang über Wasser. nur bestätigten, was man aus dem eigenen Von Stiftungen können wir uns natürlich Werdegang kennt oder was man beim Wie viel Unterricht ist in dieser Zeit keine institutionelle Förderung erwarten. eigenen Unterrichten erfährt. erteilt worden? Eigentlich brauchen wir eine ganztags Goetzke: Pro Frühstudent sind es wohl arbeitende Sekretärin und einen Geschäfts- Das Kleinarbeiten von Problemen etwa 100 Stunden pro Jahr, und das Curri- führer. Aber das blieb bislang Illusion. macht meist den Schwerpunkt der Arbeit an culum umfasst drei Jahre. Im Jahr 2000 einem neuen Projekt aus. Galt das auch für haben wir begonnen mit zehn Frühstudie- Die Schnittstelle von Schule und IFF Sie? renden, dann wurden es sehr schnell 20, wird sich in den vergangenen Jahren auf- Goetzke: Ja, das ist so. Man muss die inzwischen haben wir fast 40. Und seit 2004 grund der Reform der Reform der Gymnasia- Dinge irgendwie in den Griff bekommen, haben wir weitere 40 Kinder in der Vor- len Oberstufe sicher nicht verbessert haben. man kann keine Entwicklungsschritte über- klasse „VIFF“, die einen ähnlichen Stunden- Wie reagieren Sie auf die entsprechenden springen. Im Kopf ist man viele Schritte plan haben. Und noch einmal 40 Schüler Probleme? voraus, aber dann kommt die Realität mit kommen im Projekt „VIFF regional“ hinzu, Goetzke: Ein wirkliches Problem – ihren Zwängen. Die unendlichen nächt- in unserer Kooperation mit vier Musik- allerdings nicht immer und nicht überall. lichen Computer-Sitzungen der Anfangs- schulen des Landes, die allerdings für den Es gibt einige gute Beispiele von günstigen zeit habe ich verdrängt – eigentlich ist das Unterricht selbst verantwortlich sind. Konstellationen. Diese sind aber leider ja immer noch so. Zusätzliche Unterrichtseinheiten gibt es nicht die Regel. Die Verkürzung der Schul- Aber ich darf doch behaupten, dass es bei unseren Ferienakademien – die Som- zeit hat ein schon bestehendes Problem damals gelungen ist, sozusagen mit einem merferien der Hochschule sind ja viel zu verschärft. Wir haben in unserem Team ja Minimalaufwand ein Maximum zu errei- lang für Kinder. Hier kommen dann kon- eine Mitarbeiterin für den Bereich „Päda- chen. Das Konzept war absolut pragma- zentriert noch einmal 25 Stunden in einer gogische Koordination“, die uns das Kultus- tisch ausgerichtet, wir haben uns auf das Woche für die Teilnehmer hinzu. ministerium sozusagen geschenkt hat – Wesentliche konzentriert und nur das Denk- übrigens ein erstaunlicher Vorgang, wenn bare gemacht. Damit sind wir auch heute Wie viele Schüler haben das IFF ins- man sich vor Augen hält, dass wir ja zu gut beschäftigt. Natürlich ist es ein Problem, gesamt besucht? einem anderen Ministerium gehören. dass die Leitung des Instituts nicht mein Goetzke: Pro Jahr haben wir zehn bis Diese Kollegin ist dafür da, Konflikte im Beruf, sondern nur mein „Hobby“ ist. Glei- zwölf neue Früh-Studierende aufgenommen, Spannungsfeld von Schule und Institut zu ches gilt auch für Martin Brauß, meinen also müssten es bislang ca. 100 gewesen entschärfen, hier zu vermitteln, zu koordi- Kollegen und Weggefährten von Anfang an. sein, ohne die VIFF-Schüler mitzuzählen. nieren, die Frühstudierenden durch schwie- Wir sind eine etwas zu kleine Familie und rige Phasen zu begleiten, sie zu betreuen, haben nicht für jedes Ressort eine professio- Und wie viel Geld wurde investiert? im Einzelfall Problemlösungen zu suchen. nelle Kraft. „Akademische Selbstverwal- Goetzke: Da nenne ich am besten die Das ist so etwas wie der ständige Versuch tung“ ist die Devise. So sehr weit können „Investitionssubstanz“: Von der Hochschule der Quadratur des Kreises – aber auch wir noch nicht in die Zukunft schauen. haben wir ein Büro mit einer Halbtagskraft eine ganz wertvolle Initiative, die sogar aus Aber die Pionierzeit ist sicherlich vorbei. und eine künstlerische Assistenzstelle („Lehr- dem Ministerium selbst kam. kraft für besondere Aufgaben“) bekommen, Man wollte uns helfen, und das ist wun- Um zu verstehen, was in zehn Jahren und nicht zu vergessen die Deputatsanteile derbar. Aber überall ist Neuland. Und IFF geschehen ist, kommen wir nicht um von Dozenten und Professoren der Hoch- immer wieder stößt man an Grenzen.

 28 MUSIK ORUM Der Aufwand „Reagieren“ kann man eigentlich nur mit gilt es, einen langen Atem zu haben – über stetiger Weiterentwicklung von Konzep- lohnt sich – nun gilt es, meine Amtszeit als Institutsdirektor hinaus. tionen, an denen beide Seiten beteiligt sind. einen langen Atem Wir würden gerne unseren Beitrag dazu Inzwischen haben andere Hochschu- leisten. zu haben len ebenfalls mit der Idee der Förderung von Hochbegabten begonnen. Welche Erfahrungen Sonntagsreden und Montagshandeln werden dort gemacht? sind bekanntlich oft auseinander driftende Goetzke: Wir haben private Möglich- Goetzke: Darüber werden wir uns jetzt Dinge, gerade in der Kulturpolitik. Wie haben keiten gesucht. Ein „System“ ist das natür- immer häufiger austauschen. Überall sind Sie in den vergangenen zehn Jahren die Um- lich noch nicht. es bestimmte Konstellationen, die Fort- setzung der positiven Bekenntnisse der Politik schritte möglich oder unmöglich machen. zur Hochbegabtenförderung erlebt? Aber es gibt doch eine Verpflichtung Wir alle müssen dahin kommen, dass die Goetzke: Hier gilt es zu beurteilen, in- der Landesregierung, junge Musiker im Rah- Idee unabhängig von Personen weiterlebt. wieweit die beiden beteiligten Ministerien men von Veranstaltungen zu präsentieren. nicht nur verbal etwas proklamieren, son- Funktioniert das nicht? Wäre es aus Ihrer Sicht sinnvoll, dern auch hilfreich mitdenken und unter- Goetzke: Wir dürfen nie vergessen, dass wenn jede der 24 deutschen Hochschulen ein stützen. Ich bin ein bisschen bescheidener wir ein Ausbildungsinstitut sind. Mit dem eigenes Institut ins Leben rufen würde? geworden, was nicht heißen soll, dass ich „Präsentieren“ müssen wir ein bisschen vor- Goetzke: Ja, aber nur wenn alles stimmt, es gelernt hätte, geduldig und zufrieden zu sichtig sein. Wenn wir in Förderprogramme wenn die richtigen Lehrer da sind, die sein. Zunächst bleibt aber festzuhalten – hineinwachsen würden, wäre das jedenfalls Infrastruktur, Kapazitäten und Ressourcen. und dies vergesse ich nie –, dass etwas an ein Glück. Aktionismus braucht hier niemand. Die einem Platz geschaffen wurde, wo es zuvor Menschen sind heute sehr mobil. Man kann nichts gegeben hat, dass wir etwas Anfass- Hat es der Sport wirklich einfacher, also beispielsweise von unserer Musikhoch- bares in ein Vakuum gepflanzt haben. Dies wenn er Frühförderung betreibt? schule aus Gutes für Kinder tun, die 200 war ein so entscheidender Schritt! Und er Goetzke: Ob die Kollegen aus dem Kilometer entfernt wohnen. Andererseits wurde mit konkreter Unterstützung der Sport vollkommen zufrieden sind, weiß ich wäre eine annähernde Flächendeckung an- Ministerien getan. Das ist nicht hoch genug nicht. Kürzlich habe ich aber ein Zeitungs- zustreben. Talente sollten nicht unentdeckt einzuschätzen! Und ein Bekenntnis ist ein foto von der Einweihung eines neuen Sport- bleiben, nur weil sie fernab von einer För- Bekenntnis. internats gesehen. Viele wichtige Menschen derinstitution wie dem IFF geboren werden Es gibt durchaus einen kontinuierlichen haben sich da die Hand gegeben, u. a. ein und aufwachsen. Inzwischen kümmern Kontakt mit den Ministerien, z. B. haben strahlender Bürgermeister. Ja, ich denke sich bereits 17 der 24 Hochschulen um wir mit unseren Ansprechpartnern im schon, dass es der Sport einfacher hat. das Thema – mehr oder weniger intensiv. Kultusministerium schon manche Stunde Jeder versteht etwas davon, geht ins Stadion, gemeinsam über mögliche nächste Schritte liest den Sportteil der Zeitung, ist Fan von Rückblickend: Was hat die zehn gebrütet. einem Club und zählt stolz die Medaillen. Jahre im IFF besonders beglückend gemacht? Im Übrigen ist klar, dass wir erst einmal Vom Sport weiß man, dass er helfen kann, Goetzke: … in diese hellen, unendlich eine Bewährungszeit zu bestehen hatten. die Jugendlichen von der Straße zu holen neugierigen und erwartungsvollen Augen Das IFF war zunächst nur als sechsjähriges und in Gemeinschaften einzufügen, über- der Kinder zu schauen, dieses Vertrauen Projekt gedacht, wurde 2004 aber schon schüssige Energie sinnvoll abzubauen, dass zu spüren, das sie einem entgegenbringen. fast hymnisch positiv evaluiert – und nun, er den Umgang mit Niederlagen lehren Und eine konkrete Situation aus der nach zehn Jahren, darf man sicher behaup- und die Gesundheit fördern kann. Gründungsphase des IFF: Die Chefs unse- ten, dass es seine Bewährungsphase be- Da ist ein riesiges Interesse, was ganz rer beiden Kulturministerien, Renate Jürgens- standen hat. Das IFF war bislang der viel- verständlich ist. Die Medien nehmen diesen Pieper und Thomas Oppermann, wie sie leicht bestmögliche Kompromiss. Ich sehe Impuls auf und verstärken ihn noch. Der vor mir zusammen auf dem Sofa saßen, uns nicht als „angekommen“ an, sondern Sport ist nicht nur ein gigantisches Business, sich die Hand gaben und sagten: „Das etwa auf halbem Wege. Immerhin haben sondern für viele Menschen eine der wich- machen wir!“ wir eine Bewegung angestoßen, die auch tigsten Sachen in ihrem Leben geworden, Und sehr genau erinnere ich mich noch andernorts wahrgenommen und aufge- und sei es aus der passiven Beobachtungs- an den Applaus nach dem Abschlusskon- nommen worden ist. Die Idee lebt, und position heraus. „Schönste Nebensache der zert unserer ersten Sommerakademie. Da das macht mir Mut. Welt“ – wer würde das von der Musik spürte ich sogar physisch diese Akzeptanz Nach wie vor ist das IFF aber ein schwa- sagen? Aber die ist ja auch keine Neben- für „das Neue“, das wir geschaffen hatten, ches Pflänzchen, das – im Gegensatz zu sache. Fazit: Im Sport werden ganz andere diese Bestätigung nach dem ersten Jahr einem Feigenblatt – aber Wurzeln hat, die Zahlen bewegt. Entscheidungen für Förder- unserer Arbeit, spürte, das Richtige richtig es zu pflegen lohnt. Die Perspektive ist maßnahmen fallen hier sicherlich leichter. gemacht zu haben. noch etwas undeutlich. So hoffe ich nun auf die zweite Dekade, auf die nächste Persönlich gefragt: Lohnt eigentlich „Umlaufbahn“, wie es ein Kollege kürzlich der Aufwand, wenn doch immer wieder neu formulierte. für ganz elementare Grundbedingungen musi- kalischen Arbeitens gekämpft werden muss? Wie sieht es mit der Stipendienver- Goetzke: Ich weiß, dass der Aufwand gabe aus? sich lohnt. Das hat das IFF bewiesen. Nun

 MUSIK ORUM 29 FOKUS

Ein Leuchtturm in der jugendlichen Musikszene, der Wege weist. Reinhart von Gutzeit im Gespräch über „Jugend musiziert“

»Kostbarer Schatz DES MUSIKLEBENS«

uch er lässt keinen Zweifel: „Ein früher, möglichst intensiver Kontakt Dem zeitgenössischen Musikschaffen Avon Kindern mit der Musik stellt ganz wesentlich die Weichen“, betont war Jumu immer sehr verpflichtet. Das ging Reinhart von Gutzeit, einer der Impulsgeber des Wettbewerbs „Jugend so weit, dass die Teilnehmer jahrzehnte- lang obligatorisch ein zeitgenössisches Werk musiziert“. „Diese frühe Begegnung leistet einen entscheidenden Beitrag zu im Programm haben mussten, während dem, was wir ‚Musikalität‘ nennen.“ alles andere freier gestaltet werden konnte. Diese Regelung haben wir vor einigen Jah- Der Schulmusiker, seit 2006 Rektor der nichts mehr davon übrig, wenn die Lebens- ren modifiziert. Aber nicht mit dem Ziel, Universität Mozarteum in Salzburg, weiß, dass umstände dazu führen, dass die Sprache die jungen Musiker aus ihrer Verantwortung sich in dieser Hinsicht die Einschätzungen von nicht mehr angewendet wird. Kontinuität für die Neue Musik zu entlassen, sondern, Begabungsforschern und die Erfahrungswerte ist enorm wichtig. um sie besser in diesem weiten Feld zu von Musikpädagogen und musikbegeisterten Natürlich gilt das auch für die Vermitt- orientieren, um die Entstehung neuer Werke Eltern weitgehend decken. „Kindern kann man lungsqualität und wir sollten bei diesem für Kinder und Jugendliche anzuregen und nur dringend eine frühe musikalische Förde- Begriff nicht nur an eine methodisch-didak- die Teilnehmer sogar selbst zum Kompo- rung wünschen.“ Von Gutzeit sagt dies nicht tische Dimension denken, sondern auch nieren zu verführen. ohne Hintergedanken. Immerhin bekleidet an die emotionale Einbettung von musika- Schwieriger wird es beim Stichwort er seit 1991 eine verantwortliche Position im lischen Erfahrungen – beispielsweise im „Jugendkultur“. Was ist damit überhaupt Wettbewerb „Jugend musiziert“ (Jumu), zu- Elternhaus. gemeint? Dem Begriff haftet ein romantisch- nächst als Vorsitzender des Hauptausschus- Zusammengenommen: Musikalische idealistisches Odium an. Aber entspricht ses, heute im Projektbeirat. Er hat die Erfah- (Früh)förderung wird immer am besten das der Realität? Gibt es bei uns eine kultu- rung gemacht, dass das private Umfeld mit gelingen, wenn Familie, Schule und Musik- relle Ausdrucksform, die Jugend sich selbst dem Elternhaus, aber auch hoch engagierte schule optimal zusammenspielen. geschaffen oder wenigstens selbst erwählt Musiklehrer dafür verantwortlich sind, dass hat? Welche Rolle hat der Markt dabei? Talente keimen und „sein“ Jumu nach wie Wem nutzt die Begeisterung für Nike, Viva vor beispiellos boomt. Für das MUSIKFO- Kulturelles Erbe oder die PlayStation? RUM sprach mit ihm Christian Höppner. Ich darf ein Geheimnis verraten: Ich habe bewahren – ein »Kern- fast mein ganzes Leben lang „heimlich“ Welche Bedeutung messen Sie einer Folkmusik gemacht, zusammen mit einem breitbandigen Erfahrung in der musikalischen geschäft« von Jumu Freund, der wie ich ein ambitionierter Frühförderung bei? „Klassiker“ ist und heute als Professor für Reinhart von Gutzeit: Ob diese Förde- Kammermusik lehrt. Zumindest am Anfang, rung im Sinne einer Musikalisierung wirk- Die drei Grundsäulen der UNESCO- wir waren so um die 20, haben wir diese lich „breitbandig“ sein muss, weiß ich nicht. Konvention zur kulturellen Vielfalt sind bekannt- Musik als Jugendkultur empfunden. Die Vielleicht kommt es am Anfang vor allem lich der Schutz und die Förderung des kulturel- Liebe ist geblieben. Aber ich wäre niemals auf die Qualität und auch auf die atmo- len Erbes, der zeitgenössischen künstlerischen auf die Idee gekommen, diese Art von sphärische Seite des musikalischen Lernens Ausdrucksformen einschließlich der Jugend- Musik bei Jugend musiziert „einzuschleusen“. an. Dennoch wünsche ich mir sehr, dass kulturen sowie der Kulturen anderer Länder. Wir haben es genossen, in den Folkclubs Kinder und Jugendliche Musik in ihrer Welche Bedeutung haben diese Postulate für auf eine andere Kultur zu treffen, in der ganzen stilistischen Vielfalt erleben können. die konzeptionelle Weiterentwicklung von das Publikum sich anders verhält – zum „Jugend musiziert“? Beispiel weniger bewertend auf die darge- Welche Rolle spielen dabei Kontinui- von Gutzeit: Die Aufgabe, kulturelles botenen „Leistungen“ reagiert. Als Folkmusi- tät und Vermittlungsqualität? Erbe zu schützen und zu fördern, ist zwei- ker möchte ich für meine Version eines von Gutzeit: Kinder lernen unglaublich fellos ein „Kerngeschäft“ des Wettbewerbs bekannten Songs oder für ein eigenes Stück schnell, aber sie verlieren geistige Besitz- „Jugend musiziert“ (Jumu). Es klingt in die- weder 24 noch 25 Punkte bekommen. tümer auch ebenso rasch, wenn sie nicht ser Formulierung vielleicht ein bisschen mu- Mit dem Stichwort Folkmusik nähern im Bewusstsein wachgehalten werden. So seal, aber so wollen wir es nicht verstanden wir uns dem Thema der Kulturen anderer beherrschen Kinder im Alter von drei bis wissen, sondern ganz im Sinne der „Bewah- Länder in unserem Land. Auch hierzu eine vier Jahren eine Sprache schon sehr weit, rung des Feuers“ bei der Weitergabe an die persönliche Erfahrung: Bei zwei Besuchen aber nach wenigen Jahren ist so gut wie jeweils nächste Generation. in Japan habe ich mich redlich bemüht, Bei-

 30 MUSIK ORUM Prof. Reinhart von Gutzeit studierte von 1966 bis 1972 Schulmusik an der Musikhochschule Köln mit den künstlerischen Schwerpunkten Violine, Viola und Dirigieren sowie Germanistik in Düsseldorf, Köln und Freiburg . Bis 1974 leitete er die Musikschule in Rheinbach und wurde anschließend Musikschul- direktor in Bochum. Von Gutzeit ist Mit- begründer und Mitherausgeber der mu- sikpädagogischen Zeitschrift Üben & Musizieren (seit 1983). Von 1990 bis 1996 war er Vorsitzen- der des Verbands deutscher Musikschu- len (VdM) und von 1991 bis 1996 Präsi- diumsmitglied der Europäischen Musik- schulunion. Zwischen 1995 und 2004 führ- te er als Direktor das Brucknerkonserva- torium Linz; nach der Akkreditierung des Konservatoriums als Anton Bruckner Pri- vatuniversität für Musik, Schauspiel und Tanz war er deren Rektor (2005 bis 2006). spiele der traditionellen japanischen Musik- Galaxie – Chance oder Gefahr für den Wett- Seit Oktober 2006 ist von Gutzeit Rek- kultur kennen zu lernen. Unsere Gastgeber bewerb? tor der Universität Mozarteum Salzburg. dort waren aber wenig interessiert daran – von Gutzeit: O Gott! Ich bin kein Ken- Für den Deutschen Musikrat ist er seit sie wollten uns dringend zeigen, wie weit sie ner der Castingshows. Gewisse Momente 1991 als Vorsitzender des Hauptausschus- es auf dem Gebiet der abendländischen sind sicherlich vergleichbar. Ich denke an ses (heute Projektbeirat) für den Wett- Kunst gebracht haben. Wer Jumu kennt, die psychologische Seite, die Aufregung, bewerb „Jugend musiziert“ verantwort- weiß, welch herausragende Rolle Kinder aus das Mitfiebern der Entourage, die existen- lich. Er ist beratendes Mitglied und Mit- asiatischen oder asiatisch-deutschen Familien zielle Betroffenheit, in die wohl jeder gerät, glied des Präsidiums. im Wettbewerb spielen. Wie komisch wäre der sich so ungeschützt der öffentlichen Weitere Funktionen: Kurator des Ins- es, wenn wir nun eine Kategorie „Koto“ bei Beurteilung aussetzt. tituts für Begabungsforschung und Be- Jumu einführen würden? Aber im Kern sind es unterschiedliche gabtenförderung in der Musik und Vor- Welten. Bei „Jugend musiziert“ geht es darum sitzender der Expertenkommissionen zur zu messen, inwieweit du dich erfolgreich Neuordnung der Musikhochschulland- mit den großen Werken der Literatur aus- Jumu sendet schaften in NRW und Bayern. einandergesetzt hast und auf dem Weg zum Signale, will in bestimmte Künstler bist. Bei DSDS geht es darum, ein geiler Typ zu sein. Häfen locken Chancen? Ein Schulmusiker hat mir mal szene ab. Und so passt das Bild des Spiegels erzählt: „Ich kann heute wieder tun, was nicht – eher das des Leuchtturms, der mit jahrzehntelang unmöglich war – meine seinen Signalen Wege weisen und in be- Ich hoffe, dass diese Überlegungen nicht Schüler einzeln vorsingen lassen. Ich muss stimmte Häfen locken möchte. abwehrend klingen und zu falschen Schlüs- es nur Casting nennen.“ Darin kann man, sen verleiten. Ich bin sehr dafür, dass junge wenn man so will, eine musikpädagogische Warum findet sich nur ein Teil der (und ältere) Menschen mit Migrationshin- Chance erblicken. Stilrichtungen und der damit verbundenen tergrund unterstützt werden, wenn sie die Und Gefahren? Sehe ich nicht – außer Instrumente in den Wertungskategorien dieses Musikkultur ihrer Heimat pflegen wollen. die grundsätzliche Gefahr, die in jeder Form dreistufigen Wettbewerbs wider? Aber ich glaube nicht, dass „Jugend musi- von Volksverblödung steckt. von Gutzeit: Weil nur ein Teil der musi- ziert“ der angemessene Rahmen ist. Es ge- kalischen Stilrichtungen zum Profil des nügt nämlich nicht, Musik anderer Kultur- Versteht sich „Jugend musiziert“ als Wettbewerbs passt und die Anwendung kreise wohlwollend zuzulassen – nein, wir Spiegel der musizierenden Jugend? der Kultur erlaubt, die „Jugend musiziert“ müssen verstehen, um was es da geht, wenn von Gutzeit: Nein, denn wie schon an- ausmacht. Einige Aspekte, die diese Kultur wir als Wettbewerb adäquat damit um- gedeutet gibt es sehr viele Möglichkeiten, prägen, will ich in Stichworten skizzieren: gehen wollen. Musik zu machen, die aus guten Gründen Es beginnt mit dem Hochleistungsge- – stilistischer Art, Fragen des künstlerischen danken, der einem Wettbewerb immanent Castingshows wie „Deutschland sucht Anspruchs, Probleme der Ensemblegröße ist, aber nicht allen musikalischen Genres. den Superstar“ (DSDS) ziehen Millionen von – bei „Jugend musiziert“ keinen Eingang ge- Dann sind wir sehr auf die Interpretation Zuschauern in den Bann. Im Vergleich zu funden haben. Der Wettbewerb bildet also von Werken ausgerichtet, die in der Regel „Jugend musiziert“ eine andere musikalische keineswegs die gesamte jugendliche Musik- bei einem Verlag erschienen und damit für

 MUSIK ORUM 31 FOKUS

alle Teilnehmenden erreichbar sind. Eine eng an die fachliche Ausrichtung des Wett- wenn diese jungen Musiker nichts mit den sehr wichtige Rolle spielt ein gemeinsamer bewerbs geknüpft. „Jugend musiziert“ moti- „Sorgenkindern“ zu tun haben, über die Erwartungshorizont der Beteiligten (Teil- viert die jungen Leute und hält ihnen vor gegenwärtig so intensiv in den Medien de- nehmer, Lehrer, Eltern, Juroren). Nur wenn Augen, welche musikalisch-künstlerischen battiert wird. es den gibt, kann es auch eine Akzeptanz Ziele es zu erreichen gilt. Das gehört frag- der Jurybewertungen geben. los zum Fördergedanken. Wie lässt sich die Diskrepanz zwi- Gerade, weil wir es mit jungen Leuten Der Wettbewerb versucht zugleich, auf schen der Misere der musikalischen Bildung zu tun haben, legen wir großen Wert auf das „musikalische Weltbild“ junger Men- in Deutschland – ausfallender Musikunter- Fairness. Dabei kommt es sehr auf die Ob- schen Einfluss zu nehmen. Ein wichtiges richt, 100000 Schüler auf den Wartelisten jektivität der Juroren und die Einhaltung Beispiel hierfür ist die Förderung der Kam- der öffentlichen Musikschulen, Verkürzung bestimmter Spielregeln an. mermusik und des Ensemblespiels im Ge- der Schulzeit, Ganztagsschule) – und den gensatz zum solistisch orientierten Denken. ständig steigenden Teilnehmerzahlen bei Welche Perspektiven ergeben sich für Dieser Aspekt steht zwischen musikalischer „Jugend musiziert“ erklären? die Einführung der Wertungskategorie Baglama Förderung und gesellschaftlicher Orientie- von Gutzeit: Die „ständig steigenden nach den Erfahrungen aus den Landeswett- rung. Teilnehmerzahlen“ sind zu relativieren. Es bewerben Berlin und Nordrhein-Westfalen Schließlich hat es fraglos eine gesell- ist uns gelungen, das Wettbewerbsprogramm sowie der Bundespräsentation? schaftspolitische Bedeutung, wenn sich im so zu verändern, dass nach wie vor viele von Gutzeit: Die Pilotwettbewerbe, die Rahmen des Wettbewerbs Kinder und junge Musiker teilnehmen wollen. Das war wir durchgeführt haben, zeigten, dass die Jugendliche begegnen, die aus den unter- in der Vergangenheit nicht immer so. Heute jungen Baglama-Spieler zum Teil hoch vir- schiedlichsten Ländern stammen – auch liegen Sie richtig: „Jugend musiziert“ boomt tuose Leistungen vollbringen und in dieser Hinsicht sicher den „abendländischen“ Instrumentalisten vergleichbar sind. Dennoch haben wir uns noch nicht für die Einfüh- Der Zustand des künstlerischen Nachwuchses rung einer Kategorie Baglama auf Bundes- ebene entschieden. Zum einen, weil wir in Deutschland und die Lage an unseren auch in anderen Fällen zurückhaltend waren, in denen musikalische Erscheinungsformen Musikhochschulen wären völlig anders, überwiegend regionale Bedeutung hatten. Für die Baglama gilt wohl, dass sie in wenn es Jumu nicht gäbe Deutschland – außer in den Hochburgen Berlin und Nordrhein-Westfalen – nicht weit verbreitet ist. Zum anderen, weil wir uns fragen müssen, ob wir eine Entschei- dungsfindung nach unseren Vorstellungen sicherstellen können. Hier zeigt sich erneut das Grundproblem: Die Verantwortlichen für die Durchführung des Wettbewerbs auf allen drei Ebenen müssen sich in den Feldern, aus denen sich das Wettbewerbsgeschehen zusammen- setzt, auskennen. Sie müssen wissen, welche Rahmenbedingungen für neue Kategorien erforderlich sind. Sie müssen einschätzen können, welche Personen sich als Jurymit- glieder eignen und welche nicht. Aus die- sen Gründen können inhaltliche Weiter- entwicklungen nur in langsamen Schritten gegangen werden, sonst überfordern wir die ehrenamtlichen Mitarbeiter vor allem auf regionaler Ebene und sie kündigen uns die Freundschaft.

Hat die integrierte Fördermaßnahme „Jugend musiziert“ – über den Fördergedan- ken hinaus – weitere gesellschaftspolitische Aufgaben? von Gutzeit: Selbstverständlich ist einem Projekt wie „Jugend musiziert“ eine starke gesellschaftspolitische Wirkung zuzu- schreiben. Aber sie ist in meinen Augen Foto: Erich Malter  32 MUSIK ORUM Zentrale Aufgabe von Jumu ist es, auch nach bald 50 Jahren mit erstaunlicher Der neue Wettbewerbsteil „WESPE“ ist Vitalität. das Interesse an der ein sehr ambitionierter Versuch dieser Art. Wie die geschilderte Diskrepanz zu erklä- Auseinandersetzung Diesen zusätzlichen Wettbewerb wird man ren ist? 100 000 Schüler auf den Wartelis- nicht über Jahrzehnte in gleich bleibender ten der öffentlichen Musikschulen bezeu- mit anspruchsvoller, Form weiterführen können. Wenn sich seine gen ja auch, wie gut besucht diese Schulen Innovationskraft erschöpft hat, soll er be- sind. Neben den Musikschulen spielt sich im allerweitesten Sinn endet und durch etwas anderes ersetzt die Vorbereitung auf den Wettbewerb werden. Für „Jugend musiziert“ als Ganzes weitgehend in einem privaten Umfeld ab – »klassischer« Musik gilt das nicht. es sind die Eltern und hoch engagierte Musiklehrer, die die jungen Leute unter- wachzuhalten Gibt es eine Perspektive, aus der stützen. Die sonstigen Rahmenbedingungen heraus Sie den Wettbewerb „Jugend musiziert“ sind in der Tat wenig hilfreich. Die Schul- noch nicht kennen? musik spielt natürlich auch eine wesentliche (von Gutzeit lacht)… Entschuldigung – von Gutzeit: Ich glaube fast, ich kenne Rolle – interessanterweise an den deut- jetzt habe ich mich aber ordentlich ver- Jumu aus allen Perspektiven: Teilnehmer, schen Auslandsschulen sehr viel mehr als galoppiert! Lehrer, Juror, Vater, Funktionär. Apropos hier in Deutschland. Im Ernst, ich hoffe, dass der Wettbewerb Funktionär – was für ein scheußlicher in zehn Jahren nichts von seiner Ausstrah- Begriff im Zusammenhang mit einem so Lässt sich die Idee der „Jumu-Familie“ lung und kulturpolitischen Kraft verloren wunderbaren Thema! Auch die Politiker- angesichts der musikalischen Bildungsmisere haben wird. Er ist ja ein kostbarer Schatz perspektive ist mir nicht fremd. Ganz am aufrechterhalten? des deutschen Musiklebens und des Deut- Anfang meiner Jumu-Zeit habe ich die von Gutzeit: Ja, denn es handelt sich schen Musikrats. Der Zustand des künstle- Reden zum Abschlusskonzert für den nicht nur um eine Familie, sondern um rischen Nachwuchses in Deutschland und Bochumer Oberbürgermeister schreiben eine Vielzahl von Familien. In den Regio- damit auch die Lage an unseren Musik- müssen. Und in meinen Jahren als Bundes- nen, in den Ländern und auf der Bundes- hochschulen wären völlig anders, wenn es vorsitzender des Verbands deutscher Musik- ebene sind es jeweils unterschiedliche, aber „Jugend musiziert“ nicht gäbe. schulen waren es nicht weniger als acht sehr stabile Kreise von höchst enthusiasti- Wir wären leichtsinnig und verantwor- Ministerinnen, mit denen wir zu tun hatten, schen Menschen, die viel Zeit für die Vor- tungslos, würden wir die Wirkung schwä- darunter Angela Merkel, Claudia Nolte, bereitung und Durchführung von „Jugend chen, indem wir das Profil des Wettbewerbs Renate Schmidt und Ursula von der Leyen. musiziert“ opfern. Ich habe in einem kon- und der starken Marke „Jugend musiziert“ kreten Einzelfall einmal nach- und vorge- verwässern und schließlich verspielen. Ich Wie sieht Ihr musikalischer Alltag aus? rechnet, dass ein langjähriger Wettbewerbs- halte den Wettbewerb nicht für geeignet, von Gutzeit: Früher habe ich viel musi- mitarbeiter leicht zwei Lebensjahre für als Dach für sämtliche musikalischen Akti- ziert, geübt, dirigiert, unterrichtet. Später Jumu eingesetzt hat. Den „Funktionären“ vitäten junger Menschen zu fungieren. Wir wurde es weniger. Aber mit unseren Kin- stehen ebenso engagierte Lehrkräfte gegen- haben Jumu in den vergangenen Jahren dern – drei sind inzwischen Berufsmusiker über, die ihre Arbeit sehr stark am Wettbe- durch viele intelligente Veränderungen neue – habe ich noch täglich Musik gemacht, auch werb ausrichten und mit ihm verbinden, Akzente verliehen. Ich wünsche mir, dass als die Leitungsaufgaben an der Bruckner- und es gibt Familien, deren sämtliche Kin- wir das Spektrum auch zukünftig Schritt Universität in Linz mehr und mehr wurden. der sich beteiligen und deren Familien- für Schritt erweitern – aber immer unter Heute ist es ganz anders. Das Rektors- leben vom Wettbewerb maßgeblich mitge- sorgfältiger Beachtung der Frage, ob das amt am Mozarteum ist so abendfüllend, prägt wird. Neue zu „Jugend musiziert“ passt, ob es das dass die eigene musikalische Praxis brach Nicht zuletzt gehören auch die Förderer Wettbewerbsprogramm sinnvoll ergänzt liegt. Vor einem halben Jahr haben die der „Jumu-Familie“ an. Sie genießen das und: ob wir es können. Kollegen mich zur Mitwirkung in einem Gefühl, besonders engagierte junge Künst- Die Erweiterungen, die wir zuletzt vor- Konzert verleitet – da habe ich erst wieder ler in ihrer Entwicklung unterstützen und genommen haben, haben auch viele Skep- gemerkt, was mir fehlt; wieviel mehr seeli- begleiten zu können. tiker positiv überrascht. Die Wertung „Pop- sches und körperliches Wohlbehagen die gesang“ beim jüngsten Bundeswettbewerb Bratsche im Vergleich zum Laptop bereitet. Wo wird „Jugend musiziert“ in zehn war künstlerisch auf erstaunlich gutem Das Bedürfnis, Konzerte zu besuchen, wird Jahren stehen? Niveau, und die Preisträger wurden in den dagegen fast übererfüllt – kein Wunder von Gutzeit (denkt nach und grinst): Abschlusskonzerten auch von ihren klassi- angesichts von 800 Veranstaltungen jähr- 2020: Dank des bundesweit erfolgreichen schen Kollegen begeistert gefeiert. Man lich am Mozarteum und im unglaublichen Projekts „Jedem Kind ein Instrument“ (JeKi) braucht also nicht besonders ängstlich zu Salzburger Musikleben. nehmen 2,5 Millionen Kinder und Jugend- sein. Andererseits: Unsere zentrale Aufgabe Aber so hochkarätig dieses Musikleben liche am Wettbewerb teil! Das Finale wird ist es, das Interesse an der Auseinanderset- ist: Der Reiz, die leidenschaftlichen jungen aus der Allianz-Arena live von ARD, ZDF zung mit anspruchsvoller, im allerweitesten Musiker bei „Jugend musiziert“ zu erleben, und RTL übertragen! Bundespräsidentin Sinn „klassischer“ Musik wachzuhalten und ist einzigartig. Darum bin ich sehr dankbar, Stephanie zu Guttenberg überreicht die unseren Beitrag dazu zu leisten, dass diese diese Aufgabe noch weiterhin erfüllen zu Preise von 100 000 Euro je Kategorie an Musik in unterschiedlichen Zusammenhän- dürfen. die von der Jury mit Daniel Barenboim, gen so lebendig wie möglich gepflegt wird. Götz Alsmann, Lena Meyer-Landrut und Diese Aufgabe ist ungemein wichtig und Wladimir Klitschko ermittelten Sieger… schwierig genug!

 MUSIK ORUM 33 FOKUS

ie Idee zur Befragung ent- Zwischen Musizieren, Mugge und Selbstfindung: Dstand während der „Langen Wie, wo und warum junge Leute Musik machen. Eine Umfrage Nacht der Wissenschaften“ 2009 auf dem Campus Golm der Uni- versität Potsdam. Inhalt der Umfrage: Inwieweit dient Musik bei jungen Menschen der Identi- MUSIKALISCHE Parallelwelten tätsfindung und Abgrenzung von Eltern und Lehrern? Und wie ge- stalten sich Abkopplungsprozesse Von Birgit Jank konkret?

Kurz zur Vorgeschichte: Am Potsdamer Nicht selten bleiben diese Erprobungen für zen. Die zweite Gruppe befragte Jugend- Institut für Musikpädagogik und Musikdidaktik Eltern, Erzieher und Lehrer unbemerkt, müssen liche verschiedener Berufe und Studienrich- hatte man die Aufgabe übernommen, zur es wohl auch bleiben, um eine „unsichtbare tungen nach dem Sinn von Musik in ihrem „Langen Nacht“ein kleines Festival zu veran- Jugendmusikkultur“ zu sein. Soweit eine Theo- Leben und in ihrer Entwicklung. Arbeitsgruppe stalten. Auf drei Bühnen wollten Studieren- rie, die einleuchtet. 3 interviewte Musiklehrerstudierende der obe- de der Bildungseinrichtung ihr musikalisches ren Semester an der Universität Potsdam. Können demonstrieren. Eine Herausforde- Die Befragung Schließlich beschäftigte sich die Gruppe 4 rung: Mit welchen Erwartungen würden die mit dem Schwerpunkt „unsichtbare Musik- Besucher kommen? In welcher Form müss- Jede Theorie sollte aber empirisch hinter- kulturen“ und befragte neben der Sichtung ten sich die auftretenden Studenten präsen- fragt werden. Angeregt durch die Erfahrun- von theoretischen Arbeiten zu diesem The- tieren, damit der Funke überspringt und die gen von 2009 wurden im Wintersemester ma Jugendliche, die das Musikmachen be- musikalischen Darbietungen nicht zu akade- 2010/2011 von Musiklehrerstudierenden wusst dazu nutzen, um sich von ihren Eltern misch wirken? Andererseits sollten die Teil- im Rahmen eines Didaktik-Seminars mit und anderen Vertretern der Erwachsenen- nehmer, die neben dem Musiklehrerstudi- insgesamt 17 Jugendlichen aus verschiede- generation abzugrenzen und so eigene Wege um in eigenen Bands arbeiten oder in ihrer nen Zielgruppen halbstandardisierte Befra- zu suchen. Freizeit Soloprojekte entwickelt haben, be- gungen durchgeführt, die individuelle Mei- wusst ihre ganz eigenen Musikwelten vor- nungen und Verhaltensweisen dieser Ju- Einige Ergebnisse stellen. gendlichen zu ihrer Musik und vor allem zum Am Ende wurde die „Lange (Musik-)Nacht eigenen aktiven Musikmachen näher erhel- Alle Interviewergebnisse wurden im Se- der Wissenschaften“ ein großer Erfolg. Die len sollten. Ziel war es, zu einem besseren minar gründlich ausgewertet und lebhaft dis- Studierenden präsentierten sich in den un- Verständnis der komplizierten, vielschichti- kutiert. Schließlich trafen viele Aussagen auch terschiedlichsten Formationen: als Hip-Hop- gen Prozesse zu gelangen. die Befindlichkeiten der Seminarteilnehmer. Band, mit Jazz- und Big-Band-Formationen, Die wichtigsten Fragen: Wie lösen sich So fand die Internetgruppe heraus, dass für als Liedermacher und Rockpoeten. Für mich Jugendliche von erwachsenen Kontaktperso- Jugendliche die Nutzung des Internets zur als Hochschullehrerin am Musikinstitut war nen durch einen selbstbestimmten Umgang musikalischen Selbstdarstellung durchaus kom- es beeindruckend, wie die Studierenden, die mit der eigenen Musik? Welche Rolle spie- plex ist. „Myspace“ wurde z. B. als Darstel- ich aus Seminaren oder von klassischen Vor- len hierbei Freundeskreise und digitale Me- lungspodium für ältere Musikergenerationen spielen kannte, nun auf der Bühne neue, ei- dien? Warum machen Musikstudierende trotz angesehen, die benutzerfreundliche Oberfläche gene Persönlichkeiten entwickelten. So keimte hoher Studienbelastung noch zusätzlich Musik? – also technische Voraussetzungen – als sehr die Idee einer Umfrage… Tun sie dies als Ausgleich oder gibt es Grün- wichtig für die Auswahl der Mediensysteme de und Zusammenhänge, die nicht nur mu- herausgestellt. Der theoretische Hintergrund sikalisch zu erklären sind? Welche Schluss- Die befragten Nichtmusiker hoben immer folgerungen sind aus diesen Erkenntnissen wieder hervor, wie wichtig für sie der eigene Aus der Jugendsoziologie wissen wir, dass für die Realisierung nachhaltiger musikalischer Weg auf der Suche nach einer geeigneten kreative Gestaltungsprozesse bei Jugendlichen Bildungsprozesse an der Hochschule und in Musikbeschäftigung ist. Nicht immer blieb da die eigene Identitätsfindung unterstützen. Die der Schule oder Musikschule zu ziehen? der Musikunterricht in der Schule in bester Abgrenzung von den Eltern oder Lehrern stellt Forschendes Lernen ist hier vielleicht als Erinnerung. Eifrig wurde im Seminar nach hierbei einen unumgänglichen Prozess dar. Seminarinhalt ein wichtiges Stichwort und Ursachen gesucht. Die Befragungen der hö- Diese Abkopplungsphasen sind notwendig wurde von den Studierenden gut angenom- heren Semester der Musiklehrerjahrgänge und stellen einen Schonraum dar, indem ei- men. Sie fanden sich für die Lösung der in Potsdam waren für die Studierenden der gene (auch musikalische) Interaktionen er- Aufgabenstellungen in vier Arbeitsgruppen Arbeitsgruppe 3 besonders aufregend. Zum probt werden können. Die Interaktion inner- zusammen, die unterschiedliche thematische einen lernten sie so interessante Kommilito- halb einer gleichaltrigen Gruppe fördert Schwerpunkte und Fragestellungen entwickel- nen kennen, zum anderen wurden sie teil- Eigenschaften wie etwa Durchsetzungsfähigkeit ten. So recherchierte die erste Gruppe bei weise in das vorhandene Musiker-Studieren- und Kommunikationsbereitschaft. Zudem Jugendlichen, die für ihren Musikaustausch den-Kommunikationsnetz eingebunden. werden neben der Knüpfung sozialer Struk- und die Organisation von eigenen Konzer- Dieses arbeitet an unserem Institut über die turen Entfaltungsorientierungen gegeben. ten das Internet und neue Musikmedien nut- Fachschaft Musik recht intensiv.

