Und Da Gab's Noch Ein Tor, Das Geschlossen War«
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Die Berichterstattung über Gewalt und Missbrauch in Heimen der Behindertenhilfe zwischen den Jahren 1945 bis 1975 reißt nicht ab. Menschen, die in dieser Zeit Leid und Unrecht erfahren haben, wird endlich ein Gesicht gegeben, und mit ihren Schilderungen über belastende Erlebnisse verschaffen sie sich Gehör. Auch für die Diakonie Stetten war es an der Zeit, den bislang unerforschten Zeitraum zwischen den Jahren 1945 und 1975 aufzuarbeiten. Innerhalb eines dreijährigen Forschungsprojekts hat sich die Esslinger Kulturwissenschaftlerin Dr. Gudrun Silberzahn-Jandt mit Unterstützung eines multidisziplinären Beirats der Diakonie Stetten mit dem Alltag, der Betreuung und Pädagogik in der damaligen »Anstalt Stetten« befasst. Anhand zahlreicher Inter- Alltagder in Entwicklung und 1975 bis 1945 AnstaltStetten views mit Bewohnerinnen und Bewohnern sowie ehemaligen Mit- arbeitenden, vorhandener Akten, Briefwechsel und Fotos vorwie- gend aus dem eigenen historischen Archiv der Diakonie Stetten « gibt sie einen spannenden Einblick in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die Mitte der 1970er-Jahre. Ein breites Spektrum positiver wie negativer Erfahrungen zeichnet ein authentisches Bild. Dabei beschreibt sie, wie sich die Einrichtung im Laufe der Jahre weiterentwickelte und wie strikte Regeln und Konformen in den Hintergrund rückten, während individuelle Förderung und der Mensch mit seinen Fähigkeiten an Bedeutung gewannen. das geschlossen war geschlossen das Gudrun Silberzahn-Jandt »Ja, Kinder schlug man damals, damit sie gehorchten. Es gab keine Prügel, aber strenge Regeln«, erinnert sich Ingolf Zoller, Bewohner der Diakonie Stetten. »... und da gab’s noch ein Tor, Bewohnerin Hannelore Poré erzählt: »Und wenn ich ins Schwimm- Tor, ein noch bad gehen wollte, da hast du erst mal zählen müssen. Vor drei Uhr haben wir rein dürfen und um drei mussten wir raus, dann durften das geschlossen war« die Männer rein. Das war früher so. Männer und Frauen haben sie nie zusammengebracht.« Alltag und Entwicklung in der » ... und da gab’s gab’s da und ... Gudrun Silberzahn-Jandt Gudrun Anstalt Stetten 1945 bis 1975 THB_2018_Cover_DiakonieStetten_Favoriten_17x24.indd 1,3 15.05.18 15:25 »… und da gab’s noch ein Tor, das geschlossen war« Gudrun Silberzahn-Jandt »… und da gab’s noch ein Tor, das geschlossen war« Alltag und Entwicklung in der Anstalt Stetten 1945 bis 1975 Alle Rechte vorbehalten © 2018 Diakonie Stetten e. V. Herausgeber: Vorstand Diakonie Stetten e. V. Schlossberg 2, 71394 Kernen-Stetten Autorinnen: Dr. Gudrun Silberzahn-Jandt und Monika Bönisch Projektleitung: Hannah Kaltarar Beirat: Michael Bay, Matthias Binder (bis 2016), Andreas Stiene, Udo Trichtinger, Steffen Wilhelm Lektorat: Dr. Gisela Hack-Molitor, litbuero.de Gestaltung, Satz und Repro: Schwabenverlag AG, Ostfildern Druck: Beltz Bad Langensalza GmbH, Bad Langensalza Hergestellt in Deutschland Inhalt Vorwort des Vorstands . 7 Vorwort des Beirats............................... 11 Wiederaufbau nach 1945 Welt hinter Mauern .............................. 15 Ortsfrage ...................................... 19 Fremdenverkehr statt Behindertenfürsorge ............. 20 Rückerstattungsversuche........................... 26 Umgang mit Zwangssterilisation und »Euthanasie« nach 1945 31 Auf der Hangweide............................... 40 Totschlag Friedrich Lutz ........................... 48 Kinderheim Hebsack ............................. 54 Alltag in der Anstalt Stetten ........................ 59 Feste und Feiern ................................. 90 Ärztliche Versorgung ............................. 93 Strafen als Erziehungsmittel und Therapie.............. 97 Der Fall Kühnle ................................. 110 Veränderung rechtlicher und gesellschaftlicher Bedingungen 115 Entwicklung der Ausbildung in der Heilerziehungs pflege ... 128 Kontinuität und Wandel: Anstalt 1955–1967 Die Ära Ludwig Schlaich ........................... 145 Neubau auf der Hangweide......................... 157 Offen und geschlossen ............................ 179 Aufbrüche 1968–1975 Vom Bewahren zum Therapieren (Monika Bönisch) ....... 191 Elisabethenberg . 211 Mitarbeiter und die Veränderungen beim Personal ........ 216 Koedukation und Sexualität als Dauerthema (Monika Bönisch) ................................ 239 Konflikt um den Umbau des Kleinkinderheims in Rommelshausen................................. 249 Ausbau der Ausbildungen – Arbeit für Menschen mit Behinderungen.................................. 255 5 Anhang Chronologie der Heimgeschichte – Zeittafel ............. 281 Die Gebäude der Anstalt Stetten ..................... 283 Stetten, Kernbereich der Schlossanlage mit Nebengebäuden 283 Stetten, Im Großen Garten........................ 