BEILAGE

Vo n d e r „Orchesterschule “ z u m Ho c h s c h u l - sinfonieorchester Ein Abriss zur Geschichte erst über die Jahre reifen. Die Wur- Walther zeln des Hochschulsinfonieorchesters Davisson mit des HSO gehen bis in die 1880er Jahre zurück. dem Orchester Seit der Gründung des Konservatori- im alten endelssohns Intention bei ums 1843 wurde das Angebot der un- Konzertsaal der Gründung des Co n - terrichteten Instrumente stetig erwei- in der Grassi-

BEILAGE M s e r v a t o r i u m s d e r Mu s i k tert. Und von Anfang an sah man für straße, 1925 war die Ausbildung hervorragender die Schüler Möglichkeiten vor, sich im Orchestermusiker. Naturgemäß sollten Orchesterspiel zu erproben. Zu Mi- die Studierenden während der Ausbil- chaelis 1843 erschien der vom Direk- dung Gelegenheit haben, im Orchester torium des Conservatoriu m s heraus- zu lernen. Da das Konservatorium aber gegebene „Prospekt“, in dessen „Dis- sukzessive aufgebaut wurde, musste ciplinar-Reglement“ zu lesen ist: auch die Möglichkeit, ein Orchester „Der practische Unterricht um- aus den eigenen Reihen zu besetzen, fasst: … c) Unterricht in allen …

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Ahnengalerie Orchesterinstrumenten von Musi- komplettes Orchester gegründet wer- in der Stadt durchaus wahrgenommen des HSO: kern des Gewandhausorchesters den konnte. wurden. 1892 ging er nach New York unter Aufsicht des Direktoriums In der von Wehnert/Forner/Schiller und später nach Manchester, wo er ei- Gründer gegen ein besonderes, billiges Ho- herausgegebenen Festschrift „1843- nige Jahre arbeitete. Sein Nachfolger des Konser- norar erteilt“. 1968. Hochschule für Musik Leipzig, war der Bratschist des Brodsky-Quar- vatoriums gegründet als Conservatorium der tetts, Hans Sitt (1850–1922). Seit 1884 Felix Men- Weiter heißt es: Musik“ findet sich der Begriff „Orche- lehrte er Violine, Orchester- und Parti- delssohn „Um im Orchesterspiele zu üben, sterschule“ für das damalige Orchester. turspiel und war Leiter des Orchesters Bartholdy werden befähigte Schüler zur Teil- Dies ist allerdings die einzige Quelle, sowie der Dirigierübungen. Bereits ein nahme bei Aufführungen der Ge- die diese Bezeichnung aufnimmt, so- Jahr nach der Übernahme des Orche- Adolf wandhauskonzerte und von Kirchen- dass anzunehmen ist, dass es sich um sters feierte er einen großen Erfolg bei Brodsky musiken veranlaßt werden“ (aus: einen nachträglich konstruierten Na- den Feierlichkeiten zum 50-jährigen leitete das Dr. Emil Kneschke, Das Conservato- men handelt. Bestehen des Konservatoriums. Am Orchester rium der Musik in Leipzig. Seine Ge- Der erste Leiter des hochschuleige- 10. März 1893 dirigierte er vor dem bis 1892 schichte, seine Lehrer und Zöglinge. nen Orchesters war der renommierte Sächsischen König Albert und einem Festgabe zum 25jährigen Jubiläum am Geiger Adolf Brodsky (1851–1929), hochrangigen Publikum die 9. Sinfonie Brodskys 2. April 1868. Leipzig 1868, S. 14). der das europaweit bekannte Br o d s - Beethovens mit dem ausschließlich aus Nachfolger k y -Qu a r t e t t gründete. Er lehrte von Schülerinnen und Schülern bestehen- Hans Sitt Daneben entstand bald nach der 1883 bis 1891 am Konservatorium Vio- den Orchester des Konservatoriums. (v.l.n.r.) Gründung ein Streichorchester aus 1. line und Orchesterspiel. Brodsky hat Dazu schreibt der Zeitgenosse Emil und 2. Violinen, Violen und Celli unter „zugleich am Conservatorium ein Kneschke: Zuhilfenahme eines Klaviers. Führte Orchester geschaffen, das unter „Vor nur wenigen Jahren noch gab man zu dieser Zeit ein Stück für seiner Leitung zu einer wahrhaft es kein vollständiges Schüler-Or- „großes Konzert“ auf, wurden Musi- bewundernswerthen Höhe der Lei- chester; zum Mindesten mussten ker außerhalb des Konservatoriums stungsfähigkeit emporgestiegen“ Fachmusiker als Vertreter der Blas- „ausgeliehen“ oder sogar ein ganzes (Kneschke 1893). instrumente mitwirken. Seit diesen Orchester engagiert. Im Jahre 1883 wenigen Jahren hat sich unter der waren dann für nahezu alle Orchester- dolf Brodsky wurde stets für sei- Direction des Dr. Günter Alles ge- instrumente Lehrer angestellt und so- Ane Leistungen als Leiter des Or- ändert. Nicht allein ein stark be- mit die nötigen Instrumentalschüler am chesters gerühmt und verschaffte dem setztes Streichercorps, wie man es Konservatorium vorhanden, sodass ein jungen Klangkörper erste Erfolge, die nur in grossen Städten und hervor-