 34 MUSIK ORUM Viele der Befragten möchten später die nen Rahmen D.I.Y.-Shows im Raum Berlin. „Ei- Ausübung des Musiklehrerberufs mit ihren gentlich habe ich mit meiner ehemaligen Band privaten Musikinteressen verbinden und se- das Internet nur genutzt, weil wir zu faul waren, hen das jetzige Studium als gutes Übungs- Demo-CDs an Veranstalter zu schicken. Mit feld und Impulsgeber für dieses Vorhaben. ‚Coup d'Etat‘ haben wir uns aber innerhalb eines Die Gespräche aus der Gruppe 4 drehten Jahres einen ansehnlichen Bekanntheitsgrad sich immer wieder um persönliche Geschich- erspielt und in ganz Deutschland, Polen, Un- ten von Jugendlichen und ihre heimlichen garn und Tschechien Auftritte gehabt“, sagt Bands und Musikvorlieben sowie um die Art Florian. „Heute planen wir fast alle unsere Kon- und Weise, wie sie diese bewusst vor den Musik ist Ausdruck zerte über das Internet.“ Eltern geheim halten, um sich die eigene Welt unserer Gefühle Ihre Musik haben sie gratis verfügbar ge- schaffen zu können. macht, weil sie wollen, dass möglichst viele ihre Fazit: Musikmachen ist für Jugendliche von „Ich nutze das Internet, um meine Band vorzu- Musik kennen lernen und zuhause auf dem Rech- hoher Bedeutung und bezieht sich auf das stellen und zu bewerben, Kontakte zu anderen ner haben. „Wir als Band stehen der Kommer- eigene Erkunden der musikalischen Mittel Künstlern und Veranstaltern herzustellen und zialisierung der Musik sehr skeptisch gegen- ebenso wie auf das öffentliche Präsentieren, unsere Konzerte und über. Musik ist für uns keine Ware, sondern Aus- aber auch auf ganz individuelle Selbstfindungs- Touren zu planen“, er- druck unserer Gefühle.“ prozesse. zählt Florian „Floh“ Florian verwendet viel Zeit auf die Arbeit im — Ausgewählte Aussagen und „Interview- Thümmler (24), der Netz. Die Grenzen zwischen Privatem und Ar- schnipsel“, von den Studierenden für das MUSIK- eine Ausbildung zum beit verfließen, sodass er gut acht Stunden täg- FORUM zusammengestellt, finden Sie auf die- Veranstaltungskauf- lich online ist, auch unterwegs mit dem Smart- ser und der nächsten Seite. mann macht und in sei- phone. „Das Internet beeinflusst mein kreatives ner Freizeit E-Gitarre Schaffen auf jeden Fall. Ich informiere mich viel Die Autorin in der Band „Coup d’ im Netz, finde neue Künstler, egal welcher Kunst- Birgit Jank ist Hochschullehrerin für Musikpädagogik Etat“ spielt. Außerdem form, die mir gefallen und die mich dann in und Musikdidaktik an der Universität Potsdam. Florian Thümmler veranstaltet er im klei- gewisser Weise auch beeinflussen.“

Zwischen Kreativität Musikmachen hat keinen Bandprojekt geheim und Job Anfang und kein Ende gehalten „Seit ich denken kann, Sie ist zur Musik über „Meine Eltern haben ist Musik ein wichtiger Kindheitserfahrungen mich – da muss ich um Bestandteil in meinem im Blues-Club ihrer El- die acht Jahre alt ge- Leben.“ Wenn Musik- tern gekommen. Heu- wesen sein – auf eine student Frederik Mo- te ist Lisa Hebestreit Musikschule geschickt, witz über Musik das eigene Musikma- wo ich Gitarre lernte“, spricht, dann hat er chen wichtig: „Bei der erinnert sich Max Ga- zwei Dinge im Auge: eigenen Musik schaf- lensa. „Sicher, es hat Selbstverwirklichung fe ich es, so richtig tief großen Spaß gemacht, und Job-Alltag. Lisa Hebestreit einzutauchen, sodass aber irgendwann wur- „Für mich ist die bei besonders ergrei- de es mir zu eintönig. kreative Gestaltung der fenden Texten, Melodien und Erinnerungen auch Ich wollte meine eige- Musik das Wichtigste“, mal eine Träne fließt.“ Wenn Lisa andere Songs ne Musik machen und sagt der klassische „covert“, dann sind Momente der Rührung so kam es, dass ich im Gitarrist, der seinen selten. Da geht es mehr um Geld verdienen. Alter von 14 Jahren mit Traum ursprünglich mit „Mit meiner jetzigen Band ‚Lisabon‘ machen drei Kumpels eine Band der Band „Outback“ wir derzeit eine Albumproduktion. Menschen, gründete. Wir trafen verwirklichen wollte. die unsere Musik hören, sollen sie auch verste- uns häufig im Keller „Da standen sich aber Frederik Mowitz hen, und wir wollen natürlich dabei Spaß ha- eines Jugendclubs. Max Galensa schnell Ansprüche und ben. Mein Geld verdiene ich nicht mit der Musik, Dort war auch das nö- finanzielle Realitäten unvereinbar gegenüber“, sondern mit Mathematik-Förderunterricht an der tige Equipment vorhanden, Schlagzeug, Ver- bedauert Frederik. So wurde er Mitglied der Schule.“ stärker, E-Bass.“ Coverband „Coolup“, die seiner Vorstellung von Lisas Sicht auf ihr Studium: „Das Musikleh- Obwohl er ein gutes Verhältnis zu seinen Musik aber wenig Spielraum lässt. „Immerhin rerstudium ist der Versuch, Musik in meinen Eltern hatte, hielt Max es nicht für nötig, sie ins kann ich so mein Studium finanzieren.“ Die Uni- Lebensalltag zu bringen. Ich werde gerne Leh- Bandprojekt einzubeziehen. „Ich weiß gar nicht, versität Potsdam sorgt für Ausgleich: Kommili- rerin, weil es Spaß macht und der freischaffen- ob ich ihnen überhaupt davon erzählt habe oder tonen formieren sich regelmäßig zu spontanen de Künstlerberuf einfach nie ein Ende und ei- ob sie es per Zufall herausgefunden haben. Sicher Combos, in der auch er seine Ideen umsetzen nen Anfang hat. Ich muss abschalten können, ist nur, dass sie bei unseren ersten Gigs nicht kann. sonst schleppe ich Riesensteine mit mir herum.“ im Zuschauerraum saßen, das kam erst später.“

 MUSIK ORUM 35 FOKUS

Lob gibt’s ja auch Berufsmusiker möchte manchmal ich nicht werden Mit Hut und einem Grinsen im Gesicht begrüßt In der Praxis sieht das bei Ronald Köhler so aus: uns Tino Welder vor der Mensa der Uni Pots- „Ich spiele in drei verschiedenen Bigbands, ei- dam: „Seit sieben Semestern studiere ich hier nem Landesjugendjazzorchester und einer Hip- Lehramt in den Fächern Musik und Latein. Auch HopBand. Berufsmusiker möchte ich aber nicht meine Eltern sind Lehrer, mit Musik sind sie werden.“ Das Leben sei ihm dann zu unstet, jedoch nie viel in Berührung gekommen.“ Tino „Heute liebe ich es, Jazzgitarre zu spielen, und es wäre schwerer, soziale Kontakte zu hal- ist da ganz anders. z. B. in der Bigband ‚Schwungkollegium‘ oder ten. „Da muss man immer dann arbeiten, wenn Mit zwölf Jahren begann sein musikalischer im Jazztrio ‚Hamati‘.“ Das Publikum des Thea- alle anderen frei haben.“ Werdegang. „Eine alte Gitarre von Bekannten terschiffs ist regelmäßig von seinem „Fressjazz“ Musikmachen nimmt schon seit der ersten weckte mein Interesse an der Musik.“ Bereits begeistert. „Bei der Mugge zählt vor allem der Klasse einen wichtigen Platz in seinem Leben mit 14 spielte er in Schüler-Rockbands, die es Spaß, außerdem wird das Taschengeld dadurch ein. So verwundert es nicht, dass er Musik auf heute allerdings nicht mehr gibt. „Pfui Teufel!“ aufgebessert“, sagt Tino und holt sich einen Lehramt studiert und nebenbei Saxofonunter- sagte Tino früher zu Jazz. Dann überzeugte ihn Kaffee. richt gibt. Über die größtenteils klassische Aus- sein damaliger Gitarrenlehrer von der „Genia- Auf die Frage, wie er es schafft, so viel Mu- richtung des Musikstudiums sagt er: „Es ist nicht lität dieser Stilrichtung“. sik neben dem Studium zu machen, antwortet mein Ding, aber es gehört dazu und ist auch er: „Zu Beginn habe ich so wenig musiziert wie gut so!“ Seiner Meinung nach sollte ein Musik- noch nie in meinem Leben, da dafür einfach lehrer nicht festgefahren, sondern offen für alle keine Zeit war. Seit dem dritten Semester habe Genres sein. ich meine Prioritäten geändert: Ich mache jetzt Seine mit Freunden gegründete HipHop- mehr Musik außerhalb der Uni.“ Mittlerweile Band „Bubble Session“ spielte im Rahmen der hat er sogar noch Zeit, einigen Schülern in der Coca-Cola Soundwave Discovery Tour 2009 und Musikschule „Harmonie“ Gitarrenunterricht zu bei „Rock am Ring“. Trotz des Erfolgs der Band geben. steht für ihn die Freude am Musizieren im Vor- Auf unsere letzte Frage nach seinen Misser- dergrund. Am Ende des Gesprächs erstaunte Tino folgen lacht er und sagt: „Fehler macht jeder, es nicht, als er sagt: „Heute fahr’ ich noch zum Welder aber Lob gibt’s ja auch manchmal.“ Saxofonworkshop!“

Lehrer und Musiker mit Internet als Musik- und Musikkultur des Leidenschaft verbinden Auftrittsbörse „zweiten Ichs“ „Jazz, das ist Freiheit, „Wir haben mit der Von Ole Grube, alias die doch einer be- Band ‚Excusez Moi‘ aus „Kapry“ vom Label stimmten Form folgt.“ zwei Gründen Musik „Hightek Music“, er- Vielleicht ist das der gemacht“, schildert Gi- fährt man, wie das so Grund, weshalb sich tarrist Lothar Neumann läuft im Untergrund. Oliver Fröhlich und der (20). „Zum einen hat- Denn wer der Meinung Jazz so gut verstehen. ten wir Freude am Mu- ist, Musikmachen lernt Freiheit lebt der Stu- sizieren, zum anderen man nur an einer dent für Musik- und brachte es Geld ein.“ Musikschule oder im Oliver Fröhlich Arbeitslehre der Uni Lothar Neumann Er erzählt, wie sie Mu- Ole „Kapry“ Grube Schulunterricht, der irrt Potsdam mit der Mu- sik der Gruppe auf My- gewaltig. Die heutige sik. „Musik ist einfach meine Leidenschaft“, sagt Space hochluden: „Unsere Zielgruppe steckte Jugend sucht sich auch andere Wege, drückt er. Und so findet man ihn auf „Open stage“- genau in diesem MySpace-Wahnsinn, den man sich in musikalischen Parallelwelten aus. „Viele Bühnen und bei Auftritten seiner Band „My little braucht, um sich bekannt zu machen. Unsere Jugendliche musizieren – meist angesteckt durch Django“. Der Gitarrist spielt mit seiner Forma- Intention war, den Fans Informationen zu lie- Schulfreunde – undercover unter Decknamen, tion vor allem Gypsy Swing, also die Jazzmusik fern und Auftritte zu bekommen.“ Das Veröf- stellen ihre selbst komponierte Musik mit 15 der Sinti. „Ich liebe aber auch 40er-Jahre-Jazz fentlichen von Musik übers Internet sei eine feine Jahren ins Netz bei Jappy & Co. oder auf eige- und Bebop.“ Sache, wenn man es als Sprungbrett nutzt. Vie- nen Websites“, erklärt Ole. „Berühmt werden Oliver will mit Herzblut Lehrer werden, des- le unbekannte Musiker hätten sich so einen wollen sie schon, aber nur unter ihresgleichen halb liegen seine Prioritäten ganz klar bei sei- Fankreis aufgebaut. Lothar betont: „Es ist wich- und ohne Wissen der Eltern. Ein Geheimnis, das ner Ausbildung. „Das Studium zu Ende zu füh- tig, die Profilpflege nicht zu vernachlässigen und sie von ihren Eltern abnabelt, ohne dass diese ren und meine pädagogischen Fähigkeiten zu stets neue Elemente einzubringen – das Publi- es merken.“ Die Geheimnistuerei ist produktiv: verbessern, steht für mich im Vordergrund und kum will unterhalten werden. Andererseits sollte Hightek Musik beweist das mit der CD Falscher gibt mir den Rahmen vor, in dem sich mein mu- man sich nicht zu lange und ausschließlich da- Stolz, ein Projekt mit dem Bildungsministerium sikalisches Tun derzeit bewegt.“ mit befassen. Mundpropaganda hilft auch.“ des Landes Brandenburg.

 36 MUSIK ORUM ˜ Landesmusikrat Hamburg Januar 2011 Fachtagung zum Thema „Singen Informationen aus den Projekten und Mitgliedsverbänden des Deutschen Musikrats mit Kindern“

Was können wir tun, damit im Alltag wieder mehr gesungen wird? Wie können Kinder (und Erwachsene) für das Singen be- geistert werden? Auf welchem Stand ist die wissenschaftliche Diskussion? Was gibt es für ak-

Fotos: Barbara Frommann Barbara Fotos: tuelle Modellprojekte? Diesen und anderen Fragen wird der Landesmusikrat Hamburg ge- meinsam mit ausgewählten Re- ferenten in einer zweitägigen Fachtagung nachgehen. Singen bringt Lebenslust. Sin- gen macht Spaß, ob allein oder mit anderen zusammen. Singen fördert das psychische und physische Wohl- befinden. Singen ist der Einstieg in die Musik. Die Fachtagung – Titel: „Singen mit Kindern: Singen im Alltag und als Kunst, Singen ist gesund“ – am Meister und Meisterschüler: Kurt Masur mit Kursteilnehmer Christoph Altstaedt bei den Bonner Beethoven-Proben. 4. und 5. Februar wendet sich an Erzieher und Lehrkräfte, an Chor- ˜ Dirigentenforum leiter und Gesangspädagogen, an Fulminanter Abschluss der Beethoven-Meisterkurse Mit Beethovens 9. Sinfonie schloss zweiten und Kang Ming Tan den drit- Das Hörerlebnis von Beethovens Kurt Masur in der Beethoven-Nacht ten Satz. Schließlich trat Masur selbst letzter Sinfonie in der Breslauer Phil- im Dezember 2010 den Zyklus sei- ans Pult und leitete den Finalsatz der harmonie im Sommer 1943, nach dem ner Beethoven-Meisterkurse für Sinfonie. Masur „tagelang nicht ansprechbar“ junge Dirigenten in Bonn ab. Zur Veranstaltung der Beethoven- und „wie abwesend durch die Stra- Drei junge Maestri hatte Masur für Meisterkurse für Dirigieren hatten sich ßen gelaufen“ war, löste nicht nur Ma- den fünften und letzten seiner Beet- 2006 die drei Bonner Kulturinstituti- surs Entschluss aus, Dirigent zu wer- hoven-Meisterkurse ausgewählt: Chris- onen Beethoven-Haus, Beethoven den, sondern prägt auch seine Be- toph Altstaedt, seit dieser Spielzeit Orchester und Deutscher Musikrat ziehung zu Beethovens Œuvre bis Kapellmeister an der Deutschen Oper zusammengeschlossen. In den Jahren heute. Er selbst sagt, dass er die Neunte am Rhein in Düsseldorf, die Litau- 2006, 2008 und 2009 ermöglichten nie mit Routine dirigiere, sondern jedes erin Mirga Grazinyte und Joshua Kang sie insgesamt 24 ausgewählten und Mal neu angehe. „Es war jedes Mal Fachkräfte in der Kinder- und Ju- Ming Tan aus Singapur. Alle drei kann- größtenteils vom Dirigentenforum des mein Antrieb, dem Chor, den Solis- gendarbeit, an Sänger aus der pro- te Masur bereits aus den vergange- Musikrats geförderten Dirigenten die ten, dem Orchester klarzumachen, dass fessionellen Musik und der Laien- nen Kursen, die er seit 2006 leitete. Chance, an einem Meisterkurs unter es Menschen gibt, die die Neunte musik sowie an alle Interessierten. Als Abschluss und Höhepunkt brachte der Leitung von Kurt Masur teilzu- wieder neu hören wollen und müs- Der Kongress wird veranstaltet er nun Beethovens Neunte mit sei- nehmen. Auf dem Programm der sen, als ob sie sie zum ersten Mal hören. vom Landesmusikrat Hamburg in nen jungen Kollegen zur Aufführung: Kurse standen Ludwig van Beetho- Es ist meist auch gelungen.“ Zusammenarbeit mit der Hochschu- Altstaedt machte den Auftakt mit dem vens Sinfonien Nr. 1 bis 8. Die Neunte Diese Erfahrung und diesen Re- le für Musik und Theater Hamburg, ersten Satz, Grazinyte dirigierte den bildete nun den krönenden Abschluss. spekt vor Beethoven vermittelte Kurt dem Deutschen Musikrat und dem Masur den drei jungen Dirigenten Verband deutscher Musikschulen während der Probenarbeit, die wie Neue Einblicke in Partituren: Masur mit seinen jungen und unterstützt von der Techniker in den vergangenen Jahren öffentlich Maestri in der „Beethoven-Werkstatt“. Krankenkasse. war und begeistert vom Bonner Pub- likum verfolgt wurde. Ebenfalls öffent- www.landesmusikrat-hamburg.de lich war eine vorbereitende „Beetho- ven-Werkstatt“ im Beethoven-Haus. Die Musikwissenschaftlerin Beate An- INHALT: gelika Kraus, die mit der Herausgabe der 9. Sinfonie betraut ist, gab hier Neues aus den Projekten Einblicke in die aktuellen Forschungs- Seiten I–X ergebnisse und Anregungen für die Auseinandersetzung mit den Kompo- Neues aus den Verbänden, sitionen Beethovens und für neue In- Landesmusikräten und terpretationsansätze. Bundesfachausschüssen Mehr zum Dirigentenforum S. 2 ! Seiten XI–XVI Dirigenten-Training ohne Taktstock Ein Dirigent muss sich nicht nur vor dem Orchester behaupten kön- nen, er muss auch im Umgang mit Intendanten, Orchestermanagern und Agenten Taktgefühl an den Tag legen. Um dies zu trainieren, fand im Oktober im Rahmen der Dirigentenforum-Akademie ein Work- shop zu Selbstmanagement und Selbstvermarktung statt, für dessen

PROJEKTE Leitung erneut Kathrin Hauser-Schmolck (Kultur und Projekte Mün- chen) gewonnen werden konnte. An zwei Tagen erarbeiteten die (Leiter der Hauptabteilung Orches- teilnehmenden Stipendiaten verschie- ter und Chor des WDR) und Andre- dene Themenbereiche, die von Selbst- as Braun (Geschäftsführer Konzert- präsentation und Gesprächsführung büro Andreas Braun) den jungen über Networking bis hin zur Verhand- Dirigenten Frage und Antwort. Nach lung von Gagen und Honoraren reich- dem abendlichen Konzert in der Phil- ten. In Einzelberatungen ging Kath- harmonie mit dem Gewandhausor- rin Hauser-Schmolck anschließend auf chester und Herbert Blomstedt fan- individuelle Bedürfnisse und speziel- den sich alle noch einmal im Großer Erfolg in London: Wettbewerbspatron Prinz Edward, Duke of Kent, le Fragen der Teilnehmer ein. Künstlerfoyer ein, um die Gespräche mit Donatella Flick und den drei Finalisten Ken-David Masur (links), Clemens Im Anschluss an die Workshops bei einem Kölsch fortzusetzen. Schuldt (Mitte) und Kristiina Poska (rechts). Foto: Chris Christodoulou im Bonner „Haus der Kultur“ ging es Am dritten Akademie-Tag stand nach Köln, wo Louwrens Langevoort, ein Besuch beim Schott Verlag in Intendant der Kölner Philharmonie Mainz auf dem Programm. Auf Ein- Sieg bei internationalem Wettbewerb und Mitglied im Beirat Dirigenten- ladung von Christiane Krautscheid, Clemens Schuldt, Stipendiat im chestra verbunden, das auch Wett- forum, „sein“ Konzerthaus als Ge- Unternehmenssprecherin und verant- Dirigentenforum des Deutschen bewerbsorchester war. Während dieser Musikrates, hat das Finalkonzert Zeit wird Schuldt dem Chefdirigen- des Internationalen Donatella-Flick- ten Valery Gergiev sowie Gastdirigen- Dirigierwettbewerbs 2010 für sich ten des Orchesters wie Sir Colin Davis entschieden. und Daniel Harding assistieren. Er Von insgesamt 20 Wettbewerbs- übernimmt auch selbst Dirigate des teilnehmern aus aller Welt standen London Symphony Orchestra. nach zwei Wertungsrunden die drei Bereits 2008 hatte mit David Af- Finalisten fest, die im entscheidenden kham ein Stipendiat des Dirigenten- Abschlusskonzert das London Sym- forums den Donatella-Flick-Wettbe- phony Orchestra in der Barbican Hall werb gewonnen. Afkham hat seitdem dirigieren durften. Unter den Finalis- international Karriere gemacht. ten war neben Clemens Schuldt auch Der 1982 geborene Gewinner die estnische Dirigentin Kristiina Poska, Clemens Schuldt studierte zunächst die ebenfalls Stipendiatin im Dirigen- Violine an den Musikhochschulen in tenforum ist. Mit seinem Dirigat von Dresden und Düsseldorf, bevor er Wagners Vorspiel und Liebestod aus 2008 sein Dirigierstudium aufnahm. Tristan und Isolde und Strauß’ Fleder- Nach Stationen in Düsseldorf und maus-Ouvertüre überzeugte Schuldt Wien ist er seit 2010 Schüler von die Jury und nahm nach dem Kon- Nicolás Pasquet an der Hochschule zert die Auszeichnung entgegen. für Musik „Franz Liszt“ in Weimar. Mit dem mit 15000 Pfund do- Ebenfalls seit 2010 wird Schuldt vom tierten Preis ist eine zweijährige As- Dirigentenforum des Deutschen sistenz beim London Symphony Or- Musikrates gefördert.

Hochdotierter Deutscher Dirigentenpreis Am 7. Mai wird im Konzerthaus Berlin zum dritten Mal der Deutsche Dirigentenpreis an einen herausragenden Stipendiaten des Dirigen- tenforums vergeben. Einblick in ein Musikverlagshaus: Die Dirigentenforum-Stipendiaten Antonio Der hochkarätigen Jury gehören neben Lothar Zagrosek (Chefdirigent Méndez, Alexey Vasilenko, Justus Thorau und Alexander Merzyn ließen sich Konzerthausorchester und Vorsitzender im Beirat Dirigentenforum) u. a. Peter von Unternehmenssprecherin Christiane Krautscheid (von links) die Noten- Gülke, Jorma Panula herstellung bei Schott in Mainz erklären. Foto: Andrea Meyer-Borghardt und Gerd Uecker an. Der Deutsche Dirigen- sprächsforum für die Stipendiaten wortlich für den Programmbereich tenpreis wurde 2006 in öffnete. Eine Führung durch die Phil- Opern, Konzertwerke, Film und der Berliner Philharmo- harmonie gab vorab einen umfassen- Werbung, erhielten die Stipendiaten nie zum ersten Mal ver- den Einblick in Architektur und Funk- einen Einblick in das traditionsreiche geben. Mit 35000 Euro tionalität des imponierenden Gebäu- Verlagshaus. Krautscheid selbst führ- Preisgeld und umfang- des. In der anschließenden Gesprächs- te durch die historischen Räume, er- reichen weiteren Förderungsmaßnahmen durch Gastdirigate ist er einer der runde wurden die in den Workshops läuterte den Prozess der Notenher- höchstdotierten Dirigentenpreise in Europa. Der entscheidende Unterschied erarbeiteten Themen mit Personen aus stellung und konnte mit der einen oder zu anderen Dirigierwettbewerben ist, dass nicht ausschließlich der kurze Au- der Praxis diskutiert. Dabei standen anderen Verlags-Anekdote erfreuen. genblick des Wettbewerbs, sondern auch die künstlerische Arbeit der Kandi- neben Louwrens Langevoort Berenike Andrea Meyer-Borghardt daten über einen mehrjährigen Zeitraum hinweg die Teilnahme am Wettbe- Jürgens (ZAV Berlin), Christoph Stahl ¿ werb und die Zuerkennung des Preises rechtfertigt. ¿

DMR aktuell II PROJEKTE ˜ Bundesjugendorchester Die Messlatte ˜ Jugend musiziert liegt hoch Von Klavier bis Popgesang: „Jumu – die 48ste“ startet Angespannte Stimmung. Jugend- mit 20000 jungen Talenten Wenn Sie diese Zeilen lesen, rollt liche gehen nervös mit ihren Ins- die Welle! Denn „Jugend musi- trumenten auf und ab. Man hört ziert“ startet 2011 zum 48. Mal. unruhiges Flüstern und kann die Im Januar und Februar finden die Aufregung förmlich spüren. mehr als160 Regionalwettbewer- be „Jugend musiziert“ statt. Alljährlich stellen rund 120 junge Was in pädagogischen Termini Musiker ihr Können beim Probespiel „Findung und Sichtung des musi- des Bundesjugendorchesters (BJO) kalischen Nachwuchses“ heißt, be- unter Beweis. Sie haben wochenlang deutet für die teilnehmenden Kin- geübt und eine weite Reise quer durch der und Jugendlichen praktisch, das Deutschland unternommen. Dies al- über Wochen und Monate geübte les für den einen Moment, in dem Musikprogramm auf einer Bühne sie vor der Jury stehen und alles ge- und vor einer Fachjury vorzuspie- ben, um im BJO mitspielen zu dür- len und dafür eine Bewertung zu fen. erhalten. Wer das wagt, hat Aus- Auf den Fluren der Mannheimer dauer, Konzentration und eine große Musikhochschule, 2010 Austragungs- Portion Mut bewiesen. Mehr als ort der Probespiele, begegnet man auch 20000 Kinder und Jugendliche dür- traurigen und verärgerten Gesichtern. fen ihn sich bescheinigen lassen. „Beim Üben hat das immer viel bes- Wer den Regionalwettbewerb ser geklappt!“ oder „Die Klavierbe- mit 23, 24 oder gar 25 Punkten ab- gleitung hat mich total aus dem Takt solviert, also einen ersten Preis „mit gebracht!“ So versuchen viele der Weiterleitung“ erhält, wird zu den Musiker – ein Großteil hat bereits Siege Landeswettbewerben eingeladen, bei „Jugend musiziert“ eingeholt – ihre die die 16 Bundesländer anschlie- kleinen Fehler zu rechtfertigen. Alle ßend im März und April veranstal- wissen, die Messlatte liegt hoch. Wer ten. Die 1. Landespreisträger „mit hier besteht und Mitglied im Bundes- Weiterleitung“ werden dann die jugendorchester wird, hat gute Chan- Teilnehmer am Bundeswettbewerb cen ein erfolgreicher Musiker zu wer- 2011 in Neubrandenburg/Neustre- den. litz sein. Alle Wertungsspiele auf re- Doch die Stimmung in Mannheim gionaler, Landes- und Bundeseben ist freundschaftlich, solidarisch und vie- sind öffentlich, der Eintritt ist frei. le sind mit ihrer Leistung zufrieden. Auf www.jugend-musiziert.org kann Einige haben mit ihrer Selbsteinschät- man sich über die Termine der zung recht und gehören zum glückli- Wettbewerbe und die Zeitpläne der chen Drittel der Kandidaten, denen diversen Wertungsspiele informie- mitgeteilt wird, dass sie das Probespiel ren und auch die Ergebnislisten stu- bestanden haben. Ihnen konnte schon dieren. Von dieser Welle sollten Sie zur Januar-Tournee die erste Förde- sich unbedingt mitreißen lassen! ¿ rung durch das Bundesjugendorches- ter zuteilwerden. Aber auch für die anderen Teil- nehmer war die Anreise nicht umsonst. ˜ Europäische Musikbörse hat viele weitere interessante Musi- Sie werden ihr Ergebnis analysieren kerpersönlichkeiten und deren Pro- und an sich arbeiten. Viele wollen es Weißrussische Klänge an der Elbe jekte auf die Website gebracht. Die im nächsten Jahr erneut probieren. Internationalität der Kommunikations- Valeria Kuhn ¿ Einmal im Jahr tritt die Europäi- Bis dahin unterstützt die Europä- und Austauschplattform nimmt da- sche Musikbörse nicht nur virtu- ische Musikbörse den europaweiten mit beständig zu. ell in Erscheinung: Jeweils zum Tag musikalischen Austausch weiterhin Weitere Entwicklungen der Web- Konzerte und Programme der Musik führt sie Musiker aus durch sein bestehendes Internetan- site beinhalten aktualisierte, auf die des Bundesjugendorchesters bestimmten Teilen Europas zusam- gebot. Unter www.music-connects.eu Zielgruppe abgestimmte Banner, im Frühjahr 2011 men, die die jeweilige Musik ih- treffen täglich polnische Chöre auf Verbesserungen in der Navigation so- res Heimatlandes präsentieren. baden-württembergi- 25. April: Garmisch-Partenkirchen Nach einem erfolgreichen Debüt sche Sängerknaben, 29. April: Köln 2010 in Kooperation mit dem Lan- italienische Kompo- 30. April: Waiblingen desmusikrat Nordrhein-Westfalen und nisten auf tschechi- 1. Mai: Landau in der Pfalz mit Vokalmusik aus Litauen wird es sche Blues-Bands, ein 2. Mai: Düsseldorf 2011 eine Veranstaltung in Zusam- französischer Bass- 3. Mai: Berlin menarbeit mit dem Landesmusikrat Bariton auf eine österreichische Har- wie eine Google-Maps-Einbindung zur Hamburg geben. Ein Ensemble aus fenistin oder ein finnisches folkloris- leichteren Lokalisierung von Veran- Dirigent: Hermann Bäumer Weißrussland ist am Wochenende des tisches Vokalensemble auf einen staltungen. Zukünftig werden User Programm: Anton Bruckner, Tags der Musik im Juni eingeladen, Kölner Kammerchor. Die noch 2010 zudem die Möglichkeit haben, ihre Sinfonie Nr. 8 typische Klänge seiner Heimat in die erfolgte Öffnung der Internetplattform Profile durch Video- und Audioda- Stadt an der Elbe zu bringen. für Musikschaffende in ganz Europa teien zu ergänzen. ¿

DMR aktuell III talente in beeindruckender Weise vorführten. Verteilt über den Raum beende- ten die jungen Musiker das Konzert mit der extra für das Henze-Projekt „Europas junger Klang“ komponier- ten Uraufführung der Mexican Polka

PROJEKTE Stefan Hakenbergs. Erstmals Frau am Bandleader-Pult Die 47. Arbeitsphase des Bundes- jazzorchesters findet unter der Lei- tung von Maria Baptist vom 6. bis 14. März in der Bundesakademie für musikalische Jugendbildung ˜ Bundesjazzorchester Institution der Nachwuchsförderung: Trossingen statt. Preisgeber und Preisträger gemein- Großstädte faszinieren die Berli- sam auf der WDR-Bühne. nerin Maria Baptist besonders. Die WDR-Jazzpreis für BuJazzO-Nachwuchs Fotos: Lutz Voigtländer Professorin für Komposition und Arrangement an der Hochschule für Der WDR Jazzpreis in der Kate- allen zentralen Stellen im Musikge- Musik „Hanns Eisler“ in Berlin bringt gorie „Jazz-Nachwuchs“ wurde im schäft zu finden sind. Sie spielen in „drums ’n’ brass daher für das BuJazzO das Programm den Rundfunk-Big Bands, sind als Live- Rahmen der jazz.cologne im WDR in outerspace“ „City Grooves“ mit, das die unter- Funkhaus Köln an das Bundesjazz- oder Studiomusiker, Arrangeure, schiedlichen Aspekte und Lebensge- orchester (BuJazzO) verliehen. Komponisten, mit eigenen Ensembles Im Rahmen der Ruhrhauptstadt fühle einer Großstadt widerspiegelt. Karl Karst, WDR3-Programmchef, und nicht zuletzt als Lehrer und Pro- 2010 spielte das BuJazzO gemein- Mit Maria Baptist (Bild) wird das überreichte die Urkunde an den Vi- fessoren tätig. Die Basis ihres Schaf- sam mit dem NRW-Perkussion- BuJazzO erstmals von einer Frau ge- zepräsidenten des Deutschen Musik- fens jedoch ist und bleibt der Jazz in ensemble Splash auf dem Festival leitet, die auch eine Reihe von Do- rates, Hartmut Karmeier, Dirigent seiner kreativen und innovativen Form. „Europas junger Klang“, auf dem Marko Lackner und Projektleiter Pe- Am Abend der Preisverleihung sich neben dem Bundesjazzorches- ter Ortmann. Karmeier bedankte sich erklangen ausschließlich Kompositi- ter alle Spitzen-Jugendensembles im Namen des Musikrates und des onen für das BuJazzO. Das Ensemble des Landes Nordrhein-Westfalen BuJazzO für die Ehrung, indem er – präsentierte Werke der drei ersten präsentierten. wie schon Karl Karst in seiner Begrü- Preisträger des BuJazzO Kompositi- Dirigent Niels Klein, der zu einem ßung – die große Bedeutung von onspreises 2010, die WDR Big Band der profiliertesten jungen Musiker der musikalischer Bildung und Förderung spielte Stücke von Stephan Schultze deutschen Jazzszene gehört und bereits

für unsere Gesellschaft und deren (Preisträger WDR Jazzpreis Kompo- zahlreiche Preise für seine Komposi- © Maria Baptist Entwicklung hervorhob. sition) und des Preisträgers für Impro- tionen erhielt, führte mit seinen Kom- Seit 20 Jahren ist das BuJazzO die visation, Frederik Köster, selbst ein positionen die Nachwuchs-Jazzer und Institution in der Nachwuchsförderung, ehemaliges Mitglied des BuJazzO. Last die besten der Perkussionszene in an der im Jazz niemand vorbei kommt. but not least spielte das BuJazzO die NRW zusammen. Stark beeinflusst von Unter der langjährigen Leitung von Komposition Filibuster seines langjäh- Science-Fiction-Literatur, spacig und zentinnen mit in die Arbeitsphase Peter Herbolzheimer entwickelte sich rigen Leiters Peter Herbolzheimer, experimentell präsentierten die bei- bringt. Das BuJazzO möchte hiermit das Jazzorchester zu einer Kader- dessen Witwe Gisela Herbolzheimer den Ensembles seine Stücke wie Sky ausdrücklich auch die bisher zahlen- schmiede von Musikern, die heute an den Ehrenpreis entgegen nahm. Lift und 14th Voyage. Sie erzählten mäßig unterrepräsentierten talentierten Geschichten über einen Raketenstart jungen Jazzerinnen ansprechen und oder Ereignisse wie einen Meteori- ermutigen, den Weg in die professio- WDR Big Band übernimmt Patenschaft tenhagel, den die jungen Ausnahme- nelle Szene zu finden.

Bei der Verleihung des WDR Jazz- Karst, Christoph Stahl und Lucas preises besiegelte das BuJazzO auch Schmid für die WDR Big Band nah- seine Patenschaft mit der WDR Big men die Urkunde aus den Händen Band. von Hartmut Karmeier (Deutsche Von erfahrenen Musikern lernen, Orchestervereinigung) und Ulrich von jungen neue Impulse bekommen: Wüster (Jeunesses Musicales) entgegen. Mit der Vermittlung von „Tutti Pro Seinen „Paten“ kennt das Bundes- Orchesterpatenschaften“ zwischen jazzorchester schon lange: Vor allem jungen und Profiorchestern verleiht als Dozenten in Arbeitsphasen wirk- die „Jeunesses Musicales“ zusammen ten viele Mitglieder der WDR Big Band mit der Deutschen Orchestervereini- an der Entwicklung des Jazznachwuch- gung diesem Ziel Nachdruck. Leben- ses mit. Künftig sollen die beiden dige Kontakte zu Profimusikern auf- Orchester noch enger aneinander- zubauen und nachhaltig zu gewähr- rücken. leisten, ihren Erfahrungsschatz zu Als erste gemeinsame Bühne nutz- nutzen und gleichzeitig den jungen ten die beiden Orchester, beide un- Jazznachwuchs an die professionelle ter der Leitung von Marko Lackner, Jazzszene heran zu führen, ist auch die Verleihung des WDR Jazzpreises ein Anliegen des Bundesjazzorches- und zeigten, welches Potenzial in dieser Besiegelten die Tutti Pro-Orchesterpatenschaft (v. r.): Peter Ortmann, Ulrich ters. Projektleiter Peter Ortmann, Karl Liaison steckt. Wüster, Hartmut Karmeier, Lucas Schmid, Christoph Stahl und Karl Karst.

DMR aktuell IV © Deutsche Welle

PROJEKTE ˜ PopCamp Wiedersehen im Arbeitsphase mit Katalysator-Effekt PopCamp-Forum

Müde, aber glückliche Gesichter musikalischen Arbeit auch ein volles Es gab viel zu erzählen unlängst waren zum Ende des fast vierstün- außermusikalisches Coachingpro- beim PopCamp-Forum in Bonn, digen Konzerts der diesjährigen gramm. Lothar Scholz machte den Treffpunkt vieler PopCamp-Betei- PopCamp-Staffel in der Kulturbrau- Bands die Bearbeitung von Unterla- ligter. Der Einladung des Projekts erei Berlin zu sehen. Es war ein gen der GEMA, GVL und KSK ver- gefolgt waren Teilnehmer, Dozen- gelungener Abschluss der ersten ständlicher und schmackhaft. Durch ten und Partner, die seit Projekt- beiden Arbeitsphasen des Projekts, lange intensive Gespräche mit den beginn 2005 auf verschiedene Art bevor es im Frühjahr für die Bands Bands brachte Dozentin Anke Rüme- und Weise mit dem PopCamp ver- Jona:S, Marie & the redCat, Max napp (Medias Consulting) die Mit- bunden waren und sind. Prosa, The Bonny Situation und glieder dazu, ihre interne Kommuni- Die Begegnung begann in kleiner Trinity Lane in die dritte und letz- kation und Ziele zu reflektieren. Runde mit einem Austausch von te Runde der Förderung geht. Darüber hinaus bereitete sie die Bands, Dozenten und Organisations- Die jüngsten Teilnehmer Trinity Musiker durch ein Medientraining auf team. Im Mittelpunkt standen die Lane hatten die schwere Aufgabe, das die Arbeit mit der Presse vor. Am Ende Fragen, was nach dem PopCamp Musik meets Sport: Konzert zu eröffnen. Sie meisterten brachten die Bands bandinterne und passiert sei, ob die Bands Erfahrun- dies mit Bravour und brachten die externe Zukunftsversionen zu Papier. gen anwenden konnten und wo nun „JazzKicks“ Menge sofort zum Tanzen. Im An- In Zusammenarbeit mit Kai Thom- Baustellen seien, die möglicherweise schluss regte Max Prosa das Publikum sen, der die Bands im Vorfeld in Mar- die weitere Entwicklung der einzel- Es war eine Begegnung der beson- mit seiner Lyrik zum Nachdenken an. keting und Controlling geschult hat- nen Bands behindern könnten. Im deren Art. Ein Zusammentreffen Als Berliner war er an diesem Abend te, wurde für die Bands ein Marke- Anschluss erklärte Christian Baierle von Sport und Musik, aber auch gewissermaßen Lokalmatador, die tingspiel veranstaltet. In diesem muss- (Roba Musikverlag, Vorstand DMV) von westlichen und arabischen, anderen Bands standen ihm musika- ten die Teilnehmer ihr gelerntes Wis- den Anwesenden die Aufgaben ei- genauer gesagt, bahrainischen Tra- lisch und in ihrer Performance aber sen sofort anwenden und einer an- nes Musikverlags und zeigte insbe- ditionen. in nichts nach. Marie & the redCat deren Band ein Marketingkonzept sondere die Unterschiede zwischen Im Oktober richtete das Auswär- als dritter Act schafften durch die wei- ausarbeiten. So konnten sowohl der Arbeit eines Verlags und eines tige Amt gemeinsam mit der Gene- Labels auf. ral Organization for Youth and Sports Abends ließen ehemalige Teilneh- von Bahrain den „Women’s Football mer das Forum in der Harmonie in Cup Arabia 2010“ aus und entsandte Bonn musikalisch ausklingen. Abel & gemeinsam mit der Deutschen Wel- Cain hatten gerade zu Beginn des le ein deutsches Frauen-Jazzensemble, Jahres das Förderprojekt erfolgreich das unter dem Motto „JazzKicks – Eine absolviert und spielten nun – kaum interkulturelle Begegnung von Musik ein Jahr später – wieder für das Pop- und Sport“ einige der Spiele musika- Camp. Ihre Britrock-Klänge gingen lisch begleitete. über in den powergeladenen Rock Das 12-köpfige „German Women von Nulltarif. Die Band war spontan Jazz Orchestra“ – bestehend aus ak- eingesprungen und begeisterte das tuellen und ehemaligen Musikerinnen Publikum mit Humor und erfrischen- des BuJazzO und speziell vom Jazz- den Texten. Der anschließende Auf- büro des Deutschen Musikrates für tritt von The Intersphere bildete gleich- diese Reise zusammengestellt – er- zeitig den Auftakt zur Tournee der öffnete das Turnier im Al-Ahli-Stadi- Band quer durch Deutschland. Die on Manama. Unter der Leitung der eingängigen, sphärischen Melodien, Jazzmusikerin und ECHO-Preisträgerin kombiniert mit der Härte von Schlag- Angelika Niescier erklangen neben Abschluss von zwei Arbeitsphasen: Marie & the redCat beim Konzert in der zeug und Gitarre, ergaben den beson- einer für diesen Anlass von Niescier Berliner Kulturbrauerei. Foto: Jonathan Gröger deren Mix, den The Intersphere bereits komponierten Hymne mit jazzigen seit längerem erfolgreich auf deutschen und traditionell arabischen Elemen- che Stimme der Sängerin Lisa Neu- Methoden verinnerlicht als auch neue Bühnen präsentieren. ten auch Eigenkompositionen der mann und das perfekte Zusammen- Impulse für die eigene Vermarktung renommierten Ensembleleiterin. spiel der Musiker eine angenehme, gegeben werden. Während des Aufenthalts im Kö- gemütliche Atmosphäre. Darauffol- Die Arbeitsphase hatte also ein nigreich Bahrain traf das Ensemble mit gend hatte die Band Jona:S mit tech- straffes Programm, das aber aus Sicht bahrainischen Musikern zu einem nischen Problemen zu kämpfen. Sän- des künstlerischen Leiters Henning mehrtägigen Workshop zusammen. ger Jonas Schubert musste freestylen, Rümenapp einen Katalysator-Effekt Dabei studierten die deutschen und hatte damit aber das Publikum auf auslöste: „Die Bands legen innerhalb Begleitet wurde der Abend durch bahrainischen Künstler gemeinsam seiner Seite. Schließlich brachten auch kurzer Zeit eine Entwicklung zurück, den langjährigen Medienpartner D- Werke ein und lernten so die jeweils sie mit Synthies und Beats die Zu- für die sie normalerweise Monate be- zentral, der nicht nur die Auftritte der anderen musikalischen Wurzeln und schauer in Bewegung. Der Abend nötigen.“ Bands filmte, sondern Dozenten, Part- Traditionen kennen. Ergebnisse der endete in einer mystischen Atmos- So gab es am Ende neben viel ner und Musiker zu ihren bisherigen Probenarbeit erklangen bei einem phäre im nautischen Set von The Müdigkeit vor allem Zufriedenheit bei Erlebnissen und Erfahrungen zum Konzert in Manamas Cultural Hall. Bonny Situation. den Bands. Benjamin Peters, Sänger PopCamp befragte. So gaben unter Initiator des Projekts war die Deut- Dem Konzert vorausgegangen der Band The Bonny Situation, zog anderem Unternehmensvertreter von sche Welle, die im Auftrag des Aus- war eine Arbeitsphase in der Landes- schon vor Ende der gesamten Förde- BOSE und Amplifon Statements zu wärtigen Amtes wirkte. Vor Ort un- musikakademie Wolfenbüttel. Zum rung ein begeistertes Resümee: „Bei ihrem Engagement für das PopCamp terstützten die deutsche Botschaft und ersten Mal seit der Eröffnung der Aka- den Arbeitsphasen haben wir viel von ab. Das Bonner Hochschulradio die Polizeiband des Bahrainischen demie im vergangenen Jahr wurden den Dozenten, aber auch viel über Radio96acht übertrug die Veranstal- Innenministeriums die Begegnung von die Räume mit Popklängen gefüllt. Auf uns selbst gelernt. Kurzum: Wir hat- tung live in Rundfunk und Internet. Sport und Musik. ¿ die Bands wartete diesmal neben der ten unvergessliche Tage!“ Nathalie Braun ¿

