Missa Solemnis Ludwig V

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Missa Solemnis Ludwig V Missa Solemnis Ludwig v. Beethoven Orchester und Kammerchor der KlangVerwaltung Susanne Bernhard Anke Vondung Pavol Breslik Yorck Felix Speer Enoch zu Guttenberg Ludwig van Beethoven Missa solemnis Susanne Bernhard, Sopran Anke Vondung, Alt Pavol Breslik, Tenor Yorck Felix Speer, Bass Andreas Reiner, Solo-Violine Orchester und Kammerchor der KlangVerwaltung Enoch zu Guttenberg Liveaufnahme aus dem Herkulessaal der Münchner Residenz, 07. März 2009 Live recording from the Hercules Concert Hall of the Munich Residence, March 7th, 2009 Ludwig van Beethoven Missa solemnis D-Dur, op. 123 für vier Solostimmen, Chor und Orchester [1] Kyrie 07:59 [2] Gloria 17:12 [3] Credo 18:20 [4] Sanctus 05:19 [5] Benedictus 09:48 [6] Agnus Dei 06:51 [7] Dona nobis pacem 09:22 Die hohe Messe des Zweifels Im Herbst 1818 galt es in Wien als offenes stand aber ließ ein kontinuierliches Arbei- Geheimnis, dass Erzherzog Rudolf ten kaum zu. Außerdem umschloss die von Habsburg Erzbischof zu Olmütz Komposition eine Reihe grundsätzlicher werden sollte; und obwohl die offizielle Fragestellungen: Welche künstlerische Ge- Ernennung noch ausstand, erwog Ludwig stalt konnte eine katholische Messe in der van Beethoven, seinem bewährten Freund aufgeklärten Epoche nach dem Wiener und Schüler für diesen Anlass eine Messe Kongress noch annehmen? Wie weit wa- zu komponieren. Das sogenannte „Witt- ren die tradierten Formen überhaupt noch genstein-Skizzenbuch“ legt den Schluss legitim – und wie weit waren sie unum- nahe, dass die ersten Entwürfe zeitgleich gänglich? Diese Abwägung stellte sich als mit den Diabelli-Variationen im Frühjahr kaum bezwingbares Hemmnis in den Weg. 1819 entstanden; also unmittelbar nach Beethoven stürzte sich deshalb zunächst in der formellen Wahl Rudolfs am 24. April. eine intensive Lektüre von Sakralmusiken Seinen Gratulationsbrief verband Beetho- zwischen Renaissance und Gegenwart. ven denn auch mit einer hochgemuten Ankündigung: „Der Tag, wo ein Hochamt So währte es bis in den Sommer 1823, von mir zu den Feierlichkeiten für Ihre ehe er die gewaltige Komposition tatsäch- Kaiserliche Hoheit soll aufgeführt werden, lich abschließen konnte. Der ursprüngliche wird für mich der schönste meines Lebens Anlass war damit längst verstrichen. Für sein.“ die Uraufführung am 18. April 1824 in St. Petersburg sorgte denn auch ein anderer Aber bald wurde deutlich, dass die selbst- Gönner, Fürst Galitzin. Die Wiener Teilpre- gestellte Aufgabe in der gegebenen Frist miere folgte am 7. Mai – gemeinsam mit nicht zu bewältigen war. Die Einsetzungs- der 9. Symphonie. zeremonie war für März 1820 vorgesehen. Beethovens angegriffener Gesundheitszu- Zugleich wurde ein spezifisches Problem geistlichen „Arie“. Sie sind streng einge- der Messe deutlich: Sie erschien – nicht zu- bunden in die chorisch-orchestrale Ge- letzt wegen ihres enormen Umfangs – von samtstruktur (während sich umgekehrt das Anfang an als ein Werk für den Konzert- Orchester im „Benedictus“ mit einem rein saal. Beethoven leistete dieser Einschät- instrumentalen Präludium emanzipiert – zung sogar bewussten Vorschub, indem er gleichsam als einem Synonym der Orgelme- versicherte, die Messe könne „als großes ditation während der Wandlung). Zugleich Oratorium“ aufgeführt werden. Zugleich eignet den Sätzen eine spezifisch blockhaf- beteuerte er: „So schwer es mir wird, über te Dimension. Die Themen erscheinen nicht mich selbst zu reden, so halte ich sie doch im sinfonischen Sinne durchgeführt, son- für mein größtes Werk.“ dern emblematisch und konstant. Gewiss entsprach diese Formulierung Dafür ist die Missa innig durchdrungen auch materiellem Kalkül. Dennoch zeugt von alten Formen und Formeln: eine sie von einem unmittelbaren Ergriffensein bewusste Archaik, die sich nicht nur im Pa- vor der eigenen Schöpfung. So ist die lestrina-Satz des „Kyrie“ oder in den Widmung „Von Herzen – Möge es zu machtvoll barocken Fugen-Architekturen Herzen gehen“ durchaus als Bekenntnis des „Gloria“ und „Credo“ äußert, sondern anzusehen. Und in der Tat ist dem „sum- die gesamte Faktur des Werkes prägt. mum opus“ mit den Kriterien einer her- kömmlichen Sakralkomposition kaum bei- So nutzte Beethoven den Zeichenvorrat zukommen. Beethoven verzichtete z. B. auf musikalischer Symbole intensiver als die übliche Nummern-Einteilung einer Kan- mancher Komponist der Bach-Zeit. Das tatenmesse: die Sätze sind konsequent Kyrie etwa setzt all seine Einsätze – streng durchkomponiert. Auch die solistischen musikalisch sinnlos – auf den dritten statt Passagen verselbständigen sich kaum je zur den ersten Taktteil: eine Verrückung des Metrums, die sich einzig aus der vierzigmal hintereinander aus – als müsse Zahlensymbolik eines dreieinigen Gottes er durch unablässige Repetition des Wort- erklärt, bei dem