289 Stetten, Schlossberg westlich der Schlossstraße ........ 291 Rommelshausen, Hangweide...................... 293 Rommelshausen, Schafstraße ..................... 295 Remshalden-Hebsack ........................... 295 Lorch-Waldhausen, Elisabethenberg................. 296 Göppingen-Hohenstaufen . 296 Waiblingen................................... 296 Das Personal und die interviewten Bewohnerinnen und Bewohner...................................... 297 Archive ....................................... 300 Literatur....................................... 300 Die Autorinnen.................................. 304 Bildnachweis ................................... 304 6 Inhalt Vorwort des Vorstands Nach über dreijähriger Projektlaufzeit liegt sie nun vor: unsere Publi- kation zu »Alltag und Entwicklung in der Anstalt Stetten zwischen den Jahren 1945 bis 1975« mit dem Titel »… und da gab’s noch ein Tor, das geschlossen war«. Mitte 2014 hat der Vorstand die Forschung in Auftrag gegeben. Vor dem Hintergrund der öffentlichen Diskussion um Gewalt in Heimen um die 1950er- und 1960er-Jahre haben sich immer mehr diakonische Träger entschieden, ihre Geschichte aufzu- arbeiten, und auch für die Diakonie Stetten war es an der Zeit, sich damit zu befassen. Martin Kalusche hat sich in seiner Arbeit »Das Schloß an der Grenze« mit dem Nationalsozialismus in der damali- gen »Heil- und Pflegeanstalt für Schwachsinnige und Epileptische Stetten i. R.« beschäftigt und es gibt neben der Broschüre »Bilder, Wege, Spuren« einen Bildband zum 150-jährigen Jubiläum der Diako- nie Stetten. Doch eine ausführliche Beschreibung der Zeit zwischen 1945 und 1975 fehlte bislang. Noch leben Zeitzeugen, die aus ihrer subjektiven Sicht über diesen Zeitraum berichten können, und so schließt sich mit der vorliegenden Publikation eine Lücke. Mit der Forschung will die Diakonie Stetten aktiv die Geschichte der Einrichtung und damit verbunden das Alltagsleben sowie die Be- treuung der Bewohnerinnen und Bewohner beleuchten. Neben der Darstellung der baulichen und räumlichen Entwicklung in der Wie- deraufbauphase der Nachkriegsjahre wurde ein besonderes Augen- merk auf die Betreuungssituation und die Entwicklung der Pädagogik gelegt, verbunden mit der Einordnung in die pädagogischen Leit- linien und politisch-sozialen Rahmenbedingungen dieser Ära in Deutschland. Damit will die Diakonie Stetten ihre Verantwortung wahrnehmen für Umstände, Strukturen und Handlungsweisen in dieser Zeit, die für Betreute und Mitarbeitende zum Teil sehr belas- tend waren. Es ist uns wichtig, unsere Ergebnisse einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Persönliche Alltagserfahrungen und die Lebenswirklichkeit der Bewohnerinnen und Bewohner sind zentral. Ebenso wurden die Erinnerungen der Mitarbeitenden in den Blick genommen. Mit der Esslinger Kulturwissenschaftlerin Dr. Gudrun Silber- zahn-Jandt, die bereits zahlreiche wissenschaftliche Studien publizier- te und zuletzt über die Zwangssterilisation und »Euthanasie« in Esslingen forschte, konnten wir eine erfahrene Wissenschaftlerin ge- 7 Vorwort des Vorstands winnen. Uns war es wichtig, eine ausgewiesene Fachwissenschaftlerin zu beauftragen, die in keinerlei Abhängigkeit zur Diakonie Stetten steht und so unvoreingenommen und unbeeinflusst einen Blick von außen auf die Entwicklungen und den Alltag der damaligen »Anstalt Stetten« wirft. Ein eigens gegründeter multidisziplinärer Beirat be- gleitete die Forschung eng. Die Beirats mitglieder definierten zu Be- ginn des Projekts den Forschungsauftrag und diskutierten im Lauf der drei vergangenen Jahre immer wieder den aktuellen Forschungs- stand. Bestandteile der wissenschaftlichen Arbeit waren neben der For- schung im historischen Archiv der Diakonie Stetten sowie anderen Archiven, wie z. B. dem Landeskirchlichen Archiv in Stuttgart oder dem Staatsarchiv Ludwigsburg, auch zahlreiche Interviews mit Be- wohnerinnen und Bewohnern sowie Mitarbeitenden. Sie spiegeln ein breites Spektrum von teilweise auch bedrückenden Erfahrungen wi- der. Die in den Text integrierten Aussagen lassen die Zeit lebendig werden und entführen gedanklich in eine andere Epoche unserer Ein- richtung. Wir haben uns selbstkritisch und gründlich mit der eigenen Ver- gangenheit auseinandergesetzt. Das Ergebnis ist diese auch gestalte- risch ansprechende Publikation, die ein Bild des Alltags und der Be- treuung in der damaligen »Anstalt Stetten« zeichnet. Das Werk zeigt, wie Menschen mit Behinderungen jeden Alters sowie Mitarbeitende in der damaligen »Anstalt Stetten« wohnten und miteinander lebten, sich versorgten, arbeiteten, später zur Schule gingen, ihre Freizeit ver- brachten, Feste feierten und in den späteren Jahren professionell ge- fördert wurden. Es beschreibt, wie die hier lebenden Menschen stren- gen Regeln und Konformität zu folgen hatten, wie die strikte