Das Potenzial Der Umwelt Nutzen
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2 Brennpunkt Bieler Tagblatt Montag, 02.10.2017 Das Potenzial der Umwelt nutzen Energie Immer mehr Hauseigentümer und Unternehmer setzen bei der Wahl ihres Heizsystems auf Fernwärme. Die bereits über 2000 Jahre alte Sie sehen darin einen Weg in die vom Bund angestrebte 2000-Watt-Gesellschaft. Jana Tálos eingesetzt. Dabei ging es vor allem darum, Fernwärme in Biel die Abwärme von Kraftwerken zu nutzen, 1,27 Millionen Franken will Seedorf im die ansonsten verloren gegangen wäre. kommenden Jahr investieren, um auf sei- Diese Technik wurde in den 60er- und nem Gemeindegebiet ein Fernwärmenetz 70er-Jahren auch in der Schweiz vermehrt zu errichten. Letzten Sonntag hat die angewandt und war sogar Teil von «Ener- Stimmbevölkerung einem entsprechen- gie2000» dem Vorgängerprogramm von den Kreditantrag zugestimmt. Bereits ab «Energie Schweiz», mit dem der Bundes- Herbst 2018 sollen erste Haushalte ans rat die Energieeffizienz sowie erneuer- Netz angeschlossen werden. Die dafür nö- bare Energien fördern will. tige Wärme wird eine Zentrale mit Holz- schnitzelheizung liefern. Grosses Spektrum an Wärmequellen «Mit dem Bau der Wärmezentrale Zu Abwärme aus industriellen Anlagen kann ein wichtiger Schritt in Richtung er- gesellten sich über die Jahre neue, ökolo- neuerbarer und unabhängiger Energie- gischere Methoden, zum Beispiel die Nut- und Wärmeerzeugung erfolgen», schreibt zung von Erdwärme oder Grundwasser, die Gemeinde in ihrer Mitteilung vom beides Wärmequellen, welche die Natur Sonntag. Und sie ist nicht die Erste im zur Verfügung stellt. Wo sie nicht vorhan- Seeland, die das Potenzial von Fernwär- den sind, setzen die Gemeinden auf Holz- menetzen als Träger von erneuerbaren schnitzelheizungen – eine alte, aber eben- Energien erkannt hat. Wärmegewinnung falls erneuerbare Energie, die gerade auf aus Holzschnitzeln, Erdwärme, Grund- dem Land in Massen vorhanden ist. wasser oder Abwärme aus der Industrie Während sich das Spektrum an Wär- boomt. In Büren, Ins, Ligerz, Orpund, mequellen in den letzten Jahrzehnten ver- Pieterlen, Twann-Tüscherz, Schnottwil vielfältigt hat, hat sich die Technik, mit der und Vinelz setzt man schon seit einigen diese innerhalb der Fernwärmenetze ver- Jahren auf die Technik. In Aarberg, Gals, teilt wird, kaum verändert. Mit der ge- Grossaffoltern, Kerzers, Müntschemier wonnenen Wärme, sei diese nun aus der und Schüpfen sind ebenfalls Fernwär- Erde, dem Grundwasser, der Industrie menetze geplant oder zumindest für die oder bei der Verbrennung von Holzschnit- Zukunft angedacht. Betrieben werden zeln gewonnen, wird in einem Kessel in die Anlagen entweder durch die Ge- der Wärmezentrale Wasser erhitzt, wel- meinde selbst oder durch Private, welche ches dann durch die Rohrleitungen in die die gewonnene Energie mittels Wärme- Häuser transportiert wird. «Im Grunde ist verbünde mit den Haushalten in ihrer es dieselbe Technik, die bereits vor hun- Umgebung teilen. dert Jahren eingesetzt wurde», sagt Hans Affolter, Geschäftsleiter der in Schüpfen Mehrere Projekte stehen an stationierten a Energie AG, die einige der Die Idee der Fernwärmetechnik ist simpel: Wärmeverbünde in der Region