DMR aktuell V ˜ Deutscher Orchesterwettbewerb Schwerin swingt Hildesheim empfängt 5000 Musiker Nach Jena im Jahr 2009 wird der Deutsche Orchesterwettbewerb Die Stadt Hildesheim ist 2012 staltern und Kultureinrichtungen die den 4. Bigbandleiter-Workshop Austragungsort des 8. Deutschen Veranstaltungsorte festzulegen. Der unter der Leitung von Jiggs Whig- Orchesterwettbewerbs (DOW). Deutsche Orchesterwettbewerb wird ham vom 26. April bis 2. Mai zum PROJEKTE Der Deutsche Musikrat, der den seit 1986 in den folgenden 15 Kate- zweiten Mal in den neuen Bun- renommierten Wettbewerb alle gorien ausgetragen: Sinfonieorches- desländern veranstalten. vier Jahre ausrichtet, wählte die ter und Kammerorchester (jeweils mit Die Teilnehmer finden am Goe- Stadt Hildesheim aufgrund der her- einer gesonderten Jugendkategorie), the-Gymnasium Schwerin optimale vorragenden Infrastruktur und Blasorchester und Jugendblasorches- Bedingungen vor und erhalten die Qualität der Veranstaltungsorte. ter, Blechbläserensembles, Spielleute- Möglichkeit, mit zwei Bigbands (Ju- Beim 8. Deutschen gendliche und Erwachsene) eine Wo- Orchesterwettbewerb che lang zu proben. Gastgeber wird werden rund 5000 die Bigband am Goethe-Gymnasium Musiker aus 16 Bundes- Schwerin (BAGGS) sein, die bereits ländern in 15 Katego- an mehreren Deutschen Orchester- rien und in etwa 128 wettbewerben erfolgreich teilgenom- Ensembles und Orches- men hat. tern um Auszeichnun- Bigbands haben in den vergange- gen kämpfen. Der Wett- nen Jahren stetig an Bedeutung ge- bewerb wird eine Woche lang, vom korps, Zupforchester, Zitherensembles, wonnen und sind an allen Institutio- 12. bis 20. Mai, das Geschehen in Gitarrenensembles, Akkordeonorches- nen des musikalischen Lebens wie der Stadt Hildesheim bestimmen. ter (mit einer gesonderten Jugendka- Schulen und Musikschulen, aber auch Bereits im April 2010 bewarb sich tegorie), Jazzorchester und Offene in der freien Szene nicht mehr weg Hildesheim als Austragungsort des Besetzungen. zu denken. Viele Leiter haben selbst Orchesterwettbewerbs 2012. Nun hat Weitere Informationen: in diesen Bands gespielt, aber in den sich die Stadt erfolgreich gegen www.musikrat.de/dow seltensten Fällen eine Ausbildung oder insgesamt zwei Mitbewerber durch- gesetzt. In einer umfangreichen Be- werbungsschrift und einem ausführ- lichen Ortstermin konnten der Oberbürgermeister und Hildesheim Marketing den Deutschen Musikrat Leitet den von den Qualitäten und Vorzügen der Bigbandleiter- Stadt als Austragungsort für den Or- Workshop in Schwerin: Orchestermusiker im Wettstreit um chesterwettbewerb überzeugen. Posaunist Jiggs die begehrten Auszeichnungen: Nun gilt es, in Kooperation mit Whigham. Beim letzten DOW, 2008 in Wupper- den Hotels die Unterbringung der tal (Foto), wurden 43 Ensembles aus- Musiker in Stadt und Region sicher- Foto: Tobias Stepper gezeichnet. Foto: Jan Karow zustellen und gemeinsam mit Veran-

ein Coaching in diesem Bereich er- halten. Ziel des Workshops ist es, ei- nen Austausch über bigbandspezifi- Online-Dossier zum sche Herausforderungen in Gang zu setzen und das eigene Verhalten in Thema „Kirchenmusik“ Bezug auf Bewegung und Körper- sprache von einem renommierten Das Deutsche Musikinformations- tigt und wie gestaltet sich ihre Ausbil- werbe und Preise, Festivals, Musik- Profi überprüfen zu lassen. So sollen zentrum (MIZ) hat anlässlich der dung? Diese und weitere Fragen be- verlage mit Schwerpunkt Kirchenmu- die Teilnehmer wichtige neue Impulse vom Deutschen Musikrat und den antwortet das MIZ durch eine um- sik sowie Zeitschriften und Jahrbücher. für die eigene Probenarbeit erhalten. beiden großen Kirchen initiierten fangreiche Zusammenstellung wich- Das MIZ hat hierzu über 500 Institu- Zusätzlich wird Assistent Martin Ger- Aktion „Einheit durch Vielfalt – Kir- tiger Informationsquellen. Einen Ein- tionen aus seinen Datenbanken un- wig auf individuelle Probleme der che macht Musik“ ein umfangrei- stieg in das Thema bietet dabei ein ter inhaltlich systematische Kriterien Teilnehmer eingehen. ches Online-Dossier zum Thema Kurzbeitrag von Stefan Klöckner, zusammengestellt. Zahlreiche Statis- Jiggs Whigham gilt weltweit als einer „Kirchenmusik in Deutschland“ Professor für Musikwissenschaft mit tiken und Grafiken insbesondere zum der renommiertesten Jazzposaunisten, veröffentlicht. dem Schwerpunkt Gregorianik und Ausbildungsbereich ergänzen das Bigbandleiter und Jazzpädagogen. Das Dossier bietet einen Überblick Geschichte der Kirchenmusik an der Angebot des Dossiers. Die Themen Zurzeit leitet er die BBC Bigband in über die institutionelle Infrastruktur Folkwang Universität der Künste in „Ausbildungsstätten für Kirchenmu- London. Bis 2006 leitete er als „Pro- der Kirchenmusik und präsentiert die Essen. Der Text ist eine komprimier- sik“ sowie „Orgel- und Harmonium- fessor auf Lebenszeit“ die Abteilung wichtigsten Daten und Fakten über te Fassung eines ebenfalls im Dossier bau“ werden zudem in topografischen für Popularmusik an der Hanns Eis- die Anzahl von Musikern, Chören und verfügbaren 10-seitigen Einführungs- Darstellungen visualisiert. Abgerundet ler Hochschule für Musik in Berlin. Instrumentalensembles sowie den beitrags zum Thema, der Strukturen wird das Angebot durch eine Samm- Whigham war außerdem Leiter der Bereich der kirchenmusikalischen Aus- und Entwicklungen der Kirchenmu- lung wichtiger regionaler und über- Schweizer Radio Band (Radio DRS). bildung. sik in den letzten Jahre beleuchtet. regionaler Dokumente bestehend aus Von 1995 bis 2000 dirigierte er als Wie ist die Kirchenmusik in Darüber hinaus bietet der Fokus Stellungnahmen, Erklärungen und künstlerischer Leiter die RIAS Big Band Deutschland organisiert? Welche zur Kirchenmusik in Deutschland ei- Positionspapieren. Berlin. Als Posaunist spielte er u. a. Verbände und Organisationen sind nen Überblick über Ausbildungsstät- im Glenn Miller Orchestra, bei Stan aktiv? Wie viele Kirchenmusiker sind ten, wissenschaftliche Bibliotheken, www.miz.org/fokus_kirchenmusik.html Kenton sowie in den Bigbands von haupt- und nebenberuflich beschäf- Museen und Gedenkstätten, Wettbe- ¿ Kurt Edelhagen oder Count Basie. ¿

DMR aktuell VI PROJEKTE ˜ Deutscher Musikwettbewerb Foto: Peter Hecking Anschub für die Musikerkarriere Der Deutsche Musikwettbewerb CD Weichet nur, betrübte Schatten. (DMW) zeichnet vom 14. bis 25. Rosetti, Hoffmeister, Bach ausgezeich- März in Berlin wieder erfolgreiche net. junge Musiker aus, die damit durch Unter den Musikern, die mit ei- den Deutschen Musikrat eine Kar- nem ECHO prämiert wurden, war rierehilfe für ihren weiteren mu- auch Lars Niederstrasser, Stipendiat sikalischen Lebensweg erhalten. des DMW 2010, mit dem Ensemble Im Anschluss an Wettbewerb und „Selmer Saxharmonic“, deren CD Fördermaßnahmen winken bestenfalls Flying Saxophone Circus in der Kate- weitere Erfolge, wie sie in diesem Jahr gorie „Klassik ohne Grenzen“ ausge- auch manche DMW-Preisträger und zeichnet wurde. Mit dem Ensemble Stipendiaten verzeichnen konnten. Amarcord (DMW 2002), dem Fau- Einige der vom Deutschen Musikrat ré-Quartett (DMW 1999) und dem geförderten Musiker, die im Rahmen Ma'alot-Quintett (1989) waren wei- Erhielt den Förderpreis der Marie-Luise Imbusch-Stiftung: das Leibniz Trio. von Preisträgerkonzerten oder im tere ehemalige Preisträger des Deut- Rahmen der Bundesauswahl Konzerte schen Musikwettbewerbs unter den (Streichquartett) wurde mit dem För- universität Graz (Österreich) unter- Junger Künstler deutschlandweit auf- ECHO-Preisträgern vertreten. derpreis des Landes Nordrhein-West- richtete, ist er dort seit Oktober 2010 traten, konnten sich besonders in den Das Leibniz Trio erhielt in Folge falen für junge Künstler 2010 ausge- als ordentlicher Professor tätig. An- vergangenen Monaten über Auszeich- des DMW 2010 den Förderpreis der zeichnet. Benedikt Schneider (Viola), dreas Hering (Klavier) hat ab dem nungen freuen oder sich beruflich Marie-Luise Imbusch-Stiftung (Lü- der 2010 sein Studium bei Hariolf Wintersemester 2010/11 einen Lehr- etablieren. beck), der jährlich Musiker für ihre Schlichtig an der Hochschule für Musik auftrag für Hauptfach Klavier an der So hat der Preisträger des Deut- herausragenden Leistungen beim und Theater München mit dem Meis- Hochschule für Musik Franz Liszt schen Musikwettbewerbs 2003, Ju- Deutschen Musikwettbewerb aus- terklassendiplom beendete, erhielt Weimar inne. lian Steckel, im September beim In- zeichnet. Auch das sonic.art Saxophon- einen Sonderpreis bei der 10. Lionel Der Deutsche Musikrat gratuliert ternationalen ARD-Musikwettbewerb quartett (Preisträger des DMW 2008) Tertis International Viola Competi- den jungen Künstlern herzlich zu ih- München die Jury und das Publikum konnte sich erneut über Erfolge freu- tion auf der Isle of Man. Das Duo ren Erfolgen. ¿ gleichermaßen überzeugt und den 1. en. Es erhielt den Preis der Freunde Parthenon (Violoncello/Klavier) wurde Preis sowie den Publikumspreis in der der Jeunesses Musicales Deutschland, mit dem Felix Mendelssohn Barthol- Kategorie Violoncello gewonnen. Der den 1. Preis des Internationaal Kamer- dy-Preis und dem Kammermusikpreis TERMINE muziekconcours Almere/Niederlan- Bratschist Nils Mönkemeyer wurde der Freunde Junger Musiker ausge- ˜ Sonntag, 13. März, 20 Uhr de sowie den 3. Preis des Internatio- schon zum zweiten Mal in seiner jun- zeichnet. Der Pianist des Duos, Jo- Konzerthaus Berlin, Kleiner Saal gen Karriere mit einem ECHO aus- nal Yamaha Saxophone Quartet hannes Nies, bekam darüber hinaus Preisträger von gestern – Stars von gezeichnet. Nachdem der Preisträger Contest in Madrid. Der Oboist Tho- den 1. Preis beim Internationalen Kla- heute eröffnen den Deutschen des Deutschen Musikwettbewerbs mas Hecker, DMW-Preisträger 2008, vierwettbewerb Prix d'Ama-déO de Musikwettbewerb 2011 (DMW) 2006 im Jahr 2009 bereits den ECHO wurde 3. Preisträger des Internatio- Piano in Aachen und die Cellistin, Klassik als „Nachwuchskünstler des nalen Instrumentalwettbewerbs Mark- Christine Rau, Ende 2009 den 1. Preis Ruth Ziesack (Sopran), Latica Honda- Jahres – Bratsche“ erhalten hat, wur- neukirchen. und den Sonderpreis für die beste Rosenberg (Violine), Nils Mönkemey- de er 2010 mit dem ECHO Klassik Auch einige Stipendiaten des Interpretation eines Werks von Isang er (Viola), Alban Gerhardt (Violon- für die „Konzerteinspielung des Jah- DMW 2009 reüssierten im vergan- Yun beim Internationalen Isang Yun cello), Marie-Luise Neunecker (Horn), res (18. Jahrhundert) – Viola“ für die genen Jahr: Das Amaryllis Quartett Wettbewerb Tongyeong (Südkorea). GrauSchumacher Piano Duo. Balthasar Baumgartner, Stipendi- ˜ 14.–23. März, Berlin at des DMW 2008 in der Kategorie Öffentliche Wertungsspiele des Orgel, erhielt den 1. Preis und den Deutschen Musikwettbewerbs Sonderpreis für die beste Interpreta- Zum DMW 2011 sind 194 Anmeldun- tion des Stücks Zwischenwelten von gen eingegangen (166 Solisten und Dominik Susteck beim Internationa- 28 Ensembles in 13 Kategorien). len Mainzer Orgelwettbewerb 2010. Anna-Victoria Baltrusch, die in der ˜ Donnerstag, 24. März, 18 Uhr Kategorie Orgel beim DMW 2010 Konzerthaus Berlin, Werner-Otto-Saal ein Stipendium erhielt, wird ab Ok- Kammerkonzert der Preisträger- tober 2010 vom Evangelischen Stu- ensembles und Stipendiaten des dienwerk Villigst gefördert. DMW 2011 Neue Projekte stehen unter an- Die am Vorabend bekannt gegebe- derem für die Sopranistin Katja Stu- nen Preisträger des Kammermusik- Als Preisträger des DMW haben Julian Steckel und Nils Mönkemeyer ber an. Die Stipendiatin des DMW wettbewerbs und Stipendiaten des beide an der Bundesauswahl Konzerte Junger Künstler teilgenommen 2010 gibt 2011 ihr Debüt bei den und eine Preisträger-CD in der Edition Primavera produziert. Solistenwettbewerbs präsentieren Bayreuther Festspielen als Junger Hirte sich der Öffentlichkeit mit Werken Die CD von Nils Mönkemeyer mit dem Notturno D-Dur op. 42 von in der Neuinszenierung von Wagners aus ihrem Wettbewerbsrepertoire. Ludwig van Beethoven, Fratres von Arvo Pärt und der Sonate op. 147 von Tannhäuser unter Leitung von Tho- Dimitri Schostakowitsch ist beim Label Genuin erschienen und im Musik- mas Hengelbrock. Beruflich Fuß fas- ˜ Freitag, 25. März, 20 Uhr fachhandel erhältlich. Zu hören ist Mönkemeyer hier mit Nicholas Rimmer, sen konnten Ulrich Walther und Konzerthaus Berlin, Großer Saal gleich- falls Preisträger des DMW 2006, der auch bei zwei neu produzier- Andreas Hering (beides Stipendiaten Abschlusskonzert des DMW 2011 ten CDs sein Klavierpartner ist. Die Porträt-CD von Julian Steckel mit Wer- des DMW 2008). Nachdem Ulrich ken von Ludwig van Beethoven, Franz Schubert, Claude Debussy, Nadia Walther (Orgel) bereits von 2008 bis Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin Boulanger und Henri Duttileux ist im Projektbüro des Deutschen Musik- 2010 im Rahmen einer Gastprofes- (Ltg.: Marcus Bosch), Solisten: wettbewerbs erhältlich. sur künstlerisches Orgelspiel, Impro- Preisträger des DMW 2011. visation und Generalbass an der Kunst- Info: www.musikrat.de/dmw

DMR aktuell VII ˜ Bundesauswahl Konzerte Junger Künstler Vorgestellt: die Ensembles der 54. BAKJK (Teil 2)

14 Ensembles sind im Rahmen der siker in Kurzporträts vor. In dieser Alle Termine unter:

PROJEKTE 54. Bundesauswahl Konzerte Jun- Ausgabe: Stipendiaten des Deutschen www.musikrat.de/bakjk ger Künstler derzeit auf Deutsch- Musikwettbewerbs 2009, die sich für landtournee. die Bundesauswahl Konzerte Junger Wie in der letzten Ausgabe be- Künstler zu Ensembles zusammen- gonnen, stellt DMR aktuell alle Mu- gefunden haben.

Trio Cézanne

Dawid Jarzynski (Klarinette), Bene- dikt Schneider (Viola), Yvonne Ges- ler (Klavier). Dawid Jarzynski, 1984 geboren, stu-

Foto: Katharina Schwanzer Katharina Foto: dierte an der Züricher Hochschule der Künste bei Matthias Müller, Radovan Vlatkovic, Thomas Indermühle, Isabel Mundry und Elmar Schmid. Er erhielt terklassendiplom). Er gewann einen 3. zahlreiche Auszeichnungen, darunter Preis beim Internationalen Violawett- den 1. Preis beim Concours National bewerb Alessandro Rolla in Maastricht, d’Execution Musicale de Riddes, den 2. Preis beim Violawettbewerb Schweiz, den 3. Preis in der Katego- Walter Witte der Deutschen Viola Ge- rie Soloinstrumente bei der Interna- sellschaft in Düsseldorf und 2010 den tional Competition for Contempora- Sonderpreis beim 10. Internationalen Trio Niederstrasser-Stadler-von Radowitz ry Chamber Music in Krakau und den Lionel Tertis Viola Wettbewerb auf der 1. Preis der Michaels-Spisak Interna- Isle of Man. Er ist Stipendiat des Deut- Lars Niederstrasser (Saxofon), Patrick Florian von Radowitz, Jahrgang 1978, tional Music Competition in Dabro- schen Musikwettbewerbs 2009, des PE- Stadler (Saxofon), Florian von Rado- studierte bei Michael Hauber in Mann- wa Gornicza, Polen. 2009 wurde er Fi- Förderkreises Mannheim, des Münche- witz (Klavier). heim und Klaus Hellwig in Berlin so- nalist und Stipendiat des Deutschen ner Musikvereins und von Yehudi Me- Lars Niederstrasser, 1985 in Braun- wie in der Liedklasse von Wolfram Rie- Musikwettbewerbs. Gefördert wird er nuhin Live Music Now. e. V. schweig geboren, war achtfacher Bun- ger an der Hochschule für Musik Hanns durch die Friedl Wald Stiftung, die Yvonne Gesler begann ihr Studium despreisträger bei Jugend musiziert, Eisler Berlin. Er war mehrfacher Bun- Kiefer Hablitzel Stiftung, Migros Kul- als Jungstudentin an der Folkwang- sowohl solistisch als auch mit verschie- despreisträger bei Jugend musiziert turprozent und den polnischen Staats- Hochschule Essen bei Thomas Gün- denen Ensembles. Er studierte bei Arno und Preisträger des Matthaes Klavier- präsidenten. Von 2009 bis 2011 ist er ther und wechselte zum Vollstudium Bornkamp am Conservatorium in Ams- wettbewerbs in Baden-Württemberg. Mitglied in der Orchester-Akademie an die Robert Schumannn Hochschu- terdam, wo er auch derzeit seinen Mas- Beim Deutschen Musikwettbewerb am Opernhaus Zürich. le nach Düsseldorf zu Georg Friedrich terstudiengang absolviert. Niederstras- 2009 wurde er Stipendiat in der Kate- Benedikt Schneider, Jahrgang 1982, Schenck. Seit 2008 studiert sie im Auf- ser erhielt den Sonderpreis der Deut- gorie Duo Violine/Klavier mit der Vio- begann sein Studium 2002 bei Hart- baustudium im Fach Liedgestaltung bei schen Stiftung Musikleben und den linistin Andrea Kim. Florian von Rado- mut Lindemann an der Hochschule für Wolfram Rieger an der Hochschule für 1. Preis beim Selmer Saxofoonkwar- witz ist Korrepetitor der Internationalen Musik Detmold, Abteilung Münster Musik Hanns Eisler Berlin. Sie ist mehr- tetten concours mit seinem „Berlage Saxophon-Meisterklasse in Lauterbach und setzte es von 2006 an der Hoch- fache 1. Preisträgerin bei Jugend mu- Saxophon Quartett“. 2010 wurde die und Stipendiat der Stiftung Yehudi schule für Musik und Theater München siziert und erhielt ein Stipendium des „Selmer Saxharmonic“, in der Lars Nie- Menuhin Live Music Now e. V. bei Hariolf Schlichtig fort (2010 Meis- DMW sowie den Zonta-Musikpreis derstrasser ebenfalls Mitglied ist, mit 2009. Außerdem ist sie Stipendiatin einem ECHO Klassik in der Kategorie der Hochbegabtenförderung der „Klassik ohne Grenzen“ ausgezeich- Duo ORGANised Sax Friedrich-Naumann-Stiftung sowie von net. Lars Niederstrasser ist Stipendi- Yehudi Menuhin Live Music Now e.V. at des Deutschen Musikwettbewerbs Ulrich Walther (Orgel), Patrick Stad- Albans. Von 2008 bis 2010 unterrich- Seit 2009 hat sie einen Lehrauftrag der (DMW) 2009. ler (Saxofon). tete er im Rahmen einer Gastprofes- Universität der Künste in Berlin inne. Patrick Stadler, 1985 geboren, stu- Ulrich Walther, 1980 geboren, wur- sur künstlerisches Orgelspiel, Impro- dierte bei Marcus Weiss und Lars Mle- de zunächst von Matthias Ank, Man- visation und Generalbass an der Kunst- Foto: Johannes Schaugg kusch an der Musik-Akademie der fred Kamp und Andreas Meisner (Al- universität Graz. Seit Oktober 2010 ist Stadt Basel. Er erhielt den Kulturpreis tenberger Dom) unterrichtet und stu- er dort als ordentlicher Professor tä- Schwarzwald-Baar, einen Preis der dierte dann an der Staatlichen Hoch- tig. Ulrich Walther ist Stipendiat des Stiftung für junge Musiktalente Meg- schule für Musik und Darstellende Kunst Deutschen Musikwettbewerbs 2008. gen (2009/2010) und ist Preisträger Stuttgart bei Ludger Lohmann. Aus- des Concours National d’Exécution gezeichnet wurde er mit einem 1. Preis Patrick Musicale in Riddes (Schweiz). Beim beim Internationalen Orgelwettbewerb Stadler in Korschenbroich/Westfalen, 2. Prei- DMW 2009 wurde er mit einem Sti- (siehe auch pendium ausgezeichnet. Als Solist war sen beim Internationalen Orgelwett- Trio Nieder- Patrick Stadler unter anderem mit dem bewerb Bach und die Moderne in Gran strasser- Stadler-von l’Orchestre Tibor Varga, dem Kammer- und beim Helmut Bornefeld-Wettbe- Radowitz) orchester Basel und der Jungen Phil- werb in Hildesheim sowie mit dem 1. Foto: Haring Ulrich Walther harmonie Zentralschweiz zu hören. Preis und dem Publikumspreis in St.

DMR aktuell VIII PROJEKTE ˜ Edition Zeitgenössische Musik Trio „out of frame“ EZM-Komponisten als Highlights bei Dawid Jarzynski (Klarinette), Wieland rung sammelte er bei der Jungen Bachmann (Kontrabass), Andreas Philharmonie Brandenburg, der Deut- „Musica Nova“ Hering ( Klavier). schen Streicherphilharmonie, dem Wieland Bachmann, 1989 geboren, Kammerorchester des Julius Stern In- In Finnland wie in Nordeuropa begann sein Studium bei Michael Barry stitutes und als Solobassist des Sym- überhaupt lässt der Bekanntheits- Wolf zunächst als Jungstudent am phonieorchesters der Universität der grad aktueller, zeitgenössischer Julius-Stern-Institut der Universität der Künste. Musik und führender Komponis- Künste Berlin und ab 2008 als Vollstu- Andreas Hering, Jahrgang 1983, war ten aus Deutschland noch sehr zu dent. Seit 2010 studiert er bei Janne Jung- und später Vollstudent an der wünschen übrig. Deshalb rückt Saksala (Berliner Philharmoniker) an der Hochschule für Musik und Theater eines der größten und bedeutends- Hochschule für Musik Hanns Eisler Ber- Rostock bei Matthias Kirschnereit und ten skandinavischen Festivals für lin. Wieland Bachmann ist erster Bun- Stephan Imorde. Er erhielt erste Prei- Neue Musik, Musica Nova Helsinki, despreisträger bei Jugend musiziert se bei Jugend musiziert, den Klassik- aus Anlass seines 30-jährigen Be- und Stipendiat des Deutschen Musik- preis des WDR, den Bruno-Frey-Mu- stehens 2011 die deutsche Neue- wettbewerbs 2009. Orchestererfah- sikpreis sowie zweite und dritte Preise Musik-Szene ins Zentrum. Trio Cézanne beim Internationalen Max-Reger-Kla- Die Förderprojekte Zeitgenössische Trio „out of frame“ vierwettbewerb in Weiden, dem Wart- Musik haben die Gelegenheit ergrif- burg-Klavierwettbewerb Eisenach, fen, um auch die vom Deutschen Mu- beim Beethoven-Wettbewerb Richard sikrat geförderten jungen deutschen Laugs in Mannheim und den Interna- Komponisten dem in Helsinki anwe- tionalen Klavierwettbewerben Ciutat senden internationalen Publikum de Carlet/Spanien und A. Speranza in vorzustellen. Im Mittelpunkt der Ko- Taranto/Italien. Er ist Stipendiat der operation mit Musica Nova stehen Hans und Eugenia Jütting Stiftung in zwei Konzerte des Ensembles „mu- Stendal und der Studienstiftung des sikFabrik“ am 8. und 9. Februar. Ne- deutschen Volkes. Seit 2010 hat He- ben dem abendfüllenden Werk Tiere ring einen Lehrauftrag für Hauptfach sitzen nicht von Enno Poppe werden Klavier an der Hochschule für Musik am 9. Februar ausschließlich Kompo- Hanns Eisler Berlin inne. nisten präsentiert, die für eine Port- (Dawid Jarzynski siehe auch Trio Cézanne) rät-CD in der Reihe Edition Zeitge- Foto: Björn Balcke nössische Musik (EZM) ausgewählt wurden. Mit dabei sind neben Pop- ARCA Trio pe auch Sven-Ingo Koch, Arnulf Her- mann, Oliver Schneller und Gordon Kampe, dessen CD am 1. Mai er- Byol Kang (Violine), Anna Klie (Flö- Masterstudium wieder bei Marianna ger Promenade und beim Internatio- scheint. Alle in Helsinki zu hörenden te), Petra Wallach (Cembalo). Henkel in Detmold. Sie gewann Prei- nalen Kammermusikfestivals Allegro Kompositionen wie Kochs Der Durch- Byol Kang studierte von 2004 bis 2008 se bei Jugend musiziert, beim Inter- vivo. Sie ist Finalistin und Stipendia- bohrte und Schnellers Aqua Vit stam- bei Michael Gaiser an der Robert Schu- nationalen Kammermusikwettbewerb tin des DMW 2009 und außerdem Sti- men von den jeweiligen Veröffent- mann Hochschule in Düsseldorf und Concours d’Arles, beim Internationa- pendiatin der Villa Musica. absolviert seit dem Wintersemester len Jugendwettbewerb der Oldenbur- Petra Wallach, Jahrgang 1982, stu- 2010 ein Aufbaustudium zum Konzert- dierte Klavier an der Staat- examen bei Antje Weithaas an der lichen Hochschule für Musik Hochschule für Musik Hanns Eisler und Darstellende Kunst Stutt- Berlin. Sie war Preisträgerin bei Ju- gart bei Friedemann Rieger gend musiziert, erhielt einen 3. Preis und Nicolas Hodges und von lichungen der EZM. Und alle diese beim Internationalen Violin Wett- 2008 bis 2010 Cembalo bei Komponisten wurden bisher zu- bewerb Henri Marteau in Hof, Jörg Halubek. Neben solisti- mindest in Finnland noch nicht auf- den 2. sowie einen Sonder- schen Auftritten spielte sie u. geführt, können sich hier also ein neues preis für „Außerordentliches a. 2009 als Continuo Spiele- Publikum erobern. Die Chancen dafür künstlerisches Tempera- rin mit Solisten des RSO Stutt- stehen gut, preist das Programmheft ment“ beim Internationalen gart unter Leitung von Lajos von Music Nova das Konzert der Violinwettbewerb Premio Lencsés beim Musikfestival in musikFabrik doch als Highlight des Rodolfo Lipizer in Gorizia Ménerbes/Frankreich sowie Festivals, das einen Überblick über die (Italien) und den Preis des mit der Klassischen Philharmo- interessantesten jungen Komponisten DMW 2009. Sie ist Stipen- nie Stuttgart unter Leitung von im heutigen Deutschland präsentiert. diatin von Yehudi Menu- Frieder Bernius in Jommelli’s Ein schönes Jubiläumsgeschenk für die hin Live Music Now e.V. Oper Didone abbandonata EZM, die 2011 ihr 25-jähriges Beste- Anna Klie, 1987 gebo- auf Schloss Solitude. Sie ist Sti- hen feiert. ren, war Jungstudentin pendiatin des DMW 2009 und Durch die Kooperation mit Musi- an der Hochschule für Mu- der Dr. Rainer Märklin-Stiftung ca Nova dehnen die Förderprojekte sik und Theater München Reutlingen. Am Reutlinger ihren Aktionsradius vom Osten Eu- bei Marianne Henkel und Theater „Die Tonne e. V.“ hat ropas weiter aus in Richtung Norden. studierte danach an der sie bei der Musiktheaterpro- Sie tragen so zur Verbreitung Neuer Hochschule für Musik in Det- duktion Orpheus Underdog Musik aus Deutschland wie zur Ver- mold bei János Bálint. die musikalische Leitung (bis netzung der vielfältigen Szenen für Zurzeit absolviert sie ihr Januar 2011). zeitgenössische Musik in Europa bei. Mehr Info: www.musicanova.fi ¿

DMR aktuell IX ˜ Edition Zeitgenössische Musik Spektralanalyse und Schichtenkonstrukt Auszeichnung für Haddad-Porträt In der Reihe „Edition Zeitgenössi- Die Porträt-CD des Komponis- mit westlichen Traditionen und ent- sche Musik“ ist im November 2010 ten Saed Haddad aus der „Edi- wickelt so eine ganz eigene Ton- bei WERGO die Porträt-CD des tion Zeitgenössische Musik“ – in sprache. Dies konnten im vergan-

PROJEKTE Berliner Komponisten Oliver der DMR aktuell-Ausgabe 4/ genen Jahr auch die Besucher des Schneller erschienen. 2010 vorgestellt – ist mit dem Workshops „Abenteuer Neue Schneller wurde 1966 in Köln Vierteljahrespreis der Deutschen Musik“ erfahren, der sich im Rah- geboren und verbrachte seine Kind- Schallplattenkritik in der Kate- men des Parkmusik-Festivals mit heit auf den Philippinen, in Belgien gorie „Zeitgenössische Musik“ als arabischer Musik im Allgemeinen und im Sudan, studierte Musikwis- herausragende Produktion aus- und den Kompositionen Saed Had- senschaft in Bonn und Komposition gezeichnet worden und wird nun dads im Besonderen befasste. Die bei Lee Hyla am New England Con- in der aktuellen Bestenliste ge- auf der CD enthaltenen Komposi- servatory in Boston sowie bei Tristan führt. tionen entstanden als Koproduk- Murail an der Columbia University Seit nunmehr 30 Jahren zeich- tionen des Deutschen Musikrats und in New York. Vielfältiges Schaffen eingefangen: net der „Preis der Deutschen Schall- Hessischen Rundfunks. Eingespielt Auf der nun erschienenen CD Schneller-CD. plattenkritik“ e. V. herausragende wurden sie zum überwiegenden Teil bilden sechs Kompositionen das un- Neuerscheinungen des Tonträger- vom Ensemble Modern, ergänzt gemein vielfältige Schaffen Schnellers 2010, teils als Produktionen des Pa- und Bildtonträgerangebots aus. Auf durch Solisten wie Noriko Kawai ab. Aqua Vit für acht Instrumente ent- riser Institut de Recherche et Coordi- den vierteljährlich veröffentlichten (Klavier) und Ulrike Stortz (Violi- stand z. B. aus der Spektralanalyse eines nation Acoustique/Musique (IRCAM), Bestenlisten finden Musikliebhaber, ne). Waldbachs in Pennsylvanien; die teils als Koproduktionen von Deut- Künstler, Produzenten, Komponis- Die Porträt-CD von Saed Had- Grundidee zu Stratigraphie I entwi- schem Musikrat und Deutschland- ten, Regisseure und Kritiker Neu- dad kann unter der Bestellnummer ckelte Schneller auf dem Monte Tes- radio Kultur mit so renommierten En- produktionen von bemerkenswerter WER 65782 bezogen werden. taccio, einem Hügel in Rom, der voll- sembles wie dem ensemble mosaik, künstlerischer Qualität, Exklusivi- Weitere Informationen unter: ständig aus Schutt und Scherben der ensemble unitedberlin, den Ensembles tät und hohem Repertoirewert. www.musikrat.de/edition antiken Metropole besteht. „Wir ste- Cairn und Court-Circuit sowie mit der Nach der Einspielung mit Werken Daniel Mennicken hen auf Schichten aus Vergangenheit“, Pianistin Heather O’Donnell. von Caspar Johannes Walter wird bemerkt Schneller dazu, der in die- Die Porträt-CD von Oliver Schnel- nun zum wiederholten Male eine sem Stück für sechs Instrumente und ler kann unter der Bestellnummer CD aus der „Edition Zeitgenös- sechs Lautsprecher ein ebensolches WER 6579 2 beim Label WERGO sische Musik“ mit diesem wich- Schichtenkonstrukt entwirft. bezogen werden. tigsten deutschen Kritikerpreis prä- Die hier vorgestellten Werke ent- Weitere Informationen zur CD: miert. Damit spiegelt die Aus- standen im Zeitraum von 1999 bis www.musikrat.de/edition zeichnung nicht nur die hervor- ragende Arbeit der EZM-Jury, sondern auch den hohen quali- ˜ Konzert des Deutschen Musikrates tativen Standard und das her- ausragende Renommee der Rei- Jury vergibt Förderzuschüsse an 23 Projekte he in der Musikwelt. Die Musik von Saed Had- Saed Haddad Die „Qual der Wahl“ und enga- ten auszutauschen, Förderkrite- dad spielt immer wieder mit den gierte Diskussionen gehören zum rien zu debattieren. Erst am Nach- Einflüssen der arabischen Kul- Kernprogramm der Jurysitzungen mittag des 2. Sitzungstags fielen tur, kontrastiert und vereint sie von „Konzert des Deutschen Mu- die Entscheidungen für 23 Projekte. sikrates“. Die turnusmäßig zur Förderzuschüsse gehen nun z. B. Hälfte neu besetzte Jury unter dem an gute Programmkonzeptionen von Vorsitz der Komponistin Isabel Spezialensembles im üblichen Kon- Musik und Video verbinden möch- Techno-Club, regelmäßige Klangkunst- Mundry scheute auch Arbeit bis zertformat ebenso wie an die spar- te. Das zeitgenössische Streichquar- Angebote ebenso wie zeitgenössische in späte Abendstunden nicht, um tenübergreifende Aufführung, die die tett wird unterstützt, aber auch expe- Klarinettenmusik. Die komplette Liste Anträge zu studieren, Erfahrungen künstlerische Integration von Musik rimentelle Musik mit Richtlaut- der bewilligten Projekte ist im Inter- und Meinungen zu den Projek- und Licht, Musik und Schauspiel, sprechern im „schalltoten“ Raum und net einsehbar. Im Frühjahr 2011 gibt es die nächs- te Chance für Antragsteller. Das Zeit- fenster ist dann geöffnet für Veran- staltungen ab dem 1. Juli 2011 (2. Jahreshälfte 2011) und darüber hi- naus für bereits fertig geplante Vor- haben im Jahr 2012. Ende der Ein- reichfrist zur kommenden Früh- jahrssitzung ist der 15. Februar 2011. Alle Informationen – Ausschrei- bung, Antragsformular, Kontaktdaten zum Projektbüro – stehen im Inter- net bereit: www.musikrat.de/konzert Agnes Degen ¿

Hatte die Qual der Wahl: Die Jury „Konzert des Deutschen Musikrates“ unter Vorsitz von Isabel Mundry

© Förderprojekte Zeitgenössische Musik (2. v. r.) bei der Arbeit.