die Drei die Eins bedeutet. klangs des brüchig gewordenen Inhalts Die musikalische Bildkraft deckt dabei alle erst wieder habhaft werden. Ebenen theologischen Denkens ab: So, wenn im Gloria bei „adoramus te“ die Solchen Momenten stehen allerdings Führungsstimme eine Oktave abwärts Passagen gegenüber, deren radikale Sub- stürzt und dort verharrt - die Musik also jektivität kein anderer gewagt hätte. So gleichsam anbetend zu Boden sinkt. Oder wird im Agnus Dei das vorgegebene Ada- wenn umgekehrt bei „tu solus altissimus“ gio-Tempo in der „Bitte um innern und („Du bist der Höchste“) die Soprane über äußern Frieden“ abrupt abgelöst durch sechs Takte das hohe a intonieren. Eine Kriegspauken und Trompeten. Gewiss anrührende Dimension nimmt diese Bilder- hatte schon Joseph Haydn diese Mittel sprache im „Et incarnatus“ an, wo bei eingesetzt, um die Schrecken des Krieges Erwähnung des Heiligen Geistes (nach hörbar zu machen. Bei Beethoven aber sind christlicher Ikonographie in Gestalt einer sie ein Indiz, dass der sakrale Raum der Taube) die Flöte ein nachgeahmtes Tauben- Messkomposition für ihn nicht länger gurren anstimmt. existiert; dass die gottlose Außenwelt unmittelbar in ihn hineinragt. Die Militär- Allerdings entspricht die exzessive Ver- musik signalisiert in der Missa eine Katastro- wendung solcher Zeichen und Embleme phe, gegen deren Wüten kein theologisches zugleich einem tiefen Bedürfnis nach Heil zu finden ist. Und gegen diese Dekon- theologischer Rückversicherung. Im Credo struktion kommt auch das „Benedictus“ zum Beispiel spricht Beethoven das mit seinen wie vom Himmel niedersteigen- Schlüsselwort „Credo“ („Ich glaube“) den Violinsoli letztlich nicht auf. durch kontrapunktische Verzahnung fast Klaus J. Schönmetzler The High Mass of Doubt In the fall of 1818, it was an open secret artistic shape could a catholic mass still take that Archduke Rudolph of Habsburg was in the enlightened époque after the Con- going to be Archbishop of Olmütz; and gress of Vienna? To what extent were the even though the official appointment had venerable ways still legitimate at all – and not yet taken place, Ludwig van Beethoven to what extent were they necessary? This felt prompted by the occasion to compose consideration posed an almost unconquer- a mass for his old friend and student. The able obstacle. Therefore, Beethoven initially so-called “Wittgenstein Sketchbook” devoted himself to reading sacral music suggests that the first drafts were created from the Renaissance to the present. at the same time as the Diabelli Variations, in the spring of 1819, i.e. immediately Thus, it wasn’t until the summer of 1823, after Rudolph’s formal election on April that he was finally able to finish the monu- 24th. In his congratulatory letter, Beethoven mental composition. The original occasion haughtily announces: “The day on which a had long since passed. Hence, another High Mass composed by myself shall be patron was responsible for the premiere on performed for His Imperial Highness shall April 18th, 1824 in St. Petersburg – Prince be the most wonderful day of my life.” Galitzine. The part premiere in Vienna followed on May 7th, together with the But soon he realized that this self-im- Symphony No. 9. posed task could not be mastered within the time limit. The investiture ceremony At the same time, a specific problem of was scheduled for March 1820. However, the mass surfaced: from the very begin- due to Beethoven’s poor health he was ning, it seemed to be a work for concert hardly able to work continuously. In addi- halls – not least due to its enormous ex- tion to that, the composition was encom- tent. Beethoven consciously abetted this passed by several basic questions: What idea by reassuring that the mass could be performed “as great oratorio”. At the seem to be arranged in a symphonic sense, same time, he affirmed “As hard as it is for but emblematic and constant. me to talk about myself, I still consider it my greatest work”. On the other hand, the Missa is entirely steeped in old forms and formulas: a deli- Of course, this choice of words was based berate archaism, which not only manifests on materialistic calculation. Still, it shows itself in the Palestrina movement of the how deeply touched he was by his own “Kyrie” or the powerful baroque fugue creation. Thus, the dedication “From the architecture of “Gloria” and “Credo”, but heart – to the heart” can actually be seen influences the entire make of the work. as a confession. And indeed – the criteria of a conventional sacral composition Thus, Beethoven used the sign supply of hardly apply to this “summum opus”. musical symbols more intensively than For example, Beethoven went without many a composer of Bach’s time. The the usual numeral arrangement of a Kyrie, for example, focuses all its entries
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