geplant Anstatt dass jedes Haus seine eigene Hei- und gebaut hat. zung betreibt, schliesst es sich mit anderen Bei Holzschnitzelheizanlagen, wie sie zu einem Wärmeverbund zusammen. Je die a Energie AG vor allem realisiert, wird nach Wärmequelle wird ober- oder unter- zudem versucht, die Wärme, die mit dem irdisch eine Heizzentrale errichtet. Die Rauch aus dem Kamin in die Luft ent- dort erzeugte Wärme wird dann über ein weicht, rückzugewinnen. «Dieser Rauch Rohrnetz zu den einzelnen Häusern ge- ist zwischen 110 und 240 Grad Celsius bracht. Eine ökologischere und meist erst heiss», sagt Affolter. Zu schade, um ihn noch günstigere Variante. einfach entweichen zu lassen. Mit Lei- In grösseren Siedlungsgebieten werden tungswasser wird der Rauch kondensiert, unterdessen ganze Quartiere mittels Fern- und mit der darin enthaltenen Wärme wärme beheizt (siehe Karten). So etwa das das Wasser, das aus dem Wärmenetz in Battenberg-Quartier in Biel (Holzschnit- die Zentrale zurückfliesst, wieder aufge- zel) oder die Gebiete von Brügg, Port und wärmt. «Je nach System und Jahreszeit Biel rund um die Müra (Abwärme). Wei- kann so bis zu 20 Prozent der im Rauch tere Projekte sind in Planung. So will der enthaltenen Hitze rückgewonnen wer- Energie Service Biel (ESB) das thermi- den», sagt Affolter. sche Potenzial des Bielersees nutzen, um das Quartier Bahnhof Süd sowie die Stadt Von Bund und Kantonen gefördert Nidau ab 2019 mit Wärmeenergie zu ver- Egal wie viel Wärme produziert oder zu- sorgen. «Ein Leuchtturmprojekt für die rückgewonnen wird – jeder Wärmever- Region», wie die Bieler Baudirektorin Bar- bund macht nur dann Sinn, wenn die zu bara Schwickert vergangenes Jahr gegen- beliefernden Häuser nicht allzu weit ent- über dem BT sagte. fernt liegen. Über längere Strecken geht Auch im Champagnequartier entsteht zu viel Wärme verloren, als dass ein An- ein Wärmeverbund, der die Wärme aus schluss noch rentabel wäre. Die Anfangs- dem Grundwasser bezieht. In Lyss bauen investition für einen Netzanschluss ist die Energie Seeland AG, die Seelandgas für den Hauseigentümer zudem relativ AG und die GZM Extraktionswerk AG hoch. Damit auf dieser Ebene Hemmun- derzeit das Wärmenetz Lyss Nord, das die gen abgebaut werden, haben Bund, Kan- angeschlossenen Gebäude mit Abwärme tone und Gemeinden mittlerweile bes- aus dem Extraktionswerk beliefert. sere Voraussetzungen für Fernwärme- verbünde geschaffen. Seit Anfang 2017 Technik aus dem römischen Zeitalter gilt ein harmonisiertes Fördermodell der Obwohl Fernwärmenetze in der Schweiz Kantone, in dem auch geregelt ist, dass Grafik: BT/ml/TA Quelle: Überkommunaler Richtplan Energie Agglomeration Biel/Pläne Energie Service Biel (ESB) erst in den letzten paar Jahrzehnten auf- dem Hauseigentümer bei Anschluss an gekommen sind, liegt ihr Ursprung weit einen Wärmeverbund finanzielle Bei- zurück. Laut dem Fernwärme-For- träge zustehen. Mancherorts stehen Wärmegewinnung aus Wasser Nutzung von Abwärme schungsinstitut FFI aus Deutschland ins- Hauseigentümer sogar in der Pflicht, ihr tallierten die Chinesen bereits 300 Jahre Gebäude an ein bestehendes Fernwär- • Um Grund- oder Seewasser als Wär- rale über Rohrleitungen zu den einzelnen • Entsteht bei Arbeitsprozessen