Messe in H-Moll Christina Landshamer · Anke Vondung Kenneth Tarver · Andreas Wolf
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BACH Messe in h-Moll Christina Landshamer · Anke Vondung Kenneth Tarver · Andreas Wolf Chor des Bayerischen Rundfunks Concerto Köln Peter Dijkstra JOHANN SEBASTIAN BACH 1685-1750 Messe in h-Moll / Mass in B-Minor für Soli, Chor, Orchester und Basso continuo, BWV 232 CD 1 Total time 49:34 I. Missa Kyrie 01 Kyrie eleison (Chor) 9:02 02 Christe eleison (Sopran I/II) 4:34 03 Kyrie eleison (Chor) 3:19 Gloria 04 Gloria in excelsis Deo (Chor) 1:37 05 Et in terra pax (Chor) 4:15 06 Laudamus te (Sopran II) 3:55 07 Gratias agimus tibi (Chor) 2:31 08 Domine Deus (Sopran I, Tenor) 5:03 09 Qui tollis peccata mundi (Chor) 2:39 10 Qui sedes ad dextram Patris (Alt) 4:14 11 Quoniam tu solus Sanctus (Bass) 4:26 12 Cum Sancto Spiritu (Chor) 3:59 CD 2 Total time 51:37 II. Symbolum Nicenum (Credo) 01 Credo in unum Deum (Chor) 2:02 02 Credo in unum Deum, Patrem omnipotentem (Chor) 1:55 03 Et in unum Dominum (Sopran I, Alt) 4:13 04 Et incarnatus est (Chor) 2:55 05 Crucifixus (Chor) 2:43 06 Et resurrexit (Chor) 4:11 07 Et in Spiritum Sanctum, Dominum (Bass) 4:54 08 Confiteor (Chor) 2:46 09 Et expecto (Chor) 1:40 JOHANN SEBASTIAN BACH (vermutl.) 10 Vivace e Allegro 2:10 Pastellgemälde aus der Sammlung Manfred Gorke, 18. Jh. III. Sanctus GRÖSSTES MUSIKALISCHES KUNSTWERK 11 Sanctus Dominus Deus Sabaoth (Chor) 2:50 ALLER ZEITEN UND VÖLKER 12 Pleni sunt coeli (Chor) 2:07 Zu Bachs h-Moll-Messe IV. Osanna, Benedictus, Agnus dei et Dona nobis pacem Knapp 70 Jahre nach dem Tod Johann Sebastian Bachs wagte Hans Georg 13 Osanna in excelsis (Chor) 2:40 Nägeli das Unternehmen, die handschriftliche Partitur der h-Moll-Messe für 14 Benedictus (Tenor) 3:26 den Druck vorzubereiten. Aus diesem Anlass vermeldete die Leipziger Allge- 15 Osanna in excelsis (Chor) 2:41 meine Musikalische Zeitung 1818 die „Ankündigung des größten musikalischen 16 Agnus Dei (Alt) 5:20 Kunstwerks aller Zeiten und Völker“. Die vollmundige Formulierung war in 17 Dona nobis pacem (Chor) 3:04 erster Linie Verkaufsstrategie: Nägeli warb um Subskribenten für eine Kom- position, die bis zu diesem Zeitpunkt nur eine kleine Zahl von Insidern zur Christina Landshamer (Sopran) Kenntnis genommen hatte. Auch wenn die Anzeige für unsere Ohren etwas Anke Vondung (Mezzosopran) hochtrabend klingt, hat der Schweizer Verleger doch ein gutes Urteilsvermö- Kenneth Tarver (Tenor) gen bewiesen: Nachdem die h-Moll-Messe ab der Mitte des 19. Jahrhunderts Andreas Wolf (Bassbariton) nach und nach zum Repertoirestück aller großen Chöre wurde, ist sie mitt- Chor des Bayerischen Rundfunks lerweile ein selbstverständlicher Bestandteil des weltweiten Konzertbetriebs. Concerto Köln Am Rande dieser Erfolgsgeschichte beschäftigt sich die Musikwissenschaft bis heute mit offenen Fragen zu dem ungewöhnlichen Werk: Warum fehlt dem Peter Dijkstra Leitung / Conductor originalen Manuskript mit seinen vier Einzelheften ein übergeordnetes Titelb- latt? Sind die vier unterschiedlich besetzten Teile überhaupt als zusammen- hängender Mess-Zyklus gedacht? Gab es einen Anlass für die Komposition? War um 1750 an eine Aufführung der monumentalen Messe zu denken? Ein Blick auf die Entstehungsgeschichte und die Gestalt der Musik kann uns mög- lichen Antworten ein Stück näher bringen. 