DMR aktuell X VERBÄNDE ˜ JMD Jeunesses-Jubiläum mit Würth Preis für das BJO 2011 ist für die Jeunesses Musica- les Deutschland (JMD) ein Jubi- läumsjahr. Der Verband wird 60 Jahre – jung oder alt? „Jeunesses“ ist keine Frage des Alters, sondern der Einstellung. Die JMD setzt sich seit ihrer Grün- dung für sehr persönliches Musizie- ren ein, für die Neugier auf Neues, den Mut, eigene Ideen zu realisieren, und die Offenheit für Begegnung und Freundschaft – über alle Grenzen hinweg. Diese jungendlich frische Energie und die Vielfalt der musika- lischen Projekte und Initiativen der JMD sind 2011 in einer Reihe von Jubiläumsveranstaltungen zu erleben. Den Auftakt bildete die festliche Verleihung des Würth Preises an das Bundesjugendorchester. Weitere Glanzlichter sind im Juli die Premiere von Mozarts Così fan tutte auf der Opernbühne im Weikersheimer Schlosshof und im Herbst das Sym- Talentschmiede für junge Orchestermusiker und Aushängeschild des Deutschen Musikrats: Das Bundesjugendorchester posion Sinfonische Jugendblasorches- wurde jetzt mit dem Würth Preis der Jeunesses Musicales Deutschland ausgezeichnet. ter in Zusammenarbeit mit Deutschen Bläserakademie Bad Lausick. an Martin Maria Krüger, Präsident ten und gleichzeitig ihre sozialen Kom- Orchestermusiker und ein Aushän- des Deutschen Musikrats, den petenzen zu entwickeln“. geschild des Deutschen Musikrats, den „An der Spitze einer Trägerverband des Orchesters. Mensch – Musik – Gemeinschaft Träger des Bundesjugendorchesters, Orchesterpyramide“ Das BJO, so heißt es in der Jury- – dieses Ideal der Jeunesses Musica- im In- und Ausland“, so die Jury. Begründung, stehe „an der Spitze ei- les sei im BJO beispielhaft verwirk- Seit 1991 zeichnen die Jeunesses Am 10. Januar wurde das Bundes- ner unvergleichlichen Orchesterpyra- licht. Leidenschaftlich bei der Sache, Musicales Deutschland und die Stif- jugendorchester in Stuttgart mit mide, die als Kraftquelle der deutschen konzentriert und aufmerksam für an- tung Würth herausragende Persönlich- dem Würth Preis der Jeunesses Orchesterlandschaft von Vororches- dere – als Teamplayer übernähmen keiten, Ensembles oder Projekte des Musicales Deutschland 2011 aus- tern an Musikschulen über viele hun- die „BJOler“ Verantwortung für den Musiklebens aus, die in besonderer gezeichnet. JMD-Präsident Hans- dert Jugendsinfonieorchester und die gemeinsamen Erfolg. Das Orchester Weise Ziele und Werte der JMD rea- Herwig Geyer überreichte die Landesjugendorchester reicht und es sei „ein motivierendes Vorbild für Ju- lisieren. Der Preis ist mit 20000 Euro Auszeichnung gemeinsam mit dem jungen Musikern erlaubt, im Orches- gendorchester in ganz Deutschland, dotiert. Stifter des Preises, Reinhold Würth, terspiel ihre musikalischen Fähigkei- es ist eine Talentschmiede für junge www.jeunessesmusicales.de ¿

˜ Harald-Genzmer-Stiftung ˜ Arbeitskreis Studium Populärer Musik Erstmals Kompositionspreis vergeben Forschungs-Nachwuchs ausgezeichnet Die italienische Komponistin Anne- die Repertoireerweiterung für den Die Entscheidung über die Preis- der Erforschung der Populären Mu- Marie Turcotte erhielt für ihre Kom- Wettbewerb „Jugend musiziert“. trägerinnen des Nachwuchsprei- sik. Die Preissumme beträgt 300 Euro. position Sonatina per clarinetto in Der 2. Preis ging an Hans-Gün- ses 2010 des Arbeitskreises Stu- Die Jury, die aus sechs Mitgliedern sib e pianoforte den 1. Preis beim ther Allers für sein Werk Sonatine für dium Populärer Musik (ASPM) ist aus Vorstand und Beirat des ASPM Harald-Genzmer-Kompositions- Klarinette und Klavier“. Mit dem 3. Preis gefallen. Einen zweiten Preis er- bestand und vor allem eine innovati- wettbewerb 2010. zeichnete die Jury – Prof. Ulf Roden- hielt Merle-Marie Kruse für ihren ve, originelle Thematik, die Metho- 61 Komponisten aus aller Welt häuser, Prof. Dr. Siegfried Mauser, Gi- Beitrag Dis wo ich herkomm – Ver- dik und ansprechende sprachliche hatten sich an dem mit 6000 Euro deon Rosengarten und Stefan Con- (un)sicherungen nationaler Identität Form bewertete, hatte unter einer gro- dotierten Wettbewerb beteiligt, den radi – den Griechen Nickos Harizanos in Texten aktueller deutschsprachi- ßen Zahl hochwertiger Einsendungen die Harald-Genzmer-Stiftung in Ver- für sein Werk A Tiny Key often Un- ger Popmusik. zu wählen. „Die Qualität der Beiträ- bindung mit der Hochschule für Mu- locks a Heavy Gate aus. Die prämier- Mareike Lütge gewann den drit- ge“, so äußerte sich der Vorsitzende sik und Theater München und dem ten Kompositionen wurden in Anwe- ten Preis für ihren Aufsatz Die Politi- der Jury, Dietrich Helms, „lässt für die Deutschen Musikrat erstmals für die senheit der Preisträger, neben Werken sierung der Bühne – Zum Feminismus Zukunft hoffen.“ Die Gewinner-Auf- Besetzung „Klarinette und Klavier“ Harald Genzmers selbst, von der Kla- in populärer Musik. Ein erster Preis sätze sind in der ASPM-Online-Pu- ausgeschrieben hat. Ziel des Wettbe- rinettenklasse Ulf Rodenhäuser im Gro- wurde beim Wettbewerb 2010 nicht blikation „Samples“ (www.aspm- werbs ist es, die Verbindung hoher ßen Konzertsaal der Hochschule für vergeben. samples.de) nachzulesen. Auch im spielmusikalischer Praktikabilität mit Musik und Theater München urauf- Der ASPM-Förderpreis prämiert laufenden Jahr wird der Preis wieder präzisen ästhetischen Vorstellungen geführt. die besten unveröffentlichten, deutsch- ausgeschrieben. zu prämieren – auch in Hinblick auf www.genzmer-stiftung.de ¿ sprachigen Aufsätze auf dem Gebiet www.aspm-online.de ¿

DMR aktuell XI ˜ Initiative Musik ˜ Deutsche Orchestervereinigung Bundesregierung unterstützt Poptalente BJO und Dirigentenforum weiter gefördert Auf seiner letzten Quartalssitzung dazu beiträgt, Weltmusik made in Das Kuratorium der von der Deut- — Die Orchestervereinigung hat bewilligte der Aufsichtsrat der In- Germany exportfähiger zu machen. schen Orchestervereinigung (DOV) eine völlig neue Verbandswebseite frei- itiative Musik – eine Fördereinrich- Hinter „c.bra“ stehen 29 Unterneh- getragenen Deutschen Orchester- geschaltet (www.dov.org). Neben ak- tung der Bundesregierung für die men, Verbände und Institutionen Stiftung hat die weitere Förderung tuellen Informationen aus dem Pro-

VERBÄNDE deutsche Musikwirtschaft – einen bundesweit. Beantragt werden kön- des Dirigentenforums des Deut- fimusiker- und Orchesterbereich bietet Mittelzuschuss in Höhe von über nen Projekte mit einer Eigenbeteili- schen Musikrats und des Bundes- die Seite einen hilfreichen Service, der 420000 Euro. gung von mindestens 60 Prozent. Be- jugendorchesters beschlossen. allen Musikern und Interessierten of- Damit erhalten noch in diesem Jahr willigt wurden bisher 57 Infrastruktur- Fortgesetzt wird auch die Vertei- fensteht. In der Rubrik „Instrumen- 30 Künstler- und ein Infrastrukturpro- und 274 Künstlerprojekte. lung kostenloser Lehrmaterialien für tendiebstähle“ werden alle bei der jekt Planungssicherheit. Zu ihnen www.initiative-musik.de ¿ den Schulmusikunterricht im Projekt DOV per E-Mail gemeldeten Verlust- gehören das Duo „Boy“ aus Hamburg, „Abenteuer Klassik“. Dies gilt ebenso und Diebstahlmeldungen aufgenom- das Techno-Trio „Brandt Brauer Frick“ ˜ für die Förderung ausgewählter Mu- men und gelistet, was bereits zu Er- aus Köln, Wiesbaden und Berlin, die Bundesverband Klavier sikvermittlungsprojekte des „netzwerk folgen geführt hat. Sogar Hehlerei beim Zittauer Rockband„Jenix“ und die junge ohren“, die im Rahmen der zur versuchten Verkauf gestohlener Mu- Popband „Stabil Elite“ aus Düsseldorf. „Piano Salon“ alle zwei Verfügung stehenden Mittel weiter- sikinstrumente konnte verhindert Sie werden unterstützt in der Tonträ- Jahre auf Musikmesse laufen soll. werden. ¿ gerproduktion, Tourneeorganisation und in der Promotion und im Mar- Die deutsche Klavierindustrie will keting. ihr Engagement auf der Musikmes- ˜ Archiv Frau und Musik Die Initiative Musik wurde im se Frankfurt festigen. Oktober 2007 mit dem Ziel gegrün- Nach der erfolgreichen Präsenta- det, Musiker, Personen mit Migrati- tion der deutschen und europäischen Arbeitsstipendium für Komponistinnen onshintergrund und Musikunterneh- Klavierhersteller unter der Ägide des Das Archiv Frau und Musik vergibt in Kooperation mit dem In- men der Sparten Rock, Pop und Jazz Bundesverbandes Klavier (BVK) auf stitut für zeitgenössische Musik an der Hochschule für Musik zu fördern sowie populäre deutsche der Musikmesse 2010 – erstmals gab und Darstellende Kunst Frankfurt ein dreimonatiges Arbeitssti- Musik im Ausland zu verbreiten. Seit es einen „Piano Salon Europe“ im Fo- pendium zwischen dem 15. Juni und 31. Oktober für Kompo- 2008 wurden insgesamt mehr als 300 rum 1 der Messe – wollen die Unter- nistinnen aller Altersstufen und Nationalitäten. Künstler- und Infrastrukturprojekte nehmen ihre Produkte in Zukunft in Einzureichen sind ein formloses Bewerbungsschreiben, ein Lebenslauf bewilligt. Dafür wurden durch den einem zweijährigen Rhythmus ausstel- (ohne Foto) der Komponistin, ein Werkverzeichnis und anonymisierte Beauftragten der Bundesregierung für len, das nächste Mal im Jahr 2012. Partituren von zwei Werken mit mindestens kammermusikalischer Be- Kultur und Medien auf Grund eines Der neue „Piano Salon“ bot den setzung (möglichst mit Aufnahmen). Einsendeschluss ist der 31. Janu- Beschlusses des Deutschen Bundes- Klavierherstellern einen passenden ar. Bewerbungsrichtlinien unter: www.archiv-frau-musik.de ¿ tages bislang Fördergelder in Höhe Rahmen, um die hochwertigen Instru- von sechs Mio. Euro bewilligt. mente Fachbesuchern aus aller Welt Die GEMA/GEMA-Stiftung und zu präsentieren. Burkhard Stein, Vor- die Gesellschaft zur Verwertung von sitzender des Bundesverbandes, zeigte ˜ Arbeitskreis für Schulmusik Leistungsschutzrechten (GVL) betei- sich zufrieden: „Der Besuch des Sa- ligen sich am Budget der Initiative lons war durchweg sehr gut, ebenso Wie feiern Schüler musikalisch Geburtstag? Musik. Sie wird getragen von der GVL die Qualität der Besucher. ¿ und dem Deutschen Musikrat e. V. Der Arbeitskreis für Schulmusik der- und jugendgerechten Umgang (AfS), der Helbling-Verlag und die mit Musik zu verbessern. Sein Ziel ist Weltmusik aus Deutsch- GEDOK-Spitze bestätigt Hochschule für Musik und Tanz die musikpädagogische Nachwuchs- Köln laden ein zur 3. Runde des förderung und die Verbesserung der land bekannter machen Bei der Mitgliederversammlung des Bundeswettbewerbs Klassenmusi- Musiklehrerausbildung in Fächern wie Verbands der Gemeinschaften der zieren „Arrangieren für Schulklas- Liedbegleitung, Arrangement, Impro- Alle zwei Jahre gibt es den Bun- Künstlerinnen und Kunstförderer sen“. visation und Ensembleleitung. deswettbewerb „creole – Weltmu- (GEDOK) wurden Präsidentin Ingrid In diesem Jahr sind Studierende sik aus Deutschland“ in Berlin. Scheller und ihre Stellvertreterinnen der Musikpädagogik, Referendare und Parallel zum Endausscheid soll im Li Taurit und Heralde Schmitt-Ulms Musiklehrer in den ersten zehn Be- Mai 2011 erstmalig das creole- sowie die Fachbeirätinnen Marion Hinz rufsjahren (Lehramtsanwärter) aufge- Branchentreffen „c.bra“ stattfinden. und Gudrun Mettig in ihren Ämtern fordert, sich mit dem Thema Geburts- „Die Förderung von c.bra erfüllt bestätigt. www.GEDOK.de tag auseinanderzusetzen – in einem Es winken Preise im Gesamtwert die Kriterien der Infrastrukturförde- Song, einer Komposition, einem Ar- von 3000 Euro; zusätzlich hat die rung der Initiative Musik und unter- Neuer Vorstand bei PROFOLK rangement, in einer Klang- oder even- Hochschule für Musik und Tanz Köln stützt damit die professionelle Ver- Die Mitgliederversammlung des Ver- tuell zusätzlichen Bewegungsgestal- einen Sonderpreis von 400 Euro aus- netzungsarbeit der Werkstatt der bandes für Lied, Folk und Weltmusik tung. Es stellt sich die Frage: Wie feiert gelobt. Kulturen in der Berliner Wissmann- (PROFOLK) wählte mit dem 1. Vor- eine 8. Klasse musikalisch Geburts- Einsendeschluss für die Beiträge straße“, erklärt dazu Thomas Krüger, sitzenden Maik Wolter (Berlin) und tag? Wie immer sind der Fantasie keine ist der 15. Februar, die Finalisten Mitglied im Aufsichtsrat der Initiati- seinem Stellvertreter Frank Reglin Grenzen gesetzt. werden vom 7. bis zum 9. April in ve Musik. Auch öffentliche Einrich- (Syke) sowie Schatzmeister Willi Ro- Obwohl es viele Geburtstagslie- die Hochschule für Musik nach Köln tungen seien auf hohem Niveau in drian (Stockdorf) einen neuen Vor- der gibt, sind diese häufig nur bis zur eingeladen. der Lage, wirtschaftliche und kultu- stand. Die Geschäftsstelle in Berlin wird 6. Klasse geeignet. Das einzureichen- Plakate oder Flyer können bei der relle Ziele eines sehr spezifischen Teils weitergeführt. Vom 24. bis 27. Feb- de Arrangement soll auf Achtklässler Bundesgeschäftsstelle des AfS per Mail des Musikmarkts zu unterstützen. ruar findet in Berlin zum elften Mal zielen, von diesen einstudiert werden angefordert werden: Mit den geplanten Diskussionsfo- das Festival Musik & Politik statt. Ver- und die jugendliche Zielgruppe an- [email protected] ren, Fachrunden und Präsentations- anstalter ist der Verein Lied und sozi- sprechen und motivieren. Weitere Informationen unter: möglichkeiten setzt der Branchentreff ale Bewegungen, der mit PROFOLK Der Wettbewerb Arrangieren für www.arrangieren-fuer-schulklassen.de auf einen Effekt, der langfristig mit kooperiert. www.profolk.de ¿¿Schulklassen möchte helfen, den kin-

DMR aktuell XII © DCV

VERBÄNDE ˜ Allgemeiner Cäcilien-Verband Andere Vorzeichen: Singen mit Senioren Nach der erfolgreichen Initiative „Singen mit Kindern“ stand bei der Mitgliederversammlung des Allge- meinen Cäcilien-Verbands für Deutschland (ACV) nach der ers- ten nun die dritte Lebensphase im Fokus: Das Singen mit Senioren. Der Hintergrund dabei war, dass auf Grund der demografischen Ent- wicklung und der stark gestiegenen Lebenserwartung es heute erstmals eine Phase des Freiraums bei gleich- zeitiger geistiger und körperlicher Vitalität nach Eintritt in das Pensions- alter gibt. Für diese neue dritte Le- bensphase braucht es ein neues Be- wusstsein, denn sie eröffnet neue Möglichkeiten des Musizierens. Michael Bolk vom Institut für Gerontologie der Universität Heidel- berg führte in die Thematik ein und referierte über das bürgerliche Enga- gement Älterer im kirchlichen Kon- Eindrucksvoller Sound: Kinder der Initiative „Primacanta“ beim Kampagnenstart zum Chorfest vor dem Frankfurter Rathaus. text. Er betonte die Bedeutung der jeweiligen Wert- und Zielvorstellung ˜ für die Lebenszufriedenheit im Alter Deutscher Chorverband sowie die Aufrechterhaltung einer funktionalen Kompetenz hinsichtlich Vor dem großen Fest: Frankfurt ist „ganz Chor“ einer immer länger werdenden Le- bensspanne. Mit Blick auf die Gesell- Vom 7. bis 10. Juni 2012 findet in Gebrauch seiner Singstimme zu er- Frankfurter Chorszene sei gerade „Pri- schaft zeigte er einen Paradigmenwech- Frankfurt das Deutsche Chorfest möglichen sowie die Basis für ein macanta“ eines der schlagenden Ar- sel hin zu „aktivem Altern“ und einem statt. gemeinsames Musizieren zu legen. gumente gewesen, das Deutsche Chor- „Pro-Aging“. Was das für eine Stadt bedeutet, Durch Weiterbildung von Grundschul- fest 2012 unter mehreren Bewerbern Dieter Leibold aus Remscheid stell- wie es aussieht, sich anfühlt und vor lehrenden für das Fach Musik wird an die Messestadt zu vergeben. te daraufhin „seine“ Seniorenkanto- allem wie es klingt, wurde bei einer seit Projektstart 2008 bereits an mehr Zum Chorfest erwartet der DCV rei Remscheid mit 25 Sängern zwi- „singenden Pressekonferenz“ zum als 50 Frankfurter Grundschulen mit über 600 Chöre, die in mehr als 1000 schen 65 und 85 vor. Er warb für ein Kampagnenstart „Chorfest 2012 – dem neuen didaktischen Modell des Konzerten vier Tage lang die ganze ressourcenorientiertes Singen mit Frankfurt ist ganz Chor“ auf dem Frank- „aufbauenden Musikunterrichts“ ge- Stadt zum Klingen und die Frankfur- Senioren, bei dem der ältere Mensch furter Römerberg deutlich: 1500 Kin- arbeitet. ter zum Singen bringen werden: in der der Frankfurter Initiative „Prima- der Alten Oper, der Festhalle, den mit seinen Fähigkeiten, aber auch Kein Lippenbekenntnis seinen Einschränkungen logistisch, or- canta – Jedem Kind seine Stimme“ Innenstadt-Kirchen, auf dem Römer- ganisatorisch und pädagogisch im Mit- sorgten vor dem historischen Rathaus „Primacanta ist ein wunderbares, berg und am Mainufer. ¿ telpunkt stehen müsse. Leibold stell- für eine eindrucksvolle Kulisse und einzigartiges und vorbildliches Projekt“, te gezielte Stimmbildung und ein einen eindrucksvollen Sound. sagte der Präsident des Deutschen Tage der Chor- und zielgruppenorientiertes Repertoire aus Das Anliegen des „Primacanta“- Chorverbands (DCV), Henning Scherf. dem Bereich der geistlichen und Projekts der Hochschule für Musik „Wie positiv sich das Singen auf die Orchestermusik und Darstellende Kunst Frankfurt am weltlichen Musik vor, betonte aber gesamte Persönlichkeitsentwicklung Rund 30 vokale und instrumentale Main sowie der Crespo Foundation auch die Aufgeschlossenheit seiner von Kindern auswirkt, ist inzwischen Ensembles sind zu Gast bei den „Ta- ist es, jedem Frankfurter Grundschul- Sänger gegenüber Text und Musik- vielfältig erforscht und belegt. Doch gen der Chor- und Orchestermusik“ kind den lust- und qualitätsvollen richtungen. Darüber hinaus stellte er hier haben wir ein klingendes Beispiel, vom 1. bis 3. April in Koblenz und musikgeragogische Ansätze als Berei- wie flächendeckende präsentieren das breite stilistische Spek- cherung für Menschen in Senioren- Singförderung und Mu- trum und hohe Niveau der Laienmusik einrichtungen vor. sikalisierung für jedes in Deutschland. Höhepunkt des Fes- Dem schloss sich eine praxisbe- Grundschulkind in der tivals ist die Verleihung der Zelter- zogene Generaldebatte des Plenums Praxis aussehen kann und Pro Musica-Plaketten durch Bun- zu den beiden Vorträgen an. Foto: Rainer Rüffer und nicht nur ein Lip- despräsident Christian Wulff im Rah- Bei den Regularien am Tagungs- penbekenntnis bleibt.“ men eines musikalischen Festakts am ort Regensburg wurden einstimmig Abgesehen von der 3. April. Die „Tage der Chor- und Or- Wolfgang Bretschneider (Musikwis- überaus lebendigen chestermusik“ finden jedes Jahr in senschaft), Mathias Breitschaft (Chor), einem anderen Bundesland statt und Markus Eham (Liturgiewissenschaft), Frankfurts Oberbürger- werden abwechselnd von der ADC Markus Eichenlaub (Orgel) und meisterin Petra Roth (Arbeitsgemeinschaft Deutscher Chor- Richard Mailänder (Chor) als Einzel- und Henning Scherf verbände) und der BDO (Bundesver- mitglieder für die nächsten fünf Jah- eröffneten im Septem- einigung Deutscher Orchesterverbän- re wieder gewählt. ber die Kampagne de) veranstaltet. Marius Schwemmer ¿ zum Chorfest 2012. www.chorverbaende.de ¿

DMR aktuell XIII ˜ Landesmusikrat Berlin Neben der Breitenentwicklung der stanze Sander im Rahmen der Feier- Chorlandschaft für alle Schultypen in lichkeit „20 Jahre Landesblasmusik- Kolland folgt Höppner im Präsidentenamt Berlin Brandenburg stand auch die verband Brandenburg“ im Potsdamer fachliche Unterstützung leistungsstar- Nikolaisaal. Salewski ist u. a. künstle- Bei den Präsidiumsneuwahlen des Bildung im Bezirk Treptow-Köpenick), ker Kinderchöre im Vordergrund. Ziel: rischer Leiter des Landesjugendblas- Landesmusikrats Berlin im Novem- Joachim Litty (Leiter der Landesmu- Das Land Brandenburg soll beim orchesters und Leiter des Jugendor- ber kandidierte Christian Höppner, sikakademie Berlin) sowie Thomas nächsten Deutschen Chorwettbewerb chesters und der Big Band Bad Generalsekretär des Deutschen Lange (Chorverband Berlin). wieder in allen fünf Kinder- und Ju- Freienwalde. Musikrats, Vizepräsident des Eu- Christian Höppner wurde in der gendkategorien vertreten sein. ropäischen Musikrats und Deut- Dezembersitzung des Landesausschus- Zudem gab es für Chor- und En- Lange Nacht der Künste schen Kulturrats, nach 16-jähriger ses einstimmig zum Ehrenvorsitzen- sembleleiter einen Lehrgang im Be- Die 14. Lange Nacht der Künste in Amtszeit als Präsident nicht erneut den von „Jugend musiziert Berlin“ reich der kindgerechten Stimmbildung, Rheinsberg stand unter dem Motto für das Amt. gewählt. Höppner hat sich in seiner der vom Ministerium für Bildung, „Zaubern“. Die Zuschauer konnten Zu seinem Nachfolger wurde mit zehnjährigen Amtszeit als Vorsitzen- Jugend und Sport als Lehrerfortbildung rund 30 Veranstaltungen an verschie- LANDESMUSIKRÄTE großer Mehrheit Hubert Kolland ge- der des Landesausschusses besonders anerkannt wird. In einer Abschluss- denen Orten in Rheinsberg erleben. wählt, bisher Vizepräsident des Lan- für den Ausbau der integrierten För- präsentation im Jugenddorf am Rup- Das Spektrum reichte von Führun- desmusikrats Berlin und Landesvor- dermaßnahme mit dem Ziel engagiert, piner See stellten die Kinder ihre neu gen, Lesungen, Ausstellungen und sitzender des Verbandes deutscher mehr Kindern und Jugendlichen die erlernten Fähigkeiten vor. Puppentheater bis zu Konzerten und Schulmusiker. Dörte Schmidt, Musik- Teilnahme zu ermöglichen. So führ- Schirmherr der Kinderchorwerk- Vorträgen. Bereits seit 1997 findet am wissenschaftlerin an der Universität te Berlin als erstes Land die Wertungs- statt ist Brandenburgs Ministerpräsi- ersten Novemberwochenende des der Künste, wurde zur neuen Vize- kategorien „Baglama“, „Interkulturel- dent Matthias Platzeck. Finanziell Jahres die „Lange Nacht der Künste“ präsidentin gewählt. le Percussion“, „Barocke Kirchenmusik“ gefördert wird sie von der DKB Stif- mit einer Vielzahl von Veranstaltun- Neue Schatzmeisterin ist Adelheid und „Jugend komponiert“ ein und tung für gesellschaftliches Engagement, gen an verschiedenen Orten im Stadt- Krause-Pichler, Vorsitzende des Deut- engagierte sich – zusammen mit an- die für die Förderung dieses Projekts gebiet statt. Alle teilnehmenden Ver- schen Tonkünstlerverbands LV Ber- deren Ländern – für die Kategorie mit dem Kulturförderpreis 2010 des anstalter beteiligen sich unentgeltlich. lin. Als Präsidiumsmitglieder bestätigt „Populäre Musik“. Kulturkreises der deutschen Wirtschaft Der Erlös aus den Eintrittsgeldern wurden Ina Finger, Leiterin der Mu- Der Landesausschuss konnte um ausgezeichnet wurde. Weitere Part- kommt einem kulturellen Zweck sikschule Friedrichshain-Kreuzberg Vertreter der Fraktionen im Abgeord- ner der Kinderchorwerkstatt sind die zugute. Über die Verwendung dieser (Verband deutscher Musikschulen Ber- netenhaus, der beiden großen Kirchen Landesvereinigung Kulturelle Jugend- Einnahmen entscheidet der Kunst- und lin), Christian Finke (Chorverband der und der Wirtschaftsverbände erwei- bildung Brandenburg und die Jeunesses Kulturverein Rheinsberg. Ev. Kirche Berlin-Brandenburg-schle- tert werden. Als Nachfolger wurde Musicales Berlin. Das Projekt wurde sische Oberlausitz) und Klaus-Jürgen Markus Wenz, Vorsitzender des Re- auch vom Landtag Brandenburg un- Ausschreibung für Weber. Neu im Präsidium sind An- gionalausschusses Berlin-Nord, einstim- terstützt, vertreten durch Vizepräsi- Jugend musiziert 2011 nette Indetzki (Leiterin des Amtes für mig gewählt. ¿ dentin Gerrit Große. Im 4. Quartal 2010 wurde die Aus- Ehrennadel für Landes- schreibung „Jugend komponiert“ 2011 ˜ vom Landesmusikrat erarbeitet und Landesmusikrat Brandenburg musikdirektor Salewski veröffentlicht. Erstmals gibt es, neben Für sein unermüdliches Engagement der Kooperation mit der Musikaka- Expertentagung für musikalische Bildung als Orchesterleiter und seine Verdiens- demie Rheinsberg, auch eine Zusam- te für die kulturelle Jugendarbeit er- menarbeit mit dem Brandenburger teurmusizieren), Markus Vette (Be- Eine Expertentagung, die der Lan- hielt Landesmusikdirektor Endrik Theater. Ausgeschrieben wird ein Or- reich kulturpolitische Arbeit) und Peter desmusikrat Brandenburg im Mi- Salewski die Ehrennadel des Landes- chesterwerk für die Jungen Sinfoni- nisterium für Bildung, Jugend und Vierneisel (Bereich instrumentales musikrats Bandenburg. Die Verleihung ker Brandenburg. ¿ Sport zum Thema „Kinder brau- Amateurmusizieren). Nachdem fünf erfolgte durch Generalsekretärin Kon- www.Landesmusikrat-Brandenburg.de chen Musik“ veranstaltete, setzte neue Mitglieder aufgenommen wur- sich mit der Qualität und Konti- den, zählt der Landesmusikrat Bran- nuität im Schulfach Musik aus- denburg nun 52 Mitglieder, darunter ˜ Bayerischer Musikrat einander. 41 Musikverbände, -institutionen und Weitere Themen der Beratung wa- -vereinigungen. ren u. a. die Musiklehrerausbildung, Neben seiner bisherigen Arbeit Geliebt oder gemieden: Schulfach Musik Verbesserung der Rahmenbedingun- wird der Landesmusikrat sich verstärkt Der Bayerische Musikrat ludt zum halt und Ausrichtung des Musikun- gen des Schulmusikers sowie Schul- mit den Problemen der musikalischen Expertenforum und nahm das Un- terrichts an Bayerns Schulen, über ensembles in der Krise. Landesminis- Bildung im Land Brandenburg aus- terrichtsfach Musik in den Fokus Chancen der Kooperationen mit ter Holger Rupprecht und sein Ab- einandersetzen, insbesondere mit dem der Meinungen. Musikschulen sowie die Qualitätskri- teilungsleiter für Schulaufsicht, Qua- Musikunterricht in den Schulen und „Musik ist für die gesamte Persön- terien der Musiklehrerausbildung dis- lifizierung und Qualitätsentwicklung, der Ausbildung von Musiklehrern in lichkeit des Menschen sowie seine kutierten Experten in der Volkshoch- Manfred Walhorn, diskutierten sach- den Hochschulen. Fähigkeit zu Emotionalität, Kreativi- schule Erding. Im Eröffnungsreferat und fachgerecht mit. tät und Selbstverwirklichung entschei- sprach Christian Höppner, General- Chorwerkstatt für Kinder dend. Daher ist Musik im Fächerka- sekretär des Deutschen Musikrats und Präsident im Amt bestätigt 158 Berliner und Brandenburger non der Schule ein wichtiger Faktor Vizepräsident des Deutschen Kultur- Der Präsident des Landesmusikrats Grundschüler der 2. bis 6. Klasse zur Erziehung des Heranwachsenden.“ rats sowie des Europäischen Musik- Brandenburg, Ernst-Ullrich R. Neu- nahmen an der vierten Kinderchor- Davon ist Thomas Goppel, Präsident rats, über „Musikpolitik in der Ver- mann, wurde für weitere drei Jahre werkstatt des Landesmusikrats Bran- des Bayerischen Musikrats, überzeugt. antwortung: musisch-ästhetische Bil- in seinem Amt bestätigt. Damit be- denburg teil. Dabei wird unter fachli- Entsprechend groß ist das Bemühen dung am Scheideweg“. ginnt er seine 7. Amtszeit. Zur Vize- cher Leitung mit aktivem Singen, des Bayerischen Musikrats, gemein- Weiter referierten Wolfgang Pfeif- präsidentin wählte die Mitgliederver- Musizieren, Bewegung und Tanz die sam mit weiteren Interessenverbän- fer, Professor für Musikpädagogik an sammlung erneut Ulrike Liedtke. Ausbildung des Chornachwuchses den Musik als Unterrichtsfach zu er- der Universität Erlangen, über „Neue Weitere Mitglieder des Präsidiums gefördert. National und international halten und zu stärken. Tendenzen in der Musikpädagogik“, sind: Thomas Falk (Bereich Musikschu- bekannte Chorfachleute betreuten die Doch wie steht es um die Schü- und Wilhelm Lehr, Schulmusiker, lang- len und „Jugend musiziert“), Andreas fünf Kurse der Werkstatt, die Gesamt- ler? Wollen sie überhaupt Musik in jähriger Schulleiter und Vizepräsident Flämig (Bereich Schulmusik), Hans- leitung hatte Hans-Peter Schurz, Prä- der Schule? Und wenn ja, welche? des Bayerischen Musikrats, über Peter Schurz (Bereich vokales Ama- sidiumsmitglied des Landesmusikrats. Diese und ähnliche Fragen über In- „Grundsätzliches zur Didaktik und Me-

DMR aktuell XIV LANDESMUSIKRÄTE thodik: Analyse, Ableitung und erfolg- so der Titel des Kalenders, bietet für reiche Umsetzung der Lehrpläne jeden Monat ein passendes Lied. Am Musik durch Klassenmusizieren“. Der Ende der 1. Klasse kennen alle Grund- stellvertretende Bundesvorsitzende des schulkinder in Bayern dann mindestens „Verbands Deutscher Schulmusiker“, 12 neue Lieder. Parallel zur Ausgabe Markus Köhler, setzte sich mit der der Kalender startete eine Schulung, Frage „Lieben Kinder (das Fach) damit jeder Grundschullehrer den Ka- Musik?“, während der Schulleiter der lender im Unterricht richtig einsetzen Kreismusikschule Erding und Ehren- kann. mitglied im Verband Bayerischer Sing- „Diese Initiative ist deutschland- und Musikschulen, Reinhard Loech- weit einmalig“, lobt Karl Zepnik, Mit- le, die „Möglichkeiten der Zusammen- entwickler des Kalenders und Dozent arbeit von Musikschulen und allge- der Schulung. „Die Politik hat erkannt, mein bildenden Schulen und ihre handelt und signalisiert damit, wie langfristige Umsetzung“ skizzierte. wichtig Musik für die Kinder in der Doppelsieger bei „Jugend jazzt“: das Trio Tritonüsse. Drei Arbeitskreise widmeten sich Grundschule ist, und dass die Ver- den Aspekten „Lehrerausbildung“, mittlung von Musik im ersten Schritt ˜ Landesmusikrat Niedersachsen „Lehrinhalte“ und „Unterrichtsquali- über die Erfahrung mit der eigenen tät“ und machten Vorschläge für die Stimme als ureigenes Instrument am Weiterentwicklung des Fachs Musik ehesten gelingt. Darüber hinaus führt „Tritonüsse“ erobern Hildesheim im Unterricht. Die Veranstaltung diese frühe Vermittlung dazu, dass die Drei Tage stand die niedersächsische Stadt ganz im Zeichen des Lan- knüpfte an den 1. Erdinger Bildungs- Kinder diese Lieder ihr Leben lang deswettbewerbs „Jugend jazzt“. Rund 50 junge Jazzmusiker aus ganz gipfel im Herbst 2009 an und ist ein mit sich tragen werden.“ Kooperationsprojekt zwischen der Niedersachsen stellten sich im November den hochkarätigen Fachjurys Partner der Maßnahme zur För- Volkshochschule im Landkreis Erding, mit internationaler Besetzung. Am Ende des Wettbewerbs gab es mit derung der Musik und des Singens der Initiative „Kultur Musik“ und dem dem überregional besetzten Jazztrio „Tritonüsse“ einen souveränen an den Grundschulen sind das Baye- Bayerischen Musikrat. Doppelsieger. rische Staatsministerium für Unterricht und Kultus, das Netzwerk Musik in Katharina Knaus aus Oldenburg ten Rahmen des „Jazztreffs Nieder- Tägliches Singen an (Gesang, Jahrgang 1991), Matthias sachsen“ stattgefunden. Dazu gehör- Bayerns Grundschulen Bayern unter dem Dach des Bayer- ischen Musikrats, die Universität Re- Wagemann aus Niemetal-Varlosen ten Begegnungen, Workshops und Das Bayerische Kultusministerium hat gensburg, die Regensburger Domspat- (Posaune, 1991) und Henning Brungs Konzerte. zum neuen Schuljahr jeder Grund- zen und die Akademie U5 an der aus Harsum-Asel (Vibraphon, 1993) Zum Abschlusskonzert mit den schulklasse in Bayern einen Lieder- Einsteinstraße in München. wurden Landesbeste in der Ensemble- „Tritonüssen“ dankte Hildesheims kalender spendiert. „Die Singlok 1“, ¿ kategorie, gewannen einen der begehr- Bürgermeister Henning Blum dem ten „Jazzspatzen Niedersachsen“ und ausrichtenden Landesmusikrat Nie- dürfen ihr Bundesland bei der 9. dersachsen für die Durchführung des Bundesbegegnung „Jugend jazzt“ 2011 Wettbewerbs. „Jugend jazzt“ habe ˜ Landesmusikräte Berlin und Schleswig-Holstein in Dortmund vertreten. Hildesheim in musikalische Schwin- Auch bei der einmaligen Sonder- gungen versetzt. Der Präsident des Kooperation bei „Instrument des Jahres“ wertung „ChoralJazz“ in Kooperation Landesmusikrats, Karl-Jürgen Kemmel- mit dem Hildesheimer Michaeliskloster meyer, betonte, dass der Wettbewerb Die Präsidenten der Landesmusikräte Berlin und Schleswig-Hols- konnten sich die „Tritonüsse“ durch- abermals Talente beflügelt und grenz- tein, Christian Höppner und Klaus Volker Mader, vereinbarten setzen. Im Mittelpunkt dieser Wer- überschreitende Verbindungen und am Rande der Herbsttagung 2010 der Konferenz der Landes- tung stand die Verbindung von Kir- Partnerschaften möglich gemacht musikräte in Dresden eine enge Kooperation beim Gemeinschafts- chenmusik und Jazz. habe. Träger des Landeswettbewerbs projekt „Instrument des Jahres“. Alle Vorspiele und Konzerte in ist der Landesmusikrat Niedersach- Hildesheim waren öffentlich und sen in Kooperation mit der Musik- Dieses Projekt lenkt die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Viel- wurden von den Besuchern gut an- schule Hildesheim, dem Michaelisklos- falt musikalischen Tuns in unserem Land und fokussiert den Blick genommen. Auch in diesem Jahr hat ter Hildesheim und der Landesmusik- jährlich auf ein Instrument und die Buntheit seiner Ausdruckformen. der Landeswettbewerb im bewähr- akademie Niedersachsen. ¿ 2010 war der Kontrabass, das Fundament der Klänge in der Kammer- musik, im Orchester, im Jazz oder in der Rockmusik, „Instrument des Jahres“. Das Jahr des Kontrabasses eröffnete viele Möglichkeiten, mit ˜ Landesmusikrat Nordrhein-Westfalen dem großen Instrument in Kontakt zu kommen – im Konzert, im Workshop, an den Musikschulen, im Theater. Mit dem bekannten Lübecker Kontrabassisten Jörg Linowitzki konnte ein Meister des Ins- Synergien in der musikalischen Bildung ¿ truments für die Schirmherrschaft gewonnen werden. Am 25. März findet in der Lan- wenn er angesichts des Musiklehrer- desmusikakademie NRW in Heek mangels überhaupt stattfindet – in der eine Tagung zu schulischer und au- Schule, zum anderen die ebenfalls an ßerschulischer musikalischer Bil- den Schulen angesiedelten Program- dung statt. me musikalischer Bildung des Lan- Neben Fachvorträgen ist eine des wie „Jedem Kind ein Instrument“ Podiumsdiskussion mit Vertretern des und „Jedem Kind seine Stimme“ oder Ministeriums für Familie, Kinder, Ju- Angebote im Rahmen des Offenen gend, Kultur und Sport sowie des Ganztags und des Landesprogramms Ministeriums für Schule und Weiter- Kultur und Schule. Hinzu kommen bildung NRW vorgesehen. In Nord- verschiedene – auch verschieden or- rhein-Westfalen gibt es mittlerweile ganisierte – Formen des Klassenmu- eine Vielfalt parallel existierender, zum sizierens. Außerhalb der Schule ma- Beschlossen Kooperation: Christian Höppner (l.) und Klaus Volker Mader. Teil konkurrierender, im besten Fall chen öffentliche und private Bild rechts: der Schirmherr des Jahres des Kontrabasses, Jörg Linowitzki. sich ergänzender Angebote. Zum ei- Musikschulen, Privatmusiklehrer, nen gibt es den Musikunterricht – Chöre und Musikvereine Bildungs-

DMR aktuell XV angebote. Wie passt das zusammen? „Jugend jazzt 2011“ und durfte sich ˜ Landesmusikrat Thüringen Welche Bildungsziele verfolgen außer- beim Preisträgerkonzert am 5. Dezem- schulische Angebote? Lassen sich ber im Dortmunder Jazzclub „Domi- Wieder Stipendien für Hochbegabte Synergieeffekte nutzen? Was ist zu cil“ als beste Formation des Wettbe- verbessern? Wie lässt sich Instrumen- werbs präsentieren. Das Thüringer Ministerium für Bad Salzungen statt. Der Landeswett- talunterricht im Schulkontext unter Weitere erste Preise gingen an die Bildung, Wissenschaft und Kultur bewerb Thüringen schließt sich vom der Maßgabe einer hohen sozialen Combos „THJ“ (Bergisch Gladbach; verleiht 2011 im zehnten Jahr För- 25. bis 27. März in Sondershausen Reichweite finanzieren? Die Tagung mit einem Durchschnittalter von 11 derstipendien an musikalisch hoch- an. Als regionale Kategorie gibt es in richtet sich an ein Fachpublikum aus Jahren die jüngsten Teilnehmer), „The begabte Kinder und Jugendliche Thüringen erstmalig die Kategorie den angesprochenen Bereichen. Young Fab Four“ (Soest), „Jeranimo aus Thüringen. „offene Kammermusik“, die musika- Jazz Quartett" (Drensteinfurt) und Mit diesen Stipendien soll die lischen Formationen ein Podium bie- „Brandt Bauer Frick“ auf „fo(ur)r after eight“ (Soest). Für her- Teilnahme an Kursen, Workshops und ten möchte, die ansonsten im Drei- der MIDEM in Cannes ausragende solistische Leistungen Wettbewerben unterstützt werden. Die jahresturnus von „Jugend musiziert“ wurden mit Sonderpreisen ausgezeich- feierliche Verleihung durch das Mi- keine Berücksichtigung finden. Die Initiative Musik Berlin organisiert net: Anne-Marie Intsiful, Gesang nisterium findet am 24. Januar im einen Showcase auf der MIDEM in („Crazy Creepung Crocophants“), Deutschen Nationaltheater Weimar Landesmusikrat unterstützt Cannes, der am 24. Januar 2011 je Niklas Jaunich, Schlagzeug („Jeranimo statt. Für den musikalischen Rahmen eine Band aus den Bundesländern Gründung von Kulturrat Jazz Quartett“) und Niklas Kluger, sorgen die Stipendiaten des Vorjah- präsentiert. Der Landesmusikrat NRW Tenorsaxophon („Reviving 2“). Für res. Der Landesmusikrat Thüringen ist und die c/o pop entsenden und för- eine glanzvolle Umrahmung des Preis- federführend bei der für Frühjahr 2011 dern für NRW die Band „Brandt Brauer trägerkonzerts sorgte ein weiteres Mal geplanten Gründung des Thüringer Frick“. Das Trio, herausragender Teil- Erstmalig „offene Kammer- das JugendJazzOrchester NRW. Kulturrats. Seit 2010 ist Eckart Lan- nehmer des Popförderprogramms musik“ bei Jugend musiziert Der Landeswettbewerb „Jugend ge, Präsident des Landesmusikrats NeuKommaGut des Landesmusikrats jazzt“ wird seit 2010 jährlich ausge- Auch Thüringen startet jetzt mit den Thüringen, Sprecher der Ständigen NRW auf der c/o pop 2010, wird schrieben. Im zweijährigen Rhythmus Regionalwettbewerben im Rahmen Konferenz der kulturellen Fachverbän- die Festivalbesucher mit seinem ei- wechseln die Wertungen für Com- des 48. Wettbewerbs „Jugend musi- de, aus dem der Kulturrat hervorge- genwilligen Minimal-Techno konfron- bos und für Bigbands. Der Wettbe- ziert“. Diese finden im Januar und hen soll. tieren. Weitere Informationen zur Band werb für Solisten findet zeitgleich mit Februar in Nordhausen, Eisenberg und ¿ und zum Auftritt unter: dem der Jazzorchester statt. www.brandtbrauerfrick.de „Jugend jazzt“ ist ein Förderpro-

LANDESMUSIKRÄTE | FACHAUSSCHÜSSE „Reviving 2“ empfehlen jekt des Ministerium für Familie, Kin- ˜ Rundfunkausschuss der Konferenz der Landesmusikräte sich für Jugend jazzt 2011 der, Jugend, Kultur und Sport NRW und steht in der Trägerschaft des Lan- Am 20. November fand der Landes- desmusikrats NRW; es wird in Koo- Diskussion um Neue Neue Altersgrenze im Fokus wettbewerb „Jugend jazzt NRW“ in peration mit der Dortmunder Musik- Musik im Rundfunk Schwerpunkt der Herbstsitzung des der Musikschule Dortmund statt. In- schule durchgeführt. Der Energiever- Bundesfachausschusses Musikbe- Themen der Konferenz der Lan- strumental-, Vokal- und gemischte sorger „DEW21“ vergab zudem einen rufe des DMR waren – neben der desmusikräte anlässlich der Herbst- Ensembles mit zwei bis zu zehn Mit- Förderpreis in Höhe von je 400 Euro Situation von Kirchenmusikern – die tagung bei Radio Bremen waren wirkenden traten an, um zu zeigen, an das beste Ensemble der jeweiligen Auswirkungen des demografischen Klassische Musik im Rundfunk, das was sie können. Das Duo „Reviving Altersgruppe, verbunden mit einem Wandels auf die Musikberufe. Hier Tätigkeitsfeld des Musikredakteurs 2“ aus Düsseldorf erhielt von der Jury Auftritt im Kundenzentrum des Un- ging es um die Probleme, die mit ¿ (Ausbildung, Weiterbildung, Nach- die Empfehlung zur Bundesbegegnung ternehmens. der Anhebung der gesetzlichen Al- wuchssituation) und Folgen der tersgrenze auf 67 verbunden sind. Neuorganisation der Rundfunkge- Ferner wurde eine Zusammenarbeit ˜ bühr (von der Gerätegebühr zur Landesmusikräte Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen mit dem Arbeitskreis 50 plus ange- Haushaltsgebühr). regt, um die Kenntnisse von Berufs- Heiß diskutiert wurde auch das Wettbewerb zu „Reformation und Musik“ musikern nach Eintritt in den Ruhe- Thema „Neue Musik im Rundfunk“ stand etwa zur Musikvermittlung für Der Landesmusikrat Sachsen-An- Komposition gefordert. Die Kompo- – Neue Musik heute als Avantgarde verschiedene Altersgruppen zu nut- halt, der Sächsische Musikrat und sition soll vom Chor in seinen ver- oder in einer Krise?, Vermittlungsfor- zen. Hartmut Karmeier, Vorsitz der Landesmusikrat Thüringen schiedenen Besetzungs- und Präsen- men Neuer Musik im Rundfunk und schreiben – in Verbindung mit der tationsformen ausgehen. Es können tatsächlicher Rückgang von Sendun- Geschäftsstelle der EKD „Luther darüber hinaus auch Aufgaben an gen Neuer Musik. Der Ausschuss hat ˜ IMPRESSUM DMR aktuell 2017 – 500 Jahre Reformation“ Gesangssolisten und/oder Orgel (so- sich darauf verständigt, ein Memoran- einen Kompositionswettbewerb wohl als Begleitung wie auch solo dum zum öffentlich-rechtlichen Rund- Herausgeber: zum Themenjahr „Reformation möglich) vergeben werden. Ein mög- funk zu entwerfen, das einerseits die Deutscher Musikrat e. V. und Musik 2012“ aus. liches begleitendes Instrumentalen- Umsetzung des Bildungs- und Kultur- Schumannstraße 17, 10117 Berlin Die Reformation legte einen semble darf neun Instrumente (inkl. auftrags auch bei geringer werdender [[email protected]] und Deutscher Musikrat gemeinnützige Grundstein der europäischen Musik- Orgel) nicht überschreiten; die Wahl Rundfunkgebühr einfordert und an- Projektgesellschaft mbH kultur – vom Gemeindegesang bis zur des Instrumentariums steht frei. dererseits auf die besondere Bedeu- Weberstraße 59, 53113 Bonn Hausmusik. Dafür stehen Komponis- Die eingesandten Werke dürfen tung von regionalen Darstellungen im [[email protected]] ten wie Bach, Schütz, Telemann und zuvor weder veröffentlicht noch ur- Rundfunk hinweist. Vorgeschlagen Verantwortlich i. S. d. Pressegesetzes: Händel, aber auch der Leipziger Tho- aufgeführt sein. Der Wettbewerb ist wird ein Sockelbedarf aus dem jewei- Christian Höppner manerchor, der 2012 sein 800-jähri- mit Preisen im Gesamtwert von ligen Etat des Senders als Grundsi- Redaktionsleitung: Christian Höppner ges Bestehen feiert. Diese reiche Tra- 10 000 Euro dotiert. Für das mit ei- cherung für kulturelle Sendungen. Die- [[email protected]] dition lebendig zu halten und neue nem 1. Preis prämiierte Werk wird ses Papier bildet eine Diskussions- Dr. Peter Ortmann [[email protected]] Wege zu erproben, ist Sinn und Zweck die Geschäftsstelle der EKD „Luther grundlage für den Umgang mit Kul- Redaktion: des Kompositionswettbewerbs. 2017 – 500 Jahre Reformation“ 2012 tur im öffentlich-rechtlichen Rundfunk Ariane Hannus [[email protected]] Unter Bezug auf die Lutherlieder eine öffentliche Uraufführung des insbesondere in Abgrenzung zum Susanne Fließ [[email protected]] Ein feste Burg ist unser Gott (EG 362) vollständigen Werkes besorgen. Privatrundfunk. Die Frühjahrssitzung Schlussredaktion/Produktion: oder Nun freut euch, lieben Christen Weiter Info unter: des Ausschusses wird in Mainz beim Werner Bohl, BWM: e-Publishing g’mein (EG 341) ist eine mehrteilige Tel. 03491-50527-16. ¿ ZDF stattfinden. Ulrike Liedtke ¿ [[email protected]]

DMR aktuell XVI AKZENTE

Geld, Geld, Geld – und wenig Musik. Das Los eines Musikschulleiters ähnelt dem großen Spiel um Moneten, Macht und Monopol. Von Klaus-Dieter Anders

Fotos: Hofschlaeger/pixelio

»MuSopoly« ZWISCHEN GEFÄNGNIS UND ABBEY ROAD

onopoly wird 75 Jahre! vor allem im Kopf abläuft: „MuSopoly“. Eine Die Regeln müssen natürlich im Voraus MEin Spiel, das seit einem spezielle Variante des eingangs genannten festgelegt werden, damit sich während des Dreivierteljahrhundert Generatio- Spiels, mit der MusikSchule im Mittelpunkt, Spiels keine Differenzen ergeben. Für die das unter besonderer kommunaler Beteili- folgende Variante lauten diese wie folgt: nen begeistert, das immer wieder gung auch als „MuSoPolis“ gespielt werden 1 Zwei Spieler: Musikschulleiter und frei- finanzielle Überraschungen bereit- kann. beruflicher Mitarbeiter. hält – und daher, ein Stück weit, Als Spieler eignet sich vor allem ein Mu- 2 Der Musikschulleiter startet mit einem dem alltäglichen Musikschulalltag sikschulleiter, der mit – oder auch gegen – Kapital von 100000 Euro für flexible Aus- vergleichbar ist. Kollegen, Eltern, Schüler, Kämmerer, Wirt- gaben (hier erkennt man bereits den fiktiven schaftsberatungsunternehmen und weitere Charakter des Spiels!), der freiberufliche Mit- Wenn man als Leiter einer Kreismusik- Mitspieler antreten kann, sodass sich beim arbeiter startet mit einem sehr guten Hoch- schule unterwegs ist, deren Grundkonzept Ziehen der Ereigniskarten ein bunter Mix aus schulabschluss, aber ohne Geld. auf einem dezentralen Angebot – „kurze Wege Musikpädagogik, Marketing, Finanzen, Kul- 3 Wer eine Sechs würfelt, darf noch für kurze Beine“ – basiert, kommen schnell tur oder auch Rechtsfragen und Politik erge- einmal würfeln. Wer über „Los“ geht, bekommt 50 Autokilometer oder auch eine Fahrstun- ben kann. 4000 Euro. de zusammen. Zeit genug für ein Spiel, das 4 Der Musikschulleiter beginnt. !