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ragenden Orchestern hat, sondern ter Komponist, dessen Werke für Vio- gewinnen. Ein Jahr vor seinem Tod Der alte alle Bläser und sonstige Mitwir- line zu Lebzeiten große Anerkennung 1921 schied Hans Sitt aus dem Kon- Konzertsaal kende sind Schüler des Instituts; fanden, später aber in Vergessenheit servatorium aus. Erst 1923 übernahm im HMT- doch wahrlich keine schülerhaften gerieten. Die 37 Jahre seiner Arbeit in sein Amt der Geiger Walther Davisson Gebäude Leistungen werden geboten, es sind Leipzig waren eine erfolgreiche Zeit, (1885–1973). Er war zuvor für den Grassistraße Leistungen, über die man erstau- in der er eine wesentliche Rolle im Violinenunterricht zuständig; in der 8, im Zweiten nen und zugleich hoch erfreut sein Musikleben der Stadt spielte und die Leitung des Orchesters fand er eine Weltkrieg muss.“ (Kneschke 1993, S. 85/86). Geschicke des Konservatoriums zum Aufgabe, die ihn zunehmend einnahm. 1944 zerstört Guten mitbestimmte. Mit großem Erfolg und pädagogischer Hans Sitt führte das Orchester mit Kompetenz hauchte er dem Ensemble großem Engagement und erreichte ährend des Ersten Weltkrieges den musikalischen Glanz ein, der in eine Klangqualität, die über die Stadt- Wkonnte die Orchesterarbeit nur Folge des Krieges verlorengegangen grenzen hinaus bekannt wurde. reduziert fortgesetzt werden: war. Nun konnte das Orchester wieder Die Musiker wurden nach strengen „Zurzeit steht unser gesamtes Schü- mit Ruhm und Reputation musizieren. Gesichtspunkten ausgewählt und spiel- lerorchester im Felde, teils im Os- Die beachtlichen Erfolge der 1920er ten meist bis zum Examen im Ensem- ten, teils im Westen, weshalb wir Jahre unter seiner Leitung wirkten ble. War eine Stelle frei, wurde ein wieder zu dem früheren, jetzt zum noch weit in die 1930er Jahre hinein; Engagement allerdings nicht nur von größten Teile aus Schülerinnen be- selbst nachdem der Zweite Weltkrieg „Würdigkeit“, sondern auch von „Be- stehenden Streichorchester zurück- ausgebrochen war, wurde das hohe dürftigkeit“ und „Verwendbarkeit“ ab- zukehren genötigt waren.“ (Fest- künstlerische Niveau gehalten. Nach hängig gemacht. schrift zum 75-jährigen Bestehen des den ersten Jahren des Krieges und den Neben der Einstudierung von Or- Königlichen Konservatoriums der Mu- zunehmenden Verlusten im Orchester chesterwerken mussten sich die Mit- sik zu Leipzig am 2. April 1918. Leip- musste aber auch Davisson das Orche- glieder des Ensembles jedes Jahr im zig 1918). ster verkleinern, bis später die Ensem- praktischen Orchesterspiel öffentlich blearbeit vollständig ruhte. Wie lange bewähren, indem sie die Hauptprüfun- Angesichts der hohen Verluste im er genau als Orchesterleiter während gen der Instrumentalisten und Sänger zu Laufe des Krieges war es in den Jah- des Krieges tätig war, kann nicht ge- begleiten hatten, eine mit etwa 20 Kon- ren danach ein schwieriges Unterfan- nau festgestellt werden, es ist lediglich zerten im Jahr beachtliche Aufgabe. gen, sowohl die entsprechenden In- von einer „zwanzig jährigen Arbeit mit Hans Sitt war neben seiner Tätigkeit strumente zu besetzen als auch die den jungen Musikern“ die Rede. Zur als Musikpädagoge ein bemerkenswer- Qualität vergangener Tage wiederzu- Person Davisson ist schließlich zu be-