1733 überreichte Johann Sebastian Bach Friedrich August II. von Sachsen, zugleich König von Polen, eine Missa und empfahl sich im Begleitschreiben für einen Titel bei der Dresdner Hofkapelle. Obwohl sich die Gabe an den Kurfürs- ten auf Kyrie und Gloria beschränkte, nutzte der Leipziger Thomaskantor eine Anlage in zwölf Einzelsätzen, um seine „Wißenschafft […] in der Musique“ in all ihren Facetten unter Beweis zu stellen: Mächtige Chöre stehen neben zarter Kammermusik, komplexe Fugen neben lyrischen Arien, expressive Chromatik neben sprudelnder Barockmotorik. Die Wahl der Tonarten verstärkt die Kon- trastwirkung. Im Kyrie eröffnet das h-Moll Räume starker innerer Spannung und bitterer Trauer über die Sünden der Menschen. Demgegenüber bricht das D-Dur des Gloria in excelsis Deo (Nr. 4) mit seinen Pauken und Trompeten in strahlenden Jubel aus. Bachs Originalität hinsichtlich der Besetzung zeigt sich vor allem im Duett und den drei Arien des Gloria, in denen nicht nur alle Solisten, sondern auch die verschiedenen Instrumentenfamilien zum Zug kommen: im Laudamus te die Violine, im Domine Deus die Flöte, im Qui sedes die Oboe d’amore. Geradezu kurios ist die Kombination der Instrumente im stimmen und komponierte am Ende vier Takte hinzu. Der neue Schluss lenkt Quoniam, wo der Vokalbass von zwei Fagotten, dem Basso continuo und einem den Chorsatz zu den Worten „et sepultus est“ („und ist begraben worden“) Corno da caccia – also von weiteren drei (!) Bassstimmen und einer Tenor- nach unten und zeichnet die Tiefe und Ruhe des Grabes klanglich nach. stimme – begleitet wird. Nachdem die Partitur bereits fertig gestellt war, fügte Bach auf einem In seinen letzten Lebensjahren beschäftigte sich Bach intensiv mit Werken Einzelblatt den Chor Et incarnatus est ein und modifizierte das davor stehende der Klassischen Vokalpolyphonie. Unter dem Eindruck der Kirchenmusik des Duett so, dass der Anschluss passte. Mit dieser Umgestaltung rückte er das 16. Jahrhunderts scheint er die Arbeit an einem breit angelegten Symbolum Crucifixus exakt ins Zentrum des Symbolum; die Kernaussagen christlichen Nicenum, einem lateinischen Glaubensbekenntnis, in Angriff genommen zu ha- Glaubens – das Bekenntnis zu Menschwerdung (Nr. 16), Kreuzigung (Nr. 17) ben. Gleich das einleitende „Credo“ (Nr. 13) ist ein Musterfall des so genannten und Auferstehung Christi (Nr. 18) – werden von den symmetrisch angeordne- Stile antico. Weil Bach die liturgische Credo-Intonation zum Thema der Chor- ten vier Chören und zwei Solosätzen perfekt umrahmt. Untersuchungen zu fuge macht, bestimmen die lineare Melodik und das rhythmische Gleichmaß Papier und Schrift deuten darauf hin, dass das Symbolum 1748/49 nieder- der uralten Weise den Charakter des Satzes. Nach dem sukzessiven Auftritt geschrieben wurde. In diese Zeit fällt auch die Zusammenführung der 1733 der fünf Chorstimmen schließen sich zwei Violinen an, die in hoher Lage eben- entstandenen Missa mit dem Symbolum sowie zwei weiteren Heften in einem falls in vokaler Manier den gregorianischen Choral „singen“. Als achte Stimme Sammelband. unterlegt Bach jedoch einen ganz und gar instrumental