 MUSIK ORUM 37 AKZENTE

„6“ > Landtagsplatz „6“ > Carl-Orff-Aue Der Würfel des Musikschulleiters zeigt die Sechs, er zieht vor zum Ist es wahr? Schon wieder die… Landtagsplatz und erhält die Ereigniskarte: Der Musikschulleiter zieht an der Bachstraße und am Gluckwinkel vorbei, bedauert, nicht eine Drei oder Fünf Du hast den Landtag erreicht. gewürfelt zu haben. Dort wäre es um klingende Musik und richtiges Die Haushaltsdebatte für das kommende Jahr Musizieren gegangen. hat begonnen. Frohgemut mischst du dich in die Stattdessen die nächste Ereigniskarte: Diskussionen, verweist auf die Empfehlungen der Enquete-Kommission hinsichtlich der Länderverant- wortung für Musikschulen, kannst jedoch nicht ver- Du erhältst ein Exemplar des druckfrischen Bildungsplans „Musikalische Bildung von Anfang an“ hindern, dass das Musikschulbudget um 30 Prozent gekürzt wird. Du freust dich, dass dein Bundesland des Verbands deutscher Musikschulen (VdM). sich nicht neu verschulden will. Die 150 Seiten sind eine wunderbare Arbeitshilfe Lege 60000 Euro für den Ausfall der für grundlegende Musikschulangebote von Landesförderung zurück! Eltern-Kind-Gruppen und musikalischer Früherziehung bis hin zu Orientierungsangeboten und Kooperationsmöglichkeiten. Du stellst das Buch deinen Kollegen vor, die mit Nach seiner Sechs darf der Musikschulleiter noch einmal dir gemeinsam eine Intensivierung dieses Bereichs würfeln… beschließen. In Gedanken rechnest du mit neuen Zielgruppen und neuen Einnahmen. „6“ > Giuseppe-Verdi-Boulevard Neue Ereigniskarte: Der Musikschulleiter schaut mit Argwohn auf den Würfel in sei- Die Macht des Schicksals hat dich voll ereilt! ner Hand und wirft… Ver.di hat in den Tarifverhandlungen Erhöhungen durchgesetzt. „6“ > Frank-Zappa-Platz Du freust dich für deine hauptamtlichen Kollegen (und ein klein wenig auch für dich selbst). In großen Lettern prangt der Zappa-Spruch vom Haus der Pop- Ein wenig mitleidig blickst du auf deine Akademie: „Über Musik zu reden ist wie über Architektur zu tan- freiberuflichen Spieler zen.“ und legst 40000 Euro beiseite.

Du bist froh, tatsächlich nicht nur über Musikschule zu reden, Der Mitspieler ist leider immer noch nicht am Zug, der sondern mit dem Strukturplan des VdM ein hervorragendes Musikschulleiter würfelt ein weiteres Mal… Dokument in den Händen zu haben. Mit dem Argument des Kompetenzzentrums für musische Bildung „6“ – Gustav-Mahler-Straße und Erziehung in der kommunalen Bildungslandschaft und dem klaren Verweis auf die kommunale Verantwortung für bildungs-, Wieder die Sechs, die nächste Ereigniskarte: kultur-, jugend- und sozialpolitische Aufgaben ziehst du in die entsprechenden Fachausschüsse deines Kreistags. Neben dem Strukturplan hast du die Leitlinien der kommunalen Dein Musikschulkollegium beschließt, Mahlers Spitzenverbände zur Musikschule in der Tasche, erregst durch 8. Sinfonie in Es-Dur, die „Sinfonie der Tausend“, den Verweis auf soziale Transfereffekte und kulturelle Vielfalt bei aufzuführen. Es handelt sich um eine musikschul- allen Aufmerksamkeit. Alle Politiker klopfen dir auf die Schulter. spezifische Fassung, in die alle Kinder aus den Du schläfst abends mit einem guten Gefühl ein. Kooperationsprojekten eingebunden werden können. Auch wenn dir deine Kommune die fehlenden Mittel des Landes Für Streicher- und Bläserklassen sowie die JeKi- leider nicht ausgleichen kann. Kinder brauchst du entsprechendes Notenmaterial. Leider hast du kein Angebot für entsprechende Kopien und musst für alle Mitspieler Originalnoten kaufen. Und schon rollt der Würfel des Musikschulleiters wieder… Du machst deinen Kollegen klar, dass bereits alle Gelder verbraucht sind. Das Risiko ist zu groß. Das Projekt findet nicht statt.

Das Spiel geht weiter, der Musikschulleiter würfelt…

 38 MUSIK ORUM „6“ > E-Werk

Du gewinnst einen großen überregionalen Energieanbieter für ein gemeinsames Projekt der Begabtenförderung und erhältst 50000 Euro im Rahmen eines Sponsoringvertrags. Zahle hiervon 19 Prozent Umsatzsteuer an dein Finanzamt; etwa 40000 Euro bleiben übrig.

Neuer Wurf. Neues Glück?

„6“ > Hauptbahnhof „6“ > Abbey Road

Du hast kein Geld mehr, Der Hauptbahnhof ist ein Kopfbahnhof die Zukunft gestaltet sich schwierig. und soll demnächst umgebaut werden. Spontan fällt dir der alte Beatles-Spruch ein: Nimm den Kopf wörtlich und schalte den deinigen ein. „Wir können nichts, aber wir haben einen Du beschließt die Professionalisierung der Riesenspaß dabei.“ Öffentlichkeitsarbeit (Kosten: 20 000 Euro) und eine Für dich stellt es sich genau andersrum dar: Flexibilisierung und Modularisierung der Angebote. Du kannst fast alles, Für die notwendige Weiterbildung des Kollegiums aber der Spaß ist abhanden gekommen. setzt du deine verbleibenden 20000 Euro ein. Der Wettbewerb der knappen Haushalte geht in die nächste Runde. Vielleicht trifft es ja dieses Mal die Bibliothek oder das Museum. Die erste Spielrunde geht ihrem Ende entgegen – nicht ohne Missgeschick für den Musikschulleiter. Ihn erreicht die Nachricht, dass ein Teil seines Kollegiums die Noten für die Mahler-Sinfonie doch kopiert hat. Die Quittung: Mit der nächsten Sechs landet der Musikschulleiter auf „Los“ – und zieht natürlich kein Geld ein. Zweite Runde, erneut erreicht er Gehe ins Gefängnis und den… setze dreimal aus! > Landtagsplatz

Deine zahlreichen Gespräche, Anhörungen, Strategiepapiere und Hochrechnungen tragen Früchte. Die Chance für den bislang nicht in Aktion getretenen Mitspieler! Die Haushaltskürzung für Doch der freie Mitarbeiter kann die Situation nicht nutzen, da er sich auf dem Weg zu einer weit entfernten Musikschule befindet. Seit der Musikschulen Scheinselbstständigkeitsgesetzgebung arbeitet er an sieben verschie- wird zurückgenommen. denen Musikschulen, deren Leiter er noch nie kennen gelernt hat, die ihn nicht in Projekte einbinden und ihn auch bei der Bereitstel- lung von Unterrichtsmaterialien nicht unterstützen. Der Musikschulleiter überspringt beim nächsten Würfeln die Kai- Na bitte, unser Musikschulleiter hat gewonnen! Demnächst wird rostraße, denkt dabei kurz an die Alterspyramide seines Kollegiums er auch wieder richtig musizieren! und die letzte Festeinstellung vor 15 Jahren, kreuzt die Methusalem- gasse, wobei die Idee aufkommt, künftig auch für Senioren Angebo- Der Autor: te bereitzuhalten, und schrammt knapp am Ödweg vorbei, der noch Dr. Klaus-Dieter Anders studierte Schulmusik in Leipzig und ist seit 1993 Leiter der einmal verdeutlicht, dass die Zahl der Kinder in ländlichen Regionen Musik- und Kunstschule „Ottmar Gerster“ Leipziger Land. rapide abnehmen wird. Dann der nächste Wurf…

 MUSIK ORUM 39 BEGEGNUNGEN

s war im Advent des vergan- In der Musik die Heimat gefunden: Eine Begegnung mit dem Egenen Jahres. Da fielen sich bei einer Feierstunde in der Bayerischen Vertretung zu Berlin zwei Männer um den Hals und AUF DER SUCHE NACH DER weinten. Feuchte Augen mitten im Regierungsviertel – schon da war klar, dass die beiden Männer Von Stephan Mayer keine Politiker sein konnten. Die leisten es sich längst nicht mehr, öffent- Franz Josef Strauß für ein Unglück gehalten Aber auch in der Musik war der Weg steinig, lich Emotionen zu zeigen. Keine Politiker also, hatte und den SPD-Star Herbert Wehner für weil Enoch zu Guttenberg so ganz anders sondern zwei enge Freunde und überzeugte eine wichtige Persönlichkeit der deutschen war als ein Herbert von Karajan, Sir Simon Umweltschützer lagen sich da in den Armen. Politik. Einer, von dem heute noch in hohen Rattle oder Claudio Abbado. Für die gab es Der eine, Hubert Weinzierl, Mitbegründer des Regierungskreisen ehrfürchtig gesprochen nichts anderes als das Dirigentenpult und den Bundes für Umwelt und Naturschutz in Deutsch- wird. wärmenden Kokon der Nachwuchszüchtung land (BUND), feierte seinen 75. Geburtstag. Dieser Karl-Theodor zu Guttenberg wünsch- durch ungezählte hervorragende Lehrmeis- Der andere war Weinzierls bester Freund: te sich seinen Sohn Enoch in die politischen ter. Guttenberg musste parallel zu seiner Baron Enoch zu Guttenberg, gefeierter Diri- Fußstapfen und hielt dessen musikalische Am- Dirigentenkarriere das wirtschaftliche Erbe gent, Vater des Bundesverteidigungsministers bitionen für Spinnerei. Die diametralen Be- der Familie stabilisieren und das Schloss mit und ebenfalls Mitbegründer des BUND. Zu rufsvorstellungen derer zu Guttenberg führ- seinen Ländereien im Blick behalten. Er stu- Guttenberg hatte die Geburtstagsrede gehal- ten nicht zum Bruch, wenn auch zu heftigen dierte Dirigieren und Komposition in Mün- ten und darin der Umweltpolitik in den ver- Meinungsverschiedenheiten zwischen Sohn chen und Salzburg. Einer seiner Lehrer war gangenen Jahrzehnten heftig die Leviten ge- und Vater. Aber Enoch zu Guttenberg handel- Carl Feilitzsch. Auch der war überzeugter Um- lesen. Die bei der Feierstunde versammelte te aus tiefster innerer Überzeugung. „In der weltschützer. 1967 übernahm Enoch zu Gut- Führungsriege der deutschen Ökoradikalen Musik“, sagt er heute, „habe ich die Heimat tenberg mit 21 Jahren einen Laienchor im war begeistert. In der Summe bestand zu Gut- gefunden, die ich draußen, selbst in Gutten- oberbayerischen Neubeuern und machte die- tenbergs Vorwurf darin, dass die Politiker berg, immer öfter vermisse.“ Guttenberg spricht sen in wenigen Jahren zu einem Spitzenor- mangels Leidenschaft, Tatkraft und Emotion absolut. Kein Graubereich, kein Kompromiss, gan. Gleichzeitig war er Gastdirigent bei zahl- dabei zusähen, wie das Erbe für unsere Kin- keine Fassade. Er sagt, was er denkt. Man reichen Orchestern im In- und Ausland. 1997 der und Enkel verspielt werde. Das führte glaubt ihm, dass er sich mit dieser Aufrichtig- übernahm er zudem die Leitung des freien dann auch zu dem Satz: „Wenn es Politiker keit in den Fallstricken einer immer mehr und objektbezogenen Orchesters der „Klang- wie Hubert Weinzierl gegeben hätte und noch von Kompromissen aufgeweichten und von Verwaltung“. Hochkarätige Berufsmusiker aus gäbe, hätten vielleicht die Menschen hier im Bürokratie überladenen Politik unweigerlich unterschiedlichen Ensembles, ganz nach dem Land und auf der Welt etwas mehr Seelen- verheddern würde. Vorbild des Orchesters der Bayreuther Fest- ruhe.“ Ruhe für die Seele! Das ist es, wie ich aus zahlreichen Begegnungen erfahren habe, was Umjubeltes Konzert: sich auch Enoch zu Guttenberg so sehnlich Im Oktober dirigierte Enoch zu Gutten- wünscht – musikalisch gesprochen: die See- berg im Vatikan – auf Wunsch von Papst lenruhe als Reprise hin zur Coda „ewiger Frie- Benedikt XVI. – das Requiem von Giuseppe de“. Wie oft muss das dem Dirigenten auf Verdi. den Konzertpodien bei den Oratorien und Totenmessen von Bach, Haydn, Verdi und Mozart durch den Kopf gegangen sein. Der gefragte Dirigent Es ist der Wahnsinn, den wir der Natur zumuten und die Unfähigkeit, den Prozess Enoch zu Guttenberg, geboren am 29. Juli der Zerstörung aufzuhalten, was Enoch zu 1946 im oberfränkischen Guttenberg, stu- Guttenbergs Seelenruhe verhindert und ihn dierte Komposition und Dirigieren in Mün- im Gespräch oft verzweifelt und pessimis- chen und Salzburg. Seit nunmehr 40 Jahren ist er ein gefragter Dirigent in vielen Konzert- tisch erscheinen lässt. Dann sucht er Zuflucht häusern Europas und konzertiert zumeist mit der von ihm gegründeten Chorgemeinschaft in der Musik. Die ist sein Leben, noch vor Neubeuern und mit dem Orchester der „KlangVerwaltung“. Für seine Arbeit als Dirigent der Familie und auch noch vor dem Status wurde zu Guttenberg unter anderem mit dem „Deutschen Kulturpreis“, dem „ECHO Klas- des Hausherrn auf Schloss Guttenberg. Sein sik“, dem Bundesverdienstkreuz und dem Bayerischen Verdienstorden geehrt. Vater, Karl-Theodor zu Guttenberg, hatte in Zu Guttenberg ist seit mehreren Jahrzehnten im Umweltschutz engagiert. 1975 gründe- der Politik Karriere gemacht und unter Bun- te er zusammen mit Bernhard Grzimek, Horst Stern, Conrad Lorenz, Hubert Weinzierl und deskanzler Kurt-Georg Kiesinger die große anderen den Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland (BUND). Koalition (1966-1969) organisiert. Ein kan- Enoch zu Guttenberg und Christiane von und zu Eltz sind die Eltern des Bundesvertei- tiger Baron im Kanzleramt, ein Unangepass- digungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg. ter, der trotz CSU-Mitgliedschaft lange Zeit

 40 MUSIK ORUM Fotos (6): Michael Fahrig Dirigenten und Naturschützer Enoch zu Guttenberg Seelenruhe

spiele. Zu Guttenberg bewegte sich stets eng zarts Musik mit der Wucht einer mensch- in einem Repertoire, das nahezu lückenlos lichen Offenbarung in die Herzen dringt sein musikalisches Credo unterstützt: „Musik und die Konzertbesucher dann beim darf nie zum Konsum werden.“ Und so gibt „dona eis requiem“, von Gänsehaut be- es keine Aufnahme der Kleinen Nachtmusik gleitet, spüren, dass es im Leben vor und auch keine „Häppchen-Klassik.“ Stattdes- allem um den inneren Frieden geht. In sen überwiegen die anspruchsvollen geistli- diesem Konzert entstanden dieses Mys- chen Chorwerke, aber auch große Sinfonien terium und filigrane Gewebe zwischen dirigiert Enoch zu Guttenberg, wie jüngst Orchester und Publikum, die ein Kon- Bruckners 4. Symphonie. Eine Aufnahme die zert zum unvergleichlichen Erlebnis mit dem begehrten ECHO-Klassik-Preis aus- machen. Und dann riss es die 2500 gezeichnet wurde. Und natürlich Bach. Das Menschen in der Berliner Philharmo- Weihnachtsoratorium zum Beispiel, das schon nie aus ihren Sitzen und sie spendeten in meinem Elternhaus zum Adventsritual ge- hörte und das ich vor 25 Jahren im Münch- ner Herkulessaal zum ersten Mal mit Enoch zu Guttenberg am Pult gehört habe. Bis heute ist Bachs Oratorium in dieser Besetzung vor Weihnachten ein Monolith im Münchner Konzertkalender. Im Laufe seines Dirigentenlebens war al- les ein wenig anders, als man es von Gutten- bergs Kollegen kennt. Eine enge Gratwande- rung mitten in der Welt der klassischen Musik, wobei zu Guttenberg den Abgrund darin sieht, nur als „dirigierender Baron“ wahrgenommen zu werden. „Sie müssen das unbedingt anders schier endlosen Applaus. Mehr können darstellen“, sagte er mir seinerzeit, als wir ein Musiker und ein Dirigent im Konzert- gemeinsames Filmprojekt planten. „Musik ist saal nicht erreichen. Und weil ihm sol- mein Beruf, mit aller Ernsthaftigkeit verfolgt“ che Konzerte gelingen, gehört Enoch und nicht das Hobby des Schlossherrn zu zu Guttenberg zu den ganz großen Di- Guttenberg. rigenten unserer Zeit. Das Erfolgsrezept, sagt er bescheiden, Mysterium zwischen ist einfach: „Ich versuche lediglich, den Orchester und Publikum Inhalt einer Musik zum Leben zu er- wecken. Was wollte der Komponist Dabei muss man nur in Guttenbergs Kon- sagen, unter welchen Umständen ist das zerte gehen. Wie letztens in der Berliner Phil- Werk entstanden? All das müssen sie harmonie. Das Requiem von Mozart. Mit der beim Hören spüren.“ Zu Guttenberg Chorgemeinschaft Neubeuern und dem Or- wehrt sich gegen Musik als Konsum- chester der KlangVerwaltung. Selbst die Ber- gut. Die Musik soll die Menschen pa- liner Philharmoniker müssen oft auftreten, cken und auf sie wirken. „Zuhörer“, sagt bis es in einem ihrer Konzerte einmal so knistert Guttenberg, „sollen keine Verbraucher »Musik darf wie an jenem Abend, an dem dann auch die sein, sondern nachhaltig erleben, was störenden Hustenarien verstummten. Was ist die Musik in ihrem Innersten zu sagen nie zum Konsum Erfolg in der Musik? Wenn die selbsternann- hat.“ Das erinnert schon wieder an den ten Apostel der Musikkritik ins Schwärmen Umweltschutz. Der Satz könnte auch werden« geraten? Oder wenn die Zuhörer beim „lacri- lauten: Wir Menschen sollen keine Ver- mosa“ regungslos und die Tränen unterdrü- braucher sein, sondern nachhaltig da- Enoch zu Guttenberg ckend in den Sesseln erstarren? Wenn Mo- mit umgehen, was die Natur in ihrem

 MUSIK ORUM 41 BEGEGNUNGEN

Innersten zu sagen hat. Kein Wunder, dass Weite Bögen zwischen Enoch zu Guttenberg auch in der Politik kein den Künsten Verständnis dafür hat, warum das „Verbrau- cherschutzministerium“ in Berlin nicht „Nach- Wir sind an jenem Nachmittag auf einer haltigkeitsministerium“ heißt. Kutsche durch den Frankenwald gefahren. Wenn sich der Baron warm geredet hat, Der Baron in voller Montur eines berittenen dann kommt er stets auf Joseph Haydn zu Edelmanns, hinten auf dem Wagen sein Stall- sprechen. Er wird nicht müde darauf hinzu- meister und der ungarische Jagdhund. So fährt weisen, dass Haydn schon damals in Lon- Enoch zu Guttenberg oft durch „seine“ Land- don die Gefahr einer Technisierung herauf- schaft. Tatsächlich reicht der Grundbesitz ziehen sah. Die von zu Guttenberg schon so locker, um darin mehrstündige Fahrten mit oft dirigierten Jahreszeiten beschreiben die der Kutsche zu unternehmen. „Die Zeit“, sagt Symbiose von Mensch und Natur, in der Ab- er, nachdem wir lange schweigend die lang- grenzung zur Technik. Musik des 18. Jahr- sam vorbei schwebende Natur beobachtet hunderts mit einem eindeutigen Hinweis auf hatten, „bekommt auf der Kutsche eine an- sprächspartner heraus. Seine umfassende die drohende Apokalypse. Auch das zieht dere Dimension. Die Landschaft und die Natur, Erziehung erlaubt es ihm, weite Bögen zwi- sich durch Guttenbergs Gedanken: „Das Im- die können sie bei diesem Tempo riechen.“ schen den Künsten zu spannen. Er formt sie mer-funktionieren-müssen“, sagt er, „das bringt Und dabei atmet er selbst ein paar Mal kräf- zu einem Weltbild, das für ihn am liebsten in uns eines Tages um. Definitiv.“ Als dieser Satz tig aus und ein, so als wolle er mich für immer Melancholie mündet. fällt, sitzt der Baron auf Schloss Guttenberg dazu bringen, Fahrten im Auto, Flugzeug oder Fahrten mit der Kutsche? Melancholie? im bilderbehängten roten Salon in einem Oh- im Zug zu vermeiden. Es war ein Tag, an dem Als gusseiserner Bayer spreche ich postwen- rensessel, funkelt unter seiner Hornbrille her- Wolkenfetzen den durchschimmernden blau- dend König Ludwig II. an. Guttenberg greift vor und krault neben sich das Bilderbuch- en Himmel durchsetzten und der Herbst bereits den Ball erfreut auf: „Ja, sehen Sie, der war exemplar eines ungarischen Jagdhundes. Bei die Blätter gefärbt hatte. „Das ist“, sagt der der Welt entrückt. Also ver-rückt von der Nor- jedem dieser Gespräche spürt man, dass zu Baron, „wie wenn sie durch ein Bild von Caspar malität. Was ist daran falsch?“ Und im nächs- Guttenberg ernsthaft darüber nachdenkt, was David Friedrich fahren. Oder wenn Eichen- ten Atemzug erklärt er mir den Pazifisten Lud- aus der Botschaft der Musik unbedingt zu dorff neben ihnen auf der Kutsche sitzt.“ wig II., den Technikfan Ludwig II. und den lernen ist. Und im nächsten Atemzug verliert Vielleicht denkt zu Guttenberg dabei an das Umweltschützer Ludwig II. Und dann über- er fast die Contenance und schimpft über Gedicht Frische Fahrt, in dem es zum Schluss rascht er mich mit einer wahrhaft packen- das achtjährige Gymnasium in Bayern, einge- heißt: „Fahre zu! Ich mag nicht fragen, wo den Sensation: „Ich werde im Sommer auf führt wohlgemerkt von der CSU, deren Mit- die Fahrt zu Ende geht!“ Schloss Herrenchiemsee die Zauberflöte diri- glied er ist. „Dieses G8 ist schrecklich“, faucht Wie selbstverständlich streift zu Gutten- gieren“, sagt zu Guttenberg, „mit König Lud- der Baron, „weil dabei die musische Bildung, berg alle Disziplinen. Quer durch Literatur, wig als Sarastro.“ Ob das gut geht, denke ich die Schulorchester und die Chöre auf der Kunst, Geschichte, Mathematik und Musik mir und ziehe fröstelnd auf der Kutsche die Strecke bleiben. Ist das nicht fürchterlich?“ fordert er die Allgemeinbildung seiner Ge- Wolldecke bis zum Kinn. Es ist gut gegangen. Die positiven Kriti- Foto: Martin U. K. Lengemann ken haben sich überschlagen. Die Zauberflöte, versetzt in die Zeit des Bayernkönigs, war ein solcher Erfolg, dass die Oper in diesem Jahr zum 125. Todestag von Ludwig II. wieder- holt wird. Zu Guttenberg organisiert schon seit vielen Jahren ein Festival auf der ober- bayerischen Insel Herrenchiemsee. Stets aus- verkauft und damit ein Erfolg für seinen lang gehegten Traum, „eine Insel im Meer der Fest- spiele“ anzubieten. Auf der Insel Herrenchiem- see, da besitzt Guttenberg doch tatsächlich die Wohnung von König Ludwig II. Von hier aus hat der junge König den Bau seines Schlosses verfolgt. „Ein idealer Ort“, sagt der Baron, „um schwere Partituren zu studieren.“ „Was ist eine schwere Partitur?“, frage ich ihn bei einer Teestunde im Berliner Café Ho- renstein, dem vermutlich weltweit einzigen Vinyl-Schallplatten-Café. So einzigartig wie dieser Baron. Um uns herum die Porträts von bedeutenden Kollegen des Dirigenten Enoch zu Guttenberg: Wilhelm Furtwängler, Kurt Sanderling, Herbert Blomstedt und Jascha Ho- „Musik ist mein Beruf und nicht das Hobby eines Schlossherrn“: Dirigent Enoch zu Gutten- renstein, der dem Café seinen Namen gab. berg im Gespräch mit Autor Stephan Mayer im Berliner „Schallplattencafé Horenstein“. Freudig hatte an diesem Nachmittag der Haus-

 42 MUSIK ORUM »Ich versuche lediglich, den Inhalt einer Musik zum Leben zu erwecken«

Guttenberg-Veröffentlichungen herr und Plattenhändler, Wolf Zube, dem „Di- Fernsehinterview, „dass man Enkel nicht in auf dem Label „Farao“ rigenten-Gast“ eine alte Vinylplatte in die Hand Sippenhaft nehmen und dass Versöhnung auch gedrückt: Mozarts c-moll-Messe. Eine Auf- auf diese Art und Weise stattfinden kann.“ nahme mit zu Guttenberg von 1985. „Grauen- Die jüngste schwere Partitur, die Gutten- haft“, sagt der Baron und starrt dabei entsetzt berg auf Herrenchiemsee verschlungen und auf das jugendliche Bild von ihm auf der dann auf CD aufgenommen hat, war Beet- Rückseite. „Die Messe würde ich heute ganz hovens Missa solemnis. Die renommierte Wolfgang Amadeus Mozart: anders musizieren.“ Zube entgegnet: „Das wäre Musikzeitschrift „FonoForum“ zählte sie post- Requiem bei Furtwängler oder Bernstein genauso ge- wendend zu den besten Aufnahmen aller SACD wesen.“ Und der Vergleich mit den Altmeis- Zeiten. Ein Werk, das nicht für den Konzertsaal S 108 048 tern am Dirigentenpult gefällt dem Baron. bestimmt war, das voller Allegorien steckt und „Aber jetzt bitte keine Musik auflegen. Ich schonungslos aufzeigt, wie sehr Beethoven höre so gut wie nie Musik“, sagt zu Gutten- an den Glaubenssätzen zu zerbrechen schien. berg, „ und schon gar nicht im Hintergrund.“ Die Missa solemnis entstand in einer Zeit, in Und da ist es wieder, dieses Absolute in sei- der schon nicht mehr so selbstverständlich ner Diktion. geglaubt wurde wie zu Zeiten Bachs. „Das Eine Tasse Tee später komme ich zurück alles müssen sie wissen“, sagt der Dirigent auf die schweren Partituren und frage nach mit leuchtenden Augen, „wenn dann im ‚ag- Beispielen. Enoch zu Guttenberg spricht von nus dei‘ die Bitte um ‚inneren und äußeren Joseph Haydn: der 13. Symphonie von Dimitri Schostako- Frieden‘ kommt. Beethoven hatte das poli- Die Jahreszeiten witsch. Diese Sinfonie beschreibt, mit Tex- tisch gemeint.“ Aber Enoch zu Guttenberg DVD-Video u. ten von Jewgeni Jewtuschenko unterlegt, die spannt den Bogen weiter: „Nur darum geht Bonus-Material grausamste Massenvernichtungsaktion der es. In der Musik und auf unserem Planeten. D 108 055 Nazis gegen sowjetische Juden. 1941, in ei- Um den inneren und äußeren Frieden.“ ner Schlucht bei Kiew namens „Babi Jar“, Ein paar Stunden vor diesem Nachden- kamen dabei 33000 Menschen ums Leben. ken über die Missa solemnis hatte in der bay- Ludwig van Ich war zugegen, als zu Guttenberg die Sin- rischen Vertretung zu Berlin der große Diri- Beethoven: fonie in München geprobt hat. Als er im zwei- gent den großen Umweltschützer Helmut Missa Solemnis ten Satz entzückt dem Bassisten zurief: „Ja, Weinzierl innig umarmt. In diesem kurzen CD / Pure Audio Blu-ray Disc, genau so, wunderbar ist das!“ Und dann zu- Moment, das war mir erst viel später klar inkl. CD sammenzuckte ob des Textinhaltes und wei- geworden, hatte auch Enoch zu Guttenberg B 108 053 / A 108 ter dirigierend hinterherschob: „‚Angemes- seine Seelenruhe gefunden. 054 sen‘ meine ich natürlich – angemessen und nicht wunderbar.“ Der Autor: Der Bassist hieß Felix York Speer. Ein En- Stephan Mayer studierte Geschichte, Kunstgeschichte kel von Hitlers Baumeister Albert Speer. Lange und Musikwissenschaft an der Universität Augsburg. Seit schon singt Speer in Guttenberg-Konzerten. 2000 ist er Studioleiter des Bayerischen Fernsehens in Berlin. 2008 produzierte er unter dem Titel „Kommunis- Und lange wusste der Dirigent nichts vom mus – Taktstock – Weltstar“ einen viel beachteten ARD- umstrittenen Großvater seines Sängers. Aber Film über den Dirigenten Mariss Jansons. Beim Anton Bruckner: als er es erfahren hat, da wollte er diesen ta- Deutschen Musikrat ist er Mitglied im Bundesfachaus- IV. Symphonie lentierten jungen Mann nicht verstoßen, son- schuss „Musik und Medien“. In der Rubrik „Begegnun- SACD gen“ berichtet Mayer im MUSIKFORUM künftig über S 108 051 dern erst recht mit ihm musizieren. „Als sicht- Persönlichkeiten aus dem nationalen und internationa- bares Zeichen dafür“, sagte er mir in einem len Musikleben.

 MUSIK ORUM 43 © zwai/aboutpixel BILDUNG

ass ein spürbarer allgemeiner DAkzeptanzverlust der Musik- pädagogik zeitgleich mit einem gewissen politischen Rückenwind für musikalische Bildung einher- geht, ist nur scheinbar ein Wider- spruch.

Die leichtfertige faktische Abschaffung des Schulfachs Musik in der Grundschule durch Beschluss der Kultusministerkonferenz hat in der Gesellschaft keinen Widerspruch hervor- gerufen, wie auch kaum erwartet. Selbst die Reaktion der Fachwelt gegenüber dieser bil- dungspolitischen Rolle rückwärts seit Kesten- berg – so etwa die Positionierung seitens der Hochschulen bzw. Universitäten, seitens der schulischen berufsständischen Organisationen Musikschule und Schulmusik, so fordert Matthias Pannes, oder der Fachverbände bis hin zu den Dach- müssen für ein neues Fundament musikalischer Bildung im organisationen – war bisher noch von gemä- ßigter Intensität. Grundschulalter zusammenwirken Es ist offensichtlich die Zeit eines mehr oder minder fröhlichen „Anything goes“, ein Abschnitt der bildungspolitischen Entwertung fachlicher und pädagogischer Ansprüche, eine KINDER MUSIKALISCH Phase der schrittweisen Aufgabe des Fach- unterrichts Musik zugunsten einer Verflachung LASSEN! im Mustopf eines ästhetischen Fachs oder nicht allein Lernbereichs. Die Ausbildungsstrukturen für Musiklehrer in der Grundschule verändern sich ebenfalls fast geräuschlos hin zu einer fatalen Entfachlichung: Im entsprechenden Kind ein Instrument“ (JeKi) für das 3. und 4. am jeweiligen Wahltermin finden können. Studiengang in Nordrhein-Westfalen sind Jahr des Programms, das Fehlen einer ausge- Es bleibt zu hoffen, dass die jetzige Landes- z. B. nur 55 von 300 Credits für den Studien- reiften Didaktik hierfür und andere beglei- regierung in NRW mit Blick auf die musik- anteil für diesen Fächerverbund vorgesehen. tende Mangelerscheinungen sind somit ein pädagogische Landschaft, die ausgereiftere Wie viel darin tatsächlich für den Anteil an treffendes Beispiel dafür, wie eine politische Modelle als JeKi aufzuweisen hat, umsichti- musikfachlichen Studieninhalten genutzt wird, Idee um jeden Preis durchgesetzt werden muss, ger verfährt. ist nicht erkennbar festgeschrieben. Hochschul- ohne dass ausreichend Vorbereitung gewähr- Auch die wissenschaftliche Begleitforschung und Bildungspolitik versündigen sich durch leistet ist (siehe auch Beitrag auf Seite 23). Die zu JeKi geht – so seriös sie in den jeweiligen solche Fehlsteuerung an allen Kindern die- Vorlauf-Erfahrung mit dem Modell der Bo- Untersuchungsfeldern angelegt ist – zuweilen ser Gesellschaft, denen in der Grundschule chumer Musikschule war zwar sehr positiv, an wesentlichen und entscheidenden Frage- die Erfahrung einer bereichernden Begegnung aber das Programm war dort eben klar auf stellungen völlig vorbei, weil vielfach die mit Musik und eines fundierten Musikunter- lediglich zwei Jahre angelegt. Schließlich handelt Aspekte musikalischer oder pädagogischer richts, der seinen Namen verdient, vorent- es sich bei dem Bochumer Modell um eine Qualität nicht in den Blick genommen wer- halten wird. veränderte Form der musikalischen Grund- den und das komplexe Arbeitsfeld in der ausbildung – also eines Konzepts des Ver- Zusammenarbeit von Schule und Musikschule Camouflage und Aktionismus bands deutscher Musikschulen, das seit lan- nur wenig beleuchtet wird. Es wird kaum gem ausgereift vorlag. Die zwanghafte Aus- untersucht, ob JeKi seine musikpädagogischen Auf der anderen Seite scheint die politi- dehnung eines solchen Programms auf das Ziele erreicht, auch nicht evaluiert, welche sche Klasse zu fühlen, dass gerade im Grund- 3. und 4. Schuljahr ist rein politisch motiviert Wirkungen im musikalischen Kontext erreicht schulalter, sicher auch im Vorschulalter, die gewesen und hat keinerlei konzeptionelle werden, und schließlich wenig danach ge- Erfahrung von aktiver Auseinandersetzung Abstützung zu Beginn des JeKi-Projekts ge- fragt, welche Bedingungen zu einem Erfolg mit Musik und das Erlernen musikspezifischer habt. Zwischenzeitlich ist natürlich vieles In- des Programms führen bzw. führen können. Kompetenzen für Kinder von eminenter haltliche und Strukturelle ergänzt worden, aber Viel Steuergeld für so manche Forschung, Bedeutung sind. Man reagiert freilich oft mit man muss schon konstatieren, dass zum deren Gegenstand kaum jemanden interes- diffusen und wenig konzeptionellen Vorstel- Zeitpunkt der Einführung das Vorgehen der siert und deren Untersuchungsergebnisse für lungen, nicht selten auch mit einem Paarlauf politischen Akteure fast autistische Züge auf- JeKi teilweise zu wenig von Belang sind. von Camouflage und Aktionismus, um die- wies und Beratungsresistenz an der Tages- Nun ist die Misere, dass unsere Kinder im sem gefühlten Defizit zu begegnen. Der viel- ordnung war. Die Geschichte zeigt, dass solche Grundschulalter – wenn überhaupt – zumeist fach genannte Konzeptmangel von „Jedem politischen (Un-)Bedingtheiten ihre Grenze fachfremd erteilten Musikunterricht erhalten,

 44 MUSIK ORUM zwar politisch hausgemacht, aber nicht erst durch gesellschaftliche und schulische Ver- und Jugendliche werden künftig nicht mehr seit den vergangenen drei oder vier Jahren änderungen vor Herausforderungen gestellt, in Schüler am Vormittag und in Nutzer von existent. Lange Vernachlässigung der Aus- wenn auch in verschiedener Weise und mit Bildungsangeboten am Nachmittag zu teilen bildung von Musiklehrkräften für die Grund- unterschiedlicher Auswirkung. Wenn der sein. Eine Rhythmisierung der Zeitstruktu- schule hinsichtlich Quantität und Qualität und Musikunterricht an der Schule erodiert, hat ren muss ebenso erreicht werden wie die die schleichende Verdrängung des Musik- die Musikschule für ihre eigenen Angebote Vernetzung der Angebote zwischen den Bil- unterrichts aus der Stundentafel haben zu der wie auch für das Kooperationsfeld mit der dungsträgern allgemein bildende Schule und relativ traurigen Situation in der Grundschu- allgemein bildenden Schule keinen Vorteil. Musikschule. Hierbei können – als Brücken- le von heute geführt. In dieser Situation wird Wenn kompetenter und attraktiver Musik- angebot fungierend – solche zusätzlichen zuweilen der Ruf hörbar, die öffentliche unterricht in der Grundschule das Interesse Angebote wie die zahlreichen breit angeleg- Musikschule könne doch fehlenden Schul- an Musik weckt, steht zu vermuten, dass auch ten Musikalisierungsprogramme (JeKi, Mon- unterricht kompensieren. Diese Forderung der Wunsch nach Erlernen eines Instruments heimer Modell, Jedem Kind seine Stimme, erscheint ebenso nahe liegend wie sie gleich- stärker wird bzw. von mehr Kindern und Ju- Primacanta, SingenBewegenSprechen usw.) zeitig völlig zu kurz greift. gendlichen geäußert wird. Dies wäre gerade wirksame Unterstützung leisten. Öffentliche Musikschulen weisen zwar eine vor dem Hintergrund einer abzusehenden Angesichts dieser Entwicklung wird für die fundierte, organische und qualitativ hochwer- umfangreichen Veränderung der bisherigen Grundschule ein neues Fundament musika- tige musikalische Bildungssystematik auf, haben jeweiligen Arbeitsgrundlagen und Determi- lischer Bildung zu schaffen sein, bei dem auch aber einen grundsätzlich eigenständigen öf- nanten in Schule und Musikschule zur Stabi- die Notwendigkeit für einen veränderten fentlichen Bildungsauftrag, der den Musik- lisierung und Zukunftsfähigkeit beider Bereiche Lehrertyp sichtbar wird und die zuständigen unterricht an der allgemein bildenden Schu- musikalischer Bildung notwendig. Instanzen in Ausbildung wie Fortbildung darauf le ebenso wenig ersetzen kann wie es denn reagieren müssen. Konkret bedeutet dies eine umgekehrt der Fall sein könnte, dass die Schul- Zwei-Säulen-Modell in enorme Kapazitätssteigerung der Studienplätze musik die Instrumental- und Vokalausbildung Betracht ziehen für Elementare Musikpädagogik an den Mu- der Musikschulen übernehmen könnte. Die sikhochschulen ebenso wie eine Veränderung öffentliche Musikschule kann als Angebots- Diese Veränderungen rühren nämlich vor der universitären Ausbildungsstruktur für Schul- schule innerhalb ihrer finanziellen Rahmen- allem aus dem zunehmenden Ganztagsschul- musiker, die in der Grundschule benötigt bedingungen aber nur einen Teil der Kinder betrieb und dem daraus resultierenden ver- werden. Besonders in den Blick zu nehmen und Jugendlichen erreichen; die Statistik zeigt, kürzten Zeitkorridor für außerschulische sind dabei auch die Ausbildungsordnungen dass es zwischen zehn und zwölf Prozent Aktivitäten her. Ein zweiter, gesellschaftlicher für Schulmusiker in der Primarstufe. Für die eines Jahrgangs sind, die eine Musikschule Faktor ist der Geburtenrückgang, der mittel- ist zu fordern, dass ein Korridor geschaffen besuchen – Interesse und Neigung sind hier fristig zu einer eklatanten Veränderung der wird, bei dem ein Pflichtbereich wie Mathe- statt Schulpflicht die Determinanten. Dabei Gesamtschülerzahl führt. Wenn die Musik- matik durch Musik ersetzt werden kann. Dies ist zu bemerken, dass der Sozialauftrag der schulen weiter in der bisherigen Größenord- muss als Forderung an die Kultusminister- öffentlichen Musikschule dafür Sorge tragen nung ihre Klientel erreichen und halten wol- konferenz bzw. an die Konferenz der Wis- muss, dass kein Kind, kein Jugendlicher aus len, ist eine stärkere Angebotsorientierung in senschaftsminister und an die jeweiligen Lan- rein finanziellen Gründen vom Musikschul- die allgemein bildende Schule hinein notwen- desregierungen gerichtet werden. angebot ausgeschlossen ist. Wenn der Musik- dig – zeitlich wie räumlich. Die Musikschule Der Begründungszusammenhang für den unterricht in der Grundschule erodiert, ist die wird zunehmend ein Zwei-Säulen-Modell in Ersatz von Mathematik durch Musik im Stu- Musikschule zwar ein verlässlicher Ankerpunkt Betracht ziehen müssen: Einerseits wird das dium leitet sich u. a. daraus ab, dass man für für musikalische Bildung, sie hat aber kapazi- genuine Bildungsangebot der Musikschule im den Unterricht in Musik anders als in ande- tative Grenzen und ist als kommunale Bil- Sinne ihrer Kernkompetenz weiter qualita- ren Fächern nicht allein mit kognitiv-verba- dungseinrichtung inhaltlich wie strukturell eben tiv profiliert bleiben und quantitativ gesichert len Methoden auskommt, sondern zwingend anders aufgestellt als die Landeseinrichtung werden müssen, andererseits muss Musikschu- Fähigkeiten völlig eigener Art benötigt, näm- der allgemein bildenden Schule. le die Kinder dort aufsuchen, wo sie immer lich angemessene musikalische Kompeten- Schulmusik und Musikschule stehen nun mehr ihre Zeit verbringen – nämlich in der zen, die Niveau-Standards erfordern und mit aber nicht einfach unverbunden nebenei- allgemein bildenden Schule. Hierzu müssen den derzeitigen musikbezogenen Studienan- nander, sondern weisen zunehmend vielfältige dort die erforderlichen räumlichen und zeit- teilen in der universitären Ausbildung nicht Wechselwirkungen und Bezüge zueinander lichen Voraussetzungen geschaffen werden; erreicht werden. Die Anforderungen an einen auf. Zu nennen sind etwa der handlungs- und seitens der Musikschule werden ebenso neuen Lehrertyp liegen in den ersten beiden orientierte Musikunterricht an der Schule, der konzeptionelle und strukturelle Anpassungen Schuljahren eher im Bereich der Elementa- sein Pendant in der elementaren Musikpäda- bei der Angebots- und Personalplanung vor- ren Musikpädagogik und verändern sich für gogik der Musikschulen hat, zahlreiche Bei- genommen werden müssen. das 3. und 4. Schuljahr hin zu Kompetenzen spiele der Zusammenarbeit in der Ensemble- Damit kann die öffentliche Musikschule für die Arbeit mit Streicherklassen, Bläser- arbeit, in der Arbeit mit Streicherklassen und aber zu einer Vorzeigeeinrichtung werden, klassen etc. Hier ist jeweils auch der Einsatz Bläserklassen etc., teilweise auch im Klassen- um die Idee und das Konzept einer kommu- von fortgebildeten Lehrkräften der Musik- musizieren, in vielfältigen weiteren Koope- nalen Bildungslandschaft zu illustrieren und schulen sinnvoll – eine abgestimmte Koope- rationen zwischen Schule und Musikschule. politisch umzusetzen und konkretisieren zu ration zwischen allgemein bildender Schule Zu erwähnen ist vor allem auch die Zusam- helfen. In dieser kommunalen Bildungsland- und Musikschule ist entsprechend zu struk- menarbeit von Schule und Musikschule bei schaft soll – sozialräumlich orientiert – das turieren und zu formalisieren. Solche Lehr- Bildungsprogrammen wie JeKi und anderen. strukturelle Zusammenwirken möglichst vieler kräfte haben ihr zweites Standbein in der Mu- Schulmusik und Musikschule werden beide Bildungsträger vor Ort realisiert werden. Kinder sikschule, können Neigung und Talent ziel-