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Das HSO merken, dass er von 1932 bis 1942 Di- hoven-Sinfonien, Klavierkonzerte von Borodin und Chatschaturjan. Aber auch unter Prof. rektor des Konservatoriums war, das Brahms und Tschaikowski sowie Werke Komponisten der Hochschule fanden Christian sich ab 1941 „Staatliche Hochschule von Mendelssohn. Mit Egon Bölsche bei den Konzerten Gehör. So wurden Kluttig im für Musik“ nannte. (1907–1970) folgte 1948 eine länger u. a. Werke von Johannes Weyrauch, Gewandhaus zusammenhängende, sechsjährige Or- Wilhelm Weismann, Carl Heinz Pick zu Leipzig, ach der Wiedereröffnung der chesterarbeit. Bölsche war vor seinem und Siegfried Thiele einstudiert. November NHochschule 1946 wurde die Or- Amt als Orchesterleiter der Hochschu- 2001 chesterarbeit unter der Leitung von le Kapellmeister an den Theatern Köln m Jahr 1965 übernahm Rolf Reuter Heinz Bongartz (1894–1978) aufge- und Magdeburg sowie erster Kapell- I(1926–2007) die beiden Arbeitsbe- nommen. Bongartz, meister am Opernhaus Königsberg ge- reiche Orchesterleitung und Dirigier- der bereits 1947 aus wesen. Die Festschrift von 1968 er- ausbildung. Absolventen erinnern sich, dem Amt schied, wähnt hernach Franz Jung (1899– dass er neben seiner fachlichen Kompe- übernahm später 1978), der von 1954 bis zu seiner tenz vor allem die für den Orchester- die Leitung der Emeritierung 1965 sowohl die Diri- apparat unabdingbare Disziplin in die Dresdner Philhar- gierklasse als auch das Orchester be- Arbeit mit dem HSO einbrachte bzw. monie. Neben ihm treute. Er sorgte für eine sie von den Studie- standen weitere Di- kontinuierliche Aufbauar- renden verlangte. In rigenten am Pult beit im Orchester und ei- Reuters Zeit fielen des Hochschulor- nen fundierten Unterricht jährlich zwölf Or- chesters: Das erste im Fach Dirigieren. Jähr- chesterengagements Heinz öffentliche Orchesterkonzert nach den lich bis zu vier Konzerte für Kinder und Ju- Bongartz Kriegsjahren fand im Januar 1947 un- fanden unter seiner Lei- gendliche an Schu- ter der Leitung des damaligen kommis- tung in der Kongresshalle len. Weiterhin betei- Rolf Reuter sarischen Direktors der Hochschule, statt. Diese Halle diente als ligte sich das Hoch- (rechts) Heinrich Schachtebeck (1886–1965), Interim, da sowohl der schulorchester an statt. Und auch Walther Davisson diri- Konzertsaal der Hochschule als auch vier Abonnementskonzerten, die unter gierte in den folgenden Jahren einige das Gewandhaus zerstört worden wa- der Mitwirkung des Gewandhausorches- Konzerte des Hochschulorchesters. Die ren und adäquate Konzerträume fehl- ters und des Rundfunksinfonieorche- Konzertprogramme fanden bereits wie- ten. Auf dem Programm standen in sters stattfanden. Namhafte Dirigenten der große Beachtung bei der Leipziger diesen Jahren zahlreiche Konzerte mit gingen in diesen beiden Nachkriegs- Öffentlichkeit. Einstudiert wurden Beet- Mozart-Sinfonien und Werke von Glier, jahrzehnten aus der Hochschule her-

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Zerstörtes Hochschul- gebäude 1945