gestalteten Basso con- Ein Sanctus, das für das Weihnachtsfest 1724 komponiert und in der Folge- tinuo, der die Musik in flotten Viertelnoten vorantreibt. Die eigenwillige Verbin- zeit wiederholt aufgeführt worden war, bildet den dritten Abschnitt des Manu- dung historischer Vorbilder mit seinem Personalstil führt Bach noch einmal im skripts. Der vierte und letzte Faszikel ist mit Osanna, Benedictus, Agnus Dei et Confiteor (Nr. 20) vor. Im Gegensatz zur quasi objektiven, affektfreien Musik Dona nobis pacem überschrieben. Die zuletzt genannten Titel sind ausnahms- zu den abstrakten Glaubenssätzen dieser Nummern („Ich glaube an den einen los auf dem Weg des „Parodieverfahrens“ gewonnen, das die Wiederverwen- Gott / Ich bekenne die eine Taufe“) ist die Szene der Kreuzigung (Crucifixus) dung bestehender Kompositionen in einem neuen Zusammenhang bezeich- reich an expressiver Tonsymbolik. Spannungsgeladene Chromatik, beharrliche net. Wie im Falle des Crucifixus handelt es sich aber keinesfalls um schlichtes Tonrepetitionen und scharfe Dissonanzen illustrieren die Marter Christi. Als Recycling – auch hier gehen die „Parodien“ mit einer erneuten schöpferischen Musik für diesen Abschnitt wählte Bach ein Stück aus jungen Jahren, den 1714 Leistung einher und überflügeln ihre Vorlagen. In der vorletzten Nummer, dem geschriebenen Eingangschor der Kantate Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen (BWV Agnus Dei, verwandelt Bach abermals den Schluss: In der neuen Fassung füh- 12). Außer dem Text änderte er die rhythmische Gestaltung der Instrumental- ren beide Stimmen zu einem einzelnen tiefen Ton, der eine ideale Nahtstelle zum folgenden, sich einstimmig aus der Tiefe entfaltenden Dona nobis pacem („Gib uns deinen Frieden“) bildet. Das „Dona“ selbst ist eine Parodie zweiten Grades: Die erste Version aus der Ratswahlkantate Wir danken dir, Gott, wir SYMMETRISCHER AUFBAU DES „SYMBOLUM NICENUM“ danken dir (BWV 29) von 1731 wurde zwei Jahre später für das Gratias agimus tibi („Wir danken dir“) der Missa übernommen. Indem Bach diesen Satz wieder aufgreift, verbindet sich die Bitte um Frieden mit dem Aspekt des Dankes, den die Musik in Kantate und Missa repräsentiert. In großer Ruhe und Konzentra- tion weitet sich die Textur aus dem einstimmigen Beginn zu einem prächti- gen Schluss von bezwingender Kraft. Aus der Agnus-Sphäre von Opfer und Sünde kommend, mündet die Musik in die Erhabenheit eines vollstimmigen D-Dur-Satzes, der durch den Einsatz der Trompeten gekrönt wird. Erst hier, in der subtilen Verbindung mit dem davorstehenden Agnus, hat die Komposition ihren zwingend richtigen, ihren endgültigen Platz gefunden. THE GREATEST MUSICAL WORK OF ALL TIMES Stilistische Homogenität, Kontinuität der Besetzung und zyklische Ge- AND ALL PEOPLE schlossenheit sind gewiss nicht die hervorstechenden Merkmale von Bachs Bach’s Mass in B minor gewichtiger Messe. Ganz offensichtlich sind Elemente aus verschiede- nen Schaffensphasen und voneinander weitgehend unabhängige Manu- skript-Schichten für das späte Werk zusammengestellt worden. Dennoch zei- Nearly 70 years after the death of Johann Sebastian Bach, the Swiss publis- gen die nachträgliche Korrektur im Symbolum und die Wiederaufnahme der her Hans Georg Nägeli