 MUSIK ORUM 45 BILDUNG.FORSCHUNG

sicher erkennen und damit interessierte usikanalyse ist immer inte- Kinder kompetent und pädagogisch fundiert ressengeleitet. Fragen zum zum Angebot der öffentlichen Musikschule M Stil, zur musikgeschichtlichen Ein- führen. ordnung, zur Funktion und Ziel- Musikalische Bildung ist gruppe, zur Qualität und Bewer- teuer – Unbildung ist noch tung können Ausgangspunkt und Ziel einer analytischen Auseinan- Plagiat viel teurer dersetzung mit Musik sein. Im Als vorläufige Quintessenz für die Stabi- Mittelpunkt aber steht die Klärung lisierung und Stärkung musikalischer Bildungs- möglichkeiten im Grundschulalter bleibt also der Machart von Musik. festzuhalten, dass Schulmusik und Musik- schule ihre Zusammenarbeit verstärken müs- Zu deren Beschreibung gibt es unterschied- Einbeziehung aller jeweils zur Verfügung ste- sen. Dies setzt voraus, dass das eigene, un- liche Verfahrensweisen. Rein physikalisch las- henden elektronisch-digitalen Gestaltungs- verwechselbare Profil von Schulmusik und sen sich die Spektren von Schallereignissen möglichkeiten zur dominierenden Kraft im Musikschule jeweils weiter sichtbar bleiben nach Gegebenheiten wie Tonhöhenverlauf, aktuellen Musikgeschehen geworden. und konturiert werden muss. Beide Berei- Teiltonstruktur, Geräuschanteil und Zeitdauer Auch Popmusik basiert selbstverständlich che stehen in enger Verbindung zueinander, der Schallereignisse, nach Intensitätsmerkma- auf den Grundlagen der abendländischen sind aber nicht austauschbar und können len, Amplitudenschwankungen und Envelo- Musiktheorie, nicht aber auf dem für Kunst- einander nicht ersetzen. Als zusätzliche Ange- pe-Struktur statistisch auswerten und benen- musik typischen, hoch elaborierten theoreti- bote in Kooperation von Schule und Musik- nen. Informationstheoretische und semiotische schen Überbau. Mit anderen Worten: Sie ist schule können Programme wie JeKi hilfreich Modellbildung kann darauf aufbauen.1 meistens tonal oder zumindest modal ausge- und nutzbringend für beide Seiten sein, wenn Für eine musikalische Beschreibung sind richtet, sie arbeitet mit Akkorden und Ak- Konzept und Umsetzung stimmig sind. Aus- derartige physikalische und psycho-akustische kordfortschreitungen der klassischen Harmo- bildung und Fortbildung müssen auf den ver- Parameter jedoch solange wenig ergiebig, wie nielehre, sie verwendet einfache formale und änderten Bedarf und die sich verändernden sie nicht in Verbindung gebracht werden mit satztechnische Strukturen, sie bevorzugt ei- Konstituenten (Ganztag/Zeitstruktur, Gebur- wahrnehmungspsychologischen Grundlagen nen durchgehenden und eingängigen Beat tenrückgang) reagieren und Kapazität und des Musikhörens. Hier geht es um die Re- und sie huldigt dem Refrainprinzip mit Ohr- Struktur der betreffenden Studiengänge zeit- präsentation von akustischen Reizen in den wurmqualität: Musikalische Motive verdich- nah anpassen. Dies umfasst auch die Not- auditiven Verarbeitungszentren des Gehirns ten sich zu einer prägnanten Gestalt, deren wendigkeit von „Korridor“-Lösungen mit Er- nach den Kriterien von dem, was als Musik gilt. Wiedererkennungswert mit jeder Wiederho- setzung eines Pflichtfachs durch Musik. Damit erst beginnt die eigentliche Musik- lung zunimmt. Jeder, der will, kann sich die- Über eine Empfehlung für ein hinsicht- analyse. Grundlage dafür bietet weniger deren sen Typ von Musik hörend aneignen – ohne lich dieser veränderten Anforderungen an- physikalische Erscheinungsform als vielmehr musikalische Vorkenntnisse oder gar Exper- zupassendes Ausbildungs- und Praxisprofil ihre noten-schriftliche Kodierung. Notenschrift tenwissen. für den Bereich musikalischer Bildung im hat sich in der westlichen Kultur seit dem Grundschulalter beraten zurzeit die Verbands- Mittelalter von den Gestaltungsverläufe skiz- Die Matrix wechselseitiger spitzen des Verbands deutscher Musikschulen zierenden Neumen bis hin zur analytisch- Bezugnahmen (VdM), des Verbands Deutscher Schulmu- sezierenden Einzelton-Notation entwickelt. siker (VDS) und des Arbeitskreises für Schul- Analog dazu wurde ein musiktheoretischer Wie auch Disco, Rock und Jazz zählt Pop- musik (AfS). Die Vertreter von Schulmusik Überbau geschaffen, der in einem umfang- musik zu jenen Musiksparten, die im her- und Musikschule wollen diese Thematik so- reichen Regelwerk seinen Niederschlag ge- kömmlichen wissenschaftlichen Diskurs al- wohl in der Föderation musikpädagogischer funden hat. Diese Regeln sind im Verlauf der lein schon darum stigmatisiert sind, weil sie Verbände behandeln als auch in den Bun- Musikgeschichte immer differenzierter und ohne notenschriftliches Substrat auskommen. desfachausschuss Musikalische Bildung des komplexer geworden. Das führte zu einer Ihre Entstehung und Tradierung erfolgt oral Deutschen Musikrats einbringen. zunehmenden Kluft zwischen einer musik- bzw. medial. Die hier von Experten nach wie theoretisch fundierten, nach Noten kompo- vor gebetsmühlenartig konstatierte „Regres- nierten Kunstmusik und einer nach wie vor sion der musikalischen Mittel“ verkennt die primär mündlich tradierten Umgangs-, Ge- Tatsache, dass es zumindest vier Aspekte sind, Der Autor brauchs- und Volksmusik. die es bei der Einschätzung von Popmusik Matthias Pannes ist seit 2005 Bundesgeschäftsführer des Verbandes deutscher Musikschulen (VdM). Auf Popmusik ist allerdings weder Kunst- noch gleichrangig zu berücksichtigen gilt: Landes- und Bundesebene setzt er sich seit vielen Jahren Volksmusik. In seinem Buch Die vier Welt- 1. die Musik und ihre Faktur, intensiv für die Förderung der musikalischen Bildung alter der Musik beschreibt sie Walter Wiora 2. ihre Kommunikationsstrukturen, d. h. und des Musiklebens ein. Pannes ist Vorstandsmitglied als die im „Weltalter der Technik und globa- die Symbolhaltigkeit der Sounds und deren der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugend- bildung (BKJ), Mitglied im Fachausschuss Bildung des len Industriekultur“ aufgekommene „Musik Bezug zu verschiedenen Lebenswelten, Deutschen Kulturrats, Mitglied im Bundesfachausschuss für Hörermassen“.2 Sie hat sich aus Gassen- 3. die Marktsituation mit den konstanten Musik und Medien des Deutschen Musikrats sowie in hauer, Volkslied, Operette und Schlager ent- Größen Geld und Macht sowie den Projektbeiräten von „Jugend musiziert“ und Bundes- wickelt und ist durch die Fusion mit afro- 4. die Präferenzen der Musikhörenden in jugendorchester. Von 1999 bis 2009 war er Mitglied der Landesmedienkommission NRW und des Rundfunk- amerikanisch ausgerichteten Musikstilen wie Anlehnung an deren Wertbindungen und ausschusses der Konferenz der Landesmusikräte. Blues und Rock, ferner durch die konsequente Lebensstile.3

 Abb. oben: Signalausschnitt einer Schallspektroskopie (Creative Commons Attribution/Share Alike) 46 MUSIK ORUM Oft müssen Gerichte darüber befinden, ob musikalische Urheberrechte verletzt wurden. Helmut Rösing mit einem Theorieentwurf zur Forensischen Popmusik-Analyse

ODER NICHT PLAGIAT?

Alle vier Aspekte ergeben eine Matrix Die Frage nach der eigen- dikatoren für musikalische Prägnanz stehen: wechselseitiger Bezugnahmen. Durch sie wird schöpferischen Leistung Aus musikstrukturellen „Kleinigkeiten“ kann die Produktion von Musik ebenso bestimmt eine Motivsemantik erwachsen, die für geis- wie deren Distribution und Rezeption. Was Der hier skizzierte Sachverhalt ist grund- tiges Eigentum kennzeichnend ist. Zweitens als musikstrukturelle Regression bzw. Verfall legend für so gut wie jede Analyse von Pop- ist darzulegen, dass musikalische Bestandtei- abgetan wird, erhält im Bezugsfeld dieser Matrix musik, die von einem Gericht in Auftrag ge- le, die nachweislich zur schöpferischen Indi- einen ganz anderen Stellenwert als in der geben wird. Im Mittelpunkt steht dabei aber vidualität des Originalstücks beitragen, auch Kunstmusik. Je eindeutiger Popmusik zudem weniger eine umfassende stilistische, histori- in jenem Musiktitel zu finden sind, dem Ur- am Markt orientiert und kommerziell ausge- sche und gesellschaftliche Bewertung von heberrechtsverletzung vorgeworfen wird. richtet ist, desto mehr unterliegt sie dem Gesetz Popmusik-Titeln in ihrer Gesamtheit als viel- Die Abwehrstrategie der Beklagtenseite der Einfachheit. Strukturelle Simplizität statt mehr die Frage nach dem Anteil der eigen- besteht darin, diese Eigentümlichkeiten klein Komplexität ist angesagt, um eine vertraute schöpferischen Leistung an dem Musikpro- zu reden. Als Beleg wird gerne auf die Nähe Symbolwelt musikalischer Klänge entstehen dukt. zu volkstümlichem und damit urheberrechts- zu lassen. Für den Kunstmusik-Liebhaber ist Forensische Popmusikanalyse ist immer freiem Liedgut verwiesen. Oder aber auf an- das trivial im negativen Sinn. Für den Nor- vergleichend. Ausgangspunkt sind zwei Mu- geblich vergleichbare Partien aus so genann- malhörer aber hat diese Trivialität ihren be- sikstücke: ein urheberrechtlich geschütztes ten klassischen Kompositionen. Im Vergleich sonderen Reiz. Durch sie werden die musi- Original und ein später entstandenes Stück, mit deren Strukturen wird dann die Machart kalischen Codes und Symbolwelten emotional in dem angeblich urheberrechtlich geschütz- des Poptitels oft als banale Anwendung rein

Vertraute Symbolwelt musikalischer Klänge: In der Popmusik ist strukturelle Simplizität statt Komplexität angesagt. Umso schneller entstehen Plagiatsvorwürfe.

© Paul-Georg Meister/pixelio

verständlich, assoziativ nachvollziehbar und tes Material Verwendung gefunden hat. Was handwerklicher Musikbetätigung beschrie- körperlich umsetzbar. Trivialität avanciert somit der Kläger diesbezüglich vorbringt, versucht ben. zu einem entscheidenden Qualitätsmerkmal. die Seite der Beklagten zu widerlegen. Auslöser für eine gerichtliche Auseinan- Folgt man Peter Wicke, dann wird für den Die Argumentation des Klägers vollzieht dersetzung mit in Deutschland geschaffener musikstrukturellen Bereich die „Materialität sich in der Regel in zwei Schritten, um eine Popmusik ist der Paragraph 24 des deutschen von Klang“ zum Ausgangspunkt einer mu- Urheberrechtsverletzung so plausibel wie mög- Urheberrechts vom 1. Januar 1966.5 Ausschlag- sikkulturellen Praxis, die auf „Sinnlichkeit, lich nachzuweisen. Erstens muss deutlich ge- gebend sind so gut wie immer finanzielle Vergnügen und Unterhaltung“ zielt.4 Somit macht werden, dass das Originalwerk eine Aspekte: Wer ist der legitime Nutznießer der geht es primär darum, die jeweiligen Cha- eigenschöpferische Qualität und Wertigkeit Umwandlung von geistigem Eigentum in klin- rakteristika von Klang – verstanden als die besitzt. Grundlage dafür ist die minutiöse gende Münze? Wem gehört die fragliche Gesamtheit aller die sinnliche Qualität von Analyse kleinster Musikpartikel, die aus kunst- Musik, ein zündender musikalischer Einfall, Musik bestimmenden Faktoren – analytisch musikalischer Sicht als eher trivial oder banal ein bestimmter Sound, ein markanter Bass- aufzuschließen. abgetan zu werden pflegen, hier aber als In- lauf, ein rhythmisch prägnant gebautes Mo-

 MUSIK ORUM 47 BILDUNG.FORSCHUNG

tiv oder eine Melodie mit hohem Wiederer- Gesamteindruck zum Maß für eigenschöp- Veränderung, jede neue Soundvariante ist hier kennungswert? Handelt es sich hier um die ferische Leistung erhoben wird.8 von Belang, aber ebenso auch jede Wieder- kompositorische Verwertung von musikali- Der Gesamteindruck ist das Ergebnis ei- holung eines rhythmisch, klanglich, harmo- schem Allgemeingut, um den gekonnt hand- nes Ineinandergreifens von mindestens fünf nisch und melodisch gestalteten Motivs. Das werklichen Umgang mit Ton-, Rhythmus- und Gestaltungsebenen: eine wie das andere setzt Entscheidungen Akkordfiguren zur Schaffung eines individu- • Strukturebene (großformale Anlage und voraus. Und genau darin besteht die Arbeit ell geformten neuen Musikstücks oder han- Taktaufteilung), des Komponierens. Mag man auch darüber delt es sich um unfreie Anleihen bei bereits • klangliche Ebene (Klangfarbe als Ergebnis streiten, ob ein einziger elektronischer Sound vorhandenen und im Rahmen der gesetzli- von Instrumentation und Arrangement bzw. von Kraftwerk bereits Urheberrechtsschutz chen Fristen urheberrechtlich geschützten elektronischer Soundgestaltung); genießen sollte10, so bleibt aber doch unbe- Musikstücken? Pointiert gesagt: Ein Plagiat- • rhythmische Ebene (Tempo – zeitliche stritten, dass die Popmusikproduktionen der vorwurf wird erhoben, wenn es sich lohnen Dichte der Tonfolgen – Zeitdauer und Beto- vergangenen Jahre nicht allesamt gemeinfreies könnte, am kommerziellen Erfolg eines Mu- nung der Töne im Taktgefüge); Kulturgut sein können. sikstücks zu partizipieren. • melodische Ebene (Anordnung von Ton- folgen zu einer in sich geschlossenen Gestalt); Die „Kleine Münze“ • harmonische Ebene (Zusammenklänge 1 Stoffer, Thomas H.: „Mentale Repräsentation musikali- – in tonaler Musik nach den Regeln der scher Strukturen“, in: Zeitschrift für Semiotik 18, 1996, Die juristische Klärung derartiger, um ei- Harmonielehre). S. 213-234. 2 Wiora, Walter: Die vier Weltalter der Musik. Ein uni- nen Plagiatsvorwurf kreisender Fragen ist zwar Die Gewichtung der fünf Gestaltungsebe- versalhistorischer Entwurf, Stuttgart 1961, S. 125. durch das Urheberrecht geregelt, bedarf aber nen ist je nach Gattung und Stil der Popmu- 3 Rösing, Helmut: „Popularmusikforschung in Deutsch- – soweit es die Analyse und Einschätzung sik unterschiedlich anzusetzen. Bei Techno land – von den Anfängen bis zu den 1990er Jahren“, in: der musikimmanenten Sachverhalte betrifft z. B. steht die klangliche, bei HipHop die Rösing, H. u. a. (Hg.): Musikwissenschaft und populäre Musik. Versuch einer Bestandsaufnahme, Frankfurt am – der außergerichtlichen Expertise. Doch auch rhythmische und beim volkstümlichen Schlager Main 2002, S. 24 f. sie ist letztlich den Festschreibungen in § 24 die melodische Ebene im Focus der Kompo- 4 Wicke, Peter: „Popmusik in der Theorie. Aspekte einer verpflichtet. Der hier in Absatz 2 explizit for- sition. Schon dieser Umstand lässt deutlich problematischen Beziehung“, in: Rösing u. a., a.a.O., S. mulierte Melodienschutz macht deutlich, dass werden, dass die Kriterien zur Bestimmung 70, (s. Anm. 3). 5 ausführlich im Hinblick auf Popmusik: Pendzich, Marc: dieses Gesetz seine geschichtlichen Wurzeln von eigenschöpferischer Leistung gemäß der Von der Coverversion zum Hit-Recycling. Historische, im 19. Jahrhundert hat. Die Melodie – defi- Kleinen Münze nicht nach festen Richtlinien ökonomische und rechtliche Aspekte eines zentralen niert als in sich geschlossene Tonfolge, die dingfest gemacht werden können. Sie müs- Phänomens der Pop- und Rockmusik, Münster 2004, dem Musikwerk seine individuelle Prägung sen von Einzelfall zu Einzelfall neu verhan- S. 147 ff. 6 Elster, Alexander: Gewerblicher Rechtsschutz, Berlin gibt – galt zu dieser Zeit noch als das höchste delt und der jeweiligen Musikform in ange- 1921 (2. Aufl. Gewerblicher Rechtsschutz und Urheber- Gut der westlichen Musik und somit als der messener Weise zugrunde gelegt werden.9 recht, Berlin 1928). entscheidende Indikator für schöpferische 7 26.9.1980: „Dirlada“; 3. 2. 1988: „Fantasy“ und „Ein Leistung. Ein starrer Melodienschutz aber wird bisschen Frieden“, 24.1.1991 „Brown Girl“ I und II. Schlussbemerkung 8 Dazu BGH, in GRUR (Gewerblicher Rechtsschutz und den musikimmanenten Gegebenheiten von Urheberrecht) 1991, Heft 7, S. 534. Popmusik nur bedingt gerecht. Forensische Popmusikanalyse bildet die 9 Analysebeispiele erscheinen demnächst in: Beiträge Nicht zuletzt auch aus diesem Grund wurde Grundlage dafür, Musik gemäß den Richt- zur Popularmusikforschung 39 („Black Box Pop – Ana- das Melodiendiktat schon 1921 von Alexander linien der UNESCO als immaterielles geisti- lysen populärer Musik“), Bielefeld 2012. 10 vgl. Pressestelle des BGH am 20.12.2008. Elster durch den Begriff der „Kleinen Mün- ges Eigentum zu schützen. Der Annahme, ze“ relativiert.6 Die Kleine Münze bezeich- heutzutage sei frei verfügbar, was z. B. via net die unterste Grenze eines gerade noch Internet und MP3-Files abrufbar ist, kann damit Der Autor urheberrechtlich geschützten und zu schüt- ein Riegel vorgeschoben werden. Allerdings Prof. Dr. Helmut Rösing studierte von 1962 bis 1964 zenden Werks. Es benennt allerdings keine gilt es einige Grundsätze zu beherzigen, da- Musikwissenschaft, Kunstgeschichte, Germanistik und Psychologie an den Universitäten in Köln, Berlin, Ham- klaren Kriterien hinsichtlich der Minimal- mit die Analyse zu angemessenen Ergebnis- burg und Wien, wurde 1968 promoviert und habilitierte anforderungen an die allgemeine und die sen führt. Popmusik sollte und dürfte nicht sich 1974 an der Universität Saarbrücken. Von 1968 bis melodische Gestaltungshöhe. Der Bundesge- nach Kriterien der Kunstmusik betrachtet und 1972 war er Redakteur für Sinfonie und Oper beim richtshof hat dazu jedoch in den 1980/1990er bewertet werden. Kompositorisch gesehen, Saarländischen Rundfunk; von 1975 bis 1978 übernahm er die Leitung der Zentraldirektion des Internationalen Jahren einige Grundsatzurteile mit Präzedenz- besteht ihre Aufgabe darin, durch eine be- Quellenlexikons der Musik (RISM) in Kassel. 1978 wurde wirkung gefällt.7 Bereits kleinste melodische wusste Reduktion der musikstrukturellen Mittel er Professor für Systematische Musikwissenschaft an der und rhythmische Veränderungen von musi- möglichst eingängige und zugleich prägnan- Gesamthochschule Kassel, 1993 erhielt er einen Ruf der kalischem Allgemeingut stellen demnach ei- te Gestalten zu schaffen. Gekonnter Mini- Universität Hamburg; dort wurde er 2004 emeritiert. 1986 bis 1999 war Helmut Rösing Vorsitzender des nen bewussten kompositorischen Eingriff dar malismus wird zum Qualitätskriterium und Arbeitskreis Studium Populärer Musik (ASPM) und und sind die Grundlage für die Schaffung von Erfolgsrezept. Als Anschauungsmodell dafür Herausgeber der Beiträge zur Popularmusikforschung. geistigem Eigentum. Kritiker meinen, damit mag etwa das Lied Da da da von Trio ebenso Er hat zahlreiche Beiträge zur Musikpsychologie und sei die kompositorische Freiheit eingeschränkt, gelten wie manche Titel von Modern Tal- Popularmusikforschung veröffentlicht. weil es praktisch keine allgemein freien Mu- king. Das vermeintlich Triviale entfaltet schon sikbausteine mehr gebe. Die Befürworter ver- dann seine individuelle Wirkung, wenn es in weisen jedoch darauf, dass gerade für Pop- Kleinigkeiten von dem abweicht, was in den musik die Kleine Münze ein höchst musikalischen Lehrbüchern notiert und im angemessenes Beurteilungskriterium darstelle. allgemein verfügbaren Liedgut gegenwärtig Dies vor allem dann, wenn der musikalische ist. Jedes Intervall, jede binnenrhythmische

 48 MUSIK ORUM SOMMERMÄRCHEN, WINTERMÄRCHEN…

…UND DIE PROBLEME MIT DER Hymne

Was eine Konferenz zur jüdischen Musik mit Fußball und der Weltmeisterschaft zu tun hat. Von Shoshana Liessmann

itte Juli 2010, am Tag des Ja, auch ich fieberte in diesem Sommer uns irgendwie nicht ganz wohl in diesem Endspiels der Fußballwelt- mit der deutschen Nationalelf. So fand ich Moment. Nach wie vor existiert dieser Zwie- M mich während der WM mit Freunden aus spalt zu deutschen Fahnenmeeren, eine Be- meisterschaft, begann in Potsdam der jüdischen Gemeinde sowie Hunderten fangenheit gegenüber dieser Deutschland- eine internationale Konferenz zur von Fußballfans bei sommerlichen Tempe- Euphorie und die vage Erinnerung an die jüdischen Musik als Dialog der raturen in einem Biergarten zur Liveübertra- dunklen Kapitel dieser Hymne. Konnten wir Kulturen und Religionen. gung eines Spiels ein. Die Stimmung war her- da so einfach mitsingen? vorragend. Um uns herum Deutschlandhüte, Als Haydn die „deutsche Hymne“ 1797 Ich war sowohl froh, zu dieser Konferenz Deutschlandfahnen, schwarz-rot-gold bemalte in Wien komponierte, dachte er wohl kaum eingeladen worden zu sein als auch das WM- Wangen. Kurz vor dem Anpfiff trat er ein, an Deutschland. Er schrieb die Musik als ers- Spektakel in Deutschland miterleben zu kön- der große Moment der Ergriffenheit während te österreichische Kaiserhymne, die die Ein- nen. Beides zusammen bot mir den konkre- des Anstimmens der Nationalhymne. Unse- heit der Donaumonarchie akustisch umklam- ten Aufhänger über das zu sprechen, was mich re Spieler im Großformat. Auf den Gesich- mern sollte. Manche Quellen behaupten sogar, in den vergangenen Jahren umtreibt: jüdische tern vieler Fans in München spiegelte sich Haydn hätte sich von einem kroatischen Volks- Musik und deutsch-jüdische Befindlichkeiten Rührung. Manche sangen oder summten mit: lied inspirieren lassen. Im deutschen Kaiser- im 21. Jahrhundert. „…blüh im Glanze dieses Glückes, blühe, reich sah man jedenfalls nicht die Notwen- Wir erinnern uns: Mit dem Anpfiff der deutsches Vaterland.“ Ein Gefühl der Erha- digkeit einer eigenen Hymne und beließ es WM standen die Leinwände und Fernseher benheit, das offenbar nur die eigene Hymne dabei, zu wichtigen Anlässen das preußische für Public Viewings bereit. Aus offenen Fenstern auslöst, nicht eine fremde. Spätestens da dräng- Heil Dir im Siegerkranz zu einer Melodie an- hörte man Vuvuzelas, wehten Deutschland- ten sich uns Gedanken über sportliche Wett- zustimmen, die uns heute wiederum als fahnen. Schaufenster-Auslagen erstrahlten wie kämpfe auf. Welche Rolle spielen dort Hym- Nationalhymne Großbritanniens geläufig ist. der Rest der Republik in schwarz-rot-gold. nen? Wie unterschiedlich gestaltet sich deren Deutschland sollte erst 1922 – in der Wei- Schland o Schland… Für mich, die ich erst Einsatz bei der Fußballweltmeisterschaft, bei marer Republik unter Friedrich Ebert – zu 2009 von Jerusalem nach München übersie- den Olympischen Spielen oder der Tour de seiner offiziellen Nationalhymne kommen. delt war, war das eine völlig neue, eine über- France? Den Text verfasste Hoffmann von Fallers- raschende Deutschland-Erfahrung. Das gro- Auch diesen Teil des Sommermärchens leben bereits 1841 auf der Insel : ße Sommermärchen und die neue nationale 2006, das neu erwachte Bekenntnis zur deut- In seinem Lied der Deutschen umriss er die Beschwingtheit des Jahres 2006 hatte ich schen Nationalhymne, hatte ich damals ver- geografischen Grenzen Deutschlands, lobte damals in der Ferne verpasst. passt. Und Hand aufs Herz: Es war mir bzw. deutsche Frauen und Treue, den deutschen

 MUSIK ORUM 49 Wein und Sang sowie die ethischen Grund- ten die jüdischen Überlebenden zum ersten Reichs“ gewesen war. Als Ergebnis der fol- werte von Einigkeit und Recht und Freiheit. Schabbatgottesdienst ihre Hymne der Hoff- genden, heftigen Debatten wurde 1952 die Es war wohl sein Verleger, der die zündende nung an: HaTikvah. Als am 14. Mai 1948 dritte Strophe des Deutschlandlieds als Na- Idee hatte, das Lied der Deutschen zusammen der Staat Israel ausgerufen wurde, stand es tionalhymne der Bundesrepublik in Artikel mit der Melodie Haydns, der österreichischen ebenfalls außer Frage, welche Melodie diese 22 des Grundgesetzes verankert. Der Um- Kaiserhymne, zu publizieren. Trotz kritischer Zeremonie umrahmen sollte. stand, dass es nicht gelungen sein sollte, eine Stimmen war der Erfolg nicht mehr aufzu- Ganz anders sah es 1949 in der frisch ge- andere, neue Hymne zu finden, ließ uns auf- halten. gründeten, aber hymnenlosen Bundesrepub- horchen. Konnte es wirklich sein, dass es keine In diesen Jahren zeichnete Kaiser Franz lik Deutschland aus. Alle Versuche, eine neue angemessene Hymne gab? Waren Politiker Josef einen jungen jüdischen Dichter für ein Nationalhymne ans westdeutsche Volk zu und Volk unwillig, sich die Beziehung zu ei- Gedicht aus, das dieser anlässlich des 100. bringen, scheiterten. Bei offiziellen Anlässen ner neuen Hymne zu erarbeiten? Oder war Jahrestages des Beitritts der Bukovina zur und Staatsbesuchen mussten musikalische Not- die emotionale Bindung zur alten Hymne über- Donaumonarchie verfasst hatte. 1886 ver- lösungen herhalten, die vor allem Bundes- mächtig? Dass es anders hätte ablaufen kön- öffentlichte jener Dichter, Naftali Herz Im- kanzler Adenauer verärgerten. Die Opposi- nen, demonstrierte die DDR, die sich schon ber, seinen ersten, hebräischen Gedichtband tion wiederum ärgerte sich über ihn, als er 1950 auf Hanns Eislers und Johannes R. mit dem Titel Barkai (Morgenstern). Darin 1950 nach einer Rede die Anwesenden auf- Bechers einigen enthalten war auch sein neunstrophiges Ge- forderte, mit ihm die dritte Strophe des konnte. dicht Tikvateinu (Unsere Hoffnung), in dem Deutschlandlieds anzustimmen – eine Stro- Zur großen Feuerprobe der neuen alten, er die Sehnsucht des jüdischen Volks nach phe, die zugegeben weder inhaltlich verfänglich westdeutschen Hymne kam es 1954, als die Jerusalem, die Hoffnung auf das Ende des noch Teil der offiziellen Hymne des „Dritten deutsche Nationalelf in Bern die erste Nach- Exils und die Rückkehr nach Zion beschrieb. Die Melodie Schmuel Cohens für diesen Text erinnerte stark an Smetanas Moldau. Tatsäch- Foto: Eberhard Gernandt lich hatte Cohen aber ein rumänisches Volks- lied verarbeitet. Imbers Gedicht traf den Nerv der Bewegung um Theodor Herzl, des Be- gründers des modernen politischen Zionis- mus, die HaTikvah (Die Hoffnung) zu ihrer Hymne machten. Von den Vertretern der reli- giös-zionistischen Bewegung, namentlich Rav Kook, wurde HaTikvah heftigst kritisiert. Er beanstandete den säkularen Tenor des Texts und schlug als Gegenentwurf HaEmunah (Der Glaube) vor. Anhänger Kooks halten bis heute an dieser Version fest.

Symbol der Schreckens- herrschaft Internationale Tagung und Konzerte an der Universität Potsdam Zurück nach Deutschland: Auch 1933 blieb das aufgrund seiner Popu- Jüdische Musik als Dialog der Kulturen und Religionen larität und seiner Verankerung in der natio- nalen Expansionsgeschichte die Hymne der Dem Facettenreichtum jüdischer Musik von ihren Ursprüngen bis zum 21. Jahrhundert wid- Deutschen. Allerdings beließ man es bei der mete sich im Sommer 2010 eine internationale Konferenz, die vom Abraham Geiger Kolleg ersten Strophe, in der die geografische und gemeinsam mit der Professur für Musikpädagogik an der Universität Potsdam veranstaltet militärische Ausbreitung des Reichs („Von der wurde. Zur dreitägigen Konferenz kamen Wissenschaftler und Künstler aus Israel, Deutsch- Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an land und den USA nach Potsdam. Im Eröffnungskonzert in der Potsdamer Nikolaikirche den Belt“) besungen wurde. Als Propaganda gastierten international renommierte Musiker des Yiddish Summer Weimar. ihrer Macht kombinierten die Nationalsozia- Die Tagung trug dem Umstand Rechnung, dass die „jüdische Musikkultur mit ihren un- listen diese Strophe mit dem Horst-Wessel- gewöhnlich vielen Facetten und der Notwendigkeit differenzierender und komplexer Zu- Lied, dem Parteilied der NSDAP. Die große gänge“ schon lange „zu den Arbeitsschwerpunkten an der Universität Potsdam gehört und emotionale Identifikation mit dieser ersten bemerkenswerte Ergebnisse (z. B. die Arbeiten von Jascha Nemtzow) hervorgebracht“ hat, Strophe des Deutschlandlieds beschrieb Adolf so die Potsdamer Professorin für Musikpädagogik, Birgit Jank. Hitler in Mein Kampf. Nur allzu verständlich Tagungsthemen waren der Vergleich jüdischer Musik im interkulturellen Kontext sowie war es, dass 1945 die alliierten Siegermächte ihre Vermittlung in Pädagogik und Kultur. „In der jüdischen Musik wirken mitteleuropäi- Hymne und Parteilied verboten. sche, osteuropäische und nahöstliche musikalische Traditionen vielfältig zusammen. Sie Während die musikalischen Symbole der kann daher im Kulturleben eine einzigartige Rolle bei der Förderung der interreligiösen nationalsozialistischen Schreckensherrschaft und interkulturellen Verständigung spielen“, erklärte der Rektor des Abraham Geiger Kol- verstummten, wurden die Befreier des KZ legs, Rabbiner Walter Homolka. Bergen-Belsen 1945 Zeitzeugen eines bewe- Im Bild oben (v. l.): Rabbiner Walter Homolka, Birgit Jank und Jascha Nemtzow. genden, musikalischen Moments. Dort stimm-

 50 MUSIK ORUM Die Odyssee der kriegs-Fußball-WM gewann. Dass dort viele ist ein Spiegel der jüngeren Geschichte und intuitiv die erste Strophe sangen, lag sicherlich Hymnen – ein Spiegel ihre Reflexion dient dazu, sich eine Meinung daran, dass sie eben mit dieser Strophe ver- zu bilden. Letztlich aber bleibt der emotio- traut waren und sich scheinbar immer noch der Geschichte nale Faktor scheinbar maßgeblich, denn ge- verbunden fühlten. „Einigkeit und Recht und fühlt steht dieser Zwiespalt weiterhin im Raum. Freiheit“ waren schon seit Jahrzehnten aus Vielleicht sind wir derzeit (noch) nicht be- dem kollektiven Gedächtnis verschwunden kutiert, ob ein anderes Lied den Platz der reit, uns emotional auf diese deutsche Hym- und offensichtlich noch nicht wieder in allen Hymne einnehmen solle. Ebenso wurde ne einzulassen? Köpfen angekommen. Es zeigte, dass der Über- überlegt, ob man HaTikvah etwa um eine Heinrich Heine schrieb 1843 in Deutsch- gang von der ersten zur dritten Strophe – entsprechende Strophe erweitern könnte. land. Ein Wintermärchen: „Wer heute nicht unter Beibehaltung der Melodie – letztendlich Letztendlich blieb es beim Status quo. kommt, kommt morgen gewiß / Nur lang- doch keine so eindeutige Zäsur darstellte. Vor Um zurück zum Fußball zu kommen, bleibt sam wächst die Eiche / Und chi va piano, va allem in den 1970er Jahren forderten kriti- festzustellen, dass arabische Spieler der israe- sano, so heißt / Das Sprüchwort im römi- sche Stimmen, die Hymne zu ändern. Tat- lischen Nationalelf HaTikvah vor Spielen nicht schen Reiche.“ Die Zeit tut sicherlich immer sächlich haben Deutsche bis heute weiterhin mitsingen – ein Umstand, der uns auch auf das ihre. Und diese Zeit muss für Diskussion, Hemmungen und Unwillen, ihre Hymne zu ähnliche Weise in Deutschland beschäftigt. persönliche Auseinandersetzung und verstärk- singen. Aktuell wird hier die Beziehung von Deut- te, reziproke Vermittlung genutzt werden, denn Auch die anfängliche „Traumkarriere“ der schen mit Migrationshintergrund zur Hym- nur das wird uns letztendlich nachhaltig wei- israelischen Hymne sollte unterdessen nicht ne thematisiert. Manch Abgeordneter fordert terführen. so geradlinig weiterverlaufen: Außer Rav Kook offizielle Sprachversionen beispielsweise auf kritisierten arabische Abgeordnete der Knes- Türkisch. Würde das aber einem National- seth HaTikvah, fühlten sich durch hebräische spieler wie Mesut Özil tatsächlich aus seiner Die Autorin Zeilen wie „Solange im Herzen eine jüdische vieldiskutierten Hymnen-Bredouille helfen? Shoshana Liessmann beschäftigt sich mit der Kultur- geschichte der jüdischen und israelischen Musik. Seit Seele wohnt“ sowohl inhaltlich als auch sprach- Und wir, können wir nun diese deutsche 1997 ist sie als Wissenschaftlerin mit dem Zentrum zur lich ausgeschlossen. Immer wieder wurde dis- Hymne singen? Die Odyssee der Hymne(n) Erforschung der jüdischen Musik in Jerusalem verbunden.

Der Ehrenpräsident des Deutschen Musik- thetik des gregorianischen Gesangs“. Als rats und langjährige Rektor der Hochschu- Sänger unternahm er neben seiner natio- le für Musik und Tanz in Köln, Franz Müller- nalen Konzerttätigkeit auch Reisen in das Heuser, verstarb am 30. Dezember im Alter europäische und außereuropäische Ausland von 78 Jahren. und machte Schallplatten-, Hörfunk- und „Von seinem Tod haben wir mit großer Fernsehaufnahmen. Betroffenheit erfahren“, äußerte sich Mar- 1963 wurde er als Professor für Gesang tin Maria Krüger, Präsident des Deutschen an die Hochschule für Musik Köln beru- Musikrats, zum Tod seines Amtsvorgängers. fen. 13 Jahre später erfolgte die Ernennung „Unser tief empfundenes Mitgefühl gilt sei- zum Direktor der Hochschule für Musik ner Frau und seiner Familie. Franz Müller- Rheinland mit Sitz in Köln. 1989 wurde er Heuser hat sich herausragende Verdienste zum Rektor der Hochschule für Musik Köln um das Musikleben auf nationaler und in- gewählt. Er füllte diese Funktion bis zur ternationaler Ebene erworben. Seinem be- Pensionierung 1997 aus. ruflichen und ehrenamtlichen Engagement Franz Müller-Heuser leitete in zahlrei- sind viele zukunftsweisende Weichenstel- chen Ländern Meisterkurse für Gesang und lungen zu verdanken – unter anderem als war Jurymitglied und -vorsitzender verschie- langjähriger Präsident des Deutschen Mu- dener nationaler und internationaler Wett- sikrats (1988 – 2003), Vorsitzender des Wir gedenken bewerbe. Über mehrere Jahre amtierte er Deutschen Kulturrats und als Gründungs- DMR-Ehrenpräsident als Präsident der Europäischen Musikhoch- präsident der Hochschule für Musik Nürn- schulkonferenz und Vizepräsident des Inter- berg-Augsburg.“ Franz Müller-Heuser † nationalen Musikrats in Paris. Ferner wirk- Vielen jungen Menschen habe er durch te er als Kuratoriumsmitglied der KölnMu- sein künstlerisches und pädagogisches Wir- sik, Mitglied des WDR-Rundfunkrats und ken Perspektiven für ihren weiteren Le- vor einer großen Persönlichkeit des Mu- Kuratoriumsmitglied der Kulturstiftung der bensweg eröffnet, erklärte Krüger. „Franz siklebens.“ Länder, des ARD-Wettbewerbs München Müller-Heuser war für uns alle ein Vorbild Müller-Heuser studierte Gesang (Bari- und der Deutschen Stiftung Musikleben. an menschlicher Güte, humorvoller Weis- ton) an der Folkwangschule in Essen und heit und weitsichtigem Handeln. Wir wer- gleichzeitig Musikwissenschaften, Kunstge- — Eine ausführliche Würdigung Müller- den sein Angedenken ehrend bewahren. schichte und Philosophie an der Universi- Heusers lesen Sie in der nächsten MUSIK- Mit Trauer und Respekt verneigen wir uns tät zu Köln. Er promovierte über die „Äs- FORUM-Ausgabe.