eines vor Beginn unserer Zeitrechnung die ers- menetz anzuschliessen, sobald sie ihr mequelle zu nutzen, muss im See oder Haushalten fliesst, wo die Wärme über- Unternehmens Abwärme, kann sie, an- ten Rauchgaskanäle in Fussböden und Heizsystem erneuern, je nachdem, wel- im Grundwasserstrom genügend Wasser geben wird. statt ungenutzt in die Umgebung abge- Wänden als Wärmeleitungen. Und auch che Energiebilanz ihr Haus aufweist. vorhanden sein, sodass die Entnahme • Das erkaltete Wasser wird indes über geben, weitergeleitet werden. die Römer erkannten vor 2000 Jahren, Mit dieser Strategie wollen Bund, Kan- das ökologische Gleichgewicht nicht eine Leitung an eine andere Stelle im See • Um die Abwärme für einen Wärmever- dass das verbrauchte, warme Wasser aus tone und Gemeinden vor allem eins: die durcheinanderbringt. oder im Boden zurückgeleitet. bund zu nutzen, muss diese eine gewisse ihren Thermalbädern abgeleitet und für Nutzung erneuerbarer Energien steigern • Mittels einer Wasserpumpe (Seewasser) • Viele Heizzentralen die Grundwasser Temperatur erreichen. Geeignet sind etwa die Bodenbeheizungen ihrer Häuser wei- und damit einen weiteren Schritt in oder eines Förderbrunnens (Grundwas- oder Seewasser als Wärmequellen nut- Kehrrichtverbrennungsanlagen, Indust- terverwertet werden kann. 1332 soll dann Richtung 2000-Watt-Gesellschaft ma- ser) wird das Wasser zu einer stormbe- zen, beziehen zudem auch Wärme aus riebetriebe oder Atomkraftwerke. in Chaudes-Aigues, einem Dorf im Süden chen. Wird in Zukunft also nur noch mit triebenen Wärmepumpe in einer nahe Sonnenkollektoren. • Das im Arbeitsprozess erhitzte Wasser Frankreichs, mit Thermalwasser das erste Fernwärme geheizt? Wohl eher nicht. gelegenen Zentrale geleitet. Wie beim • Im Wärmeverbund lohnt sich die Nut- sowie auch Restwärme werden via Rohr- städtische Wärmenetz weltweit installiert Denn das Potenzial für Fernwärmever- Kühlschrank entzieht ein Kältemittel zung von Grundwasser oder Seewasser, leitungen zu den Haushalten geführt und worden sein – eine Errungenschaft, und bünde ist nicht überall vorhanden, wie dem Wasser dort die Wärme und hebt sie da nicht für jeden einzelnen eine Boh- mittels Übergabestation in die Heizkör- ein erster Schritt in Richtung Wärmever- auch ESB-Marketingleiter Martin Kam- auf eine nutzbare Temperatur an. rung oder eine Seewasserentnahme be- per weitergeleitet. bünde, wie wir sie heute kennen. ber sagt (siehe Interview ganz rechts). In- • Über einen Wärmetauscher wird die so willigt würde. • Die Weiterverwertung von Abwärme Im 19. Jahrhundert wurde Fernwärme dividuelle Lösungen wird es also auch in gewonnene Wärme dann an das Heiz- • Allerdings müssen die Leitungen regel- bietet den Vorteil, dass Wärme genutzt erstmals auch für kommerzielle Zwecke Zukunft geben. wasser weitergegeben, das aus der Zent- mässig entkalkt werden. jat wird, die bereits vorhanden ist. jat Bieler Tagblatt Montag, 02.10.2017 Brennpunkt 3 «Der See ist prädestiniert als Energiequelle» Technik findet bei Seeländer Gemeinden grossen Anklang. Biel Der Energie Service Biel setzt derzeit vermehrt auf Fernwärmenetze. Auf Agglomerationsgebiet bietet diese aber nicht nur Vorteile, sagt Marketingleiter Markus Kamber. Hier