Neuer Großer Saal im HMT- Gebäude Grassi- straße 8 ertram Kober Foto: B Foto:

vor. Unter ihnen befanden sich Kurt reiche Gastdirigenten verpflichtet, bis allen größeren Veranstaltungen der Masur, Gert Bahner, Dietrich Kno- Christian Kluttig im Herbst 2000 die Hochschule mit, sowohl bei Opern- the, Ude Nissen und Heinz Rögner. Orchesterleitung hauptamtlich übernahm. Sein Antrittskonzert ie Jahre nach 1968 sind bis in fand am 25. November 2000 mit dirigiert das Ddie 1980er Jahre hinein relativ Werken von Dvoˇrák und Scho- HSO während schlecht dokumentiert, Zeitzeugen seien stakowitsch im Gewandhaus des Festaktes an dieser Stelle ausdrücklich gebeten, statt. Er erarbeitete mit den zur Einwei- der Redaktion des MT-Jo u r n a l s ent- Studierenden u. a. Werke von hung des sprechende Zeitdokumente wie Kon- Bruckner, Ives sowie Dupré und Großen Saals zertprogramme o.ä. zur Verfügung zu produzierte die aufwändige Oper am 2.4.2001 stellen. Nach Reuters Amtszeit wurden Eugen Onegin. 2003 bis 2004 wur- Gastdirigenten wie Olaf Koch (1932– de die Leitung des HSO an Michael und Operettenproduktionen als auch 2001) oder Günter Blumhagen (1967– Köhler übergeben, bis Christian Klut- in eigenen Sinfoniekonzerten. 1981 Chefdirigent der Jenaer Philhar- tig die Orchesterarbeit bis zu seiner „Mendelssohns Idee hat sich über monie) als Leiter des HSO verpflichtet. Emeritierung 2006 wieder übernahm. 150 Jahre bewährt“, In den 1980er Jahren war Parallel konnte das HSO von der Ar- sagte Masur einmal. Und: Leiter der Dirigierklasse, er selbst hat beit mit renommierten Gastdirigenten „Wenn heute irgendwo in der Welt jedoch nur wenige Konzerte des HSO profitieren. Zwischen 2002 und 2004 vom unverwechselbaren Klang des selbst geleitet. 1990 übernahm Chri- standen Persönlichkeiten wie Kurt Gewandhausorchesters geschrie- stian Kluttig die Leitung des Hoch- Masur, Fabio Luisi, Daniel Harding ben oder gesprochen wird, dann ist schulsinfonieorchesters im Lehrauftrag. und am Pult des als eine der tragenden Säulen auf Im November desselben Jahres leitete Hochschulsinfonieorchesters. Nach die Bildung der ‹Orchesterschule› er Konzerte in Westberlin mit Werken Fred Buttkewitz leitet seit dem Som- zu verweisen. Aus ihr geht bis auf von Mozart sowie ein Konzert im Ge- mersemester 2007 Dirigierprofessor den heutigen Tag unter der Mit- wandhaus zu Leipzig mit Werken von Ulrich Windfuhr das Ensemble. Das wirkung der besten Musiker des Milhaud, Saint-Saëns und Kodály. Spiel im hochschuleigenen Sinfonieor- Gewandhausorchesters der weitaus 1992 trat Kluttig ein Engagement in chester ist heute wesentlicher Bestand- größte Teil unseres Nachwuchses Koblenz an. Sein Nachfolger wurde teil der Ausbildung in den künstle- hervor.“ Volker Rohde, der bis 1997 das Orches- rischen Studiengängen mit Orchester- Christian Fanghänel, Heike Bronn ter leitete. Ab dieser Zeit wurden zahl- instrumenten. Das HSO wirkt bei

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Stress + Motivation Stress und Motivation Stress & Motivation Die Arbeit im Hochschulsinfonieorchester Zwei Studierende stehen Rede und Antwort über das HSO