 MUSIK ORUM 51 NEUE TÖNE

igentlich“, grummelte der Michael Jenne richtete sein (kritisches) Ohr auf IMPULS, „E ältere Herr in Wernigerode das junge Festival für junge Musik mit vielen jugendlichen leicht ärgerlich, „bin ich ja beim Mitwirkenden und Besuchern Philharmonischen Kammerorches- ter auf die ‚Stunde der Klassik’ abonniert!“ Und nun so was! Das Programm, das ihn verdrießte, stand Geballte Ladung unter dem Motto „Blue Note“ und versprach so schräge Musik wie Strawinskys Ragtime, George Antheils Jazzsonate, ein ebenfalls jazz- NEUERER MUSIK lastiges Klavierkonzert von Stephan König, die deutsche Erstaufführung eines Stücks mit dem nicht weniger verdächtigen Titel Night- Club des Franzosen Guillaume Connesson November 2010 waren 24 Veranstaltungen theaters Halberstadt/Quedlinburg. Dass in die- und zu (guter???) Letzt gar eine Urauffüh- mit 15 verschiedenen Programmen und zehn sem Jahr ausgerechnet die Magdeburgische rung des Dessauer Komponisten Christoph Orchestern an neun Orten (darunter die gro- Philharmonie, das Orchester der Landeshaupt- Reuter: Himmelsscheibe für vier Kontrabässe ßen Städte Magdeburg, Halle und Dessau, stadt, aus dem Festivalverbund ausscherte, und Klavier! So ein Konzertprogramm war aber auch Kleinstädte wie Köthen und Sten- war zwar ungeschickt, doch wurde der Ver- in der Tat neu in der schmucken und durchaus dal) zu erleben. lust zumindest wettgemacht durch das MDR kulturbewussten Stadt im Harz. Bemerkenswert dabei ist die Kooperation Sinfonieorchester als hochkarätigem neuen Dergleichen aber liegt genau in der Ab- der kleineren, auch finanziell schwachen Partner. sicht von IMPULS, dem „Festival für Neue Ensembles: der Mitteldeutschen Kammer- Was dieses Festival für Neue Musik freilich Musik in Sachsen-Anhalt“, konzipiert und philharmonie Schönebeck, des Philharmoni- ganz speziell vor anderen auszeichnet, ist die geleitet vom Niederländer Hans Rotman. Der schen Kammerorchesters Wernigerode und hochgradige Beteiligung von Kindern und hatte zunächst als Dirigent einer Konzertrei- des Orchesters des Nordharzer Städtebund- Jugendlichen – dieses Mal als Hörer in zwei he der Staatskapelle Halle mit neuer Musik in dem mitteldeutschen Bundesland seinen Einstand gegeben – und dabei einen diesbe- züglichen Nachholbedarf in der ganzen Re- gion festgestellt. Er entwickelte die Idee ei- nes landesweiten Festivals, das sich aber nicht ein weiteres Mal streng auf Avantgarde kap- rizieren, sondern die bunte Vielfalt dessen erlebbar machen sollte, was als „Neue Mu- sik“ vielerorts gerne gemieden wird. Von den Konzertgängern, weil die tradierten Hörge- wohnheiten dabei leicht in Unordnung gera- ten können. Und von den Orchestern, weil der Aufwand der Besetzung oder der Pro- benzeit die üblichen Normen nicht selten sprengt. Kurz: weil „neue“ oder „moderne“ Musik im E-Bereich – zumindest außerhalb der Metropolen – unter dem Pauschalver- dacht steht, unbequem zu sein.

24 Veranstaltungen mit zehn Orchestern Ideengeber und Motor: Da Hans Rotman ein als Geiger, Kompo- Hans Rotman, nist und Dirigent sehr versierter Musiker und Intendant, zudem mit Verhandlungsgeschick und Or- Dirigent und ganisationstalent ausgestattet ist, gelang es ihm, Moderator des IMPULS Festivals, den Landesmusikrat als Träger des neuen beim Eröffnungs- Festivals, den Kultusminister – in der Person konzert mit dem zunächst von Jan-Hendrik Olbertz, inzwischen MDR Sinfonie- von Birgitta Wolff – als Hauptförderer, zugleich orchester in aber auch die Orchester des Landes als Part- Köthen. ner zu gewinnen. Während der drei Wochen Fotos: Kees van Eysden des 3. IMPULS Festivals im Oktober und

 52 MUSIK ORUM speziellen Jugendkonzerten, vor allem aber orientierte – Pianist Christoph Reuter, vor Beat hören lässt. Der Jubel am Ende ist auf als Mitwirkende oder Hauptakteure in nicht wenigen Jahren noch Mitglied im jungen jeden Fall verdient, ganz besonders von dem weniger als zehn Veranstaltungen. Bereits im Bundesjazzorchester, hat zusammen mit Cristin durch Dorislava Kuntscheva hervorragend Eröffnungskonzert im Schloss Köthen, wo seit Claas zu einer Textvorlage von August Buchner einstudierten Kinderchor des Anhaltischen Bachs Wirken bei Hofe wohl nur wenig neue Erich Kästners unverwüstliche Geschichte Emil Theaters, aus dem Emil (Florian Ott), Gustav Musik erklungen war, traten bei der Urauf- und die Detektive spritzig vertont und dabei mit der Hupe, die Brüder Mittenzwey und führung des Abends – in Thomas Buchholz’ in Beziehung gesetzt zu der 1928/29 gleich- andere Detektive im Alter zwischen fünf und Young Person’s Guide to New Music, Schüler zeitig in Berlin entstandenen Dreigroschen- 15 jeweils solistisch hervortreten. des örtlichen Ludwigs-Gymnasiums im Chor oper von Bertolt Brecht und Kurt Weill. Dass Auch für Komponisten im Schulalter gab und als Sprecher auf. dabei der Emil beklauende und von den Junior- es ein IMPULS-Forum: Aus den Konservato- Das Stück, in dem unterschiedliche Aus- Detektiven verfolgte Herr Grundeis zwi- rien in Halle und Magdeburg stammen zehn drucksmittel und Spieltechniken neuer Mu- schendurch zu Mackie Messer changiert und Jungschüler im Alter von acht bis 15 Jahren, sik vorgeführt werden, schwächelt leider vor Emils Cousine Pony Hütchen mal eben zur deren Stücke von der Sinfonietta Dresden allem in dem eher klischeelastigen als in die Seeräuber-Jenny mutiert (was der ganz jun- unter ihrem Leiter Milko Kersten ebenfalls Materie einführenden Text. Als „G6 Diri- gen Hanna Fricke erstaunlich gelingt), wirkt auf der Bauhausbühne Dessau präsentiert gentengipfel“ annonciert, war es insgesamt freilich aufgesetzt, ebenso wie der auf diese wurden. Einige dieser Junior-Komponisten ein kurzweilig bunter Abend – mit sechs Wer- Melange ungeschickt hinweisende Titel Mackie lassen in ihrer frühen Jugend bereits eine ken und sechs Dirigenten, die sämtlich noch und die Detektive. ausgeprägte Begabung erkennen, die zu för- darüber hinaus am IMPULS Festival beteiligt dern eine solche Veranstaltung gewiss hel- waren, sowie mit den MDR Sinfonikern, die, Verdienter Jubel fen kann. erstmals in Köthen gastierend, auf diesem Eine sehr originelle Idee war es, im Klos- ungewöhnlichen Parcours samt Dirigenten- Spätestens bei der Erarbeitung der szeni- ter Michaelstein bei Blankenburg/Harz, wo staffette mit Verve agierten. schen Fassung wird sich beides im Feinschliff die Musikakademie Sachsen-Anhalt ihren Sitz Ganz wesentlich von Kindern gestaltet dann wohl beheben lassen, ebenso wie manche hat, „Alte und Neue Musik im Dialog“ vor- tags darauf in Dessau auf der Bauhausbühne vor allem dynamische Grobheit in dem zwar zuführen: In eine Wochenendwerkstatt des ein neues Musical, zunächst in konzertanter treffend besetzten kleinen Salonorchester, das Jugendbarockorchesters „Bachs Erben“ mit Rohfassung: Der Komponist und – stark jazz- sich aber jetzt noch in gar zu stereotypem seinem Leiter Lorenzo Ghirlanda mischte sich Hans Rotman ein, indem er zwischen eine Händel-Arie (aus einem bislang nie aufge- führten Opernfragment) und eine Arie des frühbarocken Alessandro Stradella ein von ihm eigens für diesen Anlass und die gleiche Besetzung komponiertes Werk einfügte, allerdings in völlig anderer Musiksprache. Das Abschlusskonzert dieser IMPULS- Werkstatt, anfangs noch in Probenform, wurde von Ghirlanda und Rotman abwechselnd geleitet. Durch konzentriertes Zusammenwir- ken der jugendlichen Instrumentalisten so- wie der Gesangssolistinnen Lindsay Funchal und Antonia Munding gelang eine Auffüh- rung, in der die drei Stücke – quasi in der Satzfolge alt-neu-alt – nahtlos aneinanderge- fügt wurden – ein Projekt, das auch die Zu- hörerschar im ehemaligen Klosterrefekto- rium begeisterte.

Ein Hauch Dreigroschen- Odyssee, die sich überall oper: hören und sehen lassen kann „Mackie und die Detektive“ im Nach dem großen Erfolg des Musikthea- Dessauer terstücks Eine Odyssee – Text nach Homers Bauhaus mit Epos von Ad de Bont, Musik von Monique Florian Ott als Krüs – , das am Ende des IMPULS Festivals Emil Tischbein 2009 in Magdeburg uraufgeführt, aber un- und Frank Roder als der ominöse erklärlicherweise danach gleich abgesetzt Herr Grundeis worden war, kam jetzt eine Neuinszenierung alias Mackie M., zustande; diesmal unter der sehr frischen und im Hintergrund schlüssigen Regie von Michael Uhl, in annä- die Detektive. hernd gleicher Besetzung mit 20 Jugend- lichen aus der Region Magdeburg, nun be-

 MUSIK ORUM 53 NEUE TÖNE LESERBRIEFE

gleitet von einem Instrumentalensemble der jungen Dirigenten Phillip Barczewski, kei- Kein Universität Halle, wieder unter der zuverläs- neswegs zuletzt aber dem aus Kinder- wie sigen Leitung von Phillip Barczewski. Und Tatortserien bekannten Axel Prahl als Voll- Männerpo jetzt kam sogar eine kleine Tournee zustan- bluterzähler. Kommentar de, die – zielsicherer als die antike Irrfahrt Um auf den vor einer geballten Ladung zum Schwerpunkt- des Odysseus – von Magdeburg nach Halle, neuerer Musik zurückschreckenden Herrn in thema der Dessau-Roßlau, Halberstadt und Stendal führte. Wernigerode zurückzukommen: Abo ist eben MUSIKFORUM- Diese „Odyssee“ kann sich eben überall hö- Abo, da geht man ins Konzert. Aber da auch Ausgabe 4/2010: ren und sehen lassen. Nichtabonnenten Interesse zeigten, war der „Sex in Music“. Schließlich muss auch noch das Familien- Saal überfüllt und das Blue Note-Programm konzert in Halle erwähnt werden, wo am wurde ein Riesenerfolg. Insgesamt konnte die Sonntagvormittag in der großen Honda Besucherzahl des Festivals gegenüber 2009 MAschinenFAbrik Platz geschaffen war für um mehr als die Hälfte auf 5000 gesteigert Meinen Glückwunsch zum unverkrampften je ein Orchesterpodium an beiden Enden und werden. Hans Rotman, die Dramaturgin Al- Umgang mit dem Thema „Musik und Sex“. dazwischen für 700 große und kleine Besu- mut Fischer und das IMPULS-Team sind zu Besonders gut gelungen – und auch beson- cher auf Holzbänken, wie sie in dieser Jah- beglückwünschen zum Konzept wie zu des- ders wichtig – ist die Einbeziehung der reszeit in den Biergärten entbehrlich sind. Nach sen hochwertiger Umsetzung. Die vergleichs- Gender-Perspektive in dieses Thema, denn einer Seite ausgerichtet, hatte das Publikum weise bescheidenen Fördermittel, so viel steht Frauen und Männer haben sicherlich einen zunächst die Staatskapelle Halle vor sich, die fest, sind optimal investiert in ein junges Fes- unterschiedlichen Zugang zum Thema „Sex“. mit Hans Rotman als gleichermaßen inspi- tival mit junger Musik, in dem nicht nur die Noch schöner wäre es gewesen, wenn rierendem Dirigenten und Moderator anläss- professionellen Kräfte des Landes ihr Bestes sich auch die Bildredaktion diesen Grund- lich des 20. Todestags von Leonard Bern- geben, sondern in erheblichem Maße auch satz zu Herzen genommen hätte, denn für stein dessen zu Unrecht vernachlässigte Jugend musiziert. die (heterosexuelle) Frau fand sich hier eher wenig, was das Schwerpunktthema nett illustriert hätte: Da die Bildredaktion sich ausschließlich für die Darstellung weiblicher Erotik entschieden hat, wird das Thema auf seiner nicht gerade unwichtigen visuellen Ebene ausschließlich durch den hetero- sexuell-männlichen Blick auf Sexualität be- stimmt, obwohl doch auch ein behaarter Unterarm oder ein knackiger Männerpo das Thema ansprechend illustrieren könnten. Jürgen Terhag

Lesen Sie ergänzende Beiträge zu den Themen dieses Hefts in der Online-Aus- gabe des MUSIKFORUM: Musikalischer Familienspaß in Halle: Serenade nach Platons ‚Symposion’ spielte. ˜ Ingrid Allwardt und Katharina Schwan- Schauspieler Axel Prahl erzählt die Geschichte Kaum hatten sich die Zuhörer auf ihren Bänken zer: „jop 2010: Suche – Fundstücke – Aus- von Peter und dem Jazz, unterstützt vom zeichnung“ um 180 Grad gewendet, waren sie mit dem Jugendjazzorchester Sachsen-Anhalt und ˜ Akademischen Orchester der Universität Halle Helmut Schaarschmidt: „Einheit durch dem Akademischen Orchester der Universität Vielfalt – Die Bremer Chornacht“ plus Jugendjazzorchester Sachsen-Anhalt Halle. ˜ Foto: David Ortmann Käthe Bildstein: „Die tutti pro-Orches- konfrontiert, um sich mitnehmen zu lassen terpatenschaft – Markenzeichen für Leiden- auf eine „Journey into Jazz“ des einstigen schaft und Esprit“ Bernstein-Schülers Gunther Schuller. Der ˜ Konstanze Sander: „Jugend komponiert Knabe Peter, der einst bei Prokofjew den Wolf Brandenburg“ bezwang, macht sich bei Schuller nun mit Der Autor: ˜ Vorstellung der 2. und 3. Preisträger des seiner Trompete auf den langen und durchaus Michael Jenne war u. a. in der Bildungsforschung tätig, Wettbewerbs zum Tag der Musik 2010 nicht einfachen Weg in den Jazz. Und natür- hat sich über Jahrzehnte bei „Jugend musiziert“ enga- ˜ Ulrike Liedtke: Befragung zum Aktions- giert und ist als Autor zahlreicher Beiträge zu Themen lich: the winner is… Peter. Der Jubel galt al- der Musikpädagogik, -vermittlung und -politik hervor- bündnis „Kinder brauchen Musik“ len jugendlichen Mitwirkenden, auch hier dem getreten.

 54 MUSIK ORUM WIRTSCHAFT

as Rezept klingt einfach, 175 Jahre Grotrian-Steinweg: Der Klavierhersteller arbeitet Ddas Wilhelm Grotrian als immer noch nach der Maxime des Firmenchefs von 1885: Maxime seiner Tätigkeit den Söhnen Willi und Kurt bei ihrem Eintritt in das Unternehmen mit auf den Weg gab: „Jungs, baut »JUNGS, BAUT gute Klaviere!« gute Klaviere, dann kommt alles andere von selbst!“

Wie recht der ehemalige Firmenchef im 1860, sein Sohn Wilhelm Grotrian war dann takte zu Künstlern, knüpfte darüber hinaus, vorletzten Jahrhundert mit dem simplen Rat aber der Garant für den weiteren Erfolg des als weitblickender Kaufmann, Geschäftsver- hatte, bestätigte Franz Liszt schon im Jahr 1867: Unternehmens. 1885 traten dessen Söhne bindungen in die ganze Welt. „Grotrian-Steinweg-Instrumente empfehlen Kurt und Willi Grotrian-Steinweg in das Unter- sich sowohl durch ihren großen schönen Ton nehmen ein, ausgestattet mit der eingangs Die Verbindung zu und die angenehme Spielart als auch durch zitierten Maxime. „Jungs, baut einfach gute Clara Schumann Preiswürdigkeit.“ Seit 175 Jahren baut Grot- Klaviere“ – der Satz ist bis zur heutigen Zeit rian-Steinweg hochwertige Flügel und Klavie- das Leitmotiv der Firma, wie Geschäftsfüh- Eine enge Verbundenheit bestand zwischen re in Deutschland. Das Jubiläum gibt Anlass, rer Burkhard Stein bestätigt: „Danach rich- der Familie Grotrian-Steinweg und Clara die Geschichte des Klavierbauers, die aktuelle ten wir unsere gesamte Produktentwicklung Schumann, der wahrscheinlich bedeutends- Situation des Unternehmens und die Prinzi- und Fertigungsstruktur aus.“ ten Pianistin ihrer Zeit. Kurt Grotrian-Stein- pien moderner Fertigung zu beleuchten. Der Boom um die Jahrhundertwende weg hat in seinen Künstlererinnerungen u. a. brachte es mit sich, dass die räumlichen Ver- folgende Begebenheit niedergeschrieben: Die Anfänge hältnisse am Braunschweiger Bohlweg nicht „Clara Schumann mehr ausreichten und die Fertigung ein wei- lebte in Frankfurt und Begründer der Klavierbautradition der teres Mal verlegt wurde – in die große Fabrik besuchte eines Tages Familie Grotrian-Steinweg war Friedrich Grot- in der Zimmerstraße, wo in Spitzenzeiten bis das Geschäft unseres rian, geboren 1803, den es schon 1830 nach zu 1000 Mitarbeiter beschäftigt waren. Trei- Frankfurter Händlers. Moskau zog, damals Zentrum des kulturel- bende Kraft hinter den Veränderungen war Dieser bat Frau Schu- len Lebens in Europa. Er arbeitete dort nicht Willi Grotrian-Steinweg. mann, doch einmal an nur als erfolgreicher Musikalienhändler, son- Sein Ziel war es, moderne wissenschaft- dem gerade eingetrof- dern baute auch seine ersten Pianos. Nach liche Methoden in die Produktion und Kon- fenen Grotrian-Stein- 25 Jahren in Russland kehrte er als wohl- struktion einzuführen, um das Familienun- weg-Flügel Platz zu habender Geschäftsmann nach Deutschland ternehmen weiterzuentwickeln. So beschäftigte nehmen. Sie lehnte dies zurück. Ein naher Verwandter hatte ihm eine er sich ausführlich mit Fachlektüre und hatte zunächst mit der Be- Begeistert von bedeutende Erbschaft hinterlassen, die es zu Kontakt zu Wissenschaftlern. In den 1920er merkung ab, sie spiele verwalten galt. In der Wolfenbütteler Frei- Grotrian-Flügeln: Jahren richtete er ein Laboratorium in den nur Erard-Flügel. Der Clara Schumann maurerloge lernte er den Klavierbauer Theo- Räumen der Firma ein. Er selbst forschte nicht, Verkäufer nickte höf- dor Steinweg kennen und wurde Teilhaber sondern stellte den promovierten Physiker lich, zog einen Klavierstuhl herbei und öff- einer im Jahr 1835 von dessen Vater Hein- H. Hörig ein. Dieser führte über mehrere Jahre nete leise den Deckel. Schon streifte die Künst- rich Engelhard Steinweg gegründeten Klavier- zahlreiche akustische Versuche durch und lerin einen Handschuh ab und glitt lässig mit manufaktur. Das aufstrebende Unternehmen dokumentierte sie in den internen „Mittei- einer Hand über die Klaviatur. Dann setzte zog zunächst von Seesen im Harz nach Wol- lungen aus dem Laboratorium“. Viele Neue- sie sich, streifte auch den zweiten Handschuh fenbüttel und schließlich nach Braunschweig rungen für den kunsthandwerklichen Klavier- ab und begann leidenschaftlich zu spielen. in den Bohlweg. 1865 verließ Theodor Stein- bau wurden so entwickelt und patentiert, Sodann stand sie auf und erklärte kurz und weg Deutschland, um seinen Verwandten nach angetrieben von Willi Grotrian-Steinweg. bündig: ‚Von nun an spiele ich nur noch auf Amerika zu folgen. Vor seiner Abreise ver- Bruder Kurt kümmerte sich derweil um Kon- Grotrian-Steinweg-Flügeln.‘“ ! kaufte er seine restlichen Anteile am Unter- nehmen an die Familie Grotrian, die seit die- Boom der Jahrhundertwende: In der großen Klavierfabrik in der Braunschweiger Zimmerstraße ser Zeit ohne Unterbrechung alleinige In- waren 1924 bis zu 1000 Mitarbeiter beschäftigt. haberin des Unternehmens ist – inzwischen in der fünften und sechsten Generation.

Zwei Brüder – ein Familien- unternehmen Schnell erlangten die Klaviere aus Braun- schweig einen guten Ruf, das Unternehmen und seine Belegschaft wuchsen schnell auf- grund der außergewöhnlichen Qualität der Instrumente. Friedrich Grotrian starb bereits

 MUSIK ORUM 55 WIRTSCHAFT

Wiederaufbau aus Ruinen Die Tradition des Unternehmens wurde in vierter Generation von Helmut und Erwin Grotrian-Steinweg fortgeführt, den Söhnen von Kurt Grotrian-Steinweg, der 1929 ver- starb. Während des Zweiten Weltkriegs wur- de fast die gesamte Produktionsstätte in der Zimmerstraße zerstört. Auch das väterliche „Weil wir die Musik lieben“: Grotrian- Patrizierhaus am Bohlweg fiel den Bomben Steinweg unterstützt junge Musiker mit zum Opfer. Erst 1948 konnte wieder mit der einem eigenen Klavierwettbewerb. Hier Produktion von Klavieren und Flügeln be- die Preisträgerin Elisabeth Brauss. gonnen werden. Der erfolgreiche Wiederauf- bau nach den schweren Kriegsjahren ist Ver- dienst der beiden Brüder Helmut und Erwin Grotrian-Steinweg, die mit allen Mitteln ver- suchten, den Betrieb so schnell wie möglich im kunsthandwerklichen Klavierbau. Feder- nuss zu bieten. Weil wir die Musik lieben, aufzunehmen, um hochwertige Instrumente führend beim Fabrikneubau war Knut Grot- unterstützen wir junge Musiker schon über herzustellen. rian-Steinweg. Dieser stieg 1961 in das Un- 50 Jahre lang mit unseren Klavierwettbe- 1974 bezog das Unternehmen zum drit- ternehmen ein und führte es in fünfter werben. Weil wir die Musik lieben, ist auch ten Mal ein neues Gebäude in Braunschweig, Generation bis 1999. Im Laufe seiner Ge- Ansporn für unsere Mitarbeiter, jeden Tag diesmal in der Grotrian-Steinweg-Straße. Das schäftsführertätigkeit ist es Knut Grotrian ge- Höchstleistungen zu bringen. So zieht sich Konzept dieses Produktionsstandorts beinhaltet lungen, den jahrzehntelangen Streit über die dieser Satz durch unser tägliches Handeln.“ höchsten technologischen Standard, kombi- Namensrechte mit der Firma Steinway durch Trotz langer Tradition und einer beweg- niert mit der Erfahrung von Generationen eine außergerichtliche Einigung beizulegen. ten Unternehmensgeschichte ist Grotrian- Seit 1999 steht mit Burkhard Stein erstmals Steinweg nicht stehen geblieben. „Gerade auch kein Familienmitglied an der Spitze des Un- in wirtschaftlich schwierigen Zeiten gilt es, in ternehmens. Dennoch ist Grotrian-Steinweg die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens zu weiterhin ein Familienbetrieb und Stein ver- investieren“, weiß Burkhard Stein. Über 1,5 sichert: „Wir setzen alles daran, damit dies Millionen Euro hat Grotrian-Steinweg in den auch in Zukunft so bleibt.“ vergangenen zwei Jahren in seinen Standort in Braunschweig investiert. Es wurden neue Die Gegenwart CNC-gesteuerte Fertigungsanlagen angeschafft und eine über 7000 Quadratmeter große Zum ursprünglichen Leitmotiv Wilhelm Fotovoltaik-Anlage auf dem Dach des Fab- Grotrians hat sich der Klavierbauer einen rikgebäudes installiert. „Seit Beginn unseres weiteren Slogan auf die Fahnen geschrieben: Jubiläumsjahres 2010 fertigen wir unsere Ins- „Weil wir die Musik lieben!“ Ein Satz, mit trumente ausschließlich mit aus Sonnenstrahlen dem sich viel ausdrücken lässt, wie Burkhard gewonnenem Strom“, erklärt der Geschäfts- Stein ausführt: „Weil wir die Musik lieben, führer. „Das ist sicherlich ein Novum im deut- geben wir uns alle erdenkliche Mühe, die bes- schen Klavierbau und ein Beweis dafür, dass ten Instrumente der Welt zu bauen, um da- Klavierbau keine verstaubte Sache ist, son- mit unseren Kunden ungestörten Musikge- dern zu allen Zeiten innovativ war und ist.“ Aktiver Umweltschutz und Arbeitsschutz geht beim Braunschweiger Klavierbauer aber noch weiter. „Dies zeigt sich sowohl bei der Ver- wendung umweltfreundlicher Materialien als auch bei der Ausstattung“, unterstreicht Stein. „Beispiel: unser Polyesterspritzstand, mit dem einerseits das Gesundheitsrisiko unserer Mit- arbeiter minimiert, zum anderen eine zeitge- mäße Reduktion der Schadstoffemissionen erreicht wird.“

Arbeitsprozesse in Teamarbeit und ohne Akkord: Firmenchef Burkhard Stein erwartet eine mitdenkende Belegschaft, die über den Tellerrand des Arbeitsplatzes hinausschaut. © Grotrian-Steinweg

 56 MUSIK ORUM Zertifizierung und Ausbildung Oberflächenveredelung und Klavierbau. Je- dazu beiträgt, die Produkte und deren Her- des Team verfügt über einen gewählten Team- stellung kontinuierlich zu verbessern und dabei Auch in anderen Bereichen ist Grotrian- sprecher, der die anliegenden Arbeitsaufga- das Know-how aller Mitarbeiter zu nutzen. Steinweg Vorreiter. So hat sich der Klavier- ben mit seinem Team koordiniert und die „Schließlich sind es genau diese Mitarbeiter, bauer sein Qualitätsmanagementsystem nach Schnittstelle zum Vorgesetzten bildet.“ In den die täglich an den Instrumenten arbeiten und DIN ISO 9001:2008 zertifizieren lassen. 14-tägig stattfindenden Teamsitzungen wer- somit die meiste Erfahrung in ihren Arbeits- „Dieses System hilft uns dabei, den hohen, den alle Mitglieder der jeweiligen Teams ein- bereichen haben.“ vorgegebenen Qualitätsstandard auf allen geladen, über die Produktionsaufgaben hi- Aktuell verlassen jährlich rund 600 Instru- Fertigungsstufen einzuhalten“, so Stein. „Gleich- naus Ideen zum Produkt und zur Prozess- mente die Fabrik in Braunschweig. Viele davon zeitig sind wir gefordert, die Qualität ständig verbesserung einzubringen, so Stein. Kleine- sind für den internationalen Markt bestimmt. zu überprüfen, um bei Abweichungen schnell re Aufgaben könne das Team selber umset- In über 70 Länder weltweit vertreibt Grot- reagieren zu können und alle qualitätsrele- zen. „Größere Ideen oder Projekte, die In- rian-Steinweg seine Klaviere und Flügel. vanten Punkte auch noch Jahre nach Ferti- vestitionen oder Veränderungen in Arbeits- In seinem Büro zeigt uns Stein, der auch gung eines Instruments nachvollziehen zu abläufen mit sich bringen, gehen durch den Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes können.“ Teamsprecher in den Regelkreis, an dem dann Klavier ist, ein Buch. Darin wird seit Firmen- Aktuell arbeiten in Braunschweig 60 Mit- auch die Arbeitnehmervertretung und die Be- gründung penibel jedes Instrument festgehal- arbeiter für Grotrian-Steinweg. Acht junge triebsleitung teilnehmen“, erkärt Stein. Sollte ten, das die Produktionsstätte verlässt. „Nach Mitarbeiter befinden sich in der Ausbildung eine Veränderung so umfangreich sein, dass 175 Jahren summieren sich diese Einträge zu Klavierbauern, Holzmechanikern und sie die Entscheidungskompetenz dieses Kreises auf stolze 160000 Instrumente, die in allen Bürokauffrauen. Der hohe Anteil an Auszu- überschreitet, werde sie – mit der Geschäfts- Teilen dieser Welt Menschen glücklich ge- bildenden ist für das Unternehmen die Grund- führung – im Steuerkreis diskutiert. „90 Pro- macht haben und noch weiter glücklich lage für gut geschulte Fachkräfte in der Zu- zent aller Aufgaben werden allerdings schon machen.“ Der Firmenchef ist sichtlich stolz kunft. „Nur wenn man selber ausbildet, weiß in den Teamsitzungen abgearbeitet“, sagt Stein, und legt das Buch zurück in den Tresor. man, was die Mitarbeiter wirklich können“, der überzeugt ist, dass das GPS maßgeblich sagt Stein. „Ausbildung ist für uns deswegen so wichtig, weil unsere Mitarbeiter in der Regel lange Betriebszugehörigkeiten haben und auch sehr flexibel eingesetzt werden, um einen kon- ANZEIGE tinuierlichen Fertigungsfluss mit guten Ergeb- nissen sicherzustellen.“

Vom Akkord zum Team Vor drei Jahren hat man bei Grotrian-Stein- weg damit begonnen, die Arbeitsprozesse in Teamarbeit zu organisieren. „Die Idee dabei war, die Akkordarbeit, dem reinen Denken in Minuten, abzuschaffen und hin zum Ar- beiten im Team zu kommen“, beschreibt Stein die Hintergründe. Neben der Geschwindig- keit spiele bei der Teamarbeit auch die Qua- lität eine große Rolle. Nur Produkte, die alle Qualitätskontrollen anstandslos passiert ha- ben, werden für die Leistung des Teams be- rücksichtigt und alle Mitglieder eines Teams bekommen, nach definierten Kriterien, die gleiche Prämie. „Dieses System erfordert das Arbeiten und Denken im Team und hilft, nicht nur den eng begrenzten Arbeitsplatz im Blick zu haben, sondern auch über den Tellerrand hinauszusehen“, weiß Stein.

Arbeiten nach „GPS“ Um die Teamarbeit zu unterstützen, hat das Unternehmen das „GPS“ eingeführt. Dabei handelt es sich nicht um eine satellitenge- steuerte Navigation, sondern um das Grot- rian Produktion System. Stein klärt auf: „Die Belegschaft von Grotrian-Steinweg wurde in drei Produktionsteams aufgeteilt: Rohbau, PORTRÄT

Westfälische Schule für Musik 1. Preis Kategorie 6

Erfolgreiche Projekte in © Agentur Zallmann sechs Kategorien Die Sieger VOM »TAG DER MUSIK«

Vier erste Preisträger gab es beim Wettbewerb zum Tag der Musik 2010, den der Deutsche Musikrat (DMR) im vergangenen Jahr zum zweiten Mal ausschrieb.

Das Spektrum der eingereichten Beiträge in sechs Kategorien reichte von der professio- nellen Filmproduktion „Reise ins Offene“ über Festivals, Patenschaftprojekte, bei denen pro- fessionelle Musiker Kinder-Kompositionen vortrugen, bis hin zur musikalischen Weltrei- se. Dies waren die Kategorien: 1. Kleine Kinder ganz groß – von der Früherziehung bis zu Kinderensembles 2. Helfen durch Musik – Jugendensembles im Einsatz 3. Musikerleben – eine Bühne für Profis und Laien 4. Klangfarben – Zusammenspiel der Kulturen 5. Musik.Macht.Politik – Gestalten durch Musikpolitik 6. Neue Wege in die Welt der Musik – Kulturtempel »Bahnbrechende« Konzerte unterwegs In vier dieser sechs Kategorien wurden – Für eine ungewöhnliche Aktion funktionier- – vervollständigen sollten, ohne Verspätung neben den vier ersten Preisen – drei zweite ten sechs Ensembles der Westfälischen Schule ein. In der besonderen Atmosphäre des Fahr- und drei dritte Preise vergeben. Die Preisver- für Musik – von der Jazzband mit Hammond- radparkhauses gelang ein Konzert, das ei- leihung fand im Rahmen der Mitgliederver- orgel bis zum Barockensemble mit Cemba- nen langen Tag zum stimmigen Abschluss sammlung des Deutschen Musikrats am 15. lo – Regionalzüge auf ihrer Fahrt quer durch brachte: „Brassissimo“ spielten auf einer Feu- Oktober im Abgeordnetenhaus von Berlin NRW zu Konzertsälen um und brachten ei- ertreppe hoch über den unterirdischen Fahr- statt. Die Preisgelder wurden vom Online- nen Tag lang Bahnreisende in den Genuss radständern, während sich das Kammeror- Noten-Shop „Stretta Music“ in Form eines von Livemusik. chester und die Bigband auf einer von Draht- Download-Guthabens im Wert von insgesamt Für das Projekt „Nächster Halt Kultur – eseln umringten Fläche präsentierten. rund 1000 Euro zur Verfügung gestellt. Musik mobil“ – eine Kooperation mit dem Die Aktion, die in dieser Form nur durch Der Jury gehörten unter der Leitung von Nahverkehrsverband Westfalen-Lippe – den kooperierenden Nahverkehrsverband DMR-Generalsekretär Christian Höppner die wurde die Musikschule beim Wettbewerb Westfalen-Lippe möglich wurde, sorgte für ehemalige Projektleiterin von „Musik in Hain- zum Tag der Musik in der Kategorie „Neue große Begeisterung beim Publikum. Insgesamt holz“, Morena Piro, sowie der Chefdirigent Wege in die Welt der Musik – Kulturtem- waren fast 90 Musiker, Lehrende und Ler- des Konzerthausorchesters Berlin, Lothar Zag- pel unterwegs“ mit dem ersten Preis ausge- nende der Westfälischen Schule für Musik, rosek, an. zeichnet. zu hören. Durchschnittlich sechs Stunden — Auf den folgenden Seiten stellt das Um auf die in Münster übliche Verzah- waren die Musiker in den Zügen unterwegs. MUSIKFORUM die vier ersten Preisträ- nung von öffentlichem Nahverkehr und dem Diejenigen, die anschließend beim Finale im ger vor. privaten, besonders umweltfreundlichen Fort- Fahrradparkhaus mitspielten, kamen so auf Die Initiative Tag der Musik wurde 2009 bewegungsmittel Fahrrad hinzuweisen, wurde einen Tag mit fast acht Stunden gespielter ins Leben gerufen, um eine bundesweite Platt- das Abschlusskonzert in die Fahrradstation Musik. form für das professionelle und das Laien- vor dem Hauptbahnhof Münster verlegt. Für die Westfälische Schule für Musik musizieren zu schaffen und damit die Rah- Glücklicherweise trafen auch einige der bereits gehört Ensemblearbeit zum Kern des An- menbedingungen für das Musikleben zu zuvor in den Zügen spielenden Musiker, die gebots. Hier wird sichtbar, was eine öffent- verbessern und eine breite mediale, öffentli- die für das Abschlusskonzert vorgesehenen lich geförderte Musikschule zu leisten im che und politische Wahrnehmung zu erzeu- Ensembles – Bigband, Jugendkammerorches- Stande ist. gen. Weitere Informationen: ter und Blechbläserensemble „Brassissimo“ Lars Motel U www.tag-der-musik.de

 58 MUSIK ORUM Kölner Musikakademie 1. Preis Kategorie 1

© Kölner Musikakademie

Weltreise an Bord der »MusicWings«

Gerade sieben Monate alt, gewann die „Köl- von der Startbahn in die Luft abhebt und Umgebung zu ermöglichen, stellte die Grund- ner Musikakademie“ den 1. Preis beim Wett- seine musikalische Weltreise beginnt. schule der Musikakademie ihre Unterrichts- bewerb zum Tag der Musik 2010 in der Ka- Erstes Etappenziel: Moskau. Traditionel- räume für den nachmittäglichen Instrumen- tegorie „Kleine Kinder ganz groß“. Als le russische Klänge wie Katjuska und Mus- talunterricht zur Verfügung. musikalisches Projekt begaben sich Schüler, sorgskys Bydlo sind zu hören. Nächster Halt: Das Konzept ist erfolgreich, sagt Aste- Lehrer und Publikum auf eine imaginäre Flug- Alaska, wo man träumend den Klängen ei- rios Georgiou: „Die Zahl der Instrumental- reise um die Welt, um auf diese Weise die nes Eskimoliedes lauschen kann, bevor über schüler steigt stetig und vor allem seit dem Musik anderer Länder und Kulturen kennen musikalische Zwischenstops in China, im Iran Erfolg des ‚MusicWings‘-Projekts sind die zu lernen. und in der Türkei das sonnige Griechen- Schüler motivierter beim Instrumentalunter- Bereits bei den Vorbereitungen waren die land angesteuert wird und die achtjährige richt und ihre Leistungen sind deutlich ge- 60 Schüler der Musikakademie zusammen Lara Aretousas Lied auf der Geige spielt. stiegen.“ Die Realisierung des Projekts und mit Eltern und Lehrern tatkräftig am Werk. Wieder erklingt die Stimme des Piloten: der Gewinn des Preises sind für Georgiou Auch die Grundschule KGS Lindenburger „Sehr geehrte Fluggäste, wir überqueren jetzt ein wichtiger Erfolg und ein Zeichen dafür, Allee beteiligte sich mit Kollegium und ei- den Atlantik und fliegen nach Argentinien.“ dass sich die noch junge Musikakademie mit ner 25 Grundschüler umfassenden Kunst- Im Hintergrund wechseln die Bilder. Nach den Schülern gemeinsam entwickelt und auf gruppe an der Produktion. Als Regisseur und einem Besuch in Süd- und Nordamerika fliegt dem Weg ist, sich in Köln als anerkannte Motivator der Mitwirkenden leitete der das Flugzeug zurück nach Europa und lan- Musikschule zu etablieren. Gründer und Leiter der Musikakademie, det am Ende der Reise wieder in Deutsch- Das Projekt widmete Georgiou der ehe- Asterios Georgiou, das gesamte Projekt mit land, am Flughafen Köln-Lindenburg. maligen Direktorin der Grundschule, Hele- Begeisterung und großem Engagement. Das Projekt wurde ausschließlich von der ne Nau, die ihn bei dem Projekt und dem „Im Namen der ‚MusicWings‘ möchten Kölner Musikakademie finanziert. Die enge Aufbau der Musikakademie unterstützt hatte. wir Sie an Bord dieses Flugzeugs begrüßen. Zusammenarbeit zwischen der Akademie Auch mit der neuen Schulleiterin gibt es Wir wünschen Ihnen eine angenehme Rei- und der Grundschule resultierte aus einer bereits Ideen für weitere Projekte. Der en- se durch die Welt der Musik“: Klavier, dann im Vorfeld geschlossenen Kooperation bei- gagierte Musikschulleiter ist sicher, dass die Gitarren, Blockflöten, die Geigen und der Schulen: Um den Schülern das Erler- Kooperation mit der Grundschule auch in schließlich die Trompeten simulieren den nen eines Instruments durch professionelle Zukunft kreativ, motiviert und fruchtbar sein dröhnenden Start des Flugzeugs, bevor es Musiker und Pädagogen in einer vertrauten wird.

 MUSIK ORUM 59 PORTRÄT

Musikschule Maier, Ginsheim 1. Preis Kategorie 2

Helfen Kindern in Haiti: Claudette Coulanges und Musikschulleiterin Christiane Maier.