eit dem Wintersemester 2007 Stressfaktor empfinden, z.B. Kontra- habe manchmal schon etwas von wurde die Arbeit des Hochschul- bassisten, die besonders häufig einge- „Dienst schieben“, und die Qualität sei Ssinfonieorchesters (HSO) von teilt werden. Idealerweise müsste eine nicht immer befriedigend, sagt Valen- wöchentlichen Proben auf Projekte Planungskommission so viel Rechen- tin Andert. Das liege zum Einen daran, umgestellt. Derzeit finden pro Seme- arbeit leisten, dass am Ende auch dass eine hohe Anzahl an Proben die ster drei solcher Projekte statt. Diese berücksichtigt werden könnte, ob im Stimmung bei den Studierenden drü- Projekttage sind mit Register- und jeweiligen Studienjahr entsprechend cken könne – dadurch entstünde die Tuttiproben, drei Stunden täglich, ge- viele Instrumentalisten für die Beset- Gefahr, dass sich viele Instrumenta- füllt. zung der aufzuführenden Werke zur listen nicht gut vorbereiteten, was wie- „Das projektweise Arbeiten ist viel Verfügung stehen. derum die häufigen Zusammenkünfte Kurt Masur toller“, sagt Henriette Störel, die Klari- Ansonsten, so Valentin Andert, Cel- nötig mache: ein Teufelskreis. Zum an- während nette und Blockflöte im dritten Seme- list im neunten Semester, sei das block- deren konkurrierten die Hochschulor- des Dirigier- ster studiert. Denn für die Arbeitspha- weise Arbeiten praxisnah und künstle- chester mit Auswahlensembles wie der kurses mit sen werde ein detaillierter Probenplan risch befriedigender, weil man schneller Ju n g e n De u t s c h e n Ph i l h a r m o n i e , dem HSO erstellt, so dass auch die anderen Un- zum Ziel komme und nicht ein ganzes dem Gu s t a v Ma h l e r Ju g e n d o r c h e - im Januar terrichte des Studiums in dieser Zeit Semester lang ein Stück mit sich he- s t e r oder der Ba c h -Ak a d e m i e Stutt- 2007 im noch besucht und koordiniert werden rumtrage. gart. Die hätten berühmte Dirigenten, Großen Saal könnten. Theoretischer Unterricht Allerdings meint er, dass das Hoch- namhafte Solisten und obendrein im- der HMT könne dann schon mal ausfallen, aber schulorchester tendenziell immer noch mer etwas von Ferienlager. Dazu kä- men interessante Reisen – alles Dinge, die ein Hochschulorchester im Alltag nicht zu bieten habe. Ein bisschen da- von könnte man allerdings auch in die Orchesterarbeit an der HMT bringen. Die Hochschule für Musik Ha n n s Ei s l e r Berlin beispielsweise profitiere durch eine Patenschaft mit den Berli- ner Philharmonikern von der Arbeit mit Persönlichkeiten wie Simon Rattle, Daniel Barenboim oder Nikolaus Har- noncourt. In Leipzig – so wünschen es sich die Studierenden – sollte man ver- stärkt namhafte Dirigenten, die mit dem Gewandhausorchester oder dem MDR Sinfonieorchester auftreten, zu eyen Z Workshops mit dem HSO einladen. Außerdem wäre eine intensivere

Foto: Wolfgang Wolfgang Foto: Kammermusikarbeit, insbesondere im Streichquartett, dem Orchesterspiel da die Studierenden so eingeteilt wür- zu den unpopulären Lehrveranstal- der Studierenden enorm zuträglich. den, dass jeder nicht bei allen Orche- tungen unter den Studierenden gehöre, So könnte letztendlich auch die sterprojekten mitwirkt, hielte sich das, obwohl es für die meisten der späteren Arbeit im HSO mehr Motivation er- was man verpasse, in Grenzen. Einzel- Berufspraxis am unmittelbarsten ent- halten. ne Studierende könnten jedoch trotz- spräche. Dieses Problem sei keines- Heike Bronn dem die intensive Arbeit im HSO als wegs auf die HMT beschränkt. Es

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Seit März 2007 leitet Prof. Ulrich Windfuhr die Geschicke des HSO und der Dirigierausbildung. Über seine Arbeit sprach Heike Bronn mit dem Kapellmeister

err Prof. Windfuhr, was hat Sie bewogen, Vergangenheit unbedingt Rechnung Welche pädagogischen Ziele verfolgen Sie? Ulrich Wind- Hsich an einer Hochschule und speziell der tragen. Das tut sie auch, wir sind da Ach, das sind schwere Wörter … fuhr dirigiert HMT als Professor zu bewerben? auf einem guten Weg. Ich habe ja an der HMT eine Doppel- das Konzert Mir liegt viel an der Weiterführung Dass ich an eine Hochschule gegan- aufgabe: einerseits das Hochschulsin- des HSO am der deutschen Kapellmeistertradition gen bin, hat auch damit zu tun, dass fonieorchester (HSO) zu erziehen und 8.11.2008 an den Hochschulen. Ab einem gewis- ich eine zunehmende Art von „Dille- andererseits Dirigenten auszubilden. im Gewand- sen Entwicklungsstand möchte man, tantisierung“ des Kapellmeisterwesens Das, was ich vor meinem Amtsantritt haus zu dass es weitergeht, dass der Faden, beobachte. Viele Kapellmeister sind vom HSO gehört habe, war nicht Leipzig den der große Mendelssohn uns vorge- heute keine ausgebildeten Dirigenten überzeugend. Ich möchte, dass die sponnen hat, weitergeführt wird. Ich mehr, und ihre Karrieren gehen teil- Studierenden verstehen, welch große habe mich bewusst an der HMT be- weise auf Marketingerfolge zurück. Kulturleistung ein Orchester vollbringt. worben – die Hochschule muss ihrer Dem möchte ich entgegen wirken. Das war ja auch die Intention Men-

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Mit diesem Orchester zu arbeiten ist immer eine Freude.