Aus unserer Welt – für eine andere Welt

Gebannt lauschten Kinder, Jugendliche und Seit vier Jahren bereits versucht Claudet- „Eine Blockflöte für Haiti“ finanziert wur- Erwachsene im Buch- und Kulturzentrum „Hits te Coulanges ein Musikschulprojekt aufzu- den. für Kids“ im hessischen Ginsheim-Gustavs- bauen, und jetzt hatten sich die Wege mit Im laufenden Jahr soll das Projekt ausge- burg dem Vortrag der Haitianerin Claudette der im hessischen Ginsheim ansässigen pri- baut werden. Ziel ist, durch musikalische Coulanges. vaten Musikschule der Musikwissenschaft- Aktivitäten den Kindern Selbstvertrauen, mu- Was man bisher immer nur aus den Nach- lerin Christiane Maier auf fast abenteuer- sikalische Bildung und ein wenig Lebens- richten hörte, war plötzlich greifbar nah: liche Weise gekreuzt. „Seit langer Zeit denke freude zu vermitteln. „Es sollen aber nicht Jemand, der vor Ort in Haiti das Erdbeben auch ich über ein Musikschulprojekt in ei- nur Sachspenden geleistet werden, wir den- im Frühjahr mit 250 000 Toten selbst er- nem Land mit notleidender Bevölkerung ken auch darüber nach, Musiklehrer in Haiti lebte, der Katastrophe nur knapp entkam nach“, erläutert Maier. „Und über eine Be- und in Deutschland auszubilden, damit Kinder und nun direkt betroffen ist, macht die Not kannte, die ein Reisebüro leitet, sind wir dann und Jugendliche vor Ort qualifiziert unter- für einige Augenblicke seltsam real. Clau- bei unseren Recherchen über die kubani- richtet werden können.“ dette sind vor allem die gebeutelten Kinder sche Botschaft mit Claudette in Kontakt ge- Hierzu werden nun Kontakte zum haiti- Haitis ans Herz gewachsen; auch sie habe kommen.“ anischen Innenministerium und zur deut- in ihrem Leben als Kind und Jugendliche, Im Sommer wurde das Projekt „Musik- schen Botschaft aufgenommen. Derzeit, so so berichtet sie, Hilfe und Rettung erfahren. schule in Haiti“ gestartet. Bei den „5. Gins- berichtet Claudette, gibt es in Aquin näm- Nun möchte sie den Kindern in Haiti etwas heimer Tagen voller Musik“ mit zehn Ver- lich nur einen Musiklehrer, der aus der drei zurückgeben. Sie musste seinerzeit die Schule anstaltungen von Jugendensembles und Stunden entfernten Hauptstadt Port-au-Prince nach der 9. Klasse verlassen und bereits mit Schülerklassen konnten über 500 Euro an wöchentlich anreist, um die Kinder zu un- 15 Jahren als Lehrerin arbeiten. Ihr Schick- Spendengeldern gesammelt werden, die jetzt terrichten. sal führte sie nach Kuba, wo sie ein Stipen- als Anschubinvestition für die ersten Aktio- „Wir müssen jetzt in den nächsten Mo- dium erwarb und dann in Deutschland stu- nen verwendet werden. „Danke, vielen Dank naten noch viel Arbeit leisten und werden dieren konnte. – ich hoffe wir werden einige Kinder ret- versuchen auch bundesweit Sponsoren für Heute lebt sie als Dokumentarfilmerin ten.“ Mit dieser emotionalen Aussage be- weitere Musikschulprojekte in Haiti zu fin- in Berlin und organisiert mit dem Verein endete die Haitianerin ihren Vortrag. Am 3. den“, sagt Christiane Maier. Die Chancen „HPE – Haiti Projekt Education“ Projekte Dezember reise Claudette in ihr Heimat- stehen dafür gut, denn das Projekt wurde für Kinder und Jugendliche im ländlichen land zurück und organisierte dort zunächst bundesweit kommuniziert. Besonders hilf- Aquin, im Süden Haitis. „Wir wollen für junge ein Weihnachtskonzert. In ihrem Gepäck hat- reich war, dass der Deutsche Musikrat der Menschen Zukunftsperspektiven entwickeln te sie etliche Notenausgaben, ein Keyboard, Aktion einen ersten Preis zum Tag der Mu- und Potenziale fördern“, lautet eine ihrer das die Musikschule spendete, sowie 85 Sop- sik 2010 in der Kategorie „Helfen durch Musik zentralen Botschaften während des Vortrags. ran-Blockflöten, vier Altflöten, drei Tenor- – Jugendensembles im Einsatz“ verlieh. Und sie macht dies vor Ort, denn sie reist flöten und eine Bassflöte, die aus den Spen- Informationen über das Musikschulpro- jedes Jahr für mehrere Monate in ihre Hei- den sowie durch Übernahme von Paten- jekt für Haiti: mat, um die Projekte umzusetzen. schaften für Blockflöten durch die Aktion U www.musikschulemaier.de

 60 MUSIK ORUM Theater und Philharmonisches Orchester Heidelberg 1. Preis Kategorie 3

Vogelwilde Melange: Rap trifft Sinfonieorchester

Musiker strömen von allen Seiten, ein Grüpp- ist simpel: Zeitgenössische Aktion trifft „klas- reografie zu den „West Side Story Sympho- chen junger Tänzer dehnt, räkelt, verbiegt sische“ Musik, junge Musik trifft auf großes nic Dances“ von Leonard Bernstein erstellt. sich schnatternd, ein Rapper diskutiert Mik- klassisches Sinfonieorchester. Bewährt sich Wie gut, dass der quietschbunte Haufen aus rofoneinstellungen mit einem Techniker, die fünfteilige vogelwilde Melange? HipHoppern, Jazz und Modern Dancern ganz einige Sprayer prüfen die Durchlässigkeit Eine feurige Candide-Ouvertüre des Phil- unbeleckt ist von der Verfilmungs- und In- einer Leinwand, Orchesterwarte basteln am harmonischen Orchesters unter Leitung von szenierungsinflation der West Side Story. Es Finetuning eines monströsen Schlagzeug- Cornelius Meister wird Auftauarbeiten am geht um Liebe, soviel ist klar. Dann also Speed- apparats, und die Junisonne lässt das Opern- „Was-erwartet-mich-hier-bloß-Raureif“ des dating, diese Fast-Food-Variante des Ken- zelt, Ersatzspielstätte des Heidelberger Thea- Publikums leisten, bevor die drei Jungs von nenlernens, Hochgeschwindigkeits-Kompa- ters, erglühen. EinKollektiv im Opernzelt Einzug halten. Die tibilitätsprüfung zweier Menschen. Da wird Generalprobe. Zum ersten Mal verzah- Graffiti-Künstler haben ihre Spraydosen gegen um Beachtung gerangelt, Eifersucht vertanzt, nen sich alle Puzzleteile von „Rap it like Hei- innenraumtaugliche Tuschefarben einge- in pfauenhafter Akrobatik posiert, sich zart delberg“, einem Crossover-Projekt des The- tauscht und beginnen, zur Musik von Geor- umgarnt – die Tanzstile verweben sich, um aters und Philharmonischen Orchesters ge Gershwins An American in Paris ein groß- sich in Form glücksverträumter oder hass- Heidelberg. dimensioniertes Live-Gemälde zu erstellen zerklüfteter Paare wieder zu trennen, Ban- „Jugendkonzert“ – das Wort presst Kon- – immer der Dynamik der Musik folgend, denkriege, Flirt-Eskalationen. Ein halbes Jahr zertdramaturgen, Musikpädagogen und Di- immer durch sie inspiriert. haben die Jugendlichen an ihrer durchkom- rigenten gleichermaßen den Angstschweiß Die Bruchsaler Rapper von Backwoods ponierten Tanzgeschichte getüftelt. aus den Poren. Die Zielgruppe des „erbar- Bunch bekommen ihre Beats heute nicht Und das Orchester? Es freut sich über mungslosen Dazwischen“ – bezauberungs- vom Synthesizer, sondern von einem 72- die Abwechslung im Spielplan und auf den resistent gegen die Märchenwelten der Fa- köpfigen Sinfonieorchester serviert: Zwei ih- fünften Teil des Konzerts: Die After-Show- milien- und Kinderkonzerte, staubschicht- rer Kompositionen wurden für die außer- Party mit dem Alt-Meister der Rap-Szene, phobisch und spießbürgerallergisch gegen gewöhnliche Kombination umarrangiert. DJ Toni-L. Kein Jugendkonzert ohne eksta- große Sinfonik. Sie sind nicht in Vorverkaufs- Damit nicht genug: Das Publikum wird ein- tisch feiernden Ausklang. korsette zu zwängen, die selbstbewussten gangs angehalten, Assoziationen zum Spiel- Experiment gelungen? Ein rappelvolles Jungindividualisten lassen beruhigungsmit- zeitmotto „Mut zur Freiheit“ auf Papierschnip- Opernzelt mit den „Richtigen“ – es ist tat- telbedürftige Veranstalter ungerührt den sel zu krakeln, die Backwoods Bunch dann sächlich unser geliebt-gehasstes Problempub- Abendkassenzahlen entgegenbibbern. in eine Improvisationssequenz integrieren. likum zwischen Akne und Astrophysik – Ein Jugendkonzert darf, soll und muss Schon wirbeln 20 Tänzer vom Heidel- und frenetischer Applaus sagen „Ja“. Und immer eines bleiben: ein Experiment. berger Haus der Jugend aus ihren Startlö- ein strahlendes Theater Heidelberg freut sich Konzertdramaturgin Maria Goeth, Opern- chern. Unter der Gesamtleitung von Uschy über den 1. Preis des Deutschen Musikrats und Konzertpädagogin Sabine Georg und Szott und Mitarbeit von Jürgen Friedrich, zum Tag der Musik 2010 in der Kategorie Generalmusikdirektor Cornelius Meister Neele Renzland und Isabelle Szott haben „Musikerleben – eine Bühne für Profis und wagen es: das Experiment. Die Grundidee die 15- bis 24-Jährigen ihre ureigene Cho- Laien“.

 MUSIK ORUM 61 DOKUMENTATION

DMR: 3. Berliner Appell Die zunehmende Virtualisierung mensch- tergrund der Wirtschafts- und Finanzkrise – licher Kommunikation und deren Einfluss auf ist es erforderlich, die Prioritäten zu Gunsten zur Digitalisierung die Entwicklung des Individuums und der der freien Entwicklung kreativer Potenziale Anfang Dezember haben der Präsident des Gesellschaft bedarf der umfassenden wissen- neu zu setzen. Deutschen Musikrats (DMR), Martin Maria Krü- schaftlichen Begleitung – insbesondere in In der Diskussion um die gesellschaftlichen ger, Vizepräsident Udo Dahmen und Gene- Hinblick auf virtuelle Lebenswelten. Auswirkungen der Digitalisierung steht die ralsekretär Christian Höppner den 3. Berliner 3. Adäquate Rahmenbedingungen für Urheber Kreativität bisher im Hintergrund. Ohne die Appell des DMR an Kulturstaatsminister Bernd Am Anfang jeder kreativen Entwicklung Förderung kreativer Potenziale im Verbund Neumann übergeben. Der Appell mit dem steht der Urheber, dessen Leistung einzigar- mit der Forderung nach dem verantwortungs- Titel „Digitalisierung // Freiheit // Verantwor- tig ist. Ohne gesellschaftliche Wertschätzung vollen Umgang mit kreativen Leistungen kann tung“ – er stellt fünf Forderungen zur Bewäl- des kreativen Schaffens wird es nicht möglich das Regelwerk keine nachhaltige Wirkung tigung der Herausforderungen im digitalen sein, adäquate Rahmenbedingungen – auch entfalten. Die Nutzung von Datenautobah- Zeitalter – war im Oktober von der Mitglie- in rechtlicher und finanzieller Hinsicht – zu nen bedarf ebenso wie der Straßenverkehr derversammlung verabschiedet worden. schaffen. Ohne Urheber keine Kreativität. einer gesellschaftlichen Übereinkunft sowie Staatsminister Neumann, der zuvor ein 4. Keine Kulturflatrate entsprechender Regeln und Kampagnen zur Zwölf-Punkte-Papier zum Schutz des geisti- Eine gesetzliche Pauschalierung zur Ho- „Verkehrserziehung“. gen Eigentums veröffentlichte, erklärte zum norierung kreativer Leistungen ist nicht ziel- 3. Berliner Appell: „Die fortschreitende Digi- führend, weil sie sowohl der individuellen talisierung unserer Lebenswelt birgt sowohl Leistung des einzelnen Urhebers als auch der Kirchenmusik: Forderungen Chancen für die kulturelle Teilhabe aller Bürger individuellen Nutzung durch den einzelnen an Staat und Gesellschaft als auch Risiken für die Wertschätzung krea- Konsumenten nicht gerecht wird. Der Deut- tiven Schaffens. Die Zugänglichkeit von Wer- sche Musikrat fordert die Weiterentwicklung Der vom Deutschen Musikrat (DMR) und ken darf nicht zu Lasten der Urheber voran- individueller Verwertungssysteme, zu denen Vertretern der kirchenmusikalischen Spitzen- getrieben werden. Denn wenn es nicht mehr auch die Rechtewahrnehmung für Urheber verbände unter dem Titel „Einheit durch möglich ist, von kreativer Arbeit zu leben, durch Verwertungsgesellschaften zählt. Vielfalt – Kirche macht Musik“ veranstaltete kann der Urheber nicht im bisherigen Um- 5. Verbindliche Normensetzung auf nationa- Kongress hat Forderungen an Staat, Gesell- fang kulturelle Werke und Werte schaffen; ler, europäischer und internationaler Ebene schaft und Kirchen gerichtet: ohne Urheber kann die große Vielfalt in Die Politik ist aufgefordert, unter Einbe- a.) Kooperationen zwischen kirchlichen Deutschland dauerhaft nicht gesichert und ziehung der Zivilgesellschaft, Abstimmungs- Institutionen bzw. kirchenmusikalischen Akteu- erweitert werden. Ich begrüße den 3. Berli- prozesse auf nationaler, europäischer und ren und Bildungs- und Kultureinrichtungen ner Appell des Musikrats und die darin ent- internationaler Ebene zur Verständigung auf im Bereich der Aus-, Fort- und Weiterbildung haltenen Forderungen mit nationaler und in- verbindliche gemeinsame Normen im Netz sowie mit Veranstaltungs- und Spielstätten ternationaler Ausrichtung. Durch Schärfung einzuleiten und deren Um- und Durchset- müssen als konstruktiver Dialog zwischen des Bewusstseins für den Wert kreativer Leis- zung zu befördern. Nur durch harmonisierte Kirche und Gesellschaft verstärkt werden. tungen und die Stärkung der Medienkom- Rahmenbedingungen für alle kann der Schutz b.) Elementare Musikerziehung und qua- petenz als Teil der kulturellen Kompetenz des Urhebers – insbesondere im „world wide lifizierter Musikunterricht unter Einbeziehung wird es möglich sein, einen verantwortungs- web“ – sichergestellt werden. von Kirchenmusik müssen vom Eintritt in die Kindertagesstätte bis zum Abschluss der all- vollen Umgang mit geistigem Eigentum zu Kreativität im digitalen Zeitalter erreichen.“ gemein bildenden Schule durchgängig ange- Deutschland befindet sich – ebenso wie boten werden. 3. Berliner Appell viele andere Staaten – in einer gesellschaft- c.) Musikalische Bildungsangebote mit Digitalisierung // Freiheit // Verant- lichen Umbruchphase. Neben dem demo- qualifizierten Lehrkräften sollen auch in den wortung grafischen Wandel, Migration und den Ver- Sozialeinrichtungen der Kirche im Sinne des änderungen im Verhältnis zur Arbeit hat die diakonischen, missionarischen und kulturel- Fünf Forderungen für musik@deutschland Digitalisierung entscheidenden Einfluss auf len Auftrags angeboten werden. Digitalisierung bietet auf der Grundlage der diesen Umbruch. d.) Das Musizieren mit älteren Menschen Wertschätzung kreativen Schaffens vielfälti- Die Digitalisierung erfasst nahezu alle muss durch Kooperationen zwischen staatli- ge Chancen und Potenziale für den Musik- Bereiche gesellschaftlichen Lebens und be- chen und kommunalen Einrichtungen sowie bereich. Sie ist zugleich eine Herausforderung einflusst zunehmend Wahrnehmung, Han- zwischen Kirchen, Bildungsinstitutionen und für die gesamte Gesellschaft. Der Deutsche deln und Kommunikation des Menschen. Eine Laienmusikverbänden ausgebaut werden. Musikrat fordert: Konstante in diesem Umbruchprozess ist aber e.) Das Berufsfeld des Kirchenmusikers 1. Kulturelle Kompetenz fördern – Bewusst- das Individuum mit seiner Kreativität. Die muss erhalten und weiterentwickelt werden, sein schaffen kreativen Potenziale sind die entscheidenden wobei unterschiedliche Stellenprofile mög- Die Komplexität medialer Welten erfor- Ressourcen im globalen Wettbewerb, die lich und notwendig sind. […] dert kulturelle Kompetenz. Medienkompe- modernen Gesellschaften verbleiben. Sie sind f.) Für unterschiedliche Milieus und Ziel- tenz ist Teil kultureller Kompetenz. Kulturel- unmittelbar mit den Fähigkeiten des Indivi- gruppen braucht es unterschiedliche kirch- le Kompetenz bedingt kulturelle Teilhabe. duums verbunden. Kulturelle Bildung ist die liche und kirchenmusikalische Angebote. Kulturelle Teilhabe erfordert kulturelle Bil- Voraussetzung, um diese Potenziale auszu- Aufgabe der Kirchenmusik ist es hierbei, die- dung. schöpfen und zu Fähigkeiten zu entwickeln. se Vielfalt bewusst zu machen, zu fördern 2. Gesellschaftliche Auswirkungen der Im Sinne der Zielsetzung einer Wissens- und und entsprechende kirchenmusikalische An- Digitalisierung untersuchen Kreativgesellschaft – gerade vor dem Hin- gebote weiterzuentwickeln.

 62 MUSIK ORUM PRÄSENTIERT

In der Rubrik „Präsentiert“ stellt das MUSIKFORUM kurz und bündig Projekte und Initiativen aller Sparten im deutschen und internationalen Musikleben vor: ˜ Das Projekt „Lass 1000 Steine rollen“ des Hamburger Vereins „Trockendock“ ist als Musikzentrum im Bereich von Freizeitarbeit und Suchtprävention tätig.

Stellen Sie Ihr Musikprojekt in dieser Rubrik vor! Mail an: [email protected]

sche Aktivitäten haben im Trocken- getroffen, in die auch Besucher des Zentrums „Lass 1000 Steine rollen“ dock, das sich selbst als Hamburgs eingebunden werden, um neue Ideen für die alkohol- und drogenfreies Jugend- Angebote zu sammeln und Rückmeldungen (Trockendock e. V.) musikzentrum bezeichnet, einen über die Akzeptanz der Angebote zu erhal- besonderen Stellenwert; sie bie- ten. ten einerseits die Möglichkeit, in Das Projekt basiert auf einer aus den 70er Das Projekt „Lass 1000 Steine rollen“ ist eine kurzer Zeit persönliche Erfolgserlebnisse zu Jahren stammenden Projektidee aus Göte- Einrichtung des in Hamburg ansässigen Ver- erreichen und andererseits die Auseinander- borg. Jugendliche, die auf der Straße leb- eins Trockendock e. V. Es richtet sich vor- setzung mit der persönlichen Situation zu för- ten, bekamen die Möglichkeit, in festen Pro- nehmlich an Jugendliche im Alter von 12 bis dern. benräumen zu musizieren. Trockendock e. V. 25 Jahren in problematischen Lebenslagen. Im Trockendock haben die Jugendlichen griff diese Idee 1983 in Hamburg auf und Mit jugendspezifischen Angeboten im Bereich die Möglichkeit, sich aktiv mit Musik zu be- entwickelte sie weiter. Der Verein ist der größte der Freizeitarbeit, Beratung und Suchtprä- schäftigen: Bands können kostengünstig Pro- Träger im Bereich der Jugendhilfe und Sucht- vention sollen Jugendliche im Jugendmusik- benräume mieten, Neueinsteiger können sich prävention und realisiert das Projekt in Ko- zentrum des Vereins „Trockendock“ die im Instrumental- und Gesangsunterricht aus- operation mit Einrichtungen und Institutio- Möglichkeit einer niedrig-schwelligen Kon- probieren, der für 15 Euro im Monat von Mu- nen, die ebenfalls im Bereich Suchtprävention taktaufnahme über den Freizeitbereich be- sikern und Musikpädagogen angeboten wird tätig sind. kommen. So sollen Vertrauensverhältnisse und aus einer Dreiviertelstunde Einzelunter- aufgebaut und Entwicklungs- und Lernpro- richt in der Woche besteht. Außerdem gibt zesse initiiert werden, die die Stärkung von es zahlreiche offene Anbegote, z. B. Work- Kontakt: Eigeninitiative und Stabilisierung von Selbst- shops mit Inhalten wie Tanzen, Airbrush oder Trockendock hilfepotenzialen zum Ziel haben. Tontechnik, die kostenlos angeboten werden. Elsastr. 41, 22083 Hamburg Im Rahmen des Projekts werden neben Das Projekt-Team besteht aus drei päda- Tel.: 040/273877, Fax: 040/2780259 sozialpädagogischen Beratungsleistungen zur gogischen Fachkräften sowie zusätzlichen Ho- Öffnungszeiten: Förderung der schulischen und beruflichen norarkräften, die für die Durchführung der Di.-Do. 14 – 22 Uhr Ausbildung, der Eingliederung in die Arbeits- Veranstaltungen sowie für die Bereiche Band- Fr. 14 – 18 Uhr welt sowie der sozialen Integration zahlrei- training und Einzelunterricht verantwortlich (bei Veranstaltungen länger) che Freizeitaktivitäten angeboten, um mit den sind. Die Entscheidungen über Programm- Jugendlichen in Kontakt zu treten und Kom- gestaltung und Angebote werden in regel- U www.lass1000steinerollen.de/ munikationsprozesse aufzubauen. Musikali- mäßig stattfindenden Vollversammlungen trockendock/index.php

 MUSIK ORUM 63 REZENSIONEN

Volkslieder Sergiu, einmal anders Liederbuch mit Mitsing-CD (77 Lieder) Meine Erinnerungen an Celibidache Barbara Mohn u. Dagmar Munck (Hg.); nach einer Idee von Cornelius Hauptmann Ioana Celebidachi (autorisierte Übersetzung aus dem Französischen von Patrick Lang) Carus, Stuttgart, und Philipp Reclam jun, Stuttgart 2010, 128 S., 24,90 Euro Wißner, Augsburg 2010, 128 S., 19,80 Euro ISBN 978-3-89948-151-8 ISBN 978-3-89639-709-6

„Geh aus mein Herz und suche Freud“ liedern enthält bekannte und weni- Wie nähert man sich einem Dirigen- Ioana. Sie spricht in mosaikartiger – welch aktuelle und immer wieder ger bekannte Werke. Das Volkslie- ten? Genügt das Bild, das man sich Reihenfolge, will heißen: keineswegs aufs Neue berührende Botschaft. Eine derbuch erfüllt Qualitäten, die ein iPad von ihm macht, indem man allein seine streng chronologisch verfahrend, über Botschaft, die immer mehr Menschen eben nicht einlösen kann. Es ist sehr musikalische Arbeit, die gegebenen ihre eigene Kindheit, ihre erste Be- in unserem Land wieder hören und wertig gestaltet – beginnend mit dem Interviews, seine CD-Aufnahmen und gegnung mit Sergiu, über ihre große vor allem selbst singen. Vieles von haptischen Genuss beim Aufschlagen, publizierten Texte studiert? Und reicht Liebe und Erfahrungen, die sie an dem, was deutsche Volkslieder ver- fortgesetzt durch ein unaufdringliches, das vor allem aus, wenn man einen seiner Seite sammeln durfte. Nur mitteln, war seit 1945 in unserer Ge- fein harmonisierendes Layout und großen Charismatiker im Allgemei- wenig erfährt man über seine kon- sellschaft ausgeblendet. In Folge des gekrönt von den Bildern von Chris- nen betrachtet? krete Arbeit als Dirigent. Es sind Missbrauchs während der Zeit des toph Mett. Mit seinen Bildern setzt Die Antwort ist so kurz wie ein- lediglich kleine Anekdoten, die sie aus Nationalsozialismus waren das Sin- Mett nicht nur themenbezogene deutig: Nein. Ein Dirigent ist und bleibt diesem Bereich seines Lebens wie- gen seit 1945 im Allgemeinen und Korrespondenzen, sondern spinnt auf- (auch) ein Mensch, den man erst dergibt. Ioana geht es vielmehr da- deutsche Volkslieder im Besonderen genommene Fäden weiter und be- „kennen lernen“ kann, wenn man rum, die milde und fürsorgliche Sei- verpönt. Im Zeitalter der multime- flügelt ungemein die Fantasie. Bevor Einblicke in sein unverstelltes Alltags- te ihres Mannes ans Licht zu bringen. dialen Reizüberflutung und zuneh- der erste Ton im Kopf reift, bevor leben erfährt. Einmal mehr scheint Stets betont sie seine enorme Tier- menden Virtualisierung der Kommu- die Stimmlippen in Schwingungen dies wichtig zu sein bei Sergiu Celibi- liebe, seine Fürsorglichkeit anderen nikation entsteht gerade bei Kindern geraten, bevor die ersten Schallwel- dache (oder Celebidachi, wie der Menschen gegenüber und seine Be- und Jugendlichen das Bedürfnis nach len von der eigenen Stimme oder CD Familienname korrekterweise heißt), geisterungsfähigkeit für Kinder, de- non-virtuellem Erleben. Dieses Bedürf- die Ohren erreichen, ergibt sich bereits einem Dirigenten, um den sich zahl- nen er nicht nur Dinge beigebracht nis äußert sich auch in der ungebro- ein breites Spektrum ästhetischer reiche Mythen ranken. Wie bei kaum hat, sondern die vielmehr in ihm die chenen Attraktivität der öffentlichen Wahrnehmungen. einem anderen scheinen Vorurteile kindliche Logik bewahrt haben. Auf Musikschulen. Das allerdings 100000 Im Verbund mit den Begleitma- das Gesamtbild des Menschen zu subtile Art lernt man aber auch Ioa- Schüler kürzungsbedingt teilweise terialien und der Einbettung in die bilden. Seine hochbetagte Witwe, na kennen und kann so spüren, was jahrelang auf den Wartelisten stehen, Website www.liederprojekt.org ist Ioana Celebidachi, veröffentlicht da- an ihr den Maestro so bezaubert hat. ist ein gesellschaftspolitischer Skan- diese Publikation ein sehr gelunge- her einen kleinen, humorvoll geschrie- Sergiu, einmal anders. Der Titel darf dal. Deshalb bleibt zu hoffen, dass nes Gesamtkunstwerk. Ein wichtiger benen Band, der uns vor allem den beim Wort genommen werden. Er das neu erwachte Interesse am Sin- Mosaikstein zum Erhalt und zur För- Menschen Sergiu näher bringen will. ist ein Versprechen, das Ioana durch- gen einen weiteren Impuls bei den derung der kulturellen Vielfalt, zu der Sergiu, einmal anders heißt es verhei- aus hält. In absolut unterhaltsamem politischen Entscheidungsträgern set- neben den zeitgenössischen kulturel- ßungsvoll im Titel. Sie schreibt, 14 Schreibstil geschrieben, der dem Le- zen kann, endlich eindeutige – das len Ausdrucksformen und den Kul- Jahre nach dem Tod ihres Mannes, ser fortwährend ein Schmunzeln und heißt nachhaltige – Prioritäten für die turen anderer Länder in unserem Land über ihr Zusammenleben mit diesem hier und da ein herzhaftes Lachen musikalische Bildung zu setzen. Denn eben auch das kulturelle Erbe gehört. von Frauen so stark umworbenen entlockt, ist dieser kleine Band aus ohne eine qualitativ gesicherte und „Geh aus mein Herz und suche Menschen. Es geht um Erinnerungen, der Reihe „Celibidachiana“ (eine Rei- kontinuierliche musikalische Bildung Freud“ – jetzt und sogleich! kleine Anekdoten, die dem Erfahrungs- he, die die von Ehefrau Ioana und verpuffen die schönsten Ideen und Christian Höppner schatz eines Menschen entspringen, Sohn Serge ins Leben gerufene Sergiu besten Absichten. der wie kein anderer diesen großen Celibidache Stiftung herausgibt) Cornelius Hauptmann hatte solch Maestro erleben durfte: aus unmit- sicherlich eine Bereicherung für alle, eine zukunftsweisende Idee, und dem telbarer, unverstellter Nähe. Die 36 die über den vermeintlichen Tyran- Kinderarzt und Verleger Johannes beigefügten Abbildungen entstammen nen „Celi“ mehr wissen wollen, aber Graulich ist es – zusammen mit vie- allesamt dem Privatarchiv Ioanas und auch für alle, die sich für Dirigenten len Partnern – zu verdanken, dass aus runden diesen Band harmonisch ab. und den sie umgebenden Mythos dieser Idee ein höchst attraktives Der Text ist in 34 fiktive Briefe interessieren. Auch Dirigenten sind Volksliederbuch entstanden ist. Das gegliedert. Allesamt Briefe Ioanas an Menschen. Nur manchmal ganz Buch lädt zum Mitsingen ein und uns Leser, die anfangs nur allmäh- besonders besondere. enthält eine Mitsing-CD. Zudem gibt lich erfahren, dass es sich um keinen Dimitra Maragoudakis es einen begleitenden Klavierband und Verfasser (Sergiu) und auch keinen zwei CD-Sammlungen – gesungen Briefwechsel, sondern um eine Ver- von herausragenden Sängern. Die fasserin (Ioana) handelt. Lediglich der Sammlung von 77 deutschen Volks- letzte Brief ist von ihr unterzeichnet:

 64 MUSIK ORUM BUCH

Der genetische Notenschlüssel Leadership Warum Musik zum Menschsein gehört Vom Führen in modernen Zeiten Christian Lehmann Klaus Siebenhaar (Hg.) Herbig, München 2010, 256 S. mit 9 Abb., 19,95 Euro B&S Siebenhaar, Berlin 2010, 144 S., 24,80 Euro ISBN 978-3-7766-2646-9 ISBN 978-3-936962-13-0

Dass das Musikmachen grundlegend Aggression –, so ist die musische Im November 2008 hatte das an der tegische Nachfolgeplanung im Ma- zum Menschsein gehört und deshalb Veranlagung in den Genen doch die Freien Universität Berlin angesiedel- nagement teilweise vernachlässigt gefördert werden müsse, hören wir beste Basis für die Entwicklung der te Institut für Kultur- und Medien- haben, was beim Ausscheiden von allerorts. Als Jahrtausende alte Kul- bekanntermaßen positiven Wirkun- management (IKM) seine Jahrestagung Managern zu gravierenden Problemen turtechnik müsse es gepflegt und an- gen für Individuum und Gesellschaft. unter das Motto „Leadership“ gestellt. für die Stabilität der Organisation gesichts der zahlreichen positiven Mit seinem Buch fügt Lehmann Herausgeber, Verleger und Instituts- führen kann. Wirkungen auf den Menschen be- der Vielzahl von Publikationen einen leiter Klaus Siebenhaar hatte Refe- Von den weiteren Beiträgen sei wahrt werden. neuen Aspekt hinzu und zeigt aus renten aus unterschiedlichsten Berei- auch der von Ilona Schmiel erwähnt, Christian Lehmann, Philosoph und einem erhellenden Blickwinkel, wa- chen zu einem zweitägigen Diskurs seit Jahren erfolgreiche Intendantin Autor, zeigt in Der genetische Noten- rum Musik für den Menschen unver- eingeladen. Herausgekommen ist eine des Beethovenfests Bonn. Im Praxis- schlüssel, dass die Musik nicht nur Teil zichtbar ist. sehr lebendige und vor allem kurz- bericht „Powerplay – Führung und der Kultur ist, sondern auch in unse- Susann Eichstädt weilig zu lesende Dokumentation, Führungsanforderungen im Musikbe- ren Genen liegt. Als wesentliches Indiz deren Inhalt sich aus den Referaten reich“ beschreibt sie die zahlreichen für seine These des musischen Gens und Vorträgen sowie einer Podiums- Führungs- und Managementanforde- führt er beispielweise die anthropo- diskussion speist. rungen im Umfeld eines internatio- logische Universalität (Musik wird in Holger Feist, Development Direk- nalen Musikfestivals rund um die allen Kulturen praktiziert) an. tor des Verlagshauses Burda, befasst Themen Organisation, Personalwe- Auf dem unterhaltsamen Streif- sich mit „Führungskräften im digita- sen, Projektentwicklung und -umset- zug durch die Evolutionsgeschichte len Zeitalter“. Führungskräfte müss- zung sowie Ausbildungsverantwor- des Menschen erforscht der Autor ten heute schneller und flexibler han- tung. Ihr Ehemann, der Münchner Entstehung und Zweck musikalischer deln und reagieren als jemals zuvor, Unternehmensberater Peter Gartiser, Betätigung und eröffnet dem inte- und Netzwerke würden immer wich- befasst sich mit den aktuellen He- ressierten Leser neue Perspektiven. tiger. Führungskräfte bräuchten ein rausforderungen und Problemen der So wird der Frage nach dem evolutio- gutes „Radar“ für neue Entwicklun- Führungskräfteentwicklung im Kul- nären Nutzen des Musizierens nach- gen und müssten mit „Bildern und turbereich. Seine Ausführungen le- gegangen. Anhand prägnanter Beispie- Geschichten“ führen, um emotional sen sich wie ein Leistungskatalog bzw. le demonstriert Lehmann, wie die anzusprechen und sich auch medial eine Checkliste, mit der man prüfen Fähigkeit, die Stimmen einer Grup- durchzusetzen. Der Personalentwick- kann, ob man wirklich die richtigen pe zu synchronisieren, Kooperations- ler Jürgen Brümmer eröffnet in sei- Kandidaten für eine Führungsposi- bereitschaft schafft, soziale Bindun- nem Erfahrungsbericht Einblicke in tion ausgewählt hat. Nett zu lesen ist gen stärkt und so unseren Höhlen die Führungskräfteentwicklung in der auch der Beitrag von Christoph bewohnenden Vorfahren möglicher- Wirtschaft und gibt zahlreiche Hin- Wagner-Trenkwitz, künstlerischer Ko- weise die eine oder andere lebens- weise, die auch für Kultureinrichtun- ordinator der Wiener Volksoper, der bedrohende Auseinandersetzung er- gen geeignet sind. sich unter der Überschrift „Neue In- sparte. Diese Neigung zur Synchro- Inhaltlich knüpft hier der Beitrag tendanten braucht das Land“ Gedan- nisierung zeigt sich noch heute und des Personalberaters Philipp J. Fleisch- ken zur Nachwuchssituation für Füh- bewegt im wahrsten Sinne des Wor- mann an, nämlich mit welchen Me- rungskräfte im Musiktheater macht. tes die Massen in Popkonzerten. thoden und Inhalten man gezielt Der neue Intendantentyp brauche vor Angesichts der musischen Veran- Führungstalente auch für Kultur- und allen Dingen Bereitschaft zur Verant- lagung des Menschen plädiert Leh- Medienbetriebe gewinnen und aus- wortung. mann für das aktive Musizieren, das bilden kann. Wie immer interessant Wer Orientierung und Anregun- bewusste Hinhören und eine neue ist der amerikanische Beitrag des „Lea- gen in der aktuellen Diskussion für „Selbstverständlichkeit der Musik in dership-Gurus“ James Abruzzo. Er Leadership im Kulturbereich sucht, unserer Gesellschaft“. Auch wenn die zeigt, welchen immensen Bedarf der wird sie in diesem Buch finden. genetische Veranlagung allein noch amerikanische Kultureinrichtungen an Gerald Mertens kein hinreichender Grund dafür ist, gutem Führungspersonal auch im Fähigkeiten zu fördern – denn das mittleren Management haben. Er menschliche Genom enthält auch deckt aber u. a. auch auf, dass die ungeliebte Veranlagungen wie die zur Boards vieler US-Orchester die stra-

 MUSIK ORUM 65 Von Wartezeiten… mit der nicht ganz fachdienlichen Idee, die öffentliche Förderung dann aus Haushalts- Bekanntlich beabsichtigt die Bahn, ihre spargründen komplett zu streichen. MUSIKORUM Lautsprecherdurchsagen in Zügen und auf Bei soviel technokratischer Fantasie DAS MAGAZIN DES DEUTSCHEN MUSIKLEBENS Bahnhöfen zu verkürzen. Was wäre aber, schwillt den Projektleitern verständlicher- würde man künftig auf Zeitansagen ganz weise der Kamm. Allenfalls die engagierten Die Herausgeber verzichten? Viele Beschwerden wären Dirigenten könnten strahlen: Sachzwang- Deutscher Musikrat grundlos! Immerhin fahren in anderen gemäß winkt ihnen die Beförderung zum Gemeinnützige Projektgesellschaft mbH, Weberstr. 59, 53113 Bonn Teilen der Welt – Globetrotter wissen es – Ministerialdirigenten. ([email protected]) Züge erst dann, wenn alle Plätze besetzt in Zusammenarbeit mit sind. Folge: viel Wartezeit für Reisende, …und Wochen-Tipps Schott Music aber auch viel Raum für Straßenmusiker Koordination: Rolf W. Stoll und Künstler, eben diese Wartezeit mit Wandel, sichtbar auch in der unvermeid- Verantwortlich i. S. d. Pressegesetzes: Christian Höppner kulturellen und musikalischen Darbietun- lichen Hauswurfsendung: Das Angebotsblatt gen zu überbrücken – und im besten Fall „Tipp der Woche“ mit Produkten des täg- Die Redaktion gefühlt zu verkürzen. lichen Bedarfs porträtiert doch tatsächlich Chefredakteur: Christian Höppner, Schumannstraße 17, 10117 Berlin Bahnhöfe werden zu Konzertsälen, ja den Jazzmusiker Till Brönner und preist – ([email protected]) Festivalstätten, bieten Entfaltungsmöglich- nach Ausflügen über die Einflüsse eines Fon 030–308810-10, Fax 030–30 8810-11 keiten für die vielen (zu vielen?) Musikstu- Charlie Parker – die neueste CD an. Nach Dr. Alenka Barber-Kersovan ([email protected]) denten und Hochschulabsolventen. 22 Seiten mit verbilligtem gemischten Hack- Prof. Dr. Hans Bäßler ([email protected]) Werner Bohl ([email protected]) Vorschlag: Fällige Honorare werden auf fleisch, Rotkäppchen Camembert, Herren- Susanne Fließ ([email protected]) die Fahrkartenpreise umgelegt (nach dem Frottee-Pyjama und Heimtrainer mit Magnet- Prof. Dr. Birgit Jank ([email protected]) Beispiel der „Kulturprozente“ in Kölner Brems-System auch noch das „Kilo Brönner“ Dr. Ulrike Liedtke ([email protected]) Dr. Peter Ortmann ([email protected]) Hotels). Vielleicht liegen die Gagen der zu 9,29 Euro… Gutes muss nicht teuer sein. Margot Wallscheid ([email protected]) hier besonders gefragten Rock-Pop-Jazz- Nur in dieser Woche, in Ihrer Jazzland-Filiale. Rolf W. Stoll ([email protected]) und Klassik-Absolventen ja dann endlich Garantiert mit dem Bundesjazzsiegel… Berater der Redaktion: Stephan Mayer, Prof. Dieter Gorny in einer Höhe, die die Straßenmusiker zu Herrliche Zeiten! Redaktionsassistenz: Katharina Oberhofer braven Steuerbürgern macht. Peter Ortmann Die Produktion und Schlussredaktion BWM: Bohl e-Publishing ([email protected]) Schnäppchen: Das „Kilo Die Anzeigen Brönner“ zu Leitung: Dieter Schwarz 9,29 Euro Service: Almuth Willing Schott Music, Postfach 3640, 55026 Mainz  Brauchen wir eine Fon 061 31–24 6852, Fax 0 6131 – 2468 44 ([email protected]) Schule des Hörens? Der Vertrieb Als Grundlage menschlicher Kommunika- Leserservice: tion ist die akustische Wahrnehmung gleich- Nicolas Toporski, Susanne Mehnert Schott Music, zeitig die Voraussetzung für musikalische Postfach 3640, 55026 Mainz Interaktion. Das MUSIKFORUM stellt in Fon 061 31–24 6857, Fax 0 6131 – 2464 83 seiner nächsten Ausgabe das Phänomen ([email protected]) „Hören“ in den Fokus. Wie klingt Stille? Die Erscheinungsweise Was müssen unsere Ohren aushalten ange- vierteljährlich: Januar, April, Juli, Oktober © Universal/Eikelpoth sichts der multimedialen Klangüberflutung? Einzelheftpreis: m 8,50 Wie bewusst können wir hören? Da nur Die in den namentlich gezeichneten Beiträgen ver- genaues Hören die Musikerfahrung inten- tretenen Meinungen decken sich nicht notwendiger- weise mit der Auffassung des Herausgebers und der siviert, stellt sich sogar die Frage: Brauchen Redaktion. wir eine Schule des Hörens? Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Unter- …Wandelhallen… Außerdem im Heft: ein Interview mit lagen wird keine Haftung übernommen. dem Pianisten und Gewinner der Kesten- Nachdruck oder fotomechanische Wiedergabe, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Indes, kultureller Wandel zeichnet sich berg-Medaille, Lars Vogt. Herausgebers. nicht nur in den Wandelhallen der Bahn- An der Finanzierung des Unternehmens wirtschaftlich höfe ab. Auch die von der Bundesregie- beteiligt ist der Deutsche Musikrat, gemeinnützige rung eingesetzte Monopolkommission tut Projektgesellschaft mbH. ihr Bestes. Deren Überlegungen griff jetzt Das nächste MUSIKFORUM Gefördert vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien aufgrund eines Beschlusses des das „Handelsblatt“ auf, indem es per jour- erscheint am 10. Mai 2011 Deutschen Bundestages. nalistischem Ritterschlag die Bundesprojekte des Deutschen Musikrats – allen voran das ISSN 0935–2562 © 2011 Schott Music GmbH & Co. KG, Mainz Bundesjazzorchester – in den Rang von Printed in Germany Bundesbehörden erhob. Freilich verbunden

 66 MUSIK ORUM mds_01_2011_mds_04_2008_® 20.12.10 09:56 Seite 23 Die Society of Music Merchants (kurz SOMM) e.V. ist ein Verband von führen- den Firmen aus der Musikinstrumentenbranche in Europa. Laut Präambel der Satzung ist es Zweck des Verbandes, das aktive Musizieren auf europäischer Ebene zu fördern. Getragen wird dieses Ziel von der Überzeugung, dass akti- ves Musizieren viele positive Wirkungen auf Menschen und Gemeinschaften hat. Dabei ist es besonders wichtig, mit der Heranführung und Ausbildung möglichst frühzeitig zu beginnen. Deshalb wollen wir gute Beispiele von Musik- unterricht an den Schulen fördern und mit dem ESP (Europäischer Schulmusik Preis) auszeichnen.

Europäischer Schulmusik Preis

Das aktive Musizieren im Unterricht und in Arbeitsgemein- Veröffentlichung auf der Wettbewerbsseite zur Verfügung ge- schaften stellt einen Schwerpunkt des Musikunterrichts dar. stellt, so dass im Laufe der Jahre ein anregender Ideenpool Dabei kommt es entscheidend darauf an, wie es dem Lehrer entsteht. Das Komitee lädt Sie ein, Ihre guten Beispiele aus gelingt, seine Schüler zu motivieren und zu guten künstleri- dem Bereich der Musikpraxis bei diesem Wettbewerb einzurei- schen Ergebnissen zu führen. Das große didaktische Geschick chen. Ihr Wettbewerbsbeitrag muss aus einem Unterrichtsbei- eines Lehrers zeigt sich darin, Gruppen mit heterogenen Lern- spiel bestehen, das dem Bereich Musikpraxis entstammt. Dabei voraussetzungen zum gelungenen Musizieren zu bringen. sollte differenziertes methodisches Arbeiten im Unterricht sicht- bar sein. Bei dem Beitrag kann es sich um eine Probenpassage Ziel des Wettbewerbs ist es, gute Beispiele für kreatives me- handeln, die besonders effektiv war, ebenso denkbar sind thodisches Arbeiten im Klassenunterricht und in der Arbeit mit Unterrichtsmethoden, die sich bewährt haben, oder auch eine verschiedenen Arbeitsgemeinschaften zu dokumentieren. besonders kreative Unterrichtsidee. Diese Unterrichtsideen werden dann Interessierten durch ihre

Teilnahmebedingungen Preise Einzureichen sind eine maximal fünfminütige Video-Dokumenta- Beim Wettbewerb existieren zwei Sparten: tion und eine kurze erläuternde schriftliche Darstellung. In Ihrer • Musikalische Arbeit im Klassenunterricht (Preis € 12.000,-) und Video-Darstellung sollten auch Passagen enthalten sein, in der die • Musikalische Arbeit in Arbeitsgemeinschaften (Preis € 9.000,-). Arbeitsergebnisse sichtbar werden. Darüber hinaus sind auch Aussa- In beiden Sparten findet ferner eine Unterteilung in den Kategorien gen der beteiligten Schülerinnen und Schüler erwünscht. Der schriftli- Förderschule, Klasse 1-4 und Klasse 5-12 statt. chen Dokumentation sollen ferner folgende Informationen vorangestellt Die Preisgelder in der Sparte „Klassenunterricht“ betragen je € 4.000.- sein: Klassen-/Lerngruppensituation, Anzahl der Schüler, Übersicht der und in der Sparte „Arbeitsgemeinschaften“ je € 3.000.-. Unterrichtseinheit (bitte in Stichpunkten). Zudem wird in jeder Sparte ein Sonderpreis in Form einer zehnminü- Die Bewertung der Beiträge erfolgt nach folgenden Kriterien: tigen professionellen Filmdokumentation der musikalischen Arbeit der Schule vergeben. Alle teilnehmenden Schulen erhalten eine Urkunde. Durch das Musikmachen sollen die Motivation, Eigentätigkeit, 1. Unter den beteiligten Schulen, die nicht mit einem Preis bedacht wer- Eigenverantwortung und Teamfähigkeit gestärkt werden. den können, werden zudem Musikinstrumente der SOMM-Mitglieder Alle Schülerinnen und Schüler sollen in den 2. verlost. Arbeitsprozess einbezogen werden. Die Lernprozesse der Schüler sollen in der Jury 3. Dokumentation ersichtlich sein. Die eingereichten Beiträge werden von einer Fachjury bewertet, Es sollen Ideen oder Methoden gezeigt werden, 4. die aus Vertretern unterschiedlicher Institutionen und Schularten die auf andere Klassen oder Kurse übertragbar sind. zusammengesetzt ist. Die Jury ist berechtigt, die Preise zu teilen oder gegebenenfalls keine Prämierung vorzunehmen.Die Entscheidungen Teilnehmer der Jury sind unanfechtbar, der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Teilnehmen können alle Musiklehrkräfte mit Beispielen aus dem Musikunterricht mit Klassen oder dem AG-Bereich, in denen das Preisverleihung aktive Musikmachen im Mittelpunkt steht. Die Beiträge sind als Text- Die Preisverleihung findet im Rahmen eines Festakts auf der dokumentation (max. 3 Seiten) und DVD (5 Minuten) in einfacher Aus- Musikmesse in Frankfurt statt. Vertreter der Hauptpreisträger wer- fertigung einzureichen (eine Einwilligung zur Veröffentlichung der den eingeladen, die Reisekosten werden übernommen. Dokumentation auf der Homepage muss vorliegen). Bitte senden Sie diese an folgende Adresse: SOMM – Europäischer Schulmusik Preis Kurfürstendamm 150 10709 Berlin Einsendeschluss: 28. Februar 2011

SOMM - Organisation der Musikinstrumenten und Musikequipment- Branche e.V. • www.somm.eu