Sie haben fünf männliche und eine weibliche Studie- rende – dirigieren Frauen anders als Männer? Ja! – Es gibt eine weibliche Art, Musik zu erleben, die ich nicht kenne, aber es ist im- mer eine tolle Sache und eine Bereicherung. Es ist mir ein Rätsel, warum meine Genera- tion (als die erste, in der Frauen gefördert wurden) nicht mehr Dirigentinnen hervor- gebracht hat. Natürlich kann das Musikleben von Frauen am Pult nur profitieren. Der Anteil

Fotos: Gert Mothes Fotos: an nicht-dirigierenden Frauen spiegelt die Re- Das HSO delssohns: die professionelle Ausbil- deshalb arbeiten wir so praxisnah wie pressionen von Frauen in Führungs- unter Ulrich dung von Orchestermusikern. Hier er- möglich. Das projektweise Arbeiten positionen in unserer Gesellschaft wi- Windfuhr arbeite ich im Moment die Standards: funktioniert im laufenden Studienbe- der. Frauen werden aber in Zukunft in am 8.11.08 Wir erarbeiten pro Semester drei ver- trieb sehr gut. diesen Aufgaben dringend benötigt. im Gewand- schiedene Programme, in denen die zu- Das HSO soll ein „Produkt“ wer- haus künftigen Orchestermusiker das Mit- den, welches das Image der HMT auch Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Sie einanderspielen und -atmen erlernen in der Stadt Leipzig mit prägt. Wir ha- haben schon „in allen Ecken“ Deutschlands und vertiefen. ben Anfragen unter anderem vom gelebt – wie gefällt Ihnen Leipzig? Ich will vor allem gute Musiker aus- Bachfest, dem Bundesverwaltungsge- Ich habe in zehn verschiedenen bilden, erst in zweiter Linie Dirigenten. richt und der Oper Leipzig. Im Stu- Städten gelebt – wenn Leipzig nicht Dazu gehört, dass die Studierenden in dienjahr 2009/10 werden wir eine die schönste ist, dann auf jeden Fall die meinem Dirigierunterricht permanent Deutschlandtournee durchführen. Die „mit-schönste“. Ich lebe und arbeite gern ein Instrument spielen müssen. Ich halte Zusammenarbeit mit den Dirigenten hier! viel von praktischer Werkanalyse. des Gewandhausorchesters wird wie- Leipzig ist in seiner musikalischen der aufgenommen. Den Beginn macht Tradition einzigartig und muss seine Sie haben die Arbeitsweise des HSO – auch auf Dennis Russell Davies im Sommerse- einstige Größe unbedingt wiederge- Wunsch der Studiendekane – von wöchentlichen mester 2009. winnen. Die Thomaner, das Gewand- Proben auf Projektarbeit umgestellt: Was ver- haus, die HMT, der MDR oder das sprechen Sie sich von dieser Form der Arbeit? Sie haben auch Kontakt zum MDR Sinfonie- Ba c h -Ar c h i v stehen für eine Fülle Das projektweise Arbeiten ist die orchester hergestellt – wie sieht die zukünftige von musikalischen Traditionen, die Praxis für Musiker: Man studiert das Zusammenarbeit aus? man nur an wenigen Orten der Welt Konzertprogramm in der entsprechen- In Vorbereitung einer hoffentlich mitbekommt. Diese Größe muss wie- den Besetzung knapp vor dem Konzert langen und intensiven Zusammenar- der verstärkt propagiert werden. Zu- ein. Einmal pro Woche proben – so ar- beit fanden seit März 2007 bereits dem ist das Leben hier preiswert, und beitet man nicht auf dem Musikmarkt. sechs Dirigierworkshops statt. Wir ich kann Studierenden nur empfehlen, Das Ziel der Ausbildung ist der waren jeweils zwei Tage zu Gast beim nach Leipzig zu kommen. Ich bin stolz, möglichst reibungslose Übergang vom MDR und studierten wesentliche Werke dass ich hier lebe und arbeite – es ist Studium ins professionelle Musikleben, des frühromantischen Repertoires ein. eine Auszeichnung!

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